Journal als PDF - Verkehrsjournal
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Das österreichische<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong><br />
www.verkehrsjournal.at 4. Jahrgang Heft 2/2010 € 8,-<br />
Road Safety Audit<br />
Raod Safety inspection<br />
Was ist das?<br />
Institutionalisierte Radverkehrsfreundlichkeit Transitverkehrspolitik<br />
in Österreich Transitverkehrspolitik der Schweiz Straßenverkehrsunfälle<br />
in Österreich
Das österreichische <strong>Verkehrsjournal</strong> erscheint einmal pro Quartal<br />
Das österreichische <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
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EDITORIAL<br />
Verkehrssicherheit <strong>als</strong> großer Mythos!<br />
Mittlerweile arbeite ich seit mehr <strong>als</strong> 15 Jahren im Verkehrsbe-<br />
reich; und das sehr gerne. Einerseits deshalb, weil stets neue in-<br />
teressante Themen zu bearbeiten sind und keine Branche auch<br />
nur annähernd so dynamisch ist wie die Verkehrsbranchen. Andererseits aber<br />
auch, weil sich manche Themen [und seien sie auch noch so schwachsinnig<br />
(Entschuldigung für diesen Ausdruck)] über viele Jahre, ja sogar Jahrzehnte<br />
<strong>als</strong> Mythos halten, dass es schon nahezu beängstigend ist.<br />
Eines dieser Endlosthemen ist die Verkehrssicherheit.<br />
Vor vielen Jahren wurde unter dem Motto „Vision Zero“ medial dazu aufge-<br />
rufen, die Verkehrssicherheit, vor allem die Straßenverkehrssicherheit deut-<br />
lich zu erhöhen. So weit, so gut.<br />
Doch wie der Ausdruck „Vision Zero“ schon sagt, war das Ziel die Stra-<br />
ßenverkehrsunfälle auf Null zu reduzieren; damit sollten einhergehend die<br />
Verkehrstoten bzw. -verletzten ebenfalls auf Null reduziert werden. Und ge-<br />
nau damit habe ich so ein bisschen ein Problem: Nicht mit der generellen<br />
Zielsetzung zur Reduktion, sondern mit dem „auf Null“.<br />
Denn warum sollten gerade im Verkehr (statistisch gesehen) weniger Men-<br />
schen verunfallen bzw. sterben <strong>als</strong> in jedem anderen Lebensbereich. Selbst<br />
auf der Couch zuhause sterben mehr Menschen <strong>als</strong> Null. Warum <strong>als</strong>o nicht<br />
auch im Verkehr?<br />
Mittlerweile wissen wohl alle Experten, dass die „Vision Zero“ weder er-<br />
reicht werden kann, noch soll. Bitte <strong>als</strong>o nicht die breite Öffentlichkeit mit<br />
diesem Mythos im Glauben lassen, dass dieses Ziel jem<strong>als</strong> erreicht werden<br />
kann. Und bitte schon gar nicht, diesen Mythos <strong>als</strong> Begründung jeder Mass-<br />
nahme im Straßenverkehr zu setzen. Danke.<br />
Alex Schubert, Herausgeber<br />
Mag. Alex Schubert,<br />
Herausgeber des<br />
österreichischen Verkehrsjourn<strong>als</strong><br />
alex.schubert@verkehrsjournal.at<br />
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EDITORIAL<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 05
INHALT 11 | 08<br />
INHALT<br />
06 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
10 30<br />
?<br />
Transitverkehrspolitik in<br />
Österreich. Schlagworte wie<br />
„Transitverkehrsrouten“, „Bren-<br />
ner-Basis-Tunnel“, „LKW-<br />
Maut“ oder „CO2 Emissionen“<br />
hört oder liest man tagtäglich in<br />
den Medien. Nicht ohne Grund?<br />
Und was macht die österrei-<br />
chische Politik, um dieses Phä-<br />
nomens Herr zu werden?<br />
Institutionalisierte Rad-<br />
verkehrsfreundlichkeit? Im<br />
Frühjahr 2009 sind in Fachkrei-<br />
sen und in der Öffentlichkeit<br />
vermehrt verschiedenste Ideen,<br />
Forderungen und Ansätze für<br />
mehr Radverkehrsfreundlichkeit<br />
in der Straßenverkehrsordnung<br />
(StVO) diskutiert worden. Wa-<br />
rum ist dies überhaupt notwen-<br />
dig geworden?<br />
38<br />
Verbesserung der Verkehrs-<br />
sicherheit durch Raod Safety<br />
Audit und Road Safety In-<br />
spection. Der Fokus liegt auf<br />
der Verdeutlichung, dass Ver-<br />
kehrssicherheit heutzutage eine<br />
große Rolle spielt. Muss die<br />
Erhöhung der Sicherheit nicht<br />
nur bei der Planung von neuen<br />
Projekten, sondern auch bei be-<br />
stehender Infrastruktur berück-<br />
sichtigt werden?<br />
56<br />
Transitverkehrspolitik der<br />
Schweiz. Der Alpenraum lei-<br />
det unter dem stetig steigenden<br />
Verkehrsaufkommen und die<br />
dadurch entstehenden Schä-<br />
den und Kosten. Insbesondere<br />
die Schweiz. Was machen und<br />
machten unsere Nachbarn, um<br />
den Transitverkehr deutlich zu<br />
reduzieren? Sollte sich Österrei-<br />
ch daran ein Beispiel nehmen?<br />
Zahlenspielerei: Straßenverkehrsunfälle in Österreich<br />
Meinung zum Thema: Angebote der ÖBB<br />
Impressum<br />
Offen ausgesprochen - Aisgesprochen offen: Sicherheit und Verkehr<br />
Umfrage: zum Thema Section-Control<br />
Verkehr in Kürze: November, Dezember 2009, Jänner 2010<br />
RubRIKEN<br />
8<br />
28<br />
69<br />
70<br />
72<br />
76<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 07
ZAHLENSPIELEREI<br />
ZAHLENSPIELEREI<br />
Straßenverkehrsunfälle in Österreich...<br />
oder auch: Schwankungen prägen den gleichbleibenden Wert!<br />
Unlängst konnte ich wieder allen möglichen Medien<br />
entnehmen, dass die Straßenverkehrsunfälle in Österrei-<br />
ch deutlich abgenommen haben und damit die ach so<br />
tolle Verkehrspolitik bestätigen.<br />
Wenn man dies kurzfristig betrachtet (und dabei viel-<br />
leicht auch nur den einen oder anderen Ausschnitt der<br />
zahlreich vorhandenen Unfallstatistiken), dann wird das<br />
in dieser Form durchaus seinen Wahrheitsgehalt haben.<br />
Wenn man die Straßenverkehrsunfallbilanz allerdings<br />
längerfristig betrachtet, dann gelangt man eventuell<br />
auch zu anderen Schlüssen.<br />
Betrachtet man z.B. die Straßenverkehrsunfälle im er-<br />
sten Halbjahr 2008 [vgl. Wirtschaftskammer Österreich:<br />
08 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Alex Schubert<br />
Verkehrswirtschaft in Zahlen, 2009] so erkennt man,<br />
dass es bei fast allen Beteiligungsformen ausgenommen<br />
der Eisenbahn im Vergleich zum ersten Halbjahr 2007<br />
zu Rückgängen gekommen ist: Bei den Pkw (Kombi)<br />
wurden im ersten Halbjahr 2008 insgesamt 22.131 beti-<br />
ligte Fahrzeuge (-4,7 %) und 13.959 Verletzte und Tote<br />
(-4,6 %) gezählt; bei den Omni- und Linienbussen wa-<br />
ren es 378 (-2,6 %) und 391 (+8,3 %), bei den Lkw,<br />
Sattelfahrzeugen und Tankwagen waren es 1.861 (-2,6<br />
%) und 544 (-9,3 %), bei der Straßenbahn waren es 138<br />
(-11,5 %) und 48 (-28,4 %) und bei der Eisenbahn wa-<br />
ren es 24 (+4,3 %) und 5 (-37,5 %).<br />
Würde man nun behaupten, dass die Verkehrspolitik<br />
in allen Bereichen ausgenommen der Eisenbahn er-<br />
folgreich war, so wäre das vermutlich etwas verkürzt.<br />
Deshalb macht es durchaus Sinn, diese Entwicklungen<br />
langfristig (etwa über einen Zeitraum von mehr <strong>als</strong> 10<br />
Jahren) zu betrachten.<br />
In Abbildung 1 ist die Entwicklung der an Straßenver-<br />
kehrsunfällen beteiligten Fahrzeugen dargestellt. Dabei<br />
erkennt man, dass bei allen Beteiligungsformen im Jahr<br />
2007 mehr Fahrzeuge an Unfällen beteiligt waren <strong>als</strong><br />
1996. So haben sich sie an Unfällen beteiligten Omni-<br />
und Linienbusse gegenüber 1996 um 13,0 % erhöht;<br />
jene im Bereich der Straßenbahn um 10,0 % und jene<br />
im Schwerverkehrsbereich um 5,0 %.<br />
Abb.1: Entwicklung der an Straßenverkehrsunfällen beteiligten Fahrzeuge, 1996-2007<br />
Abb.2: Entwicklung der an Straßenverkehrsunfällen verunglückten Personen, 1996-2007<br />
Vergleicht man demgegenüber die Entwicklung an die-<br />
sen Unfällen beteiligten Verletzten und Toten, so stellt<br />
man fest, dass es hier deutlich größere Schwankungen<br />
gibt. Schlussendlich liegen aber auch hier fast alle Be-<br />
teiligungsformen über der Ausgangsbasis von 1996. Bei<br />
Unfällen mit Omni- und Linienbus kamen 2007 um 41,0<br />
% mehr Menschen zu Schaden <strong>als</strong> 1996; bei Straßen-<br />
bahnunfällen waren es +34,0 %, bei Eisenbahnunfällen<br />
+13,0 %. Nur bei Unfällen mit Pkw-Beteiligung redu-<br />
zierten sich die Verletzten und Toten um 2 %.<br />
Diese Zahlen allein betrachtet könnte man unterstellen,<br />
dass sich im Bereich der Verkehrssicherheit in den letz-<br />
ten 10 Jahren nicht viel getan hat. Wenn man aber von<br />
einem 4 bis 5 %igen Verkehrswachstum pro Jahr aus-<br />
geht, dann sind diese Zahlen durchaus beachtlich.<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 09
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
TRANSITVERKEHRSPOLITIK IN<br />
ÖSTERREICH<br />
Marlene Zatl<br />
Transitverkehr in aller Munde<br />
Schlagworte wie „Transitverkehrsrouten“, „Brenner-<br />
Basis-Tunnel“, „LKW-Maut“ oder „CO2 Emissionen“<br />
hört oder liest man tagtäglich in den Medien. Nicht ohne<br />
Grund, denn die Globalisierung, die Forderung nach<br />
freiem Warenverkehr und der damit verbundene Anstieg<br />
des grenzüberschreitenden Güterverkehrs haben enorme<br />
Ausmaße angenommen. Überlastete Infrastrukturanla-<br />
gen, kilometerlange LKW-Kolonnen und explodierende<br />
Schadstoffemissionen sind vor allem auf sogenannten<br />
„Haupttransitrouten“ Alltag geworden. Ein Land wie Ös-<br />
terreich, im Zentrum Europas gelegen, hat verstärkt mit<br />
transitverkehrsbedingten Problemen zu kämpfen. Ös-<br />
terreich ist Mitglied der Europäischen Union und strebt<br />
10 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
eine gemeinsame, europäische Verkehrspolitik an. Oft<br />
klaffen die Forderungen der Bevölkerung Österreichs<br />
und der Regierung Österreichs bzw. der Europäischen<br />
Union auseinander. Einerseits möchte man alle Gege-<br />
benheiten welche die Umsetzung des europaweiten, frei-<br />
en Warenverkehrs behindern auflösen, andererseits muss<br />
Umwelt und Bevölkerung geschützt werden. Denn eine<br />
Verschlechterung der Luftgüte, Lärmbelästigungen und<br />
groß-flächige Trennwirkungen durch Verkehrsanlagen in<br />
Transitgebieten ver-mindern die Lebensqualität der dort<br />
angesiedelten BewohnerInnen zuse-hends. Eine Lösung<br />
aller Probleme die Gütertransporte und hier insbe-sonde-<br />
re Transittransporte verursachen, scheint in weiter Fer-<br />
ne. Aber bis dahin müssen zumindest die ersten Schritte<br />
in die richtige Richtung ge-setzt werden – in Form von
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
zielführenden Maßnahmen für eine Vermei-dung, Ver-<br />
ringerung, Verlagerung bzw. eine umwelt- und sozial-<br />
verträglichere Gestaltung des Transitverkehrs.<br />
Forschungsfrage und Ziele der Arbeit<br />
Mit Hilfe einer Bewertung im Rahmen eines länderspezi-<br />
fischen Vergleichs mit der Schweiz, soll die Forschungs-<br />
frage, die dieser Arbeit zugrunde liegt, beantwortet<br />
werden: „Welche verkehrspolitischen Instru-mente setzt<br />
Österreich, um Transitverkehr zu vermeiden, zu verrin-<br />
gern, zu verlagern bzw. umwelt- und sozialverträglicher<br />
zu gestalten? Sind die von Österreich angewandten<br />
Instrumente im Vergleich zu denen der Schweiz effizi-<br />
ent?“.<br />
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es Transitver-<br />
kehr zu definieren und die maßgeblichen Transitrouten<br />
Österreichs zu lokalisieren. Die Entwicklung der Tran-<br />
sitverkehrspolitik in Österreich seit 1970 soll dargestellt<br />
werden. Die verkehrspolitischen Instrumente die Öster-<br />
reich setzt, um transitverkehrsbedingten Probleme ent-<br />
gegenzuwirken, sollen beschrieben werden.<br />
Methodik<br />
Dieser wissenschaftlichen Arbeit liegt eine Literaturre-<br />
cherche zu Grunde. Ausgewählt wurden va. literarische<br />
Werke des Themenkreises Verkehrs-politik, Verkehrs-<br />
wirtschaft, Verkehrsverträglichkeit, Verkehrslenkung<br />
und -steuerung. Ausgewählte Beiträge aus Fachzeit-<br />
schriften sollen aktuelle Themen und Problemstellungen<br />
aufgreifen. Statistisches Datenmaterial, aus wissen-<br />
schaftlich fundierten Internetquellen modifiziert über-<br />
nommen, soll sachliche und zeitliche Entwicklungen<br />
aufzeigen.<br />
Transitverkehr<br />
Im folgenden Kapitel soll der Begriff Transitverkehr<br />
definiert und die wichtigsten Transitrouten Österreichs<br />
gezeigt werden. Mit Hilfe von statistischem Daten-<br />
material soll ein Bewusstsein für die hohe Bedeutung<br />
des Transitverkehrs in Österreich geschaffen werden.<br />
Abschließend werden die unterschiedlichsten Ausprä-<br />
gungsformen von, vom Verkehr verursachten, Umwelt-<br />
beeinträchtigungen behandelt.<br />
begriffliche Definition<br />
Etymologisch lässt sich das Wort Transit vom latei-<br />
nischen „trans“ bzw. „transitare“ ableiten, was soviel<br />
wie durch bzw. durchziehen, übersetzen, queren oder<br />
hindurch lassen bedeutet [vgl. Halbmayr, 1984]. Unter<br />
Ver-kehr versteht man alle Maßnahmen, die der Orts-<br />
veränderung von Perso-nen, Gütern und Nachrichten<br />
dienen [vgl. Kummer 2006]. Transitverkehr ist demnach<br />
jene Ortsveränderung von Personen, Gütern und Nach-<br />
rich-ten, deren Anfangs- und Endpunkte außerhalb eines<br />
Gebietes liegen, <strong>als</strong>o jeder Verkehr der nicht Binnen-,<br />
Quell- oder Zielverkehr ist [vgl. Halbmayr, 1984].<br />
Die folgende Arbeit handelt vom Transitverkehr durch<br />
Österreich. Dem-nach ist darunter jener Verkehr zu ver-<br />
stehen, der die Staatsgrenze in Richtung nach Österrei-<br />
ch überquert und in Verfolgung seines Fahrtzieles das<br />
Staatsgebiet Österreichs wieder verläßt [vgl. Cerwenka,<br />
1984]. Hier sind auch jene Fahrten hinzu zu rechnen,<br />
welche in Österreich kurz unterbrochen werden, wie<br />
auch alle Güterverkehre, die in Österreich umgeladen<br />
werden, deren Herkunfts- und Bestimmungsort jedoch<br />
außerhalb Österreichs liegen [vgl. Halbmayr, 1984].<br />
Transitverkehrsrouten durch Österreich<br />
Alpenquerende Transitrouten<br />
Das Alpengebirge zwischen dem Montblancmassiv im<br />
Westen und der Wiener Pforte im Osten stellt seit jeher<br />
eine wesentliche Behinderung der in Nord-Süd- bzw.<br />
Nordwest-Südost-Richtung verlaufenden Verkehrsströ-<br />
me dar [vgl. Halbmayr, 1984]. Diese eben genannten<br />
Verkehrsströme konzentrieren sich in den Alpen auf ei-<br />
nige wenige Verkehrsachsen [vgl. Puwein, 2007]. Die<br />
wichtigsten alpenquerenden Verbindungsrouten durch<br />
den österreichischen Teil der Alpen sind in Abbildung<br />
12 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 13<br />
1 dargestellt.<br />
Die Brennerroute führt von München über Garmisch-<br />
Partenkirchen oder Kufstein nach Innsbruck. Über den<br />
Brennerpass gelangt man in weiterer Folge nach Bozen<br />
und Verona in Italien.<br />
Die Tauernroute führt von München über Rosenheim<br />
und Bad Reichenhall nach Salzburg. Über den anschlie-<br />
ßenden Tauernpass gelangt man nach Spittal an der Drau.<br />
Weiter über Villach erreicht man einerseits Udine, Triest<br />
und Mestre in Italien und andererseits Slowenien.<br />
Von München über Rosenheim führt die Phyrnroute nach<br />
Salzburg und Wels. Über den Schobernpass erreicht man<br />
Graz und anschließend Maribor und Ljubljana in Slo-<br />
wenien.<br />
Die Semmeringroute führt von Wien nach Wiener Neu-<br />
Abb.1: Die wichtigsten Transitrouten durch Österreich<br />
stadt und anschließend über den Semmering Pass. Da-<br />
nach passiert man Bruck an der Mur und Graz bevor<br />
man schließlich Slowenien erreicht.<br />
West-Ost querende Transitrouten<br />
Die wichtigste West-Ost querende Transitroute Österrei-<br />
chs, ebenfalls in Abbildung 1 dargestellt, verbindet Süd-<br />
deutschland mit der Slowakischen Republik, Ungarn<br />
und Rumänien.<br />
Die sogenannte Donauachse führt von München über<br />
Rosenheim und Freilassing nach Salzburg. Weiter in<br />
Richtung Linz, St. Pölten und Wien erreicht man die<br />
Slowakische Republik und Ungarn.<br />
Entwicklung des Alpentransits<br />
Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, dass 2005 4,1 Mio.<br />
schwere Straßengü-terfahrzeuge den Alpenhauptkamm<br />
im Transit überquerten. Mehr <strong>als</strong> die Hälfte der Fahr-<br />
zeuge benützte dabei die Alpenübergänge in Österreich.
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
Dabei transportierten sie 57,6 % der im gesamten alpen-<br />
querenden Transitverkehr beförderten Güter.<br />
In Abbildung 3 sieht man, dass hier die Brennerroute<br />
mit 31,6 Mio. Ton-nen beförderten Gütern im Straßen-<br />
transit das größte Verkehrsaufkommen aufweist. Durch<br />
den Tauerntunnel wurden im Jahr 2007 8,2 Mio. Tonnen<br />
Güter transportiert. Das größte prozentuelle Wachstum<br />
in Österreich verzeichnete der Transitverkehr über den<br />
Semmering. Die Ursachen dafür liegen vor allem im<br />
Ausbau des hochrangigen Straßennetzes und in den ra-<br />
sant wachsenden Handelsbeziehungen zwischen Polen,<br />
Tschechien und Slowakei einerseits und Italien und Slo-<br />
wenien andererseits.<br />
Über den Schoberpass stieg der Bahntransit seit 2000<br />
um das neunfache auf 0,9 Mio. Tonnen transportierte<br />
Güter.<br />
2007 transportierten in Österreich zugelassene Straßen-<br />
güterfahrzeuge 354,28 Mio. Tonnen Güter im Inlands-,<br />
Transit- und grenzüberschreiten-den Verkehr. Im Tran-<br />
sitverkehr über die Brennerroute wurden 2007 31,6 Mio.<br />
Tonnen Güter befördert, das entspricht einem Zwölftel<br />
des von österreichischen Straßengüterfahrzeugen abge-<br />
wickelten Transportauf-kommens. Die hohe Bedeutung<br />
die dem Transitverkehr in Österreich zu-kommt, wird<br />
somit deutlich [vgl. Statistik Austria, 2008].<br />
Auf der wichtigsten West-Ost querenden Transitroute,<br />
von München über Salzburg und Wien in die Slowakei,<br />
Ungarn und andere osteuropäische Länder wurden im<br />
Jahr 2000 2,1 Mio. Tonnen Güter per Bahn transpor-<br />
tiert. 4,2 Mio. Tonnen Güter wurden auf der Straße und<br />
beachtliche 3,2 Mio. Tonnen wurden auf dem Wasser-<br />
weg transportiert [vgl. WKÖ, 2003].<br />
umweltbeeinträchtigungen des Straßenverkehrs im<br />
Vergleich zu anderen Verkehrsträgern<br />
Der Verkehr ist ein erheblicher Verursacher von Um-<br />
weltbeeinträchtigun-gen, welche in den nachfolgenden<br />
Kapiteln näher behandelt werden sollen.<br />
Schadstoffemissionen<br />
Der hohe Energieverbrauch im Luft- und Straßenverkehr<br />
wirkt sich direkt auf die Höhe der Schadstoffemissionen<br />
aus. Die Kohlendioxidbelastung ist bei einem LKW ca.<br />
sechsmal, bei der Stickoxidbelastung sogar ca. zwölfmal<br />
stärker <strong>als</strong> auf der Schiene.<br />
Der Straßenverkehr verursachte im Jahr 2004 fast ein<br />
Drittel der ver-kehrsbedingten Stickoxidemissionen<br />
(NOX) und ca. ein Fünftel der ver-kehrsbedingten Koh-<br />
lendioxidemissionen (CO2) in Österreich. Nahezu 20,0<br />
% der gesamten Feinstaubbelastung ist auf den Verkehr<br />
(Straßen-, Bahn-, Luft- und Schiffverkehr) zurückzufüh-<br />
ren.<br />
Kohlendioxid wirkt vor allem <strong>als</strong> klimaschädigende<br />
Substanz, während Stickoxide eine für den Menschen<br />
gesundheitsgefährdende Luftverunreinigung mit sich<br />
ziehen. Sie sind verantwortlich für die Bildung von<br />
Ozon und Smog. Gemeinsam mit dem sauren Regen<br />
tragen sie zum Waldsterben bei. Kohlenmonoxid ist ein<br />
hochgiftiger Schadstoff und bereits 0,5 % in der Atem-<br />
luft wirken bereits nach zehn Minuten töd-lich [vgl.<br />
Wolf, 2007].<br />
Luftschadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen erfol-<br />
gen in Bodennähe und wirken dadurch größtenteils in<br />
unmittelbarer Nähe der Verkehrswege auf Mensch und<br />
Umwelt ein. Somit sind den Gesundheitsrisiken des<br />
Straßenverkehrs vor allem BewohnerInnen an verkehrs-<br />
reichen Straßen (z.B. Transitrouten) ausgesetzt. Die Ge-<br />
samtwirkung der Luftschadstoffemissionen des Verkehrs<br />
ist schwer abzuschätzen, da es schwierig ist den Anteil<br />
des Verkehrs an einer be-stimmten Belastungssituation<br />
zu ermitteln und auch die Ermittlung von Wirkungen<br />
selbst ist problematisch, denn die Auswirkungen von<br />
Luftschadstoffbelastungen werden von den Betroffenen<br />
zumeist nicht unmittelbar wahrgenommen [vgl. Schäfer,<br />
2000].<br />
Verkehrslärm<br />
Abb.2: Länderspezifische Verteilung des alpenquerenden Straßengütertransitverkehrs, 2005<br />
Abb.3: Entwicklung des alpenquerenden Güterverkehrs auf der Straße und auf der Schiene, 2000-2007<br />
Etwa 25,0 % der ÖsterreicherInnen fühlen sich in ih-<br />
rem Lebensraum durch Lärm gestört. In mehr <strong>als</strong> 70,0<br />
% der Fälle ist die Lärmbelastung auf den Verkehr zu-<br />
rückzuführen und hier spielt vor allem der Straßenver-<br />
kehrslärm eine wesentliche Rolle [vgl. bmvit, 2007].<br />
Der Bahnverkehrslärm wird von Betroffenen aufgrund<br />
seiner zeitlich anderen Struktur <strong>als</strong> weniger störend<br />
empfunden [vgl. Schäfer, 2000]. Der Straßenverkehr ist<br />
in 82,0 % der Fälle die Quelle der Lärmbelästigung. In<br />
10, 2 % der Fälle ist die Lärmbelästigung auf den Schie-<br />
nenverkehr zurückzuführen. Der Flugverkehr ist in 5,2<br />
% und die Straßenbahn in 2,6 % der Fälle die Quelle<br />
der Verkehrslärmbelästigung [vgl. bmvit, 2007]. Folgen<br />
des Verkehrslärms können sich einerseits in einem An-<br />
stieg des Stresshormonspiegels und andererseits in einer<br />
Beeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems auswir-<br />
ken, welche zu Todesfällen führen kann [vgl. Schäfer,<br />
14 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 15<br />
2000].<br />
Energieverbrauch<br />
Im Jahr 2003 entfielen in Österreich 28,0 % des Ener-<br />
gieverbrauches auf den Verkehrssektor. 90,0 % davon<br />
entfielen auf den Straßenverkehr, 6,0% auf den Luft-
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
verkehr und nur 4,0 % auf den Schienenverkehr [vgl.<br />
bmvit, 2007].<br />
Flächenverbrauch, Oberflächenversiegelung und Trenn-<br />
wirkung<br />
Das österreichische Straßennetz verfügt über eine Länge<br />
von 106.987 km, davon sind ca. 2.050 km (ca. 2,0 %)<br />
hochrangiges Netz [vgl. bmvit, 2007]. Der Flächenbe-<br />
darf eines Kilometers Autobahn (sechsspurig, inklusive<br />
Raststationen, Parkplätzen usw.) beträgt durchschnitt-<br />
lich neun Hektar, was einem derzeitigen Flächenver-<br />
brauch des hochrangigen Straßennetzes von ca. 14.760<br />
ha [eigene Berechnungen] entspricht. Durch diese Flä-<br />
cheninanspruchnahme kommt es zu einer Verringerung<br />
der Biomasse durch Oberflächenversiegelung und zu<br />
einer Schädigung der Biomasse im Umfeld der Auto-<br />
bahn. Durch den Bau einer Transitroute wird zwar der<br />
Norden mit dem Süden bzw. zwei Staaten miteinander<br />
verbunden, überspitzt formuliert trennt sie aber auch<br />
links und rechts innerhalb eines Staates. Die Zerstörung<br />
der bestehenden Kulturlandschaft, die Trennung von<br />
Tierpopulationen, Umwege für die Bevölkerung und die<br />
damit verbundenen Zeitverluste sowie eine Stärkung der<br />
Zwangsmobilität sind die Folgen dieser Trennwirkung<br />
[vgl. Hensler, 1991]. Das österreichische Schienennetz<br />
ist derzeit 7.139 km lang und pro Kilometer Schiene<br />
(zweigleisiges Hochgeschwindigkeitsstreckennetz) wer-<br />
den 1,2 Hektar Fläche versiegelt, dies entspricht einem<br />
österreichweitem Flächenverbrauch von etwa 8567 ha<br />
[vgl. Allianz pro Schiene, 2008].<br />
Entwicklung der öst. Verkehrspolitik seit<br />
1970 mit Fokus auf den Transitverkehr<br />
Bis in die 1970er Jahre war die Hauptaufgabe der ös-<br />
terreichischen Ver-kehrspolitik, welche <strong>als</strong> Bestandteil<br />
der nation<strong>als</strong>taatlichen Wirtschaftspolitik angesehen<br />
wurde, die effektive Produktion im Verkehrswesen.<br />
Ökologische Überlegungen hinsichtlich des Ressour-<br />
cenverbrauch, der Umweltbelastungen oder der Ver-<br />
16 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
kehrssicherheit sowie die instrumentelle Funktion des<br />
Verkehrs, um übergeordnete Ziele zu erreichen, wurden<br />
hinten angestellt. Der Ausbau der Infrastruktur erfolgte<br />
nachfrageorientiert [vgl. Steininger, 2008]. Der grenz-<br />
überschreitende Güterverkehr war aufgrund zwischen-<br />
staatlicher Abkommen geregelt, in denen festgelegt<br />
wurde, dass jährlich ein Kontingent an Genehmigungen<br />
für Straßengütertransporte (Anzahl der Fahrten) auszu-<br />
handeln ist. Zweck der Kontingentierung war die Kon-<br />
trolle des grenzüberschreitenden Güterverkehrs sowie<br />
eine Regu-lierung des Marktzuganges zum Schutz ein-<br />
heimischer Frächter [vgl. Ti-wald, 1987]. Von den sie-<br />
ben leistungsfähigen Eisenbahnen, welche die Alpen in<br />
Nord-Süd Richtung überqueren führten vier über öster-<br />
reichisches Staatsgebiet [vgl. Hainitz, 1984]. Der grenz-<br />
überschreitende Güterverkehr auf der Eisenbahn trug<br />
zu einem wesentlichen Teil zum Unternehmensergebnis<br />
der ÖBB bei. Die ÖBB begannen in der Leistungs- und<br />
Preisgestaltung auf die speziellen Bedürfnisse des inter-<br />
nationalen Verkehrs einzugehen [vgl. Tiwald, 1987].<br />
Regierungen Kreisky April 1970 - Mai 1983<br />
Erstm<strong>als</strong> wurde die Verkehrspolitik in Zusammenhang<br />
mit Fremdenver-kehr, Umweltschutz, Raumordnungs-,<br />
Arbeitsmarkts-, Wirtschaftspolitik gebracht.<br />
Den Fokus legte man auf den raschen und durchge-<br />
henden Ausbau des hochrangigen Straßennetzes (be-<br />
sonderen Vorrang genoss der Ausbau der Süd- und<br />
Phyrn-Autobahn), den Ausbau von Transitstrecken, der<br />
Elektrifizierung der Österreichischen Bundesbahnen,<br />
sowie den Bau mo-derner Zentralverschiebebahnhöfe<br />
und Umschlagseinrichtungen.<br />
In Hinblick auf die Transitverkehrsproblematik forderte<br />
Kreisky in seiner dritten Amtszeit (1975-1979) erstm<strong>als</strong><br />
eine finanzielle Beteiligung der NutzerInnen und eine<br />
Verlagerung des Transitverkehrs auf die Schiene. Da-<br />
durch sollte die Lebensqualität in Transitregionen erhöht<br />
sowie eine Entlastung der bestehenden Straßen erreicht<br />
werden.<br />
In der vierten Amtszeit (1979-1983) begann man ge-<br />
samteuropäische Ge-sichtspunkte zur Finanzierung und<br />
Gestaltung des Straßennetzes heran-zuziehen, da der<br />
Ausbau der großen Transversalen nicht nur von natio-<br />
nalem Interesse war. Insbesondere dachte man hierbei an<br />
eine Beteiligung der Gemeinschaft an dem Ausbau der<br />
Innkreis- und Phyrn-Autobahn [vgl. Steininger, 2008].<br />
Nachfolgend werden wichtige, durchgesetzte Maßnah-<br />
men, welche den Transitverkehr betreffen, aufgezählt.<br />
Ab 1. Jänner 1975 galt der “Vertrag über die interna-<br />
tionale Eisenbahnbe-förderung von Gütern“ (CIM) für<br />
den grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr. Ab 1.<br />
Oktober 1977 galt der „Internationale Eisenbahntransit-<br />
tarif“ (MTT) für die Beförderung von Gütern im Transit<br />
mit RGW-Staaten [vgl. Tiwald, 1987]. In den 70er Jah-<br />
ren begann ein sukzessiver Elektrifizierungsschub bei<br />
den Österreichischen Bundesbahnen.<br />
Die vier wichtigsten Straßentransitrouten konnten teil-<br />
weise oder zur Gän-ze fertiggestellt werden. Das letzte<br />
Teilstück der Brennerautobahn wurde 1971 fertiggestellt<br />
[vgl. Hensler, 1991]. Der nördliche Teil der Tauernau-<br />
to-bahn mit dem Katschbergtunnel wurde 1974, der<br />
südliche Teil 1980 fertiggestellt [vgl. wikipedia, 2008].<br />
Der östliche Teil der Inntalautobahn wurde zwischen<br />
1968 und 1972, die Anschlussstellen in Innsbruck in den<br />
1970er Jahren und der westliche Teil in den frühen 80er<br />
Jahren fertiggestellt [vgl. wikipedia, 2008]. Auf der<br />
Phyrn-Autobahn wurde in den Jahren 1970 bis 1980 ein<br />
stark befahrenes Teilstück in der Steiermark (die soge-<br />
nannte Gastarbeiterroute) und 1983 wurde der Bosruck-<br />
Tunnel fertiggestellt [vgl. www.sattledet.oevp.at, 2008].<br />
1978 wurde die Straßenverkehrsabgabe eingeführt, wel-<br />
che nur von aus-ländischen VerkehrsteilnehmerInnen zu<br />
zahlen war [vgl. bmvit, 2007].<br />
1982 wurde die Autobahn und Schnellstraßen Finanzie-<br />
rungs-AG (ASFINAG) gegründet, welche ab nun die<br />
Planung, Finanzierung, Errichtung und Erhaltung des<br />
hochrangigen Straßennetzes über hatte [vgl. Kummer,<br />
2006].<br />
www.verkehrsjournal.at
Regierung Sinowatz Mai 1983-Juni 1986<br />
Die Fertigstellung wichtiger hochrangiger Straßenver-<br />
bindungen hatte einen enormen Transitverkehrszuwachs<br />
zur Folge. Zwischen 1970 und 1986 wuchs das Trans-<br />
portaufkommen über die Brennerroute von drei auf<br />
14 Mio. Tonnen transportierte Güter an [vgl. Watzka,<br />
1998]. Auf rechtlicher Ebene versuchte man im Bereich<br />
des Straßenverkehrsrechts die Aspekte der Verkehrssi-<br />
cherheit sowie die Auswirkungen des Verkehrsgesche-<br />
hens auf den menschlichen Lebensraum stärker zu in-<br />
tegrieren. Die Verkehrssicherheit sollte durch einen<br />
verbesserten Verkehrsfunk erhöht werden. Im Bereich<br />
der ÖBB mussten leitende Positionen künftig öffentlich<br />
ausgeschrieben werden um verbesserte Organisations-<br />
strukturen zu erreichen, welche die Bahn wettbewerbs-<br />
fähiger machen sollte [vgl. Steininger, 2008].<br />
Regierungen Vranitzky Juni 1986 – Jänner 1997<br />
Die freie Wahl des Verkehrsmittels war weiterhin<br />
eine wichtige Zielset-zung. Durch verkehrspolitische<br />
Maßnahmen sollte jedoch eine Verlagerung auf jenen<br />
Verkehrsträger erreicht werden, welcher die größte<br />
Vorteilhaftigkeit in Hinblick auf Verkehrssicherheit,<br />
Volkswirtschaft, Umweltverträglichkeit und wirtschaft-<br />
liche Effizienz besitzt. Die Erhöhung der Verkehrssi-<br />
cherheit sowie die Reduktion von Schadstoffemissionen<br />
und Verkehrslärm waren wichtige Ziele der zweiten<br />
Amtszeit (1987-1990). Ein besonderes Augenmerk lag<br />
hier auf der Transitverkehrsproblematik, da die durch<br />
den Straßenverkehr stark belasteten Gebiete größtenteils<br />
entlang von Transitrouten lagen. Geschwindigkeitsbe-<br />
schränkungen, technische Auflagen für Kraftfahrzeuge,<br />
Routen- und Tageszeitbeschränkungen sowie die Verla-<br />
gerung des Straßentransitverkehrs auf die Schiene wa-<br />
ren Aktionspunkte der Politik. Die Kapazitäten für den<br />
Huckepack- und Kom-binierten Verkehr sollten ausge-<br />
baut, Kooperationen mit benachbarten Eisenbahnver-<br />
kehrsunternehmen (EVU) eingegangen werden. Die At-<br />
traktivität des Schienengütertransitverkehrs sollte durch<br />
Infrastrukturverbesserungen und –anpassungen an das<br />
europäische Eisenbahnnetz erhöht werden. Verkürzte<br />
Transportzeiten sollten potenzielle Kunden vom Ver-<br />
kehrsträger Schiene überzeugen.<br />
In der dritten Amtszeit (1990-1994) betonte man, dass<br />
verkehrspolitische Entscheidungen den Erfordernissen<br />
des Umweltschutzes und der Bevöl-kerungsakzeptanz<br />
Rechnung tragen müssen. Dem umweltfreundlichen<br />
Verkehr sollte Vorrang gegeben werden. Um extrem be-<br />
lastete Gebiete zu entlasten sollte der Kombinierte Ver-<br />
kehr gefördert werden. Lärm- und Schadstoffemissionen<br />
sollten mit Hilfe von Vorschriften verringert werden<br />
und Steuern und Abgaben sollten an Emissionsklassen<br />
bemessen werden. Außerdem sollten gesetzliche Rah-<br />
menbedingungen geschaffen werden, um eine zeitliche<br />
und sektorale Verkehrsreduktion im Hinblick auf die<br />
Erreichung einer bestimmten Luftgüte zu ermöglichen.<br />
Dem Transitvertrag zwischen Österreich und der Euro-<br />
päischen Gemeinschaft kam ein besonderer Stellenwert<br />
18 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 19<br />
zu.<br />
In der vierten Amtszeit (1994-1995) wurden Infrastruk-<br />
turausbaumaßnah-men in sensiblen Alpenregionen not-<br />
wendig, um den Veränderungen des internationalen Ver-<br />
kehrsaufkommens Rechnung zu tragen. Erstm<strong>als</strong> wurde<br />
ein flächendeckendes, fahrleistungsabhängiges, ökolo-<br />
gisch gestaltetes Mautsystem diskutiert, um den Infra-<br />
strukturausbau finanzieren zu können, ohne das Budget<br />
weiter zu belasten. In der letzten Amtszeit Vranitzkys<br />
wurde vor allem die Notwendigkeit der Kostenwahrheit<br />
sowie die Internalisierung externer Kosten im Verkehr<br />
diskutiert, welche zur Wettbewerbsangleichung zwi-<br />
schen den Verkehrsträgern wichtig war [vgl. Steininger,<br />
2008].<br />
Nachfolgend werden wichtige, durchgesetzte Maßnah-<br />
men, welche den Transitverkehr betreffen, aufgezählt.<br />
Am 1. Dezember 1989 wurde in Österreich ein Nacht-<br />
fahrverbot für nicht lärmarme LKW mit einem hzG<br />
von über 7,5t auf den Autobahnen A8, A9, A10, A12,<br />
A13, A14 eingeführt. Für lärmarme LKW wurde die<br />
Geschwin-digkeitsbeschränkung auf 60 km/h festge-<br />
setzt [vgl. Hensler, 1991]. Diese Maßnahme hatte u.a.<br />
zur Folge, dass der nächtliche Straßenverkehrslärm um<br />
12 dB verringert wurde und bereits in den ersten vier<br />
Monaten des Jahres 1990 der LKW-Verkehr über den<br />
Brenner um 5% gesenkt werden konnte [vgl. Hensler,<br />
1991]. Sechs Jahre später wurde dieses Nachtfahrverbot<br />
auf ganz Österreich ausgeweitet.<br />
Am 21. August 1992 ratifizierte Österreich den Transit-<br />
vertrag mit der Eu-ropäischen Union, welcher den Tran-<br />
sitverkehr auf Straße und Schiene regeln soll. Zentrale<br />
Bestimmungen im Bereich Straßengüterverkehr wa-ren<br />
das hzG zwischen 38 und 42t, die Einführung von Um-<br />
weltnormen und die Verwirklichung des Ökopunktesy-<br />
stems. Im Bereich Schienengüterverkehr waren neben<br />
der Durchführung von Infrastrukturprojekten zahl-<br />
reiche Begleitmaßnahmen wie z.B. die Harmonisierung<br />
von technischen Vorschriften, die Schaffung von Haf-<br />
tungsregeln oder auch Beihilfen für den Kombinierten<br />
Verkehr von zentraler Bedeutung. Außerdem wurden
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
Regelungen zur Vereinfachung von Kontrollen und For-<br />
malitäten im Straßengüterverkehr festgelegt [vgl. Fre-<br />
rich et al, 2004].<br />
Am 1. Jänner 1993 wurde das Ökopunktesystem einge-<br />
führt, welches eine langfristige Reduktion der vom Stra-<br />
ßengütertransitverkehr verursachten Umweltbelastungen<br />
anstrebt. Ab sofort benötigte jeder LKW über 7,5t hzG<br />
im Transitverkehr durch Österreich eine bestimmt An-<br />
zahl an Ökopunkten, die dem Wert seiner Stickoxide-<br />
missionen entsprach. Bis 2003 sollten dadurch die Emis-<br />
sionen um 60 % reduziert werden.<br />
Die Kontingente wurden anhand von Schlüsseln an die<br />
Mitgliedsstaaten verteilt [vgl. Frerich et al, 2004]. Die<br />
Schwäche dieses Systems war, dass die ökopunkte-<br />
pflichtigen Transitfahrten ab 1999 durchwegs die Ober-<br />
grenzen überschritten, obwohl die Ökopunkte nie voll-<br />
ständig verbraucht wurden. Dies war auf die technischen<br />
Verbesserungen der LKW und der folglich geringeren<br />
Stickoxidemissionen zurückzuführen [vgl. Puwein,<br />
2007].<br />
Am 1. Jänner 1995 wurde eine fahrleistungsunabhängige<br />
Maut (Straßenbenützungsabgabe) für Kraftfahrzeuge<br />
mit einem hzG von über 12 Tonnen eingeführt. Sie löste<br />
den bis dahin geltenden Straßenverkehrsbeitrag, ab, da<br />
dieser ausländische VerkehrsteilnehmerInnen im Sinne<br />
der EU-Grundsätze diskriminierte [vgl. Watzka, 1998].<br />
Am 1. Februar 1996 wurde die Brennermaut erhöht. Der<br />
erhöhte Nachta-rif (167,2 €) war für alle LKW gleich,<br />
der Tagestarif unterschied in Öko-LKW (83,6 €) und<br />
nicht lärm- und abgasarme LKW (109,0 ). Der Güter-<br />
ver-kehr im Zeitraum zwischen 22.00 und 05.00 Uhr<br />
verringerte sich um 70,0 % [vgl. Watzka, 1998].<br />
1996 wurde das Strukturanpassungsgesetz erlassen,<br />
welches eine rech-nerische und organisatorische Tren-<br />
nung von Betrieb und Infrastruktur der Bahn vorsieht.<br />
Am 1. Jänner 1997 wurde eine fahrleistungsunabhän-<br />
gige Maut (Vignette) für alle Kraftfahrzeuge mit einem<br />
hzG von unter 12 Tonnen eingeführt. Sie galt auf 16 Au-<br />
20 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
tobahnen und neun Schnellstraßen. Darunter fallen auch<br />
alle wichtigen Transitstrecken [vgl. Watzka, 1998].<br />
Regierung Klima Jänner 1997-Oktober 1999<br />
Um dem Beitrittsvertrag der EU gerecht zu werden,<br />
sollte eine Anbindung der nationalen Infrastruktur an<br />
die transeuropäischen Netze erfolgen. Weitere wesent-<br />
liche Aufgaben waren der Ausbau des Schienenverkehrs<br />
und des Kombinierten Verkehrs, technische Standards<br />
zur Reduktion der Emissionsbelastungen und die Bei-<br />
behaltung und Weiterentwicklung der Ökopunkterege-<br />
lung. Im Sinne der EU-Wegekostenrichtlinie sollte eine<br />
schrittweise Anhebung der Mauten und Straßenbenüt-<br />
zungsabgaben erfolgen [vgl. Steininger, 2008].<br />
Nachfolgend werden wichtige, durchgesetzte Maßnah-<br />
men, welche den Transitverkehr betreffen, aufgezählt.<br />
Am 1. Dezember 1997 setzte Österreich das Schen-<br />
gen-Abkommen um. Ab diesem Zeitpunkt entfielen die<br />
Grenzkontrollen zwischen den einzel-nen Mitglieds-<br />
staaten des Schengen-Abkommens [vgl. www.europain-<br />
fo.at, 2008]. Dies hatte eine wesentliche Verkürzung der<br />
Transittransportzeiten zur Folge.<br />
Im Juli 1999 wurde das Schienenverkehrsmarktregulie-<br />
rungsgesetz vom Nationalrat beschlossen.<br />
Regierungen Schüssel Februar 2000 – Jänner<br />
2007<br />
Das Koalitionsabkommen zwischen der Österrei-<br />
chischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei Ös-<br />
terreich sah eine Liberalisierung und einen verstärkten<br />
Wettbewerb im Schienenverkehr, den umweltfreund-<br />
lichen Ausbau von Bahn- und Straßenverbindungen,<br />
die Verlagerung des Güterverkehrsaufkommens auf um-<br />
weltfreundlichen Verkehrsträger und den beschleunigten<br />
Transport von Gütern durch Österreich vor. In Bezug auf<br />
die LKW-Maut wollte man den Einführungstermin 1.<br />
Juli 2002 unbedingt beibehalten und Ausschrei-bungen<br />
für die Vergabe der Mautsysteme waren angelaufen. Die<br />
Transitverkehrsproblematik sollte durch faire Mautre-<br />
gelungen, Übergangsregelungen im Ökopunkteregime<br />
(z.B. sektorale und zeitliche Fahrverbote, Novellierung<br />
des Immissionsschutzgesetz-Luft) und grenzüberschrei-<br />
tende Infrastrukturinvestitionen aufgegriffen werden.<br />
Der Baubeschluss des Brenner-Basistunnels unter Betei-<br />
ligung der EU und Italien sollte so schnell wie möglich<br />
abgewickelt werden [vgl. Steininger, 2008].<br />
Nachfolgend werden wichtige, durchgesetzte Maßnah-<br />
men, welche den Transitverkehr betreffen, aufgezählt.<br />
Am 1. Jänner 2004 wurde eine fahrleistungsabhängige<br />
Maut (LKW- und Bus-Maut) für das hochrangige Stra-<br />
ßennetz für alle Kraftfahrzeuge über 3,5t hzG eingeführt<br />
[vgl. Kummer, 2006].<br />
Regierung Gusenbauer Jänner 2007 – November<br />
2008<br />
Zur Eindämmung des Transitproblems sollten neue Me-<br />
thoden zur Ermitt-lung der Kostenwahrheit und ein For-<br />
cierung einer Alpentransitbörse mit den Nachbarländern<br />
Österreichs ins Auge gefasst werden. Sonderfinan-zie-<br />
rungsmaßnahmen für den Brenner-Basistunnel wurden<br />
erarbeitet und LKW-Mautsätze sowie die Mineralölsteu-<br />
er werden angehoben. Eine weitere Maßnahme ist die<br />
effiziente und diskriminierungsfreie Ver-hängung von<br />
LKW-Fahrverboten. Die neue EU-Wegekostenricht-<br />
linie ermöglicht eine Querfinanzierung von der Straße<br />
zur Schiene. Das hochrangige Straßennetz soll in das<br />
Eigentum der ASFINAG übertragen werden, wodurch<br />
Einsparungen möglich werden sollen.<br />
Nachfolgend werden wichtige, durchgesetzte Maßnah-<br />
men, welche den Transitverkehr betreffen, aufgezählt.<br />
Mit 1. Mai 2008 wurden die LKW- und Bus-Maut um<br />
durchschnittlich vier Cent und die Mineralölsteuer auf<br />
Benzin und Diesel um respektive vier Cent erhöht.<br />
Es begann die Diskussion um die Einführung einer Al-<br />
pentransitbörse, ein europäisches, verkehrspolitisches<br />
Instrument zur Begrenzung des alpenquerenden Stra-<br />
ßengütertransitverkehrs durch die Versteigerung und<br />
den Handel von Transitrechten [vgl. Steininger, 2008].<br />
Angewandte transitverkehrspolitische<br />
Instrumente in Österreich<br />
Unter verkehrspolitischen Instrumenten versteht man<br />
Maßnahmen des Staates zur Gestaltung und Beeinflus-<br />
sung von Verkehrssystemen. Kum-mer unterscheidet<br />
hier in struktur-, prozess- und finanzpolitische Instru-<br />
mente.<br />
Die Strukturpolitik gliedert sich in die Infrastruktur- und<br />
die Marktpolitik. Die Infrastrukturpolitik beschäftigt<br />
sich mit der Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur,<br />
was sowohl Planung, Bau und Erhaltung von Wegen<br />
sowie die Verkehrsraumaufteilung umfasst. Die Markt-<br />
strukturpolitik beeinflusst die Wettbewerbsbedingungen<br />
auf den einzelnen Teilmärkten [vgl. Kummer, 2006].<br />
Die Prozesspolitik hat eine effiziente Nutzung der Ver-<br />
kehrsinfrastruktur zum Ziel. Dies soll durch die Setzung<br />
eines Rechtsrahmens, bestehend aus Gesetzen, Normen<br />
und Vorschriften und der anschließenden Ver-kehrssteu-<br />
erung mithilfe effizienter Instrumente erreicht werden.<br />
Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Schaffung inte-<br />
grierter Verkehrssysteme [vgl. Kummer, 2006].<br />
Die Finanzpolitik befasst sich mit der Allokation der für<br />
den Verkehrsbe-reich vorhandenen Mittel und mit der<br />
Gestaltung von Einnahmen durch Steuern, Gebühren<br />
und Preisen im Verkehrsbereich [vgl. Kummer, 2006].<br />
In den folgenden Kapiteln sollen jene verkehrspoli-<br />
tischen Instrumente näher behandelt werden, welche in<br />
Österreich im Rahmen der Beeinflussung des Transit-<br />
verkehrs zum Einsatz kommen.<br />
Strukturpolitische Instrumente im Straßengüterverkehr<br />
Durch den Verzicht auf den Bau neuer hochrangiger<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong><br />
21
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
Straßen in den Alpen sowie strenge Zweckmäßig-<br />
keits-, Umweltverträglichkeits- und Risikoprüfungen<br />
beim Ausbau bestehender Straßen soll der Transportzu-<br />
wachs im Transit auf die Bahn gezwungen werden. Ne-<br />
gative Begleiterscheinungen hierbei sind häufigere und<br />
länger anhaltende Staus, welche den Binnen- Quell- und<br />
Zielverkehr stärker treffen <strong>als</strong> den Transitverkehr. Folgen<br />
sind erhöhte Staukosten und Umweltbelastungen für die<br />
Bevölkerung in Transitregionen [vgl. Puwein, 2007].<br />
Prozesspolitische Instrumente im Straßengüterverkehr<br />
Fahrverbote<br />
Ein Fahrverbot untersagt bestimmten Verkehrsteilneh-<br />
merInnen die Benutzung einer Straßenverkehrsanlage.<br />
Dieses Verbot kann sich auf einen Zeitraum während<br />
der Nacht (Nachtfahrverbot) oder auf bestimmte Tage<br />
beziehen (Sonn- und Feiertagsfahrverbot).<br />
In Österreich gilt auf allen Straßenverkehrsanlagen im<br />
Zeitraum von 22.00 bis 05.00 Uhr ein Nachtfahrverbot<br />
für Lastkraftfahrzeuge mit einem hzG von über 7,5 t.<br />
Ausgenommen davon sind, nach StVO § 42 Abs. 6 u.a.<br />
Fahrten mit lärmarmen Fahrzeugen. „Lärmarm“ bedeu-<br />
tet nach KDV § 8B Abs. 1, dass der A-bewertete Schall-<br />
pegel 80 dB(A) nicht übersteigt. In Tirol auf einem Ab-<br />
schnitt der A12 bzw. der A13 wurde das Nachtfahrverbot<br />
ganzjährig auf neun Stunden ausgeweitet. Außerdem<br />
besteht auf der A12 ein ganzjähriges Fahrverbot für Sat-<br />
telkraftfahrzeuge und LKW mit Anhänger über 7,5t hzG<br />
mit Euro 0, 1 oder 2 Motoren. Zusätzlich wurden sekto-<br />
rale Fahrverbote für bestimmte Güter eingeführt (z.B.<br />
Abfälle, Kraftfahrzeuge, Stahl uvm.). Dies erfolgte im<br />
Rahmen des Immissionsschutzgesetz Lufts (IG-L). Es<br />
soll damit eine Verlagerung des Transportaufkommens<br />
auf die Schiene erreicht werden (LGBl. Nr. 2006/90 und<br />
BGBl. Nr. 1997/115). Zahlreiche regionale Fahrverbote<br />
schränken den LKW-Verkehr weiter ein.<br />
Nach der StVO § 42 Abs. 1-5 gilt an Samstagen ab 15.00<br />
bis an Sonnta-gen bis 22.00 Uhr, sowie an gesetzlichen<br />
Feiertagen von 00.00 – 22.00 Uhr gilt auf allen Straßen-<br />
verkehrsanlagen in Österreich ein sogenanntes Wochen-<br />
endfahrverbot für LKW mit einem hzG von 7,5 t bzw.<br />
für LKW mit Anhänger, wenn das hzG des LKW oder<br />
Anhängers 3,5 t übersteigt. Davon ausgenommen sind<br />
Fahrten im Rahmen des Kombinierten Verkehrs.<br />
Flexible und feste Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
Für Kraftfahrzeuge deren hzG über 3,5 t liegt, gilt in<br />
Österreich eine Ge-schwindigkeitsbeschränkung von<br />
80 km/h auf Autobahnen und Schnellstraßen. Kraft-<br />
fahrzeuge welche vom Nachtfahrverbot ausgenom-men<br />
sind, unterliegen einer Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
von 60 km/h in diesem Zeitraum (BGBl. Nr. 1989/527).<br />
Damit soll eine Reduzie-rung der Lärm- und Schad-<br />
stoffimmissionen zum Schutz der Bevölke-rung erreicht<br />
werden. Durch das IG-L ist es möglich, bei Überschrei-<br />
ten bestimmter Schadstoffgrenzwerte die vorgeschrie-<br />
bene Geschwindigkeit flexibel zu reduzieren (zumeist<br />
auf 100 km/h). Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf<br />
den Kraftfahrzeugverkehr über 3,5t hzG, da hier eine ge-<br />
nerelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h vor-<br />
geschrieben ist. Durch das IG-L (BGBl. Nr. 2007/302)<br />
wurde es jedoch auch möglich zeitliche und räumliche<br />
Beschränkungen in Hinblick auf den Schutz der Luftgü-<br />
te zu vollziehen, welche dann sehr wohl Auswirkungen<br />
auf den LKW-Verkehr haben.<br />
Gewichtsnormen<br />
In Österreich dürfen LKW ohne Anhänger ein höchst<br />
zulässiges Gesamt-gewicht von 32 t bzw. mit Anhänger<br />
von 40 t nicht überschreiten.<br />
Finanzpolitische Instrumente im Straßengüterverkehr<br />
Verkehrsspezifische Steuern<br />
Für den Straßengüterverkehr sind hier vor allem die<br />
Kraftfahrzeugsteuer (fahrleistungsunabhängig) und die<br />
Mineralölsteuer (fahrleistungsabhängig) von Bedeu-<br />
tung. Die Kraftfahrzeugsteuer wird für alle in Österrei-<br />
ch zugelassenen Kraftfahrzeuge erhoben und hat somit<br />
22 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
23
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
keinen transitverkehrsbeeinflussenden Charakter. Die<br />
Mineralölsteuer hingegen ist eine Territori<strong>als</strong>teuer, die<br />
allerdings durch das Auftanken in anderen Ländern um-<br />
gangen werden kann. Da sie sowohl von inländischen<br />
wie auch von ausländischen VerkehrsteilnehmerInnen<br />
zu entrichten ist, ist eine ausschließliche Beeinflussung<br />
des Transitverkehrs ebenfalls nicht möglich. Die Mine-<br />
ralölsteuer beträgt in Österreich 0,30 € pro Liter Diesel<br />
und liegt somit im unteren Drittel des EU-Durchschnitts<br />
[vgl. Kummer, 2006].<br />
Maut<br />
Unter einer Maut versteht man ein Entgelt für die Nut-<br />
zung von Straßen. Sie kann fahrleistungsabhängig oder<br />
zeitabhängig sein. Grundsätzlich ist jeder inländische<br />
wie auch ausländische VerkehrsteilnehmerInnen von<br />
der Maut betroffen [vgl. Kummer, 2006]. In Österreich<br />
richtet sich die Staffelung der Tarife nach der Anzahl der<br />
Achsen. Damit soll dem Verursacherprinzip Rechnung<br />
getragen werden. Diese Regelung betrifft alle Nutzfahr-<br />
zeuge wie Lastkraftwagen, Busse und schwere Wohn-<br />
mobile über 3,5 t hzG [vgl. www.asfinag.at, 2008].<br />
Die Höhe der festgelegten Mauttarife muss sich an dem<br />
Bau, dem Betrieb und dem Ausbau des betreffenden<br />
Verkehrsnetzes orientieren [vgl. EU-Wegekostenrichtli-<br />
nie]. Diese Regelung ermöglicht die Einhebung höherer<br />
Mauttarife auf Stre-cken, welche überdurchschnittlich<br />
hohe Kosten verursachen.<br />
Auf der A13, der Brennerautobahn, wird für LKW der<br />
Kategorie 4 zwischen 22:00 und 05:00 Uhr ein Nacht-<br />
tarif verlangt, der dem doppelten Tagestarif entspricht<br />
[vgl. www.asfinag.at, 2008].<br />
Die Einnahmen fließen der Autobahn- und Schnellstra-<br />
ßen Finanzierungs-AG (ASFINAG) zu und sollen vor-<br />
wiegend für die Schuldentilgung, den Betrieb, die Sanie-<br />
rung und den Ausbau des hochrangigen Straßennetzes<br />
verwendet werden. Eine Querfinanzierung anderer Ver-<br />
kehrsträger ist somit bislang noch nicht vorgesehen. Das<br />
österreichische Mautsystem ist vollelektronisch und ba-<br />
siert auf dem Mikrowellensystem. Durch die Verwen-<br />
dung eines „Multilane-Free-Flow“-Systems fällt eine<br />
Stoppnotwendigkeit zur Abbuchung der Mautbeträge<br />
weg, was die Entstehung zusätzlicher Staus verhindert.<br />
Die zwei wesentlichsten Komponenten dieses Systems<br />
sind die on-board-unit im Fahrzeug, sowie die Mautbal-<br />
ken auf der Straße [vgl. Kummer, 2006].<br />
Strukturpolitische Instrumente im Schienengüterverkehr<br />
Ausbau der Schieneninfrastruktur<br />
Der Transitverkehr ist durchwegs Langstreckenverkehr<br />
– ein Segment, in dem die Bahn sich am ehesten gegen<br />
den Straßengüterverkehr behaup-ten kann. In Österreich<br />
erhofft sich die Verkehrspolitik durch den Ausbau der<br />
alpenquerenden Schienenwege eine Verlagerung des<br />
Transportauf-kommens von der Straße auf die Schiene.<br />
Der Generalverkehrsplan Ös-terreich sieht umfangreiche<br />
Ausbaumaßnahmen für die wichtigste alpenquerende<br />
Bahnverbindung, die Brennerbahnstrecke, vor. Die ge-<br />
schätzten Kosten belaufen sich bei einer geschätzten<br />
Bauzeit von acht Jahren auf 5,4 Milliarden Euro. Es<br />
ist eine Querfinanzierung aus den Mauteinnahmen des<br />
Schwerverkehrs über den Brenner vorgesehen. Auch<br />
Trassenentgelte der bestehenden Bahnen werden die neue<br />
Infrastruktur mitfinanzieren. All dies reicht aber bei wei-<br />
tem nicht aus und so ist derzeit geplant, dass Österreich<br />
und Italien je 40 % und die EU 20 % der Kosten über-<br />
nehmen wird. Naheliegend wäre, jene Wirtschaftsräume<br />
die von diesem Infrastrukturausbau profitieren auch an<br />
den Baukosten zu beteiligen. Ob der Ausbau der Schie-<br />
neninfrastruktur wirklich ein geeignetes Instrument zur<br />
Verlagerung des Transportaufkommens auf die Schiene<br />
ist, ist fraglich, da die be-stehenden Bahntrassen bisher<br />
kaum voll ausgelastet waren [vgl. Puwein, 2007].<br />
Deregulierung<br />
Durch die Richtlinie 91/440/EWG und den dazugehö-<br />
rigen Verordnungen der EU stand einer konsequenten<br />
Deregulierung des österreichischen Schienenverkehrs-<br />
marktes nichts mehr im Wege. Das Hauptaugenmerk lag<br />
auf der rechnerischen und organisatorischen Trennung<br />
von Betrieb und Infrastruktur [vgl. Kummer, 2006].<br />
Dies wurde in Österreich mit dem Strukturanpassungs-<br />
gesetz 1996 (BGBl. Nr. 1996/201) durchgeführt. Ein<br />
weiterer Schritt hin zum freien Wettbewerb am Eisen-<br />
bahnmarkt von Schienenverkehrsleistungen war das<br />
Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz welches im<br />
Juli 1999 vom Nationalrat beschlossen wurde. Ziel war<br />
die wirtschaftliche Nutzung der Schienenbahnen in Ös-<br />
terreich zu gewährleisten. Dies sollte geschehen durch<br />
[vgl. Schäfer, 2000]:<br />
Förderung des Wettbewerbs zwischen den EVU<br />
Förderung des Eintritts neuer EVU in den Schienen-<br />
verkehrsmarkt<br />
Sicherstellung des Zuganges zur Schieneninfrastruk-<br />
tur<br />
gegenseitige Verknüpfung der Schienenbahnen<br />
Die Deregulierung des österreichischen Schienenver-<br />
kehrsmarktes hat zu keiner großartigen Veränderung<br />
des Modal Splits zugunsten des Schienengüterverkehrs<br />
beigetragen. Dennoch konnte das Transportaufkommen<br />
im Schienengüterverkehr auf den wichtigen Bahntransi-<br />
trouten gesteigert werden und die Deregulierungsmaß-<br />
nahmen sind hierfür sicher mitverantwortlich.<br />
Prozesspolitische Instrumente im Schienengüterverkehr<br />
Das europäische Schienenverkehrsnetz ist historisch<br />
gewachsen und weist unterschiedliche Spurweiten, Si-<br />
cherungssysteme, Stromversor-gungssysteme uvm auf.<br />
Besonders im grenzüberschreitenden Verkehr ist es für<br />
nationale EVU schwierig diese technischen und orga-<br />
nisatorischen Hemmnisse zu überwinden [vgl. Schäfer,<br />
2000]. Notwendiges Umladen von Transporteinheiten,<br />
Umspuren von Waggons oder ein Wechsel des Zug-<br />
person<strong>als</strong> und die damit verbundenen Zeitverluste und<br />
Kosten stellen einen wesentlichen Nachteil im grenzü-<br />
berschreitenden Schienengüterverkehr gegenüber dem<br />
Straßengüterverkehr dar. Das European Train Control<br />
System (ETCS) ist eine Initiative der Europäischen Uni-<br />
on, welche eine europaweite Harmonisierung der Zug-<br />
sicherungssysteme in vier Schritten (Levels) zum Ziel<br />
hat. 1999 testete man auf der Strecke Wien-Budapest<br />
erfolgreich das ETCS. 2001 folgte die Einführung des<br />
ersten Levels des ETCS auf der Strecke Wien-Nickels-<br />
dorf. 2009 soll die Strecke Passau-Wels folgen. Die eu-<br />
ropaweite Einführung des ETCS wird nach Schätzungen<br />
aber noch 15-20 Jahre dauern und bis dahin haben EVU<br />
weiterhin mit den benachteiligenden Problemen der<br />
mangelnden Interoperabilität zu kämpfen [vgl. wikipe-<br />
dia, 2008].<br />
Finanzpolitische Instrumente im Schienengüterverkehr<br />
Trassenpreise bezeichnen das Entgelt für die Nutzung<br />
einer Kapazitäts-einheit (Zeitfenster) auf einer be-<br />
stimmten Bahnstrecke. Ziel des Trassen-preissystems<br />
ist es, eine gute Auslastung der Infrastrukturkapazität<br />
zu erreichen sowie den durch die Nutzung entstehenden<br />
Ressourcenverbrauch abzugelten. In Österreich richtet<br />
sich die Höhe der Trassenpreise nach der Strecke/Re-<br />
lation. Besonders hoch frequentierte Strecken wie z.B.<br />
die für den Transitverkehr maßgebliche Brenner- oder<br />
Tauernstrecke werden höher bepreist. Ob dies zweck-<br />
dienlich in Hinblick auf die Verlagerung des Transit-<br />
transportaufkommens auf die Schiene ist, ist fraglich.<br />
Die Einnahmen fließen ausschließlich dem Infrastruk-<br />
turbetrieb zu und eine Quersubventionierung zwischen<br />
den getrennten Geschäftsbereichen der Eisenbahn ist<br />
aufgrund der Richtlinie 91/440 EWG der EU verboten<br />
[vgl. Kummer, 2006].<br />
Auswirkungen der im Straßengüterverkehr angewandten<br />
Instrumente auf den Schienengüterverkehr<br />
Durch die bereits zu klein werdende Infrastrukturkapa-<br />
zität im alpenque-renden Straßentransit und den zusätz-<br />
lichen Verzicht auf den Bau neuer, hochrangiger Straßen<br />
in den Alpen wird der Transportzuwachs im Transit auf<br />
die Bahn ausweichen müssen.<br />
24 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
25
TRANSITvERkEHRSPOLITIk IN ÖSTERREIcH<br />
Fahrverbote, Geschwindigkeitsbeschränkungen und<br />
technische Normen „benachteiligen“ den Straßengüter-<br />
verkehr was wiederum zu einer erhöhten Attraktivität<br />
des Schienengüterverkehrs führt.<br />
Benützungsentgelte für Straßenverkehrsanlagen, die<br />
Kraftfahrzeugsteuer und die Mineralölsteuer erhöhen<br />
die Transportkosten im Straßenverkehr spürbar und sol-<br />
len den Straßentransit auf die Schiene „zwingen“.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Brenner-, Tauern- und Phyrnroute sind die wich-<br />
tigsten alpenqueren-den Transitrouten Österreichs und<br />
alle verzeichnen ein stetig wachsendes Transportauf-<br />
kommen. Die Verhältnisse zwischen Straße und Schiene<br />
könnten hierbei aber unterschiedlicher nicht sein.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Die vom Straßenverkehr verursachten Schadstoffemis-<br />
sionen und der hohe Energieverbrauch, der <strong>als</strong> sehr<br />
störend empfunden Straßenverkehrslärm, der hohe Flä-<br />
chenverbrauch von Straßenverkehrsanlagen und die da-<br />
raus resultierende Trennwirkung wirken sich belastend<br />
auf Mensch und Umwelt aus.<br />
Der Transitverkehr im Spannungsfeld zwischen der<br />
Forderung nach freiem Warenverkehr einerseits und<br />
der Forderung der Menschen nach hoher Lebensquali-<br />
tät zählt zu den größten Problemen der österreichischen<br />
Verkehrspolitik.<br />
Allianz pro Schiene: Umweltschonend mobil: Bahn, Auto, Flugzeug, Schiff im Umweltvergleich<br />
(Mai 2008), 2008<br />
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie: Verkehr in Zahlen: Ausgabe<br />
2007, Wien, 2007<br />
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in: Halbmayr, Karl / Gürtlich, Gerhard (Hrsg.): ÖVG Spezial Band 6: Transitverkehr in<br />
Österreich, Wien, 1984, S 131-13<br />
Frerich, Johannes / Müller, Gernot: Europäische Verkehrspolitik: Von den Anfängen bis<br />
zur Osterweiterung der europäischen Union, Bonn, 2004<br />
Gürtlich, Gerhard / Halbmayr, Karl (Hrsg.): ÖVG Spezial Band 6: Tran-sitverkehr in Österreich,<br />
Wien, 1984<br />
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Halbmayr, Karl / Gürtlich, Gerhard (Hrsg.): ÖVG Spezial Band 6: Transitverkehr in Österreich,<br />
Wien, 1984, S 31-38<br />
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Gerhard (Hrsg.): ÖVG Spezial Band 6: Transitverkehr in Österreich, Wien, 1984, S 1-8<br />
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Halbmayr, Karl / Gürtlich, Gerhard (Hrsg.): ÖVG Spezial Band 6: Transitverkehr in Österreich,<br />
Wien, 1984, S 151-153<br />
Hensler, Sabine: Probleme des Transitverkehrs über die Brennerroute, Wien, 1992<br />
Kummer, Sebastian: Einführung in die Verkehrswirtschaft, Wien, 2006<br />
Schäfer, Erich: Umweltverträgliche Verkehrspolitik mit rechtlichen Instru-menten, Wien,<br />
2000<br />
Steininger, Gotthard Maximilian: Ziele und Vorgaben der österreichischen Verkehrspolitik<br />
in den Koalitionsabkommen der Bundesregierung: Ein Zeitvergleich 1945-2007<br />
Tiwald, Wolfgang Alexander: Verkehrsprobleme Österreichs <strong>als</strong> Folge seiner Lage an der<br />
Grenze von zwei Wirtschaftsblöcken, Wien, 1987<br />
Puwein, Wilfried: Evaluierung von Regelungen für den Gütertransitverkehr durch die Alpen,<br />
in: WIFO Monatsberichte, 2007, 7, S 597-614<br />
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http://www.sattledet.oevp.at/ooe/frames/phyrnabfr/htm<br />
http://www.statisitk.at<br />
http://www.wikipedia.org<br />
26 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Dieses Bewusstsein entwickelte sich aber erst im Lau-<br />
fe der Zeit, denn bis zu den 70er Jahren wurden öko-<br />
logische Überlegungen in der Verkehrspolitik vernach-<br />
lässigt. Von 1970 bis Mitte der 80er Jahre wurde der<br />
Straßenbau besonders stark vorangetrieben und das auf<br />
der Straße transportiere Güteraufkommen explodierte<br />
regelrecht.<br />
Erst in den späten 80er Jahren begann die Politik die schon<br />
seit langem bestehenden Probleme auf den Transitrouten<br />
in Angriff zu nehmen. In den folgenden Jahren wurden<br />
Nacht- und Wochenendfahrverbote, fahr-leistungsunab-<br />
hängige Mauten und Sondermauten für besonders be-<br />
lastete Gebiete eingeführt. Der Transitvertrag, welcher<br />
den Transitverkehr zwischen Österreich und den Mit-<br />
gliedsstaaten der Europäischen Union regeln soll, sah<br />
unter anderem eine sogenannte Ökopunkteregelung vor.<br />
Jedoch blieben die erhofften Erwartungen aus.<br />
2004 wurde die fahrleistungsabhängige Maut für das<br />
hochrangige öster-reichische Straßennetz eingeführt.<br />
Mit ihr soll dem Verursacherprinzip Rechnung getragen<br />
werden. Seit kurzem diskutiert man die Einführung einer<br />
Alpentransitbörse, die das Transitverkehrsaufkommen<br />
reduzieren soll, indem Transitrechte gehandelt werden.<br />
Zur Zeit versucht die österreichische Verkehrspolitik<br />
durch den Verzicht auf den Bau neuer Alpenstraßen, Ge-<br />
schwindigkeitsbegrenzungen und Gewichtsnormen für<br />
den Schwerverkehr, Maut und mit Hilfe von zeitlichen<br />
Fahrverboten den Transitverkehr auf die Schiene zu ver-<br />
lagern. Gleichzeitig erhofft man sich vom Ausbau der<br />
Schieneninfrastruktur, der Deregulierung des Schienen-<br />
verkehrsmarktes und der Angleichung nationaler tech-<br />
nischer Normen an europäische Normen den Schienen-<br />
verkehr attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen.<br />
Das Grundproblem, das explodierende weltweite Güter-<br />
verkehrswachstum, kann dadurch aber nicht bekämpft<br />
werden und so wird auch weiterhin der Transitverkehr<br />
durch Österreich das Problemkind der nationalen Ver-<br />
kehrspolitik bleiben. Denn nur eine Vermeidung des<br />
Transportaufkommens könnte wirklich Abhilfe schaf-<br />
fen.<br />
?<br />
Foto kann leider nicht angezeigt werden.<br />
Marlene Zatl studierte an der Fachhochschule des bfi<br />
Wien den Studiengang „Logistik und Transportma-<br />
nagement“.
MEINUNG ZUM THEMA<br />
MEINuNG ZuM THEMA<br />
Auszüge reger Diskussionen zum Thema „Angebote der ÖBB“<br />
auf verkehrsforum.at<br />
Snow and Fun Ticket<br />
Takeshi Skifahren ohne Ende, der Winter samt dem<br />
Schnee ist da! Mit dem Ticekt kann man an- und ab-<br />
reisen mit der öbb, plus der Transfer zum Skigebiet ist<br />
drinnen. Gleichzeitig ist das Ticket auch eine Skitages-<br />
karte (kann man bei der Liftkassa dann umtauschen).<br />
Ist insgesamt auch nur an einem Tag gültig.<br />
Anonym Und was kostet der (Snow and) Fun? Eine<br />
Kombination von Anfahrt und Luftkarte ist sinnvoll.<br />
Schon durch die hinfällige Parkplatzsuche, aber wird<br />
damit auch die Liftkarte billiger?<br />
Takeshi Das ist ganz verschieden, der Preis setzt sich<br />
ja auch aus Anreise und co zusammen, einfach mal<br />
auf die hp klicken, da sind ceh ein paar Preisbeispiele<br />
drinne, ich bin letztens von Wels zum Kasberg ge-<br />
fahren und das waren samt den ticket und skipass so<br />
knappe 30 Euro.<br />
Anonym Gut, das ist nicht schlecht. Braucht man dazu<br />
eigentlich eine Vorteilscard oder lassens einen auch so<br />
mitfahrn ;)<br />
Takeshi Kann man auch sowohl mit <strong>als</strong> auch ohne bu-<br />
chen, aber klar dann wirds nochm<strong>als</strong> günstiger! Drum<br />
waren bei mir eben 30 - ich glaube ohne wären 5 euro<br />
mehr gewesen! Ach ja - auch wenn man sich was aus-<br />
borgen möchte, sollte man dann das herzeigen, da be-<br />
kommt man auch bis zu 15% Ermässigungen wenn<br />
man Skier oder Helm oder was braucht!<br />
Blackbird Hier noch einmal die Details bevor der<br />
Frühling kommt: Das Snow & Fun-Ticket beinhaltet:<br />
1) die An- und Abreise mit der Bahn<br />
2) den Transfer zum Skigebiet und retour<br />
(Bustransfer ist zeitlich immer auf die Snow&Fun-<br />
Züge abgestimmt.)<br />
3)Skitageskarte - ÖBB-Ticket ist gleichzeitig auch<br />
Skitageskarte!<br />
Nettes Detail am Rande: Dieses Jahr gab es sogar<br />
einen eigenen Apres-Ski Discobus. Da sind dann an-<br />
scheinend wirklich alle Skigaudifreunde auf ihre Ko-<br />
sten gekommen.<br />
Städtereisen der ÖBB<br />
Anonym Ich hab mir grad wieder die Angebote der<br />
ÖBB auf ihrer Seite angeschaut, und bin von den Städ-<br />
treisen sehr begeistert. Für einen Betrag von plus/mins<br />
45 Euro kann man in unterschiedlichen Städten eine<br />
Nacht verbringen. Sicher geht sich an diesen zwei<br />
Tagen nicht aus alles an Sehenswürdigkeiten zu se-<br />
hen, was so eine Stadt zu bieten hat, aber mit etwas<br />
Information kann man doch die wichtigsten Sachen,<br />
samt gutem Essen und Urlaubsfeeling unterbringen.<br />
Hat jemand von euch schon eines dieser Städtereise-<br />
angebote genutzt? Und würdet ihr das anderen auch<br />
empfehlen?<br />
Anonym Was ist denn in diesem Preis inkludiert? Und<br />
welche Städte stehen zur Auswahl? Manche kann man<br />
ja sehr wohl in 1-2 Tagen erkunden. Denn Stadt ist<br />
nicht gleich Stadt. Jede hat etwas anderes zu bieten<br />
und ob das viel oder wenig ist wird wohl auch der Rei-<br />
sende selbst entscheiden müssen.<br />
Takeshi Ach da ist von bis alles dabei an Städten -<br />
ganz unterschiedlich! Einfach mal auf die hp der rail-<br />
tours schaun! Und ich kanns nur empfehlen, kurzer<br />
schöner Städtetripp mit allem drum und dran, ich finds<br />
gut, besser <strong>als</strong> wenn mans im Reisebüro bucht da zahlt<br />
man sicher mehr!<br />
Anonym So weit ich weiß kann man sich zum selben<br />
Preis in den Reisebüros am Bahnhof beraten lassen.<br />
Aber um vorab die (Sonder)Angebote durchzustö-<br />
bern oder sich auch online zu entscheiden ist die Seite<br />
schon auch geeignet. So weit ich gesehen habe sind<br />
die meisten Reisen inklusive ausgewählter Hotels und<br />
Verpflegung. Sprich all inclusive.<br />
Takeshi Apropos Städtereise und ÖBB: die haben<br />
jetzt auch ein tolles Angebot für Budapest - man kann<br />
hin und retour fahren um 29 Euro! Es ist jedoch nur<br />
höchstens 4 Tage gültig und natürlich auf gewisse<br />
Züge beschränkt!<br />
Railjet<br />
Anonym Der neue Railjet der ÖBB ist nun schon bald<br />
einem Monat (seit 14.12.) im Einsatz. Zwischen Bu-<br />
dapest Wien und München verkehrt der neue Hochge-<br />
schwindigkeitszug à la TGV mit modernster Ausstat-<br />
tung, höchstem Komfort, zeitgemäßem Design und<br />
ein exklusivem Serviceangebot.<br />
28 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
29
INSTITUTIONALISIERTE RADvERkEHRSfREUNDLIcHkEIT?<br />
Institutionalisierte<br />
Radverkehrsfreundlichkeit?<br />
Intro<br />
Im Frühjahr 2009 sind in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit<br />
vermehrt verschiedenste Ideen, Forderungen<br />
und Ansätze für mehr Radverkehrsfreundlichkeit<br />
in der Straßenverkehrsordnung (StVO) diskutiert<br />
worden. Die Vorschläge reichten von der Aufhebung<br />
der Benützungspflicht von Radwegen über die Vereinfachung<br />
der (Vorrang-)Regelungen bis hin zur Idee,<br />
Radverkehrsstraßen einzuführen. Sie konnten somit<br />
statt den jedes Jahr in den Sommermonaten an die<br />
Oberfläche gelangenden Forderungen nach Fahrradkennzeichen<br />
einen differenzierteren Diskussionsinhalt<br />
zum Radverkehr einbringen.<br />
Institutionalisierte benachteiligung<br />
Wie sieht die Praxis der radverkehrsbezogenen Politik<br />
in Österreich aus?<br />
Auf der einen Seite wird der Radverkehr (RV) in den<br />
meisten Verkehrskonzepten <strong>als</strong> wesentlicher Bestandteil<br />
eines verträglichen zukünftigen Verkehrssystems<br />
angesehen – auf allen Ebenen, vom Bund über die<br />
Länder bis zu den Kommunen. Oftmalig und wiederholt<br />
wird hervor gestrichen, wie gut, wichtig, gesund<br />
und auch lustvoll Radfahren sei [vgl. Hiess H. et al.<br />
2003; Rosinak & Partner et al. 2006; Loimer H. et al.<br />
2008].<br />
Auf der anderen Seite wird der Radverkehr <strong>als</strong> solcher<br />
noch immer stiefmütterlich behandelt. Es gibt<br />
Tadej Brezina<br />
grundsätzlich keinen Grund vorab, den Freizeit- und<br />
Alltagsradverkehr nicht <strong>als</strong> mindestens gleichwertig<br />
anzusehen. Bislang ist im ländlichen und semiurbanen<br />
Raum das Hauptaugenmerk aber nur auf ersteren gerichtet<br />
worden. Der Radverkehr ist auf den mentalen<br />
Karten vieler Menschen noch immer etwas, das die<br />
große Masse nur in der Freizeit <strong>als</strong> Sport oder touristische<br />
Fortbewegung betreibt. In den Städten gibt es<br />
einen kleinen Bevölkerungsanteil, der das Rad auch<br />
für seine Alltagswege z.B. für Fahrten in die Arbeit<br />
verwendet.<br />
Viele kleine Initiativen, beispielsweise auf Gemeinde-<br />
oder Gemeindeverbandsebene agieren im Bereich<br />
der Radverkehrsförderung oft engagiert, aber selten<br />
koordiniert und an einem Strick in eine Richtung<br />
ziehend. Dennoch werden hie und da beachtliche Erfolge<br />
erreicht [vgl. Castro Fernández A. et al. 2009].<br />
Von einer Zusammenarbeit unter großer nationaler<br />
Schirmherrschaft jedoch kann keine Rede sein, eher<br />
von Flickwerk. Daraus lässt sich der generelle Befund<br />
ableiten, dass der Radverkehr, mit einigen städtischen<br />
Ausnahmen, nach wie vor eine geringe, dem motorisierten<br />
Individualverkehr (MIV) weit untergeordnete,<br />
Rolle spielt.<br />
Der Masterplan Radfahren [vgl. Koch H. 2006] <strong>als</strong> nationales<br />
Beispiel stellt einen guten Startpunkt dar – in<br />
den Niederlanden hat der Radverkehrsboom ja auch<br />
mit dem „Masterplan fiets“ ab Ende der 1980er Jahre<br />
sehr erfolgreich seine institutionalisierte Lenkung<br />
erfahren. Aber er stellt auch nur Absichten und keine<br />
verbindlichen Strukturen dar. Und engagierte und<br />
notwendig erscheinende Pläne im<br />
Bereich umweltbezogener Handlungsfelder<br />
hat es in Österreich<br />
schon viele gegeben, die in ihrer<br />
Umsetzung weit weniger engagiert<br />
voranschritten, ja direkt versandeten<br />
– z.B. der NUP, der Nationale<br />
Umweltplan aus dem Jahre 1995<br />
[vgl. BM f. Umwelt 1995].<br />
Grundlegende Änderungen des<br />
Verhaltens bedürfen einer grundlegenden<br />
Veränderung, eines<br />
Wechsels in den ihnen zu Grunde<br />
liegenden Strukturen – den sozialen<br />
Regelsystemen. Für einen tatsächlichen<br />
Umschichtungseffekt<br />
beim Modal Split wird daher eine<br />
verkehrspolitische Priorisierung<br />
notwendig sein, die sich nicht nur<br />
gedanklich, sondern vor allem gegenständlich<br />
manifestiert. Will<br />
man entsprechende Änderungen in<br />
den Daten des Modal Splits erreichen,<br />
ist eine Verhaltensänderung<br />
notwendig und diese ist wiederum<br />
nur zu erreichen über eine Veränderung<br />
der verkehrlichen Strukturen:<br />
bei den Gesetzen, den Finanzen<br />
und der gebauten Umwelt [vgl.<br />
Knoflacher H. 2007].<br />
Elemente der institutionalisierten<br />
Hemmung des Radverkehrs in Österreich<br />
sind:<br />
Die Radverkehrsförderung auf<br />
Ebene des Bundes wird vom<br />
Umweltministerium propagiert,<br />
das primär verantwortliche Verkehrsministerium<br />
hält sich zurück;<br />
Die Landesbauordnungen haben<br />
keine Vorschreibung von<br />
hochqualitativen Radabstellplätzen.<br />
Ausnahmen sind Oberösterreich,<br />
Salzburg und die<br />
Steiermark. Wobei nur in Oberösterreich<br />
die Regelungstiefe<br />
<strong>als</strong> zufriedenstellend, weil analog<br />
den PKW-Abstellplätzen,<br />
angesehen werden kann [vgl.<br />
Knoflacher H. et al. 2007];<br />
30 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 31
INSTITUTIONALISIERTE RADvERkEHRSfREUNDLIcHkEIT?<br />
Abb.1: Ist der Radverkehr in den verkehrswirksamen Strukturen nicht, oder nur<br />
aushilfsmäßig vertreten, so äußert sich das auch im entsprechenden Verhalten und dem<br />
Modal Split [modifiziert nach Knoflacher, 2007]<br />
Es besteht keine gesetzliche Möglichkeit, nicht gebrauchte<br />
PKW-Abstellplätze für den Radverkehr<br />
umzunutzen. Das Rechtssystem ist auf das Verkehrsmittel<br />
PKW fixiert.<br />
Die Benützungspflicht von Radverkehrsanlagen für<br />
alle Radfahrer. Ausnahmen sind: Rennräder bei Trainingsfahrten,<br />
mehrspurige Fahrräder, Fahrräder mit<br />
Anhängern für Personen und Lasten [vgl. Nationalrat<br />
1960]. Die Radbenützungspflicht ist ja eine Erfindung<br />
des Deutschen Reiches, um das Rad weg von<br />
der Fahrbahn zu bekommen [vgl. www.recht-fürradfahrer.de,<br />
2009] und dem Autoverkehr möglichst<br />
freie Fahrbahnen zu bieten.<br />
Nachdem die StVO die Radfahrer auf Radfahranlagen<br />
zwingt, nimmt sie ihnen generell die Vorfahrt:<br />
„Radfahrer, die eine Radfahranlage verlassen, haben<br />
anderen Fahrzeugen im fließenden Verkehr den Vorrang<br />
zu geben.“ [§ 19 Abs. 6a StVO 1960 idgF], bzw.<br />
zwingt sie zu niedrigeren Geschwindigkeiten <strong>als</strong> auf<br />
Fahrbahnen möglich wären: Die 10 km/h Regelung<br />
für Radfahrer auf nicht mit Lichtzeichen geregelten<br />
Radfahrüberfahrten [§ 68 Abs. 3a StVO 1960 idgF].<br />
Neben rechtlichen gibt es aber auch Schikanen der<br />
physischen Art, die die Geringschätzung des Fahrrades<br />
<strong>als</strong> Verkehrsmittel verdeutlichen, beispielsweise<br />
Gitter, Bordsteinkanten, Schranken, etc. (siehe<br />
Abb. 2). Vor allem Gitter werden mit dem Vorwand<br />
bzw. der Absicht des Schutzes montiert, z.B. vor dem<br />
zu querenden Autoverkehr mit hoher Geschwindigkeit,<br />
ohne jedoch am Kernproblem, der hohen Geschwindigkeit,<br />
was ändern zu wollen.<br />
Fahrradschleusen – aus Deutschland und Holland<br />
stammend – sind seit längerem auch in den Österreichischen<br />
Richtlinien verankert [vgl. Forschungsgemeinschaft<br />
Straße und Verkehr 2001]. In der Umsetzung<br />
sind aber diese Maßnahmen zur priorisierten<br />
und besser sichtbaren Aufstellung von Radfahrern<br />
im Kreuzungsbereich jedoch eher noch eine seltene<br />
Erscheinung.<br />
Bei den infrastrukturellen Maßnahmen kommt trotz<br />
Statements wie „Es geht nicht um den Bau von Radwegen,<br />
sondern ums Radfahren“ [vgl. Westhauser C.<br />
et al. 2007] dann doch im Regelfall „containment“<br />
[im Sinne einer Eingrenzung, Abgrenzung, Abschirmung]<br />
statt „inclusion“ heraus.<br />
Im institutionalisierten Verkehrsprozedere fehlt die<br />
Prüfung der Sicherheit und der zumutbaren Bedingungen<br />
für Radfahrer <strong>als</strong> physisch schwächste Benutzer<br />
von Fahrbahnen und dementsprechend eine<br />
konsequente Infrastrukturgestaltung gänzlich.<br />
Im Lichte der Erfolge anderer Länder und Städte, die<br />
international präsentiert werden, sollten in Österreich<br />
auch rechtlich-organisatorische Strukturen eingerichtet<br />
werden, die dem Radverkehr die tatsächliche Chance<br />
bieten, die Rolle in der Realität zu übernehmen, die ihm<br />
in diversen Konzepten, Plänen und politischen Bekundungen<br />
zugesprochen wird: <strong>als</strong> gleichberechtigtes Verkehrsmittel<br />
für jedermann und jederfrau eine Stütze für<br />
die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen in der<br />
Mobilität sein.<br />
32 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 33<br />
beispiele<br />
Drei exemplarische Beispiele dieser strukturellen Benachteiligung<br />
seien im Folgenden angeführt.<br />
Die Abstellmöglichkeit an Quelle und Ziel sind wesentliche<br />
Voraussetzungen für das Antreten eines Weges.<br />
Nun werden Radabstellplätze in Städten im überwiegenden<br />
Ausmaß dort errichtet, wo Flächen „übrig bleiben“<br />
oder von Fußgeherflächen abgezwackt werden<br />
können. Das Vorsehen von Abstellmöglichkeiten für das<br />
Fahrrad analog dem PKW am Fahrbahnrand stellt eine<br />
Ausnahme dar. Die Stadt Münster hat einen Rad-Modal-<br />
Split-Anteil von 35,2 % [vgl. www.muenster.de, 2009]<br />
und besitzt in ihrer Innenstadt ca. 8.000 Radabstellplätze.<br />
Bei 273.000 Einwohnern macht das ca. 0,03 Radabstellplätze<br />
pro Person in der Innenstadt. Wenn man eine<br />
ähnliche Radinfrastrukturqualität für Wien anbieten<br />
wollte, würde das bedeuten, dass allein in der Wiener<br />
Abb.2: Gitterabsperrungen am Thermenradweg südlich von Vösendorf,<br />
Kreuzung mit der Schönbrunner-Allee<br />
Abb.3: Skizze der dem Radverkehr zugemuteten Umwege am Bsp. LB17 bei Guntramsdorf<br />
Innenstadt – innerhalb des Gürtels – ca. 49.000 Radabstellplätze<br />
angeboten werden müssten. Zum Vergleich:<br />
in der gesamten Stadt gibt es heute 10.000 Stellplätze<br />
[derstandard.at, 2009]. Bei der Stadt Baden (ca. 24.000<br />
Einwohner) wären es 740 Abstellplätze im Vergleich zu<br />
den bestehenden 400 im Zentrum [Auskunft DI Michael<br />
Madreiter, Bauamt Baden, 2009].<br />
Als zweites Beispiel kann die Errichtung einer baulich<br />
getrennten Seitenfahrbahn (für einseitigen Zweirichtungsbetrieb<br />
für Fahrräder … aber auch landwirtschaftlichen<br />
Verkehr) auf der LB17 im Abschnitt nördlich von<br />
Guntramsdorf (NÖ) genannt werden. Dort wurde auf<br />
der Fahrbahn ein Radfahrverbot verhängt und die Seitenfahrbahn<br />
ursprünglich mit einer Wintersperre versehen.<br />
Mittlerweile wurde die Sperre nach Protesten wieder<br />
aufgehoben. Somit wurde in Kauf genommen, dem<br />
Radverkehr einfach eine Lücke im Netz „anzubieten“.<br />
Die Einbindungen im Norden und Süden sind keinesfalls<br />
für eine praxistaugliche Benützung ausgelegt (siehe<br />
Abb. 3). Die Benachteiligungen (für eine Wiedereingliederung<br />
schiebend auf Schutzstreifen mit Lichtsignalanlagen<br />
zwei Straßen queren, etc.) werden von Seiten<br />
der NÖ Landesregierung „<strong>als</strong> für Radfahrer unter den<br />
örtlichen Gegebenheiten zumutbarer Mehrweg“ gerechtfertigt<br />
[Verhandlungsschrift der BH Mödling vom
INSTITUTIONALISIERTE RADvERkEHRSfREUNDLIcHkEIT?<br />
26.11.2008].<br />
Zum Dritten sind die beiden Eisenbahnkreuzungen der<br />
Badener Bahn mit der LB17 im Bereich Wiener Neudorf<br />
zu nennen, die im Jahr 2002 grundlegend umgebaut worden<br />
sind. Dabei verbreiterte sich die Spurrille auf 77,5<br />
mm. An und für sich kein großes Hindernis für Radfahrer,<br />
wenn in annähernd rechtem Winkel befahren. Diese<br />
Eisenbahnkreuzungen sind jedoch durch ganz besonders<br />
schleifende Schnitte am Fahrbahnrand gekennzeichnet,<br />
da die Bahntrasse von der trassenparallelen Lage von der<br />
einen Seite auf die andere wechselt. Die durch den Winkel<br />
bedingte verbreiterte Spurrille, die komplexe Anordnung<br />
von vier zu querenden Rillen sowie der starke und<br />
schnell fahrende Autoverkehr, der kaum Raum lässt den<br />
Querungswinkel zu vergrößern stellen ein erhebliches<br />
Risiko und eine Stresssituation für Radfahrer dar. Die<br />
Behörde sieht hier keine entsprechende Risikostelle mit<br />
Notwendigkeit zur infrastrukturellen Vorsorge und ließ<br />
nach Beschwerden 2003 lediglich Warntafeln „Achtung<br />
Rillenschiene“ aufstellen [Auskunft Mag. Steinkellner,<br />
Amt der NÖ LReg. Abt. Verkehrsrecht, 2009]. Systembedingt<br />
wird so faktisch eine weitere Lücke im Grundnetz<br />
„angeboten“.<br />
Routenvorschlag: Radverkehrsfreundlichkeit<br />
institutionalisieren<br />
Welche Änderungen sind notwendig, um Radverkehrsfreundlichkeit<br />
auch institutionell zu verankern, sodass<br />
sie im Stande sind, den Radverkehr in Zukunft in allen<br />
verkehrsrelevanten Aspekten automatisch einzugliedern<br />
und somit mehr Radverkehr zu ermöglichen, zu stimulieren?<br />
Ein Routenvorschlag in zehn Punkten:<br />
1. Radabstellplätze auf der Fahrbahn statt Kampf um<br />
Knappheit auf Fußgängerflächen. Der § 68 Abs. 4 StVO<br />
spricht von Mindestbreiten zur Abstellung von Fahrrädern<br />
auf Gehsteigen. Es ist wichtig, den oftm<strong>als</strong> schon<br />
sehr beschränkten Platz für Fußgeher nicht noch durch<br />
Radabstellplätze auf Gehsteigen weiter zu beschneiden.<br />
Eine Gleichstellung von Fahrradparken und KFZ-Parken<br />
ist notwendig: generell auf dem Fahrbahnrand.<br />
2. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit [Pressekonferenz<br />
am 06.05.2009] forderte, dass eine juristische Regelung<br />
es den Gemeinden ermöglicht, bei individuellen<br />
Radverkehrsanlagen die Benützungspflicht aufzuheben.<br />
Um Radverkehr <strong>als</strong> gleichberechtigte Verkehrsart zu institutionalisieren,<br />
sollte vom Bundesgesetzgeber aus, die<br />
Radwegbenützungspflicht generell aufgehoben werden,<br />
sodass es jenen Radfahrern, die einen Radweg benutzen<br />
wollen – aus welchen Gründen auch immer – freigestellt<br />
ist, diesen zu benutzen. Von der Generalklausel sollte<br />
lediglich die Möglichkeit übrig bleiben, in bestimmten<br />
Einzelfällen eine Benützungspflicht zu verordnen. Bei<br />
dieser Einzelfallregelung ist es notwendig, sie an einen<br />
verbindlichen Kriterienkatalog zu verknüpfen, sodass<br />
ein qualitativer Mindeststandard gegeben ist. Rechtlich<br />
dürfte einer solchen Regelung nichts im Wege stehen,<br />
denn die Wiener Verkehrskonvention von 1968 [vgl.<br />
United Nations 1968, Art. 27 Abs. 4] beinhaltet beim<br />
Thema Trennung von Radverkehr und motorisierter Individualverkehr<br />
(MIV) lediglich eine Kann- und keine<br />
Muß-Bestimmung: „Where cycle tracks exist, Contracting<br />
Parties or subdivisions thereof may forbid cyclists<br />
to use the rest of the carriageway.“ Damit verbunden<br />
wäre der Effekt der „Safety in Numbers“. Mehr Radfahrer<br />
auf der Fahrbahn erhöhen die Aufmerksamkeit<br />
der motorisierten Verkehrsteilnehmer und führen so zu<br />
einem verträglicheren Miteinander und weniger Unfällen<br />
[vgl. Peck C. 2009; Raisman G. 2009].<br />
3. Die Organisation des Straßenverkehrs ist dominiert<br />
von Parametern des MIV. Dem Radverkehr wird im Regelfall<br />
dort Platz zugebilligt, wo er übrig bleibt. Um eine<br />
Verbesserung der Gestaltungsmöglichkeiten von Radverkehrsführungen<br />
zu erhalten, ist es an der Zeit, dass<br />
der Bundesgesetzgeber das Instrument „Fahrradstraße“<br />
analog wie in der BRD und Holland (fietsstraat) in die<br />
StVO einführt und damit eine Umkehrung der Prioritäten<br />
ermöglicht: Das KFZ wird zum Gast mit beschränkten<br />
Rechten.<br />
4. Die Öffnung von Einbahnen für den Radverkehr [§8a<br />
Abs. 2 StVO 1960 idgF] im Siedlungsgebiet hat sich<br />
<strong>als</strong> ausgesprochen wirkungsvolles Radverkehrsinstrument<br />
erwiesen, da es dem Radverkehr Teile jener Netzdurchlässigkeit<br />
zurück gibt, die vor der KFZ-verkehrsbedingten<br />
Einführung von Einbahnen bestanden haben.<br />
Grundsätzlich sollte jede Einbahn für den Radverkehr<br />
geöffnet werden, ausgenommen in Fällen eines verbindlich<br />
festzulegenden Kriterienkatalogs.<br />
5. Für alle Verkehrsteilnehmer sind einheitliche, klare<br />
und durchgehend logische Vorrangregeln zu schaffen.<br />
Eine Sonderbehandlung des Radverkehrs mit besonderen<br />
Regelungen ist nicht weiter zu verfolgen. Auch soll<br />
die Möglichkeit geschaffen werden, z.B. bei stark nachgefragten<br />
und priorisierten Radverbindungen die Vorrangregelungen<br />
zu Gunsten dieser Radverkehrsanlagen<br />
gestalten zu können (Z.B. Stoppschilder für KFZ-Verkehr<br />
bei Querung eines Radhighways).<br />
6. Die Verkehrsmittelwahl lebt und stirbt mit den Zugangsbedingungen<br />
zwischen Quell-/ Zielpunkt und Verkehrsmittel.<br />
Daher ist es notwendig, verbindliche Rege-<br />
lungen für Fahrrad-Abstellplätze von hoher Qualität in<br />
die Bauordnungen zu übernehmen. Diese Regelungen<br />
haben sowohl Neubauten <strong>als</strong> auch die Möglichkeiten<br />
der Nachrüstung von Altbauten zu berücksichtigen. Darin<br />
enthalten sind: Zugänglichkeit über externe Rampen<br />
oder ebenerdig ohne Ecken und Winkel; Abstellanlagenausmaße<br />
und -größen; Überdachung von Außenanlagen;<br />
Mindestentfernungen zur Anlage. Das heißt keine Notlösungs-Radabstellräume<br />
z.B. in Wohnhausanlagen, die<br />
über verwinkelte Wege und Stiegen erreichbar sind, sondern<br />
Schaffung von Abstellanlagen, wo Fahrräder in abfahrbereiter<br />
Position für Nutzer große Erleichterungen<br />
und auch große Attraktivität bieten. Oberösterreich hat<br />
hier bereits ein gutes Beispiel gegeben [Oö. Bautechnikgesetz<br />
1994 (LGBl. Nr. 67/1994) idgF].<br />
7. Qualitativ hochwertige Radabstellplätze sind nicht<br />
nur zu einem Instrument der Bauordnung, sondern auch<br />
der Wohnbauförderung zu machen.<br />
8. Die baulich rechtlichen Regelungen sind vom Grundtenor<br />
einer KFZ-gestützten Mobilität geprägt. Die Bauordnungen<br />
verpflichten zur Errichtung von Stellplätzen oder<br />
zu entsprechenden Ausgleichszahlung [vgl. Knoflacher<br />
H. et al. 2007]. Da die Verpflichtung zur Parkplatzerrichtung<br />
aber oftm<strong>als</strong> nicht mit der Realität der Mobilitätsgestaltung<br />
von Immobilienbesitzern übereinstimmt<br />
(und auch den ökologischen, energiepolitischen und<br />
raumplanerischen Zielsetzungen widerspricht), ist vom<br />
Gesetzgeber eine Regelung zu schaffen, die die Errichtung<br />
bzw. den Nachweis eines PKW-Stellplatzes an den<br />
KFZ-Besitz koppelt. Zugleich ist vorzusehen, dass bestehende,<br />
aber nicht in Anspruch genommene KFZ-Abstellplätze<br />
vom Besitzer legal anderweitigen Nutzungen<br />
zugeführt werden können, statt starr am Konzept eines<br />
„Zwangsparkplatzes“ festzuhalten.<br />
9. Der Vorschlag von NÖ.radlobby.at zur Einführung<br />
von Radverkehrs-Gemeinderäten sollte auch auf Fußgeher<br />
ausgeweitet werden. Analog zu den Umweltgemeinderäten<br />
bringt dieses weisungsungebundene Organ die<br />
zwingende Auseinandersetzung aller Gemeinderäte mit<br />
der Radverkehrs- und Fußgehersituation vor Ort.<br />
10. Schlussendlich bleibt zu konstatieren, dass, wollen<br />
die gesteckten Ziele beim Modal-Split ernsthaft verfolgt<br />
werden, eine Umschichtung der Anteile der Verkehrs-<br />
und Baubudgets der Gebietskörperschaften aliquot den<br />
angepeilten Modal-Split-Anteilen notwendig ist. Für die<br />
Organisation und die Anlagen des Umweltverbundes im<br />
gewünschten Ausmaß müssen entsprechende Finanzmittel<br />
zur Verfügung stehen. Denn wenn in den Finanzstrukturen<br />
nach wie vor business-as-usual vorherrscht,<br />
sind die gefassten Ziele nicht erreichbar, mehr noch, zei-<br />
gen sie doch den Zynismus in der Diskrepanz zwischen<br />
angekündigter und tatsächlich eingeschlagener Zielanpeilung.<br />
Dass es möglich ist, sinnvolle Änderungen von Strukturen,<br />
z.B. des Verkehrsrechtes, durch Grassroots-Bewegungen<br />
zu initiert, hat Portugal eindrucksvoll belegt<br />
[vgl. Alves M. 2009].<br />
Tadej Brezina hat<br />
sein Bauingenieur-Studium<br />
2004<br />
abgeschlossen und<br />
arbeitet derzeit <strong>als</strong><br />
wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter im<br />
Forschungsbereich<br />
für Verkehrsplanung<br />
und Verkehrstechnik<br />
an der Technischen<br />
Universität Wien.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Nationalrat (1960); Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften<br />
über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960);<br />
BGBl. 159/1960;<br />
United Nations (1968); Convention on Road Traffic; http://www.unece.<br />
org/trans/conventn/crt1968e.pdf.<br />
Forschungsgemeinschaft Straße und Verkehr (2001); Radverkehr;<br />
RVS 03.02.13;<br />
Alves M. (2009); Licence to kill? A campaign to change the Portuguese<br />
Road Code; Velo-city 2009 - Re-cycling cities; Bruxelles; http://www.<br />
velo-city2009.com/.<br />
BM f. Umwelt (1995); NUP - Nationaler Umweltplan; Wien; Österreichische<br />
Bundesregierung.<br />
Castro Fernández A., Pfaffenbichler P. C., Regner K. (2009); Was<br />
Gemeinden für mehr und sicheren Radverkehr tun können; Wien; Bundesministerium<br />
für Verkehr, Innovation und Technologie.<br />
Hiess H., Oblak S., Rosinak W., Snizek S. (2003); Masterplan Verkehr<br />
Wien 2003 - Kurzfassung; Wien; Stadtentwicklung Wien - MA18.<br />
Knoflacher H. (2007); Grundlagen der Verkehrs- und Siedlungsplanung:<br />
Verkehrsplanung; Wien; Verlag Böhlau.<br />
Knoflacher H., Schopf J. M., Brezina T. (2007); Zusammenstellung und<br />
Analyse der Vorschriften und Richtlinien zu Anzahl und Organisation der<br />
Stellplätze im MIV für Österreich in Hinblickauf eine Verbesserung der<br />
Umweltverhältnisse; i.A. von: BMLFUW, Abt. V/5 - Verkehr, Mobilität,<br />
Siedlungswesen und Lärm; Wien;<br />
Koch H. (2006); Masterplan Radfahren - Strategie zur Förderung des<br />
Radverkehrs in Österreich; Wien; BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt<br />
und Wasserwirtschaft.<br />
Loimer H., Paula L., Prem J., Snizek S., Weitschacher H., Wessig R.<br />
(2008); NÖ Strategie Verkehr; St. Pölten; Amt der NÖ Landesregierung.<br />
Peck C. (2009); Safety in numbers - evidence from 101 local authorities<br />
in England; Velo-city 2009 - Re-cycling cities; Bruxelles; http://www.<br />
velo-city2009.com/.<br />
Raisman G. (2009); Bicycle Safety and Crash Reduction in Portland,<br />
Oregon, USA; Velo-city 2009 - Re-cycling cities; Bruxelles; http://www.<br />
velo-city2009.com/.<br />
Rosinak & Partner, Besch + Partner (2006); Mobil im Ländle - Verkehrskonzept<br />
Vorarlberg 2006; Bregenz; Amt der Vorarlberger Landesregierung.<br />
Westhauser C., Rauh W., Kodym A., Schadinger E., Merbaul H.,<br />
Längauer K. (2007); Radfahren im Alltag in Niederösterreich; St. Pölten;<br />
Amt der NÖ Landesregierung.<br />
34 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 35
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vERbESSERUNG DER vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
38 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
VERbESSERuNG DER VERKEHRSSICHERHEIT DuRCH<br />
ROAD SAFETy AuDIT uND ROAD SAFETy INSPECTION<br />
Einleitung<br />
Remigiusz Moneta<br />
Der Fokus, welcher mit der vorliegenden Arbeit verfolgt wird, liegt auf der Verdeut-<br />
lichung, dass Verkehrssicherheit heutzutage eine große Rolle spielt. Die Erhöhung<br />
der Sicherheit muss nicht nur bei der Planung von neuen Projekten, sondern auch bei<br />
bestehender Infrastruktur berücksichtigt werden. Vor allem aufgrund von steigendem<br />
Verkehrsaufkommen, sowohl im Personen- <strong>als</strong> auch im Güterverkehr, müssen Maß-<br />
nahmen getroffen werden, um das sichere Vorankommen für alle Verkehrsteilnehmer<br />
auf dem Straßennetz zu ermöglichen.<br />
Außerdem werden in dieser Bachelorarbeit zwei mögliche Maßnahmen zur Verbes-<br />
serung der Verkehrssicherheit – Road Safety Audit und Road Safety Inspection – be-<br />
schrieben und anhand von Beispielen näher erläutert.<br />
Abschließend wird an einem, in der Praxis bereits umgesetztem, Modell gezeigt, wie<br />
mit Hilfe einer erfolgreich durchgeführten RSI (Road Safety Inspection) die Verkehrs-<br />
sicherheit in diesem Abschnitt verbessert wurde und welche Veränderungen (z.B.: Un-<br />
falldichte, Unfallrate) gezielt gesetzte Sicherheitsmaßnamen bewirkt haben.<br />
Relevanz der Themenstellung<br />
„In den 70er und 80er Jahren ist es durch eine Verbesserung des Sicherheitsstandards<br />
der Fahrzeuge und durch verkehrssicherheitspolitische Maßnahmen gelungen, die Zahl<br />
der Unfälle, im besonderen aber die Zahl der Verletzten und der Toten, abzusenken.<br />
Seit 1988 verzeichnen wir beim Unfallgeschehen eine Trendwende zum Schlech-<br />
teren. Vor allem muß [sic!] uns die Tatsache zu denken geben, daß [sic!] Österreich<br />
bei den Verkehrstoten in der europäischen Statistik im Vorderfeld angesiedelt ist und<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 39
ERObERN vERbESSERUNG DIE LOw DER cOST vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
cARRIER DEN LUfTvERkEHRSMARkT?<br />
die Gesamtentwicklung beweist die Notwendigkeit, uns<br />
fortwährend ernsthaft und rational mit den Fragen der<br />
Verkehrssicherheit auseinanderzusetzen und sinnvolle<br />
neue Maßnahmen gesetzlich zu verankern.“[Neisser/<br />
Kukacka, 1992]<br />
Um die Verkehrssicherheit zu verbessern und eine Re-<br />
duktion der Unfallhäufigkeit zu erlangen, sind neben der<br />
Verkehrsüberwachung auch straßenbauliche Maßnah-<br />
men notwendig [vgl. Neisser/Kukacka, 1992].<br />
Unfallprävention zu betreiben heißt natürlich auf der<br />
einen Seite Schritte zu setzen, um die Verkehrsüberwa-<br />
chung zu steigern (z.B.: Radar, Section Control) und auf<br />
der anderen Seite ist es auch wichtig, dass bereits bei der<br />
Planung der Infrastruktur dem Thema Verkehrssicherheit<br />
eine hohe Relevanz zukommt und dass Abweichungen,<br />
die durch f<strong>als</strong>che Planung entstehen, mithilfe baulicher<br />
Maßnahmen konsequent beseitigt werden [vgl. Neisser/<br />
Kukacka, 1992].<br />
„Momentan befindet sich ein Richtlinienvorschlag in<br />
der Diskussion, der sich mit einem Sicherheitsmanage-<br />
ment für die Straßenverkehrsinfrastruktur befasst […]<br />
durchgreifende Veränderungen im Planungsprozess und<br />
im Bestand von Straßen-(teil)netzen und Straßennetz-<br />
abschnitten mit sich bringen wird.“[Lacroix/Gerlach,<br />
2009]<br />
„Durch die konsequente, regelmäßige und vor allem<br />
flächendeckende Anwendung von Unfallhäufungsstel-<br />
lenmanagement, Road Safety Inspection, Road Safety<br />
Audit […] könnte nach Schätzungen des Kuratorium für<br />
Verkehrssicherheit die Zahl der getöteten Verkehrsteil-<br />
nehmer um bis zu 150 verringert werden.“[KfV, 2009]<br />
Diese Zitate bekräftigen die Wichtigkeit und Aktualität<br />
von Verkehrssicherheit in Europa. Diese Entwicklung<br />
ist nicht nur auf das ansteigende Verkehrsaufkommen,<br />
sondern auch auf die hohe Zahl der Verkehrsunfälle zu-<br />
rückzuführen.<br />
In einem Gespräch hat das KfV (Kuratorium für Ver-<br />
40 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
kehrssicherheit) festgehalten, dass RSA (Road Safety<br />
Audit) und RSI (Road Safety Inspection) bereits in an-<br />
deren Ländern erfolgreich betrieben werden und auch<br />
in Österreich verstärkt umgesetzt werden sollen. Ziel ist<br />
es, Unfallprävention zu betreiben, Planungsfehler aus-<br />
zubessern, um somit Unfälle zu verhindern und Kosten<br />
einzusparen.<br />
Forschungsfrage<br />
Wie kann die Verkehrssicherheit durch Road Safety Au-<br />
dit und Road Safety Inspection verbessert werden und<br />
wie können die, durch die Maßnahmen erzielten, Ver-<br />
änderungen mithilfe von Key Performance Indicators<br />
messbar gemacht werden?<br />
Methodische Vorgehensweise<br />
Für die Erstellung dieser Bachelorarbeit wurde sowohl<br />
deutsch- <strong>als</strong> auch englischsprachige Literatur verwen-<br />
det. Es wurden Bücher, Fachjournale, Zeitschriften, wis-<br />
senschaftliche Artikel und Dokumente aus dem Internet,<br />
sowie Konferenzberichte und Papers miteinbezogen.<br />
Ziel ist es auch, aktuelle Berichte und Pressemeldungen<br />
in die Arbeit mit einfließen zu lassen, um eine qualita-<br />
tiv hochwertige Recherche und Beantwortung der For-<br />
schungsfrage zu garantieren.<br />
Im ersten Abschnitt des Hauptteils wird zur Verdeutli-<br />
chung der Relevanz dieser Arbeit und zur allgemeinen<br />
Definition und Erläuterung des Begriffes „Verkehrssi-<br />
cherheit“ aus mehreren deutsch- und englischsprachigen<br />
Quellen zitiert.<br />
Anschließend werden in dieser Arbeit anhand von wis-<br />
senschaftlichen Artikeln und Dokumenten aus dem<br />
Internet sowie mithilfe von Berichten und Pressemel-<br />
dungen die Begriffe RSA und RSI erklärt und mit Bei-<br />
spielen veranschaulicht.<br />
Mit zur Verfügung gestellten Daten und Informationen<br />
der Firma ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstra-<br />
ßen- Finanzierungs- Aktiengesellschaft), über die im<br />
Wechselabschnitt der A2 Süd-Autobahn durchgeführte<br />
RSI, wird der dritte Teil des Hauptkapitels beginnen.<br />
Weiter vertieft wird diese Thematik durch eine, vom<br />
KfV eigens für diesen Autobahnabschnitt erarbeiteten,<br />
unveröffentlichten Statistik. Anhand von umfassenden<br />
Unfalldaten, die mir vom KfV übermittelt worden sind,<br />
habe ich eine selbst erarbeitete Zusammenfassung von<br />
Vorher/Nachher-Unfallzahlen erstellt. Zum besseren<br />
Vergleich der Vorher/Nachher-Unfallzahlen in diesem<br />
Straßenabschnitt gibt es KPI (Key Performance Indica-<br />
tors). Die Unfalldichte und die Unfallrate habe ich <strong>als</strong><br />
Kennzahlen zum Vergleich herangezogen.<br />
Aufbau der Arbeit<br />
Im Hauptteil dieser Bachelorarbeit wird zunächst auf<br />
das Thema Verkehrssicherheit, anhand von einer Defini-<br />
tion, Unfallstatistiken und Erläuterung der momentanen<br />
Situation in Österreich im europäischen Vergleich, näher<br />
eingegangen.<br />
Danach folgt eine Beschreibung und ausführliche Erklä-<br />
rung von RSA und RSI mit einigen Beispielen zur bes-<br />
seren Veranschaulichung. Näher eingegangen wird unter<br />
anderem auf Begriffsbestimmungen, Zielsetzungen und<br />
den Ablauf von oben erwähnten Sicherheitsuntersu-<br />
chungen.<br />
Anschließend wird an einem reellen Beispiel analysiert,<br />
wie sich die Verkehrssicherheit in diesem Abschnitt ge-<br />
bessert hat, nachdem eine RSI durchgeführt worden ist.<br />
Konkret handelt es sich hier um den Wechselabschnitt<br />
(km 68,7 – km 95,3 in Fahrtrichtung Wien) der A2 Süd-<br />
Autobahn in Niederösterreich. Es wird, sowohl der An-<br />
lass für diese Sicherheitsuntersuchung, <strong>als</strong> auch die, zur<br />
Verbesserung der Verkehrssicherheit, gesetzten Maß-<br />
nahmen beschrieben. Einerseits werden Abbildungen,<br />
die Anzahl aller Unfälle in einem Zeitraum von acht<br />
Jahren darlegen und andererseits werden KPI – Unfall-<br />
dichte und Unfallrate – für dieses Teilstück berechnet<br />
und dadurch die Veränderung der Verkehrssicherheit ge-<br />
messen.<br />
Den Abschluss dieser Bachelorarbeit bilden eine kurze<br />
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte und die Be-<br />
antwortung der Forschungsfrage, die in der Einleitung<br />
aufgeworfen wurde. Abschließend werden persönliche<br />
Bemerkungen zur allgemeinen Situation und zu dem<br />
konkret ausgearbeiteten Beispiel angeführt.<br />
Hauptteil<br />
“Worldwide, deaths and injuries from road accidents<br />
have reached epidemic proportions. Present indications<br />
are that about 0.5 million people are killed and 15 mil-<br />
lion injured on the world’s roads every year. […] road<br />
accidents are probably the third major cause of death in<br />
the developed world.” [O’Flaherty et al, 2006]<br />
“Road safety audits (RSAs) […] safety tools that offer<br />
promise in reducing roadway crashes and fatalities.”<br />
[Wilson/Lipinski, 2004]<br />
Unter Verkehrssicherheit wird der Grad der Zuverlässig-<br />
keit der Verkehrsmittel und –anlagen gesehen, die keine<br />
Gefährdungen und Unfälle im Verkehrsablauf verursa-<br />
chen [vgl. Schnabel et al, 1997].<br />
Verkehrssicherheit ist von folgenden grundlegenden<br />
Faktoren abhängig [vgl. Lexikon der Wirtschaft, 1972]:<br />
Art, Anzahl, technischer Zustand und Geschwindig-<br />
keit der Verkehrsmittel,<br />
Gestaltung und Zustand der Verkehrswege sowie<br />
Einfluss der Naturbedingungen (z.B. Witterung),<br />
Verkehrsdichte,<br />
Verhalten der Verkehrsteilnehmer.<br />
Als sichtbarer Ausdruck der Verkehrssicherheit bzw.<br />
Verkehrsunsicherheit kann das Unfallgeschehen heran-<br />
gezogen werden. Die Maßnahmen zur Erhöhung der Si-<br />
cherheit lassen sich in folgende 3 Gruppen einteilen:<br />
gesetzliche und polizeiliche Maßnahmen;<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 41
ERObERN vERbESSERUNG DIE LOw DER cOST vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
cARRIER DEN LUfTvERkEHRSMARkT?<br />
Verkehrserziehung;<br />
und ingenieurmäßige Maßnahmen [vgl. Schnabel et<br />
al, 1997].<br />
Mit Letzterem befassen sich die folgenden Abschnitte<br />
dieser Arbeit.<br />
unfallstatistiken<br />
2008 forderte der Straßenverkehr im Durchschnitt alle<br />
10 Minuten eine verunglückte Person, in 12,9 Stunden<br />
ein getöteter Mensch, hoch-gerechnet bedeutet das täg-<br />
lich durchschnittlich rund 107 Unfälle und beinahe 2<br />
Getötete [vgl. Statistik Austria, 2009].<br />
Wie Abbildung 1 verdeutlicht, verbessern sich diese<br />
Zahlen von Jahr zu Jahr, dennoch gibt es immer noch<br />
zu viele Unfälle auf dem österreichischen Straßennetz.<br />
Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich mit den Maßnah-<br />
men, die zur Verbesserung dieser Situation beitragen<br />
könnten.<br />
Im Jahr 2008 ereigneten sich auf Österreichs Straßen<br />
insgesamt 39.173 Verkehrsunfälle. Im Vergleich zu 2007<br />
ging die Anzahl um 4,7 % zurück. Bei der Betrachtung<br />
von Autobahnen und Schnellstraßen verringerten sich<br />
die Unfallzahlen 2008 um 13,3 % auf 1.854 und um 2,1<br />
% auf 237.<br />
Die Zahl der verletzten Personen im Straßenverkehr<br />
sank gegenüber 2007 um 5,1 % auf 50.521, jene der ge-<br />
töteten nur geringfügig auf 679.<br />
Mit 679 Todesopfern konnte 2008 zwar wieder der bis-<br />
her niedrigste Wert seit Beginn der einheitlich geführten<br />
Verkehrsunfallstatistik im Jahr 1961 verzeichnet wer-<br />
den, der Rückgang um 12 Getötete oder 1,7% fiel jedoch<br />
deutlich geringer <strong>als</strong> in den Jahren 2004 bis 2007 aus,<br />
in denen ein durchschnittlicher jährlicher Rückgang von<br />
7,7% verzeichnet wurde [vgl. www.statistik.at, 2009].<br />
Die Zielvorgabe des österreichischen Verkehrssicher-<br />
heitsprogramms ist es, die Zahl der Straßenverkehrs-<br />
unfälle bis zum Jahr 2010 auf rund 33.000 zu senken<br />
und jene der Verkehrstoten auf etwa 500. Die für das<br />
Jahr 2008 prognostizierten Zielvorgaben wurden jedoch<br />
deutlich überschritten: um rund 4.800 bei den Unfällen<br />
und um fast 100 bei den Verkehrstoten [vgl. www.stati-<br />
stik.at, 2009].<br />
Im internationalen Vergleich liegt Österreich bei der An-<br />
zahl von Todesfällen je 1 Mio. Einwohner mit 83 Ver-<br />
kehrstoten im Mittelfeld, z.B. Frankreich (73), Deutsch-<br />
land (60), Schweden (52) können weniger getötete<br />
Personen im Straßenverkehr verzeichnen.<br />
Im Vergleich mit der EU 27 (86), EU 25 (84) und EU 15<br />
(73) liegt Österreich gleich auf. Details siehe Abbildung<br />
2.<br />
Sicherheitsuntersuchungen<br />
Die Österreichische Forschungsgesellschaft Straße<br />
– Schiene – Verkehr hat gemeinsam mit dem BMVIT<br />
(Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Tech-<br />
nologie), der ASFINAG und den Landesbaudirektionen<br />
der Bundesländer im September 2006 und März 2007 2<br />
Richtlinien zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf<br />
Österreichs Straßen herausgebracht.<br />
Road Safety Audit<br />
Die RVS (Richtlinien und Vorschriften für den Straßen-<br />
bau) 02.02.33 September 2006 regelt das Verkehrssi-<br />
cherheitsaudit und ist sowohl im Bereich der Landes-<br />
straßen, <strong>als</strong> auch außerhalb des Landesstraßenbereiches<br />
anzuwenden.<br />
Allgemeines<br />
Bei der Planung von neuen Projekten, ob jetzt Stra-<br />
ßen, Wohnanlagen oder Einkaufszentren, müssen<br />
viele verschiedene Bedürfnisse und Anforderungen<br />
von unterschiedlichen Nutzern mitberücksichtigt<br />
werden. Sehr viele Sicherheitsdefizite auf Straßen<br />
sind auf Fehler in der Planungsphase zurückzufüh-<br />
Abb.1: Unfallgeschehen nach Straßenarten<br />
Abb.2: Anzahl an Todesfällen je 1 Million Einwohner<br />
42 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 43
44 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
ren. Durch Richtlinien und Gesetze sollen potentielle<br />
Unfall- bzw. Gefahrenstellen in der Planungsperio-<br />
de berücksichtigt werden, um dadurch eine Verbes-<br />
serung der Unfallprävention zu gewährleisten [vgl.<br />
RVS, 2006].<br />
Begriffsbestimmungen<br />
Bei RSA (Verkehrssicherheitsaudit) handelt es sich<br />
um ein Verfahren zur Prüfung der Sicherheitsaspekte<br />
während der Planung von Bauvorhaben und somit<br />
zur Vermeidung bzw. Verringerung von Unfallrisiken<br />
[vgl. RVS, 2006].<br />
Zielsetzungen<br />
Das generelle Ziel ist die optimale Gewährleistung<br />
der Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer-<br />
gruppen. Um dieses Ziel bestmöglich umsetzen zu<br />
können, ist eine ganzheitliche Betrachtung der Situ-<br />
ation sowie die Berücksichtigung aller Nutzer und<br />
ihrer unterschiedlichen Ansprüche notwendig.<br />
Durch erfolgreiche RSAs können nicht nur volks-<br />
wirtschaftliche Unfallfolgekosten, sondern auch Ko-<br />
sten für nachträgliche Umbauten reduziert werden<br />
[vgl. RVS, 2006].<br />
Anwendungsbereich<br />
RSA wird für sicherheitsrelevante Neu- und Umpla-<br />
nungen von Straßen mit öffentlichem Verkehr ein-<br />
gesetzt. Die Entscheidung zur Durchführung dieses<br />
Audits obliegt dem Straßenerhalter.<br />
Verkehrssicherheitsaudits können außerdem bei al-<br />
len anderen Maßnahmen des Verkehrsmanagements,<br />
größeren Sanierungs- und Baustellenprojekten, sowie<br />
bei Fragen der Raumplanung und Flächenwidmung<br />
<strong>als</strong> Mittel zur Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />
eingesetzt werden [vgl. RVS, 2006].<br />
Für eine optimale Erreichung der oben genannten<br />
Ziele sind sowohl prozess- <strong>als</strong> auch inhaltsorientierte<br />
Grundsätze zu beachten.<br />
Ablauf<br />
Die Beauftragung erfolgt grundsätzlich durch den<br />
Auftraggeber der Planung. Alle weiteren Berichte<br />
und Informationen werden über ihn verteilt. Eine di-<br />
rekte Zusammenarbeit zwischen Planer und Auditor<br />
ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen.<br />
Die Auditoren sind Experten mit Erfahrung auf dem<br />
Gebiet der Verkehrssicherheit, Verkehrstechnik und<br />
Verkehrs- und Straßenplanung. Darüber hinaus ha-<br />
ben sie Kenntnisse über Straßenbau und Straße-<br />
nerhaltung, Verkehrsmanagement und Verkehrs-<br />
verhalten aller Teilnehmer. Die Verkehrsexperten<br />
beurteilen unabhängig vom Planer ausschließlich<br />
die Verkehrssicherheit eines Projektes. Nach allen<br />
Untersuchungen muss der beauftragte Auditor alle<br />
festgestellten Mängel und erarbeiteten Lösungsvor-<br />
schläge in einem schriftlichen Mängelbericht bzw.<br />
Auditbericht dokumentieren und begründen. Der<br />
Auditbericht ist klar zu strukturieren und die aufge-<br />
zeigten Mängel und Lösungsvorschläge übersicht-<br />
lich in tabellarischer Form darzustellen [vgl. RVS,<br />
2006].<br />
Werden im Auditbericht angeführte Mängel vom<br />
Auftraggeber nicht behoben, muss er die Gründe für<br />
sein Handeln in einem Ausnahmebericht nachvoll-<br />
ziehbar offen legen [vgl. RVS, 2006].<br />
Der Regelfall bei einfachen Planungsverfahren ist,<br />
dass das Audit für die gesamte Planungsphase durch-<br />
geführt wird. Bei Großprojekten wird das Audit in<br />
einem mehrstufigen Verfahren durchgeführt, wobei<br />
eine Unterteilung der Planungsphase in 4 Phasen er-<br />
folgt.<br />
Die Schwerpunkte der Auditierung liegen vor allem<br />
auf der Untersuchung und Verbesserung der<br />
- Linienführung (z.B. enge Kurvenradien),<br />
- Querneigung der Straße – zur Verbesserung des<br />
Wasserabflusses,<br />
- bessere Erkennbarkeit der Beschilderung,<br />
- Markierungen,<br />
- Geschwindigkeitslimits,<br />
- Verkehrslichtsignalanlagen / Kreisverkehr,<br />
- Querungsmöglichkeiten für Fußgänger,<br />
- Planung Radverkehr,<br />
- Sichtbeziehungen (Bepflanzung, Lärmschutzein-<br />
richtungen…).<br />
Road Safety Inspection<br />
Die RVS 02.02.34 März 2007 befasst sich mit der Durch-<br />
führung von RSI von Straßen mit öffentlichem Verkehr.<br />
Allgemeines<br />
Die RSI soll ergänzend zur örtlichen Verkehrssi-<br />
cherheitsarbeit und Analyse für die Sanierung von<br />
Unfallhäufungs- und Gefahrenstellen, einen Beitrag<br />
zur Verbesserung der Sicherheit leisten [vgl. RVS,<br />
2007].<br />
Begriffsbestimmungen<br />
Unter RSI versteht man eine verkehrssicherheits-<br />
technische Bestandsprüfung für einen Abschnitt<br />
einer Straße unter Beachtung von Grundsätzen der<br />
Qualitätssicherung, um Unfallrisiken und Unfallge-<br />
fahren zu minimieren [vgl. RVS, 2007].<br />
Zielsetzungen<br />
Ziel ist es auf dem bestehenden Straßennetz,<br />
Schwachstellen zu finden und zu analysieren, um die<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 45
vERbESSERUNG DER vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
46 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Verkehrssicherheit zu erhöhen, Unfälle zu vermeiden<br />
und Unfallfolgekosten zu verringern.<br />
Die RSI ist eine moderne Form der Qualitätssiche-<br />
rung für eine verkehrssichere und einheitliche Stra-<br />
ßenanlage, Straßenausstattung und Straßenausrü-<br />
stung und dient der Unfallprävention und Minderung<br />
der Unfallfolgen. Durch das Erreichen der Haupt-<br />
ziele kann ein hohes Maß an volkswirtschaftlichen<br />
Kosten eingespart werden. Eine RSI ist eine Sicher-<br />
heitsinspektion und nicht mit einer herkömmlichen<br />
Wartungsbefahrung vergleichbar [vgl. RVS, 2007].<br />
Anlässe für die Durchführung einer RSI<br />
Im Sinne der Qualitätssicherung erfolgt der Auftrag<br />
zur Durchführung einer RSI durch die Verkehrsbe-<br />
hörde oder durch den Straßenerhalter. Meistens wird<br />
diese Untersuchung an Unfallhäufungsstellen [vgl.<br />
O’Flaherty et al, 2006] und bei gleichartigen Unfäl-<br />
len über längere Streckenabschnitte (300–500m) ein-<br />
geleitet. Bremsspuren, umgefahrene Leitpflöcke und<br />
angefahrene Verkehrszeichen sind weitere Indizien,<br />
die eine genauere Untersuchung der Unfallstelle<br />
veranlassen können. Die Informationsbereitstellung<br />
durch die Polizei, die Straßenmeisterei, die Autofah-<br />
rerclubs und durch Bürger kann zur Verbesserung<br />
der Verkehrssicherheit führen [vgl. RVS, 2007].<br />
Grundsätze<br />
Für die Sanierung von Straßen sind einfache und<br />
rasch umsetzbare Sicherheitsmaßnahmen durchzu-<br />
führen. Wenn dies nicht möglich ist und endgültige<br />
Maßnahmen einer längeren Umsetzungszeit bedür-<br />
fen, sind Sofortmaßnahmen vorzunehmen.<br />
Bei der Durchführung der RSI sind folgende Prin-<br />
zipien von besonderer Bedeutung:<br />
- Ganzheitliche Betrachtung des Straßenraumes,<br />
- Berücksichtigung der Interaktion von Mensch,<br />
Fahrzeug und Straße,<br />
- Wechselwirkungen vom Umfeld und Fahrverhalten<br />
[vgl. RVS, 2007].<br />
Ablauf<br />
Bei der RSI erfolgt die Einleitung des Verfahrens<br />
durch die Verkehrsbehörde oder durch den Straßener-<br />
halter. Danach wird von den zuständigen RS-Inspek-<br />
toren die Sicherheitsprüfung und die Identifizierung<br />
von potenziellen Sicherheitsdefiziten durchgeführt<br />
und Lösungsvorschläge, die im Endbericht bzw.<br />
RSI-Bericht festgehalten werden, erarbeitet. Werden<br />
die aufgezeigten Mängel bzw. Vorschläge der RSI<br />
nicht umgesetzt, müssen in einem Ausnahmebericht<br />
durch den Straßenerhalter die Begründungen und die<br />
Verantwortlichkeiten klargestellt werden. Außerdem<br />
müssen Zeitpläne für Lösungsmöglichkeiten und de-<br />
ren Umsetzung ausgewiesen werden. Der Ausnahme-<br />
bericht ist wesentlicher Bestandteil des RSI-Verfah-<br />
rens und somit Teil der gesamten Sicherheitsprüfung<br />
[vgl. RVS, 2007].<br />
Für die Erstellung des RSI-Befundes wird der zu un-<br />
tersuchende Straßenabschnitt unter anderem auf fol-<br />
gende Schwerpunkte untersucht:<br />
- Sichtverhältnisse,<br />
- Straßenausrüstung (Bodenmarkierung, Wegwei-<br />
sung, Verkehrslichtsignalanlagen…),<br />
- Beleuchtung und Leuchtanordnung,<br />
- Störfaktoren (Blendungen, Maskierungen durch<br />
Leuchtreklamen),<br />
- Fahrbahnzustand (Aquaplaning, Fahrbahngriffig-<br />
keit…),<br />
- lok<strong>als</strong>pezifische meteorologische Zusammenhän-<br />
ge (Nebel, Wind-, Witterungseinflüsse u.dgl.) [vgl.<br />
RVS, 2007].<br />
Praxisbeispiel – A2 Süd-Autobahn am Wechsel in<br />
NÖ<br />
Wie bereits in der Einleitung beschrieben wird in die-<br />
sem Kapitel der Bachelorarbeit an einem reellen Bei-<br />
spiel – Teilstück der A2 Süd-Autobahn am Wechsel in<br />
Niederösterreich – analysiert, welche Verbesserungen<br />
der Verkehrssicherheit durch eine in diesem Abschnitt<br />
durchgeführte RSI erzielt wurden. Einerseits werden<br />
allgemeine Informationen über diese Sicherheitsunter-<br />
suchung dargelegt, und andererseits wird anhand von<br />
Unfallstatistiken und KPI versucht, die Veränderung<br />
messbar zu machen.<br />
Road Safety Inspection – A2 Süd-Autobahn<br />
Nachfolgende Unterkapitel werden mit zur Verfügung<br />
gestellten Daten und umfangreichen Informationen der<br />
Firma ASFINAG beschrieben.<br />
Anlass für die RSI<br />
Ausgangspunkt für diese RSI war das österreichische<br />
Verkehrssicherheitsprogram 2002–2010. In Abspra-<br />
che mit der ASFINAG wurden Ziele und Maßnah-<br />
men für das Autobahnen- und Schnellstraßennetz<br />
entwickelt, um die Verkehrssicherheit auf dem hoch-<br />
rangigen Straßennetz zu verbessern.<br />
Wie bereits beschrieben ist das Ziel der RSI die pe-<br />
riodische Überprüfung des gesamten Straßennetzes<br />
(inklusive Straßenumfeld) hinsichtlich potentieller<br />
Sicherheitsmängel, um Unfallprävention gezielter zu<br />
betreiben.<br />
One of the main tasks in a program for improving<br />
road safety is the identification of a list of hazardous<br />
locations that show evidence of high accident risk.<br />
Hazardous locations, referred to as black spots or hot<br />
spots, can be defined as places with high accident<br />
frequency or risk when involving both frequency and<br />
severity of the accidents [vgl. Miranda-Moreno et al,<br />
2005].<br />
Diese oben beschriebenen Orte werden <strong>als</strong> adäquate<br />
Kandidaten für technische Inspektionen und Sanie-<br />
rungsarbeiten, wie z.B. Aufstellung neuer Kontrol-<br />
leinrichtungen und Verbesserung der Geländegeo-<br />
metrie, betrachtet [vgl. Miranda-Moreno, 2005].<br />
In einer Untersuchung wurden, ausgehend von ei-<br />
ner detaillierten Unfallanalyse (Ausweisung von<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 47
vERbESSERUNG DER vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
48 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Unfallhäufungsstellen, Unfallraten, Unfalltypen,<br />
Verletzungsschwere etc.) des österreichischen Au-<br />
tobahnen- und Schnellstraßennetzes, vier Untersu-<br />
chungsstrecken gemeinsam mit dem Auftraggeber<br />
ausgewählt, um eine detaillierte Überprüfung des<br />
Unfallgeschehens, der Anlageverhältnisse und des<br />
Fahrbahnzustandes durchzuführen.<br />
Der hier beschriebene Autobahnabschnitt am Wech-<br />
sel in Niederösterreich wurde aufgrund der erheblich<br />
höheren Unfallrate (Unfälle pro 1 Million Kfz-Kilo-<br />
meter), verglichen mit anderen Autobahnabschnitten,<br />
ausgewählt.<br />
Genauer Untersuchungsbereich der RSI war die A2<br />
Süd-Autobahn im Wechselabschnitt (km 68,7 – km<br />
95,3) in Fahrtrichtung Wien. Durchgeführt wurde<br />
diese Untersuchung durch das KfV in Zusammenar-<br />
beit mit dem Büro NAST 2003 (Berichtsabschluss<br />
2004).<br />
Maßnahmen<br />
Im Folgenden werden die wesentlichen Maßnahmen<br />
dieser Untersuchungsstrecke vorgestellt. Dabei wird<br />
zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Bestim-<br />
mungen unterschieden:<br />
Kurzfristige Maßnahmen sind z.B.<br />
- Section Control zwischen Edlitz und Grimmenstein<br />
(km 73,037 – km 67,093),<br />
- Aufstellung von Wechselverkehrszeichen zur Stre-<br />
ckenbeeinflussung,<br />
- Leitwinkel,<br />
- Markierung mit erhöhter Nachtsichtbarkeit bei<br />
Nässe,<br />
- Permanente Bestückung eines Radars,<br />
- Optimierung des Winterdienstes.<br />
Mittelfristige Maßnahmen sind z.B.<br />
- Verbesserung der Sichtverhältnisse durch Schaf-<br />
fung entsprechender Sichträume,<br />
- Verkehrsbeeinflussungsanlagen für kritische Witte-<br />
rungs- und Fahrbahnsituationen,<br />
- Verbesserte Kenntlichmachung der Straßenführung<br />
in Kurvenbereichen.<br />
Langfristige Maßnahmen sind z.B.<br />
- Änderung der Querneigungsverhältnisse zur voll-<br />
ständigeren Wahrnehmung der technischen Stan-<br />
dards,<br />
- Verlängerung der Querneigungswechselstrecke,<br />
- Verbreiterung des Pannenstreifens insbesondere aus<br />
betrieblichen Gründen.<br />
Section Control<br />
Die Errichtung der SC (Section Control) am Wechsel<br />
wurde in einer Verkehrsverhandlung am 13.10.2003<br />
beschlossen. Die Betriebsaufnahme erfolgte im Fe-<br />
bruar 2005 und in den nachfolgenden Jahren war die<br />
SC in Betrieb. Da jedoch in den Jahren 2006 und<br />
2007 Bauarbeiten im Bereich der SC-Anlage stattge-<br />
funden haben, war diese Sicherheitseinrichtung nicht<br />
immer in Betrieb.<br />
Aufgrund dieser Tatsache kann angenommen wer-<br />
den, dass die Analyse von Geschwindigkeiten bzw.<br />
Unfalldaten verzerrt ist und kritisch hinterfragt wer-<br />
den sollte. Dennoch sollte an dieser Stelle angemerkt<br />
werden, dass sich die Autofahrer beim Passieren<br />
dieses Bereiches vermutlich an die Höchstgeschwin-<br />
digkeit gehalten haben, da ihnen die Aktivität der SC<br />
ungewiss war und somit ist der Sinn und Zweck die-<br />
ser Sicherheitseinrichtung erfüllt worden.<br />
Unfallstatistik – A2 Süd-Autobahn<br />
In weiterer Folge wird die Unfallhäufigkeit und –schwe-<br />
re im Wechselabschnitt zwischen km 68,7–km 95,3 in<br />
Fahrtrichtung Wien betrachtet. Es werden Daten vor<br />
(d.h. 2001 bis 2004) und nach (d.h. 2005 bis 2008) der<br />
RSI gegenüber gestellt und verglichen.<br />
Dem Autor wurde eine, vom KfV eigens für diesen Au-<br />
tobahnabschnitt erarbeitete, unveröffentlichte Statistik<br />
in <strong>PDF</strong>-Format zur Verfügung gestellt. Anschließend<br />
wurde diese informationsreiche Ausarbeitung gefiltert,<br />
zusammengefasst und die Ergebnisse in Abbildung 3<br />
übersichtlich dargestellt.<br />
Der Vergleich dieses Autobahnabschnittes für einen Zeit-<br />
raum von jeweils 4 Jahren vor und nach der RSI führte<br />
zu folgendem Ergebnis: In den Jahren 2005 bis 2008<br />
ereigneten sich insgesamt 121 Verkehrsunfälle. Im Ver-<br />
gleich zum Zeitraum vor der Sicherheitsuntersuchung<br />
stieg die Anzahl um 18,6 % an. Diese Steigerung ist<br />
teilweise aber nicht ausschließlich auf das zunehmende<br />
Verkehrsaufkommen und die steigende Anzahl an PKW<br />
zurück zuführen [vgl. Statistik Austria, 2009]. Sondern<br />
auch auf die zu kurz gewählte Betrachtungsdauer, denn<br />
ein Vorher/Nachher-Vergleich über eine größere Zeit-<br />
spanne <strong>als</strong> 4 Jahre wäre aussagekräftiger.<br />
Bei der Betrachtung von Unfällen im SC Abschnitt ver-<br />
ringerten sich die Unfallzahlen prozentual zu den Ge-<br />
samtunfällen von 46 % auf 43 %.<br />
Eine positive Entwicklung ist bei der Unfallschwere zu<br />
beachten. Die Zahl der leicht verletzten, schwer verletz-<br />
ten und getöteten Personen ist prozentual zu den beteili-<br />
gten Personen niedriger <strong>als</strong> im Zeitraum 2001 bis 2004.<br />
Bei diesem Punkt muss kritisch hinterfragt werden, ob<br />
die gesamte Verbesserung bei den Unfallfolgen auf die<br />
RSI zurück zu führen ist. Ein sehr wesentlicher Faktor,<br />
der sicherlich zu dieser Entwicklung beigetragen hat, ist<br />
die ständige Weiterentwicklung und Verbesserung von<br />
aktiver und passiver Fahrzeugsicherheit durch die Au-<br />
tohersteller.<br />
Um dieser Unfallstatistik noch mehr Aussagekraft zu<br />
geben, sollte das Baujahr jedes Unfallfahrzeuges in das<br />
Endergebnis miteinbezogen werden.<br />
Key Performance Indicators<br />
In diesem Abschnitt werden Unfallrelativzahlen wie Un-<br />
falldichte und Unfallrate beschrieben. Mithilfe von KPI<br />
kann festgestellt werden, ob die durchgeführte RSI ihren<br />
Sinn und Zweck erfüllt hat, nämlich ob die Unfallraten<br />
www.verkehrsjournal.at<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 29
vERbESSERUNG DER vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
50 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
gesunken sind und somit die Verkehrssicherheit verbes-<br />
sert wurde.<br />
Unfalldichte<br />
Der KPI „Unfalldichte UD“ gibt an, wie viel Unfälle<br />
sich jährlich, bezogen auf 1 km Streckenlänge, ereig-<br />
net haben [vgl. Schnabel et al, 1997].<br />
Im gesamten Wechselabschnitt lag eine durchschnitt-<br />
liche Unfalldichte UD in den Jahren 2001 bis 2004<br />
vor der RSI von 0,959 Unfälle/km vor. Durch die hö-<br />
here Anzahl von Unfällen im Beobachtungszeitraum<br />
nach der RSI erhöhte sich die UD auf 1,137 Unfäl-<br />
le/km.<br />
Unfallrate<br />
Mithilfe der „Unfallrate UR“ kann die Anzahl der<br />
Unfälle pro 1 Million Kfz-Kilometer, unter Berück-<br />
sichtigung der Verkehrsstärke berechnet werden.<br />
Abb.3: Unfallstatistik A2 Süd-Autobahn am Wechsel<br />
Dieser KPI bezieht – im Unterschied zur Unfalldichte<br />
UD – die Verkehrsmengen mit ein. Dies ermöglicht<br />
einen Vergleich zwischen verschiedenen Straßen,<br />
Straßennetzen und Ländern bzw. Aussagen über die<br />
Entwicklung des Unfallgeschehens in Abhängigkeit<br />
von der Entwicklung des Verkehrsgeschehens [vgl.<br />
BOKU, 2009].<br />
Für die Berechnung der Unfallrate UR wird zusätz-<br />
lich zu den bereits vorhanden Daten noch der DTV<br />
(durchschnittlich täglicher Verkehr) benötigt. Der<br />
für diese Arbeit relevante DTV (Montag–Sonntag,<br />
Kfz/24h) in Fahrtrichtung Wien für alle Kfz (PKW<br />
+ LKW) wird bei der Dauerzählstelle Grimmenstein<br />
km 67,23 gemessen. Alle nachfolgenden Daten und<br />
Informationen habe ich von der ASFINAG Autobahn<br />
Service GmbH Ost, Abteilung Verkehrsmanagement<br />
/ Verkehrsstatistik erhalten. Folgende Informationen<br />
sind für eine exakte Interpretation dieser Auswertung<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 51
vERbESSERUNG DER vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
notwendig:<br />
Die Daten aus den Jahren 2001 bis 2007 wurden, im-<br />
mer auf die gleiche Weise, durch Induktionsschleifen<br />
[vgl. Schnieder et al, 2007] in der Fahrbahn ermit-<br />
telt.<br />
Ab dem Jahr 2008 werden alle Fahrzeuge mithilfe<br />
von Überkopfsensoren durch Radar, Infrarot und<br />
Ultraschall erfasst. Durch die, aus technischer Sicht,<br />
unterschiedliche Erfassung der Daten können diese<br />
nicht miteinander verglichen und somit keine Ver-<br />
kehrsentwicklung berechnet werden.<br />
Grundsätzlich haben alle verwendeten Sensoren eine<br />
hohe Genauigkeit. Jedoch kann nicht davon ausge-<br />
gangen werden, dass alle Technologien immer gleich<br />
zählen bzw. immer die gleiche Abweichung besitzen.<br />
Wenn bei den Induktionsschleifen eine Abweichung<br />
von +1 % auftritt und bei den Überkopfsensoren eine<br />
Verzerrung von -1 %, entsteht bei der Berechnung<br />
von Verkehrsentwicklungen ein großer Unterschied.<br />
Da die Daten aus dem Jahr 2008 nicht mit den vorhe-<br />
rigen Ergebnissen verglichen werden können, wird<br />
dieser Zeitraum für die Berechnung weggelassen.<br />
Somit ergibt sich ein neuer Betrachtungszeitraum<br />
von 3 Jahren vor und nach der RSI.<br />
Durch die Berechnung der Unfallrate UR für den<br />
Wechselabschnitt der A2 Süd-Autobahn kann dieser<br />
KPI für einen Vorher/Nachher-Vergleich, aber auch<br />
zum Vergleich des übrigen hochrangigen Straßen-<br />
netzes und anderen Ländern herangezogen werden.<br />
Wie bereits beschrieben, ermöglicht diese Kennzahl<br />
Aussagen über die Entwicklung des Unfallgesche-<br />
hens in Abhängigkeit von der Entwicklung des Ver-<br />
kehrsgeschehens.<br />
Zusammengefasst ergibt sich eine UR für 2002 bis<br />
2004 von 0,156 Unfälle/1 Million Kfz-km und für<br />
2005 bis 2007 nach der RSI von 0,164. Auch bei der<br />
Berechnung dieser Kennzahl ist ein Anstieg auf die<br />
m<br />
schon sehr hohe (im Vergleich zum gesamten ASFI-<br />
NAG Straßennetz) UR vor der RSI zu verzeichnen.<br />
Eine wichtige Anmerkung, die bei der Interpretation<br />
dieser Kennzahl zu beachten ist: Die Daten aus dem<br />
Jahr 2004 sind nicht vollständig, da die Dauerzähl-<br />
stelle in diesem Jahr nur 107 Tage eingeschaltet war.<br />
Die Anlage war am Anfang und Ende des Jahres ak-<br />
tiv. Dadurch fehlen bei diesem DTV die Sommermo-<br />
nate und somit auch der Urlaubsverkehr.<br />
Falls für das Jahr 2004 eine Annahme getroffen wird<br />
und mit einem DTV von circa 19000 die Unfallrate<br />
berechnet wird, ändert sich die Kennzahl wie folgt:<br />
Die UR vor der RSI beträgt jetzt 0,147 Unfälle/1<br />
Million Kfz-km. Der Vorher/Nachher-Unterschied<br />
ist jetzt geringfügig größer. Grundsätzlich kann fest-<br />
gehalten werden, dass bei der Betrachtung dieser<br />
Kennzahl es zu keiner Verbesserung der Verkehrssi-<br />
cherheit in diesem Abschnitt geführt hat.<br />
Verglichen mit der Zielvorgabe und der aktuellen<br />
Unfallrate am ASFINAG-Straßennetz von UR =<br />
0,087 weist der Wechselabschnitt auf der A2 Süd-<br />
Autobahn in Fahrrichtung Wien einen sehr hohen<br />
Wert auf (UR = 0,164).<br />
Durch diese sehr hohe Abweichung von 88,5 % wur-<br />
de dieser Abschnitt für eine RSI ausgewählt. Es han-<br />
delt sich hier um eine Unfallhäufungsstelle oder auch<br />
Black Spot genannt.<br />
Zusammenfassung & Ausblick<br />
Erhöhtes Verkehrsaufkommen und der drastische An-<br />
stieg von Unfällen, Verletzten und auch Toten lässt dem<br />
Thema Verkehrssicherheit eine immer höher werdende<br />
Bedeutung zukommen.<br />
Die Verkehrssicherheit kann durch Autohersteller und<br />
durch Verkehrsplaner in den Bereichen Straßenplanung<br />
und Straßenbau verbessert werden. Das KfV verspricht<br />
sich vor allem von Letzterem – „RSA“ und „RSI“ – eine<br />
Verbesserung der Situation und somit weniger Unfälle.<br />
Somit stellt sich die Frage: Wie kann die Verkehrssicher-<br />
heit durch Road Safety Audit und Road Safety Inspec-<br />
tion verbessert werden und wie können die, durch die<br />
Maßnahmen erzielten, Veränderungen mithilfe von Key<br />
Performance Indicators messbar gemacht werden?“<br />
Beide Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit<br />
– sowohl RSA <strong>als</strong> auch RSI – erfordern eine enge Zu-<br />
sammenarbeit der Auftraggeber, Planer und Auditoren.<br />
Die Abläufe dieser Sicherheitsuntersuchungen können<br />
wie folgt kurz zusammengefasst werden.<br />
Ablauf RSA:<br />
Auftragserteilung,<br />
Verkehrsexperten beurteilen die Verkehrssicherheit<br />
eines Projektes<br />
Darlegung eines Auditberichtes,<br />
Durchführung der im Auditbericht vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen bzw. Ablehnung mit dazugehöriger Be-<br />
52 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 53<br />
gründung.<br />
Ablauf RSI <strong>als</strong> Qualitätssicherung und Verkehrsicher-<br />
heitgewährleistung:<br />
Auftragserteilung,<br />
RS-Inspektoren führen die Sicherheitsprüfung und<br />
die Identifizierung von potenziellen Sicherheitsdefi-<br />
ziten durch,<br />
Umsetzung der im RSI-Bericht vorgeschlagenen Ver-<br />
besserungsmaßnahmen bzw. Ablehnung mit Begrün-<br />
dung und Abgrenzung der Verantwortlichkeiten.<br />
Erstellung von Zeitplänen für Lösungsmöglichkeiten<br />
und deren Umsetzung.<br />
Der Straßenverkehr <strong>als</strong> System muss ganzheitlich be-<br />
trachtet werden und auch die Interaktion von Mensch,<br />
Fahrzeug und Straße darf nicht außer Acht gelassen<br />
werden. Diese Grundsätze müssen bei der Planung und<br />
Durchführung beider Maßnahmen berücksichtig wer-<br />
den. Jede Maßnahme ist mit Aufwand – Zeit und Kapi-<br />
tal – verbunden. Deshalb müssen sie einen bestimmten<br />
Sinn und Zweck verfolgen und auch erfüllen. Das Ziel<br />
von RSA und RSI ist das Herabsenken von Risiken im<br />
Straßenverkehr und somit die Verbesserung der Ver-<br />
kehrssicherheit.<br />
Mithilfe von KPI kann klar definiert werden, welche<br />
Kennzahlen, Daten und Informationen in den Beurtei-<br />
lungsprozess der durchgeführten Maßnahmen einflie-<br />
ßen. Es kann festgestellt werden, ob die vorgegebenen<br />
Ziele erfüllt worden sind und ob somit die Sicherheits-<br />
maßnahmen ihren Sinn und Zweck erfüllt haben.<br />
KPI können die, durch die Maßnahmen erzielten, Verän-<br />
derungen messbar machen und somit ihre Aufgabe der<br />
Beurteilung der Maßnahmen fundiert wahrnehmen.<br />
Am Beispiel eines Praxisprojektes habe ich den Wech-<br />
selabschnitt auf der A2 Süd-Autobahn in Fahrtrichtung<br />
Wien (km 68,7 – km 95,3) untersucht. Aufgrund der<br />
erheblich höheren Unfallrate, verglichen mit anderen<br />
Autobahnabschnitten, wurde 2004 eine RSI in diesem<br />
Bereich durchgeführt.<br />
Das Ergebnis meiner Untersuchungen war sehr überra-<br />
schend. Obwohl Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt<br />
worden sind, war keine Verbesserung der Verkehrssi-<br />
cherheit die Folge – im Gegenteil, die Unfalldichte und<br />
Unfallrate nahmen im Zeitvergleich zu.<br />
An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass ein Vor-<br />
her/Nachher-Vergleich über eine größere Zeitspanne <strong>als</strong><br />
4 Jahre aussagekräftiger ist.<br />
Meiner Meinung nach sind alle Maßnahmen, die das<br />
Ziel Verkehrssicherheit verfolgen, so auch „RSA“ und<br />
„RSI“, von großer Bedeutung.<br />
Was mir jedoch im Zuge dieser Bachelorarbeit aufgefal-<br />
len ist, ist die Tatsache, dass es sowohl vor <strong>als</strong> auch nach<br />
der RSI auf der A2 zwei, drei markante Stellen gibt, die<br />
eine hohe Unfalldichte aufweisen.<br />
RS-Inspektoren sollten sich besonders für solche kri-
vERbESSERUNG DER vERkEHRSSIcHERHEIT<br />
tischen Bereiche, wo sich innerhalb eines Tages 3 Un-<br />
fälle bei der gleichen Kilometermarkierung ereignen,<br />
detailliertere Maßnahmen überlegen, um eine Verbesse-<br />
rung der Verkehrssicherheit zu gewährleisten.<br />
Literatur<br />
Bücher<br />
Neisser, Heinrich / Kukacka, Helmut: Verkehrssicherheit, Wien, 1992.<br />
O´Flaherty, Coleman A. u.a.: Transport Planning and Traffic Engineering,<br />
6. Auflage, Oxford / Burlington, 2006.<br />
Schnabel, Werner u.a.: Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der<br />
Verkehrsplanung / Band 1 Verkehrstechnik, 2. Auflage, Berlin, 1997.<br />
Schnieder, Eckehard u.a.: Verkehrsleittechnik / Automatisierung des<br />
Straßen- und Schienenverkehrs, Berlin, 2007.<br />
Papers von Institutionen<br />
Miranda-Moreno, Luis F. u.a.: Alternative Risk Models for Ranking<br />
Locations for Safety Improvement, in: Transportation Research Record /<br />
<strong>Journal</strong> of the Transportation Research Board / Transportation Research<br />
Board of the National Academies, 2005, No. 1908.<br />
Statistik Austria: Folder Straßenverkehrsunfälle 2006 bis 2008, 2009.<br />
Wilson, Eugene M. / Lipinski, Martin E.: Road Safety Audits / A<br />
Synthesis of Highway Practice, in: NCHRP National Cooperative<br />
Highway Research Program / <strong>Journal</strong> of the Transportation Research<br />
Board / Transportation Research Board of the National Academies, 2004,<br />
Synthesis 336.<br />
Richtlinien<br />
RVS 02.02.33, 2006: Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen<br />
/ Verkehrssicherheitsaudit, Wien, 2006.<br />
RVS 02.02.34, 1995: Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen<br />
/ Road Safety Inspection, Wien, 2007.<br />
Lexika<br />
Lexikon der Wirtschaft / Band Verkehr, transpress Verlag für Verkehrswesen,<br />
Berlin, 1972.<br />
Internet<br />
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/verkehr/strasse/unfaelle_mit_<br />
personenschaden/index.html [10.07.2009]<br />
http://www.rali.boku.ac.at/fileadmin/_/H85/H856/Downloads_Skripten/856101_D_Skriptum_09.pdf<br />
[Stand: 10.07.2009]<br />
http://www.kfv.at/fileadmin/Pressemappen/Verkehr/EuroRAP/PA-Euro-<br />
RAP.pdf [Stand: 10.07.2009]<br />
http://www.svpt.de/Publikationen/Sicherheitsmanagement.pdf [Stand:<br />
10.07.2009]<br />
http://www.asfinag.at/index.php?module=Pagesetter&func=viewpub&tid<br />
=308&pid=306&idtopic=140 [10.07.2009]<br />
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/graphToolClosed.do?tab=graph<br />
&init=1&plugin=1&language=de&pcode=tsdtr420&toolbox=legend<br />
[10.07.2009]<br />
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/verkehr/strasse/unfaelle_mit_<br />
personenschaden/019877.html [10.07.2009]<br />
Remigiusz Moneta studiert an der Fachhochschule des bfi Wien berufsbeglei-<br />
tend „Logistik und Transportmanagement“, das er im Juni 2010 erfolgreich<br />
abschließen wird. Er hat zwei Jahre bei dem international tätigen Logistik-<br />
dienstleister LKW Walter in der Division Italien–Polen gearbeitet. Um seinen<br />
beruflichen Horizont zu erweitern und seine fachliche Ausbildung zu festigen,<br />
ist er seit Anfang 2009 beim Kosmetikunternehmen La Ric Cosmetics tätig.<br />
Als Logistikleiter dieses Mittelunternehmens ist er für die Organisation inter-<br />
nationaler Transporte und für Messeprojekte zuständig.<br />
54 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 55
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
TRANSITVERKEHRS-<br />
POLITIK DER SCHwEIZ<br />
56 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Michael Ertl<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 57
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
Einleitung<br />
Der Alpenraum leidet unter dem stetig steigenden Ver-<br />
kehrsaufkommen und die dadurch entstehenden Schäden<br />
und Kosten. Insbesondere die Schweiz, dessen geogra-<br />
phische Lage und das daraus resultierende Transitver-<br />
kehrsproblem, stellt die Verkehrspolitik des Landes vor<br />
große Herausforderungen.<br />
Die Schweiz gehört, im Gegensatz zu den beiden eben-<br />
falls vom Transit-verkehr betroffenen Alpenraumlän-<br />
dern Frankreich und Österreich, nicht der Europäischen<br />
Union an.<br />
Methodik<br />
Diese wissenschaftliche Arbeit basiert auf einer voran-<br />
gegangenen Literaturrecherche ausgewählter Werke<br />
aus den Bereichen Verkehr, Verkehrspolitik, Verkehrs-<br />
wirtschaft und Alpenverkehrspolitik. Die gewonnenen<br />
theoretischen Erkenntnisse werden mit statistischem<br />
Datenmaterial und im Vorfeld eingeholten Expertenmei-<br />
nungen verglichen und bewertet.<br />
Aufbau der Arbeit<br />
Die Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf den al-<br />
penquerenden Güterverkehr. Der Personenverkehr wird<br />
weitgehend außer Acht gelassen. Weiters werden die<br />
beiden Verkehrsträger Schiene und Straße näher be-<br />
leuchtet.<br />
Zunächst soll auf theoretische Grundlagen und auf De-<br />
finitionen sowie deren Abgrenzung eingegangen wer-<br />
den. Nach einer kurzen Umschreibung des Transitver-<br />
kehrsproblems folgt eine allgemeine Beschreibung der<br />
verkehrspolitischen Lage des Alpenraums und insbeson-<br />
dere der Schweiz. Ferner eine Übersicht der politischen<br />
Maßnahmen zur Verminderung des Transitverkehrs. An-<br />
schließend folgt ein Vergleich mit der österreichischen<br />
Verkehrspolitik. Abschließend wird ein kurzes Resümee<br />
gezogen.<br />
58 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Allgemeines<br />
In diesem einführenden Kapitel werden die wichtigsten<br />
Begriffe genauer definiert. Des Weiteren erfolgen ein<br />
kurzer Abriss der Schweizer Ge-schichte sowie ein ge-<br />
ografischer Überblick. Anschließend ein Abbruch der<br />
Entwicklung des Verkehrs in dieser Region sowie dessen<br />
Entwicklung der Straßen- und Schieneninfrastruktur.<br />
Definitionen<br />
Transitverkehr<br />
Im Einzelnen versteht man unter Verkehr alle Maßnah-<br />
men die der Orts-veränderungen von Gütern, Personen<br />
und Nachrichten dienen [vgl. Kummer, 2006]. Als Tran-<br />
sit bezeichnet man alle Verkehrs- und Warenströme, die<br />
ein Gebiet durchqueren ohne dass die physischen Güter<br />
zolltechnisch abgefertigt, werden [vgl. www.logistikwo-<br />
erterbuch.or.at, 2008]. Folglich wird unter dem Begriff<br />
Transitverkehr jener Verkehr innerhalb eines Staates<br />
verstanden, bei dem weder die Quelle (Versender) noch<br />
die Senke (Empfänger) in dem betreffenden Staat liegt<br />
[vgl. Kummer, 2006]. Abgrenzend dazu Verkehre deren<br />
Quelle und Senke innerhalb eines Staates liegen, diese<br />
werden <strong>als</strong> Binnenverkehr im engeren Sinne be-zeichnet<br />
[vgl. Kummer, 2006].<br />
Verkehrspolitik<br />
Unter Verkehrspolitik versteht man die Summe der Maß-<br />
nahmen eines Staates zur Gestaltung und Beeinflussung<br />
des Verkehrssystems. Eine effiziente Verkehrspolitik<br />
sollte zum Ziel haben, die Verkehrssituation für alle Be-<br />
teiligten möglichst optimal zu gestalten und dazu bei-<br />
tragen gesamtwirtschaftliche Ziele zu erreichen. Träger<br />
der Verkehrspolitik sind Institutionen in deren Rahmen<br />
Personen tätig sind, die verkehrspolitische Prozesse in<br />
Gang setzen und vollziehen [vgl. Kummer, 2006].<br />
Entwicklung des Verkehrs in der Schweiz<br />
Wie gut sich ein Land wirtschaftlich entwickelt, hängt<br />
von jeher eng mit seiner Verkehrserschließung zusam-<br />
men. Die Alpen stellen ein natürliches Hindernis zwi-<br />
schen den nördlichen und südlichen Wirtschaftssektoren<br />
Europas dar. Dieser Alpenriegel lässt nur wenig Über-<br />
gänge zu. Um die Beziehungen und den Handel zu för-<br />
dern wurden immer wieder neue und schnellere Wege<br />
durch die Alpen geschaffen. Einerseits ist die Schweiz<br />
<strong>als</strong> rohstoffarmes aber wirtschaftlich starkes Land auf<br />
eine gute Verkehrsverbindung angewiesen. Anderer-<br />
seits hat die Schweiz in der kürzeren Vergangenheit ein<br />
durchaus alarmierendes Verkehrswachstum erlebt [vgl.<br />
technik.geschichte-schweiz.ch, 2008].<br />
Die Schweiz besitzt eine wichtige Aufgabe <strong>als</strong> Transit-<br />
land für den europäischen Nord-Süd-Verkehr und hat<br />
viel in den Ausbau ihres Straßen- und Schienennetzes<br />
investiert. In den folgenden beiden Abschnitten wird die<br />
Entwicklung der beiden Infrastrukturnetze kurz erläu-<br />
tert.<br />
Abb.1:Nation<strong>als</strong>traßennetz Abb.2: Schienennetz<br />
Entwicklung des Straßenverkehrsnetzes<br />
1805 wurde der Simplonpass <strong>als</strong> erste europäische<br />
Hochalpenstraße für den Wagenverkehr eröffnet. Zwi-<br />
schen 1821 und 1823 wurden die Bünd-ner Pässe San<br />
Bernardino und Splügen für den Wagenverkehr ausge-<br />
baut und 1830 wurde der Gotthardpass eröffnet. Wäh-<br />
rend beispielsweise in Deutschland ab 1930 der Auto-<br />
bahnbau vom Staat gefördert wurde, begnügte sich die<br />
Schweiz zunächst mit Ausbauten der Hauptstraßen [vgl.<br />
technik.geschichte-schweiz.ch, 2008]. Das Straßenwe-<br />
sen war bis Anfang der fünfziger Jahre noch kantonal<br />
geregelt. Erst 1958 haben die Schweizer mit fast 85%<br />
einer Verfassungsänderung zugestimmt, die den Bau<br />
eines nationalen Straßennetzes ermöglichte. Das Nati-<br />
on<strong>als</strong>traßengesetz von 1960 legt die Nation<strong>als</strong>traßen <strong>als</strong><br />
Gemeinschaftswerk von Bund und Kantonen fest [vgl.<br />
Liechti, 2000]. Seither wurde das Netz kontinuierlich<br />
ausgebaut und erreichte Ende 2006 eine Gesamtlän-<br />
ge von 1758 Kilometer beziehungsweise 93% der ge-<br />
planten Gesamtlänge. Der festgelegte Ziel-wert liegt<br />
bei 1892 Kilometer und soll im Jahre 2020 erreicht sein<br />
[vgl. www.bfs.admin.ch, 2008]. Die nachfolgende Ab-<br />
bildung zeigt das derzeitige Straßennetz (Stand 2006),<br />
wobei das Nation<strong>als</strong>traßennetz grün darge-stellt ist. Die<br />
roten Pfeile weisen auf die geographische Lage der vier<br />
wichtigsten Alpenübergänge hin, auf die später noch nä-<br />
her eingegangen wird.<br />
Entwicklung des Schienenverkehrsnetzes<br />
Der Eisenbahnbau hat in der Schweiz vergleichsweise<br />
spät eingesetzt. Es wurde zwar bereits 1836 eine Eisen-<br />
bahngesellschaft gegründet, welche aus Geldmangel<br />
jedoch scheiterte. Erst 1847 wurde die erste Strecke von<br />
Zürich nach Baden eingeweiht. Die weitere Erschlie-<br />
ßung des Mittellandes schritt rasant voran. Nur die Alpen<br />
waren für die Eisenbahn vorerst unüberwindbar. Nach<br />
10 jähriger Bauzeit konnte der Gotthard-Eisenbahn-<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong> 59
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
60 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
tunnel 1882 fertig gestellt werden. 1898 wurde in einer<br />
Volksabstimmung „Die Schweizer Bahn dem Schweizer<br />
Volk“ schließlich die Übernahme der Eisenbahnen durch<br />
den Bund für gut geheißen. Mit der Fertigstellung der<br />
Lötschberg–Simplon-Achse 1913 wurde das transalpine<br />
Netz ergänzt und somit waren vermeintlich die Trans-<br />
portprobleme durch die schweizerischen Alpen gelöst.<br />
Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg<br />
der Druck auf die Politik, das Schienenverkehrsnetz aus-<br />
zubauen [vgl. technik.geschichte-schweiz.ch, 2008]. In<br />
Abbildung zwei ist das Schweizer-Schienennetz (grüne<br />
Linien) dargestellt. Es umfasst heute mehr <strong>als</strong> 5.000<br />
Kilometer, wovon knapp 3000 Kilometer von der nach<br />
einer Volksabstimmung 1902 gegründeten Schweize-<br />
rischen Bundesbahn (SBB) benutzt werden [vgl. technik.<br />
geschichte-schweiz.ch, 2008]. Die roten Pfeile deuten<br />
auf die geographische Lage der zwei für den Schiene-<br />
verkehr ausgebauten Alpenübergänge hin.<br />
Transitverkehrsproblematik der Alpen-<br />
region<br />
Durch die Konzentration der Güterströme auf die geo-<br />
graphischen Barrie-ren verursacht der Transitverkehr<br />
ungleich größere Probleme <strong>als</strong> im Flachland. Das Öko-<br />
system dieser Region ist sensibel und rar besiedelbarer.<br />
Die Bündelung des Güterverkehrs auf wenige Routen<br />
bewirkt Kapazitätsengpässe, deren Folgen die Situation<br />
noch verschärft [vgl. Molitor, 1996]. Das gut ausgebaute<br />
Infrastrukturnetz hat letztlich die Voraussetzung für die<br />
rasante Verkehrsentwicklung im Alpenraum gefördert.<br />
Das stetige Wachstum des Güterverkehrs ist ein Zeichen<br />
für eine dynamische und gut funktionierende Wirtschaft.<br />
Die Schattenseiten dieser Entwicklung wie Lärmbela-<br />
stung, Luftverschmutzung oder Beeinträchtigung der re-<br />
gionalen Mobilität sollten nicht außer acht gelassen wer-<br />
den. Verkehr ist mit Umweltbelastungen verbunden, und<br />
besonders in den engen Tälern wirken sich diese verstär-<br />
kt auf das Ökosystem und die dort lebenden Menschen<br />
aus [vgl. Bundesamt für Raumentwicklung, 2001].<br />
Der Alpenbogen<br />
Der gesamte Alpenbogen erstreckt sich von Frankreich<br />
über die Schweiz bis nach Österreich oder anders gesagt<br />
von Ventimiglia bis ins Wiener Becken. Innerhalb dieses<br />
Bogens gibt es insgesamt 14 Übergänge für den alpen-<br />
querenden Güterverkehr relevant sind (siehe Abbildung<br />
3 nächste Seite).<br />
Der mit blauen Pfeilen gekennzeichnete Bereich, <strong>als</strong>o<br />
von Mont - Cenis / Frejus bis zum Brenner, steht unter<br />
besonderer Beobachtung. Dieser Be-reich wird <strong>als</strong> inne-<br />
rer Alpenbogen bezeichnet und ist aus Schweizer Sicht<br />
von besonderer Bedeutung, da sich die vier wichtigsten<br />
Alpenübergänge innerhalb dieses Bogens befinden. Die<br />
zwei nur für den Straßenverkehr ausgebauten der San<br />
Bernardino und der Großer St. Bernhard sowie die für<br />
den Straßen- und Schienenverkehr ausgebauten Über-<br />
gänge der Gotthard und der Simplonpass [vgl. Bundes-<br />
amt für Raumentwicklung, 2001].<br />
Das Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kom-<br />
munikation (UVEK) hat die Entwicklung des alpenque-<br />
renden Güterverkehrs auf Stra-ße und Schiene seit über<br />
25 Jahren in diesem inneren Alpenbogen aufgezeichnet<br />
[vgl. www.bav.admin.ch, 2008]. Die Ergebnisse dieser<br />
Erhebungen bilden eine wichtige Planungsgrundlage<br />
für die Transitverkehrspolitik der drei am stärksten vom<br />
Transitverkehr betroffenen Länder Frankreich, Österrei-<br />
ch und die Schweiz. Die nachfolgende Abbildung zeigt<br />
die Entwicklung des alpenquerenden Güterverkehrs von<br />
1980 bis 2007 im inneren Alpenbogen.<br />
Anhand von Abbildung 4 ist die prekäre Entwicklung des<br />
Transitverkehrs in der Alpenregion gut veranschaulicht.<br />
Im Jahr 2007 wurden auf Straße und Schiene insgesamt<br />
117 Millionen Tonnen Güter über den inneren Alpenbo-<br />
gen transportiert. Das ist eine Zunahme um 131% im<br />
Vergleich zum Referenzjahr 1980. Der Schienenanteil<br />
am gesamten alpenquerenden Güterverkehr auf dem<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong><br />
61
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
inneren Alpenbogen machte 35% aus. Der Transitver-<br />
kehrsanteil beträgt durchschnittlich 68%. Der ent-spre-<br />
chende Anteil beträgt in Frankreich 20%, in der Schweiz<br />
74% und in Österreich ganze 90% [vgl. Bundesamt für<br />
Verkehr, 2007]. Der alpenquerende Güterverkehr im in-<br />
neren Alpenbogen hat sich in den letzten 27 Jahren mehr<br />
62 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Abb.3: Der Alpenbogen<br />
Abb.4: Alpenquerender Güterverkehr auf Straße und Schiene 1980 - 2007<br />
<strong>als</strong> verdoppelt. Während die Schiene nur um ein Viertel<br />
zulegen konnte, ist die auf der Straße transportierte Gü-<br />
termenge fast um das dreifache gestiegen. Anteilsmäßig<br />
gewinnt die Straße gegenüber der Schiene immer mehr<br />
an Boden. Mit einem durchschnittlichen Jahreswachs-<br />
tum von 5% auf der Straße und nur 1% auf der Schiene<br />
erkennt man eine klare Tendenz hin zum Verkehrsträger<br />
Straße [vgl. Bundesamt für Raumentwicklung, 2001].<br />
Die Situation in der Schweiz<br />
Die Schweiz hat gewissermaßen eine Doppelbelastung.<br />
Einerseits der Alpenbogen, der einen natürlichen Riegel<br />
darstellt. Andererseits gibt es das wirtschaftlich bedeu-<br />
tende Entwicklungsband die sogenannte „Blaue Bana-<br />
ne“, welche nordwestlich Londons beginnt und sich<br />
über Mailand hinaus erstreckt. Dieser wirtschaftlich<br />
strukturstarke Raum gilt <strong>als</strong> Ader Europas. Innerhalb<br />
dieses Bandes befinden sich die wichtigsten Produkti-<br />
onsstätten Europas. Damit werden die altindustriellen<br />
Räume von Mittelengland und dem Ruhrgebiet genauso<br />
eingeschlossen, wie das Industriedreieck in Oberitalien<br />
[vgl. lexikon.freenet.de, 2008]. Die Überschneidung die-<br />
ser beiden Faktoren verstärkt das Problem der Schweiz<br />
<strong>als</strong> Transitland.<br />
Das auseinandergehen der Schere zwischen Schienen-<br />
verkehr und Stra-ßenverkehr ist insofern gut zu erken-<br />
nen <strong>als</strong> sich das Verhältnis zwischen den beiden Ver-<br />
kehrsträgern eindeutig in Richtung Straße bewegt: 1984<br />
lag der Schienenanteil noch bei knapp 88%, 2007 nur<br />
noch bei 64%.<br />
Auch der Anteil des Transitverkehrs am gesamten alpen-<br />
querenden Verkehr hat in den letzten Jahrzehnten zuge-<br />
nommen. Das liegt vor allem daran, dass der Transitver-<br />
kehrsanteil auf der Schiene deutlich zugenommen hat,<br />
während er auf der Straße nahezu unverändert geblieben<br />
ist.<br />
Schweizer Transitverkehrspolitik<br />
In Folge wird die Entwicklung der Schweizer Verkehrs-<br />
politik kurz erläu-tert. Es soll aufgezeigt werden, wie<br />
die Politik das Thema Transitverkehrsbelastung hand-<br />
habt und welche Ansätze sie <strong>als</strong> Schnittstelle zwischen<br />
Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt verfolgt.
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
Weißer Lkw oder ... ... nicht weißer Lkw?<br />
Historische Entwicklung<br />
Die schweizerische Verkehrspolitik ist durch zwei we-<br />
sentliche Merkmale gekennzeichnet. Erstes Merkmal<br />
ist die sektorielle Ausrichtung, die dafür verantwortlich<br />
war, dass sich die einzelnen Verkehrsträger unabhän-<br />
gig voneinander entwickelten. Zweites Merkmal ist die<br />
Bedeutung der Schweiz <strong>als</strong> Transitland, was einerseits<br />
auf die geografische Lage und andererseits auf den Al-<br />
penriegel zurückzuführen ist. Durch die Nachteile einer<br />
sektoriell ausgerichteten Verkehrspolitik sah sich der<br />
Bundesrat 1972 dazu veranlasst, die Ausarbeitung einer<br />
schweizerischen Gesamtverkehrskonzeption (GVK) in<br />
Auftrag zu geben.<br />
Basierend auf den Schlussfolgerungen verabschiedete<br />
64 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
der Bundesrat 1982 die Botschaft über die Grundlage<br />
einer koordinierten Verkehrspolitik (KVP), welche nach<br />
einer Volksabstimmung 1988 scheiterte. Somit waren<br />
die über zehnjährigen Anstrengungen einer gemein-<br />
samen Verkehrspolitik ergebnislos. Angesichts dieser<br />
Entwicklung stand man Ende der 1980´er vor neuen<br />
Herausforderungen. Die Schweiz wollte unbedingt dem<br />
Abkommen des Europäischen Wirtschaftraums (EWR)<br />
beitreten. Um ihrer traditionellen Aufgabe <strong>als</strong> Transit-<br />
land gerecht zu werden, stimmte man 1992 in einem<br />
Referendum dem Bau einer Neuen Eisenbahn-Alpen-<br />
transversale (NEAT) zu. Es folgten die Zustimmungen<br />
zur Alpeninitiative, zur leistungsabhängigen Schwer-<br />
verkehrsabgabe und der Bahnreform [vgl. Wicki, 1999].<br />
Diese Maßnahmen und Projekt prägen die Schweizer<br />
Verkehrspolitik heute noch stark.<br />
Schweizer Verlagerungspolitik<br />
In den letzten Jahren wurden in der Schweizer Ver-<br />
kehrspolitik wichtige Weichenstellungen vorgenom-<br />
men, welche die Entwicklung auch in den kommenden<br />
Jahren wesentlich beeinflussen werden. Die Schweizer<br />
Verkehrspolitik orientiert sich am Prinzip der Nachhal-<br />
tigkeit. Die Bevölkerung wünscht eine Verlagerung des<br />
Güterverkehrs auf die Schiene. Dieser Grundsatz wurde<br />
vom Souverän immer wieder bestätigt [vgl. www.bav.<br />
admin.ch, 2008].<br />
Anfang 1994 hat man die Alpenschutzinitiative in einer<br />
Egal. Hauptsache es wird auf der Schiene transportiert!<br />
Volksabstimmung angenommen. Damit wurde die so-<br />
genannte Verlagerungspolitik in der Bundesverfassung<br />
verankert. So vereint sich in der Verkehrsverlagerung die<br />
innige Beziehung der Schweizer zum Schienenverkehr,<br />
mit dem Willen zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik.<br />
Die Alpenschutzinitiative stellte im Kern hauptsächlich<br />
eine Antwort im Bezug auf die Transitfrage und man<br />
nahm dies zum Anlass, folgenden Artikel Verfassungs-<br />
recht werden zu lassen [vgl. Wicki, 1999].<br />
Laut Bundesverfassung der Schweizerischen Eidge-<br />
nossenschaft Art. 84 Alpenquerender Transitverkehr<br />
[Bundesverfassung der Schweizer Eidge-nossenschaft,<br />
2008]:<br />
1. „Der Bund schützt das Alpengebiet vor den negativen<br />
Auswirkungen des Transitverkehrs. Er begrenzt die Be-<br />
lastungen durch den Transit-verkehr auf ein Mass, das<br />
für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensräu-<br />
me nicht schädlich ist.“<br />
2.„Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze<br />
zu Grenze erfolgt auf der Schiene. Der Bundesrat trifft<br />
die notwendigen Massnahmen. Ausnahmen sind nur zu-<br />
lässig, wenn sie unumgänglich sind. Sie müssen durch<br />
ein Gesetz näher bestimmt werden.“<br />
3. „Die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet darf<br />
nicht erhöht wer-den. Von dieser Beschränkung ausge-<br />
nommen sind Umfahrungsstrassen, die Ortschaften vom<br />
Durchgangsverkehr entlasten.“<br />
Die durch die Alpenschutzinitiative hervorgerufene<br />
Verlagerungspolitik hat <strong>als</strong> Ziel, möglichst viel alpen-<br />
querenden Güterschwerverkehr von der Straße auf die<br />
Schiene zu verlagern. Die Schweizer Verlagerungs-<br />
politik besteht aus einem Paket von aufeinander abge-<br />
stimmten Maßnahmen und Instrumenten welche in den<br />
folgenden Abschnitten genauer erläutert werden [vgl.<br />
www.bav.admin.ch, 2008]:<br />
die leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe<br />
(LSVA),<br />
<strong>Verkehrsjournal</strong><br />
65
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT),<br />
das bilaterale Landverkehrsabkommen Schweiz und<br />
der Europäischen Union (EU)<br />
verschiedene flankierende Maßnahmen<br />
Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe<br />
Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA)<br />
setzt das Verur-sacherprinzip und damit die Kostenwahr-<br />
heit im Schwerverkehr durch. Sie muss für alle Motor-<br />
fahrzeuge und deren Anhänger entrichtet werden, die ein<br />
zulässiges Gesamtgewicht von mehr <strong>als</strong> 3,5 Tonnen auf-<br />
weisen, dem Gütertransport dienen und das öffentliche<br />
Straßennetz der Schweiz befahren [vgl. Wicki, 1999].<br />
Mit der Einführung der LSVA (2001) und der Erhöhung<br />
der Gewichtsbe-schränkung von 28 Tonnen auf 40 Ton-<br />
nen (2005) hat sich die Produktivität im Straßenverkehr<br />
erhöht [vgl. www.bav.admin.ch, 2008]. Der Leerfahrten-<br />
anteil war mit 23% in der Schweiz ungleich höher <strong>als</strong><br />
beispielsweise in Frankreich (5%) und Österreich (8%).<br />
Mit der Einführung und der Erhöhung der LSVA wur-<br />
de dem gegengesteuert. Ebenfalls ist seit dem Jahr 2001<br />
ein Rückgang an Straßengüterfahrzeuge von 10% zu<br />
verzeichnen, was unter anderem auf die Einführung der<br />
LSVA zurückzuführen ist [vgl. Bundesamt für Raument-<br />
wicklung, 2001].<br />
Die Einnahmen aus der LSVA werden zu einem Groß-<br />
teil in den Bau der neuen Eisenbahn-Alpentransversale<br />
(NEAT) investiert.<br />
Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT)<br />
Nach 30 Jahre dauernden Vorarbeiten, Diskussionen und<br />
Entwürfen von Experten und Kommissionen stimmte<br />
das Schweizer Volk 1992 dem Bau der Neuen Eisen-<br />
bahn-Alpentransversale (NEAT) zu. Für die Verlage-<br />
rung des Güterschwerverkehrs von der Straße auf die<br />
Schiene muss die Schieneninfrastruktur modernisiert<br />
und ausgebaut werden. Die NEAT umfasst die beiden<br />
Jahrhundertwerke des Tunnelbaus. Den 2007 eröffneten<br />
Lötschberg - Basistunnel, der zusammen mit dem Sim-<br />
plontunnel die Lötschberg - Simplon - Basisstrecke bil-<br />
det. Von größerer Bedeutung für die Verlagerung wird<br />
indes der 57 Kilometer lange Gotthardbasistunnel sein,<br />
dessen endgültige Fertigstellung 2019 geplant ist.<br />
Die Erhöhung der Transitkapazität wird weiterhin mit<br />
den großen Investitionen in den kommenden Jahren<br />
gewährleistet. Ziel der beiden NEAT-Achsen ist es, lei-<br />
stungsfähige Bahnverbindungen für Güter zwischen der<br />
Nord- und der Südseite der Alpen zu schaffen [vgl. Bun-<br />
desamt für Raumentwicklung, 2001].<br />
Verlagerungsgesetz<br />
Der Verlagerungsauftrag in der Verfassung verlangt,<br />
einen möglichst großen Teil der alpenquerenden Güter-<br />
ströme statt auf der Straße auf der Schiene zu bewälti-<br />
gen. Das auf der Bundesverfassung der Schweizer Eid-<br />
genossenschaft gestützte Verlagerungsgesetz beinhaltet<br />
Folgendes [Bundesverfassung der Schweizer Eidgenos-<br />
senschaft, 2008]:<br />
1. „Der Bund ist bestrebt, zum Schutz des Alpengebietes<br />
in Zusammen-arbeit mit den Kantonen, den Bahnen und<br />
seinen europäischen Part-nern eine sukzessive Verlage-<br />
rung von alpenquerendem Güterschwerverkehr auf die<br />
Schiene zu erzielen.“<br />
2. „Für den auf den Transitstrassen im Alpengebiet ver-<br />
bleibenden alpenquerenden Güterschwerverkehr gilt<br />
eine Zielgrösse von 650 000 Fahrten pro Jahr, welche<br />
möglichst rasch, spätestens zwei Jahre nach Eröffnung<br />
des Lötschberg - Basistunnels erreicht werden soll.“<br />
3. „Falls das Verlagerungsziel nach den Absätzen 1 und<br />
2 gefährdet er-scheint, legt der Bundesrat Zwischen-<br />
schritte für die Verlagerung fest und trifft die notwen-<br />
digen Massnahmen oder beantragt diese der Bundesver-<br />
sammlung. Er schlägt nötigenfalls weitere Massnahmen<br />
im Rahmen der Botschaft für ein Ausführungsgesetz zu<br />
Artikel 84 der Bundesverfassung vor.“<br />
Die verkehrspolitisch angestrebte Reduzierung der Stra-<br />
ßensendungen auf 650.000 LKW-Sendungen pro Jahr<br />
bis 2009 wird nicht erreicht werden.<br />
Waren es im Jahr 2000 noch 1.430.000 Schwerfahr-<br />
zeuge, überquerten 2007 noch 1.263.000 Schwerfahr-<br />
zeuge die Schweizer Alpen auf der Straße. Die Richtung<br />
stimmt. Das Ziel zwei Jahre nach Eröffnung des Lötsch-<br />
berg - Basistunnels die Anzahl zu halbieren wurde aber<br />
verfehlt.<br />
Bilaterales Landverkehrsabkommen<br />
Das Landverkehrsabkommen der Schweiz mit der Euro-<br />
päischen Union sichert die nachhaltige Schweizer Ver-<br />
kehrspolitik gegenüber Europa ab und bringt eine koor-<br />
dinierte Politik zum Schutz des gesamten Alpenrau-mes<br />
[vgl. Wicki, 1999].<br />
Das NEAT-Konzept ist auch Bestandteil des Transitab-<br />
kommens von 1992 und des Landverkehrsabkommens<br />
zwischen der Schweiz und der EU. Das deutliche Ja von<br />
Volk und Ständen am 29. November 1998 hat entschei-<br />
dend dazu beigetragen, dass die Verhandlungen über das<br />
Landverkehrsabkommen abgeschlossen werden konnte.<br />
Fond für Infrastrukturprojekte (FinöV-Fond)<br />
Der seit 1998 bestehende FinöV - Fonds sichert außer-<br />
halb des ordentli-chen Bundesbudgets die Finanzierung<br />
der Eisenbahnprojekte. Der Fonds umfasst Bahninfra-<br />
strukturprojekte, die einander ergänzen und eine Lei-<br />
stungssteigerung beim öffentlichen Verkehr ermögli-<br />
chen. Dieses Vorhaben basiert auf dem Grundsatz der<br />
nachhaltigen Verkehrs- und Verlagerungspolitik, wie<br />
er in Volksabstimmungen wiederholt bestätigt worden<br />
ist. Der Finöv - Fonds des Bundes wird zu 2/3 aus den<br />
Einnahmen der LSVA finanziert, während die übrigen<br />
Gelder aus der Mehrwert- und aus der Mineralölsteuer<br />
stammen [vgl. www.bav.admin.ch, 2008].<br />
m<br />
Vergleich Schweiz - Österreich<br />
Die topografische und geographische Lage der bei-<br />
den Länder, und dass daraus resultierende Transitver-<br />
kehrsproblem, stellt deren jeweilige Ver-kehrspolitik vor<br />
große Herausforderungen. Die Probleme sind weitge-<br />
hend deckungsgleich, die Lösungsansätze jedoch größ-<br />
tenteils verschieden. Im Gegensatz zur Schweiz gehört<br />
Österreich seit 1995 der Europäischen Union (EU) an,<br />
was die Ausgangssituation entscheidend beeinflusst.<br />
Die Schweiz verzichtet seit einer Volksabstimmung<br />
1994 auf den Aus-bau der Kapazität der Transitstrassen,<br />
stattdessen wird die Verlagerung des Transitverkehrs auf<br />
die Schiene angestrebt. Wohingegen es in Öster-reich<br />
nicht so einfach funktioniert und man in vielen Punkten<br />
von der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU abhängig<br />
ist. Allgemein bezieht die Schweiz das Volk viel stärker<br />
in verkehrspolitischen Entscheidungen mit ein. Wäh-<br />
rend in Österreich der Straßengüterverkehr weiter stark<br />
zunimmt, ist es der Schweizer Verkehrspolitik gelungen,<br />
das Wachstum zu verringern. Im alpenquerenden Güter-<br />
verkehr dominiert bezüglich der beförderten Menge in<br />
Österreich klar die Straße mit 73%. Wo hingegen in der<br />
Schweiz der Anteil der Straße nur 36% und der Schie-<br />
nenanteil 64% beträgt. In diesem Punkt hat Österreich<br />
sicherlich noch Aufholbedarf.<br />
Die Schweiz hat bereits im Jahr 2001 eine LKW-Maut<br />
eingeführt, die auf allen Straßen zu bezahlen ist und<br />
nicht wie in Österreich nur auf Autobahnen und Schnell-<br />
straßen. Auch ist die LKW-Maut in der Schweiz deutlich<br />
höher. In der Schweiz zahlen Lkw für jeden zurückge-<br />
legten Kilometer durchschnittlich 50 Cent. In Österrei-<br />
ch zahlen LKW nur für die hochrangigen Straßen ge-<br />
fahrenen Kilometer, und dort im Durchschnitt lediglich<br />
23 Cent pro Kilometer. Die daraus resultierenden Ein-<br />
nahmen fließen in der Schweiz direkt in den Ausbau der<br />
Schieneninfrastruktur. Wohingegen in Österreich damit<br />
der Ausbau der Schnellstraßen und Autobahnen finan-<br />
ziert wird.<br />
Zusammenfassung<br />
Im Herzen Europas gelegen besitzt die Schweiz eine<br />
66 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
67
TRANSITvERkEHRSPOLITIk DER ScHwEIZ<br />
wichtige Aufgabe <strong>als</strong> Transitland vor allem für den euro-<br />
päischen Nord-Süd-Verkehr. Einerseits ist die Schweiz<br />
<strong>als</strong> rohstoffarmes aber wirtschaftlich starkes Land auf<br />
eine gute Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Anderer-<br />
seits hat die Schweiz in der kürzeren Vergangenheit ein<br />
durchaus alarmierendes Verkehrswachstum erlebt. Wie<br />
gut sich ein Land wirtschaftlich entwickelt hängt eng<br />
mit seiner Verkehrserschließung zusammen.<br />
Die Schweiz hat seit Jahrzehnten eine nachhaltige, öko-<br />
logische und ökonomische Verkehrspolitik betrieben.<br />
Die wesentlichen Fakten und Entwicklungstendenzen<br />
zur Verkehrssituation wurden weitgehend behandelt. Im<br />
Transitverkehr sind die Weichen verbindlich gestellt. Bei<br />
jeder einzelnen Maßnahme – LSVA, NEAT, bilaterales<br />
Landverkehrsabkommen, FinöV-Fond – hat die Schweiz<br />
den Fokus auf umwelt- und sozialverträglichere Gestal-<br />
tung des Transitverkehrs gelegt. Ohne diese Lenkungs-<br />
maßnahmen würde der Prozentsatz von 65% Schienen-<br />
anteil nicht auf Dauer haltbar sein.<br />
Um den Ausweichverkehr über die Nachbarländer der<br />
Schweiz zu vermeiden, braucht es ein über den ganzen<br />
Alpenraum koordiniertes Vorgehen. Die Schweiz wird<br />
in den nächsten Jahren von den verkehrspolitischen<br />
Entscheidungen der EU beeinflusst werden, ohne dass<br />
sie direkten Einfluss auf diese Entscheidungen nehmen<br />
kann.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Brieber, Maria: Der Transitvertrag <strong>als</strong> ein Versuch der Reglementierung<br />
des Transitverkehrs, Wien, 2005<br />
Bundesverfassung der Schweizer Eidgenossenschaft: Vom April 1999<br />
(Stand Jänner 2008)<br />
Bundesamt für Raumentwicklung: Wege durch die Alpen, Bern, 2001<br />
Bundesamt für Verkehr: Alpeninfo 2007, Bern, 2008<br />
Ebenbichler, Barbara; Transitverkehr, Wien, 1996<br />
Friedli, Max: Verkehrspolitik der Schweiz, Bern, 2008<br />
Hummer, Waldemar: Alpenquerender Transitverkehr aus regionaler<br />
und überregionaler Sicht, Wien, 1993<br />
Kummer, Sebastian: Einführung in die Verkehrswirtschaft, Wien, 2006<br />
Kummer, Sebastian: Rollende Landstrasse nach der EU-Erweiterung,<br />
Wien, 2004<br />
Liechti, Markus: Privatisierung der Schweizer Nation<strong>als</strong>trassen, Bern,<br />
2000<br />
Molitor, Romain: Alpentransit–Güterzüge statt LKW-Kolonnen, Wien,<br />
1996<br />
Pfohl, Hans-Christian: Logistiksysteme (7. Auflage), Darmstadt, 2003<br />
Rütsche, Bernhard: Verkehrspolitik und Alpenraum, Bern, 1996<br />
Sarreschtehdari-Leodolter, Sylvia: EU-Erweiterung und Alpentransit,<br />
Wien, 2003<br />
Schubert, Alex: Volkswirtschaftliche Grundlagen der österreichischen<br />
Verkehrswirtschaft, Wien, 2006<br />
Wicki, Christof: Nachhaltige Alpenverkehrspolitik, Luzern, 1999<br />
http://www.bfs.admin.ch, Dezember 2008<br />
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/11/07/04.html,<br />
Excel-File: Alpenquerender Güterverkehr nach Übergängen, Dezember<br />
2008<br />
http://www.essential.at/cms/index; Dezember 2008<br />
http://europa.eu/pol/trans/index_de.htm; Dezember 2008<br />
http://www.geschichte-schweiz.ch, November 2008<br />
http://www.giovannidanielli.ch/index.html, Dezember 2008<br />
http://www.lexikon.freenet.de/Blaue_Banane, Dezember 2008<br />
http://www.logistikwoerterbuch.or.at/dictionary, Dezember 2008<br />
http://www.swissworld.org/de, Dezember 2008<br />
http://www.uvek.admin.ch, Dezember 2008<br />
http://www.a9-vs.ch/deutsch/nstrnetz.html, November 2008<br />
Michael Ertl studiert an der FH des bfi Wien<br />
„Logistik und Transportmanagement“. Nach-<br />
dem er knapp 10 Jahre für die Österreichischen<br />
Bundesbahnen (ÖBB) gearbeitet hat, konnte<br />
er nicht nur bei den Austrian Airlines, sondern<br />
auch bei der Rail Cargo Austria Erfahrungen<br />
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68 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 73<br />
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KW 17
OffEN AUSGESPROcHEN - AUSGESPROcHEN OffEN<br />
SICHERHEIT uND VERKEHR<br />
Das Thema Sicherheit, welches die-<br />
ser Ausgabe des „Österreichischen<br />
Verkehrsjourn<strong>als</strong>“ zugrundeliegt, ist<br />
ein sehr vielschichtiges und ein sehr<br />
aktuelles Thema. Daher möchte ich<br />
versuchen, einige relevante Aspekte<br />
im Zusammenhang zwischen Si-<br />
cherheit und Verkehr anzusprechen.<br />
Der erste Bereich betrifft Verkehrs-<br />
sicherheit. Es ist glücklicherweise<br />
so, dass sich trotz - auf lange Sicht<br />
gesehen - steigenden Verkehrsauf-<br />
kommens Zahl und Schwere von<br />
Verkehrsunfällen verringern. Dies<br />
ist im Wesentlichen auf den tech-<br />
nologischen Fortschritt und die Si-<br />
cherheitsmerkmale von Fahrzeugen<br />
und auf Infrastrukturseite zurück-<br />
zuführen. Der zweite Faktor sind<br />
die einzuhaltenden Vorschriften. Es<br />
70 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
Elmar Wilhelm M. Fürst<br />
lässt sich im langjährigen Verlauf<br />
der Verkehrsunfallstatistiken sehr<br />
schön und eindrucksvoll zeigen,<br />
welche Wirkungen die Einführung<br />
der Verwendung von Sicherheits-<br />
gurten, Helmen, Kindersitzen etc.<br />
entfaltet haben. Leider können aber<br />
weder die Technik noch die Gesetze<br />
etwas gegen Unachtsamkeit, Leicht-<br />
sinn und Ignoranz der Verkehrsteil-<br />
nehmer ausrichten. Bewusstseinsbil-<br />
dende Maßnahmen und Kampagnen<br />
können daher durchaus wirksam sein<br />
und zahlen sich aus, sobald sie einen<br />
Invaliden oder Verkehrstoten ver-<br />
hindert haben. Als Ökonom möchte<br />
ich an dieser Stelle auch noch be-<br />
tonen, dass aus menschlicher Sicht<br />
natürlich problematisch wirken mag<br />
und tatsächlich auch schwierig ist,<br />
Menschenleben bzw. Lebensqualität<br />
elmar.fuerst@verkehrsjournal.at<br />
monetär im Rahmen von Unfallko-<br />
stenrechnungen zu bewerten, den-<br />
noch muss der Gesellschaft und ih-<br />
ren Entscheidungsträgern vor Augen<br />
geführt werden, dass neben dem un-<br />
ermesslichen Leid durch Verkehrs-<br />
unfälle auch ein enormer wirtschaft-<br />
licher Schaden entsteht.<br />
Ein zweiter, großer und aktuell heiß<br />
diskutierter Bereich ist der Bereich<br />
des Schutzes vor Anschlägen und<br />
Entführungen, vor allem im Luft-<br />
verkehr, aber auch in anderen Ver-<br />
kehrsbereichen. Hier wird etwa die<br />
Einführung der „Nacktscanner“<br />
thematisiert oder das Verbot des<br />
Mitführens von Flüssigkeiten. Neue<br />
Regelungen scheinen hier „anlass-<br />
bezogen“ eingeführt zu werden, was<br />
mich bedenklich stimmt, sollte die<br />
Sicherheitspolitik nach Möglichkeit im Vor-<br />
hinein in der Lage sein, Gefahrenpotentiale<br />
auszumachen und abzustellen. Gleichzeitig<br />
sieht man, dass es manchen Leuten immer<br />
wiederum gelingt, Sicherheitsmaßnahmen zu<br />
umgehen. Hinzu kommt, dass Sicherheitsvor-<br />
kehrungen an unterschiedlichen Orten bzw. in<br />
unterschiedlichen Ländern auch unterschied-<br />
lich streng gehandhabt werden.<br />
An diesen Bereich schließt sich nahtlos die<br />
Frage des Datenschutzes an. Dies beginnt mit<br />
der Frage, wem welche Daten in welcher Form<br />
zur Verfügung gestellt werden sollten (Stich-<br />
wort „Fingerabdrücke“), reicht über Videoauf-<br />
zeichnungen im öffentlichen Raum (Bahnhöfe,<br />
Flughäfen, Verkehrsmittel) bis hin zur Frage<br />
der Datenerfassung für statistische Zwecke.<br />
Die Sicherheit der Fahrgäste im Öffentlichen<br />
Verkehr ist natürlich ebenfalls ein bedeutsames<br />
Thema, kommt es doch immer wieder zu Belä-<br />
stigungen bis hin zu tätlichen Angriffen. Hier<br />
sind effektive Maßnahmen ebenso gefragt,<br />
wie die Zivilcourage von anderen Fahrgästen<br />
und Mitarbeitern. Oft haben Menschen Angst,<br />
einzuschreiten, da sie befürchten, selbst zum<br />
Opfer zu werden. Die Psychologen raten in<br />
diesen Fällen, sich nach Möglichkeit mit ande-<br />
ren Personen zusammenzutun und gemeinsam<br />
vorzugehen.<br />
Schließlich soll hier auch noch das Thema<br />
Fahrzeugeinbrüche und -diebstähle erwähnt<br />
werden, da auch hierdurch ein beachtlicher<br />
Schaden entsteht.<br />
Es zeigt sich, dass Sicherheit und Verkehr auf<br />
vielfältige Weise miteinander verwoben sind.<br />
Jeder sollte seinen Beitrag leisten, damit der<br />
Verkehr und damit unser Leben sicherer wird<br />
und bleibt. Sicher ist sicher!
UMfRAGE<br />
ONLINE-uMFRAGE IM<br />
VERKEHRSFORuM.AT<br />
Vor kurzem wurde die vierte Section-Control-Anlage in Österreich (Kärnten) in Be-<br />
trieb genommen. Was halten Sie von diesen Anlagen?<br />
Section-Control erhöht die Verkehrssicherheit. 40,53%<br />
Section-Control reduziert die Verkehrssicherheit. 11,01%<br />
Section-Control soll Einnahmen für den Staat lukrieren. 19,82%<br />
Section-Control diskriminiert inländische Lenker. 14,98%<br />
Section-Control ist sinnlos. 9,69%<br />
Ich bin anderer Meinung. 2,64%<br />
Ich habe keine Meinung zum Thema/Thema ist mir egal. 1,33%<br />
72 <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
n = 227<br />
Umfragezeitraum: Okt. 2009 - Jän. 2010<br />
Ihre Meinung zählt!<br />
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vERkEHR IN kÜRZE<br />
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NOVEMbER 2009<br />
Neue Verkehrsbe-<br />
schränkungen?<br />
Einen Novellierungsent-<br />
wurf des IG-L (Immissi-<br />
onsschutzgesetz - Luft)<br />
hat das Umweltministeri-<br />
um versendet. Eine Reihe<br />
von Ausnahmen für den<br />
Verkehr sollen gestrichen<br />
werden wie zB die gene-<br />
relle Befreiung für Busse<br />
und Taxis, weiters (die<br />
für Straßengüterbeförde-<br />
rungen wichtigen) Ziel<br />
und Quellverkehre und<br />
bestimmte Fahrschul-<br />
fahrten. Erstm<strong>als</strong> werden<br />
Rahmenbedingungen<br />
zur Schaffung von Um-<br />
weltzonen in Österreich<br />
geschaffen wie die Kenn-<br />
zeichnung der Fahrzeuge<br />
nach Abgasklassen: rote<br />
Plakette/Abgasnorm bis<br />
EURO-2, gelbe Plakette<br />
EURO-3, grüne Plakette<br />
EURO-4 und jünger.<br />
Ausflaggung von<br />
Lkw nimmt zu<br />
Eine Studie des Instituts<br />
für Transportwirtschaft<br />
und Logistik an der WU<br />
Wien zeigt, dass es durch<br />
die Kfz-Steuer-Senkung<br />
im Jahre 2007 zwar ge-<br />
lungen ist, den Ausflag-<br />
gungstrend kurzfristig<br />
zu stoppen, dass mit der<br />
Krise 2008/09 leben aber<br />
die Ausflaggungsaktivi-<br />
täten wieder stark auf.<br />
Ausgeflaggt, das heisst<br />
im Ausland angemeldet,<br />
wurden von österrei-<br />
chischenTransportunter- nehmern im Jahr 2009<br />
fast 8000 Fahrzeuge. Für<br />
2010 werden 10.000 aus-<br />
geflaggte Lkw prognos-<br />
tiziert. Der öffentlichen<br />
Hand entstehen Kosten in<br />
der Höhe von 47.106,79<br />
€ pro Fahrzeug und Jahr<br />
je ausgeflaggtem Lkw.<br />
EU-Straßenver-<br />
kehrspaket<br />
Am 14.11.2009 wurden<br />
die drei Verordnungen<br />
des sogenannten Straßen-<br />
verkehrspakets, das eine<br />
Neuregelung des Berufs-<br />
und Marktzugangs für<br />
den Personen- und Güter-<br />
kraftverkehr vorsieht, im<br />
Amtsblatt der EU veröf-<br />
fentlicht. Geändert wird<br />
beispielsweise die Ka-<br />
botage, die nunmehr EU<br />
weit einheitlich geregelt<br />
wird und drei Kabotage-<br />
beförderungen innerhalb<br />
von sieben Tagen nach<br />
einer grenzüberschreiten-<br />
den Fahrt erlaubt. Diese<br />
neue Regelung gilt ab 14.<br />
Mai 2010. Ein weiterer<br />
Aspekt ist die Wieder-<br />
einführung der 12-Tage-<br />
Regelung bei Busreisen<br />
(in modifizierter Form)<br />
per 4. Juni 2010. Die<br />
übrigen Vorschriften<br />
gelten grundsätzlich<br />
ab 4. Dezember 2011.<br />
DEZEMbER 2009<br />
Neue Mauttarife<br />
ab 2010<br />
Ab 1. Jänner 2010 wird<br />
die Maut für Lkw und<br />
Busse ökologisiert. Die<br />
Höhe der Maut wird da-<br />
mit neben der Anzahl der<br />
Achsen auch vom Schad-<br />
stoffausstoß (Alter) des<br />
Fahrzeugs bestimmt. Ab<br />
Jahresbeginn zahlt ein<br />
Vierachser (häufigster<br />
Lkw) zwischen 30,24 und<br />
36,96 Cent je Kilometer.<br />
Den Tarifen 2010 liegt<br />
neben der zusätzlichen<br />
Spreizung auch eine Va-<br />
lorisierung um 1,4 Pro-<br />
zent zugrunde.<br />
Heuer bereits<br />
210.000 Lkw über<br />
Brenner auf die<br />
Schiene verladen<br />
Die ÖKOMBI hat mit 210<br />
000 Lkw heuer bereits<br />
die Vorjahresanzahl an<br />
Lkw übertroffen, die mit<br />
der Rollenden Landstraße<br />
durch Tirol befördert wur-<br />
den (Zuwachs um 10 Pro-<br />
zent). Auf der Brenner-<br />
achse sind derzeit täglich<br />
54 Züge mit Lkw‘s unter-<br />
wegs (38 Wörgl - Bren-<br />
ner, 10 Wörgl -Trient, 6<br />
Regensburg - Trient). Der<br />
Marktanteil der ROLA<br />
am gesamten Transit-<br />
verkehr von schweren<br />
LKW über den Brenner<br />
liegt 2009 bei 15 Prozent.<br />
Weitere Verschärfungen<br />
des sektoralen Fahrver-<br />
bots (Jahresmitte 2010),<br />
umfassendes Marketing<br />
und die Kooperation mit<br />
den Transportunterneh-<br />
men sollen es ermögli-<br />
chen, im nächsten Jahr<br />
mehr <strong>als</strong> 250 000 Lkw<br />
auf der RoLa zu beför-<br />
dern.<br />
JäNNER 2010<br />
IATA will Emis-<br />
sionen bis 2050<br />
halbieren<br />
m<br />
Die International Air<br />
Transport Associati-<br />
on (IATA) hat auf der<br />
Klimakonferenz in Ko-<br />
penhagen die Ziele der<br />
Luftfahrtbranche zum<br />
Klimaschutz bekräftigt.<br />
Fluggesellschaften, Flug-<br />
häfen, Flugsicherung und<br />
Hersteller fordern ein ein-<br />
heitliches Vorgehen welt-<br />
weit, um die Emissionen<br />
im Luftverkehr zu redu-<br />
zieren. Bis 2020 soll sich<br />
die Treibstoffbilanz jedes<br />
Jahr Im Schnitt um 1,5<br />
Prozent verbessern und<br />
der Schadstoffausstoß<br />
soll stabilisiert werden.<br />
Bis zum Jahr 2050 sollen<br />
die Emissionen im Ver-<br />
gleich zu 2005 halbiert<br />
werden.<br />
2010 zahlreiche<br />
neue Belastungen<br />
für Autofahrer<br />
Die Jahresvignette 2010<br />
wurde auf 76,20 Euro<br />
bzw um 2,40 Euro ver-<br />
teuert. Die Jahreskarten<br />
für die Sondermautstre-<br />
cken Pyhrn-, Tauern- so-<br />
wie Brenner Autobahn<br />
und Arlberg Schnellstra-<br />
ße (S16) werden erstm<strong>als</strong><br />
seit 20 Jahren um 3,2 Pro-<br />
zent erhöht. Ab 1. Jänner<br />
2010 greift der verschärfte<br />
CO2-Malus bei der NoVa<br />
für neu gekaufte Pkw<br />
schon ab einem CO2-<br />
Ausstoß von 160 g/km<br />
statt 180 g/km. Die NoVa<br />
erhöht sich daher um 500<br />
EURO für Pkw mit Emis-<br />
sionen von mehr <strong>als</strong> 180<br />
g CO2/km. Die Kfz-Ver-<br />
sicherungsprämienwer- den um 0,5% erhöht. Die<br />
Erhöhung des Kilometer-<br />
geldes (42 Cent/km) und<br />
des Pendlerpauschales<br />
(inkl Pendlerzuschlag)<br />
wurde bis Ende 2010 ver-<br />
76 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong><br />
77<br />
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