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Rheinkind 02/2021

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NACHHALTIGKEIT<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

ADAC-Umfrage<br />

44%<br />

der 25- bis 34-Jährigen würden sich<br />

ein ein E-Auto kaufen (2<strong>02</strong>0)<br />

Alles Mist<br />

Problem im 19. Jahrhundert<br />

Unterwegs sein<br />

1889 fand in New York eine internationale Ministerkonferenz<br />

statt. Thema: Das allgemeine<br />

Pferdemist-Problem. Die Zahl der Pferde<br />

in den Metropolen der westlichen Welt war<br />

aufgrund der Nachfrage im Transportwesen<br />

unglaublich gewachsen, die Städte drohten<br />

im Pferdemist unterzugehen. Kommunale<br />

Dienste enstorgten die »Äpfel« meist vor<br />

der Stadt, wo stinkende Kotgruben immer<br />

mehr Fläche einnahmen. New York machte<br />

den Pferdemist für jährlich 20.000 Tote verantwortlich.<br />

Ändere sich nichts, rechnete die<br />

Times, wären Londons Straßen 1950 drei Meter<br />

hoch mit Pferdekot bedeckt. Die Minister<br />

fanden keine Lösung und brachen die Konferenz<br />

nach drei Tagen ab.<br />

Es kam anders, weil die Pferde – durchaus<br />

unerwartet – nur wenige Jahre später von<br />

Autos mit Verbrennungsmotoren abgelöst<br />

wurden. Eine Mobilitätsrevolution.<br />

Warum wir unterwegs<br />

sind – und wohin<br />

Der Weg ist nicht das Ziel<br />

Wenn wir unterwegs sind, geht es nur selten darum,<br />

unterwegs zu sein. Zumeist geht es darum,<br />

woanders zu sein. Den Weg dorthin nehmen wir<br />

lediglich in Kauf. Gelänge es uns, mit einem Fingerschnipsen<br />

von jetzt auf gleich den gewünschten<br />

Ort zu erreichen, würden die meisten wohl<br />

diese Methode bevorzugen.<br />

Warum wir Wege zurücklegen, lässt sich in vier<br />

Punkten zusammenfassen: aus Gründen der Arbeit,<br />

der Versorgung, der sozialen Gemeinschaft<br />

und der Freizeit. Wir pendeln zur Arbeitsstelle,<br />

kaufen im Supermarkt ein, bringen Kinder zur<br />

Schule, müssen zum Arzt, treffen Freunde, treiben<br />

Sport und besuchen Konzerte etc. Distanzen<br />

müssen überwunden werden. Dies wäre nachhaltiger<br />

gestaltet, wenn die meisten der Ziele<br />

nahe beieinander, am besten nahe am Wohnort,<br />

lägen. Das kann man selten selbst bestimmen.<br />

Auf welches System<br />

wir setzen<br />

Effektivität bestimmt die Wahl<br />

Welche technischen Systeme wir nutzen – und<br />

ob überhaupt – um Wege zurückzulegen, richtet<br />

sich vor allem danach, was uns zur Verfügung<br />

steht und wie effektiv es uns ans Ziel bringt. Für<br />

alles in unmittelbarer Nähe ist das Zufußgehen<br />

das Mittel der Wahl. Für nahe bis mittlere Distanzen<br />

eignet sich das Fahrrad hervorragend,<br />

auch in seiner Form als Lastenrad für Einkäufe<br />

und kleinere Transporte. Danach kommen Bus,<br />

Bahn und das Auto in Betracht sowie für Fernziele<br />

Zug und Flugzeug. In der Wahl des richtigen<br />

Mobilitäts werkzeugs steckt großes Potenzial<br />

für Nachhaltigkeit. Kommen motorisierte Fahrzeuge<br />

zum Einsatz, sollten sie möglichst viele<br />

Menschen gleichzeitig transportieren und dabei<br />

Strom als Antriebsenergie nutzen. Leihsysteme<br />

können erhebliche Ressourcen einsparen, Fliegen<br />

verbraucht die meisten.<br />

Welche Energie<br />

uns antreibt<br />

Stromer oder Verbrenner<br />

Die Nutzung kohlebasierter Treibstoffe wie Benzin<br />

und Diesel sind verantwortlich für große Teile<br />

der jährlich freigesetzten CO2-Mengen. Zukünftig<br />

müssen wir auf Antriebsysteme setzen, die<br />

erneuerbare Energien verwenden. In Frage kommen<br />

Elektro- und Wasserstoffmotoren. Zur Herstellung<br />

von Wasserstoff wird ebenfalls Strom<br />

benötigt. Entscheidend ist also, wie unser Strom<br />

produziert wird. Kommt er aus Kohlekraftwerken,<br />

ist nichts gewonnen.<br />

Die Zukunft der Mobilität hängt also nicht nur davon<br />

ab, mit welchen Fahrzeugen wir selbst fahren<br />

und Dinge transportieren lassen, sondern<br />

wesentlich auch davon, dass zum Beispiel vor der<br />

Küste Windkraftanlagen entstehen, deren Strom<br />

dann mit Überlandleitungen verteilt wird.<br />

Ältere sehen noch eher die Schwierigkeit der Umrüstung,<br />

Jüngere setzen schon stark aufs E-Auto.<br />

Länger gut gekleidet<br />

Mehr Qualität shoppen<br />

SELBSTVERSTÄNDLICH KLEIDEN WIR uns, um uns vor Umwelteinflüssen zu schützen. Die maßgebliche<br />

Funktion unserer Kleidung ist heute jedoch ihre kommunikative Wirkung. Kleidung ist Kommunikation.<br />

Über Kleidung vermitteln wir zum Beispiel, welcher sozialen Gruppe wir uns zugehörig<br />

fühlen (möchten). Weil das so ist, tun wir uns so schwer damit, sie nach nur wirtschaftlichen oder<br />

gar ökologischen Kriterien auszuwählen. Vor dem Spiegel stehend fragen wir »Wie sehe ich aus?«<br />

und nicht »Wie nachhaltig wirke ich?« Oder doch? Erleben wir vielleicht gerade, dass einflussreiche<br />

Gruppen wie Fridays for Future einen Wechsel des Einkaufsverhaltens bewirken?<br />

Tatsächlich sehen wir wohl gerade einen Höhepunkt der sich seit Jahren intensivierenden Fast fashion-<br />

Entwicklung. Vormals gab es zwei Kollektionen im Jahr, deren Wechsel jeweils vom Sommer- oder Winterschlussverkauf<br />

angekündigt wurde, dann vier, die sich an den Jahreszeiten orientierten. Mittlerweile arbeitet<br />

man in der Modeindustrie mit 12 Kollektionen oder mehr. Der schnelle Wechsel soll dazu anhalten,<br />

beständig Neues zu kaufen. Damit man sich das häufige Shoppen leisten kann, muss das Angebot so<br />

preiswert wie möglich sein. Deshalb sparen Hersteller am Material, an der Verarbeitung und an den Lohnkosten.<br />

Häufig produziert man in Schwellenländern bei Partnerunternehmen, die ihren Arbeitern kaum<br />

Mindestlöhne zahlen und Umweltstandards nicht ernst nehmen. Jeder Deutsche kauft heute durchschnittlich<br />

60 neue Kleidungsstücke jährlich – trägt sie aber nur halb so lange wie noch vor 15 Jahren.<br />

Strom vor Benzin<br />

Der erste Pkw fuhr mit Batterie<br />

Das Elektrofahrzeug ist eine Erfindung des<br />

19. Jahrhunderts. Der Schotte Robert Anderson<br />

entwickelte es wohl zwischen 1832 und<br />

1839. Als weltweit erster elektrisch angetriebener<br />

Personenkraftwagen gilt der Flocken-<br />

Elektrowagen von 1888, gefertigt in der Maschinenfabrik<br />

Andreas Flocken in Coburg.<br />

Nach den Dampfkraftwagen und noch vor<br />

den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor waren<br />

die Elektrofahrzeuge ihren Konkurrenten<br />

technisch überlegen.<br />

Ab ca. 1910 übernahmen dann die Benziner<br />

die Führung und verbannten die »Stromer«<br />

zum Dasein in einer kaum beachteten<br />

Nische, aus der sie nun kraftvoller denn je<br />

wieder hervortreten.<br />

Welche Infrastruktur<br />

nötig ist<br />

Weniger Asphalt, mehr Digitales<br />

Viele Autos brauchen viel Platz – zum Fahren und<br />

vor allem zum Herumstehen: Das beim Fahren<br />

Meistgesuchte sind wohl Parkplätze. Versiegelte<br />

Flächen schaden allerdings den Böden und begünstigen<br />

Hochwasser. Für Autos reservierte Flächen<br />

können nicht mehr für Wohnhäuser oder für<br />

die Landwirtschaft genutzt werden. Auch Busse,<br />

Straßenbahnen oder Züge benötigen Raum zum<br />

Fahren, verbrauchen aber deutlich weniger Fläche<br />

pro transportierter Person. Es ist nachhaltiger<br />

ihren Flächenanteil auszubauen und den des<br />

Individualverkehrs zu reduzieren.<br />

Unbedingt auszubauen ist die digitale Verkehrsinfrastruktur.<br />

Je enger sich einzelne Verkehrsteilnehmer<br />

miteinander vernetzen, desto effektiver<br />

können Flächen und Einrichtungen genutzt<br />

werden. Neu einzurichten sind Ladestationen für<br />

nachhaltig strombetriebene Fahrzeuge.<br />

Die Zukunft der<br />

Mobilität<br />

Forscher entwerfen das Morgen<br />

Das wichtigste Mobilitätssystem der Zukuft wird<br />

wohl das Handy sein. Ihm nennen wir unser Ziel<br />

sowie unsere Präferenzen und erhalten in Sekunden<br />

einen effektiven Mobilitätsvorschlag. Unser<br />

Transportmittel holt uns da ab, wo wir gerade<br />

sind und bringt uns autonom genau dort hin, wo<br />

wir hinwollen. Dabei sind wir, je nach Wunsch und<br />

Geldbeutel, der einzige Fahrgast oder kutschieren<br />

zusammen mit anderen. Kleine Fahrmodule<br />

schließen sich zu größeren Antriebseinheiten zusammen,<br />

um ferne Ziele nachhaltiger anzusteuern.<br />

Stau- und Parkprobleme gibt es nicht, weil<br />

alle Module miteinander vernetzt sind. Die Fahrzeit<br />

lässt sich schon zur Arbeit oder für soziale<br />

Kontakte nutzen. Abgerechnet wird automatisch<br />

nach dem gebuchten Tarif. So braucht es wenig<br />

Fahrzeuge und nur ein Mindestmaß an versiegelter<br />

Fläche zum Fahren.<br />

Tipps für nachhaltige<br />

Mobilität<br />

Was jeder selbst machen kann<br />

#1 Mehr zu Fuß gehen<br />

Alle kurzen Distanzen lassen sich im Grunde zu<br />

Fuß zurücklegen. Das ist nachhaltig und gesund.<br />

#2 Aufs Rad setzen<br />

Bei allen Wegen, die man nicht zu Fuß gehen<br />

möchte, zuerst ans Rad denken.<br />

#3 Ein freies Lastenrad benutzen<br />

Man muss auch mal etwas transportieren. Lastenräder<br />

lassen sich übers Internet ausleihen.<br />

#4 Das Auto mit anderen teilen<br />

Mit Fahrgemeinschaften hat man oft eine bessere<br />

CO2-Bilanz, als im öffentlichen Nahverkehr.<br />

#5 Straßenbahn, Bus und Bahn nutzen<br />

Je mehr gemeinsam fahren, desto besser. Das<br />

spart Treibstoff und Raum für Infrastruktur.<br />

#6 Kurzstreckenflüge meiden<br />

Flugzeuge setzen im Betrieb eine Menge CO2- frei.<br />

Fliegen sollte durch Bahnfahren ersetzt werden.<br />

Die weltweite Textilproduktion sorgt jährlich für den Ausstoß von mehr Kohlendioxid als alle internationalen<br />

Flüge und die Seeschifffahrt zusammen. Die Produktion von zehn Jeans verursacht fast genau<br />

so viel CO2 wie ein Flug von Berlin nach München. Insgesamt verbraucht die Modeindustrie etwa<br />

10 Prozent des industriell genutzten Wassers. Für die Verarbeitung von einem Kilogramm Baumwolle<br />

kommt fast ein Kilogramm Chemikalien zum Einsatz. Der Kleidung sieht man das leztlich nicht an.<br />

Geht es auch anders? Was kann man tun? Das Einfachste: Fashion bleibt okay, wenn man zumindest<br />

das »fast« herausnimmt. Kleidung sollte schlicht länger getragen werden und so qualitätvoll<br />

sein, dass sie das auch aushält. Möchte man sie selbst nicht mehr anziehen, kann man sie an Second-Hand-Läden<br />

weitergeben und sich dort gleich selbst<br />

Neues aussuchen – auch dafür muss die Qualität<br />

stimmen. Da zunehmend übers Internet gekauft<br />

wird, kann man seine Suchkriterien um Stichworte<br />

wie ökologisch oder Biobaumwolle erweiten. Die<br />

Unternehmen werden es registrieren und entsprechend<br />

reagieren. Zudem kann man auf Siegel wie<br />

den Grünen Knopf achten (mehr auf www.siegelklarheit.de).<br />

Einer der einfachsten Tipps: Den eigenen Kleiderschrank<br />

zweimal im Jahr durchforsten und so feststellen,<br />

was man gar nicht oder nur wenig getragen<br />

hat – auf solche Kleidung dann verzichten. Das spart<br />

auch Geld für qualitativ hochwertigeres Shoppen.

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