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ERZIEHUNG & BILDUNG<br />
Mit 44 Jahren beendete Wolfram<br />
Hutste<strong>in</strong>er im Sommer se<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
zum staatlich anerkannten Erzieher bei<br />
<strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong>. Se<strong>in</strong> Berufsweg<br />
bis dah<strong>in</strong> war e<strong>in</strong> verschlungener, aber<br />
erfüllen<strong>der</strong>. Doch spätestens nach se<strong>in</strong>em<br />
Anerkennungsjahr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohngruppe<br />
Arche I fühlt er sich beruflich am Ziel.<br />
OHNE WENN<br />
UND ABER<br />
Angekommen<br />
Von Achim <strong>Graf</strong><br />
Wolfram Hutste<strong>in</strong>er hatte<br />
schon manchen beruflichen<br />
Traum: Er wollte als<br />
Staatsanwalt die Belange<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft vertreten; er wollte Schülern<br />
die deutsche Sprache näherbr<strong>in</strong>gen und<br />
sie <strong>in</strong> die Geheimnisse <strong>der</strong> Philosophie e<strong>in</strong>weihen.<br />
Die Wege dah<strong>in</strong> aber stellten sich<br />
für ihn jeweils recht schnell als Sackgasse<br />
heraus. Daher ist er Umwege gegangen,<br />
ebenso verschlungene wie erfüllende. Mit 44<br />
Jahren hat er nun se<strong>in</strong>en Platz gefunden, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Jugendhilfe. Und mit e<strong>in</strong>em Abschluss:<br />
Er ist staatlich anerkannter Erzieher. Se<strong>in</strong><br />
Anerkennungsjahr bei <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> diesem Sommer zu Ende.<br />
Wolfram Hutste<strong>in</strong>er lacht: »Ich wollte<br />
e<strong>in</strong>fach mal etwas zu Ende br<strong>in</strong>gen, außer<br />
Abitur und Führersche<strong>in</strong>«, me<strong>in</strong>t er dann<br />
mit breitem Gr<strong>in</strong>sen. E<strong>in</strong> Stückchen Wahrheit<br />
aber steckt <strong>in</strong> dieser Aussage. Se<strong>in</strong><br />
Jurastudium <strong>in</strong> Bonn, direkt nach Abitur<br />
und Bundeswehrzeit, hatte <strong>der</strong> gebürtige<br />
Mayener nach drei Semestern abgebrochen,<br />
weil ihn die Inhalte gelangweilt haben. <strong>Das</strong><br />
anschließende Lehramtsstudium gab er<br />
nach e<strong>in</strong>igen Jahren auf, weil er mittlerweile<br />
erkannt hatte, wie viel Freude ihm die<br />
Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung für Menschen<br />
mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung machte.<br />
Als Nebenjob war diese eigentlich<br />
gedacht, »doch es wurde immer mehr. Zum<br />
Schluss arbeitete ich auf e<strong>in</strong>er Dreiviertelstelle«,<br />
er<strong>in</strong>nert er sich. Als Mitarbeiter im<br />
Gruppendienst sei er im Pr<strong>in</strong>zip für alles<br />
zuständig gewesen, von E<strong>in</strong>kauf bis Pflege.<br />
»Und zum ersten Mal habe ich erkannt:<br />
<strong>Das</strong> ist erfüllend, das macht Spaß.« Den<br />
Wechsel an die Uni Köln und den späteren<br />
Versuch, nebenberuflich Pädagogik an <strong>der</strong><br />
Fernuni Hagen zu studieren, bezeichnet er<br />
aus heutiger Sicht als »letztes Aufbäumen«.<br />
Stattdessen nahm se<strong>in</strong> beruflicher Weg die<br />
nächste Wendung.<br />
Wolfram Hutste<strong>in</strong>er bewarb sich beim<br />
Familien unterstützenden Dienst (FuD)<br />
<strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> als Inklusionsbegleiter.<br />
<strong>Das</strong> hat gepasst: Sieben Jahre<br />
lang betreute er K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit För<strong>der</strong>bedarf<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grundschule <strong>in</strong> Köln-Ehrenfeld,<br />
hatte sich zwischendurch zudem zum<br />
Inklusionsassistenten zertifizieren lassen.<br />
Für e<strong>in</strong> Jahr arbeitete er im Anschluss <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Kita. »Bei alldem dachte ich davor:<br />
Ich kann’s nicht. Aber ich konnte es – und<br />
es hat Spaß gemacht.« Für ihn, dessen Partner<strong>in</strong><br />
als Ergotherapeut<strong>in</strong> <strong>in</strong> Kaarst mittlerweile<br />
ebenfalls für die <strong>Stiftung</strong> tätig ist,<br />
war das <strong>der</strong> Zeitpunkt, Nägel mit Köpfen<br />
zu machen.<br />
Mit knapp über 40 bemühte sich Wolfram<br />
Hutste<strong>in</strong>er um die Zulassung zur<br />
externen Prüfung als Erzieher am Berufskolleg<br />
Opladen, unweit des geme<strong>in</strong>samen<br />
Wohnorts. Die Grundlage hatte er mit<br />
bestandenem Abitur sowie <strong>der</strong> Erfahrung<br />
aus zwei Praxisbereichen gelegt, »aber ohne<br />
dass ich wusste, was mich erwartet«. Er<br />
wurde angenommen und sei <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge mit<br />
sieben weiteren Externen vom Berufskolleg<br />
hervorragend durch die <strong>in</strong>sgesamt drei Prüfungen<br />
und e<strong>in</strong> Projekt begleitet worden,<br />
wie er erzählt. Man habe sich die empfohlenen<br />
Bücher gekauft und Lerngruppen<br />
gebildet. Die Hälfte <strong>der</strong> externen Kandidaten<br />
hat im Sommer 2020 bestanden, Wolfram<br />
Hutste<strong>in</strong>er gehörte dazu. Er war fast am Ziel.<br />
Doch während die an<strong>der</strong>en fürs<br />
Anerkennungsjahr <strong>in</strong> die Kita wollten, hat<br />
sich Wolfram Hutste<strong>in</strong>er für e<strong>in</strong> Feld entschieden,<br />
das er noch nicht kannte: die<br />
Jugendhilfe. Ke<strong>in</strong>en Moment hat er diese Entscheidung<br />
bereut. In <strong>der</strong> Intensivwohngruppe<br />
Arche I am Campus Hilden war er jetzt e<strong>in</strong><br />
Jahr lang »gleichwertiger Teil e<strong>in</strong>es multiprofessionellen<br />
Teams«, wie er es empf<strong>in</strong>det.<br />
Er habe mit tollen Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />
<strong>in</strong> diesem Jahr »mehr gelernt als <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten<br />
Unizeit«. Doch auch die Arbeit mit den<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen zwischen 11 und<br />
17 Jahren hat ihn begeistert – und die Herangehensweise<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arche I.<br />
VERBINDLICHKEIT UND WERTSCHÄTZUNG<br />
»Drei D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d uns wichtig«, erläutert er.<br />
»Unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden von uns gesehen,<br />
wertschätzend behandelt und achtsam<br />
begleitet.« <strong>Das</strong> gehe nur über B<strong>in</strong>dung, klare<br />
Regeln und das Setzen von Grenzen. Den jungen<br />
Menschen war das zuvor zumeist nicht<br />
vergönnt. »Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aber wünschen sich<br />
das, gerade weil ihr voriges Umfeld meistens<br />
nicht verlässlich war«, sagt er. Dabei sei es<br />
unbed<strong>in</strong>gte Voraussetzung, authentisch zu<br />
se<strong>in</strong>. »K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben dafür e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>es Gespür«,<br />
hat er erkannt.<br />
Wo ihn se<strong>in</strong> Weg <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> nach<br />
dem Jahr im Dorotheenviertel Hilden h<strong>in</strong>führen<br />
wird, ist jetzt, Anfang August, noch<br />
offen. Wichtig ist für ihn, weiter mit jungen<br />
Menschen zu arbeiten. »Wenn ich spüre, dass<br />
sich e<strong>in</strong>e Beziehung aufbaut, ich zu den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
durchdr<strong>in</strong>ge, empf<strong>in</strong>de ich Bestätigung<br />
<strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Handeln«, sagt er. Weitere berufliche<br />
Sackgassen s<strong>in</strong>d für Wolfram Hutste<strong>in</strong>er<br />
ke<strong>in</strong> Thema mehr. Aus gutem Grund: Wenn<br />
er merke, dass er im Job etwas bewirke, und<br />
das passiere immer häufiger, »dann fühle ich<br />
mich angekommen«. //<br />
3/<strong>2021</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 17