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Die Schweiz in Spanien 39
Sommerliche Temperaturen, ein Traumstrand – und nicht einmal eine Handvoll Badegäste: Im Oktober gehört Ibiza wieder ganz
den Einheimischen, zu denen seit drei Jahren auch die glücklichen Exilschweizer Simone und Fritz Steiner zählen.
Fotos: Thomas Eugster
schon viel Platz, wenn sich unter der guten Stube das Meer ausbreitet?
Das Motto nehmen sich auch die Feriengäste zu Herzen,
die sich im kleinen, direkt an Steiners Residenz angrenzenden
Guesthouse einmieten können. Hierher kommt, wer Ruhe sucht,
denn die Megadiskotheken mit den klingenden Namen Pacha,
Privilege oder Amnesia sind weit weg.
«Das Klischee von der Partyinsel ist ohnehin falsch», ereifert sich
Simone Steiner, und die nachmittägliche Stille, die sich über der
eigenen Terrasse ausbreitet, unterstreicht ihre Aussage. In Sant
Carles ist die Nacht zum Schlafen da. Langweilig wirds trotzdem
nicht, denn am Tag lässt sich umso mehr unternehmen. Das Rennvelo
und das Mountainbike, das Fritz Steiner in seiner Garage stehen
hat, sind nicht bloss zur Dekoration dort. «Ich muss meinen Puls
hochjagen, sonst kann ich nicht klar denken.» Als neues Hobby hat
der 68-Jährige das Nordic Walking entdeckt. Die Trainingsbedingungen
am Mittelmeer können jeden Daheimgebliebenen neidisch
machen, nicht nur des milden Klimas wegen. «Meine Herzfrequenz
ist hier unten pro Minute rund fünf bis acht Schläge niedriger als in
der Schweiz.»
Wer plaudern will, geht in Anitas Bar
Statt in sportliche Eskapaden investiert Ehefrau Simone ihre Zeit
lieber ins Networking. In der Sektion Ibiza des «Club Suizo Baleares»
hat sie die passende Plattform dazu gefunden. «Die Sektion
habe ich vor drei Jahren übernommen und ihr neues Leben eingehaucht.
Wir sind rund 50 Mitglieder, von denen aber die wenigsten
das ganze Jahr über hier leben.» Eine geradezu winzige Kolonie
im Vergleich zu den rund 5000 Schweizern, die sich etwa an der
Costa Blanca niedergelassen haben. «Es sind eher Individualisten»,
bestätigt Simone Steiner. Die Gefahr der Ghettobildung komme
damit gar nicht erst auf. «Wir persönlich kennen Deutsche, Holländer,
Belgier, Spanier vom Festland und natürlich auch Einheimische.»
Als Schmelztiegel zwischen dieser bunten Völkermischung
wirkt in Sant Carles die legendäre Bar Anita. Der ehemalige Treffpunkt
der Hippiekolonie ist immer noch der gesellschaftliche Mittelpunkt
im Osten der Insel. Und dient zugleich als Postfiliale, denn
die Post wird hier nicht ausgetragen, sondern in den hölzernen
Briefkästen deponiert.
Was Anitas Bar für die Lokalnachrichten, sind die modernen
Kommunikationsmittel für die News aus der Heimat. Auch Steiners
Residenz ist mit dem gesamten Arsenal ausgestattet: Telefon, Fax,
Satellitenschüssel und ADSL. «Wenn in Meikirch ein Baum auf eine
Strasse kracht, dann erfahre ich das», sagt Fritz Steiner, der zurzeit
übers Internet ein autodidaktisches Fernstudium in Psychologie
und griechischer Mythologie absolviert. Als Heimwehschweizer
möchten die Steiners jedoch nicht gelten. «Wir haben auch die
Lokalzeitung ‹Diario de Ibiza› abonniert», betont Simone Steiner, die
sich mittlerweile fliessend auf Spanisch unterhalten kann. Zumindest
bei ihr halte sich das Heimweh in Grenzen. Ihr Mann dagegen
fliege ab und zu mal zu einer kurzen Visite ins heimische Bernbiet.
Schlummert im Hinterkopf vielleicht doch noch der Gedanke,
sich eines Tages aus dem Sonnenparadies zu verabschieden? Fehlanzeige.
«Unsere Rückkehrlust tendiert gegen null», so Simone
Steiner, «und eine Trendwende ist nicht in Sicht.» <
Mehr Infos zu «El nostre somni» unter www.ibizahome.ch.vu
Credit Suisse Bulletin 5/06