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Zeitschrift quer ver.di Frauen Bayern (2/2021) Migration

Migration ist ein globales Phänomen. Es gibt kein Land, das keine grenzüberschreitende Zu- oder Abwanderung oder Wanderungsbewegungen im Landesinneren verzeichnet. Grund genug, sich einmal ausführlicher mit diesem Thema zu beschäftigen. Und auch mal die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen ..

Migration ist ein globales Phänomen. Es gibt kein Land, das keine grenzüberschreitende Zu- oder Abwanderung oder Wanderungsbewegungen im Landesinneren verzeichnet. Grund genug, sich einmal ausführlicher mit diesem Thema zu beschäftigen. Und auch mal die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen ..

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Deutschland als Auswanderungsland<br />

<strong>Migration</strong> ist seit jeher ein zentrales Element gesellschaftlichen Wandels. Zahllose Beispiele belegen,<br />

in welchem Maß räumliche Bewegungen, insbesondere seit dem frühen 19. Jahrhundert,<br />

<strong>di</strong>e Welt <strong>ver</strong>änderten. Im Folgenden <strong>ver</strong>suchen wir, <strong>di</strong>e Entwicklung in Deutschland darzustellen.<br />

Beginn der Industrialisierung<br />

Mit Beginn der Industrialisierung im frühen 19.<br />

Jahrhundert bis in <strong>di</strong>e 1890er Jahre kam es vor<br />

allem zu Massenauswanderungen aus Deutschland<br />

über den Atlantik, vor allem in <strong>di</strong>e USA.<br />

Weitere Ziele waren – mit erheblichem Abstand<br />

– Kanada, Brasilien, Argentinien und Australien.<br />

Gründe waren ein rasant ansteigendes Bevölkerungswachstum<br />

und ein weit weniger vorhandenes<br />

Erwerbsangebot in Deutschland. Die<br />

Chancen in Übersee, vor allem in den USA, erschienen<br />

attraktiv. In den Jahren von 1846 bis<br />

ca. 1890 kann man von einer Massenauswanderung<br />

sprechen, zu <strong>di</strong>esem Zeitpunkt waren es<br />

Blick in das Auswanderermuseum<br />

Hamburg BallinStadt<br />

knapp drei Millionen Menschen, <strong>di</strong>e <strong>ver</strong>suchten,<br />

sich eine Existenz außerhalb Deutschlands aufzubauen.<br />

1893 war das letzte Jahr der starken<br />

Auswanderung aus Deutschland in <strong>di</strong>e USA<br />

(Wirtschaftskrise in den USA) vor dem Ersten<br />

Weltkrieg.<br />

Zwischen den beiden Weltkriegen<br />

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gab es<br />

einen weiteren Höhepunkt transatlantischer<br />

<strong>Migration</strong>: Zwischen 1919 und 1932 wanderten<br />

insgesamt weit über eine halbe Million Deutsche<br />

in überseeische Länder aus, auch <strong>di</strong>esmal waren<br />

<strong>di</strong>e USA das Hauptziel. Den Höhepunkt bildete<br />

das Krisenjahr 1923: 115.000 Menschen <strong>ver</strong>ließen<br />

das Deutschland der Weimarer Republik.<br />

Schon in den ersten Wochen und Monaten seit<br />

der Machtübernahme der Nationalsozialisten flohen<br />

Tausende Juden aus Deutschland. Bis Mitte<br />

1938 sind von den 1933 in Deutschland lebenden<br />

500.000 Juden ca. 143.000 ausgewandert. Aber<br />

auch nicht-jü<strong>di</strong>sche Intellektuelle, Schriftsteller*innen<br />

und weitere künstlerisch Tätige, zum Teil sehr<br />

prominente Personen, <strong>ver</strong>ließen Deutschland, um<br />

der Verfolgung durch <strong>di</strong>e Nazis zu entkommen.<br />

Frankreich galt als „Durchgangsstation“, von<br />

1933 bis 1942 hielten sich dort ca. 285.000 Geflüchtete<br />

aus dem deutschsprachigen Raum auf,<br />

von denen jedoch <strong>di</strong>e meisten in andere Exilländer<br />

weiterreisten. Die in Deutschland bereits seit<br />

dem Jahr 1931 geltende „Reichsfluchtsteuer“<br />

(25% des Vermögens!) und restriktive Vorschriften<br />

für einen Vermögenstransfer machten es aller<strong>di</strong>ngs<br />

sehr schwer, Einreisegenehmigungen<br />

für mögliche Zielländer zu erhalten.<br />

1938 beriet <strong>di</strong>e Konferenz von Evian über Aufnahmemöglichkeiten<br />

für <strong>di</strong>e Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland<br />

– ohne nennenswerten Erfolg,<br />

durchaus <strong>ver</strong>gleichbar mit den heutigen Versuchen<br />

der EU, Flüchtlinge nach Quoten auf <strong>di</strong>e<br />

einzelnen Länder zu <strong>ver</strong>teilen.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Nach 1945 kehrten viele Überlebende der KZs in<br />

ihre Heimatländer zurück, vor allem Juden aus<br />

Ungarn, Rumänien, der Ukraine und Frankreich<br />

(zahlenmäßig <strong>di</strong>e wichtigsten). Viele wanderten<br />

in <strong>di</strong>e USA, nach Kanada oder Palästina aus. In<br />

den anderthalb Jahrzehnten zwischen 1946 und<br />

1961 gingen insgesamt knapp 780 .000 Deutsche<br />

auf Dauer oder für begrenzte Zeit nach<br />

Übersee. Das war <strong>di</strong>e stärkste Auswanderungsbewegung<br />

aus Deutschland im 20. Jahrhundert.<br />

Und heute?<br />

Im Jahr 2018 (neuere Zahlen liegen nicht vor) kehrten<br />

262.000 deutsche Staatsbürger*innen dem<br />

Land den Rücken – aller<strong>di</strong>ngs gab es 202.000, <strong>di</strong>e<br />

in <strong>di</strong>esem Jahr aus dem Ausland heimkehrten.<br />

Dagmar Fries<br />

Quellen: Jochen Oltmer, Bundeszentrale für politische<br />

Bildung (2017)<br />

Walter D. Kamphoefner: Sozialgeschichte der Auswanderung<br />

im 19. Jahrhundert (2006)<br />

Klaus J. Bade: Die deutsche überseeische Massenauswanderung<br />

im 19. und frühen 20. Jahrhundert.<br />

(2006)<br />

Susanne Heim, Annette Nogarède,<br />

www.lernen-aus-der-geschichte.de (2015)<br />

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