Walter WEER "Gilgamesch" - mit Texten von Michael KÖHLMEIER
Kunstbuch 104 Seiten mit 44 Bildern; Vierfarbdruck | Buchdeckel | Auflage 2021 - Preis € 35,00 Artbook 104 pages by 44 pictures; four color print |Hardcover | Editition 2021 - Price € 35,00 Achtung / Attention: Seiten / pages 8-15,24-99 sind ausgeblendet / are hidden
Kunstbuch 104 Seiten mit 44 Bildern; Vierfarbdruck | Buchdeckel | Auflage 2021 - Preis € 35,00
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„Ich will zuerst trinken“, sagte Enkidu. „Mein Durst ist gar zu groß!“<br />
„Mein Durst ist auch groß“, sagte der andere, „und ich war vor dir da.“<br />
„Aber ich bin stärker als du“, sagte Enkidu.<br />
„Das weiß man erst nach dem Kampf“, sagt der andere.<br />
Der andere war Gilgamesch.<br />
Die beiden kämpften. Um den ersten Schluck Wasser kämpften sie. Und der<br />
Kampf dauerte lange, denn sie waren gleich stark. Am Ende hielten sie einander<br />
fest und einer starrte dem anderen in die Augen. Da erkannte Gilgamesch das<br />
Traumgesicht. Er wusste: Dies ist der Freund. Er ließ ab <strong>von</strong> ihm und umarmte<br />
ihn und erzählte ihm <strong>von</strong> seinem Traum.<br />
Sie gingen gemeinsam in die Stadt, ein Drittel Gott, ein Drittel Tier und je zwei<br />
Drittel Mensch. Im Palast des Königs rief Gilgamesch den Barbier. Der rasierte<br />
Enkidu die Haare <strong>von</strong> Leib. Und da kam ein junger schöner Mann zum<br />
Vorschein.<br />
Von diesem Tag an waren Gilgamesch und Enkidu unzertrennlich.<br />
Gemeinsam wollten sie die Stadt Uruk neu und prächtig aufbauen.<br />
Die Mauer war schon fast fertig. Aus vornehmem Zedernholz sollten die<br />
Häuser geriegelt und geschnitzt werden. Das beste Zedernholz der Welt wuchs<br />
im Wald des EEE.<br />
Humbaba war ein mächtiger Mann. Niemand wusste, ob er auch ein Gott war.<br />
Oder ein Halbgott. Oder ein Drittelgott. Er war mächtig und bösartig.<br />
Er verspottete alle. Darum lebte er allein. Und er wollte allein leben. Er sprach<br />
den ganzen Tag über <strong>mit</strong> sich selbst. Über alles und jedes spottete er. Über die<br />
ganze Welt. Den Fluss verspottete er, weil er entweder zu wenig oder zu viel<br />
Wasser führte. Die Vögel am Himmel verspottete er, weil sie nicht schwimmen<br />
konnten. Die Fische verspottete er, weil sie nicht fliegen konnten.<br />
Alle Bäume, die keine Zedern waren, verspottete er, weil sie keine Zeder waren.<br />
Aber seine Zedern liebte er. Wenn er den Zedernwald betrat, wurde seine<br />
Stimme sanft und zärtlich. Mit der Hand strich er über die Rinde, er zupfte<br />
Grünes ab und zerrieb es zwischen seinen Fingern und roch daran und lobte<br />
den Baum, der ihm dieses wunderbarste aller Parfüms geschenkt hatte.<br />
So einer war Humbaba.<br />
Gilgamesch und Enkidu kamen <strong>mit</strong> guten Absichten. Sie wollten einen Handel.<br />
Sie wollten fünftausend Zedernstämme kaufen. Sie wollten Gold dafür geben.<br />
„Ich bin der König <strong>von</strong> Uruk“, sagte Gilgamesch.<br />
„Und ich bin der Freund des Königs <strong>von</strong> Uruk“, sagte Enkidu.<br />
Mehr hat es nicht gebraucht. Humbaba hatte schon sehr lange <strong>mit</strong> niemandem<br />
gesprochen. Alle, ob Mensch, ob Tier, alle gingen ihm aus dem Weg.<br />
Und gegen alle fluchte er, was aus einem Mund herauskam, und ließ es in<br />
die freie Luft hinaus. Zorn und Spott und Hass und Rachsucht, eine lange Liste<br />
<strong>von</strong> bösen Gefühlen könnte angeführt werden – das alles brüllte er in die<br />
Gesichter der beiden Freunde hinein.<br />
Und da haben sie ihn umgebracht und seinen Zedernwald gefällt.<br />
Keinen Baum ließen sie stehen.<br />
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