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Walter WEER "Gilgamesch" - mit Texten von Michael KÖHLMEIER

Kunstbuch 104 Seiten mit 44 Bildern; Vierfarbdruck | Buchdeckel | Auflage 2021 - Preis € 35,00 Artbook 104 pages by 44 pictures; four color print |Hardcover | Editition 2021 - Price € 35,00 Achtung / Attention: Seiten / pages 8-15,24-99 sind ausgeblendet / are hidden

Kunstbuch 104 Seiten mit 44 Bildern; Vierfarbdruck | Buchdeckel | Auflage 2021 - Preis € 35,00
Artbook 104 pages by 44 pictures; four color print |Hardcover | Editition 2021 - Price € 35,00

Achtung / Attention: Seiten / pages 8-15,24-99 sind ausgeblendet / are hidden

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Märchenhafte Wesen begegnen ihm, halb Skorpion, halb Mensch, durch einen<br />

zwölf Stunden langen Tunnel kriecht er. Gegen Ungeheuer muss er kämpfen. Am<br />

schlimmsten sind die Träume.<br />

Schließlich trifft er einen seiner Vorfahren. Der hat es geschafft. Er lebt allein,<br />

einsam, aber er lebt ewig.<br />

„Kann ich sein wie du?“, fragt Gilgamesch.<br />

„Wer will sein wie ich“, antwortet sein Vorfahr.<br />

„Jeder Mensch will unsterblich sein.“<br />

„Es ist das Schwerste.“<br />

„Ich will es tragen.“<br />

Zuerst, sagt der Vorfahr, muss Gilgamesch den kleinen Bruder des Todes<br />

besiegen, den Schlaf. Sieben Tage und sieben Nächte soll er wachen, dann wird<br />

er das Geheimnis des Lebens vor sich sehen. Von weitem aber wird er es nur<br />

sehen. Begreifen kann er es noch nicht. Erst muss er noch andere Aufgaben<br />

erfüllen.<br />

Aber Gilgamesch schafft nicht einmal die erste Aufgabe. Er schläft ein. Er schläft<br />

und träumt. Er träumt <strong>von</strong> einem See, und er träumt, am Grund des Sees wächst<br />

ein Kraut, das macht jung. Noch im Traum denkt Gilgamesch: Wenn ich schon<br />

nicht ewig leben kann, dann will ich wenigstens noch einmal jung sein.<br />

Er macht sich auf, sucht den See, findet ihn, taucht und rupft das Kraut aus.<br />

Er verbirgt das Kraut auf seiner Brust.<br />

Er ist traurig. Er ist alt geworden, nie wieder will er kämpfen. Er will noch<br />

einmal jung sein. Und dann will er leben, wie er nicht gelebt hat. In Frieden.<br />

Ohne Abenteuer, ohne Gier, ohne diese Unruhe im Herzen. In Eintracht <strong>mit</strong><br />

den Nachbarn will er leben, <strong>mit</strong> einer Frau und <strong>mit</strong> Kindern will er leben.<br />

Zufrieden. Noch einmal <strong>von</strong> vorne beginnen, das will er.<br />

Bei einem Brunnen sinkt er nieder. Er ist erschöpft. Ein bisschen Schlaf,<br />

nur ein bisschen Schlaf. Eine Schlange kommt gekrochen, sie lauert. Als sich die<br />

Augen des Helden schließen und er schläft, kriecht sie vorsichtig unter sein<br />

Hemd und stiehlt das Kraut.<br />

Ohne alles kehrt Gilgamesch nach Hause zurück. Er besteigt die Stadt mauer<br />

und schaut über das weite Land. Er sieht sein Land, aber er sieht es,<br />

als hätte er es nie zuvor gesehen.<br />

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