Walter WEER "Gilgamesch" - mit Texten von Michael KÖHLMEIER
Kunstbuch 104 Seiten mit 44 Bildern; Vierfarbdruck | Buchdeckel | Auflage 2021 - Preis € 35,00 Artbook 104 pages by 44 pictures; four color print |Hardcover | Editition 2021 - Price € 35,00 Achtung / Attention: Seiten / pages 8-15,24-99 sind ausgeblendet / are hidden
Kunstbuch 104 Seiten mit 44 Bildern; Vierfarbdruck | Buchdeckel | Auflage 2021 - Preis € 35,00
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Der Göttin Istar gefiel das gar nicht. Nicht, dass ihr Humbaba leidtat, oder gar,<br />
dass sie um ihn trauerte. Der Hochmut der beiden Freunde missfiel ihr.<br />
Dieser Hochmut schrie zum Himmel. Aber eben das gefiel ihr auch. Sie hatte<br />
sich in Enkidu verliebt, als er noch zu einem Drittel ein Tier war. Nun verliebte<br />
sie sich in Gilgamesch – obwohl er zu einem Drittel ein Gott war. Sie warb um<br />
ihn. Sie verabscheute ihn und begehrte ihn in einem. Aber Gilgamesch wies<br />
sie zurück. Nur, um sich und der Welt und den Göttern zu beweisen,<br />
dass er größer war als alle.<br />
Aus Rache schickte Istar den Himmelsstier gegen die Stadt Uruk, und dieses<br />
Ungeheuer tötete Männer und Frauen und riss die schönen Häuser nieder,<br />
die aus dem edelsten Zedernholz erbaut worden waren. Aber Enkidu und<br />
Gilgamesch stellten sich Rücken an Rücken, <strong>mit</strong> Pfiffen lockten sie das gewaltige<br />
Tier zu sich, sie bespuckten es, reizten es, warfen ihm Sand in die Augen<br />
und erschlugen es.<br />
Das sah Anu, der Himmelsvater, und er war zornig, und sagte, es müsse etwas<br />
geschehen. Seine Tochter Istar forderte den Tod der beiden.<br />
„Solche Männer“, sagte sie, „dürfen nicht auf Erden bleiben. Sie werden zu<br />
Vorbildern, andere Männer werden ihnen nacheifern, die Frauen bewundern sie<br />
und spornen sie an, und bald wird sich kein Mensch mehr vor uns fürchten.<br />
Denn diese beiden, Gilgamesch und Enkidu, sie fürchten sich vor nichts.“<br />
„Vor dem Tod fürchten sie sich“, sagte Anu. „Zwei Drittel sind sie Mensch,<br />
und der Mensch, auch wenn er sich vor sonst nichts fürchtet, vor dem Tod<br />
fürchtet er sich.“<br />
„Dann erschlag sie“, sagte Istar.<br />
„Nein“, sagte Anu. „Nur einer <strong>von</strong> den beiden soll sterben.“<br />
Er schickte die Krankheit. Krankheit hatte es bis dahin nicht gegeben in Uruk.<br />
Die Menschen wurden geboren, sie lebten, liebten, arbeiteten, bekamen Kinder,<br />
taten, was Menschen tun, sie wurden alt und starben. Enkidu aber wurde krank.<br />
Und es war eine elende Krankheit, eine Krankheit, die niemand heilen konnte.<br />
Er wurde mager und schwach und weinerlich. Er konnte bald nicht mehr richtig<br />
denken, er wurde wie ein Tier, aber ohne ein Tier zu sein.<br />
Und dann starb Enkidu.<br />
Und niemand konnte Gilgamesch trösten. Auch seine Mutter nicht.<br />
Der Glanz der Stadt Uruk dringt nicht mehr bis ins Herz ihres Königs.<br />
Die Macht bedeutet ihm nichts mehr.<br />
„Was ist das für eine Macht, die den Tod nicht aufhalten kann!“, ruft er.<br />
„Das ist keine Macht, das ist nicht einmal ein Traum <strong>von</strong> der Macht!“<br />
Gilgamesch verlässt Uruk, er wandert durch die Welt. Er will das<br />
Ge heimnis des Lebens erforschen. Wer dieses Geheimnis kennt, so denkt er,<br />
der kennt auch das Geheimnis des Todes.<br />
Er ist zu zwei Dritteln Mensch, er wird die letzten Geheimnisse nicht ergründen.<br />
Gilgamesch begibt sich auf eine Heldenreise. Er ist der erste seiner Art. Viele<br />
werden es ihm nachtun. Herakles, Theseus, Odysseus, Aeneas, Jesus.<br />
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