24.12.2012 Aufrufe

Subkulturen im Fokus - auf harald-ruessler.de

Subkulturen im Fokus - auf harald-ruessler.de

Subkulturen im Fokus - auf harald-ruessler.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Subkulturen</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> – unter beson<strong>de</strong>rer<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Psychobillies<br />

Bachelor Arbeit<br />

<strong>im</strong> Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften<br />

Studiengang Soziale Arbeit<br />

<strong>de</strong>r<br />

Fachhochschule Dortmund –<br />

University of Applied Science and Arts<br />

Christian Talarek, 7072193<br />

Erstprüfer: Prof. Dr. Harald Rüssler<br />

Zweitprüfer: Dr. Manfred Heßler<br />

Bearbeitungszeitraum: 1. April 2010 bis 1. September 2010<br />

Hagen, September 2010


Inhaltsverzeichnis<br />

Abstract S. 4<br />

Vorwort S. 5<br />

1. Einleitung S. 7<br />

2. Subkultur und Szene – begriffliche Sondierungen S. 9<br />

3. Subkulturelle Vorläufer/Verwandtschaften von Psychobilly S. 32<br />

3.1. Skinheads S. 32<br />

3.2. Punk S. 45<br />

3.3. Rockabillies, Teddyboys und Halbstarke S. 57<br />

3.3.1. Rockabillies S. 57<br />

3.3.2. Teddyboys S. 63<br />

3.3.3. Halbstarke S. 65<br />

4. Die Subkultur <strong>de</strong>r Psychobillies: Exemplarische Einsichten –<br />

Qualitative Interviews mit Subkulturangehörigen S. 68<br />

4.1. Die Geschichte von Psychobilly S.68<br />

4.2. Methodisches Setting S. 75<br />

4.3. Ergebnisdarstellung S. 78<br />

4.3.1. Ist die Psychobillysubkultur politisch? S. 79<br />

4.3.2. Ist die Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n? S. 85<br />

4.3.3. Wie verhält es sich mit <strong>de</strong>m Geschlechterverhältnis<br />

in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur? S. 95<br />

4.3.4. Gehört die Psychobillysubkultur zu <strong>de</strong>n Rockabillies<br />

o<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>lt es sich um eine autonome Szene? S. 100<br />

4.3.5. Wie ist das Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>? S. 106<br />

4.3.6. Was be<strong>de</strong>utet Spaß in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur? S. 112<br />

4.4. Zusammenfassen<strong>de</strong> Betrachtung S. 123<br />

2


5. Literaturverzeichnis S. 131<br />

Anhang S. 134<br />

Ei<strong>de</strong>sstattliche Erklärung S. 138<br />

Erklärung nach § 25(1) BPO S. 139<br />

3


5. Literaturverzeichnis<br />

Brackenridge, Craig (2003): Let’s Wreck. Psychobilly Flashbacks from the eighties<br />

& beyond. Retford, Stormscreen Productions<br />

Brake, Mike (1981): Soziologie <strong>de</strong>r jugendlichen <strong>Subkulturen</strong>. Eine Einführung.<br />

Frankfurt/New York, Campus<br />

Colegrave, Steve/Sullivan, Chris (2005): Punk. München, Rolf Heyne GmbH & Co.<br />

KG<br />

Du<strong>de</strong>nredaktion, Die (1991): Der kleine Du<strong>de</strong>n. Fremdwörterbuch. Ein Nachschlagewerk<br />

für <strong>de</strong>n täglichen Gebrauch. Über 15 000 Fremdwörter mit mehr als 90 000<br />

Angaben zur Be<strong>de</strong>utung, Aussprache und Grammatik. Mannhe<strong>im</strong>, F. A. Brockhaus<br />

AG<br />

Elias, Norbert (1969): Über <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Zivilisation. Soziogenetische und Psychogenetische<br />

Untersuchungen. Wandlungen <strong>de</strong>s Verhaltens in <strong>de</strong>n weltlichen Oberschichten<br />

<strong>de</strong>s Abendlan<strong>de</strong>s. Bern, Verlag A. Francke<br />

El-Nawab (2005): Rockabillies – Rock’n’Roller – Psychobillies. Portrait einer Subkultur.<br />

Berlin, Archiv <strong>de</strong>r Jugendkulturen Verlag KG<br />

El-Nawab (2007): Skinheads, Gothics, Rockabillies: Gewalt, Tod und Rock’n’Roll.<br />

Eine ethnographische Studie zur Ästhetik von jugendlichen <strong>Subkulturen</strong>. Berlin, Archiv<br />

<strong>de</strong>r Jugendkulturen Verlag KG<br />

Farin, Klaus/Sei<strong>de</strong>l Eberhard (2002): Skinheads. München, C.H. Beck oHG<br />

Farin, Klaus (1999): Skinhead – A Way Of Life. Eine Jugendbewegung stellt sich<br />

selbst dar. Berlin, Archiv <strong>de</strong>r Jugendkulturen e.V.<br />

131


Griese, Hartmut M. (2000): Jugend (Sub) Kultur (EN) und Gewalt. Analyse, Materialen,<br />

Kritik. Soziologische und pädagogikkritische Beiträge. Münster, LIT<br />

Hitzler, Ronald/Bucher,Thomas/Nie<strong>de</strong>rbacher, Arne (2001): Leben in Szenen. Formen<br />

jugendlicher Vergemeinschaftung heute. Opla<strong>de</strong>n, Leske + Budrich<br />

Kunsthalle Wien/Matt, Gerald/Mießgang, Thomas (2008): Punk. No One is innocent.<br />

Kunst – Stil – Revolte. Nürnberg, Verlag für mo<strong>de</strong>rne Kunst<br />

Kunsthalle Wien/Matt, Gerald/Mießgang, Thomas (2008): Punk. No One is innocent.<br />

Kunst – Stil – Revolte. Gerald Matt: Vorwort. Nürnberg, Verlag für mo<strong>de</strong>rne Kunst<br />

Kunsthalle Wien/Matt, Gerald/Mießgang, Thomas (2008): Punk. No One is innocent.<br />

Kunst – Stil – Revolte. Thomas Mießgang: No One is innocent. Nürnberg, Verlag für<br />

mo<strong>de</strong>rne Kunst<br />

Kunsthalle Wien/Matt, Gerald/Mießgang, Thomas (2008): Punk. No One is innocent.<br />

Kunst – Stil – Revolte. Jon Savage: The World’s End: London Punk 1976-77. Nürnberg,<br />

Verlag für mo<strong>de</strong>rne Kunst<br />

Kunsthalle Wien/Matt, Gerald/Mießgang, Thomas (2008): Punk. No One is innocent.<br />

Kunst – Stil – Revolte. Glenn O’Brien: Punk ist New York, New York ist Punk.<br />

Nürnberg, Verlag für mo<strong>de</strong>rne Kunst<br />

Ma<strong>de</strong>r, Matthias (1996): Oi! – The Book Vol. 1. Berlin, Jeske/Ma<strong>de</strong>r GbR<br />

Menhorn, Christian (2001): Skinheads: Portrait einer Subkultur. Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n, Nomos<br />

Verlag<br />

Steinert, Erika/Thiele, Gisela (2000): Sozialarbeitsforschung für Studium und Praxis.<br />

Einführung in die qualitativen und quantitativen Metho<strong>de</strong>n. Köln, Fortis Verlag<br />

132


Fanzines<br />

Psychomania – Fanzine für Psychobilly+Punkabilly+Rockabilly (Frühjahr 2006):<br />

No. 2. Dessau: Halb 7 Records<br />

Psychomania – Fanzine für Psychobilly+Punkabilly+Neorockabilly (Winter/Frühling<br />

2010): No. 7. Dessau: Halb 7 Records<br />

Internetquellen<br />

Rechtsrock. Online: http://pages.unibas.ch/<strong>de</strong>ja-<br />

vu/archiv/aktuellarchiv/naz<strong>im</strong>usik.html<br />

Stand 1. August 2010<br />

Blood&Honour. Online:<br />

http://nipberlin.<strong>de</strong>/daten/in<strong>de</strong>x.php?option=com_content&task=view&id=119&Itemid=64<br />

Stand 1. August 2010<br />

133


Abstract<br />

<strong>Subkulturen</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> – unter beson<strong>de</strong>rer Berücksichtigung <strong>de</strong>r Psychobillies<br />

Von Christian Talarek<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Arbeit beschäftigt sich mit <strong>Subkulturen</strong>. Es wird <strong>auf</strong> die Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Punk- und <strong>de</strong>r Skinheadsubkultur eingegangen, sowie auch <strong>auf</strong> die Teddyboys,<br />

die Halbstarken und die Rockabillies. Der Schwerpunkt dieser Arbeit behan<strong>de</strong>lt die<br />

Psychobillysubkultur. Es gibt viele Figurationen und Gemeinsamkeiten zu <strong>de</strong>n vorher<br />

erwähnten <strong>Subkulturen</strong>. Diese Arbeit beschreibt zunächst die Geschichte <strong>de</strong>r<br />

verwandten Szenen, damit <strong>de</strong>r Leser Psychobilly besser versteht. Auch die Begriffe<br />

Subkultur und Szene wer<strong>de</strong>n näher erläutert.<br />

Psychobilly ist eine Musikrichtiung, welche die Melodie und <strong>de</strong>n Ryhtmus von Rockabilly,<br />

mit <strong>de</strong>r Aggressivität und Geschwindigkeit von Punkrock vereint. Die<br />

Psychobillysubkultur war in <strong>de</strong>n 80er Jahren <strong>auf</strong> ihrem Höhepunkt, ist in <strong>de</strong>n 90er<br />

Jahren <strong>de</strong>utlich geschrumpft und hat in <strong>de</strong>n letzten Jahren <strong>im</strong>mer mehr Anhänger<br />

gefun<strong>de</strong>n. Berühmte Psychobillybands wie „the Meteors“, „Mad Sin“ und „Tiger<br />

Army“ sind weit über die Psychobillyssubkultur bekannt.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r kaum vorhan<strong>de</strong>nen Literatur über diese Subkultur habe ich mich ins<br />

Feld begeben, um 5 Psychobillies zu interviewen und so Informationen über<br />

Psychobilly zu gewinnen. Die Auswertung <strong>de</strong>r 5 Interviews macht einen Hauptteil<br />

dieser Arbeit aus und gibt Anworten <strong>auf</strong> die Fragen:<br />

1. Ist die Psychobillysubkultur politisch?<br />

2. Ist die Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n?<br />

3. Wie verhält es sich mit <strong>de</strong>m Geschlechterverhältnis in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur?<br />

4. Gehört die Psychobillysubkultur zu <strong>de</strong>n Rockabillies o<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>lt es sich um eine<br />

autonome Szene?<br />

5. Wie ist das Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>?<br />

6. Was be<strong>de</strong>utet Spaß in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur?<br />

4


Vorwort<br />

Ursprünglich wollte ich mich mit einer an<strong>de</strong>ren Thematik in meiner Bachelor Arbeit<br />

befassen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, die politischen Werte und Normen<br />

<strong>de</strong>r <strong>Subkulturen</strong> <strong>de</strong>r Punks, Skinheads und Psychobillies gegenüberzustellen. Diese<br />

drei <strong>Subkulturen</strong> ähneln sich in vielerlei Hinsichten und <strong>de</strong>r Betrachter von Außen<br />

wird bis <strong>auf</strong> die Äußerlichkeiten nur wenige Unterschie<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n. Allerdings hat Politik<br />

in diesen drei <strong>Subkulturen</strong> einen völlig an<strong>de</strong>ren Stellenwert und diesen wollte<br />

ich anhand von Interviews mit Anhängern <strong>de</strong>r unterschiedlichen Szenen herausstellen.<br />

Doch schon bei meiner Recherche nach geeigneter Literatur musste ich feststellen,<br />

dass es genug Material über Skinheads und Punks gab, aber nahezu keine Literatur<br />

über Psychobilly. In <strong>de</strong>r Bibliothek <strong>de</strong>r TU Dortmund konnte ich kein einziges<br />

Buch über diese Thematik fin<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Bibliothek <strong>de</strong>r FH Dormund fand ich ein<br />

Buch, in <strong>de</strong>r die Psychobillyszene lediglich als Begleiterscheinung <strong>de</strong>r<br />

Rockabillyszene behan<strong>de</strong>lt wird. (El-Nawab 2007)<br />

Zusätzlich zu diesem Problem hätte eine Arbeit über drei <strong>Subkulturen</strong> und ihre Unterschie<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>n zeitlichen, sowie <strong>de</strong>n inhaltlichen Rahmen einer Bachelor Arbeit gesprengt.<br />

Daher einigte ich mich mit Herrn Prof. Dr. Rüssler darüber, dass ich <strong>de</strong>n<br />

Hauptfokus meiner Arbeit <strong>auf</strong> die relativ unbekannte Subkultur Psychobilly richten<br />

sollte.<br />

Ich wer<strong>de</strong> in meiner Arbeit <strong>auf</strong> die Geschichte sowie die Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Punk- und<br />

Skinheadkultur eingehen, da es große Parallelen zu diesen <strong>Subkulturen</strong> und <strong>de</strong>r<br />

Psychobillyszene gibt. Ohne die Punkszene wür<strong>de</strong> es Psychobilly sicherlich nicht in<br />

dieser Form geben. Da es kaum Literatur zu dieser Thematik gibt, habe ich mich ins<br />

Feld begeben, um mit Psychobillies zu sprechen. Ich wollte mehr erfahren über die<br />

Subkultur, die es zwar seit 30 Jahren gibt, aber we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Öffentlichkeit noch<br />

von <strong>de</strong>r Wissenschaft Beachtung gefun<strong>de</strong>n hat. Zu diesem Zwecke interviewte ich 5<br />

Psychobillies.<br />

Ich fin<strong>de</strong> es sehr motivierend über etwas zu schreiben, worüber es noch keine 300<br />

Diplom-Arbeiten o<strong>de</strong>r Dissertationen gibt. Zu<strong>de</strong>m freue ich mich darüber, Außenstehen<strong>de</strong>n<br />

eine Subkultur näher zu bringen, die genau so viel Beachtung verdient hat,<br />

wie an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> auch. Es gibt Psychobillybands, die von ihrer Musik leben<br />

können und Psychobillyfans reisen teilweise durch ganz Deutschland, um ihre Lieblingsbands<br />

zu sehen. Manche Anhänger dieser Subkultur reisen sogar durch halb<br />

5


Europa um an best<strong>im</strong>mten Szeneevents wie <strong>de</strong>m Satanic Stomp in Speyer, <strong>de</strong>m<br />

Psychobilly Meeting in Pinada in Spanien und an Psychomania in Potsdam teilzuhaben.<br />

Ich habe es auch schon selber erlebt, dass Psychobillies aus England extra für<br />

ein Meteorskonzert nach Bochum gereist sind. Ich möchte ergrün<strong>de</strong>n, woher diese<br />

Begeisterung und Aufopferung für eine Musikszene kommt, die <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

Punk, <strong>im</strong> Untergrund stattfin<strong>de</strong>t. Psychobilly fin<strong>de</strong>t keine Beachtung in <strong>de</strong>n Medien.<br />

Auf Viva und MTV sind keine Psychobillyvi<strong>de</strong>os zu sehen und es l<strong>auf</strong>en auch keine<br />

Radiosendungen, die Musik von Bands wie Mad Sin, Tiger Army o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

„Nekromantix“ spielen. Trotz<strong>de</strong>m existiert die Szene seit über 30 Jahren. Zu<strong>de</strong>m<br />

fin<strong>de</strong> ich es interessant, Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Psychobillyszene zu interviewen und so neue<br />

Eindrücke zu sammeln. Die Arbeit <strong>im</strong> Feld ist mir völlig neu und ich sehe es als Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

für mich an. Durch meine jahrelange Erfahrung <strong>im</strong> Subkulturmilieu<br />

konnte ich sehr schnell Interviewpartner gewinnen und registrierte eine große Begeisterung<br />

bei <strong>de</strong>n Menschen, über ihre größte Lei<strong>de</strong>nschaft zu sprechen.<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat es sich <strong>im</strong>mer mehr etabliert, dass meist berühmte<br />

Psychobillybands wie the Meteors, „Demented Are Go“ und Mad Sin <strong>auf</strong> großen<br />

Punkfestivals wie <strong>de</strong>m Force Attack, <strong>de</strong>m Back to Future Festival und <strong>de</strong>m Endless<br />

Summer Festival spielen. Dementsprechend vermischt sich auch das Publikum eines<br />

solchen Festivals und es zelten unpolitische Psychobillies neben linksgerichteten<br />

Punkrockern und Sharpskinheads.<br />

Es kommt also zu einer „Figuration“ (Norbert Elias) zwischen <strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong>.<br />

Daher ist das Thema sehr aktuell, da hier viele Jugendkulturen <strong>auf</strong>einan<strong>de</strong>r treffen.<br />

Diese Kulturen haben aber alle eine unterschiedliche Geschichte und gera<strong>de</strong> die<br />

Skinheadszene hat seit <strong>de</strong>r Unterwan<strong>de</strong>rung von Rechts starke Imageprobleme in <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit. Es ist von daher sehr interessant, diese Phänomene zu beobachten und<br />

ob es zu weiteren Annäherungen <strong>de</strong>r Szenen untereinan<strong>de</strong>r kommt o<strong>de</strong>r ob es zu<br />

Brüchen <strong>auf</strong>grund von differenzierten politischen Ansichten kommt. Daher befrage<br />

ich die Psychobillies zu <strong>de</strong>ren Einstellungen gegenüber an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>.<br />

6


1. Einleitung<br />

Zielsetzung ist in erster Linie das Gewinnen von Informationen über Psychobilly.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r kaum vorhan<strong>de</strong>nen Literatur können sich Außenstehen<strong>de</strong> kaum ein<br />

Bild von Psychobilly machen.<br />

Psychobilly ist eine Musikrichtung, die Rockabilly mit Punk vereint. Psychobilly ist<br />

eine Subkultur, die starke Verflechtungen mit <strong>de</strong>r Rockabilly-, Punk- und<br />

Skinheadszene <strong>auf</strong>weist. Psycho steht für das Wort Psychopath bzw. Psychopathie.<br />

Billy ist ein Slangausdruck aus <strong>de</strong>m Amerikanischen und steht für einen dort typischen<br />

Namen. Dar<strong>auf</strong> geh ich später ein.<br />

„Psychopath <strong>de</strong>r; -en, -en: Mensch mit abnormen Erscheinungen <strong>de</strong>s Gefühls- u.<br />

Gemütslebens.“ (Der kleine Du<strong>de</strong>n 1991: 343)<br />

„Psychopathie die; -: Abartigkeit <strong>de</strong>s geistig-seelischen Verhaltens (Med.;<br />

Psychol.).“ (Der kleine Du<strong>de</strong>n 1991: e.b.d.)<br />

Das wichtigste Symbol <strong>de</strong>r Psychobillyszene ist die Frisur. Psychos (die Kurzform<br />

für Psychobilllies) tragen entwe<strong>de</strong>r eine Tolle, wie sie Elvis Presley damals getragen<br />

hat, o<strong>de</strong>r einen so genannten Flat. Bei <strong>de</strong>m Flat han<strong>de</strong>lt es sich um eine Frisur, bei<br />

<strong>de</strong>r die Seiten und <strong>de</strong>r Hinterkopf kahl geschoren sind. Das Haupthaar wird von hinten<br />

nach vorne <strong>im</strong>mer länger. Der Flat wird entwe<strong>de</strong>r als ein Riesenhörnchen bzw.<br />

Spike nach vorne gestylt o<strong>de</strong>r wie eine gigantische Tolle nach oben. Der Flat wird<br />

dabei bevorzugt in blond o<strong>de</strong>r schwarz gefärbt. Einige Psychos bevorzugen auch<br />

buntere Farben, wie blau, rot und grün.<br />

Daher kann es auch leicht zu Verwechslungen kommen, da die Kleidung <strong>de</strong>r<br />

Psychobillyszene starke Parallelen zur Punk und Skinbewegung hat. So können<br />

Psychobillies schnell Opfer von stereotypen Ansichten <strong>de</strong>r Gesellschaft wer<strong>de</strong>n, die<br />

sie mit Punks und Skinheads o<strong>de</strong>r gar Nazis verwechseln. Gera<strong>de</strong> ältere<br />

Psychobillies, die <strong>auf</strong>grund von Haarausfall keinen Flat und keine Tolle mehr tragen<br />

können, wer<strong>de</strong>n leicht mit Skinheads verwechselt, was negative Folgen haben kann.<br />

Kaum eine Subkultur muss mit so vielen Vorurteilen wie die Skinheads kämpfen.<br />

Skinheads sind durch die Anschläge <strong>auf</strong> Asylantenhe<strong>im</strong>e in <strong>de</strong>n 90er Jahren in<br />

Deutschland zum Synonym für Frem<strong>de</strong>nhass, Intoleranz und Gewalt gewor<strong>de</strong>n. Sobald<br />

<strong>im</strong> Osten eine Gruppe Auslän<strong>de</strong>r von Rechten zusammengeschlagen wird, beherrschen<br />

Bil<strong>de</strong>r von Springerstiefeln, mit weißen Schnürsenkeln, die Medien. Völlig<br />

7


undifferenziert wird je<strong>de</strong>r rechte Schläger als Skinhead tituliert. Die wenigsten Menschen<br />

kennen die Geschichte <strong>de</strong>r Skinheads, in <strong>de</strong>r jamaikanische und englische Jugendliche<br />

zusammen Ska Konzerte besucht haben. Die Medien berichten zwar gerne<br />

über rechtsradikale Skinheads, doch genau so gerne wird ausgeblen<strong>de</strong>t, dass es sich<br />

bei <strong>de</strong>n Skinheads um eine höchst heterogene Szene han<strong>de</strong>lt, in <strong>de</strong>r es von ganz links<br />

bis ganz rechts die unterschiedlichsten politischen Ansichten gibt.<br />

Da <strong>de</strong>m Großteil <strong>de</strong>r Bevölkerung Psychobilly völlig fremd ist, wer<strong>de</strong>n Psychobillies<br />

oft stigmatisiert und stereotypen Ansichten über an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> untergeordnet.<br />

In <strong>de</strong>n Büchern von Susanne El-Nawab wird recht kurz <strong>auf</strong> die Psychobillyszene<br />

eingegangen. Der Großteil ihrer Bücher han<strong>de</strong>lt von Rockabillies, die sicherlich eine<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle in <strong>de</strong>r Geschichte von Psychobilly spielen. In meinen Interviews<br />

habe ich ergrün<strong>de</strong>t, wie wichtig diese Wurzeln für die Psychobillyszene sind und ob<br />

sie Psychobilly nicht als etwas völlig eigenes betrachten, dass autonom von <strong>de</strong>r<br />

Rockabillyszene existiert. Durch meine Interviews möchte ich <strong>de</strong>m Leser die<br />

Psychobillyszene allgemein näher bringen. Aus welchem Milieu stammen<br />

Psychobillies? Sind Psychobillies berufstätig? Sind die Berufsfel<strong>de</strong>r eher heterogen<br />

o<strong>de</strong>r kann gesagt wer<strong>de</strong>n, dass ein Großteil dieser Szene eher handwerklichen und<br />

Arbeiterberufen nachgeht? Wie sind die Menschen zu dieser Subkultur gekommen?<br />

Wie sieht <strong>de</strong>r Lebensstil aus? Welche Einstellungen herrschen in <strong>de</strong>r Szene? Woran<br />

erkennt man einen Psychobilly? Worum geht in <strong>de</strong>n Texten von Psychobillybands?<br />

In meiner Arbeit wer<strong>de</strong> ich zunächst <strong>auf</strong> die Begriffe Subkultur und Szene eingehen.<br />

Anschließend beschreibe ich <strong>auf</strong> die Geschichte von Musiksubkulturen. Ich wer<strong>de</strong><br />

vom Beginn <strong>de</strong>s Rock`n`Roll in <strong>de</strong>n 50er Jahren über die Teddy Boys, die Mods in<br />

<strong>de</strong>n 60er Jahren, die Skinheads gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 60er, die Punks in <strong>de</strong>n 70er Jahren<br />

und die Anfänge <strong>de</strong>s Psychobilly in <strong>de</strong>n 80er Jahren berichten. Ich möchte so die<br />

diversen Figurationen zwischen <strong>de</strong>n unterschiedlichen <strong>Subkulturen</strong> beleuchten und<br />

<strong>auf</strong> die Wurzeln <strong>de</strong>r Psychobillyszene eingehen. Danach wer<strong>de</strong> ich <strong>auf</strong> die Ergebnisse<br />

meiner Interviews eingehen und diese analysieren. 6 Hauptfragen stehen dabei <strong>im</strong><br />

<strong>Fokus</strong> <strong>de</strong>r Interviews. Bei <strong>de</strong>r ersten Hauptfrage wollte ich erfahren, ob es sich bei<br />

<strong>de</strong>r Psychobillysubkultur um eine politische Szene han<strong>de</strong>lt. Während <strong>de</strong>r Interviews<br />

mit 2 älteren Angehörigen <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur, die die diversen Transformationsprozesse<br />

<strong>de</strong>r Szene über Jahrzehnte beobachtet haben, hat sich <strong>de</strong>r zweite Fragepunkt<br />

ergeben: Ist die Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n? Das Geschlechterverhältnis<br />

bei <strong>de</strong>n Psychobillies best<strong>im</strong>mte die dritte Hauptfrage. Bei <strong>de</strong>r vierten<br />

8


Hauptfrage wollte ich Erkenntnisse gewinnen, ob die Psychobillies sich als Teil <strong>de</strong>r<br />

Rockabillysubkultur sehen o<strong>de</strong>r sich als autonome Szene verstehen. Die fünfte<br />

Hauptfrage sollte <strong>de</strong>m Leser das Verhältnis <strong>de</strong>r Psychos zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong><br />

vermitteln. Den letzten Fragepunkt bil<strong>de</strong>tete: Was be<strong>de</strong>utet Spaß in <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur?<br />

2. Subkultur und Szene – begriffliche Sondierungen<br />

Auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten wer<strong>de</strong> ich <strong>auf</strong> die Begriffe „Subkultur“ und „Szene“ eingehen.<br />

Zunächst beschreibe ich, wann <strong>de</strong>r Begriff Subkultur zum ersten Mal von<br />

Soziologen verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und was subkulturelle Stile beinhalten. Das Verhältnis<br />

von <strong>de</strong>r Subkultur zur I<strong>de</strong>ntität wird genau so Thema sein, wie die Entwicklung eines<br />

theoretischen Bezugsrahmens für die Untersuchung von <strong>Subkulturen</strong>. Danach erkläre<br />

ich die Eigenschaften von Szenen und wie diese <strong>auf</strong>gebaut sind. Szenetreffpunkte<br />

gehören genau so zum Inhalt, wie die Dynamik in Szenen, die Organisation, die Kultur<br />

und die Be<strong>de</strong>utung von Szenen <strong>im</strong> gesellschaftlichen Kontext zu großen Institutionen<br />

wie Recht, Politik und Wirtschaft.<br />

Zum Begriff Subkultur<br />

Laut Mike Brake wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Begriff Subkultur das erste Mal von <strong>de</strong>n Soziologen<br />

McLung Lee (1945) und M. Gordon (1947) verwen<strong>de</strong>t. Sie sahen die Subkultur als<br />

ein Subsystem <strong>de</strong>r nationalen Kultur an. Der Schwerpunkt ihrer Forschungen lag in<br />

<strong>de</strong>n Sozialisationsformen von sektorisierten Kulturen in einer Gesellschaft, die als<br />

vielfältig angesehen wur<strong>de</strong>. (Vgl. Brake 1981: 15)<br />

„Kultur wur<strong>de</strong> als „erlerntes Verhalten“ verstan<strong>de</strong>n.“ (Brake 1981: e.b.d.)<br />

Der Kulturbegriff ist laut Taylor (1871) aber noch viel umfassen<strong>de</strong>r:<br />

„Kultur o<strong>de</strong>r Zivilisation, <strong>im</strong> weiteren ethnographischen Sinn verstan<strong>de</strong>n, ist jenes<br />

komplexe Ganze, das das Wissen, <strong>de</strong>n Glauben, die Kunst, die Moral<strong>auf</strong>fassung, die<br />

Gesetze, die Sitten und alle an<strong>de</strong>ren Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die sich<br />

<strong>de</strong>r Mensch als Mitglied <strong>de</strong>r Gesellschaft aneignet.“ (Brake 1981: 15, zit. nach Taylor<br />

1871: 10)<br />

Kroeber und Kluckhohn (1952) greifen bei ihrer Definition von Kultur <strong>auf</strong> 160<br />

Merkmale aus <strong>de</strong>r Sozialwissenschaft zurück:<br />

9


Kultur beinhaltet eine <strong>de</strong>utliche und einbeziehen<strong>de</strong> Symbolik, die menschliche Leistung<br />

best<strong>im</strong>mt, einschließlich ihrer Darstellung in <strong>de</strong>r Kunst. Kultur besteht auch aus<br />

Verhaltensmustern. Hauptsächlich besteht Kultur aus überlieferten Ansichten und<br />

<strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen Wertmaßstäben, welche geschichtlich gereift sind. (Vgl.<br />

Brake 1981: e.b.d.)<br />

„Kulturelle Wertsysteme sind einerseits das Produkt menschlicher Handlungsweisen<br />

und an<strong>de</strong>rerseits die Voraussetzung für späteres Verhalten.“ (Brake 1981: e.b.d., zit.<br />

nach Kroeber/Kluckhohn 1952: 2)<br />

Ford (1942) sah Kultur als Lösungsmuster für Probleme, die <strong>auf</strong>grund von überlieferten<br />

Verhalten, bewältigt wer<strong>de</strong>n (vgl. Brake 1981: e.b.d.).<br />

„Menschliche Handlungsweisen hängen von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Probleme ab, die je<strong>de</strong>r bewältigen<br />

muß. (Brake 1981: e.b.d., zit. nach Cohen 1955: 51)<br />

Kultur ist äußerst heterogen. Es gibt diverse Bereiche, die ineinan<strong>de</strong>r überfließen und<br />

ebenso gibt es Sphären, die voneinan<strong>de</strong>r getrennt sind. Je<strong>de</strong> komplexe Gesellschaft<br />

besteht aus diversen, unterschiedlichen Kulturen, die auseinan<strong>de</strong>r gehen und es existiert<br />

eine Reihe von Untergruppen und <strong>Subkulturen</strong>. Die <strong>Subkulturen</strong> und Untergruppen<br />

müssen sich mit ihren Werten und Normen, sowie ihrem Lebensstil gegen die<br />

dominante Kultur, <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Klasse behaupten. Die herrschen<strong>de</strong> Schicht<br />

rechtfertigt ihre Kontrolle über die unteren Schichten, durch ihr Konzept <strong>de</strong>r ganzheitlichen<br />

Kultur.<br />

Menschen wer<strong>de</strong>n in differenzierte, äußerst heterogene soziale Schichten geboren. In<br />

<strong>de</strong>n diversen Regionen entwickeln sich die unterschiedlichsten Werte und Normen,<br />

die über soziale Kontakte nach außen vermittelt wer<strong>de</strong>n. Das Individuum kann nur<br />

überleben, in<strong>de</strong>m es kollektiv o<strong>de</strong>r individuell Sozialkontakte <strong>auf</strong>baut. Zwischen <strong>de</strong>m<br />

Individuum und <strong>de</strong>n sozialen Kontakten fin<strong>de</strong>t eine wechselseitige Beeinflussung<br />

statt. Die Kultur einer Gruppe besteht aus <strong>de</strong>n Werten, die sie verkörpert und ihren<br />

Ansichten. Die Figuration <strong>de</strong>r Beziehungen und <strong>de</strong>r Ausdrucksmittel formt unsere<br />

I<strong>de</strong>ntität. (Vgl. Brake 1981: 15-16)<br />

„Die Kultur als vermitteln<strong>de</strong> Instanz formt so unser Weltbild und best<strong>im</strong>mt unsere<br />

Entwicklung mit“ (Brake 1981: 16).<br />

Wir orientieren uns an <strong>de</strong>n Werten, die die herrschen<strong>de</strong> Kultur uns vorgibt. Wenn die<br />

Orientierungsmöglichkeiten auch begrenzt sind, so bieten die sozialen Rahmenbe-<br />

10


dingungen doch Platz für individuelle Vorlieben. Die Rahmenbedingungen wie<strong>de</strong>rum<br />

sind von <strong>de</strong>r Wirtschaft abhängig. (Vgl. Brake 1981: e.b.d.).<br />

„Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien<br />

Stücken, nicht unter selbstgewählten, son<strong>de</strong>rn unter unmittelbar vorgefun<strong>de</strong>nen, gegebenen<br />

und überlieferten Umstän<strong>de</strong>n.“ (Brake 1981: e.b.d., zit. nach Marx 1852:<br />

115)<br />

Während herrschen<strong>de</strong> Klassen durchaus existieren, ist die Vorherrschaft einer Kultur<br />

jedoch anzuzweifeln. Je<strong>de</strong> bestehen<strong>de</strong> soziale Gruppe hat Werte. Die Wertesysteme<br />

sind allerdings heterogen und unterliegen Verän<strong>de</strong>rungen und Umwertungen. Bei<br />

Verschiebungen <strong>de</strong>s Klassengefüges sind in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts,<br />

auch die bürgerlichen Werte <strong>auf</strong> die Werte <strong>de</strong>r Aristokraten geprallt. (Vgl. Brake<br />

1981: 16).<br />

„In Gesellschaften, die <strong>auf</strong> komplexe Weise verästelt sind, gibt es <strong>im</strong>mer mehrere<br />

Kulturen. Die Mehrzahl dieser Kulturen sind Klassenkulturen, wobei die <strong>Subkulturen</strong><br />

als Subsysteme dieser großen kulturellen Konfigurationen begriffen wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

<strong>Subkulturen</strong> beinhalten Elemente <strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong>n Klassenkultur (auch Stammkultur,<br />

parent culture, genannt), heben sich jedoch zugleich von ihr ab.“ (Brake 1981:<br />

16-17).<br />

Die herrschen<strong>de</strong> Kultur übt Einfluss <strong>auf</strong> die <strong>Subkulturen</strong> aus, da sie schwer ausgeblen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n kann, da sie auch die Massenmedien beherrscht. Downes (1966) ist<br />

<strong>de</strong>r Meinung, dass <strong>Subkulturen</strong>, die gesellschaftlich akzeptiert wer<strong>de</strong>n, differenziert<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n müssen, von <strong>de</strong>linquenten <strong>Subkulturen</strong>. In manchen Berufsgruppen,<br />

können sich <strong>Subkulturen</strong> bil<strong>de</strong>n und diese wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Gesellschaft an<strong>de</strong>rs<br />

wahrgenommen, als Gruppen, die sich <strong>auf</strong>grund von soziokulturellen Begebenheiten<br />

straffällig verhalten und somit mit <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Normen brechen. Je<strong>de</strong><br />

Subkultur hängt an einer Klassenkultur. Dabei kann sich die Subkultur eng an <strong>de</strong>r<br />

Klassenkultur orientieren, o<strong>de</strong>r gar oppositionell zu dieser sein und etwas Gegensätzliches<br />

bil<strong>de</strong>n. (Vgl. Brake 1981: 17)<br />

Es gibt allerdings auch klar <strong>de</strong>finierte <strong>Subkulturen</strong> mit eklatanten Merkmalen, die<br />

laut Miller (1968) „…ein Spektrum verschie<strong>de</strong>ner Orientierungspunkte, die ungeteilte<br />

Aufmerksamkeit und ein Höchstmaß an emotionaler Zuwendung erfor<strong>de</strong>rn.“ (Brake<br />

1981: e.b.d., zit. nach Miller 1968: 6)<br />

Die oben genannten Kriterien helfen dabei, <strong>Subkulturen</strong> nach Alter, Schichtzugehörigkeit<br />

und speziellen Merkmalen zu ordnen. Be<strong>im</strong> Begriff <strong>de</strong>r jugendlichen Subkul-<br />

11


tur muss man beachten, dass es eklatante Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />

diverser Schichten und Alterszugehörigkeiten gibt. Jugendliche und Heranwachsen<strong>de</strong><br />

bewegen sich in äußerst heterogenen <strong>Subkulturen</strong>, mit ganz eigenen Werten und<br />

Normen. Sie führen einen ganz speziellen Lebensstil. Man kann nicht von einer einzigen<br />

Jugendkultur ausgehen, in <strong>de</strong>r alle jungen Leute unter Dreißig vereint sind.<br />

Allein schon die Existenz von <strong>Subkulturen</strong> zeigt, wie viele und differenzierte Alternativen<br />

zur vermeintlich dominieren<strong>de</strong>n Kultur bestehen.<br />

Wenn Menschen eigene Wert- und Normvorstellungen haben, eigene Formen <strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>lns entwickeln und diese Handlungsweisen auch organisieren, dann können<br />

<strong>Subkulturen</strong> entstehen. Menschen fin<strong>de</strong>n in <strong>Subkulturen</strong> zueinan<strong>de</strong>r, um Problemlösungen<br />

zu fin<strong>de</strong>n, für kollektive erlebte Anpassungsprobleme, für die es noch keine<br />

Lösung gibt. Downes (1966) gibt zu beachten, dass <strong>Subkulturen</strong> nicht nur innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft entstehen können, son<strong>de</strong>rn auch ‚<strong>im</strong>portiert` wer<strong>de</strong>n können, wie<br />

z.B. die Kultur von Immigranten.<br />

Eine Subkultur kann jedoch nur bestehen, wenn die Werte und Normen für ihre Mitglie<strong>de</strong>r<br />

ihre Be<strong>de</strong>utung behalten. Die Subkultur übt Einfluss <strong>auf</strong> die I<strong>de</strong>ntität und die<br />

Vorstellungen <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r aus. Zu<strong>de</strong>m wird ein Rollenverhalten eingeübt und es<br />

fin<strong>de</strong>t eine Befassung mit <strong>de</strong>r sozialen Wirklichkeit statt.<br />

Der Begriff Subkultur ist nicht sehr genau. Die verschie<strong>de</strong>nen kulturellen und strukturellen<br />

Elemente wer<strong>de</strong>n nur ungefähr beschrieben und über die Entstehung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Subkulturen</strong>, ihre Grenzen, und über ihre Transformationsprozesse ist zu wenig bekannt.<br />

(Vgl. Brake 1981: 17-19)<br />

Subkulturelle Stile<br />

Strukturelle Bedingungen sind die Grundlage für die Entstehung von <strong>Subkulturen</strong>. Je<br />

nach sozialer Lage erleben best<strong>im</strong>mte Gruppen von Personen starke Wi<strong>de</strong>rsprüche in<br />

<strong>de</strong>n herrschen<strong>de</strong>n Bedingungen. Für diese Wi<strong>de</strong>rsprüche scheint es auch keine Lösung<br />

zu geben und so prallt <strong>de</strong>r kulturelle Hintergrund Einzelner <strong>auf</strong> die herrschen<strong>de</strong>,<br />

bürgerliche Kultur und bil<strong>de</strong>t einen Gegensatz zu dieser. Die Bildung einer Subkultur<br />

hängt dabei auch <strong>im</strong>mer von <strong>de</strong>n geschichtlichen Umstän<strong>de</strong>n ab.<br />

Was <strong>Subkulturen</strong> ausmacht, ist ihr Stil. (Vgl. Brake 1981: e.b.d.)<br />

So schreibt A.K. Cohen (1965):<br />

„Über ein best<strong>im</strong>mtes Verhalten vermittelt sich das Gefühl <strong>de</strong>r Zugehörigkeit zur<br />

Subkultur bzw. wird eine neue Rolle eingenommen. Dies umfasst die Art <strong>de</strong>r getra-<br />

12


genen Kleidung, die Körpersprache, die Art und Weise, wie man sich bewegt, die<br />

Vorlieben und Abneigungen, die Themen, über die man spricht, und die Meinungen,<br />

die man vertritt.“ (Brake 1981: e.b.d., zit. nach Cohen 1965: 1).<br />

Der Stil lässt Rückschlüsse <strong>auf</strong> die Zugehörigkeit einer best<strong>im</strong>mten Subkultur zu und<br />

das Erscheinungsbild allein kann schon als Provokation und Missbilligung <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n<br />

Werte und Normen interpretiert wer<strong>de</strong>n. Der Stil umfasst drei Bestandteile:<br />

a) Image. Das Äußere prägt das Image. Das An<strong>de</strong>rssein wird z.B. in <strong>de</strong>r Frisur, <strong>de</strong>r<br />

Kleidung, Schmuck und ähnlichem ausgedrückt.<br />

b) Haltung. Zur Haltung zählen die Körpersprache, die Art <strong>de</strong>r Bewegungen und <strong>de</strong>r<br />

körperliche Ausdruck <strong>im</strong> Allgemeinen.<br />

c) Jargon. Hier han<strong>de</strong>lt es sich um spezielle Wörter, Slangs und <strong>de</strong>ren Geschichte.<br />

In je<strong>de</strong>r Konsumgesellschaft wer<strong>de</strong>n mit Hilfe <strong>de</strong>r Massenmedien Idole und Stars<br />

kreiert. Das hat zur Folge, dass sich viele normale Bürger, genau wie ihr Star, klei<strong>de</strong>n,<br />

die Sprechweise <strong>im</strong>itieren o<strong>de</strong>r ihre Lie<strong>de</strong>r nachspielen. Sie transformieren so<br />

ihre eigene I<strong>de</strong>ntität. So n<strong>im</strong>mt sich ein Mädchen aus <strong>de</strong>r Arbeiterklasse, als klassenloses<br />

Mädchen wahr, dass sich genau, wie viele an<strong>de</strong>re auch, so stylt, wie Marilyn<br />

Monroe. Bei <strong>Subkulturen</strong> kann man ähnliche Phänomene beobachten. So grenzen<br />

sich <strong>Subkulturen</strong> bewusst durch ihr Image und ihren Stil von <strong>de</strong>m Durchschnittsbürger<br />

ab. Man flüchtet vor <strong>de</strong>r Realität und baut sich eine neue I<strong>de</strong>ntität <strong>auf</strong>, jenseits<br />

von Klassen, Bildung und Berufen. Beson<strong>de</strong>rs wenn man sich in <strong>de</strong>r Hierarchie <strong>de</strong>r<br />

normalen Gesellschaft unten befin<strong>de</strong>t.<br />

Ricoeur (1972) erkennt, dass <strong>Subkulturen</strong> sich von herrschen<strong>de</strong>n Trends abgrenzen.<br />

Über die Interaktion mit an<strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Subkultur bil<strong>de</strong>t sich eine I<strong>de</strong>ntität.<br />

Be<strong>im</strong> Auftreten innerhalb <strong>de</strong>r Subkultur muss <strong>de</strong>r Stil <strong>de</strong>r Person authentisch sein.<br />

Dabei wird viel Wert <strong>auf</strong> das Image und das Auftreten gelegt. Das richtige Auftreten<br />

wird be<strong>im</strong> Umgang mit wichtigen Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Subkultur erlernt. (Vgl. Brake<br />

1981: 19-21)<br />

„Durch unser Äußeres wird eine Vielzahl von Be<strong>de</strong>utungen transportiert. Speziell die<br />

Kleidung drückt eine Menge gleichzeitig aus. Sie verweist <strong>auf</strong> unseren sozialen<br />

Background und unser individuelles Zeichensystem, mittels <strong>de</strong>ssen wir kommunizieren<br />

und unsere Absichten darlegen.“ (Brake 1981: 21, zit. nach Carter 1967)<br />

13


Schon in <strong>de</strong>r Art, wie wir uns klei<strong>de</strong>n, verraten wir, ob wir mit gängigen Normen<br />

übereinst<strong>im</strong>men o<strong>de</strong>r nicht. Auch wenn wir die Kleidung, die wir tragen, für unseren<br />

persönlichen Stil halten, so fließt auch <strong>im</strong>mer, wenn auch in verfrem<strong>de</strong>ter Form, unsere<br />

Umwelt mit ein. Der Verstand spielt dabei kaum eine Rolle, da gewisse Dinge<br />

emotionalisiert wer<strong>de</strong>n. Nach einem ähnlichen Prinzip lässt sich auch <strong>de</strong>r Erfolg von<br />

Filmen, von Werbung, und von Musik erklären. Es wird nicht unbedingt drüber<br />

nachgedacht, son<strong>de</strong>rn es wird sich instinktiv für etwas entschie<strong>de</strong>n. (Vgl. Brake<br />

1981: 21-22)<br />

„Die Ausdrucksmittel weisen auch <strong>auf</strong> einen best<strong>im</strong>mten Lebensstil hin.“ (Brake<br />

1981: 22)<br />

Symbole und Mo<strong>de</strong> können zu Ausdrucksmitteln von <strong>Subkulturen</strong> umfunktioniert<br />

wer<strong>de</strong>n. Dadurch wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zusammenhang und die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Symbolik verän<strong>de</strong>rt.<br />

Ein Beispiel dafür wäre <strong>de</strong>r Kleidungsstil <strong>de</strong>r Teddy Boys, welcher, die ursprüngliche<br />

Symbolik <strong>de</strong>r Kleidung, völlig verfrem<strong>de</strong>t hat. So entsteht ein neuer Stil,<br />

<strong>de</strong>r für die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Subkultur sehr wichtig ist und dabei die modischen Attribute<br />

von ihrer ursprünglichen Be<strong>de</strong>utung befreit. Die Mitglie<strong>de</strong>r eine Subkultur erkennen<br />

an<strong>de</strong>re Mitglie<strong>de</strong>r daran, dass diese, die modischen Attribute öffentlich verwen<strong>de</strong>n.<br />

(Vgl. Brake 1981: 22-23)<br />

„Willis (1972) weist dar<strong>auf</strong> hin, dass zwischen Objekten, ihrer neuen Be<strong>de</strong>utung und<br />

<strong>de</strong>n Verhaltensformen ein innerer Zusammenhang, eine „Homologie“ (<strong>im</strong> Sinne von<br />

Levis-Strauss), besteht.“ (Brake 1981: 23)<br />

<strong>Subkulturen</strong>, soziale Wirklichkeit und I<strong>de</strong>ntität<br />

Die Stile von <strong>Subkulturen</strong> sind <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r einen Seite eine Scheinlösung, für die <strong>im</strong> System<br />

enthaltenen Wi<strong>de</strong>rsprüche und <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite bieten sie <strong>de</strong>m Individuum<br />

die Möglichkeit, eine unabhängige I<strong>de</strong>ntität zu bil<strong>de</strong>n und ein besseres Selbstwertgefühl<br />

<strong>auf</strong>zubauen. Welcher Subkultur das Individuum beitritt, hängt stark vom Zufall<br />

ab. (Vgl. Brake 1981: 23)<br />

„Empirisch lässt sich jedoch <strong>de</strong>r Eintritt in eine best<strong>im</strong>mte Subkultur <strong>auf</strong> Schichtenzugehörigkeit,<br />

soziales Umfeld (community), Ausbildung und die damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Chancen zurückführen.“ (Brake 1981: e.b.d.)<br />

Wie intensiv die Bindung an die Subkultur ist und wie stark <strong>de</strong>r subkulturelle Lebensstil<br />

ausgelebt wird, ist allerdings höchstverschie<strong>de</strong>n und variiert unter <strong>de</strong>n diversen<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn. Eine ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle spielt das Alter, da es oft junge Leu-<br />

14


te sind, die einer Subkultur beitreten. In dieser Zeit herrscht viel Bewegung <strong>im</strong> Leben<br />

<strong>de</strong>r jungen Leute und sie befin<strong>de</strong>n sich of <strong>im</strong> Entwicklungsstadium zwischen <strong>de</strong>m<br />

Been<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Schule, <strong>de</strong>n Beginn einer Ausbildung bzw. das Eintreten in das Berufsleben<br />

und <strong>de</strong>r Heirat. In dieser Entwicklungsphase fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Subkultur eine Nachsozialisation<br />

statt. (Vgl. Brake 1981: 24)<br />

„Berger/Luckman (1969) weisen dar<strong>auf</strong> hin, dass sich Verhaltensmuster in <strong>de</strong>r Pr<strong>im</strong>ärsozialisation<br />

quasi über eine Manipulation herausbil<strong>de</strong>n, d.h. unter Ausnutzung<br />

<strong>de</strong>r kulturellen Abhängigkeit….“ (Brake 1981: e.b.d.)<br />

Über die Pr<strong>im</strong>ärsozialisation wachen begrenzte Bezugspersonen. Diese Bezugspersonen<br />

müssen vom Kind akzeptiert wer<strong>de</strong>n. Da die Auswahl <strong>de</strong>r Erwachsenen äußerst<br />

begrenzt ist, hat das Individuum keine Probleme, sich mit <strong>de</strong>ren Weltanschauung<br />

zu i<strong>de</strong>ntifizieren. Das Kind kennt schlicht keine an<strong>de</strong>re Welt, es kennt die Vielfalt<br />

<strong>de</strong>r Welt nicht, son<strong>de</strong>rn nur die Welt <strong>de</strong>r Bezugspersonen. So wird diese Welt,<br />

die von <strong>de</strong>n Erwachsenen vermittelt wird, als die einzige Welt die existiert: Die Welt<br />

„tout court“ (Vgl. Brake 1981: e.b.d.).<br />

„Kin<strong>de</strong>r nehmen die Welt somit wahr, ohne einen Begriff von <strong>de</strong>r Vielfalt <strong>de</strong>r sozialen<br />

Wirklichkeit zu haben.“ (Brake 1981: e.b.d.)<br />

Im Umgang mit <strong>de</strong>n Eltern o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren wichtigen Bezugspersonen entsteht eine<br />

wechselseitige Beziehung. In dieser verinnerlichen die Kin<strong>de</strong>r die Verhaltensweisen<br />

<strong>de</strong>r Eltern. Soziale Institutionen wer<strong>de</strong>n laut Berger und Luckmann Teil <strong>de</strong>r Symbolwelt.<br />

In dieser Symbolwelt scheint alles einen Sinn zu haben und sie wird als die einzige<br />

Welt akzeptiert, die es gibt. Das Kind empfin<strong>de</strong>t die Merkmale dieser Symbolwelt<br />

als ‚objektive’ Wahrheit. So entwickelt das Kind ein Ordnungssystem und vermei<strong>de</strong>t<br />

so eine chaotische Wahrnehmung <strong>de</strong>r Außenwelt. Das Kind beginnt eine Vorstellung<br />

zu entwickeln, wie die Welt funktioniert und wie sie sein sollte. Doch da auch die<br />

Symbolwelt nicht perfekt ist, müssen Fehler und Abweichungen von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>alvorstellung<br />

geleugnet wer<strong>de</strong>n. (Vgl. Brake 1981: e.b.d.)<br />

Mary Douglas (1970) ist <strong>de</strong>r Meinung, dass es eine <strong>de</strong>r Aufgaben von Kultur ist, die<br />

Symbolwelt in öffentlich akzeptierte Verhaltensweisen zu zerkleinern:<br />

„Kultur stellt ein Bin<strong>de</strong>glied zwischen <strong>de</strong>n in einer Gemeinschaft existieren<strong>de</strong>n<br />

Wertmaßstäben und <strong>de</strong>m Individuum dar. Man wird in dieses fundamentale Kategoriensystem,<br />

in einen positiven Bezugsrahmen, hineingeboren. Ansichten und Wertmaßstäbe<br />

sind darin fein säuberlich geordnet. Die herrschen<strong>de</strong> Kultur verfügt über<br />

15


ausreichend Autorität, um über ihre Werte individuelle Anpassung zu produzieren.<br />

Das geht jedoch noch weiter, <strong>de</strong>nn konformes Verhalten einzelner fin<strong>de</strong>t schließlich<br />

<strong>im</strong>mer Nachahmer. Der öffentliche Charakter <strong>de</strong>r Kultur macht sie so zum repressiven<br />

Instrument.“ (Brake 1981: 24, zit. nach Douglas 1970: 102)<br />

Sie ist auch <strong>de</strong>r Meinung, dass Verhalten, welches von <strong>de</strong>r Stammkultur abweicht,<br />

entwe<strong>de</strong>r positive o<strong>de</strong>r negative Resonanzen zur Folge hat.<br />

Moral spielt in <strong>de</strong>r westlichen Welt eine große Rolle und beinhaltet grundlegen<strong>de</strong><br />

Werte. Diese Werte sind für best<strong>im</strong>mte Personen essentiell und nicht zu hinterfragen.<br />

Diese Menschen lassen es nicht zu, dass best<strong>im</strong>mte Werte in Frage gestellt wer<strong>de</strong>n<br />

und nutzen <strong>de</strong>n Moralbegriff für ihre Sicht <strong>de</strong>r Dinge aus. (Vgl. Brake 1981: 25)<br />

„Für diese Personen sind sie unumstrittener und absoluter Teil <strong>de</strong>r sozialen Wirklichkeit.“<br />

(Brake 1981: e.b.d.)<br />

Eine Abweichung von Werten, die von großen Teilen <strong>de</strong>r Gesellschaft, vom Moralbegriff<br />

gestützt wer<strong>de</strong>n, be<strong>de</strong>utet nichts an<strong>de</strong>res, als das die Richtigkeit <strong>de</strong>r Symbolwelt<br />

angezweifelt wird. Soziale Außenseiter wer<strong>de</strong>n als Ausgestoßene gesehen, da<br />

sie die Symbolwelt <strong>de</strong>r Mehrheit nicht akzeptieren. Immigranten wer<strong>de</strong>n zu Außenseitern,<br />

da sich ihre Kultur teilweise eklatant von <strong>de</strong>r Stammkultur unterschei<strong>de</strong>t.<br />

Durch das Leugnen <strong>de</strong>r Symbolwelt, bzw. durch die differenzierte Auslebung von<br />

Kultur, wird die Definition <strong>de</strong>r Wirklichkeit, <strong>de</strong>r Befürworter, <strong>de</strong>r Stammkultur in<br />

Frage gestellt. Diese Meinung vertreten Berger und Luckman (1969).<br />

<strong>Subkulturen</strong> verleihen <strong>de</strong>r Abweichung eine Begründung, eine Struktur und eine I<strong>de</strong>ologie.<br />

<strong>Subkulturen</strong> stellen die Gültigkeit <strong>de</strong>r Symbolwelt in Frage und wirken sich<br />

durch ihre offene Herausfor<strong>de</strong>rung an die Gesellschaft, attraktiv <strong>auf</strong> neue Möchtegernmitglie<strong>de</strong>r<br />

aus. Der Neuling verän<strong>de</strong>rt durch die Werte und Normen <strong>de</strong>r Subkultur<br />

sein Selbstbild. Glaser (1966) spricht in diesem Fall von <strong>de</strong>r ‚differentiellen I<strong>de</strong>ntifikation’.<br />

Wenn jemand versucht, die strukturellen Probleme seiner Schicht hinter sich zu lassen,<br />

in<strong>de</strong>m er, über <strong>de</strong>n Einstieg in eine Subkultur, sein Selbstwertgefühl verbessert,<br />

dann kann man von einer positiven Orientierung an eine subkulturelle Bezugsgruppe<br />

sprechen. Die Gesellschaft wird nun aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Subkultur betrachtet. Das<br />

Weltbild verän<strong>de</strong>rt sich und die soziale Wirklichkeit wird an<strong>de</strong>rs ausgelegt. (Vgl.<br />

Brake 1981: 24-26)<br />

„So gesehen sind die <strong>Subkulturen</strong> wichtige außerfamiliäre Sozialisationsinstanzen.<br />

Sie zeigen an, daß das Leben nicht in Arbeit und Schule <strong>auf</strong>geht.“ (Brake 1981: 26)<br />

16


Die Symbolwelt lässt nicht nur Raum, für die Interpretation <strong>de</strong>r sozialen Wirklichkeit,<br />

son<strong>de</strong>rn sie bietet auch moralische Orientierungspunkte. Diese können sich allerdings<br />

verän<strong>de</strong>rn, da sie nicht statisch sind. Der Orientierungsrahmen <strong>de</strong>r Symbolwelt,<br />

wird durch die alternativen Handlungs- und Lebensweisen <strong>de</strong>r Subkultur, <strong>im</strong>mer<br />

weiter. Deviantes Verhalten wird weitgehend integriert und es wer<strong>de</strong>n zwangsläufig<br />

neue I<strong>de</strong>en und Vorstellungen <strong>auf</strong>genommen. Allerdings bleibt die Subkultur<br />

ein Fremdkörper, <strong>de</strong>n man nicht einschätzen kann. Die vorherrschen<strong>de</strong> Sicht <strong>de</strong>r<br />

Realität wird von <strong>de</strong>r Subkultur akzeptiert, und trotz<strong>de</strong>m verkörpert sie die Devianz<br />

und das An<strong>de</strong>rssein. (Vgl. Brake 1981: e.b.d.)<br />

„Dem Konzept <strong>de</strong>r Subkultur liegen <strong>de</strong>mnach best<strong>im</strong>mte intragesellschaftlich vermittelte<br />

und erfahrene Ängste und Unsicherheiten gegenüber <strong>de</strong>m „Frem<strong>de</strong>n“ zugrun<strong>de</strong>;<br />

Subkulturforschung ist <strong>im</strong>mer auch Ethnologie <strong>im</strong> eigenen Land, Erforschung <strong>de</strong>s<br />

Unberechenbaren und oft Unverständlichen; Reaktion <strong>auf</strong> bisher unbekannte Phänomene<br />

und Provokationen – mit <strong>de</strong>m Ziel: Nachvollziehen, Verstehen, Beeinflussen,<br />

Kontrollieren, Integrieren, Kolonialisieren.“ (Griese 2000: 28)<br />

Die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens zur Untersuchung von<br />

<strong>Subkulturen</strong><br />

Becker (1963) ist <strong>de</strong>r Meinung, dass es bei Forschungen zu Abweichungen nötig ist,<br />

die Verän<strong>de</strong>rung von Moralbegriffen zu beachten, und eine Analyse eines solchen<br />

Prozesses durchzuführen.<br />

Lemert (1951) gibt noch an<strong>de</strong>re Punkte an, die man bei einem Bezugsrahmen für<br />

<strong>Subkulturen</strong> beachten sollte:<br />

1. Der Charakter <strong>de</strong>s abweichen<strong>de</strong>n sozialen Verhaltens. Hierbei wird differenziert<br />

zwischen „normalen“ und abweichen<strong>de</strong>m Verhalten. Zu<strong>de</strong>m wird das Verhältnis <strong>de</strong>r<br />

Subkultur zur Gesellschaft beleuchtet und wie die Interaktionen innerhalb <strong>de</strong>r Subkultur<br />

abl<strong>auf</strong>en.<br />

2. Die Reaktion <strong>de</strong>r Öffentlichkeit <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Außenseiter. Hier wird speziell dar<strong>auf</strong><br />

geachtet, wie die Massenmedien die öffentliche Meinung zu <strong>de</strong>m Phänomen Subkultur<br />

prägen? Wird die Subkultur stigmatisiert, toleriert o<strong>de</strong>r abgelehnt?<br />

3. Die Geschichte <strong>de</strong>r Außenseiter. Hier wird <strong>auf</strong> die Sozialisationsbedingungen eingegangen.<br />

Zu<strong>de</strong>m wird hinterfragt, wie sich die I<strong>de</strong>ntität bzw. die gewisse Auffassungen<br />

verän<strong>de</strong>rt haben.<br />

17


4. Die soziale Stellung <strong>de</strong>s Außenseiters. Welcher Beruf wird ausgeübt und welches<br />

Einkommen wird erzielt? Liegt hier ein Grund für abweichen<strong>de</strong>s Verhalten vor?<br />

(Vgl. Brake 1981: 26-27)<br />

„Je<strong>de</strong>r theoretische Bezugsrahmen beinhaltet naturgemäß die Art <strong>de</strong>s Einstiegs in die<br />

Subkultur und das Verhältnis <strong>de</strong>r Subkultur zu Gesellschaft, d.h. die vielfältigen sozio-kulturellen<br />

Abhängigkeiten.“ (Brake 1981: 27)<br />

Individuelles abweichen<strong>de</strong>s Verhalten muss bei solchen Untersuchungen ebenfalls<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Die öffentliche Reaktion <strong>auf</strong> die Devianz muss genau so betrachtet<br />

wer<strong>de</strong>n, wie strukturelle und sozialpsychologische Faktoren. Soziale Konfliktfel<strong>de</strong>r<br />

und an<strong>de</strong>re Ursachen für abweichen<strong>de</strong>s Verhalten, müssen ebenso erforscht<br />

wer<strong>de</strong>n. Forschungen über <strong>Subkulturen</strong> sollten sich an einen Bezugsrahmen<br />

halten, <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>rmaßen <strong>auf</strong>gebaut ist:<br />

1. Der Charakter <strong>de</strong>r Subkultur<br />

a) Hier muss analysiert wer<strong>de</strong>n, wie sich die Subkultur unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

sozio-ökonomischen Umfel<strong>de</strong>s entwickelt hat.<br />

b) Das Image und <strong>de</strong>r Stil <strong>de</strong>r Subkultur muss analysiert wer<strong>de</strong>n und zu<strong>de</strong>m wird die<br />

Attraktivität <strong>auf</strong> potentielle Neueinsteiger beleuchtet und welche Lösungen für Probleme<br />

angeboten wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Die öffentliche Reaktion <strong>auf</strong> die Subkultur<br />

Hier muss geprüft wer<strong>de</strong>n, wie die Massenmedien <strong>auf</strong> die Subkultur reagieren. Zu<strong>de</strong>m<br />

muss beachtet wer<strong>de</strong>n, ob die Medien das Verhalten <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r genau sowie<br />

wichtige Bezugspersonen beeinflussen können. Außer<strong>de</strong>m spielt auch die moralische<br />

Instanz, die in Form <strong>de</strong>r Medien vertreten wird, eine große Rolle.<br />

3. Das Sozialgefüge <strong>de</strong>r Subkultur<br />

Hier geht es um die Normen, Werte, Metaphern und Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Subkultur<br />

und ihr Verhältnis zur sozialen Wirklichkeit.<br />

4. Kontinuität und Diskontinuität <strong>de</strong>r Subkultur.<br />

Hier wer<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungsprozesse einer Subkultur näher beleuchtet, da die wenigsten<br />

<strong>Subkulturen</strong> über Jahre unverän<strong>de</strong>rt bestehen. Es wird analysiert, wieso sich die<br />

Außendarstellung einer Subkultur verän<strong>de</strong>rt hat und wie mit generationsspezifischen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen umgegangen wird. (Vgl. Brake 1981: 27-29)<br />

18


Die Jugend wird zum sozialen Problem – die Entwicklung <strong>de</strong>s Subkultur-<br />

Konzepts in <strong>de</strong>r Deliquenzforschung und <strong>de</strong>r Aufstieg <strong>de</strong>r Jugendkultur<br />

Jugendliche sind von wirtschaftlichen Krisen, Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Berufsstruktur und<br />

<strong>de</strong>s Ausbildungssektors beson<strong>de</strong>rs betroffen. Die Zugehörigkeit zu best<strong>im</strong>mten<br />

Schichten und die Generationszugehörigkeit spielen auch eine Rolle. Jugendliche<br />

<strong>Subkulturen</strong>, die zu <strong>de</strong>vianten Verhalten neigen, kommen meistens aus <strong>de</strong>r Unterschicht,<br />

da gera<strong>de</strong> die Kin<strong>de</strong>r von Arbeitern stark von ökonomischen Krisen betroffen<br />

sind. Bei <strong>de</strong>r Analyse von <strong>Subkulturen</strong> müssen drei Faktoren ausdifferenziert<br />

wer<strong>de</strong>n. (Vgl. Brake 1981: 30-31)<br />

„Erstens, historisch gesehen, spezifische Probleme innerhalb einer Klassenfraktion;<br />

zweitens die Subsysteme, also <strong>Subkulturen</strong>, und die aktuellen Transformationsprozesse,<br />

die sie durchl<strong>auf</strong>en; und drittens die Art und Weise, wie die Subkultur von<br />

innen heraus gestaltet und gelebt wird.“ (Brake 1981: 31)<br />

Jugendliche fin<strong>de</strong>n meistens gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schulzeit zu <strong>Subkulturen</strong>, da sie einen<br />

emotionalen Rückhalt darstellen, <strong>de</strong>r <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>r schlechten Perspektiven <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m<br />

Arbeitsmarkt dringend benötigt wird. Die Subkultur stellt hierbei nur eine Scheinlösung<br />

für real existieren<strong>de</strong> Probleme dar. Matza (1962) sieht die Zeit <strong>de</strong>r Jugend als<br />

eine Zeit an, in <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r rebelliert. Dabei differenziert er in drei kulturellen Ausdrucksformen:<br />

Radikalismus, Delinquenz und Bohéme. Brake hingegen beobachtete<br />

vier Hauptgruppen:<br />

1. Angepasste Jugendliche<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um konforme Jugendliche, die sich zwar nach <strong>de</strong>r neuesten<br />

Mo<strong>de</strong> klei<strong>de</strong>n, aber damit nichts zum Ausdruck bringen wollen und nie Kontakt zu<br />

einer Jugendkultur hatten.<br />

2. Delinquente Jugendliche<br />

Delinquente Jugendliche kommen meistens aus <strong>de</strong>r Unterschicht und sind männlich.<br />

Bei ihren Vergehen geht es meistens um Körperverletzung, Diebstahl und Sachbeschädigung.<br />

Bei diesen Jugendlichen spiegelt sich meistens die soziale Lage <strong>de</strong>r Eltern<br />

und <strong>de</strong>ren kultureller Horizont.<br />

3. Kulturrebellen<br />

Diese Jugendlichen stammen meistens aus <strong>de</strong>r Mittelschicht und sie haben ein Interesse<br />

am Lebensstil <strong>de</strong>r Bohème. Sie bewun<strong>de</strong>rn Literatur und Künstler, doch sind<br />

meistens Außenstehen<strong>de</strong>, da sie selber nie künstlerisch tätig wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Politisch militante Jugendliche<br />

19


Bei dieser Gruppe han<strong>de</strong>lt es sich um Jugendliche, die in Organisationen, Bürgerinitiativen<br />

und Ähnlichem politisch engagiert sind und ihre Ziele teils auch durch militante<br />

Aktionen erreichen wollen. Bei <strong>de</strong>n Gruppen kann es sich um Massenbewegungen<br />

han<strong>de</strong>ln o<strong>de</strong>r um spezifische, politische Fraktionen. Bei <strong>de</strong>n Gruppen kann es<br />

sich auch um ethnische Min<strong>de</strong>rheiten han<strong>de</strong>ln, wie z.B. bei <strong>de</strong>n Black Panthern o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Young Lords (radikale Puertoricaner) in <strong>de</strong>n USA. (Vgl. Brake 1981: 31-32)<br />

<strong>Subkulturen</strong> wer<strong>de</strong>n für Jugendliche interessant, wenn folgen<strong>de</strong> Ausgangspunkte<br />

vorliegen:<br />

1. <strong>Subkulturen</strong> bieten eine Scheinlösung für Wi<strong>de</strong>rsprüche <strong>im</strong> Wirtschaftssystem und<br />

strukturelle Probleme. Ökonomische Probleme wirken sich oft schichtspezifisch aus,<br />

wer<strong>de</strong>n aber als Generationskonflikt wahrgenommen.<br />

2. Die Jugendlichen erlangen über die Subkultur eine neue I<strong>de</strong>ntität, da die klassischen<br />

Orientierungspunkte wie Schule, Beruf und Familie nicht mehr genügend Sinn<br />

stiften. Die Jugendlichen können sich eher mit <strong>de</strong>n Symbolen, I<strong>de</strong>ologien und Lebensstilen<br />

<strong>de</strong>r <strong>Subkulturen</strong> i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

3. In <strong>Subkulturen</strong> wer<strong>de</strong>n alternative Lebensweisen, <strong>im</strong> Vergleich zur sonstigen sozialen<br />

Wirklichkeit, gelebt. Die Kultur kann sowohl vom sozialen Umfeld best<strong>im</strong>mt<br />

wer<strong>de</strong>n, als auch von <strong>de</strong>n Massenmedien.<br />

4. Der subkulturelle Lebensstil wird als sinnvoll empfun<strong>de</strong>n und bietet einen Kontrast<br />

zur stumpfen, monotonen Arbeitswelt.<br />

5. <strong>Subkulturen</strong> be<strong>de</strong>uten beson<strong>de</strong>rs für männliche Jugendliche einen individuellen<br />

Ausweg aus schwerwiegen<strong>de</strong>n Problemen. Gera<strong>de</strong> junge Männer aus <strong>de</strong>r Arbeiterklasse<br />

fin<strong>de</strong>n über <strong>Subkulturen</strong> zu einer neuen I<strong>de</strong>ntität.<br />

Das frühe Erwachsenenalter und in <strong>de</strong>r Adoleszenz können als sekundäre Sozialisationsphase<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n, da junge Menschen ihre Umwelt erkun<strong>de</strong>n, neue I<strong>de</strong>en<br />

entwickeln und neue Werte bil<strong>de</strong>n. (Vgl. Brake 1981: 32-33) Gesellschaftskritik von<br />

Heranwachsen<strong>de</strong>n wird meist nicht ernst genommen und so schreibt Berger (1963)<br />

dazu:<br />

„Durch die Annahme einer „Übergangsphase bei Heranwachsen<strong>de</strong>n“ beschönigt man<br />

funktionale Probleme einer Gesellschaft, <strong>de</strong>ren Integrationsfähigkeit vielmehr einer<br />

Kritik unterzogen wer<strong>de</strong>n sollte. Befin<strong>de</strong>n sich die Jugendlichen lediglich in einem<br />

„Durchgangsstadium“, dann müssen Erwachsene ihr Verhalten ihnen gegenüber<br />

20


nicht selbstkritisch reflektieren, <strong>de</strong>nn früher o<strong>de</strong>r später wer<strong>de</strong>n „die ja schon vernünftig<br />

wer<strong>de</strong>n.““ (Brake 1981: 35, zit. nach Berger 1963a: 407)<br />

Wenn die mittlerweile erwachsen gewor<strong>de</strong>nen Heranwachsen<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer noch nicht<br />

„vernünftig“ sind und mit Selbstvertrauen die gesellschaftlichen Normen missachten,<br />

dann kann für die Gesellschaft ein ernstes Problem entstehen. <strong>Subkulturen</strong> be<strong>de</strong>uten<br />

für Jugendliche aus <strong>de</strong>n unteren Schichten, dass sie sich einen Freiraum erschaffen<br />

haben, <strong>de</strong>n Jugendliche aus <strong>de</strong>r Mittelschicht, in <strong>de</strong>r Universität fin<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong><br />

wird <strong>de</strong>r erkämpfte Freiraum genossen und man ist offen für neue I<strong>de</strong>en.<br />

Der Kampf für gesellschaftliche Verän<strong>de</strong>rungen wird als sinnvoll erachtet, <strong>de</strong>nn<br />

<strong>Subkulturen</strong> haben einen rebellischen Charakter. Meistens bleibt es bei <strong>de</strong>r rebellischen<br />

Haltung und es folgen dar<strong>auf</strong> keine entsprechen<strong>de</strong>n Taten. (Vgl. Brake 1981:<br />

35-36)<br />

„Dennoch enthalten sie <strong>de</strong>n Ke<strong>im</strong> eines radikalen Dissenz mit <strong>de</strong>r Gesellschaft.“<br />

(Brake 1981: 36)<br />

Die Ordnungshüter sind sich <strong>de</strong>ssen durchaus bewusst und empfin<strong>de</strong>n gewisse Handlungsweisen<br />

von <strong>Subkulturen</strong> als bedrohlich, was auch nicht unbegrün<strong>de</strong>t ist, da diese<br />

Gruppen politisch extrem nach links o<strong>de</strong>r rechts tendieren können. Solange rebellisches<br />

Verhalten von Jugendlichen <strong>de</strong>n Stempel „Übergangsphase“ <strong>auf</strong>gedrückt bekommt,<br />

kann man die wahren Ursachen weiterhin bequem ignorieren. (Vgl. Brake<br />

1981: e.b.d.)<br />

Zwischenresümee<br />

Brake sagt, dass je<strong>de</strong> komplexe Gesellschaft aus diversen Kulturen besteht und es<br />

<strong>im</strong>mer <strong>Subkulturen</strong> bzw. Untergruppen gibt. Diese müssen gegen die dominante Kultur<br />

bestehen und sich und ihren Lebensstil behaupten. Kein Individuum kann ohne<br />

an<strong>de</strong>re soziale Kontakte überleben, da sich durch die wechselseitige Beziehung zu<br />

an<strong>de</strong>ren Menschen die eigene I<strong>de</strong>ntität herausbil<strong>de</strong>t. Die Werte <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n<br />

Kultur dienen als Leitfa<strong>de</strong>n. Die sozialen Rahmenbedingungen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r wirtschaftlichen<br />

Lage best<strong>im</strong>mt. Laut Brake hängen <strong>Subkulturen</strong> <strong>im</strong>mer an Klassenkulturen.<br />

Dabei kann die Subkultur sich an <strong>de</strong>r Klassenkultur orientieren, von dieser abweichen,<br />

o<strong>de</strong>r eine Opposition zu dieser darstellen. Jugendliche wachsen unter <strong>de</strong>n<br />

heterogensten Lebensumstän<strong>de</strong>n <strong>auf</strong> und so können sich die differenzierten Lebensstile<br />

mit ihren Werten und Normen eklatant voneinan<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>n. Es gibt keine<br />

einheitliche Jugendkultur. Brake schreibt, dass die strukturellen Bedingungen einer<br />

21


Gesellschaft verantwortlich sind für die Bildung von <strong>Subkulturen</strong>. Jugendliche erleben<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche und Ungerechtigkeiten, für die es keine Lösung gibt. Durch einen<br />

best<strong>im</strong>mten Stil drücken die Jugendlichen die Zugehörigkeit zu einer Subkultur aus<br />

und allein schon das Aussehen, kann als Ablehnung <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Kultur angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Brake nennt drei Bestandteile <strong>de</strong>s Stils: Das Image, die Haltung und <strong>de</strong>n Jargon.<br />

Be<strong>im</strong> Image han<strong>de</strong>lt es sich um die Frisur, die Kleidung und allgemein das Äußere.<br />

Zu <strong>de</strong>r Haltung zählt Brake die Körpersprache, die Art <strong>de</strong>r Bewegungen und <strong>de</strong>n<br />

körperlichen Ausdruck <strong>im</strong> Allgemeinen. Das lässt durchaus Raum für Kritik, da Brake<br />

bei <strong>de</strong>r Haltung überhaupt nicht <strong>auf</strong> die Weltanschauung eingeht. Mit <strong>de</strong>m Jargon<br />

sind spezielle Wörter, Slangs und <strong>de</strong>ren Geschichte gemeint. Die Ausdrucksmittel<br />

verkörpern einen best<strong>im</strong>mten Lebensstil. An <strong>de</strong>n modischen Attributen erkennen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r einer Subkultur Gleichgesinnte. Wie intensiv die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Lebensstil<br />

<strong>de</strong>r Sukultur ausleben, ist höchst individuell. Meist treten junge Leute einer Subkultur<br />

bei, die sich in einer Entwicklungsphase befin<strong>de</strong>n, wie z.B. vor <strong>de</strong>r Beendigung<br />

<strong>de</strong>r Schule, <strong>de</strong>m Beginn einer Ausbildung o<strong>de</strong>r kurz vor <strong>de</strong>m Eintritt in das<br />

Berufsleben. In <strong>de</strong>r Subkultur fin<strong>de</strong>t eine Nachsozialisaton statt. <strong>Subkulturen</strong> bieten<br />

eine I<strong>de</strong>ologie, eine Begründung und eine Struktur zur Abweichung von <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n<br />

Kultur. Das macht <strong>de</strong>n Reiz für potentielle Mitglie<strong>de</strong>r aus. Durch <strong>de</strong>n Eintritt<br />

in eine Subkultur versucht das Indidviduum, eine neue I<strong>de</strong>ntität <strong>auf</strong>zubauen, und<br />

die stukturellen Probleme seiner Schicht hinter sich zu lassen. So sind <strong>Subkulturen</strong><br />

wichtige Sozialisationsinstanzen, da hier Werte und Normen jenseits von Schule und<br />

Beruf <strong>auf</strong>gebaut wer<strong>de</strong>n. Die Subkultur stellt eine Scheinlösung dar für die realen,<br />

strukturellen Probleme <strong>de</strong>s Individuums. <strong>Subkulturen</strong> sind beson<strong>de</strong>rs interessant für<br />

Jungendliche, die aus Familie, Beruf und Schule keinen Sinn für sich ziehen können.<br />

<strong>Subkulturen</strong> sind interessant für Jugendliche, die <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Suche nach alternativen<br />

Lebensweisen sind. <strong>Subkulturen</strong> ziehen auch Jugendliche an, die einen starken Kontrast<br />

zum monotonen, langweiligen Arbeitsalltag suchen. Zu<strong>de</strong>m be<strong>de</strong>uten <strong>Subkulturen</strong><br />

Freiheit für Jugendliche aus <strong>de</strong>n unteren Schichten, die Jugendliche <strong>de</strong>r oberen<br />

Schichten <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Universität fin<strong>de</strong>n.<br />

22


Zum Begriff Szene<br />

„Szenen, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Basis jugendlichen Sprachgebrauchs und unter Berücksichtigung<br />

einschlägiger theoretischer Literatur (v.a. Irwin 1977 und Schulze 1992) – vorläufig<br />

– i<strong>de</strong>altypisierend <strong>de</strong>finiert, sollen heißen: Thematisch fokussierte kulturelle Netzwerke<br />

von Personen, die best<strong>im</strong>mte materiale und/o<strong>de</strong>r mentale Formen <strong>de</strong>r kollektiven<br />

Selbststilisierung teilen und Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen<br />

Zeiten interaktiv stabilisieren und weiterentwickeln.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher<br />

2001: 20)<br />

Szenen sind Gesinnungsgemeinschaften, thematisch fokussierte Netzwerke, sowie<br />

kommunikative und interaktive Teilzeit-Gestaltungsformen<br />

Jugendliche suchen an<strong>de</strong>re Jugendliche, die ihre Gesinnungen, Lei<strong>de</strong>nschaften und<br />

Interessen teilen. Solche Gesinnungsfreun<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer öfter in Szenen (z.B. die<br />

Gothic Szene, die Skater Szene etc.) gefun<strong>de</strong>n, und nicht mehr in <strong>de</strong>r Schulklasse,<br />

<strong>de</strong>m Sportverein o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Nachbarschaft. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001:<br />

e.b.d.)<br />

Szenen haben <strong>im</strong>mer ein zentrales Thema. Dabei können sich die Themen über Musik,<br />

politischen Einstellungen, Konsumartikel, Sport bis zu best<strong>im</strong>mten Weltanschauungen<br />

drehen. Die Szenegänger verbin<strong>de</strong>t das gemeinsame Interesse am Szenethema<br />

und sie sind vertraut mit <strong>de</strong>n typischen Einstellungen und Handlungsweisen<br />

<strong>de</strong>r Szene. Das Szenethema bil<strong>de</strong>t einen Rahmen für Gemeinsamkeiten, Einstellungen<br />

und Handlungsweisen, dominiert allerdings nicht zwangsläufig <strong>de</strong>n Alltag einer<br />

Szene. Um diesen Rahmen (z.B. die Politik in <strong>de</strong>r Antifaszene) fin<strong>de</strong>n diverse Interaktionen<br />

und Kommunikation statt. In <strong>de</strong>r Szene, um die Szene herum und darüber<br />

hinaus. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 20-21)<br />

Kommunikation und Interaktion prägen durch ihre zentrale Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>n Begriff<br />

<strong>de</strong>r Szene. Die Lebensumstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Szenemitglie<strong>de</strong>r sind oft heterogen und keineswegs<br />

kollektiv. Daher ist die Existenz <strong>de</strong>r Szene gebun<strong>de</strong>n an die ständige Kommunikation<br />

und die Erzeugung gemeinsamer Interessen. Die Zugehörigkeit zur Szene<br />

wird dabei durch best<strong>im</strong>mte Rituale, Zeichen und Symbole inszeniert. (Vgl. Hitzler,<br />

Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 21)<br />

„Vor allem in diesem Sinne läßt sich eine Szene mithin als Netzwerk von Personen<br />

verstehen, die best<strong>im</strong>mte materiale und/o<strong>de</strong>r mentale Formen <strong>de</strong>r kollektiven (Selbst)<br />

23


Stilisierung teilen und diese Gemeinsamkeiten kommunikativ stabilisieren, modifizieren<br />

o<strong>de</strong>r transformieren.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: e.b.d.)<br />

In <strong>de</strong>n diversen Szenen gibt es allerdings <strong>de</strong>utliche Unterschie<strong>de</strong> zur Reichweite <strong>de</strong>r<br />

Szenenzugehörigkeit. Während Punks sich meistens in sehr vielen Lebensbereichen<br />

wie Punks benehmen, gibt die Technoszene zum Vergleich keine Verhaltensmuster<br />

außerhalb <strong>de</strong>r Szene vor. Die Gemeinsamkeit aller Szenen beruht <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

religiösen Gemeinschaften dar<strong>auf</strong>, dass sie nie in allen Lebensbereichen Normen<br />

o<strong>de</strong>r Werte vorgeben. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: e.b.d.)<br />

Szenen dienen <strong>de</strong>r sozialen Verortung, haben ihre eigene Kultur und sind labile<br />

Gebil<strong>de</strong><br />

„Szenen sind <strong>im</strong> schlichten Wortsinn ‚Inszenierungsphänomene’, <strong>de</strong>nn sie manifestieren<br />

sich für ‚Mitglie<strong>de</strong>r’ und für Außenstehen<strong>de</strong> nur insofern, als sie ‚sichtbar’<br />

sind, d.h. an Orten, an <strong>de</strong>nen Kommunikation und Interaktion stattfin<strong>de</strong>n.“ (Hitzler,<br />

Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 22)<br />

Die Beteiligung an einer Szene erfor<strong>de</strong>rt die Präsenz <strong>de</strong>r Akteure, die kommunikativ<br />

o<strong>de</strong>r auch interaktiv sein kann. So wird die Abgrenzung zu einem Publikum erreicht,<br />

welches lediglich ein best<strong>im</strong>mtes Erlebnisangebot konsumiert. Für eine Szene ist ein<br />

Publikum <strong>im</strong>mer sehr wichtig, da die Szenegänger sich vor <strong>de</strong>r Allgemeinheit <strong>im</strong>mer<br />

wie<strong>de</strong>r neu inszenieren und „<strong>auf</strong>treten“ können. Szenen leben von <strong>de</strong>r Wahrnehmung<br />

<strong>de</strong>r Außenstehen<strong>de</strong>n, die die Szenegänger <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>r von ihnen erwählten Symbole,<br />

Rituale und Verhaltensweisen erkennen können. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher<br />

2001: e.b.d.)<br />

Um Zugang zu best<strong>im</strong>mten Szenen zu erlangen, reicht meistens Interesse an <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Thematik aus. Um als vollwertiges Mitglied einer Szene akzeptiert zu<br />

wer<strong>de</strong>n, muss sich ein Individuum das szenetypischen Know How aneignen. Das<br />

Aneignen von Kompetenzen, die für die jeweilige Szene von Be<strong>de</strong>utung sind, wird<br />

durchaus alleine erworben. So klettern Sportkletterer auch alleine o<strong>de</strong>r Anhänger <strong>de</strong>r<br />

Hardcoreszene hören sich alleine Hardcoremusik an und erlangen so Wissen bzw.<br />

die Fertigkeiten, die von an<strong>de</strong>ren Szenemitglie<strong>de</strong>rn geschätzt wer<strong>de</strong>n. (Vgl. Hitzler,<br />

Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 22-23)<br />

Szenen haben kaum Sanktionsinstanzen, die Ein- und Austritte verhin<strong>de</strong>rn. Die Verbun<strong>de</strong>nheit<br />

zu einer Szene ist normalerweise freiwillig und es bestehen höchstens<br />

24


teilzeitliche und themenspezifische Normierungsmöglichkeiten. Dies führt zu einem<br />

labilen Wir-Bewußtsein aus zwei Grün<strong>de</strong>n:<br />

1. Wir-Gefühle entstehen durch die wechselseitige, freiwillige Inszenierung <strong>de</strong>r Szenemitglie<strong>de</strong>r<br />

(durch Verwendung von Zeichen, Ritualen, Verhaltensweisen etc.) und<br />

nicht durch Gemeinsamkeiten bei <strong>de</strong>r Bildung, <strong>de</strong>r Berufe und <strong>de</strong>r Herkunft. (Vgl.<br />

Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 23).<br />

„Das heißt, das ‚Wir’ (-Bewußtsein) konstituiert sich eben nicht <strong>auf</strong>grund vorgängiger<br />

gemeinsamer Stan<strong>de</strong>s- und Lebenslagen-Interessen, son<strong>de</strong>rn <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>s Glaubens<br />

an eine gemeinsame I<strong>de</strong>e(…).“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 23)<br />

2. Das Wir-Gefühl wird nur <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Szene produziert und Aktivitäten in <strong>de</strong>r<br />

selbigen sind nur ein Teilzeitengagement. Das Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu<br />

einer Szene ist zwar latent vorhan<strong>de</strong>n, doch best<strong>im</strong>men Beruf, Ausbildung und Familie<br />

<strong>de</strong>n Alltag. Das Szenebewusstsein bekommt also nur in Sequenzen Priorität. (Vgl.<br />

Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 24)<br />

Szenen haben typische Treffpunkte, sind Netzwerke von Gruppen, sowie vororganisierte<br />

Erfahrungsräume<br />

Szenetreffpunkte sind von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung, da sich hier die Szene offenbart<br />

und nachbil<strong>de</strong>t. Die Orte, an <strong>de</strong>nen man an<strong>de</strong>ren Szenemitglie<strong>de</strong>rn begegnen kann,<br />

sind bekannt. Die örtlichen Szenetreffpunkte sind <strong>de</strong>m Szenegänger sehr vertraut und<br />

er weiß auch, welche Personen er dort höchstwahrscheinlich antreffen wird. Die Szenetreffpunkte<br />

(z.B. Kulturzentren) in an<strong>de</strong>ren Städten hingegen sind <strong>de</strong>m Szenegänger<br />

nicht so vertraut, und er kennt nur typisches, weil er dort zu Besuch war o<strong>de</strong>r<br />

über an<strong>de</strong>re Szenekontakte über <strong>de</strong>n Treffpunkt gesprochen hat. Von wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>ren<br />

Städten weiß er nur, dass es dort auch szenetypische Treffpunkte gibt und an<br />

welchen Stellen er sich über die Lokalität informieren könnte. (Vgl. Hitzler, Bucher,<br />

Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 24)<br />

„Gruppierungen wer<strong>de</strong>n offensichtlich vor allem dadurch zu einem Teil von Szenen,<br />

dass sie sich <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Basis gemeinsamer Interessenlagen zu an<strong>de</strong>ren Gruppierungen<br />

hin öffnen und sich selber eben nicht nur als Gruppe, son<strong>de</strong>rn (auch) als Teil einer<br />

Szene begreifen.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 25)<br />

Szenen erscheinen <strong>im</strong> Gegensatz zu Institutionen und Organisationen unstrukturiert.<br />

Szenemitglie<strong>de</strong>r sind Mitglie<strong>de</strong>r einer o<strong>de</strong>r mehrer Gruppen, die alle ein Teil <strong>de</strong>r<br />

Szene sind. Die Kommunikation ist in <strong>de</strong>r Gruppe sehr dicht und unter <strong>de</strong>n Gruppen<br />

25


selber eher spärlich. Doch die Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n Gruppen macht die<br />

Szene aus, da sich die Szenemitglie<strong>de</strong>r nicht mehr persönlich kennen, son<strong>de</strong>rn sich<br />

an Äußerlichkeiten, Symbolen, Ritualen und an an<strong>de</strong>ren szenespezifischen Merkmalen<br />

erkennen. Die Szene besteht <strong>im</strong> Gegensatz zu Peer-Groups nicht aus altershomogenen<br />

Gruppen, son<strong>de</strong>rn auch aus älteren Leuten, die ein jugendliches Selbstverständnis<br />

haben. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 25-26)<br />

Ein unverzichtbares wichtiges Element <strong>de</strong>r Szene besteht aus einem Event, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Szenemitglie<strong>de</strong>rn ein Erlebnis bieten soll, welches alle szenetypischen Bedürfnisse<br />

befriedigt. Bei <strong>de</strong>m Event han<strong>de</strong>lt es sich um eine vororganisierte Veranstaltung, die<br />

das Wir-Gefühl <strong>de</strong>r Szene intensivieren soll. So ein Event erfor<strong>de</strong>rt Organisation und<br />

Leistung, und in <strong>de</strong>n meisten Szenen wird so eine Veranstaltung kommerzialisiert.<br />

Ein positiver Effekt besteht darin, dass Szenemitglie<strong>de</strong>r, die einen Event organisieren,<br />

davon leben können, bzw. sogar Arbeitsplätze schaffen können. (Vgl. Hitzler,<br />

Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 26)<br />

Szenen strukturieren sich um Organisationseliten, sind dynamisch und liegen<br />

quer zu bisherigen Gesellungsformen und großen gesellschaftlichen Institutionen<br />

In Szenen entstehen Organisationseliten, die meist aus langjährigen Szenemitglie<strong>de</strong>rn<br />

bestehen, die die Stärken einer Szene erkennen und diese kommerziell nutzen. Sie<br />

organisieren Szeneevents, strukturieren Szenetreffpunkte und produzieren Veranstaltungen.<br />

Während dieser Organisationsarbeit ergeben sich Kontakte zu an<strong>de</strong>ren Organisationseliten<br />

und es entsteht ein Netz aus überregionalen Kontakten. Mitglie<strong>de</strong>r<br />

dieses Szenenetzwerkes sind <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n normalen Szenegängern privilegiert<br />

und nutzen diese Vorteile gezielt aus, so gibt es z.B. kaum eine Technoparty<br />

ohne V.I.P. Bereich. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 27)<br />

„Organisationseliten bil<strong>de</strong>n eine Art ‚Szenemotor` insofern, als die Rahmenbedingungen<br />

szenetypischer Erlebnisangebote in erster Linie dort produziert wer<strong>de</strong>n und<br />

auch Innovationen sehr oft ihren Ursprung dort haben.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher<br />

2001: e.b.d.)<br />

Die Eliten nehmen eine zentrale Stellung in <strong>de</strong>r Szene ein, um die sich die Freun<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Elite bzw. sehr präsente Szenegänger formieren und um diese bei<strong>de</strong>n Gruppen<br />

bewegen sich die normalen Szenemitglie<strong>de</strong>r. Allerdings besteht eine Szene nicht nur<br />

aus einem Netzwerk <strong>de</strong>r Elite, son<strong>de</strong>rn sie setzt sich aus mehreren Netzwerken (die<br />

26


ebenfalls Kontakt miteinan<strong>de</strong>r haben) zusammen. Dabei gibt es zentrale Figuren,<br />

Leute, die eher am Ran<strong>de</strong> stehen und Menschen, die kaum noch organisatorisch tätig<br />

sind, allerdings durch ihre Freundschaft zur Elite Privilegien genießen. Manche Leute<br />

nehmen auch kaum noch an Szeneevents teil und sind kaum noch zu unterschei<strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>n normalen Szenegängern. Wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re Leute kennen die Elite, verbringen<br />

ihre Zeit aber eher mit normalen Szenegängern. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher<br />

2001: 28)<br />

„Gera<strong>de</strong> eine solche Unschärfe bzw. eine solche Offenheit und Durchlässigkeit<br />

macht Szenen aus.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: e.b.d.)<br />

Es herrscht grundsätzlich viel Bewegung in Szenen. In <strong>de</strong>r Erlebnisgesellschaft muss<br />

sich eine Szene <strong>auf</strong> einem Markt voller Angebote und Optionen <strong>im</strong> freizeitkulturellen<br />

Bereich beweisen, in<strong>de</strong>m sie erlebniswerte Ereignisse bieten kann. Wenn ein beson<strong>de</strong>rs<br />

erlebniswertes Ereignis angeboten wird, dann wird <strong>de</strong>r Besucher eine starke<br />

Bindung mit <strong>de</strong>m Event eingehen, was zur Folge hat, dass <strong>de</strong>r quantitative Zugang<br />

begrenzt wer<strong>de</strong>n muss, da sonst je<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Szene ist. Wenn ein eher extensiviertes<br />

Ereignis am Wochenen<strong>de</strong> stattfin<strong>de</strong>t, dann wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich weniger Leute kommen<br />

und <strong>de</strong>m Event wird weniger Aufmerksamkeit entgegengebracht, was <strong>de</strong>n Event natürlich<br />

weniger attraktiv macht. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 29)<br />

„In diesem Zusammenhang erweist sich je<strong>de</strong>s Szenegeschehen als ausgesprochen<br />

dynamisch, weil es <strong>de</strong>r Organisationselite gelingen muß, solche erlebniswerten Ereignisse<br />

anzubieten, welche sowohl die Außeralltäglichkeit <strong>de</strong>r Teilnahme – und<br />

damit die relevante Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s Teilnehmers – als auch die mentale und emotionale<br />

Zugänglichkeit <strong>de</strong>s jeweiligen Events auch für Gelegenheits-Szenegänger hinlänglich<br />

zu gewährleisten.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: e.b.d.)<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich allerdings um eine äußerst schwierige Aufgabe, die kaum<br />

einem Organisator <strong>auf</strong> Dauer gelingen kann. Wenn es aber kein Organisator schafft,<br />

Leute dauerhaft und massenhaft an seine Events zu bin<strong>de</strong>n, dann wird die Szene<br />

nicht dauerhaft bestehen und abgelöst wer<strong>de</strong>n durch instabilen Trends und Mo<strong>de</strong>n.<br />

(Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: e.b.d.)<br />

Szenen könnten <strong>de</strong>n Umbruch in eine ‚an<strong>de</strong>re’ Mo<strong>de</strong>rne be<strong>de</strong>uten. Szenen liegen<br />

quer zu institutionell gestützten Gesellschaftsbereichen wie Recht, Wirtschaft und<br />

Politik. Die Mitglie<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>t die Faszination an einem Thema und die dar<strong>auf</strong><br />

<strong>auf</strong>bauen<strong>de</strong>n Einstellungen, Ausdrucksmittel und Motive. In einer pluralisierten,<br />

ausdifferenzierten Gesellschaft beruht die Gemeinsamkeit <strong>de</strong>r Szenegänger nicht <strong>auf</strong><br />

27


<strong>de</strong>n gleichen Lebenslagen. Die unterschiedlichsten Organisationsfigurationen und<br />

Regelungen <strong>de</strong>r Gesellschaft be<strong>de</strong>uten für das Individuum, die differenziertesten<br />

Kombinationen von Verpflichtungen, Notwendigkeiten und Neigungen. So können<br />

sich kaum noch gemeinsame Interessen entwickeln. Die Mitglie<strong>de</strong>r einer Szene haben<br />

äußerst heterogene Lebenslagen und das macht die Attraktivität für Szenegänger<br />

aus und das nicht nur für Jugendliche. (Vgl. Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 30)<br />

„Sinnschemata, Orientierungsmuster und Wertekataloge, <strong>auf</strong> die die Individuen dann<br />

wie<strong>de</strong>rum innerhalb organisierter Netzwerke – etwa <strong>im</strong> Arbeitsmarkt – rekurrieren<br />

können, müssen sich mithin zwangsläufig zunehmend unabhängig von Lebenslagen<br />

ausbil<strong>de</strong>n. Dementsprechend zeichnen sich Szenen mehr und mehr als jene „Orte“ <strong>im</strong><br />

sozialen Raum ab, an <strong>de</strong>nen I<strong>de</strong>ntitäten, Kompetenzen und Relevanzhierarchien <strong>auf</strong>gebaut<br />

und interaktiv stabilisiert wer<strong>de</strong>n, welche die Chancen zur zu gelingen<strong>de</strong>n<br />

Bewältigung <strong>de</strong>s je eigenen Lebens über die Dauer <strong>de</strong>r Szene-Vergemeinschaftung<br />

hinaus (also relativ dauerhaft) erhöhen können“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001:<br />

30).<br />

Zwischenresümee:<br />

Jugendliche fin<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer seltener Gleichgesinnte, die ihre Hobbys und Interessen<br />

teilen, in <strong>de</strong>r Schule, <strong>de</strong>r Nachbarschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Sportverein. Statt<strong>de</strong>ssen wer<strong>de</strong>n<br />

die Jugendlichen in Szenen fündig. Eine Szene hat <strong>im</strong>mer ein zentrales Thema, wie<br />

z.B. das Skaten. Durch das Szenethema ergeben sich Gemeinsamkeiten, Einstellungen<br />

und Handlungsweisen, allerdings muss die Szene nicht zwangsläufig ein Thema<br />

<strong>im</strong> Alltag sein. Die Mitglie<strong>de</strong>r einer Szene haben einen äußerst heterogenen sozialen<br />

Hintergrund. Oft haben Szenen gemeinsame Symbole und Rituale. Eine Szene entwickelt<br />

keine Handlungsnormen für alle Bereiche <strong>de</strong>s Lebens, ganz <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

religiösen Gemeinschaften. Um zu einer Szene dazuzugehören, reicht meistens Interesse<br />

an <strong>de</strong>r Thematik aus und es muss ein best<strong>im</strong>mtes Know How erworben wer<strong>de</strong>n,<br />

um von an<strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>rn anerkannt zu wer<strong>de</strong>n. In Szenen kann man je<strong>de</strong>rzeit einund<br />

austreten, da es sich um labile Gebil<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lt. Das Wir-Gefühl einer Szene beruht<br />

nicht <strong>auf</strong> <strong>de</strong>nselben Lebenslagen, son<strong>de</strong>rn am gemeinsamen Interesse an einem<br />

Thema o<strong>de</strong>r einer I<strong>de</strong>e. Familie und Beruf best<strong>im</strong>men <strong>de</strong>n Alltag. Das Engagement<br />

in einer Szene erfolgt meistens in Teilzeit. Szenen bestehen aus mehreren Gruppen<br />

und sind <strong>im</strong> Vergleich zu Institutionen und Organisationen unstrukturiert. Die Altersstruktur<br />

<strong>de</strong>r Szenemitlie<strong>de</strong>r ist nicht homogen. Szenen bauen sich um Organisations-<br />

28


eliten aus, die die Stärken <strong>de</strong>r Szene kommerziell nutzen und auch überregionale<br />

Kontakte knüpfen. Sie organisieren auch Szeneevents, die versuchen, alle Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>r Szene zu befriedigen (z.B. große Musikfestivals o<strong>de</strong>r Riesen Netzwerkpartys).<br />

Durch die Organisation von solchen Szeneevents können manche Organisatoren von<br />

ihrer Arbeit für die Szene leben. Szenen verbin<strong>de</strong>n Menschen mit <strong>de</strong>nselben Interessen,<br />

die allerdings völlig heterogene Lebenslagen haben. Das macht für Viele <strong>de</strong>n<br />

Reiz einer Szene aus. Szenen haben mit institutionell gestützten Gesellschaftsbereichen<br />

wie Wirtschaft, Recht und Politik, nichts zu tun. Hitzler, Bucher und Nie<strong>de</strong>rbacher<br />

vertreten die Meinung, dass es in unserer mo<strong>de</strong>rnen, ausdifferenzierten und individualisierten<br />

Gesellschaft <strong>im</strong>mer schwieriger wird, Menschen mit <strong>de</strong>nselben Interessen<br />

in <strong>de</strong>r Nachbarschaft o<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Beruf zu fin<strong>de</strong>n. Sie glauben, dass Szenen in <strong>de</strong>r<br />

heutigen Gesellschaft die „Orte“ sind, wo die eigene I<strong>de</strong>ntität <strong>auf</strong>gebaut wird, neue<br />

Kompetenzen erworben wer<strong>de</strong>n und wo völlig neue Relevanzhierarchien entstehen.<br />

Sie vertreten auch die Meinung, dass man als Mitglied einer Szene die Chancen erhöht,<br />

das eigene Leben zu bewältigen.<br />

Begründung für die Auswahl <strong>de</strong>s Begriffes Subkultur<br />

In <strong>de</strong>r Jugendforschung gibt es Befürworter und Gegner <strong>de</strong>s Subkulturbegriffes.<br />

Während Brake (1981) und Farin (1995) weiterhin diesen Begriff verwen<strong>de</strong>n, ist<br />

Baacke <strong>de</strong>r Meinung, dass dieser Begriff nicht mehr aktuell ist und dazu negativ besetzt.<br />

(Vgl. El-Nawab 2007: 19)<br />

„Während Baacke 1972 noch von <strong>Subkulturen</strong> sprach, wen<strong>de</strong>t er sich 1987 vom<br />

Subkulturbegriff ab, weil „<strong>Subkulturen</strong> keine Sub-Aggregate einzelner Gesellschaften<br />

sind“, son<strong>de</strong>rn „kulturelle Gruppierungen, die sich international ausbreiten und<br />

unter <strong>de</strong>m gleichen Erscheinungsbild ganz unterschiedliche Formen von Selbstständigkeit<br />

und Abhängigkeit ausagieren.““ (El-Nawab 2007: 19, zit. nach Baacke 1987:<br />

95)<br />

Auch Christian Menhorn (2001) benutzt <strong>de</strong>n Begriff Subkultur in seinem Buch über<br />

Skinheads.<br />

Hitzler, Bucher und Nie<strong>de</strong>rbacher (2001) bevorzugen, wie bereits dargelegt, <strong>de</strong>n Begriff<br />

„Szene“.<br />

Jugendliche, die subkulturellen Szenen angehören, bevorzugen <strong>de</strong>n Begriff „Subkultur“.<br />

Sie grenzen sich bewusst von <strong>de</strong>r Gesellschaft ab und genießen die negative<br />

Konnotation dieses Begriffes. El-Nawab (2007) verwen<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Begriff „jugendliche<br />

29


Subkultur“ als Gegensatz zur „Jugendkultur“, da bei letzterem Begriff nur ausgesagt<br />

wird, dass es sich um eine jugendliche Kultur han<strong>de</strong>lt. (Vgl. El-Nawab 2007: 20)<br />

„Dabei wird jedoch das subversive, kritische, rebellische (und manchmal eben auch<br />

bedrohliche) Element von Gegenwelten bzw. Gegenkulturen verwischt, die man in<br />

<strong>de</strong>r Tradition von Clarke u.a. (1979a) als symbolische Wi<strong>de</strong>rstandsformen interpretieren<br />

und <strong>de</strong>ren Stil als verschlüsselte Antwort <strong>auf</strong> gesamtgesellschaftliche Entwicklungen<br />

sehen kann.“ (El-Nawab 2007: e.b.d.)<br />

El-Nawab benutzt <strong>de</strong>n Begriff „jugendliche Subkultur“, da sie <strong>de</strong>r Auffassung ist,<br />

dass dieser am besten die Abweichung <strong>de</strong>r Protagonisten aus <strong>de</strong>r Skinhead-, Gothicund<br />

Rockabillieszene beschreibt. Sie verwen<strong>de</strong>t zwar auch <strong>de</strong>n Begriff „Szene“,<br />

doch liegt <strong>de</strong>r Hauptgrund in <strong>de</strong>r besseren Lesbarkeit. (Vgl. El-Nawab 2007: e.b.d.)<br />

Ansonsten äußert sie sich zu <strong>de</strong>m Begriff „Szene“ wie folgt: „Szene“ ist ähnlich allgemein<br />

gehalten wie Jugendkultur und <strong>auf</strong> verschie<strong>de</strong>nste „normale“ modische<br />

Gruppierungen anwendbar, d.h. z.B. auch <strong>auf</strong> die Schick<strong>im</strong>icki-Szene, viele Trendsportarten<br />

etc., also <strong>auf</strong> Bereiche, <strong>de</strong>nen zumeist je<strong>de</strong>r gesellschaftskritische Moment<br />

fehlt und die sich von ihrem Selbstverständnis auch gar nicht als Gegenwelten o<strong>de</strong>r<br />

alternative Lebensformen begreifen.“ (El-Nawab 2007: e.b.d.)<br />

Hitzler/Bucher/Nie<strong>de</strong>rbacher (2001) erkennen keine Protesthaltung in Szenen, son<strong>de</strong>rn<br />

eine: „Entpflichtung gegenüber zivilisatorischen Wichtigkeiten und<br />

Richtigkeiten.“ (Hitzler, Bucher, Nie<strong>de</strong>rbacher 2001: 234)<br />

El-Nawab hingegen erkennt, dass <strong>Subkulturen</strong> die Trends und die Angepasstheit <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft ablehnen. Zu<strong>de</strong>m entwickeln <strong>Subkulturen</strong> eigene Werte, Normen und<br />

Verhaltensmuster, die sich an <strong>de</strong>n zivilen Normen und <strong>de</strong>r zivilen Moralvorstellung<br />

orientieren, aber dabei äußerst differenzierte Eigenheiten entwickeln können. Der<br />

Protest drückt sich in erster Linie durch das Image aus, und nicht durch politische<br />

Handlungen. So wirkt diese Protesthaltung zwar eher symbolisch, doch das än<strong>de</strong>rt<br />

nichts daran, dass diese Einstellung existiert. (Vgl. El-Nawab 2007: 20)<br />

Ich persönlich schließe mich <strong>de</strong>r Meinung von Susanne El-Nawab an. Die oben <strong>auf</strong>geführten<br />

Argumente sind meiner Meinung nach absolut zutreffend. Hitzler, Bucher,<br />

und Nie<strong>de</strong>rbacher (2001) haben in ihrem Buch völlig heterogene „Szenen“ näher<br />

betrachtet. Dabei reichte die Palette von Daily Soap Guckern, über die Antifa bis hin<br />

zu Trendsportlern und sogar zu Jugendlichen in <strong>de</strong>r Deutschen Lebens-Rettungs-<br />

Gesellschaft. Wenn man Daily Soaps guckt (wie Millionen Menschen in Deutsch-<br />

30


land) rebelliert man nicht und man wird normalerweise auch nicht von seiner Umwelt<br />

als son<strong>de</strong>rbar o<strong>de</strong>r gar gefährlich eingeschätzt. Wenn auch manche Trendsportarten<br />

durchaus ungewöhnlich sind, so fühlen sich die Mitmenschen we<strong>de</strong>r provoziert<br />

durch die Sportart, noch bil<strong>de</strong>n sie vorschnell Vorurteile über die Sportler. Bei einem<br />

völlig zutätowierten Psychobilly mit grünem Flat (die Frisur <strong>de</strong>r Psychobillyszene,<br />

eine Mischung aus Tolle und Irokesenschnitt), <strong>de</strong>r vom Kleidungsstil, durchaus Parallelen<br />

zur Skinheadszene <strong>auf</strong>weist, wird dies völlig an<strong>de</strong>rs bewertet. Von <strong>de</strong>r Frisur<br />

und <strong>de</strong>m Kleidungsstil wer<strong>de</strong>n be<strong>im</strong> Normalbürger Assoziationen zu Skinheads<br />

und Punks geweckt. Und gera<strong>de</strong> Skinheads genießen in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit einen völlig<br />

fatalen Ruf, als Schläger und Neonazis. Punks hingegen gelten als arbeitsscheu<br />

und ungewaschen. Mit solchen Vorurteilen müssen Jugendliche bei <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Lebens-Rettungs-Gesellschaft eher selten rechnen. Psychobillies grenzen sich aber<br />

bewusst von <strong>de</strong>r „normalen“ Gesellschaft ab und stehen zu ihrem Lebensstil und<br />

ihrer Musik. So haben Psychobillies auch ganz eigene Verhaltensweisen. Der Tanzstil<br />

<strong>de</strong>r Psychobillies unterschei<strong>de</strong>t sich auch massiv von konventionellen, gesellschaftlichen<br />

Tänzen. Be<strong>im</strong> so genannten Wrecking (engl. für zertrümmern, vernichten,<br />

zugrun<strong>de</strong> richten) kann es schnell zu blauen Augen, Prellungen o<strong>de</strong>r Platzwun<strong>de</strong>n<br />

kommen und darüber sind sich alle Beteiligten klar und gehen <strong>de</strong>nnoch dieses<br />

Risiko ein. Bei gewissen Konzerten sollte genau überlegt wer<strong>de</strong>n, welches Bandshirt<br />

getragen wird, da es bei <strong>de</strong>r falschen Wahl durchaus zu Konflikten kommen kann.<br />

Während in <strong>de</strong>r „normalen“ Gesellschaft zum Vollrausch Anlässe wie Weihnachtsfeiern,<br />

Fasching und Fußballweltmeisterschaften gewählt wer<strong>de</strong>n, verzichten<br />

Psychobillies gänzlich <strong>auf</strong> solche Rahmenbedingungen und so wird an <strong>de</strong>n meisten<br />

Wochenen<strong>de</strong>n ein exzessiver Lebensstil gepflegt. Auch die Einstellung zur illegalen<br />

Drogen unterschei<strong>de</strong>t sich teilweise stark von <strong>de</strong>r gängigen Ablehnung. Psychobillies<br />

pflegen also einen eigenen Lebensstil, teilweise mit eigenen Werten und Normen,<br />

und grenzen sich durch Aussehen und Verhalten, absolut bewusst von <strong>de</strong>r Mehrheit<br />

ab. Daher bin ich <strong>de</strong>r Meinung, dass hier von einer Subkultur gesprechen wer<strong>de</strong>n<br />

sollte, da die Attitü<strong>de</strong> von Psychobilly durchaus rebellisch ist, auch wenn sie nicht<br />

politisch best<strong>im</strong>mt wird. Der Begriff „Szene“ wird auch oft von meinen Interviewpartnern<br />

benutzt und ich bin <strong>de</strong>r Meinung, dass er sich aus rein sprachlichen Grün<strong>de</strong>n<br />

sehr gut verwen<strong>de</strong>n lässt. Der Begriff „Subkultur“, ist aber meiner Meinung nach <strong>de</strong>r<br />

Ausdruck, <strong>de</strong>r am zutreffensten ist. Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> ich <strong>auf</strong> die <strong>Subkulturen</strong> <strong>de</strong>r<br />

Skinheads und Punks eingehen. Anschließend gehe ich noch <strong>auf</strong> die Geschichte von<br />

31


Rock’n’Roll ein. Die Skinheadsubkultur ist äußerst heterogen, kompliziert und von<br />

unglaublich vielen Vorurteilen überschattet. Daher befasse ich mich intensiver mit<br />

dieser Subkultur, da es mir wichtig ist, zu zeigen, dass Skinheads nicht nur Rassisten,<br />

Faschisten und Nazis sind. Ich wer<strong>de</strong> auch <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m Großteil <strong>de</strong>r Medien<br />

verschwiegenen, schwarzen Einfluss <strong>auf</strong> die Skinheadbewegung eingehen. Ebenso<br />

wie <strong>auf</strong> die S.H.A.R.P. (Skinheads Against Racial Prejudice) Bewegung, innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Skinszene. Punk ist um einiges bekannter und größer als die Skinheadbewegung<br />

und daher beschreibe ich nur die Anfänge <strong>de</strong>s Punk in London und New York. Bei<br />

Punk han<strong>de</strong>lt es sich auch um eine äußerst heterogene Szene, in <strong>de</strong>r die diversesten<br />

Meinungen zu Themen, wie z.B. Politik, Essen, Musik, Konsum und Lebensstilen<br />

herrschen. Auf alle Eigenheiten und Spezialisierungen <strong>de</strong>r Punkszene einzugehen,<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>finitiv über <strong>de</strong>n Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Meiner Meinung nach<br />

ist es unerlässlich, etwas über diese bei<strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong> zu schreiben, da die meisten<br />

Leute aus <strong>de</strong>r Psychobillyszene früher Punks, Skins o<strong>de</strong>r Rockabillies waren. Keiner<br />

meiner Interviewpartner war direkt in <strong>de</strong>r Psychobillyszene, son<strong>de</strong>rn alle waren vorher<br />

in einer an<strong>de</strong>ren Subkultur. Zu<strong>de</strong>m gibt es auch sonst viele Figurationen zwischen<br />

diesen unterschiedlichen <strong>Subkulturen</strong>.<br />

3. Subkulturelle Vorläufer/Verwandtschaften von<br />

Psychobilly<br />

3.1. Skinheads<br />

Seit 1969 gibt es die Skinheadsubkultur. Skinheads verstehen sich als Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

„working class“. Die meisten Skins sind sich ihrer proletarischen Wurzeln sehr bewusst<br />

und stolz dar<strong>auf</strong>. Der Skinheadkult stammt aus England und wur<strong>de</strong> maßgeblich<br />

von <strong>de</strong>n „Ru<strong>de</strong> Boys“ (Jugendliche mit jamaikanischem Migrationshintergrund)<br />

beeinflusst. Durch eine Unterwan<strong>de</strong>rung von Rechts hat sich in <strong>de</strong>n Medien und <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft das Bild verfestigt, dass alle Skinheads Nazis und Rassisten sind, was<br />

schlichtweg falsch ist. Die Skinheadsubkultur ist eine äußerst heterogene Szene.<br />

Auch in <strong>de</strong>n politischen Ansichten. Die Pschobillysubkultur wies beson<strong>de</strong>rs in ihrer<br />

Anfangszeit, in <strong>de</strong>n 80er Jahren, starke Parallen in <strong>de</strong>r Kleidung (Bomberjacken,<br />

Domestosjeans und Springerstiefel) zur Skinheadszene <strong>auf</strong>. Zu<strong>de</strong>m gab es noch einige<br />

an<strong>de</strong>re Figurationen zwischen diesen bei<strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong>, was zu Verwechslun-<br />

32


gen und Übertragungen bei <strong>de</strong>r „normalen“ Gesellschaft führte. Ich wer<strong>de</strong> <strong>im</strong> Folgen<strong>de</strong>n<br />

näher <strong>auf</strong> diese Subkultur eingehen, damit <strong>de</strong>r Leser besser verstehen kann,<br />

dass nicht alle Skinheads Nazis sind und was es be<strong>de</strong>uten kann, wenn man mit einem<br />

Skinhead verwechselt wird und welche Vorurteile über Skins herrschen.<br />

Geschichte <strong>de</strong>r Skinheads<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n beschreibe ich die Geschichte <strong>de</strong>r Skinheads. Zunächst wer<strong>de</strong> ich <strong>auf</strong><br />

die Entstehung <strong>de</strong>s Skinheadkultes eingehen. Anschließend gehe <strong>auf</strong> eins <strong>de</strong>r größten<br />

Probleme <strong>de</strong>r Skinheadsubkultur ein: Rassismus. Danach wer<strong>de</strong> ich mich mit Punkrock,<br />

2 Tone, <strong>de</strong>r National Front, Margret Thatcher und ihrer Be<strong>de</strong>utung für die<br />

Skinheadsubkultur befassen. Southall, Skinheads in Deutschland, Rechtsrock, Blood<br />

& Honour und S.H.A.R.P. (SkinHeads Against Racial Prejudice) bil<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re wichtige<br />

Säulen in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Skinheads. Daher wer<strong>de</strong> ich auch diese Thematiken<br />

näher erläutern.<br />

England erlebte in <strong>de</strong>n 50er und 60er Jahren einen wirtschaftlichen Wan<strong>de</strong>l, von <strong>de</strong>m<br />

auch die Arbeiterklasse in England profitierte. Einige schafften <strong>de</strong>n Aufstieg und die<br />

alten Arbeiterviertel wur<strong>de</strong>n saniert. Während einige Arbeiter in Neubausiedlungen<br />

umzogen, fühlten sich die verbliebenen Anwohner als Bürger zweiter Klasse. Immobilienhändler<br />

ließen Viertel, in Erwartung <strong>auf</strong> eine künftige Sanierung und <strong>de</strong>n damit<br />

verbun<strong>de</strong>nen Gewinnen, verfallen. Der Kampf um diese restlichen billigen Wohnungen<br />

wur<strong>de</strong> härter. So lebten in Städten wie Brixton, Birmingham, Bradfort und <strong>de</strong>m<br />

Londoner East End die weiße Unterschicht zusammen mit Einwan<strong>de</strong>rern aus <strong>de</strong>r<br />

Karibik, Pakistan, Indien und Westafrika. (Vgl. Farin und Sei<strong>de</strong>l 2002: 25)<br />

„Die alte (weiße) Homogenität <strong>de</strong>r Viertel löste sich <strong>auf</strong>. Die Einwan<strong>de</strong>rung und die<br />

tägliche Konfrontation mit <strong>de</strong>n Aufsteigern hinterließ bei <strong>de</strong>n eingesessenen Familien,<br />

<strong>de</strong>m Kern <strong>de</strong>r traditionellen britischen Arbeiterklasse, das Gefühl, fremd <strong>im</strong><br />

eigenen Land zu sein, zu einem aussterben<strong>de</strong>n Stamm zu gehören. Die Antwort <strong>de</strong>r<br />

Skinheads <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Wan<strong>de</strong>l und die Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r unmittelbaren<br />

Nachbarschaft war „die magische Rückgewinnung <strong>de</strong>r Gemeinschaft“, wie es <strong>de</strong>r<br />

Soziologe John Clarke bezeichnet. Das Gefühl, <strong>im</strong> Zentrum dieser Vielzahl unterdrücken<strong>de</strong>r<br />

und ausbeuterischer Kräfte zu stehen, bringt ein Bedürfnis nach Gruppensolidarität<br />

hervor, das, obwohl es grundsätzlich <strong>de</strong>fensiv ist, bei <strong>de</strong>n Skinheads<br />

mit einem aggressiven Inhalt gekoppelt war.“ (Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 26)<br />

33


In <strong>de</strong>n frühen 50er Jahren rebellierten die Arbeiterjugendlichen gegen die Monotonie<br />

<strong>de</strong>s Alltags und wollten Spaß in ihr Leben bringen, und dafür war <strong>de</strong>r Rock’n’Roll<br />

<strong>de</strong>r richtige Soundtrack. In <strong>de</strong>n 50er und 60er Jahren verkörperte eine Jugendszene<br />

eine Haltung. Am Anfang <strong>de</strong>r 50er Jahre waren es die Teddyboys, die gegen die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse rebellierten und gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50er Jahre wur<strong>de</strong>n sie<br />

von <strong>de</strong>n Mods abgelöst. Als Mod hörte man Ska und Northern Soul, fuhr Vespas,<br />

hatte teure Klamotten und gab sich <strong>de</strong>r Prahlerei und <strong>de</strong>m Schein <strong>de</strong>s Seins hin. Als<br />

Mod war man L<strong>auf</strong>bursche in einer Bank o<strong>de</strong>r Ähnliches und man versuchte, die<br />

kleinbürgerlichen Wurzeln durch einen extravaganten Lebensstil zu verbergen und<br />

sich als etwas Höheres darzustellen. Aber es gab auch die Hard-Mods. Diese zogen<br />

Bier teuren Cocktails vor und legten keinen Wert <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n dandyhaften Kleidungsstil.<br />

Die Hard Mods trugen auch am Wochenen<strong>de</strong> Shirts, Jeans und Stiefel, die um einiges<br />

praktischer bei <strong>de</strong>n vielen Schlägereien am Wochenen<strong>de</strong> waren. In <strong>de</strong>n meisten<br />

Industriestädten gab es Hard-Mod Gangs. Musik spielte zwischen 1966 und 1969<br />

nicht die große Rolle <strong>im</strong> Leben <strong>de</strong>r Mod Gangs. Es gab einfach nichts Neues. Die<br />

schwarzen Jugendlichen aus <strong>de</strong>r Nachbarschaft ignorierten die angesagte Musik aus<br />

<strong>de</strong>m Radio und hörten die Rhythmen aus <strong>de</strong>n Slums von Kingston: Reggae und Ska.<br />

Die Mods ent<strong>de</strong>ckten die Liebe zu dieser Musik, da sie außer von <strong>de</strong>n schwarzen<br />

Ru<strong>de</strong> Boys nicht gehört wur<strong>de</strong> und somit konnte man sich mit dieser Musik wun<strong>de</strong>rbar<br />

von <strong>de</strong>r restlichen Gesellschaft abgrenzen. Ska ist um 1960 entstan<strong>de</strong>n. Ska ist<br />

ein Sammelbegriff für Blue Beat, Rocksteady und die frühen Formen <strong>de</strong>s Reggae.<br />

Ska ist eine sehr fröhliche, tanzbare Musik, die sich sehr gut zum feiern eignet. Es<br />

gab sehr erfolgreiche Ska Nummern wie z.B. „My Boy Lollipop“ von Millie Small<br />

und „Miss Jamaica“ von J<strong>im</strong>my Cliff, doch allgemein kam Ska Musik bei <strong>de</strong>r breiten<br />

Masse nicht an. Der Sound galt als pr<strong>im</strong>itiv, dreckig und unprofessionell. Ska wur<strong>de</strong><br />

zur Musik <strong>de</strong>r Un<strong>de</strong>rdogs, <strong>de</strong>r schwarzen Ru<strong>de</strong> Boy Gangs. Die weißen Hard-Mods<br />

orientierten sich an <strong>de</strong>n Ru<strong>de</strong> Boys und wur<strong>de</strong>n später zu Skinheads, die diese Musik<br />

geliebt haben. Den schwarzen Musikern blieb das nicht verborgen und so sangen<br />

viele Künstler über <strong>de</strong>n Skinhead Kult, z. B. Laurel Aitken (<strong>de</strong>r Text ist ins Deutsche<br />

übersetzt):<br />

Meine Schwester sagt, sie will keinen Mann, sie will keinen Mann, wenn es kein<br />

Skinhead ist. Skinhead!<br />

Ich gehe zurück in die Slums, wenn die Bewegung zusammenbricht. Hip to the Hop!<br />

34


An<strong>de</strong>re schwarze Musiker huldigten ihren kurzhaarigen Fans ebenfalls mit Lie<strong>de</strong>rn<br />

über die Subkultur, wie z.B. Desmond Riley mit „A message to you“, „Skinhead<br />

Moondust“ und „Skinhead’s don’t fear“ von <strong>de</strong>n Hot Rod Allstars und „Skinhead<br />

Shuffle“ von the Mohawks. (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 26-32)<br />

1969 gilt als das Jahr in England, wo <strong>de</strong>r Skinhead Kult seinen Anfang nahm. Inspiriert<br />

von <strong>de</strong>n jamaikanischen Ru<strong>de</strong> Boy Gangs, die als beson<strong>de</strong>rs cool und hart galten,<br />

schnitten sich die weißen Jugendlichen die Haare ab, krempelten ihre Jeans hoch<br />

und trugen dazu schwere Arbeiterstiefel. Fertig war <strong>de</strong>r Skinhead Look. Die meisten<br />

Skinheads kamen aus <strong>de</strong>r Fußball Hooligan Szene. Die großen Vereine hatten damals<br />

tausen<strong>de</strong> Skinhead Anhänger. Die Skinhead Krawalle bei <strong>de</strong>n Fußballspielen zogen<br />

bald die Aufmerksam <strong>de</strong>r Medien <strong>auf</strong> sich und es wur<strong>de</strong> nach Ursachen für die Gewalt<br />

gesucht. Soziale Ungleichheiten hatten best<strong>im</strong>mt auch ihren Anteil, aber für die<br />

meisten Skins war <strong>de</strong>r Spaßfaktor entschei<strong>de</strong>nd, bei <strong>de</strong>n Fußballschlachten. Es gab<br />

damals einige britisch-jamaikanische Skinheadgangs. (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 32-<br />

33).<br />

„Skinhead-Sein, das war in diesen Tagen eine Frage <strong>de</strong>s Klassenstandpunktes und<br />

nicht <strong>de</strong>r Hautfarbe.“ (Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 34)<br />

Rassismus<br />

Die Skinheads hörten Ska und akzeptierten die afro-karibischen Jugendlichen. Die<br />

schwarzen Ru<strong>de</strong> Boys waren genau so gewaltbereit wie die Skinheads und so zogen<br />

damals Ru<strong>de</strong> Boys und Skinheads durch die Straßen und jagten Hippies, Schwule<br />

o<strong>de</strong>r Pakistani. Den eigenen Stadtteil zu verteidigen gehörte, für viele Skins genau so<br />

zur Parole Spaß, wie <strong>de</strong>r Fight bei Fußballspielen. Die Skinheads, die es mittlerweile<br />

<strong>im</strong> ganzen Land gab, legten ein Gewaltverhalten an <strong>de</strong>n Tag, wie es von an<strong>de</strong>ren<br />

Gangs auch bekannt war. Bevorzugte Opfer waren Repräsentanten <strong>de</strong>r Erwachsenengeneration,<br />

Vertreter <strong>de</strong>s Bürgertums o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Establishments, gegnerische Fußballfans,<br />

sexuelle Min<strong>de</strong>rheiten, an<strong>de</strong>re Jugendkulturen und soziale Min<strong>de</strong>rheiten.<br />

Skinheads suchten <strong>im</strong>mer Ärger und dabei war es ihnen egal, ob sie sich mit Rekruten<br />

<strong>de</strong>r Armee prügelten o<strong>de</strong>r mit Stu<strong>de</strong>nten. Allerdings gab es schon damals Probleme<br />

mit Rassismus, da Pakistani bevorzugte Opfer von vielen Skinheadban<strong>de</strong>n waren.<br />

Das so genannte „Paki-Bashing“ führte sogar dazu, dass sich die pakistanische<br />

Regierung darüber beschwerte, da 25 % <strong>de</strong>r pakistanischen Stu<strong>de</strong>nten Opfer von<br />

35


Gewalt wur<strong>de</strong>n. Allerdings war Rassismus ein Problem von ganz England und nicht<br />

nur <strong>de</strong>r Skinheadsubkultur. In Birmingham gewann 1964 <strong>de</strong>r Tory Kandidat Peter<br />

Griffith seinen Wahlkampf mit <strong>de</strong>m Slogan: „Wenn sie einen Nigger zum Nachbarn<br />

haben wollen, müssen sie Labour wählen“. Da England genau wie Deutschland, <strong>auf</strong><br />

Arbeitskräfte aus <strong>de</strong>m Ausland angewiesen war, da es mehr Arbeitsplätze als Arbeitnehmer<br />

gab, wur<strong>de</strong>n Gastarbeiter angeworben. 1961 zogen 140 000 nicht-weiße<br />

Einwan<strong>de</strong>rer nach England. Viele „Kolonialherren“ konnten es nicht fassen, dass <strong>auf</strong><br />

einmal nach Jahrhun<strong>de</strong>rten <strong>de</strong>s Plün<strong>de</strong>rns frem<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, Menschen aus an<strong>de</strong>ren<br />

Kulturen in ihre Nachbarschaft zogen. Die politischen Eliten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s versuchten<br />

<strong>de</strong>n Rassismus zu nutzen, um ihre Macht zu erhalten und nicht von einer erstarkten<br />

Arbeiterklasse unter Druck zu geraten. Durch die Betonung ethnischer Unterschie<strong>de</strong><br />

wollten sie jegliche Solidarität zwischen <strong>de</strong>r Arbeiterklasse und <strong>de</strong>n Einwan<strong>de</strong>rern<br />

unterbin<strong>de</strong>n.<br />

1962 wur<strong>de</strong> ein Einwan<strong>de</strong>rungsgesetz erlassen (Commonwealth Immigrants Act),<br />

dass es nicht-weißen Einwan<strong>de</strong>rern erschweren sollte, nach England zu kommen.<br />

Das „Paki-Bashing“ war mit einer beson<strong>de</strong>ren kulturellen Problematik überlagert. Es<br />

gab Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n asiatischen Einwan<strong>de</strong>rern und <strong>de</strong>r westindischen<br />

Einwan<strong>de</strong>rern. Die westindischen Einwan<strong>de</strong>rer waren von ihren kulturellen Verhaltensweisen<br />

<strong>de</strong>r Arbeiterklasse viel näher, als die asiatischen Einwan<strong>de</strong>rer, die eher<br />

familien- und erfolgsorientiert waren und mehr in die Richtung <strong>de</strong>r verhassten Mittelklasse<br />

tendierten. Zu<strong>de</strong>m waren die Skinheads mit <strong>de</strong>n afro-karibischen Jugendlichen<br />

durch die Ska und Reggae Musik verbun<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m waren die Ru<strong>de</strong> Boys und<br />

an<strong>de</strong>re schwarze Gangs gut organisiert und zeigten rassistischen Skinheads ganz<br />

schnell ihre Grenzen <strong>auf</strong>. (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 38-43)<br />

Punkrock<br />

Anfang <strong>de</strong>r 70er Jahre flaute die erste Skinhead Welle ab. Viele zogen sich <strong>auf</strong>grund<br />

<strong>de</strong>r vielen Schlägereien zurück und es fehlte auch an musikalischen Impulsen. Das<br />

än<strong>de</strong>rte sich 1976/77 als <strong>de</strong>r Punk kam. Die „Sex Pistols“ waren zwar eine Mogelpackung,<br />

die von Geschäftsleuten wie eine Boy Band zusammengecastet wur<strong>de</strong>n, aber<br />

die Musik und die rebellischen Texte erreichten viele Jugendliche, die Punk als Lebenseinstellung<br />

ernst nahmen. Als das „Vortex“ in London eingeweiht wur<strong>de</strong>, spielte<br />

die Kultgruppe „Sham 69“ vom Dach <strong>de</strong>s Nachbarhauses, was die Einwohner <strong>auf</strong>grund<br />

<strong>de</strong>r Lautstärke nur wenig begeisterte. Die Polizei drehte <strong>de</strong>n Strom ab und<br />

36


nahm <strong>de</strong>n Sänger J<strong>im</strong>my Pursey fest. Dieser wur<strong>de</strong> <strong>auf</strong> Kaution frei gelassen und das<br />

Konzert wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Keller weitergeführt. Sham 69 ist für viele Punks und Skins eine<br />

absolute Kultkapelle, was zweifellos an ihrem Hit „If the kids are united liegt“.<br />

Bands wie „Cock Sparrer“, „Cockney Rejects“ und Sham 69 gaben <strong>de</strong>m Punk einen<br />

noch rauheren und härteren Touch und nannten es Streetpunk, Real Punk o<strong>de</strong>r Working<br />

Class Punk. Viele Punks wollten sich von <strong>de</strong>n Mittelklassepunks abgrenzen und<br />

wur<strong>de</strong>n zu Skinheads und auch die alte Gar<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Skinheads begann sich für Punkrock<br />

zu begeistern. Bands wie die „Angelic Upstarts“ erreichten schnell ein gemischtes<br />

Publikum, welches aus Punks und Skins bestand. Bei Bands wie „Blitz“ o<strong>de</strong>r<br />

„Infa-Riot“ bestan<strong>de</strong>n die Bandmitglie<strong>de</strong>r aus Punks und Skins. „Cockney Rejects“<br />

verpasste <strong>de</strong>r neuen Punkmusik ihren neuen Namen: Oi-Musik. Statt hey hey brüllten<br />

die Rejects Oi! Oi! Oi! und so entstand <strong>de</strong>r Begriff Oi-Musik. (Vgl. Farin und Sei<strong>de</strong>l<br />

2002: 43-47).<br />

2 Tone<br />

Der alte Skinhead Reggae gewann in diesen Tagen auch wie<strong>de</strong>r mehr an Be<strong>de</strong>utung.<br />

Bands wie die Specials, die aus schwarzen und weißen Musikern bestan<strong>de</strong>n, hatten<br />

viel Erfolg <strong>im</strong> Jahre 77 und ein Jahr später waren heutige Skinhead Kultbands wie<br />

„Bad Manners“ und „Madness“ in <strong>de</strong>n britischen Charts. Die Texte über Arbeitslosigkeit,<br />

Sexismus, Staatsgewalt und Sex kamen auch in <strong>de</strong>r Punkszene sehr gut an.<br />

Steel Pulse waren die erste Band, die keinen Punk spielte und <strong>im</strong> Vortex <strong>auf</strong>treten<br />

durfte. Punks und Skins feierten zu dieser Zeit zusammen. Schwarze und Weiße. Das<br />

multikulturelle Feiern und Zusammenstehen war <strong>de</strong>n Rechten ein Dorn <strong>im</strong> Auge und<br />

so wur<strong>de</strong>n 2 Tone Konzerte bald Angriffsziele <strong>de</strong>r rechten Szene. Die Presse konzentrierte<br />

ihre Aufmerksamkeit mehr <strong>auf</strong> die Krawalle, die es durch Rechte <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n<br />

Konzerten gab, als <strong>auf</strong> das friedliche Zusammenleben von Menschen mit an<strong>de</strong>rer<br />

Hautfarbe und an<strong>de</strong>rer Herkunft. In <strong>de</strong>r Londoner Evening News wur<strong>de</strong> ein Foto von<br />

<strong>de</strong>r Band „Selecter“ veröffentlicht, die eine schwarze Sängerin haben, mit <strong>de</strong>r Unterzeile:<br />

„Don’t rock with the Sieg Heiles.“ (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 47-50)<br />

National Front und Margret Thatcher<br />

1967 grün<strong>de</strong>te sich die National Front. Bis 1976 nahm dies kaum jemand zur Kenntnis.<br />

Als asiatische Flüchtlinge <strong>auf</strong>genommen wur<strong>de</strong>n, begannen die Boulevardblätter<br />

mit einer Hetzkampagne über eine nie da gewesene Asylantenflut und <strong>de</strong>n Miss-<br />

37


auch von Sozialhilfe. Die National Front gewann 1977 mit ihrem Wahlslogan „If<br />

they are black, send them back“ über 200.000 Wählerst<strong>im</strong>men. Die National Front<br />

veranstaltete regelmäßig Aufmärsche in schwarze Wohnviertel, die meistens in wüsten<br />

Straßenschlachten en<strong>de</strong>ten. Margret Thatcher bediente sich selber einer rassistischen<br />

Wahlkampfpropaganda, die sie 1977/ 78 zur Premierministerin machte. Mit<br />

Versprechungen, wie <strong>de</strong>r Beendigung <strong>de</strong>r Immigration, konnte sie punkten. Gra<strong>de</strong><br />

die Jugend <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong> magisch von <strong>de</strong>r National Front angezogen, darunter<br />

auch viele Punks, Teds, Mods und natürlich Skinheads. Viele wollten die liberale<br />

Mittelschicht provozieren, die sich <strong>im</strong>mer stark von Rassismus abgegrenzt hat. Aber<br />

die Provokation hat sich bei vielen zu einer persönlichen Einstellung gewan<strong>de</strong>lt. Die<br />

Jugendorganisation <strong>de</strong>r National Front, die Young National Front, setzte ihren <strong>Fokus</strong><br />

<strong>auf</strong> die Fußballfans und Skinheads, während Margret Thatcher mit ihrer Politik <strong>de</strong>n<br />

kleinen Mann kampfunfähig machte. Das Ausbildungs- und Bildungsbudget wur<strong>de</strong><br />

gekürzt, staatliche Betriebe privatisiert und überall gab es Betriebsschließungen. Zu<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong>n Organisationen wie Gewerkschaftsräte, Beratungsinstitutionen und Einrichtungen<br />

<strong>de</strong>r Erwachsenenbildung, Stück für Stück durch Thatchers Politik zerstört.<br />

Bald war die Skinheadbewegung <strong>de</strong>r liebste Ansprechpartner <strong>de</strong>r National<br />

Front, aber es gab auch viele Skins, die sich nicht in <strong>de</strong>n faschistischen Stru<strong>de</strong>l haben<br />

reißen lassen. Bands wie Angelic Upstarts, Blitz und Infa-Riot engagierten sich in<br />

anti-rassistischen Initiativen. (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 50-52)<br />

Krieg in <strong>de</strong>n Konzerthallen<br />

Sham 69 waren absolut keine Anhänger <strong>de</strong>r National Front, aber viele Fans <strong>de</strong>r Kultband.<br />

Der Sänger J<strong>im</strong>my Pursey versuchte <strong>de</strong>n Dialog zu seinen rechten Fans zu suchen,<br />

um sie zu überzeugen, dass Faschismus <strong>im</strong>mer <strong>de</strong>r falsche Weg ist. Nach<strong>de</strong>m<br />

Sham 69 zusammen mit the Clash, <strong>auf</strong> einem Konzert <strong>de</strong>r Anti-Nazi-Liga, <strong>auf</strong>getreten<br />

sind und auch bei Rock against Racism spielten, kam es zu <strong>im</strong>mer mehr Attacken<br />

von Rechts <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Konzerten von Sham 69. Die Band bekam keine<br />

Auftrittsmöglichkeiten mehr, da alle Veranstalter Angst vor <strong>de</strong>r Randale <strong>de</strong>r rechten<br />

Skins hatten. Ähnliche Probleme hatten die Angelic Upstarts, die sich auch <strong>im</strong>mer<br />

klar gegen Faschismus ausgesprochen haben. 1979 wur<strong>de</strong> die Band von 50 National<br />

Front Anhängern in Wolverhampton angegriffen. Das war <strong>de</strong>r Anfang einer Hetzkampagne<br />

<strong>de</strong>r Rechten, um die vermeintlichen Kommunisten nicht mehr <strong>auf</strong>treten zu<br />

lassen. Der Druck <strong>auf</strong> die Oi-Szene wuchs, als die National Front als Antwort <strong>auf</strong> die<br />

38


Rock against Racism Kampagne, versuchte Bands für das Label Rock against<br />

Communism, zu vereinnahmen. Bei Cockney Rejects Konzerten kam es auch <strong>de</strong>s<br />

Öfteren zu Masschenschlägereien, da die Bandmitglie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>n Hooligans <strong>de</strong>r Inter<br />

City Firm von West Ham United gehörten und das auch offen nach außen vertraten.<br />

Oi-Musik war nun überall bekannt für eskalieren<strong>de</strong> Gewalt und dies hatte zur Folge,<br />

dass <strong>im</strong>mer mehr Bands sich <strong>auf</strong>lösten und sich <strong>im</strong>mer mehr Leute von <strong>de</strong>r Oi-Szene<br />

abwandten. Um vom Gewalttäter<strong>im</strong>age los zu kommen, starteten <strong>im</strong> Juli 1981 diverse<br />

Bands eine Oi-Festivaltournee, um <strong>de</strong>n schlechten Ruf wie<strong>de</strong>r los zu wer<strong>de</strong>n.<br />

(Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 52-55)<br />

Southall<br />

Die Oi-Festivaltournee machte am 3. Juli 1981 in Southall Station. Dieser Vorort von<br />

Westlondon war ein gefährliches Pflaster für weiße Rassisten, da sich die Asiaten<br />

dort zu großen Ban<strong>de</strong>n zusammengetan hatten, nach<strong>de</strong>m 1976 <strong>de</strong>r In<strong>de</strong>r, Gurdip Sing<br />

Chahher, von weißen Jugendlichen erstochen wor<strong>de</strong>n war, und die Polizei die Tat<br />

verharmloste und erklärte, dass es sich um keine rassistische Gewalttat han<strong>de</strong>lte.1977<br />

kam es zu einer Riesenstraßenschlacht in <strong>de</strong>m Viertel, nach<strong>de</strong>m die National Front<br />

<strong>im</strong> Rathaus eine Versammlung abhalten wollte. Das ganze Viertel wollte dies verhin<strong>de</strong>rn<br />

und wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Polizei <strong>auf</strong>s brutalste daran gehin<strong>de</strong>rt und es gab hun<strong>de</strong>rte<br />

Verletzte und einen Toten. Nach diesen Ereignissen war es für Faschisten brandgefährlich,<br />

sich in diesem Stadtteil sehen zu lassen, da die Einwohner genug von rechter<br />

Gewalt hatten. Einige Wochen vor <strong>de</strong>m Konzert kam die zweite Oi-CD von Gary<br />

Bushell raus, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>ssen Cover <strong>de</strong>r berühmte Naziskin Nicky Crane zu sehen war.<br />

Der Oi-Sampler trug auch noch <strong>de</strong>n unglücklichen Namen „Strenght thru Oi!“ (als<br />

provozieren<strong>de</strong> Anspielung <strong>auf</strong> das Naz<strong>im</strong>otto Kraft durch Freu<strong>de</strong>). Bushell entschuldigte<br />

sich und meinte, es wäre ein dummer Zufall gewesen, dass Nicky Crane <strong>auf</strong><br />

<strong>de</strong>m Cover zu sehen war. Das war allerdings nach <strong>de</strong>m Konzert. Es gab also einige<br />

Grün<strong>de</strong>, weshalb sich die asiatische Bevölkerung durch dieses Skinheadkonzert provoziert<br />

fühlte, obwohl alle Bands die dort <strong>auf</strong>getreten sind („the Last Resort“, „the<br />

Business“ und „the 4 Skins“) nichts mit Faschismus und Rassismus zu tun hatten.<br />

Auch die National Front machte ihre Anhänger für dieses Konzert mobil und so kam<br />

es schon <strong>im</strong> Vorfeld <strong>de</strong>s Konzertes zur <strong>de</strong>n ersten Schlägereien. Man muss auch dazu<br />

sagen, dass es nicht so wie heute war, dass die Skinheads sich <strong>auf</strong>grund von politi-<br />

39


schen Überzeugungen voneinan<strong>de</strong>r abgrenzen. Für viele Skins waren damals <strong>de</strong>r<br />

Lebensstil, die Vorliebe für Bier und Musik wichtiger, als die politische Einstellung.<br />

Zum Beginn <strong>de</strong>s Konzerts, um halb neun, waren <strong>im</strong> Hambrough Tavern Club 500<br />

Gäste <strong>im</strong> Saal. Davon waren etwa die Hälfte Skinheads und nur ein kleiner Teil davon<br />

Rechts. Draußen sammelten sich schon die provozierten asiatischen Jugendlichen<br />

und die Polizei. Gegen halb Zehn brach dann das Chaos aus. Die Asiaten drangen<br />

mit Stuhlbeinen und an<strong>de</strong>ren Waffen in <strong>de</strong>n Saal ein und verprügelten alles was<br />

in ihren Weg kam. Der Pub wur<strong>de</strong> komplett zerstört und mit Molotowcocktails in<br />

Brand gesetzt. Der Pub brannte langsam ab, während sich die Konzertbesucher, die<br />

Einhe<strong>im</strong>ischen und die Polizei eine stun<strong>de</strong>nlange Straßenschlacht lieferten. Es gab<br />

110 Schwerverletzte.<br />

Das war <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstoß für die damalige Oi-Szene. Die Presse schlachtete die Ereignisse<br />

als „Rassenkrieg von Southall“ aus und alles stürzte sich <strong>auf</strong> die<br />

Skinheadszene. Von nun an waren Skinheads <strong>de</strong>r Inbegriff von rechtsradikalen<br />

Schlägern in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Die Englandtournee, die kurz nach <strong>de</strong>m Ereignis von<br />

Southall stattfand und kurzfristig von „the Business“, Blitz und Infa- Riot, unter <strong>de</strong>m<br />

Motto Oi! against Racism veranstaltet wur<strong>de</strong>, fand in <strong>de</strong>n Medien keine Beachtung.<br />

Das rechtsradikale Image blieb an <strong>de</strong>r Oi-Szene haften. Die 4 Skins und the Business<br />

verloren ihre Plattenverträge. Viele Skins verließen die Szene, weil sie nicht von<br />

aller Welt als Nazi angesehen wer<strong>de</strong>n wollten. Der Oi-Sampler Strenght thru Oi!<br />

wur<strong>de</strong> vom Markt genommen, als er gra<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Top 50 <strong>de</strong>r Charts gelangt war,<br />

obwohl die CD keine rassistischen o<strong>de</strong>r faschistischen Songs enthielt. (Vgl. Farin u.<br />

Sei<strong>de</strong>l 2002: 55-58).<br />

Skinheads in Deutschland, Rechtsrock<br />

Die ersten Skinheadcliquen bil<strong>de</strong>ten sich 1977/78 in Deutschland. Zu einer größeren<br />

Skinheadszene kam es gegen 1980/81. Wie auch in England waren die Fußballstadien<br />

beliebte Treffpunkte <strong>de</strong>r Skinheads. Ein Großteil <strong>de</strong>r Skins ist über Fußball zum<br />

Skinhead gewor<strong>de</strong>n. Die Neonazi-Szene bemühte sich schon früh um die Skinheads<br />

in <strong>de</strong>n Stadien, da sie <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>r National Front in England nacheiferten, die<br />

1982 über zweitausend Skinheads in ihren Reihen hatten. Michael Kühnen brachte<br />

1983 32 Kameradschaften mit 270 Aktivisten seiner Aktionsfront Nationaler Sozialisten<br />

zusammen. Kühnen wollte die Skinheads für seine rechte I<strong>de</strong>ologie gewinnen.<br />

In Hooligangruppen, wie <strong>de</strong>r Borussenfront aus Dortmund, o<strong>de</strong>r be<strong>im</strong> „Kampf gegen<br />

40


die Kanacken“ be<strong>im</strong> Län<strong>de</strong>rspiel Deutschland gegen die Türkei <strong>im</strong> Oktober 1983<br />

kämpften Neonazis mit rechten Skinheads zusammen. 1985 starben zwei Auslän<strong>de</strong>r<br />

durch Skinheadangriffe. Die Gewalt von Skinheads gegen Linke, Auslän<strong>de</strong>r und An<strong>de</strong>rs<strong>de</strong>nken<strong>de</strong><br />

nahm in diesen Tagen zu, doch die Politiker ignorierten <strong>de</strong>n Rechtsradikalismus<br />

hinter diesen Taten und bagatellisieren die Vorfälle als Kämpfe zwischen<br />

rivalisieren<strong>de</strong>n Jugendban<strong>de</strong>n. Den Soundtrack für solche Gewalttaten lieferten<br />

Rechtsrockbands wie „Skrewdriver“ (<strong>de</strong>ssen Sänger Ian Stuart das<br />

Faschistennetzwerk Blood & Honour grün<strong>de</strong>te, welche mittlerweile als Terrororganisation<br />

verboten ist) mit Songs wie „Nigger’s out“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Band „Kraft durch<br />

Froi<strong>de</strong>“, die in einem Song singen:<br />

Skinhead heißt <strong>de</strong>r Weg, <strong>de</strong>n du erwählst, es gibt dir die Kraft zu überstehen<br />

Du wirst kämpfen und du wirst siegen, du wirst diese Schweine killen, killen, killen.<br />

(Vgl. Farin und Sei<strong>de</strong>l 2002: 99-105)<br />

Eine sehr populäre Rechtsrock Band, die sich selber als unpolitische Oi-Band sieht,<br />

ist „Endstufe“ aus Bremen. Die Texte lassen allerdings eine politische Richtung erahnen:<br />

„Dr. Martens, kurze Haare, das ist arisch, keine Frage! Nie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Misch-<br />

Masch-Blut, <strong>de</strong>nn das tut <strong>de</strong>m Vaterland nicht gut!<br />

Haltet rein die <strong>de</strong>utsche Rasse, <strong>de</strong>nn wir sind die Arierklasse! Steh euren Mann, wir<br />

sind die Macht, Deutschland wird siegen in je<strong>de</strong>r Schlacht!“ (Farin und Sei<strong>de</strong>l 2002:<br />

66)<br />

Als Ordnungshüter für das <strong>de</strong>utsche Vaterland versteht sich ebenfalls „Störkraft“, die<br />

ebenfalls zu <strong>de</strong>n Rechtsrock Szenegrößen zählen:<br />

„Die Aufgabe <strong>de</strong>s ganzen Volkes lässt man <strong>auf</strong> unseren Schultern ruh’n, und wer<strong>de</strong>n<br />

wir mal eingesperrt, hat kein Arsch was mit uns zu tun.<br />

Or<strong>de</strong>n bekommen wir nicht angesteckt für unsere Hel<strong>de</strong>ntaten, obwohl ein je<strong>de</strong>r<br />

weiß, dass die große Wen<strong>de</strong> naht.<br />

Marschieren Stiefel durch die Nacht, sind wir nicht allein. Es gibt keine Kraft, die<br />

uns abhält, wir Skinheads sind zu allem bereit.<br />

Wir sind Deutschlands rechte Polizei, wir machen die Straßen wirklich frei, es wird<br />

schon noch hart, wir bleiben dabei.“ (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 74-75)<br />

Die in Deutschland sehr populäre Rechtsrockband „Landser“ (von <strong>de</strong>nen alle CD’s<br />

verboten sind und <strong>de</strong>r Sänger wegen Volksverhetzung <strong>im</strong> Gefängnis saß) setzt <strong>auf</strong><br />

st<strong>im</strong>mungsvolle Rassistenlie<strong>de</strong>r. Bei <strong>de</strong>m Song „Polackentango“ heißt es: „Wenn bei<br />

41


Danzig die Polenflotte <strong>im</strong> Meer versinkt, und das Deutschlandlied <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Marienburg<br />

erklingt, dann zieht die Wehrmacht mir ihren Panzern in Breslau ein und ich<br />

weiß Deutschlands Osten kehrt endlich wie<strong>de</strong>r he<strong>im</strong>“.<br />

„Kraftschlag“ wünschen sich in ihren Texten wie<strong>de</strong>r ein groß<strong>de</strong>utsches Reich. Im<br />

Song „Ich liebe die He<strong>im</strong>at“ heißt es: Ich <strong>de</strong>nke auch an Ostpreussen, an Pommern<br />

und Schlesien, auch Bozen, Wien und Südtirol gehen mir nicht mehr aus <strong>de</strong>m Sinn.<br />

(http://pages.unibas.ch/<strong>de</strong>ja-vu/archiv/aktuellarchiv/naz<strong>im</strong>usik.html)<br />

In Deutschland gab es kaum noch Skinheads, die etwas mit <strong>de</strong>m Geist von 1969 zu<br />

tun hatten. Nicht Skinheads wur<strong>de</strong>n Nazis, son<strong>de</strong>rn Nazis wur<strong>de</strong>n Skinheads. Naziskins<br />

best<strong>im</strong>mten bald die Szene in Deutschland. Skinheads gingen in die rechten<br />

Parteien. Sogar die Spießbürgerpartei die Republikaner konnten Skinheads in ihren<br />

Reihen zählen. Die politische I<strong>de</strong>ologie wur<strong>de</strong> wichtiger als die Parole Spaß. Es kam<br />

zu Schlägereien zwischen Skinheads untereinan<strong>de</strong>r <strong>auf</strong>grund von an<strong>de</strong>ren politischen<br />

Einstellungen. Sogar die Fußballspiele nutzten die jungen, rechten Skins um Wahlpropaganda<br />

unter das Volk zu bringen. Das brachte die Altskinheads und Hooligans<br />

gegen die neuen Rechten <strong>auf</strong>. Als am 20. April 1989 150 Naziskins <strong>de</strong>n Geburtstag<br />

von Adolf Hitler <strong>im</strong> Volksparkstadion feiern wollten, wur<strong>de</strong> diese von Hamburger<br />

Altskins und Hooligans aus <strong>de</strong>m Stadion geprügelt und mussten unter Polizeischutz<br />

das Stadion verlassen. (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 106-109 )<br />

Blood & Honour<br />

Blood and Honour (Blut und Ehre) ist ein Netzwerk von faschistischen Skinheads,<br />

die es sich zur Aufgabe gemacht haben, nationalsozialistisches Gedankengut in die<br />

Skinheadszene einzubringen und Rechtsrockbands zu koordinieren. Blut und Ehre<br />

hat einen Bezug zum dritten Reich und stand <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Fahrtenmesser <strong>de</strong>r Hitlerjugend.<br />

Die Rassengesetze von Nürnberg hießen offiziell auch „Gesetz zum Schutz <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>utschen Blutes und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ehre“. Blood & Honour wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 80er Jahren<br />

in Großbritannien gegrün<strong>de</strong>t. Ian Stuart war maßgeblich an <strong>de</strong>r Gründung beteiligt.<br />

Das Symbol <strong>de</strong>s Netzwerkes ist eine Triskele, eine Art dreiarmiges Hakenkreuz.<br />

Blood and Honour hat mit Combat 18 einen bewaffneten, sehr gefährlichen Arm in<br />

seinen Reihen. 1994 grün<strong>de</strong>te sich <strong>de</strong>r erste Blood & Honour Ableger in Deutschland.<br />

Weitere folgten. Ein Großteil <strong>de</strong>r rechten Skinheads war bei Blood & Honour<br />

bzw. bei <strong>de</strong>r Hammerskinsektion organisiert. Auch nationalsozialistisch eingestellte<br />

Kameradschaften wie Neuteutonia Neustrelitz arbeiteten eng mit B & H zusammen.<br />

42


Ebenfalls gab es gute Kontakte zur NPD. Nach<strong>de</strong>m es zu Ermittlungen gegen die<br />

Rechtsrockband Landser gekommen ist, wur<strong>de</strong> auch die Blood & Honour Szene<br />

durchleuchtet. Szeneaktive Mitglie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n verhaftet und machten belasten<strong>de</strong><br />

Aussagen. Am 12. September 2000 wur<strong>de</strong> die Deutsche Division verboten. Allerdings<br />

sind die Leute unter an<strong>de</strong>ren Namen weiterhin aktiv.<br />

http://nipberlin.<strong>de</strong>/daten/in<strong>de</strong>x.php?option=com_content&task=view&id=119&Itemid=64<br />

SkinHeads Against Racial Prejudice (S.H.A.R.P)<br />

Durch die Unterwan<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Skinhead Szene durch militant rassistische Organisationen,<br />

wie <strong>de</strong>r National Front und Blood & Honour in Großbritannien, <strong>de</strong>m Ku-<br />

Klux-Klan in <strong>de</strong>n USA und <strong>de</strong>r FAP und NF in Deutschland, wur<strong>de</strong> das Bild vom<br />

rassistischen, faschistischen und gewaltbereiten Skinheads in <strong>de</strong>n Medien geprägt.<br />

Viele antifaschistische Skinheads wollten sich von diesem Image lösen. Die Chance,<br />

von einem größeren Publikum erhört zu wer<strong>de</strong>n, nutzte 1988 ein Skinhead aus <strong>de</strong>n<br />

USA, <strong>de</strong>r in einer <strong>de</strong>r größten Talkshows <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verkün<strong>de</strong>te, dass es durchaus<br />

Skinheads gibt, die sich ihrer Wurzeln bewusst sind und mit Rassismus nichts zu tun<br />

haben wollen: S.H.A.R.P. (Skinheads against Racial Prejudice). Roddy Moreno, <strong>de</strong>r<br />

Sänger von „the Oppressed“, wur<strong>de</strong> in einem Urlaub in New York <strong>auf</strong> S.H.A.R.P.<br />

<strong>auf</strong>merksam und trug diese I<strong>de</strong>e begeistert ins Ursprungsland <strong>de</strong>r Skinheads zurück.<br />

The Oppressed gab es schon seit <strong>de</strong>n frühen 80er Jahren, aber <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>r um sich<br />

greifen<strong>de</strong>n Gewalt in <strong>de</strong>r Oi-Szene lösten sie sich 1984 <strong>auf</strong>. Moreno blieb <strong>de</strong>r Szene<br />

aber treu und grün<strong>de</strong>te sein anti-rassistisches Label Oi! Records. Er wollte sich <strong>de</strong>utlich<br />

von <strong>de</strong>n Boneheads (Schmähwort <strong>de</strong>r antifaschistischen Skinheads für<br />

Faschoskins) distanzieren, die ihre Wurzel ganz offensichtlich vergessen haben.<br />

(Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 118.119)<br />

1994 fan<strong>de</strong>n sich the Oppressed wie<strong>de</strong>r zusammen und brachten 1994 die „Anti<br />

Fascists Oi! EP raus und 1995 die „Fuck Fascism“ EP. Auf <strong>de</strong>n Alben wur<strong>de</strong>n berühmte<br />

Streetpunkhymnen wie „Flares’n’Slippers“ von Cockney Rejects und<br />

„Borstal Breakout“ von Sham 69 mit antifaschistischen Texten gecovert. (Vgl. Ma<strong>de</strong>r<br />

1996: 114)<br />

Die Sharp Bewegung fand auch großes Interesse in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Skin Szene. Das<br />

Berliner Fanzine (eine Zeitschrift aus <strong>de</strong>r Szene für die Szene) „Skintonic“ wur<strong>de</strong><br />

1989 zum Sprachrohr <strong>de</strong>r Sharp Bewegung. In <strong>de</strong>n Berichten wur<strong>de</strong> sich stark von<br />

43


<strong>de</strong>n Auslän<strong>de</strong>r verprügeln<strong>de</strong>n Naziskinheads distanziert und beson<strong>de</strong>rs über die antifaschistischen<br />

Skinheadbands berichtet. Sharpskinheads sind nicht unbedingt links,<br />

es gibt viele, die sich selber als unpolitisch betrachten, aber ihre Verachtung für Nazis<br />

und rechte Gewalt zum Ausdruck bringen wollen. Es gibt natürlich auch Sharp<br />

Skinheads, die in <strong>de</strong>r autonomen Antifa organisiert sind, aber das ist eher die Ausnahme.<br />

Die meisten Sharp Skinheads bekennen sich zu ihren schwarzen Wurzeln,<br />

sind aber äußerst selten politisch aktiv. (Vgl. Farin u. Sei<strong>de</strong>l 2002: 121-130)<br />

Fazit<br />

Die Skinheadsubkultur ist sehr heterogen. Politisch reicht sie von ganz links bis ganz<br />

rechts. Eine allgemeine Stigmatisierung, wie sie gern in <strong>de</strong>n Medien benutzt wird, ist<br />

also sehr unpassend. Auf alle Randgruppen (Gayskins, Redskins) <strong>de</strong>r Skinheadkultur<br />

einzugehen, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Rahmen sprengen. Die Skinheadsubkultur hatte schon in <strong>de</strong>n<br />

Anfängen mit Rassismus zu kämpfen, was allerdings an <strong>de</strong>r rassistischen Grundhaltung<br />

vieler Englän<strong>de</strong>r allgemein lag. Die Skinheads waren genau so rassistisch wie<br />

<strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Arbeiterklasse, aber nicht mehr und nicht weniger. Aufgrund <strong>de</strong>r Unzufrie<strong>de</strong>nheit<br />

und <strong>de</strong>r recht hohen Gewaltbereitschaft <strong>de</strong>r Skinheads waren sie natürlich<br />

beliebte Ziele von rechten Parteien, die die Skinheadszene unterwan<strong>de</strong>rten. Das hatte<br />

zur Folge, dass sich die Skinheadszene <strong>auf</strong>grund von politischen Einstellungen spaltete.<br />

Deshalb halten sich auch heute viele Oi-Skins gera<strong>de</strong>zu verkrampft an ihrer unpolitischen<br />

Einstellung fest, da viele <strong>de</strong>r Meinung sind, dass die Politik <strong>de</strong>m<br />

Skinheadkult sehr gescha<strong>de</strong>t hat. Die meisten Menschen, und auch viele Faschoskins,<br />

wissen nichts von <strong>de</strong>n schwarzen Wurzeln <strong>de</strong>r Bewegung o<strong>de</strong>r ignorieren diese. Die<br />

Medien berichten auch nur äußerst selten darüber, genau so wenig wie über Sharp<br />

Skinheads o<strong>de</strong>r über Konzerte wo Punks und Skins friedlich feiern bzw. von Skaund<br />

Reggae Konzerten, bei <strong>de</strong>nen Skinheads mit Schwarzen tanzen. Eine rassistische<br />

Schlägerban<strong>de</strong> von Faschoskins ist einfach viel medienwirksamer und erzielt höhere<br />

Auflagen, als Skinheads, die sich gegen Nazis engagieren. Der Skinheadkult ist in<br />

Deutschland weiterhin sehr populär. Das liegt vor allem an Bands wie <strong>de</strong>n „Broilers“,<br />

„Loikaemie“, „Smegma“ und „Volxsturm“, die sich offensiv gegen Faschismus<br />

o<strong>de</strong>r politischen Extremismus gestellt haben. O<strong>de</strong>r Bands wie Los Fastidos aus<br />

Italien, die sich als Skins für Tierrechte und eine vegane Lebensweise einsetzen und<br />

in ihren Songs gegen Faschisten, Rassismus und Krieg singen. Die Skinheadszene ist<br />

sehr gut mit <strong>de</strong>r Punkszene verdrahtet. Es spielen meistens mehrere Oi! Bands <strong>auf</strong><br />

44


großen Punkfestivals wie <strong>de</strong>m Force Attack. Die Skinheadszene wird aber nie mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger akzeptiert wer<strong>de</strong>n wie die Punkszene, weil es einfach zu viele Vorurteile<br />

gibt. Die Gewaltbereitschaft <strong>de</strong>r Skinheads wirkt auch <strong>auf</strong> viele Leute abschreckend.<br />

Die Skinheadszene will allerdings auch nicht wirklich in <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

ankommen.<br />

„Dabei bitte ich, Aufklärung nicht mit Sympathiewerbung zu verwechseln. Das wäre<br />

auch das letzte, was sich Skinheads selbst wünschten. Freundliches Schulterklopfen<br />

von Lehrern und Vorgesetzten, Oi! Fanclubs an Gymnasien und universitäre Erstsemesterpartys<br />

mit Skinhead Bands, Skingirl Schminktipps in <strong>de</strong>r Bravo und die samstägliche<br />

Skinhead Show <strong>auf</strong> Viva – ein Horrorszenario für je<strong>de</strong>n <strong>auf</strong>rechten Kurzhaarigen.“<br />

(Farin 1999: 6)<br />

Viele Leute wollen Skinheads auch als Nazis sehen, weil die Wahrheit um einiges<br />

komplizierter ist und in ein schwarz weiß Denken nicht hinein passt.<br />

3.2. Punk<br />

„Punk, engl. 1. Jugendbewegung <strong>de</strong>r späten 1970er Jahre, gekennzeichnet durch antibürgerliche<br />

Sprüche, abscheuliche Kleidung (wie aus <strong>de</strong>r Mülltonne) und grässliches<br />

Frisuren. 2. Lusche, Niete, Pfeife, Abschaum. 3. Kurzform von Punkrock. 4.<br />

Wertloses Zeug. 5. Hure, Prostituierte. 6. Junger Homosexueller, Pupe, Pullertru<strong>de</strong>,<br />

Sackweib. 7. Lausig, nichts-nutzig, beschissen, hirnrissig.“ (Colegrave und Sullivan<br />

2005: 11)<br />

Bei Punk han<strong>de</strong>lt es sich um eine Subkultur die meist sehr <strong>de</strong>struktiv, subversiv und<br />

nihilistisch ist. Viele gängige Werte und Normen <strong>de</strong>r Gesellschaft wer<strong>de</strong>n abgelehnt.<br />

Punks provozieren gerne durch ein äußerst exzentrisches Image. Die Zwänge <strong>de</strong>r<br />

Leistungsgesellschaft wer<strong>de</strong>n ausgeblen<strong>de</strong>t, umgangen und abgelehnt. Punks pflegen<br />

oft einen exzessiven, selbstzerstörischen und hedonistischen Lebensstil. Punkrock<br />

liefert <strong>de</strong>n Soundtrack für <strong>de</strong>n selbsterwählten Lebensweg, <strong>de</strong>r teilweise am Ran<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft stattfin<strong>de</strong>t. Punkrock ist meist sehr schlichte, schnelle und aggressive<br />

Musik und besteht oft nur aus drei Akkor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Texten geht es z.B. um Gesellschaftskritik,<br />

Individualität, Misanthropie und die Verherrlichung von Alkohol<br />

und Drogen. Die Punksubkultur ist so facettenreich und wi<strong>de</strong>rsprüchlich, dass sie<br />

sich kaum verallgemeinern lässt. Es gibt auch sehr viele differenzierte Meinungen zu<br />

<strong>de</strong>n Themen Essen (Fleischkonsum, Vegetarismus, Veganismus), Politik (anarchis-<br />

45


tisch, linksradikal, links, unpolitisch, rechts), Arbeit (gar nicht arbeiten, schwarzarbeiten,<br />

als Künstler arbeiten, „normal arbeiten“…) und zum Alkohol- und Drogenkonsum<br />

(es gibt z.B. die „Straight Edge“ Bewegung, die je<strong>de</strong> Form von Alkohol und<br />

Drogen und sogar Tabak strikt ablehnt). Punk ist also sehr individuell und lässt sich<br />

schlecht einkategorisieren. Die Aggressivität, die Geschwindigkeit und die rebellische<br />

Attitü<strong>de</strong> von Punkrock, hat Psychobilly maßgeblich beeinflusst und daher gehe<br />

ich <strong>auf</strong> die Enstehung <strong>de</strong>r Punksubkultur ein.<br />

Die Geschichte von Punk<br />

Auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten beschreibe ich wie Punk in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Metropolen London<br />

und New York entstan<strong>de</strong>n ist. Ich gehe dabei <strong>auf</strong> die wirtschaftliche Lage, sowie die<br />

Wohn- und Lebenssituation in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Großstädte En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er Jahre ein, damit<br />

<strong>de</strong>r Leser besser nachvollziehen kann, warum Punk gera<strong>de</strong> in London und New York<br />

begann. Zu<strong>de</strong>m schreibe ich auch über die Figurationen zwischen <strong>de</strong>r Künstler- und<br />

<strong>de</strong>r Punkszene.<br />

Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er Jahre prägte eine Vielzahl von Problemen die Industrielän<strong>de</strong>r.<br />

Großbritannien litt unter einer hohen Arbeitslosenquote, während die USA noch unter<br />

<strong>de</strong>m Schock vom Watergateskandal und <strong>de</strong>s Vietnamkrieges stand. Deutschland<br />

war das Ziel <strong>de</strong>r RAF und die Massenmedien berichteten über Mogadischu, Schleyer<br />

und Stammhe<strong>im</strong>. Der ‚Sommer of Love’ war vorbei und die 68er Generation, die für<br />

einen Aufbruch zur Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Verhältnisse stan<strong>de</strong>n, waren<br />

mittlerweile fest <strong>im</strong> Establishment verankert. (Vgl. Matt 2008: 6)<br />

„Und die Welt befand sich in einem Zustand <strong>de</strong>s Schocks, <strong>de</strong>r Verdrängung und <strong>de</strong>s<br />

Traumas. Die waren die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, unter <strong>de</strong>nen<br />

eine neue Subkultur sich anschickte, zuerst die Schlagzeilen <strong>de</strong>r Presse und dann die<br />

Gemüter einer Armee von <strong>de</strong>sorientierten Jugendlichen zu erobern.“ (Matt 2008:<br />

e.b.d.)<br />

1975 begann Punk Gestalt anzunehmen. Punk war in erster Linie eine Attitü<strong>de</strong>, die<br />

stark von Nihilismus und Anarchismus geprägt war. Punk war <strong>auf</strong> Konfrontation mit<br />

<strong>de</strong>m Establishment ausgelegt. Der Status quo wur<strong>de</strong> hinterfragt.<br />

Die Attitü<strong>de</strong> von Punk gab es natürlich schon viel früher. Im 19 Jahrhun<strong>de</strong>rt gab es<br />

<strong>de</strong>n Maler Gustave Courbet, <strong>de</strong>r zur Avantgar<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Realismus gehörte. Diese<br />

Kunstszene verherrlichte <strong>de</strong>n einfachen Mann und seinen Kampf. Courbet wur<strong>de</strong>,<br />

46


genau wie Punk, vorgeworfen, politische Zerstörung zu provozieren. Zu<strong>de</strong>m hatten<br />

Courbet und die Punks noch an<strong>de</strong>re Gemeinsamkeiten. Courbet glaubte genau wie<br />

die Punkrocker, dass je<strong>de</strong>r Kultur schaffen kann. Während die Punks durch Gummiund<br />

Bondagekleidung provozierten, malte Courbet Bil<strong>de</strong>r von lesbischen Frauen, die<br />

sich liebten. Courbet hat zwar nie Punkrock kennengelernt, doch hat er dieselbe Einstellung<br />

verkörpert und gelebt.<br />

Die Kunstbewegung „Dada“ könnte ebenfalls als einer <strong>de</strong>r Wurzeln von Punk angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n. Hierbei han<strong>de</strong>lte es sich um eine französische Künstlerbewegung,<br />

welche sich aus radikalen Dichtern und Malern zusammensetzte, in <strong>de</strong>n 20er Jahren<br />

<strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts. Dada nutzte Skandale zur Eigenwerbung und feierte Subversion,<br />

Anarchie und Provokation. Es war auch ein Dada Künstler, <strong>de</strong>r einer <strong>de</strong>r<br />

Ersten war, <strong>de</strong>r Collagen anfertigte: John Heartfield. Aus diversen Fotostücken ein<br />

völlig neues Bild zu schaffen, wur<strong>de</strong> ein Markenzeichen <strong>de</strong>r Punkszene. Die Beat-<br />

Bewegung <strong>de</strong>r 50er Jahre beeinflusste ebenfalls Punk. Autoren wie Bukowski, Kerouac,<br />

Ginsberg und Burroughs schrieben verherrlichend über Drogen, die Straßen<br />

und <strong>de</strong>n Untergrund. (Vgl. Collegrave und Sullivan 2005: 18)<br />

„Sie erhoben Erniedrigung und <strong>de</strong>n Alltag mit seinen Schattierungen zu hoher Literatur<br />

und verschreckten damit viele Leute.“ (Collegrave und Sullivan 2005: e.b.d.)<br />

Radikale Künstler, wie Andy Warhol, schufen mit ihrer Kunst ebenfalls sehr wichtige<br />

Grundlagen für Punk. Warhol gehörte zu einer neuen Generation Künstler, die in<br />

<strong>de</strong>n 60er Jahren begann, Kunst zu gestalten. Die Factory von Warhol war eine äußerst<br />

heterogene Künstlervereinigung, die aus heterosexuellen, transsexuellen, lesbischen<br />

und schwulen Künstlern bestand, was ja allein schon ein krasser Gegensatz zur<br />

allgemeinen Sexualvorstellung war. Die Factory hat auch maßgeblich Malcom<br />

McLaren beeinflusst, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Manager <strong>de</strong>r legendären Sex Pistols wur<strong>de</strong>. Warhol<br />

managte auch die Band „Velvet Un<strong>de</strong>rground“, welche vom Verhalten auch als Vorreiter<br />

<strong>de</strong>s Punkrocks gesehen wer<strong>de</strong>n können. Sie traten mit Tänzern <strong>auf</strong>, die eine<br />

Peitsche trugen und sangen über Sadomaso, über Heroin und Drogenmissbrauch.<br />

Und das <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Höhepunkt <strong>de</strong>r Hippieära. (Vgl. Collegrave und Sullivan 2005: 18-<br />

19)<br />

„Warhol hatte die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kunst <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Rock’n’Roll angewandt und Velvet<br />

Un<strong>de</strong>rground war eine künstlerische Installation: Sie waren die Ersten, die das Publikum<br />

dazu brachten, die konventionelle Unterhaltung in Frage zu stellen – dadurch<br />

47


schufen sie die Ethik, die zum Herz <strong>de</strong>s Punkrocks wur<strong>de</strong>.“ (Collegrave und Sullivan<br />

2005: 19)<br />

Velvet Un<strong>de</strong>rground beeinflussten auch Bands wie die „Stooges“ und „MC5“, die<br />

selber zu Schwergewichten <strong>de</strong>r Punkrockszene wur<strong>de</strong>n. Eine Band, die ebenfalls von<br />

großer Be<strong>de</strong>utung war, nannte sich die „New York Dolls“. Sie waren bekannt für<br />

Drogen- und Alkoholexzesse, sahen aus wie Transvestiten und inspirierten Bands<br />

wie die legendären „Ramones“ und „the Clash“. Die New York Dolls dienten Malcolm<br />

McLaren auch als Vorlage für die Sex Pistols, abgesehen von ihrem Outfit. Die<br />

Dolls lösten sich 1975 <strong>auf</strong> und so versuchten unzählige an<strong>de</strong>re Bands, in <strong>de</strong>ren Fußstapfen<br />

zu treten. Das „CBGB’s“ wur<strong>de</strong> dabei zum Herz <strong>de</strong>r New Yorker Punkrockszene<br />

und bot Bands wie <strong>de</strong>n Ramones, <strong>de</strong>n „Dead Boys“ und „Patti Smith“<br />

Auftrittsmöglichkeiten. Die Bewegung war also schon längst aktiv, doch <strong>im</strong>mer noch<br />

namenlos. Dies sollte sich allerdings än<strong>de</strong>rn, als sich <strong>de</strong>r Autor Legs McNeil und <strong>de</strong>r<br />

Illustrator John Holmstrom zusammentaten und das Fanzine Punk grün<strong>de</strong>ten und so<br />

<strong>de</strong>r Bewegung ihren gleich lauten<strong>de</strong>n Namen verpassten.<br />

In England benannten 1975 Vivienne Westwood und Malcom McLaren ihren Kleidungsla<strong>de</strong>n<br />

in ‚Sex’ um. Sie verk<strong>auf</strong>ten dort Bondagekleidung und an<strong>de</strong>re Fetischmo<strong>de</strong><br />

und <strong>de</strong>r La<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> bald zum beliebten Szenetreff <strong>de</strong>r Londoner Punkszene.<br />

McLaren baute von dort auch die Sex Pistols <strong>auf</strong>, die am Anfang ihrer Karriere<br />

Songs von <strong>de</strong>n Faces und Monkees coverten. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres 1975 wur<strong>de</strong>n<br />

die Massenmedien <strong>auf</strong> das Phänomen Punk <strong>auf</strong>merksam und von diesem Zeitpunkt<br />

an, verbreitete sich ein neuer Musik- und Lebensstil. (Vgl. Collegrave und Sullivan<br />

2005: 19)<br />

London<br />

god save the queen<br />

the fashist reg<strong>im</strong>e<br />

they ma<strong>de</strong> you a moron<br />

potential h-bomb<br />

god save the queen<br />

she ain’t no human being<br />

there is no future<br />

48


in england’s dreaming<br />

Don't be told what you want<br />

Don't be told what you need<br />

There's no future, no future,<br />

No future for you<br />

God save the queen<br />

We mean it man<br />

We love our queen<br />

God saves<br />

God save the queen<br />

'Cause tourists are money<br />

And our figurehead<br />

Is not what she seems<br />

Oh God save history<br />

God save your mad para<strong>de</strong><br />

Oh Lord God have mercy<br />

All cr<strong>im</strong>es are paid<br />

When there's no future<br />

How can there be sin<br />

We're the flowers in the dustbin<br />

We're the poison in your human machine<br />

We're the future, your future<br />

No future, no future,<br />

No future for you<br />

No future, no future,<br />

No future for me<br />

“Sex Pistols”, “God save the Queen”<br />

49


London spielte in <strong>de</strong>n Anfangsjahren 1976 und 1977 eine große Rolle in <strong>de</strong>r Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Punk. London hatte wie viele an<strong>de</strong>re große europäischen Städte mit <strong>de</strong>r<br />

Rezession zu kämpfen. Der städtischen Struktur von London konnte man <strong>de</strong>n wirtschaftlichen<br />

Nie<strong>de</strong>rgang <strong>de</strong>utlich ansehen. Überall stan<strong>de</strong>n Trümmerlandschaften,<br />

halb abgerissene Gebäu<strong>de</strong> und Wellblechkorridore, während <strong>im</strong> Hintergrund riesige<br />

Hochhäuser türmten. London hatte in <strong>de</strong>n 60er und 70er Jahren teilweise ganze<br />

Stadtviertel räumen lassen, um diese abzureißen und neu zu bauen. Durch die wirtschaftliche<br />

Krise konnte <strong>de</strong>r Neubau allerdings nicht verwirklicht wer<strong>de</strong>n und so<br />

best<strong>im</strong>mten Ruinen und leer stehen<strong>de</strong> Häuser die Landschaft von London. Die Punkszene<br />

liebte <strong>de</strong>n apokalyptischen Baustil <strong>de</strong>r Stadt und nutze die Möglichkeit, billig<br />

in <strong>de</strong>r Nähe vom Zentrum zu wohnen. (Vgl. Savage 2008: 41)<br />

Ein Text, <strong>de</strong>r das Lebensgefühl <strong>de</strong>r Punks von damals sehr gut wie<strong>de</strong>r spiegelt<br />

heißt „Dead Cities“ von “the Exploited”:<br />

Im getting wasted in this city<br />

Those council houses are getting me down<br />

Go up town see who’s there<br />

There’s nothing to do its getting me down<br />

Dead cities <strong>de</strong>ad cities<br />

Dead cities <strong>de</strong>ad cities<br />

Snarling and gobbing and falling around<br />

I really enjoy the freedom I’ve found<br />

My mates besi<strong>de</strong>s me lying on the ground<br />

His ears are bursting with the volume of sound<br />

London hatte mit the Clash und <strong>de</strong>n Sex Pistols zwei sehr große Punkbands in <strong>de</strong>r<br />

Stadt und die Szene verteilte sich <strong>auf</strong> die Stadtteile, in <strong>de</strong>nen die Bands wohnten. Die<br />

Sex Pistols kamen aus Chelsea und World’s End/Soho und the Clash kamen aus<br />

North Kesington/Ladbroke Grove. Die Sex Pistols wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r King’s Road 430<br />

<strong>im</strong> La<strong>de</strong>n von Vivienne Westwood und Malcom McLaren gegrün<strong>de</strong>t. Die Sex Pistols<br />

spielten ihre ersten Auftritte in abgelegenen Stadtteilen, in Stripclubs und Kunstschulen.<br />

Auftritte in Pubs waren eher die Ausnahme als die Regel. 1976 entwickelte sich<br />

50


<strong>de</strong>r Lesbenclub „Louise’s“ zu einem Szenetreffpunkt <strong>de</strong>r Punkszene. Hier spielten<br />

z.B. the Clash und the Sex Pistols. Homosexuelle und Punks wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

als empörend wahrgenommen und so spielten Punkbands oft in Schwulenclubs<br />

und Ähnlichem, da diese in <strong>de</strong>n Randbezirken <strong>de</strong>r Stadt lagen und so eine gewisse<br />

Freiheit erlaubten, was das Verhalten und das Aussehen betraf. Auch das<br />

„Chaguaramas“ entwickelte sich zu einem Knotenpunkt <strong>de</strong>r Punkszene. Während<br />

<strong>de</strong>m La<strong>de</strong>n vorher ein äußerst mieser Ruf anhaftete, ergab sich durch einen Skandal<br />

<strong>de</strong>r Sex Pistols <strong>im</strong> Fernsehen (sie hatten einen Mo<strong>de</strong>rator beleidigt, was <strong>im</strong> äußerst<br />

konservativen England für einen Eklat sorgte), die Möglichkeit, <strong>de</strong>r Punkszene eine<br />

Plattform für ihre Musik zu bieten. Vielen Punks wur<strong>de</strong>, <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>s Auftrittes <strong>de</strong>r<br />

Sex Pistols <strong>im</strong> Fernsehen, <strong>de</strong>r Eintritt in viele an<strong>de</strong>re Lokalitäten untersagt. Aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Verfalls und <strong>de</strong>r dubiosen Auftrittsmöglichkeiten <strong>de</strong>r Sex Pistols wur<strong>de</strong> London<br />

<strong>im</strong> Jahre 1976 zum Ziel vieler Jugendlicher.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer Teil von London, <strong>de</strong>r sehr wichtig für die damalige Punkszene war, hieß<br />

North Kensington. Hier gehörte <strong>de</strong>r Clash Sänger Joe Strummer zur<br />

Hausbesetzerszene, wie viele an<strong>de</strong>re Punks auch. Die Bandmitglie<strong>de</strong>r von the Clash<br />

wohnten in Ladbroke Grove, Notting Dale und <strong>de</strong>r Harrow Road. Die Atmosphäre<br />

<strong>de</strong>r verlassenen Viertel, die von <strong>de</strong>r einzigen Autobahn, welche in die Innenstadt<br />

führte, durschnitten wur<strong>de</strong>, beeinflusste nachhaltig die Musik von the Clash. 1976<br />

kam es be<strong>im</strong> Notting Hill Carnival zu Ausschreitungen zwischen <strong>de</strong>n Einwohnern<br />

(die meistens einen westindischen Hintergrund hatten) und <strong>de</strong>r Polizei. Durch diese<br />

Ereignisse wur<strong>de</strong>n the Clash zu ihrer ersten Single „White Riot“ inspiriert und auch<br />

das Cover ihrer ersten Platte zierte Polizisten mit Schlagstöcken, die durch Ladbroke<br />

Grove marschierten, während <strong>im</strong> Hintergrund die mächtige Autobahn Westway in<br />

<strong>de</strong>n H<strong>im</strong>mel thronte.<br />

1977 kam es zum Höhepunkt <strong>de</strong>r Punkära in London. Ausgerechnet zum Regierungsjubiläum<br />

<strong>de</strong>r Queen spielten die Sex Pistols <strong>auf</strong> einem Schiff <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Themse,<br />

ihren umstrittenen Song „Anarchy in the UK“.<br />

Die Plattenfirma <strong>de</strong>r Sex Pistols (Virgin) mietete ein Vergnügungsschiff mit <strong>de</strong>m<br />

Namen Queen Elizabeth, unter <strong>de</strong>m Vorwand, dass man eine <strong>de</strong>utsche<br />

Synthesizerband promoten wollte. Diese Synthesizerband waren natürlich die Sex<br />

Pistols und diese wollten ihre Single „God save the Queen“ bewerben. Die Aktion<br />

war ein voller Erfolg und die Single kam in die Charts, obwohl das Lied nicht <strong>im</strong><br />

51


Radio gespielt wur<strong>de</strong> und auch an<strong>de</strong>re Medien <strong>de</strong>n Song ablehnten. (Vgl. Savage<br />

2008: 41-46)<br />

„Als die Queen Elizabeth Richtung Parlament die Themse hin<strong>auf</strong>fuhr, begannen die<br />

Sex Pistols Anarchy in The U.K. zu spielen: ein außeror<strong>de</strong>ntlich symbolischer Augenblick,<br />

in <strong>de</strong>m die Band <strong>de</strong>n Anspruch erhob, dass sie das wahre Gesicht Englands<br />

sei und nicht die wi<strong>de</strong>rliche Nostalgie <strong>de</strong>s Silberjubiläums <strong>de</strong>r Queen.“ (Savage<br />

2008: 46-47)<br />

Die Presse berichtete damals über die Feierlichkeiten <strong>de</strong>r Queen und <strong>de</strong>r Königsfamilie<br />

einerseits und an<strong>de</strong>rerseits auch über die Provokation <strong>de</strong>r Sex Pistols. Viele junge<br />

Briten kamen sich damals vor, wie in <strong>de</strong>n 50er Jahren, als in England noch die traditionellen<br />

Klassenverhältnisse herrschten. Das Jubiläum <strong>de</strong>r Queen be<strong>de</strong>utete ihnen<br />

nichts und sie kamen sich belogen vor, da die Lebensverhältnisse in <strong>de</strong>n heruntergekommenen<br />

Vierteln davon zeugten, dass sich nichts verän<strong>de</strong>rt hatte. Punkrock war<br />

zwar pr<strong>im</strong>itiv, aber es ging in <strong>de</strong>n Texten um die Wahrheit und um die ungeschönte<br />

Realität. Die Schlüsselformationen in London um the Clash und <strong>de</strong>n Sex Pistols waren<br />

davon überzeugt, dass sich die Wahrheit in <strong>de</strong>n armen Vierteln abspielt, in <strong>de</strong>n<br />

vergessenen Außenbezirken und nicht in <strong>de</strong>n Vierteln <strong>de</strong>r reichen Leute. Während<br />

die Punks das London <strong>de</strong>r späten siebziger Jahre prägten und <strong>de</strong>n Freiraum nutzen,<br />

die die verlassenen Häuser boten, fand in <strong>de</strong>n frühen 80er Jahren eine radikale Erneuerung<br />

von London statt. Es gibt kaum mehr ein leer stehen<strong>de</strong>s Haus und London<br />

ist zu einer Stadt gewor<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r nur die Reichen es sich leisten können, in <strong>de</strong>r Nähe<br />

<strong>de</strong>r Innenstadt zu leben. Die einstigen Wahrzeichen <strong>de</strong>s Punk sind verschwun<strong>de</strong>n,<br />

o<strong>de</strong>r so entfrem<strong>de</strong>t, dass sich heute keiner mehr vorstellen kann, welche Wirkung<br />

gewisse Stadtteile <strong>auf</strong> die Punks ausübten. Die Wohnverhältnisse haben sich stark<br />

verbessert, aber <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite können sich heute kaum noch junge Leute,<br />

Künstler und Arme eine Wohnung in Nähe <strong>de</strong>s Zentrums leisten. Daher ist es sehr<br />

unwahrscheinlich, dass sich so etwas wie Punk wie<strong>de</strong>rholt. (Vgl. Savage 2008: 46-<br />

47)<br />

New York<br />

Punkrock entwickelte sich in <strong>de</strong>n 70er Jahren in <strong>de</strong>r New Yorker Innenstadt, in <strong>de</strong>r es<br />

eine große Kunstszene gab, weil die Mieten zu dieser Zeit sehr billig waren. Da New<br />

York finanziell sehr angeschlagen war, waren die Mieten so spottbillig, dass viele<br />

52


Künstler nur in Nebenjobs arbeiteten. Die Kunstszene und die Punkszene wiesen<br />

damals starke Figurationen <strong>auf</strong>. Die Künstler gingen abends in Bars, wo ihre Nachbarn<br />

mit ihrer Rock- bzw. Punkband spielten. Künstler wählten damals nicht ihren<br />

Beruf, um reich zu wer<strong>de</strong>n und die Kunstszene war auch um einiges kleiner als das<br />

heute <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

1975 bat New York <strong>de</strong>n damaligen Präsi<strong>de</strong>nten Gerald Ford um finanzielle Unterstützung<br />

und dieser lehnte die Bitte ab. Am nächsten Tag stand in <strong>de</strong>r New York<br />

Daily News die Schlagzeile: ‚Ford to City: Drop Dead’. Viele Industriegebiete waren<br />

von <strong>de</strong>n Firmen verlassen wor<strong>de</strong>n und so erinnerte die East Village von New York<br />

an das zerbombte Berlin <strong>im</strong> zweiten Weltkrieg. Die Stadt war gefährlich und <strong>de</strong>r<br />

Heroinhan<strong>de</strong>l blühte.<br />

Der Haupttreffpunkt für Künstler und Punks war damals das „Max’s“. Der Besitzer<br />

<strong>de</strong>s Max’s tauschte damals Kunst gegen Getränke. Andy Warhol und die Band Velvet<br />

Un<strong>de</strong>rground zogen 1970 über das Max’s. Viele Musiker waren Stammkun<strong>de</strong>n<br />

(z.B. „Alice Cooper“ und die New York Dolls) und auch bekannte Rockmusiker <strong>de</strong>r<br />

„Rolling Stones“ und von „Jefferson Airplane“ verkehrten <strong>im</strong> Max’s, wenn sie in<br />

New York waren. (Vgl. O’Brien 2008: 94)<br />

„New York war damals eine kleine Szene, doch sicherlich groß genug, dass Musiker<br />

und Künstler sich an verschie<strong>de</strong>nen Orten hätten treffen können, was sie aber nicht<br />

taten. Es gefiel ihnen so wie es war. Künstler und Musiker mischten sich gern. Eine<br />

Verschmelzung zeichnete sich ab.“ (O’Brien 2008: 95)<br />

Die Künstler und die Bands aus New York verban<strong>de</strong>n, <strong>im</strong> Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren<br />

Kunstschaffen<strong>de</strong>n in England und an <strong>de</strong>r Küste, Realismus in ihren Werken. So war<br />

z.B. <strong>de</strong>r Sound <strong>de</strong>r „Stooges“ hart und schnell. Den New York Dolls haftete gar <strong>de</strong>r<br />

Ruf an, dass sie überhaupt nicht fähig wären, Musik zu machen. Das Outfit <strong>de</strong>r Dolls<br />

war Trash pur. Die Musiker waren stark geschminkt, trugen High Heels und Pfadfin<strong>de</strong>runiformen<br />

und gingen völlig berauscht <strong>auf</strong> die Bühne. Die Message <strong>de</strong>r Band war<br />

unglaublich verschroben und die Dolls wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n USA ignoriert. Malcom McLaren<br />

führte die Dolls zwar unter seiner Führung als Manager zu großen Erfolgen in<br />

<strong>de</strong>r Londoner Szene, doch konnte auch er nicht verhin<strong>de</strong>rn, dass sich die New York<br />

Dolls gegen Mitte <strong>de</strong>r 70er Jahre <strong>auf</strong>lösten. Doch schon kurz dar<strong>auf</strong> sorgten Patti<br />

Smith und die Ramones für erneuten Wirbel <strong>im</strong> Max’s. Die Ramones spielten Songs<br />

selten länger als zwei Minuten und verwen<strong>de</strong>ten keine Gitarrensolos. (Vgl. O’Brien<br />

2008: 95-96)<br />

53


„Die Ramones waren das an<strong>de</strong>re entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Element, das die Punk-Musik-<br />

Ästhetik maßgeblich beeinflusste. Geklei<strong>de</strong>t wie männliche Strichjungen aus einem<br />

Warhol-Film (und die Charaktere aus ihrem Song 53rd &3rd) schufen sie etwas<br />

Neues.“ (O’Brien 2008: 96)<br />

Die Kunst- und die Punkszene bestand aus Kunststu<strong>de</strong>nten, sexuellen Min<strong>de</strong>rheiten,<br />

Leuten, die sich aus <strong>de</strong>m mittleren Westen in das Exil von New York geflüchtet haben<br />

und Flüchtlingen. Es wur<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer mehr Bands zu dieser Zeit gegrün<strong>de</strong>t und es<br />

entstan<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer neue Clubs, wie das „Mudd“, das „Danceteria“, „Tier 3“, „The<br />

Pyramid“ und natürlich das „CBGB’s“. Diese neuen Lä<strong>de</strong>n waren oft ausverk<strong>auf</strong>t,<br />

obwohl das Publikum zum größten Teil nur aus an<strong>de</strong>ren Bands, Künstlern und <strong>de</strong>ren<br />

Umfeld stammte. Der Punk aus <strong>de</strong>r Arbeiterklasse wusste meistens nicht von <strong>de</strong>n<br />

kulturellen Vorgängern und Vorbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Punkszene wie Andy Warhol o<strong>de</strong>r Amos<br />

Poe. (Vgl. O’Brien 2008: e.b.d.)<br />

„Der Punk gab sich nonkonformistisch. Motivation und Einflüsse waren seine Sache,<br />

die an<strong>de</strong>ren mussten sie erraten. Die Intelligenz <strong>de</strong>r Punkszene war ein harter Kern<br />

von Künstlern.“ (O’Brien 2008: e.b.d.)<br />

Chris Bur<strong>de</strong>n war ein Künstler, <strong>de</strong>r durch seine radikalen Performances tiefen Eindruck<br />

in <strong>de</strong>r Punkszene hinterließ. Es gab viele Schlüsselfiguren <strong>de</strong>r Punk- und New<br />

Waveszene, die zugleich Künstler waren, aber gleichzeitig auch als Musiker in<br />

Bands aktiv waren. Die Musiker und Künstler hatten in <strong>de</strong>n späten 70er und <strong>de</strong>n frühen<br />

80er Jahren dieselben Probleme. Plattenfirmen sowie Kunstgalerien bevorzugten<br />

Künstler mit großem Namen, selbst wenn sich kleinere Künstler bzw. Bands genau<br />

so gut verk<strong>auf</strong>en lassen wür<strong>de</strong>n. Aus diesem Grund begannen die Künstler bzw. die<br />

Bands damals, ihre eigenen Labels und Galerien zu grün<strong>de</strong>n. So entstan<strong>de</strong>n autonome<br />

Musiklabel, die zeigten, dass es sich lohnte, unbekannte Künstler zu för<strong>de</strong>rn und<br />

überall entstan<strong>de</strong>n neue Galerien, in <strong>de</strong>nen innovative Kunst präsentiert wur<strong>de</strong>n, die<br />

als Gegenkultur zum Mainstream angesehen wur<strong>de</strong>. Der Begriff Punk war damals<br />

noch nicht geläufig, für die Gegenkultur in Kunst und Musik. Erst als <strong>de</strong>r Cartoonist<br />

John Holmstrom zusammen mit <strong>de</strong>m Schriftsteller Legs McNeill und <strong>de</strong>r Fotografin<br />

Roberta Bayley, die gleichzeitig als Türsteherin <strong>im</strong> CBGB’s arbeitete, das Fanzine<br />

Punk herausbrachte, etablierte sich <strong>de</strong>r gleichnamige Begriff. Die Zeitschrift entstand<br />

<strong>im</strong> Umfeld <strong>de</strong>r Ramones, von „Blondie“ und <strong>de</strong>n „Dictators“. (Vgl. O’Brien 2008:<br />

e.b.d.).<br />

54


„Die Musik war klar vom Stil <strong>de</strong>r New York Dolls und <strong>de</strong>r Ramones beeinflusst,<br />

aber die Mo<strong>de</strong> war ganz und gar von London geprägt.“ (O’Brien 2008: e.b.d.)<br />

Die Ramones beeinflussten mit ihrer Musik auch viele Psychobillybands. Das verwun<strong>de</strong>rt<br />

kaum, da die Ramones in einigen Songs über Ufos, B-Movies und Horrorthemen<br />

sangen. Diese Thematik ist in <strong>de</strong>r Psychobillyszene sehr populär und so überrascht<br />

es nicht, dass berühmte Psychobands wie „the Meteors“ („Somebody put something<br />

in my drink“ <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r CD „Only the Meteors are pure Psychobilly“ und „Mad<br />

Sin“ („She is the one“ <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r CD „Young Dumb and Snotty“) Songs von <strong>de</strong>n<br />

Ramones covern. Einer <strong>de</strong>r berühmtesten Songs <strong>de</strong>r Ramones heißt „Pet Cemetery“<br />

(<strong>im</strong> gleichnamigen Musikvi<strong>de</strong>o gibt sich auch <strong>de</strong>r Horrorautor Stephen King die Ehre,<br />

<strong>de</strong>r bekennen<strong>de</strong>r Ramones Fan ist):<br />

"Pet Sematary"<br />

Un<strong>de</strong>r the arc of a weather stain boards,<br />

Ancient goblins, and warlords,<br />

Come out of the ground, not making a sound,<br />

The smell of <strong>de</strong>ath is all around,<br />

And the night when the cold wind blows,<br />

No one cares, nobody knows.<br />

[CHORUS]<br />

I don't want to be buried in a Pet Sematary,<br />

I don't want to live my life again,<br />

I don't want to be buried in a Pet Sematary,<br />

I don't want to live my life again.<br />

Follow Victor to the sacred place,<br />

This ain't a dream, I can't escape,<br />

Molars and fangs, the clicking of bones,<br />

Spirits moaning among the tombstones,<br />

And the night, when the moon is bright,<br />

Someone cries, something ain't right.<br />

55


The moon is full, the air is still,<br />

All of a sud<strong>de</strong>n I feel a chill,<br />

Victor is grinning, flesh rotting away,<br />

Skeletons dance, I curse this day,<br />

And the night when the wolves cry out,<br />

Listen close and you can hear me shout.<br />

So schreibt “Koefte”, <strong>de</strong>r Sänger von Mad Sin, <strong>im</strong> Booklet von <strong>de</strong>r CD “young dumb<br />

and snotty” (2005): “With 10 years of age I was already into music. My favourite<br />

bands where Kiss, The Ramones and all kind of early punk stuff.”<br />

Auch <strong>im</strong> Interview mit <strong>de</strong>m Psychobillyfanzine “Psychomania”, in <strong>de</strong>m Koefte über<br />

die Inspiration zum neuen Mad Sin Album „Burn and Rise“ (2010) interviewt wird,<br />

gibt er wie<strong>de</strong>r die Ramones als eine Inspirationsquelle an: „Naja ansonsten natürlich<br />

die Musik von the Meteors, „Motörhead“, Ramones, Eddie Cochran, Gene Vincent,<br />

„Torment“, Demented Are Go…“ (Psychomania Fanzine, No. 7, Winter/Spring<br />

2010: 11).<br />

Im selben Fanzine äußert auch <strong>de</strong>r „Quakes“ (the Quakes waren die erste<br />

Psychobillyband in <strong>de</strong>n USA) Frontmann Paul Roman seine Ansichten über die<br />

Ramones: „Es ist schwierig, <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r mit etwas Neuem und Frischem zu kommen-<br />

und so einfach <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r über die Jahre die selbe Sache zu machen, wie die<br />

Ramones (übrigens kein Angriff <strong>auf</strong> die Ramones- die waren ein grosser Einfluss 1-<br />

2-3-4!)“ (Psychomania Fanzine, No. 7, Winter/Spring 2010: 149).<br />

Auch Peter Paul Fenech, <strong>de</strong>r selbsternannte „King of Psychobilly“ und Sänger von<br />

<strong>de</strong>n Meteors, antwortete <strong>auf</strong> die Frage, was er privat für Musik hört: „Ansonsten höre<br />

ich viel von Gene Vincent, Eddie Cochran, Johnny Cash, Motörhead und Ramones“<br />

(Psychomania Fanzine, No. 2, Frühjahr 2006: 13).<br />

56


3.3. Rockabillies, Teddyboys und Halbstarke<br />

3.3.1. Rockabillies<br />

Zur Geschichte <strong>de</strong>r Rockabillies<br />

Elvis Presley goss mit <strong>de</strong>n Musikern Scotty Moore und Bill Black das Fundament für<br />

Rock`n`Roll. Durch ihre erste Platte “That’s all right (mama)” / “Blue Moon of Kentucky“<br />

weckten sie in <strong>de</strong>n 50er Jahren die Begeisterung für <strong>de</strong>n neuen Musikstil.<br />

Dabei muss man <strong>de</strong>n geschichtlichen Kontext beachten, <strong>de</strong>r diese Entwicklung begünstigte.<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 40er und Anfang <strong>de</strong>r 50er Jahre herrschte in <strong>de</strong>n USA <strong>im</strong>mer<br />

noch eine strenge Rassentrennung, die sich auch <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Musikbereich auswirkte. So<br />

hörten die Weißen, weiße Musik wie Country und die Schwarzen, schwarze Musik<br />

wie Rhythm& Blues. Durch Elvis Presley begeisterte sich auch die weiße Jugend für<br />

<strong>de</strong>n lebenslustigen Rhythm & Blues. Durch seinen ersten Auftritt <strong>im</strong> Fernsehen, <strong>im</strong><br />

Januar 1956, beeinflusste und begeisterte Elvis Presley mit seiner Show voller Sexappeal<br />

ein Millionenpublikum und prägte so <strong>de</strong>n Rockabilly, obwohl auch an<strong>de</strong>re<br />

Musiker (z.B. Carl Perkins und das Rock’n`Roll Trio) zu dieser Zeit ähnliche Musik<br />

spielten. (Vgl. El-Nawab 2007: 235)<br />

Elvis Presley erreichte viel mehr Ruhm und Aufmerksamkeit als seine damaligen<br />

Musikkollegen Bill Haley („Rock around the clock“), Buddy Holly und Carl Perkins,<br />

weil er <strong>de</strong>n Sex <strong>auf</strong> die Bühne gebracht hat und um einiges rebellischer wirkte. Die<br />

Konkurrenz von Elvis wirkte einfach zu bie<strong>de</strong>r und nicht wild genug. (Vgl. El-<br />

Nawab 2005: 18)<br />

„Und Elvis ist ein Verführer, <strong>de</strong>r nicht nur Sex, son<strong>de</strong>rn auch Romantik verspricht.<br />

Er brachte <strong>im</strong> zeithistorischen Zusammenhang mit Filmen wie „Rebel without a<br />

cause“ und „the wild one“ eine rebellische Haltung in die Musik, die ein neues Lebensgefühl<br />

<strong>de</strong>r Jugendlichen <strong>auf</strong>weckte.“ (El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Elvis Presleys Tanzeinlagen wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Zeit <strong>im</strong>mer ausgelassener und nach einer<br />

beson<strong>de</strong>rs wil<strong>de</strong>n Performance von „Hound Dog“ wur<strong>de</strong> er von <strong>de</strong>r Öffentlichkeit als<br />

obszön und jugendgefähr<strong>de</strong>nd wahrgenommen. Elvis bemühte sich dar<strong>auf</strong>hin um ein<br />

57


averes Image und konnte die Öffentlichkeit 1957 mit seiner Balla<strong>de</strong> „Love me ten<strong>de</strong>r“<br />

wie<strong>de</strong>r besänftigen. Elvis wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> gleichnamigen Kinofilm zum Filmstar und<br />

seine Band löste sich <strong>auf</strong>.<br />

Neben <strong>de</strong>n berühmten Namen <strong>de</strong>s Rock’n’Roll wie Elvis Presley, Buddy Holly, Jerry<br />

Lee Lewis, Gene Vincent, Eddie Cochran und Carl Perkins, prägten weitaus erfolglosere<br />

Künstler wie das „Johnny Burnette Trio“ Rockabilly nachhaltig. Die Lie<strong>de</strong>r<br />

dieser Band, die 1956 kreiert wur<strong>de</strong>n, wie z.B. „Tear it up“, „Train kept a-rollin“ und<br />

„Lonesome Train“ erreichten erst viele Jahre später eine große Be<strong>de</strong>utung für die<br />

Rockabillyszene.<br />

Jerry Lee Lewis war genau wie Elvis ein Künstler, <strong>de</strong>r mit seiner lei<strong>de</strong>nschaftlichen<br />

Performance und seinem Sex-Appeal die Jugend euphorisierte. Sein Titel „Great<br />

Balls of Fire“ verhalf ihm zum Erfolg, <strong>de</strong>r aber ein abruptes En<strong>de</strong> nahm, als Lewis<br />

ein 13-jähriges Mädchen heiratete. An<strong>de</strong>re Rock’n’Roller starben bei Flugzeugabstürzen<br />

(Buddy Holly, Big Bopper, Ritchie Valens) o<strong>de</strong>r Autounfällen (Eddie Cochran).<br />

Little Richard hingegen zog sich aus <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zurück. Der populäre<br />

Radio DJ Alan Freed musste seine Karriere been<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m es bei einigen von<br />

ihm organisierten Konzerten zu Ausschreitungen kam und Bestechungsvorwürfe laut<br />

wur<strong>de</strong>n. Der Gesellschaft war Freed ein Dorn <strong>im</strong> Auge, da er sehr viel für die Popularisierung<br />

von schwarzer Musik bei Weißen geleistet hat. Freed wur<strong>de</strong> auch nachgesagt,<br />

dass er <strong>de</strong>n Begriff Rock’n`Roll berühmt gemacht hat. Er organisierte viele<br />

Auftrittsmöglichkeiten für schwarze Musiker, was ihn bei <strong>de</strong>n Rassisten sehr unbeliebt<br />

gemacht hat. Daher stand Freed allgemein <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> <strong>de</strong>r Kritik, da die Öffentlichkeit<br />

ihm vorwarf, mit seiner Sendung die weiße Jugend zu ver<strong>de</strong>rben. (Vgl. El-<br />

Nawab 2005: 21- 22)<br />

„Die erwachsene Öffentlichkeit entledigte sich eines Provokateurs, <strong>de</strong>nn man betrachtete<br />

Rock’n’Roll nicht nur als Gefährdung von Anstand und Sittlichkeit, son<strong>de</strong>rn<br />

auch als vulgäre, obszöne ‚Affenmusik’. Als ‚Niggermusik`, die die Jugend<br />

ver<strong>de</strong>rbe.“ (El-Nawab 2005: 22)<br />

Die Entstehung <strong>de</strong>s Begriffes „Rockabilly“ ist nicht klar. 1956 wur<strong>de</strong> z.B. <strong>de</strong>r Begriff<br />

Rockabilly <strong>im</strong> Song „Rock Billy Boogie“ vom Rock’n’Roll Trio verwen<strong>de</strong>t,<br />

aber es nicht geklärt, wer <strong>de</strong>n Begriff zuerst verwen<strong>de</strong>t bzw. erfun<strong>de</strong>n hat. In <strong>de</strong>n<br />

50er und 60er Jahren waren die Begriffe „Rock’n’Roll“ und „Hillbilly Bop“ populärer.<br />

Der Begriff „Rockabilly“ besteht aus <strong>de</strong>n Wörtern „Rock’n`Roll“ und „Hillbilly“.<br />

Das Wort „Hillbilly“ setzt sich aus <strong>de</strong>n Wörtern „hill“ (Hügel <strong>auf</strong> Englisch) und<br />

58


„billy“ zusammen (Billy steht für die Kurzform von William und ist vergleichbar mit<br />

<strong>de</strong>utschen Namen wie Michael o<strong>de</strong>r ähnliches). Hillbilly ist auch eine Beleidigung<br />

für Leute aus <strong>de</strong>n Südstaaten <strong>de</strong>r USA mit ihrer Cowboy Musik und steht für nicht<br />

sehr schmeichelhafte Begriffe wie „Lan<strong>de</strong>ier“ und „Hinterwäldler“. Die musikalischen<br />

Bestandteile vom Rockabilly reichen über Western Swing, Bluegrass, Country<br />

Boogie, Honky Tonk und Hillbilly. (Vgl. El-Nawab 2007: 235-236)<br />

„Das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Merkmal von Rockabilly aber war <strong>de</strong>r Schuss Rebellion und die<br />

schwarzen Rhythm-&-Blues-Einflüsse, die er in sich trägt:(…).“ (El-Nawab 2007:<br />

236)<br />

Die typischen Instrumente von Rockabilly waren Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug,<br />

die gelegentlich durch Saxophon, Country- und Percussion-Instrumente und<br />

Klavier unterstützt wur<strong>de</strong>n. Die Thematik <strong>de</strong>r Songs drehte sich um Liebe, Tanzen,<br />

Sex, Party, Dates und Kleidung. (Vgl. El-Nawab 2007: 237)<br />

„Kennzeichnend für Rockabilly ist <strong>de</strong>r hart und rhythmisch geschlagene Kontrabass,<br />

<strong>de</strong>r ein Schlagzeug oft überflüssig macht und mit Gitarre und Gesang <strong>de</strong>n typischen<br />

Kern <strong>de</strong>r Musik bil<strong>de</strong>t.“ (El-Nawab 2007: e.b.d.)<br />

Rock’n’Roll verkörperte für die damalige Jugend Freiheit und einen Ausweg zum<br />

spießigen und beschränkten Leben <strong>de</strong>r Eltern. Eine Möglichkeit zum Ausbrechen.<br />

Für die Eltern hingegen war Rock’n’Roll Teufelszeug, und er beunruhigte sie. Eine<br />

große Rolle für <strong>de</strong>n Erfolg von Rock’n’Roll hat die geschickte Vermarktung gespielt,<br />

da kluge Geschäftsleute schnell merkten, dass die K<strong>auf</strong>kraft von Jugendlichen gut<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Obwohl es beliebte Musikerinnen wie Brenda Lee, Janis Martin, Rose Maddox, Lorrie<br />

Collins und Wanda Jackson gab, erschien Rockabilly eher als Männerdomäne.<br />

Das lag daran, dass die weiblichen Musikerinnen, trotz wil<strong>de</strong>r Bühnenshow, von <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit nicht als Gefahr gesehen wur<strong>de</strong>n, da ihr ruhiges Privatleben <strong>im</strong> Kontrast<br />

zu ihrer Bühnenperformance stand.<br />

Ganz an<strong>de</strong>rs war die Wahrnehmung <strong>de</strong>r Öffentlichkeit bei Gene Vincent. Er hatte<br />

<strong>de</strong>n Ruf, ein beson<strong>de</strong>rs wil<strong>de</strong>r Rebell zu sein und durch sein gefährliches, gewalttätiges<br />

Image gilt er als <strong>de</strong>r erste Punk. Rockabilly wird von Morrison als Punkrock <strong>de</strong>r<br />

50er Jahre gesehen, da die Musik wild und energiegela<strong>de</strong>n war, und die Künstler<br />

einfache Instrumente benutzen und nur begrenzte musikalische Fähigkeiten hatten.<br />

(Vgl. El-Nawab 2007: e.b.d.)<br />

59


Morrison schrieb folgen<strong>de</strong>s über Gene Vincent:<br />

„His <strong>im</strong>age is of a wild, tough, hedonistic working-class man with a greasy hairdo an<br />

a mean streak who is dangerous with women and cars, a man who runs alone or with<br />

a gang (the band) and insists on doing exactly what he wants- dancing, cruising, and<br />

racing in cars – regardless of girlfriends’ wishes or society’s standards, while consuming<br />

and enjoying society’s material comforts and toys. This appealed to certain<br />

fans, mostly male, the same ones taken by Marlon Brandon in The Wild One. In real<br />

life, bad publicity about his drinking, tax evasion, money problems, and wild life<br />

scared promoters.” (El-Nawab 2007: 238, zit. nach Morrison 1998: 125)<br />

Gene Vincent brachte das Rebellen<strong>im</strong>age in die Musik, welches Marlon Brando <strong>im</strong><br />

Film `The Wild One’ verkörperte. Das Rebellen<strong>im</strong>age wird auch heute noch gepflegt<br />

von Neo-Rockabillybands wie the Stray Cats und <strong>de</strong>m Rockabilly Jungen von Nebenan<br />

in <strong>de</strong>r Kneipe. Bei <strong>de</strong>n Rock’n’Roll Stars war zu dieser Zeit das Macho-Image<br />

sehr verbreitet. Während Elvis Presley in seinem Song „I got a women“ davon sang,<br />

dass <strong>de</strong>r Platz einer Frau zu Hause ist, behauptete Jerry Reed in „I have had enough“<br />

sogar, dass die Frau sein privates Eigentum ist. (Vgl. El-Nawab 2007: e.b.d.)<br />

Eddie Cochran hatte über Frauen auch seine sehr eigene Betrachtungsweise, welche<br />

er in seinem Song „My Way“ präsentierte:<br />

“Well listen pretty baby<br />

Let’s go out tonight<br />

Tell your mama not to worry<br />

Everything’s gonna be allright<br />

Don’t let me hear you talkin’<br />

Just be there when I call<br />

Cause what I do I do my way<br />

Or it won’t be done at all<br />

Oh little girl<br />

Better hear what I say<br />

I’m an easy going guy<br />

But I always gotta have my way<br />

I was born a tiger<br />

I always had my way<br />

Nobody’s gonna change me<br />

60


This or any other day<br />

Don’t let me hear you argue<br />

When I say frog you jump<br />

‘Cause a women ain’t been born yet<br />

That can play me for a chump<br />

O little girl(…)<br />

Well don’t ask me for reasons<br />

Don’t ever won<strong>de</strong>r why<br />

When I walk away and leave you<br />

I don’t wanna see you cry<br />

I’ve done a lot of planning<br />

Got a lot of things to do<br />

So don’t give me no trouble<br />

Or you and I are through<br />

Oh little girl(…)” (El-Nawab 2005: S.24-25)<br />

Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50er Jahre hatte <strong>de</strong>r Rock’n’Roll durch die Kommerzialisierung<br />

seine Ecken und Kanten verloren und verlor massiv an Be<strong>de</strong>utung. Doch <strong>im</strong> L<strong>auf</strong>e<br />

<strong>de</strong>r Jahrzehnte gab es <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r Revivals, wie z.B. in <strong>de</strong>n 90er Jahren in <strong>de</strong>n<br />

USA, welches durch Swing Musik ausgelöst wur<strong>de</strong>. In Europa und ganz beson<strong>de</strong>rs in<br />

Großbritannien hingegen, wur<strong>de</strong> Rockabilly nie ganz vergessen. (Vgl. El-Nawab<br />

2007: 238-239)<br />

Rockabilly-Revivals<br />

In <strong>de</strong>n 70er Jahren erlebte Rockabilly ein Revival, welches in England startete, sich<br />

dann in <strong>de</strong>n USA ausbreitete und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er/Anfang <strong>de</strong>r 80er Jahre schließlich<br />

Deutschland erreichte. Auch die Massenmedien (in Deutschland z.B. die Bravo) berichteten<br />

über Rockabilly und so wur<strong>de</strong> Rock’n’Roll wie<strong>de</strong>r populärer. Eine <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten und einflussreichsten Bands dieser Zeit waren die Stray Cats, die mit<br />

ihrem Neo-Rockabilly für Aufsehen sorgten. (Vgl. El-Nawab 2005: 31)<br />

“Stray Cats”, „Stray Cat Strut“ (1981)<br />

“Black and organge stray cat sittin’ on a fence<br />

Ain’t got enough dough to pay the rent<br />

61


I’m flat broke but I don’t care<br />

I strut right by with my tail in the air<br />

Stray cat strut<br />

I’m a ladies cat<br />

I’m a feline casanova, hey man that’s that<br />

Get a shoe thrown at me from a mean old man<br />

Get my dinner from a garbage can<br />

(…)<br />

I don’t bother chasing mice around<br />

I sink down the alley lookin’ for a fight<br />

Howlin’ to the moon on a hot summer night<br />

Singing the blues while the ladys cats cry:<br />

“Wild stray cat you’re a real gone guy!”<br />

I wish I could be as carefree and wild<br />

But I got cat class and I got cat style” (El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Der Anfang <strong>de</strong>r 80er Jahre war eine Zeit, in <strong>de</strong>r sehr viel Bewegung und Verän<strong>de</strong>rung<br />

in Jugendsubkulturen in Deutschland herrschte. Die äußerst heterogenen <strong>Subkulturen</strong><br />

wie Gothics, Rockabillys, Skinheads und Punks vertrugen sich nur kurze<br />

Zeit untereinan<strong>de</strong>r und es entwickelten sich teilweise tiefe Gräben zwischen <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Szenen. Es gab viel Gewalt und diese trieb viele Leute aus <strong>de</strong>n diversen Szenen<br />

heraus. Anfang /Mitte <strong>de</strong>r 90er Jahre kam erneut Bewegung in die<br />

Rockabillyszene und es kam zu stilistischen Verän<strong>de</strong>rungen. Bewährte Kleidungsstücke,<br />

wie Holzfällerhem<strong>de</strong>n, Le<strong>de</strong>rjacken und Petticoats wur<strong>de</strong>n nicht mehr von<br />

allen getragen, und es kam zu modischen Splits innerhalb <strong>de</strong>r Szene. So gab es nach<br />

wie vor eine harte Le<strong>de</strong>rjacken- und Teds-Fraktion, doch legte sich ein Teil <strong>de</strong>r Rockabillys<br />

authentische, schicke Kleidung aus <strong>de</strong>n 30er, 40er und 50er Jahren zu. Diese<br />

Rockabillys wer<strong>de</strong>n Hepcats und Jiver genannt. Jiver tragen bevorzugt Kleidung<br />

aus <strong>de</strong>n 30er und 40er Jahren. Der Begriff bezieht sich <strong>auf</strong> Jazzmusik und <strong>de</strong>n dazugehörigen<br />

Tanz Jive. Hepcat ist ein amerikanischer Slangausdruck, <strong>de</strong>r soviel be<strong>de</strong>utet<br />

wie ‚eingeweiht` und ‚<strong>auf</strong> <strong>de</strong>m l<strong>auf</strong>en<strong>de</strong>n’ zu sein. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite steht <strong>de</strong>r<br />

Begriff auch für Jazzfans. Der Kleidungsstil (elegante, weite Hosen, lange Jackets<br />

und Hüte) von schwarzen Jugendlichen aus <strong>de</strong>r Swing, Rhythm-&-Blues Szene <strong>de</strong>r<br />

30er und 40er Jahre, dient einem großen Teil <strong>de</strong>r Rockabillyszene heute als Vorbild.<br />

62


In <strong>de</strong>r Rockabillyszene wandten sich einige Leute von Neo-Rockabilly <strong>de</strong>r 80er Jahre<br />

ab und ent<strong>de</strong>ckten ihre Vorliebe für die die 40er und 50er Jahre. Dieser Hang zum<br />

‚authentischen Stil’ bezieht sich sowohl <strong>auf</strong> die Musik als auch <strong>auf</strong> Autos, Kleidungsstücke,<br />

Einrichtungsgegenstän<strong>de</strong> und Möbel. (Vgl. El-Nawab 2005: 31-32)<br />

„Mit diesen stilistischen Wan<strong>de</strong>l bzw. dieser „Rückbesinnung“ geht häufig auch ein<br />

Wan<strong>de</strong>l <strong>im</strong> Selbstverständnis einher, das viele Ex-Teds und Rockabillies dazu veranlasst,<br />

sich nun als „Hepcats“ zu verstehen. An<strong>de</strong>re versuchen <strong>de</strong>n stilistischen Haarspaltereien<br />

zu entgehen, in<strong>de</strong>m sie sich einfach als Rock’n’Roller bezeichnen, weil es<br />

die allgemeinste Bezeichnung bleibt.“ (El-Nawab 2005: 32)<br />

Swing erlebte in <strong>de</strong>n 90er Jahren in <strong>de</strong>n USA ein großes Revival und so ent<strong>de</strong>ckten<br />

viele Punks, aber auch ‚normale“ Leute ihre Vorliebe für diese Musikrichtung. Dadurch<br />

bekam auch die Rockabillyszene mehr Beachtung und während die Swing-<br />

Welle wie<strong>de</strong>r abebbte, hat sich die Rock’n’Roll Szene vergrößert. Diese Szene ist<br />

auch sehr heterogen und besteht aus Greasern, Rockabillies, Hepcats, Punk’n’Rollern<br />

und Psychobillies.<br />

Die Rockabillieszene in Deutschland hingegen ist an einem Tiefpunkt angekommen<br />

und wird <strong>im</strong>mer älter. Eine interessante Entwicklung in dieser Szene ist das Abnehmen<br />

von Gewalt bei gleichzeitiger Zunahme von schicken, ‚authentischen’ Kleidungsstücken.<br />

(Vgl. El-Nawab 2005, e.b.d.)<br />

3.3.2. Teddyboys<br />

Die Teddyboys in Großbritannien<br />

1952/1953 sorgten die Teds das erste Mal für Aufsehen in London. Teds waren Jugendliche<br />

aus <strong>de</strong>r Arbeiterklasse, die sich bewusst <strong>im</strong> Kontrast zu ihrer Herkunft<br />

geklei<strong>de</strong>t haben. Damals war <strong>de</strong>r ‚Edwardian Style’ (benannt nach Prinz Edward)<br />

sehr beliebt bei <strong>de</strong>n Snobs und Dandies. Die Teds ent<strong>de</strong>ckten diese Mo<strong>de</strong> für sich<br />

und klei<strong>de</strong>ten sich in Jackets in Bonbonfarben mit Samtkragen, Röhrenhosen und<br />

Creepers (Wildle<strong>de</strong>rschuhe mit dicken Sohlen). Die Haare wur<strong>de</strong>n nach hinten gekämmt<br />

und <strong>de</strong>r lange Pony zur Tolle frisiert. Dazu trugen sie Kotletten. Während die<br />

Teds anfangs für ihr extravagantes Outfit belächelt wur<strong>de</strong>n, än<strong>de</strong>rte sich <strong>de</strong>r Ruf <strong>de</strong>r<br />

Teds recht schnell, da sie keiner Schlägerei aus <strong>de</strong>m Weg gegangen sind. Bald eilte<br />

ihnen <strong>de</strong>r Ruf voraus, dass sie kr<strong>im</strong>inell und aggressiv wären. Kein Snob wollte mehr<br />

aussehen wie ein Ted. Die Teds ent<strong>de</strong>ckten <strong>de</strong>n Rock’n`Roll für sich als Musik und<br />

63


durch Randale bei Konzerten zementierten sie ihren schlechten Ruf in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit.<br />

Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50er Jahre war die Zeit <strong>de</strong>r Teds vorbei und es bil<strong>de</strong>ten sich<br />

Nachkommenschaften: Die Mods und die Rocker.<br />

Bei <strong>de</strong>n Rockern han<strong>de</strong>lte es sich um Jugendliche, die vom Kleidungsstil her Marlon<br />

Brando in „the wild one“ nacheiferten, Mottorad fuhren, in kleinen Clubs organisiert<br />

waren und Rock’n’Roll hörten. Mit <strong>de</strong>r heutigen Vorstellung von Rockern, wie <strong>de</strong>n<br />

Hells Angels, hatten sie nicht viel gemeinsam. Die Rocker bil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n eher konservativeren<br />

Gegenpol zu <strong>de</strong>n Mods. Diese bei<strong>de</strong>n Gruppen entwickelten schnell Differenzen<br />

untereinan<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r Streit, <strong>de</strong>r sich in erster Linie um stilistische Elemente<br />

drehte, eskalierte Anfang <strong>de</strong>r 60er Jahre, in Unruhen an englischen Küstenorten.<br />

(Vgl. El-Nawab 2007: 239-241)<br />

„Die Rocker konnten die androgyne Attitü<strong>de</strong> und das schnieke, gelackte Aussehen<br />

<strong>de</strong>r Mods nicht ertragen, das erschien ihnen als unmännlich, und damit waren die<br />

Mods in ihren Augen schwul. Umgekehrt verachteten die Mods die Schmud<strong>de</strong>ligkeit<br />

und Grobheit <strong>de</strong>r konservativen Rocker.“(El-Nawab 2007: 241)<br />

Da die Medien die Kämpfe am englischen Strand zwischen <strong>de</strong>n rivalisieren<strong>de</strong>n<br />

Tednachfolgern hochpuschte, blieben die Teds bis zu <strong>de</strong>n 70er Jahren das Synonym<br />

für Rowdy’s in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Erst als die Skinheads und Punks die Bürger in<br />

Aufruhr versetzten, verän<strong>de</strong>rte sich die öffentliche Meinung zu <strong>de</strong>n Teds. Während<br />

die erste Ted Generation als Untergang von Großbritannien gehan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>, betrachtete<br />

die Öffentlichkeit die nachfolgen<strong>de</strong> Ted Generation mit viel mehr Toleranz.<br />

Die alten Teddyboys und die Arbeiter <strong>de</strong>klarierten die 50er Jahre als gute alte Zeit,<br />

und so wur<strong>de</strong> eine Subkultur, die einmal für Bedrohung und Verän<strong>de</strong>rung gestan<strong>de</strong>n<br />

hat, zu einem Stück geschichtlicher Kontinuität.<br />

In <strong>de</strong>n 70er Jahren kriselte die Wirtschaft in Großbritannien und die Angst in <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung vor schwarzen Einwan<strong>de</strong>rern, die als Bedrohung für Arbeit und Wohnungen<br />

gesehen wur<strong>de</strong>n, nahm zu. Hebdige ist <strong>de</strong>r Meinung, dass die zweite Generation<br />

<strong>de</strong>r Teds ihre Wurzeln vergessen hatten und ihre Aggressionen und ihr Macho-<br />

Gehabe nur <strong>auf</strong>gesetzt hatten, da sie konservativ waren und keine Rebellen, wie die<br />

erste Generation. Ebenfalls ist Hebdige (1983) <strong>de</strong>r Meinung, dass man die zweite<br />

Generation separat betrachten müsse, da es sich um einen ganz an<strong>de</strong>ren geschichtlichen<br />

Kontext han<strong>de</strong>lte. Fyvel (1969) sah die Teddyboys als Arbeiterjugend an, die<br />

gegen die Gesellschaft rebellierte, weil diese ihnen etwas vorenthielt. Das Kopieren<br />

<strong>de</strong>s Dandystiles von <strong>de</strong>r armen Proletariatsjugend sieht er als Symbol <strong>de</strong>s sozialen<br />

64


Aufstan<strong>de</strong>s. Zu<strong>de</strong>m meint Fyvel, dass die Arbeiterjungs durch <strong>de</strong>n Teddyboystyle zu<br />

Kr<strong>im</strong>inellen stigmatisiert wur<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> Tedgenerationen waren in Großbritannien<br />

an Angriffen <strong>auf</strong> schwarze Auslän<strong>de</strong>r beteiligt. Das war in <strong>de</strong>n USA nicht <strong>de</strong>r Fall,<br />

allerdings herrschte dort allgemein ein rassistisches Kl<strong>im</strong>a, welches <strong>de</strong>n Alltag best<strong>im</strong>mte.<br />

Einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> warum Rock’n’Roll so viel Beachtung fand (positiv wie<br />

negativ), war, dass dieser neue Musikstil die schwarze und die weiße Kultur vereinte.<br />

Die modifizierten Nachfolger <strong>de</strong>r Teds wur<strong>de</strong>n die Rockabillies. (Vgl. El-Nawab<br />

2007: 241-242)<br />

3.3.3. Halbstarke<br />

Die „Halbstarken“ in Deutschland<br />

Die ‚Halbstarken’ sorgten in <strong>de</strong>n 50er Jahren für Wirbel in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik. (Vgl.<br />

El-Nawab 2005: 29)<br />

„Der Begriff „Halbstarke“ wur<strong>de</strong> bereits <strong>im</strong> 19 Jahrhun<strong>de</strong>rt für herumlungern<strong>de</strong>,<br />

mitunter als „kr<strong>im</strong>inell“ betrachtete Jugendliche aus sozialen Randschichten verwen<strong>de</strong>t.“<br />

(El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Rock’n’Roll wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Osten Deutschlands als kapitalistische Musik angesehen, die<br />

<strong>de</strong>m Volk nicht zugänglich gemacht wer<strong>de</strong>n durfte, da sie Amerika verherrlichte.<br />

Erst in <strong>de</strong>n 70er Jahren wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r DDR staatlich kontrollierte Rockmusik erlaubt.<br />

Aber auch <strong>im</strong> Westen von Deutschland war Rock’n’Roll schlecht angesehen. Dazu<br />

muss man sagen, dass <strong>im</strong> Nachkriegs<strong>de</strong>utschland sehr repressive Erziehungsmetho<strong>de</strong>n<br />

angewen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n und sehr <strong>auf</strong> Anstand und Normen geachtet wur<strong>de</strong>. Die Auflehnung<br />

<strong>de</strong>r Halbstarken fand <strong>im</strong> Wesentlichen in <strong>de</strong>r Freizeit statt und wur<strong>de</strong> durch<br />

Filme von James Dean und Marlon Brando beeinflusst. Die Medien berichteten zwar<br />

mit großem Interesse über Krawalle, doch waren sie eher eine Ran<strong>de</strong>rscheinung, an<br />

<strong>de</strong>r ein kleiner Teil <strong>de</strong>r männlichen Arbeiterjugend beteiligt war. Krüger (1986) ist<br />

<strong>de</strong>r Meinung, dass das Verhalten <strong>de</strong>r Halbstarken unpolitisch war, obwohl sie nach<br />

mehr Freiheit und an<strong>de</strong>ren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen strebten. Allerdings<br />

äußerten sie nie irgendwelche For<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r Kritik an das herrschen<strong>de</strong> System.<br />

(Vgl. El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

„Beson<strong>de</strong>rs wichtig ist, dass die „Halbstarken“ in Deutschland die erste jugendliche<br />

Subkultur von überregionalem und milieuübergreifen<strong>de</strong>m Einfluss war. Im Gegensatz<br />

zu <strong>de</strong>n lokal sehr begrenzten vorhergegangenen Jugendbewegungen lag hier eine<br />

65


stilistische Orientierung an einer neu entstan<strong>de</strong>nen jugendbezogenen Industrie von<br />

Musik, Film, und Mo<strong>de</strong> vor, die via mo<strong>de</strong>rne Massenkommunikationsmittel eine<br />

weite Verbreitung fand.“ (El-Nawab 2005: e.b.d)<br />

Das Halbstarkenphänomen entstand in <strong>de</strong>r Arbeiterklasse und weitete sich auch <strong>auf</strong><br />

an<strong>de</strong>re Schichten aus, welches bald zu <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> dieser Subkultur führen sollte, da<br />

sie kommerziell ausgeschlachtet wur<strong>de</strong>.<br />

Rock’n’Roll beunruhigte die Erwachsenenwelt in Deutschland, da dieser Musikstil<br />

Erotik und Körperlichkeit in <strong>de</strong>r Musik und <strong>im</strong> Tanz betonte. Allerdings waren nicht<br />

alle Jugendlichen, die Rock’n’Roll gehört haben, Halbstarke. Ab 1958 ermöglichte<br />

die beliebte Jugendkultur mehr Freiheit für Frauen. Es wur<strong>de</strong> ihnen erlaubt, gemäßigten<br />

Rock’n’Roll zu tanzen, eigene Mo<strong>de</strong> zu tragen und ihren Jugendkult auch an öffentlichen<br />

Plätzen zur Schau zu stellen. Auch wenn <strong>de</strong>r Rock’n’Roll Stil durch die<br />

Medien inszeniert wur<strong>de</strong>, ergaben sich für junge Frauen die Möglichkeiten, sich über<br />

<strong>de</strong>n Stil und die Anstandserwartungen ihrer Eltern hinwegzusetzen und etwas autonomer<br />

zu leben. Weibliche Rock’n’Rollerinnen wur<strong>de</strong>n als beson<strong>de</strong>rs bedrohlich von<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft gesehen, da sie mit <strong>de</strong>n strengen Konventionen <strong>de</strong>r CDU Regierung<br />

brachen, <strong>de</strong>r eine repressive Sexualpolitik pflegte. Durch James Dean bröckelte auch<br />

langsam das I<strong>de</strong>al vom harten Mann, da er in Filmen wie „rebel without a cause“<br />

Gefühle und eine weiche Seite zeigte, aber gleichzeitig ein Rebell und ein Held war.<br />

(Vgl. El-Nawab 2005: 29-30)<br />

„Mit ihrer Kritik an <strong>de</strong>r steifen bürgerlichen Spießigkeit blieben die „Halbstarken“<br />

allerdings <strong>auf</strong> einer symbolischen Ebene,…“ (El-Nawab 2005: 30)<br />

Fazit:<br />

Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er Jahre war die große Zeit <strong>de</strong>r Hippies <strong>de</strong>finitiv vorbei und <strong>de</strong>r<br />

Sommer <strong>de</strong>r Liebe hatte sich als große Enttäuschung dargestellt. Vietnam, die Ölkrise<br />

und hohe Arbeitslosenzahlen <strong>de</strong>sillusionierten viele Jugendliche. London und<br />

New York waren die Wirtschaftskrisen <strong>de</strong>utlich anzumerken und so zeichnete sich<br />

die Destruktivität dieser Zeit, auch <strong>im</strong> Stadtbild ab. In <strong>de</strong>n verlassenen Stadtteilen,<br />

Runinen und Trümmerlandschaften spiegelte sich <strong>de</strong>r Gemütszustand von vielen<br />

frustrierten jungen Leuten und bot so <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>alen Nährbo<strong>de</strong>n für eine neue, <strong>de</strong>struktive<br />

Subkultur: Punk. Während die Sex Pistols in London durch die Hilfe von professionellem<br />

Management und Plattenfirmen populär wur<strong>de</strong>n und Punk zu einem enormen<br />

Aufschub verhalfen, bil<strong>de</strong>ten sich in London enge Figurationen zwischen<br />

66


Punkmusikern und Künstlern. Diese grün<strong>de</strong>ten ihre eigenen Labels und Galerien und<br />

etablierten Punk autonom von <strong>de</strong>r Musikindustrie.<br />

Rock’n’Roll begeisterte in <strong>de</strong>n 50er Jahren eine ganze Generation. Der Rock’n’ Roll<br />

brachte Lebensfreu<strong>de</strong> und Sex <strong>auf</strong> die Bühnen. Musiker wie Elvis Presley, Buddy<br />

Holly, Jerry Lee Lewis, Gene Vincent, Eddie Cochran und Carl Perkins verk<strong>auf</strong>ten<br />

Millionen von Tonträgern, obwohl sie sich erst mals <strong>de</strong>s Rhythm & Blues bedienten,<br />

<strong>de</strong>r vorher als schwarze Musik galt. Im rassistischen Amerika wur<strong>de</strong> dies natürlich<br />

äußerst kritisch gesehen. Um 1956 endstand <strong>de</strong>r Begriff Rockabilly. Rockabilly be<strong>de</strong>ute<br />

für die Jugendlichen Freiheit und einen Weg, um aus <strong>de</strong>m spießigen Leben <strong>de</strong>r<br />

Eltern auszubrechen. Doch zu <strong>de</strong>n Hauptgrün<strong>de</strong>n für die Popularität von Rock’n’Roll<br />

zählte ein<strong>de</strong>utig die Vereinigung von schwarzer und weißer Musik.<br />

Rockabilly wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 70er Jahren wie<strong>de</strong>r populärer in England und anschließend<br />

auch in <strong>de</strong>n USA. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er wur<strong>de</strong>n auch die Massenmedien in Deutschland<br />

<strong>auf</strong> Rockabilly <strong>auf</strong>merksam und so wur<strong>de</strong> Rock’n’Roll wie<strong>de</strong>r populärer. Anfang/Mitte<br />

<strong>de</strong>r 90er Jahre transformierte sich die Rockabillyszene und so wen<strong>de</strong>ten<br />

sich viele Rockabillies, vom Neo-Rockabilly <strong>de</strong>r 80er Jahre ab und ent<strong>de</strong>ckten ihre<br />

Liebe für die 40er und 50er Jahre. Das galt für die Musik, die Autos, die Kleidung<br />

und die Möbel.<br />

Die Teddyboys waren Jugendliche aus <strong>de</strong>r Arbeiterklasse Englands, die rebellierten,<br />

in <strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Kleidungsstil <strong>de</strong>r höheren Schichten für sich beanspruchten. Da sie<br />

sich auch <strong>im</strong> feinsten Zwirn <strong>de</strong>ftig prügelten, wollte kein Snob aus <strong>de</strong>r Oberschicht<br />

mehr aussehen wie ein Ted. So erhielt die Kleidung <strong>de</strong>r Teds eine völlig neue Be<strong>de</strong>utung.<br />

Die Mods und die Rocker wur<strong>de</strong>n gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50er Jahre die Nachfolger <strong>de</strong>r<br />

Teds. Diese bekämpften sich gegenseitig <strong>auf</strong>grund von stilistischen Differenzen.<br />

Die „Halbstarken“ waren die erste Subkultur in Deutschland, welche überregional<br />

existierte. Die Halbstarken wur<strong>de</strong>n von Filmen mit Marlon Brando und James Dean<br />

beeinflusst. Die Halbstarken waren nicht politisch und so blieb ihr Protest in erster<br />

Line symbolisch. Rock’n’Roll bot <strong>de</strong>n Frauen <strong>im</strong> sehr konservativen Nachkriegs<strong>de</strong>utschland<br />

etwas mehr Freiheit, da die Mädchen ihre eigene Mo<strong>de</strong> tragen und ab<br />

1958 öffentlich Rock’n’Roll tanzen durften.<br />

67


4. Die Subkultur <strong>de</strong>r Psychobillies: Exemplari-<br />

sche Einsichten – qualitative Interviews mit<br />

Subkulturangehörigen<br />

4.1. Die Geschichte von Psychobilly<br />

Psychobilly entstand Anfang <strong>de</strong>r 80er Jahre und ist eine Mischung aus Rockabilly,<br />

Punk und Sixties-Trash. Die Thematik <strong>de</strong>r Songs umfasst <strong>de</strong>n Tod, sexuelle Perversionen<br />

(Nekrophilie, Sado-Masochismus), Wahnsinn und vor allem Horror. Viele<br />

Songs han<strong>de</strong>ln von Zombies, Monstern und übersinnlichen Dingen. Der Kleidungsstil<br />

<strong>de</strong>r Psychobillies (Abkürzung: Psychos) setzt sich aus Stilelementen <strong>de</strong>r Skinhead-,<br />

Punk-, und Rockabillyszene zusammen. Das Markenzeichen <strong>de</strong>r<br />

Psychobillieszene ist allerdings <strong>de</strong>r Flat. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine Riesentolle<br />

<strong>auf</strong> einem rasierten Kopf. Der Flat ist oft gefärbt und wird als ein Horn o<strong>de</strong>r Spike<br />

mit Haarspray gestylt. Kotletten sind bei Männern beliebt, während Frauen zwei zusätzliche<br />

Haarsträhnen an <strong>de</strong>n Seiten und einen Pfer<strong>de</strong>schwanz tragen. Die Figuration<br />

zwischen diversen <strong>Subkulturen</strong> ist teilweise sehr groß, was man beson<strong>de</strong>rs gut an<br />

<strong>de</strong>r Psychobillieszene merkt. So kommen viele Psychos aus <strong>de</strong>r Skinheadszene und<br />

ältere Psychos wer<strong>de</strong>n zu Rockabillies. Die Psychobillieszene präsentiert sich be<strong>im</strong><br />

Tanzen hart und ‚wahnsinnig’. Psychobillies stehen oft oberkörperfrei vor <strong>de</strong>r Bühne<br />

und stellen ihre oft sehr stark tätowierten Körper zu Schau. Dabei wer<strong>de</strong>n die Augen<br />

verdreht, Gr<strong>im</strong>massen geschnitten und sich mit Bier bespritzt. Vor <strong>de</strong>r Bühne<br />

herrscht oft eine wüste, aggressive und wil<strong>de</strong> Schubserei, die von einigen Bands<br />

noch angeheizt wird, in<strong>de</strong>m z.B. Hühnerblut (selten) und Bier <strong>auf</strong> die Menge ergossen<br />

wird.<br />

Eine Band, die großen Einfluss <strong>auf</strong> die Psychobillyszene hat und hatte, sind „the<br />

Cramps“ aus <strong>de</strong>n USA. Lux Interior und seine Freundin Poison Ivy grün<strong>de</strong>ten die<br />

Band 1976 und sorgten für viel Wirbel <strong>im</strong> berühmten Punkla<strong>de</strong>n CBGB. The Cramps<br />

kombinierten schon damals Rockabilly mit Punk. Ihre Musik ist ein wil<strong>de</strong>r Mix aus<br />

Surfmusik, Sixties-Trash und Garagenpunk. Dennoch sind the Cramps keine<br />

68


Psychobillyband, da ihr Sound einfach zu speziell und einzigartig ist. Das Cramps<br />

Universum dreht sich um Horror, Okkultismus und Sex. (Vgl. El-Nawab 2005: 33-<br />

34)<br />

You better ask my momma how to make a monster…<br />

I’m the creature from the black leather lagoon<br />

I’m a beautiful monster from outer space too<br />

Learned how to shake my hips in the inner sanctum<br />

Satan gave me tips and then I thanked h<strong>im</strong><br />

I’m the creature from the black leather lagoon<br />

Black, black, black, black leather, smash smash, black, black leather, kill, kill, black,<br />

black leather, crash, crash, black, black leather, i’m the creature from the black<br />

leather lagoon<br />

I’m the creature from the black leather lagoon<br />

I’m a chicken-fried fire-eatin’ son of a gun<br />

Conceived by my <strong>de</strong>vil daddy on a chicken run<br />

Like a fireball flyin’ down thun<strong>de</strong>r road<br />

Daddy ma<strong>de</strong> mama but she shoulda said no<br />

I’m the raw hy<strong>de</strong> monster they named number 1<br />

I’m the creature from the black leather lagoon<br />

I’m a genuine juvenille <strong>de</strong>linquent from the moon<br />

I’m like a hundred billion hydrogen bombs<br />

Mama wanted a goat, but I got mom’s<br />

I’m the creature from the black leather lagoon<br />

“The Cramps”, “the creature from the black leather lagoon”, vom Album “Stay<br />

sick!” (1989)<br />

Als Erfin<strong>de</strong>r von Psychobilly gelten „the Meteors“. Um 1979/1980 grün<strong>de</strong>ten die<br />

Rockabillies, P.Paul Fenech und Nigel Lewis, mit <strong>de</strong>m Punk Mark Robertson the<br />

Meteors. Zunächst wur<strong>de</strong>n sie von <strong>de</strong>r Rockabillyszene kritisch beäugt, da sie einen<br />

Punk in <strong>de</strong>r Band <strong>auf</strong>genommen hatten, doch schon bald erspielten sie sich eine große<br />

Fangemeinschaft, die vom alten Rockabillysound gelangweilt war. Aus dieser<br />

69


Gemeinschaft gingen die Psychobillies hervor. Neben <strong>de</strong>n Meteors gab es noch eine<br />

Reihe von Psychobillybands, die einen großen Einfluss <strong>auf</strong> die Szene hatten, wie<br />

z.B.: „Mad Sin“, „Nekromantix“, „Batmobile“, „Guana Batz“, „Demented Are Go“,<br />

„King Kurt“, „Frenzy“, „the Krewmen“, „Klingonz“, „the Quakes“, „Frantic Flintstones“,<br />

„Skitzo“ und die „Phantom Rockers“. Einige dieser Bands spielten so genannten<br />

‚old school Psychobilly’, <strong>de</strong>n man mit harten und schnellem Rockabilly vergleichen<br />

kann. An<strong>de</strong>re Bands betonten mehr die Punkanteile, bzw. brachten auch<br />

Metal-Elemente in die Musik ein.<br />

Eine entstand eine neue Generation mit Flats, ausgefallenen Kleidungsstücken und<br />

Punkattitü<strong>de</strong>. Der Klub Foot <strong>im</strong> Westen von London wur<strong>de</strong> zum Szenetreffpunkt für<br />

Psychobillies. Die Meteors wur<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer populärer und ihre Fans erfan<strong>de</strong>n das<br />

„Wrecking“. Be<strong>im</strong> Wrecking han<strong>de</strong>lt es sich um eine raue, harte Version von Pogo.<br />

Meistens wird ohne T-shirt gewreckt und von außen sieht <strong>de</strong>r Tanz wie eine wüste<br />

Massenschlägerei aus.<br />

Doch nicht nur die Art <strong>de</strong>s Tanzes brachte <strong>de</strong>r Psychobillyszene schnell <strong>de</strong>n Ruf ein<br />

gefährlich und gewalttätig zu sein. Psychobillies waren auch in an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong><br />

extrem unbeliebt. Punks sahen sie als ‚rechte Skins’, die Rockabillies brandmarkten<br />

sie als <strong>de</strong>r Zerstörer von Rockabilly und die rechten Skins titulierten sie als ‚linke<br />

Punks’. Die Öffentlichkeit nahm sie als gewalttätige Rechte wahr. Dabei ist<br />

Psychobilly unpolitisch.<br />

Die größte Zeit <strong>de</strong>r Psychobillies war in <strong>de</strong>n 80er Jahren und <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Festland leicht<br />

verzögert bis in die frühen 90er Jahre. Die Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> und Deutschland wur<strong>de</strong>n zu<br />

Hochburgen von Psychobilly. In <strong>de</strong>n 90er Jahren eskalierte <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r die Gewalt<br />

<strong>auf</strong> Konzerten, und so fan<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer weniger Szene-Events statt. Die Gewalt trieb<br />

auch <strong>im</strong>mer mehr Anhänger aus <strong>de</strong>r Szene hinaus. Der Sänger <strong>de</strong>r Meteors, P. Paul<br />

Fenech goss zusätzlich Öl ins Feuer mit <strong>de</strong>r Aussage, dass nur die Meteors ‚pure<br />

Psychobilly’ wären und so kam es zu gewalttätigen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen<br />

<strong>de</strong>n Fans <strong>de</strong>r Meteors (Wrecking Crew) und von Demented Are Go. (Vgl. El-Nawab<br />

2005: 37-38)<br />

„Mittlerweile haben sich die Wogen wie<strong>de</strong>r geglättet. Die Szene scheint erkannt zu<br />

haben, dass sie zu klein ist, um sich in alberne Feindschaften zu zerklüften.“ (El-<br />

Nawab 2005: 38)<br />

Während <strong>de</strong>r Umgang <strong>de</strong>r Psychobillies untereinan<strong>de</strong>r friedlicher gewor<strong>de</strong>n ist, beharrt<br />

P. Paul Fenech in Interviews <strong>im</strong>mer noch dar<strong>auf</strong>, dass nur die Meteors echten<br />

70


Psychobilly spielen wür<strong>de</strong>n. Die Grün<strong>de</strong> dafür sind allerdings unklar, da niemand in<br />

<strong>de</strong>r Szene an <strong>de</strong>r Schlüsselrolle <strong>de</strong>r Meteors zweifelt. Psychobilly war beson<strong>de</strong>rs<br />

beliebt in Japan und Europa und fin<strong>de</strong>t seit <strong>de</strong>n 90er Jahren <strong>im</strong>mer mehr Fans in <strong>de</strong>n<br />

USA. Bands wie „Tiger Army“ trugen maßgeblich zur steigen<strong>de</strong>n Popularität von<br />

Psychobilly bei. Vorher war diese Art von Musik in <strong>de</strong>n USA so gut wie unbekannt.<br />

(Vgl. El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Psychobilly ist nicht nur friedlicher gewor<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn es haben sich auch viel mehr<br />

Figurationen mit an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> und Musikstilen ergeben. So vermischt sich<br />

Psychobilly <strong>im</strong>mer mehr mit Rockabilly, Punkabilly und Punk’n’Roll. Es spielen<br />

Bands aus diesen Musikrichtungen gemeinsam <strong>auf</strong> Konzerten und auch <strong>de</strong>r Kleidungsstil,<br />

<strong>de</strong>r unterschiedlichen <strong>Subkulturen</strong>, wird mehr und mehr vermischt.<br />

Psychobillies tragen <strong>im</strong>mer seltener große Flats und Domestosjeans. Die Flats sind<br />

kürzer gewor<strong>de</strong>n und es wird ein <strong>de</strong>zenterer Rockabillystil mit Punkelementen bevorzugt.<br />

Viele ältere Psychos tragen <strong>auf</strong>grund von Haarausfall eine Glatze. Die Frauen<br />

tragen kam noch Flats. Sie bevorzugen lange Haare mit einem kurzen Betty-Page-<br />

Pony. Piercings und Tätowierungen sind sehr verbreitet. Beliebte Themen <strong>de</strong>r<br />

Psychobillyszene sind nach wie vor: Friedhöfe, Zombies, Monster, Außerirdische<br />

und Mutanten. Die Themenpalette <strong>de</strong>r Musiksongs dreht sich um <strong>de</strong>n Tod, Wahnsinn<br />

und die Hölle. Weitere Inspirationen <strong>de</strong>r Psychoszene sind z.B. Trash, B-Movies,<br />

Horror- und Splattergeschichten. (Vgl. El-Nawab 2005: 150)<br />

THE WHOLE WORLD IS DEAD NOW<br />

AFTER THE NEUTRON BOMB<br />

WE ALL STARED UP AND LOOKED AT IT<br />

AND WE WONDERED WHERE IT CAME FROM<br />

BUT THAT WAS MANY YEARS AGO<br />

WHATS LEFT IS CHANGED BY SHOCK<br />

WE ALL LIVE IN THE RUINS<br />

AND WE DO THE MUTANT ROCK<br />

CMON LETS ROCK<br />

CMON LETS ROCK<br />

CMON LETS DO THE MUTANT ROCK<br />

71


WE DONT LOOK LIKE WE USED TO<br />

OUR SKINS ALL SCALED AND BLACK<br />

WE FIGHT EACH OTHER IN THE STREETS<br />

EVOLUTION HAS TURNED BACK<br />

WE GOT NO TELEVISION, WE CANT TELL TIME, NO CLOCK<br />

BUT AS THE SUN GOES DOWN AT NIGHT<br />

WE DO THE MUTANT ROCK<br />

CHORUS<br />

THE BOMB IT COULDNT KILL US<br />

NO MATTER HOW IT TRIED<br />

THOUGH THE WEAKS ONES ARE ALL DEAD<br />

THE STRONG OF US SURVIVED<br />

OUTSIDERS WHO HAVE FOUND US<br />

THEY ALL GET A SHOCK<br />

AS WE SLITHER THROUGH THE RUINS<br />

AND WE DO THE MUTANT ROCK<br />

“The Meteors”, “Mutant Rock”, von <strong>de</strong>r CD “Only the Meteors are pure Psychobilly”<br />

(1988).<br />

Hier han<strong>de</strong>lt es sich um einen typischen Psychobillytext. Mutant Rock wird auch<br />

heute noch von <strong>de</strong>n Meteors <strong>auf</strong> ihren Konzerten gespielt und erfreut sich nach wie<br />

vor einer großen Beliebtheit. Hier wird ein apokalyptisches Szenario entworfen, in<br />

<strong>de</strong>m die meisten Menschen gestorben sind, nach<strong>de</strong>m eine Atombombe abgeworfen<br />

wur<strong>de</strong> und die Überleben<strong>de</strong>n zu Mutanten mutieren. In diesem Horrorszenario leben<br />

die Mutanten in <strong>de</strong>n Ruinen, <strong>de</strong>r zerbombten Stadt und bekämpfen sich gegenseitig.<br />

Die Zeit und die Technik spielen keine Rolle mehr. Die Evolution hat sich zurückgedreht.<br />

Doch die Mutanten wur<strong>de</strong>n we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Bombe noch von etwas an<strong>de</strong>rem<br />

zerstört. Ich <strong>de</strong>nke, dass die Meteors mit ihrer Textzeile „the strong of us survived“<br />

dar<strong>auf</strong> anspielen, dass Psychobillies zu <strong>de</strong>n Starken <strong>de</strong>r Gesellschaft gehören und<br />

sich nicht zerstören lassen, egal wie sehr es von außen versucht wird. Die<br />

Psychobillyszene hatte ja in <strong>de</strong>n 80er Jahren mit massiven Anfeindungen von an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>Subkulturen</strong> zu kämpfen. Auch die „normalen“ Bürger hatten viele Vorurteile<br />

72


und sahen Psychobillies teilweise als Faschisten an. Die „Outsi<strong>de</strong>rs“ stehen wohl für<br />

<strong>de</strong>n Normalbürger, <strong>de</strong>r ebenfalls einen Schock erlei<strong>de</strong>t, wenn er beobachtet, wie junge<br />

Männer mit wil<strong>de</strong>n Frisuren, vielen Tätowierungen, exzessiv Alkohol trinken und<br />

einen Tanz zelebrieren, <strong>de</strong>r wie eine wüste Massenschlägerei aussieht (Wrecking).<br />

Zu<strong>de</strong>m könnte man <strong>de</strong>n Eindruck gewinnen, dass sich die Psychobillies in <strong>de</strong>r „normalen“<br />

Gesellschaft wie Mutanten vorkommen und <strong>de</strong>shalb ihre An<strong>de</strong>rsartigkeit<br />

bewusst betonen, weil sie nicht leben wollen, wie die breite Mehrheit und sich daher<br />

bewusst abgrenzen.<br />

Während junge Psychobillies heute in eine relativ friedliche und gemischte Szene<br />

hereinkommen, haben Psychos in <strong>de</strong>n 80er und 90er Jahren Probleme mit <strong>de</strong>r Rockabilly-<br />

und <strong>de</strong>r Punkszene erlebt. Viele Psychobillies waren vorher in <strong>de</strong>r Punko<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>r Skinheadszene. Ältere Psychobillies wen<strong>de</strong>n sich oft <strong>de</strong>m Rockabilly zu.<br />

Psychobillymusik ist schnell, hart und verrückt. (Vgl. El-Nawab 2005: 154)<br />

„Auf symbolischem Wege wird eine Gewaltbereitschaft in <strong>de</strong>r Kleidung, <strong>im</strong> Habitus,<br />

in <strong>de</strong>r Musik und Sprache mit einem inszenierten Hang zum bizarren Wahnsinn und<br />

<strong>de</strong>r Hölle verbun<strong>de</strong>n.“ (El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Gewaltfaszination und Gewaltbereitschaft wer<strong>de</strong>n expressiv-ästhetisch am eigenen<br />

Körper nach Außen transportiert. Durch diese Selbstinszenierung erreichen sie ein<br />

Gefühl von Stärke und Härte. Gera<strong>de</strong> bei männlichen Jugendlichen ist das sehr verbreitet<br />

und verschafft ihnen „Respekt“ bei an<strong>de</strong>ren Jugendlichen. Hier gibt es große<br />

Parallelen zu Skinheads, die es ebenfalls genießen, durch ihr martialisches Äußeres,<br />

Reaktionen <strong>de</strong>r Umwelt provozieren und dadurch ein Gefühl <strong>de</strong>r Macht zu erleben.<br />

(Vgl. El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

„Die Lust daran, Aggressionen körperlich auszuleben, eigene Ohnmachtsgefühle<br />

durch Machtgefühle in <strong>de</strong>r Gruppe, z.B. durch Einschüchterung von an<strong>de</strong>ren auszugleichen,<br />

paart sich mit <strong>de</strong>m Einsatz von Kleidung als Panzer, als <strong>auf</strong>geplustertes<br />

Fe<strong>de</strong>rkleid.“ (El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Das Wir-Gefühl wird durch die Musik und <strong>de</strong>n Stil verstärkt. Aggressionen können<br />

be<strong>im</strong> Wrecken spielerisch und in einem szeneeigenen Ritual ausgelebt wer<strong>de</strong>n. Das<br />

Wrecken kann man mit <strong>de</strong>m Pogo in <strong>de</strong>r Punk-, Skinhead- und auch Hardcoreszene<br />

vergleichen. (Vgl. El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Was an <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur beson<strong>de</strong>rs heraussticht, ist ihr Faible für Horrorszenarien,<br />

in <strong>de</strong>nen die Welt untergeht. Psychobilly dreht sich um Zombies, Suizi<strong>de</strong>,<br />

73


Wahnsinn, die Hölle, <strong>de</strong>n Teufel, <strong>de</strong>n Tod, Mutanten und Nekrophilie. Psychobillies<br />

sind fasziniert von ‚Perversen’, ‚Kranken’ und ‚Krassen’. In <strong>de</strong>r Musik und in <strong>de</strong>n<br />

Texten wird diese Thematik oberflächlich und humorvoll behan<strong>de</strong>lt. Die Tabubrüche<br />

und <strong>de</strong>r Horror wer<strong>de</strong>n kaum reflektiert. Ganz <strong>im</strong> Gegenteil zur Gothicsubkultur<br />

wird be<strong>im</strong> Psychobilly spielend mit <strong>de</strong>m Tod umgegangen. Es wird schon fast kindlich<br />

banal mit alptraumartigen Themen in <strong>de</strong>n Texten umgegangen. Eine tiefere Befassung<br />

mit <strong>de</strong>r Thematik wird meist vermie<strong>de</strong>n. Wahrscheinlich wer<strong>de</strong>n durch die<br />

finsteren Texte Ängste und Gewaltfaszinationen verarbeitet. (Vgl. El-Nawab 2005:<br />

174)<br />

„Die Selbstinszenierung als Mutanten, die die Apokalypse o<strong>de</strong>r die Atombombe<br />

überlebt haben, als Zombies, Außerirdische o<strong>de</strong>r Psychotiker, dürfte ebenso als Ausdruck<br />

eines sich außerirdisch-Fühlens zu verstehen sein. Und als indirekt artikulierte<br />

Form sich zu weigern, „normal“ zu sein.“ (El-Nawab 2005: e.b.d.)<br />

Einen guten Eindruck von <strong>de</strong>r Konzertatmosphäre <strong>de</strong>r 80er Jahre liefert Craig Brackenridge.<br />

Er beschreibt in seinem Buch „Let’s Wreck“ (2003) eindrucksvoll, wie<br />

sich die Psychobillyszene in Schottland und England in <strong>de</strong>n 80er Jahren verbreitete,<br />

was alles bei einem Meteorskonzert passieren konnte und wie sehr sich ein<br />

Psychobillykonzert, von einem „normalen“ Konzert unterschied:<br />

„ It was a sweaty Glasgow night in the late 1980’s and The Meteors were in town.<br />

Hundret of psychobillies were battling it out on the dancefloor. Ex-punks, teds, skins,<br />

rockabillies and some <strong>de</strong>sperate fad chasing poseurs were now quiffed up, dressed<br />

down and soaking up the glorious noise of the Godfathers of Psychobilly. The scene<br />

was at its peak, the gig was long sold out and even Goths and rugby-playing lunkheads<br />

were getting into it. In the centre, at the front, was a mass of writhing bodies.<br />

Stomping. Wrecking. Gleefully punching fuck out of each other and loving every<br />

moment. …<br />

My head was cold and wet, ‘Some dirty bastard has thrown beer on me’. But it was<br />

not beer and as I wiped my head I noticed the blood. It was soaking me. …<br />

An ambulance took me to hospital, ‘He’s been drinking – probably fighting’. No<br />

anaesthetic. Thirteen stitches. BAM! Welcome to the wrecking crew!” (Brackenridge<br />

2003: 5)<br />

74


4.2. Methodisches Setting<br />

Zugang zum Feld<br />

Den ersten Kontakt mit Psychobilly hatte ich 2003 <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Force Attack Festival bei<br />

Rostock. Das Force Attack ist eines <strong>de</strong>r größten Punkfestivals in Europa und damals<br />

spielten auch Mad Sin. Die Band hat mir sehr gut gefallen und so k<strong>auf</strong>te ich mir bald<br />

meine ersten Psychobilly CD’s. Ich hörte mir auch einige an<strong>de</strong>re Psychobillybands<br />

wie die Meteors an, die mir damals allerdings nicht gefallen haben. So besuchte ich<br />

sporadisch einige Psychobillykonzerte und hörte einige Bands aus diesem Bereich<br />

(wie z.B. Tiger Army, Mad Sin und Demented Are Go). En<strong>de</strong> 2006 grün<strong>de</strong>te ein<br />

Freund von mir, mit einigen an<strong>de</strong>ren Psychobillies eine Psychobillyband: „The<br />

Tschernobillys“. Ich unterstützte die Band und besuchte die Bandproben und Konzerte.<br />

So lernte ich viele Psychobillies kennen und erweiterte meinen musikalischen<br />

Horizont. 2007 fuhr ich zusammen mit <strong>de</strong>r Band aus Neugier<strong>de</strong> zum Psychomania<br />

Rumble in Potsdam. Es war das erste große Psychobillyfestival in Deutschland außerhalb<br />

vom Satanic Stomp seit längerer Zeit. Da die Leute sehr offen und freundlich<br />

waren und mir auch viele Bands gut gefallen haben, beschäftigte ich mich <strong>im</strong>mer<br />

mehr mit dieser Subkultur und ihrer Musik. 2008 besuchte ich auch das Satanic<br />

Stomp in Lichtenfels und so lernte ich auch <strong>im</strong>mer mehr Leute aus dieser Subkultur<br />

kennen. Durch meine Besuche von diversen Konzerten und Festivals konnte ich<br />

meine Kontakte erweitern und so fiel es mir nicht schwer, 5 Interviewpartner für<br />

meine Bachelor Arbeit zu gewinnen, da die Menschen mich kannten. Einige Leute<br />

haben mir allerdings auch abgesagt, weil sie kein Interview geben wollten.<br />

Ich habe vier Männer und eine Frau interviewt. Alle 5 Personen sind berufstätig und<br />

so gestaltete sich die Terminabsprache teilweise recht schwierig. Einigen Leuten<br />

musste ich regelrecht hinterher telefonieren und durch persönliche Grün<strong>de</strong> verschob<br />

sich ein Interview um mehrere Wochen. Ich musste bei <strong>de</strong>r Auswahl meiner Interviewpartner<br />

auch umdisponieren, da ich einige Wunschinterviewpartner nicht mehr<br />

erreichte und mir an<strong>de</strong>re wie<strong>de</strong>rum absagten.<br />

Die Altersstruktur und die Berufsfel<strong>de</strong>r meiner Interviewpartner sind heterogen und<br />

geben einen guten Einblick über die Psychobillysubkultur. Zwei meiner Interviewpartner<br />

waren schon in <strong>de</strong>n 80er Jahren Psychobillies und so konnte ich auch Infor-<br />

75


mationen über die Verän<strong>de</strong>rung in dieser Subkultur gewinnen. Ich habe auch einen<br />

Szeneneuling interviewt, sowie zwei Leute, die seit ca. 4-7 Jahren Psychobillies sind.<br />

Die Szenezugehörigkeit meiner Interviewpartner ist also auch sehr heterogen.<br />

Vier meiner Interviewpartner besuchte ich in ihren Wohnungen, und das Interview<br />

mit <strong>de</strong>m Szeneneuling D. führte ich in einem Proberaum durch. Alle Gespräche habe<br />

ich <strong>auf</strong> einem Diktiergerät festgehalten. Die Interviewlänge schwankte von 25 Minuten<br />

bis zu 49 Minuten. Ich verwen<strong>de</strong>te einen Interviewleitfa<strong>de</strong>n und habe die Leute<br />

auch einfach re<strong>de</strong>n lassen und bin dann spontan <strong>auf</strong> ihre Erzählungen eingegangen.<br />

Während D. sich sehr an meinen Fragen orientierte und wenig frei erzählt hat, hat K.<br />

sehr viel frei erzählt und ich musste kaum nachfragen, da er viele Informationen zu<br />

diversen Themen gegeben hat. L., T. und J. haben sich an <strong>de</strong>n Fragen orientiert, aber<br />

auch viel frei gere<strong>de</strong>t, wenn sie etwas zu einer best<strong>im</strong>mten Thematik zu sagen hatten.<br />

Die Namen <strong>de</strong>r Interviewten habe ich anonymisiert.<br />

Auswertungsmetho<strong>de</strong> – qualitative Inhaltsanalyse<br />

Nach <strong>de</strong>r vollständigen Transkription <strong>de</strong>r Interviews (<strong>auf</strong> <strong>de</strong>r beiliegen<strong>de</strong>n CD),<br />

durchsuchte ich die Texte, nach meinen Hauptfragen. Einige Hauptfragen hatte ich<br />

schon <strong>im</strong> Kopf, wie z.B.: Ob es sich bei <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur um eine autonome<br />

Subkultur han<strong>de</strong>lt und wie das Geschlechterverhältnis verteilt ist. Dementsprechend<br />

hatte ich diese Fragen auch bei meinem Leitfa<strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>t. An<strong>de</strong>re Fragestellungen<br />

haben sich aus <strong>de</strong>n Informationen meiner Interviewpartner ergeben, wie z.B. die<br />

Fragestellung, ob die Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n ist, da mir vor <strong>de</strong>n<br />

Interviews nicht bewusst war, wieviel Gewalt früher in <strong>de</strong>r Subkultur geherrscht hat.<br />

Nach <strong>de</strong>r Benennung meiner Hauptfragen, begann ich <strong>de</strong>n Text nach <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Themen zu Codieren. Hierbei orientierte ich mich an <strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n von<br />

Erika Steinert und Gisela Thiele (Einführung in die qualitativen und quantitativen<br />

Metho<strong>de</strong>n). Mit Hilfe dieses Co<strong>de</strong>planes (s. Anhang) wertete ich dann die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Interviewtextstellen aus. Ich hatte am Anfang auch einen kompletten<br />

Co<strong>de</strong>plan zu allen Themen, die in <strong>de</strong>n ganzen Interviews besprochen wur<strong>de</strong>n, doch<br />

habe ich schnell von Diesem abgesehen, da ich nicht alle Informationen, die die Interviews<br />

hergeben, verwertet habe, weil sie einfach <strong>de</strong>n Rahmen dieser ohnehin sehr<br />

voluminösen Arbeit gesprengt hätten. So bin ich z.B. nicht speziell <strong>auf</strong> die Szeneevents<br />

und Konzertmöglichkeiten eingegangen. Ich Rahmen meiner Hauptfragen,<br />

kommen Informationen zu diesen Bereichen nur am Ran<strong>de</strong> vor. Die Themen <strong>de</strong>s<br />

76


Leidfa<strong>de</strong>ns waren sehr wichtig für die Erstellung <strong>de</strong>s Co<strong>de</strong>planes. Alle sechs Hauptfragen<br />

enthalten Subkategorien, die ich teilweise unter mehreren Themen nebeneinan<strong>de</strong>r<br />

<strong>auf</strong>geführt habe, wie z.B. Tolerantere Gesellschaft, Zusammenhalt, Verwechslungen<br />

und reaktive Gewalt, da diese Themen für mich zusammengehören o<strong>de</strong>r<br />

einfach in <strong>de</strong>n Interviewpassagen <strong>im</strong> selben Zusammenhang erwähnt wer<strong>de</strong>n, so dass<br />

es für mich persönlich keinen Sinn machen wür<strong>de</strong>, diese noch einmal extra zu erwähnen.<br />

Folgen<strong>de</strong> Textpassage habe ich z.B. <strong>de</strong>r Subkategorie Punkabilly vs.<br />

Psychobilly zugeordnet bei <strong>de</strong>r Hauptfrage, ob die Psychobillysubkultur friedlicher<br />

gewor<strong>de</strong>n ist: „Man hat dann <strong>im</strong>mer wenn man schon, wenn man n falsches T-shirt<br />

o<strong>de</strong>r n falschen Aufnäher von <strong>de</strong>r falschen Band hatte, ist man schon blöd angemacht<br />

wor<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r irgendwann mal <strong>auf</strong> nem Festival, da haben wir dann<br />

Demented Are Go <strong>im</strong> Radio gehört, da kamen diese Jungs von <strong>de</strong>r Wrecking Crew<br />

und haben die Luft aus <strong>de</strong>n Reifen gelassen o<strong>de</strong>r einen mit Bier bekippt o<strong>de</strong>r so.“ (L.)<br />

Bei einigen Fragen haben sich bei <strong>de</strong>n Interviewten verschie<strong>de</strong>ne Gruppen gebil<strong>de</strong>t.<br />

Dar<strong>auf</strong> bin ich dann in <strong>de</strong>r Analyse auch spezifisch eingegangen.<br />

So bleibt zusammenfassend festzustellen, dass nach <strong>de</strong>r vollständigen Transkription<br />

die Haupfragen festgelegt wur<strong>de</strong>n. Danach wur<strong>de</strong>n die Interviews nach relevanten<br />

Themen (Kategorien) durchgesehen. Anschließend wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r recht lockere Co<strong>de</strong>plan<br />

ermittelt und <strong>de</strong>n einzelnen Kategorien zugeordnet. Danach begann die formale Analyse<br />

„line by line“ und nicht relevante Textstellen wur<strong>de</strong>n ausgeschlossen.<br />

Die Interviewpartner<br />

K. : Kommt aus Dortmund. Ist 40 Jahre alt. Vom Beruf LKW Fahrer. Hat <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r<br />

Hauptschule die Mittlere Reife gemacht. Der Vater von K. war Arbeiter und die Mutter<br />

hat nebenbei geputzt. K. ist seit 1987 Psychobilly.<br />

T. : Kommt aus Iserlohn. Ist 25 Jahre alt. Vom Beruf Speditionsk<strong>auf</strong>mann. Hat das<br />

Fachabitur erlangt. Der Vater von T. arbeitet als Akquisiteur bei einem Papiergroßhan<strong>de</strong>l.<br />

Die Mutter arbeitet als 400 Eurokraft in einer Druckerei. T. ist seit 7 Jahren<br />

Psychobilly.<br />

D. : Kommt aus Gevelsberg. Ist 18 Jahre alt. Macht eine Lehre als Konditor. Hat die<br />

Mittlere Reife erlangt. Der Vater arbeitet als Elektriker und die Mutter arbeitet <strong>im</strong><br />

Einzelhan<strong>de</strong>l. D. ist seit zwei Jahren Psychobilly.<br />

77


J. : Kommt aus Darmstadt. Ist 21 Jahre alt. Macht eine Ausbildung als Frisösin. Hat<br />

Abitur. Die Mutter ist Musikerin. J. ist seit 4 Jahren Psychobilly.<br />

L. : Kommt aus Dortmund. Ist 41 Jahre alt. Ist stellvertreten<strong>de</strong>r Filialleiter in einem<br />

Einzelhan<strong>de</strong>lgeschäft. L. hat das Gymnasium nach <strong>de</strong>r elften Klasse verlassen. Der<br />

Vater hat bei einer Zulieferfirma für Stahl gearbeitet. Die Mutter war Hausfrau. L. ist<br />

seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er Jahre Psychobilly. L. war bis Mitte <strong>de</strong>r 90er Jahre Psychobilly, hat<br />

die Szene für einige Jahre verlassen und ist seit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre wie<strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>r Subkultur aktiv.<br />

4.3. Ergebnisdarstellung<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> ich <strong>auf</strong> die wichtigsten Ergebnisse <strong>de</strong>r 5 Interviews eingehen.<br />

Nach <strong>de</strong>r Durchsicht <strong>de</strong>r Interviews haben sich sechs Hauptfragen herauskristallisiert.<br />

Ich wer<strong>de</strong> nicht <strong>auf</strong> alle Informationen eingehen, die mir die Interviewpartner<br />

gegeben haben, da dies die Kapazitäten einer Bachelor Arbeit übersteigen wür<strong>de</strong>.<br />

Themen, wie die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Internets für die Psychobillysubkultur, die aktuelle<br />

Konzertsituation und verän<strong>de</strong>rte Organisationsstrukturen wer<strong>de</strong>n nicht behan<strong>de</strong>lt,<br />

obwohl hierzu Informationen vorliegen. Die sechs Hauptfragen beschäftigen sich mit<br />

<strong>de</strong>n Thematiken: Politik, Aggressionspotential, Geschlechterverhältnis, Autonomie<br />

von <strong>de</strong>r Rockabillysubkultur, das Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> und die Be<strong>de</strong>utung<br />

von Spaß in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur. Der <strong>im</strong> zweiten Hauptpunkt meiner Arbeit<br />

erwähnte theoretische Bezugsrahmen, zur Untersuchung von <strong>Subkulturen</strong> (<strong>de</strong>r<br />

<strong>im</strong> Buch von Mike Brake thematisiert wird) wur<strong>de</strong> ebenfalls von mir beachtet. So<br />

fin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>n Ergebnissen Informationen zu <strong>de</strong>m sozio-ökonomischen Umfeld<br />

(siehe Berufe <strong>de</strong>r Interviewten), sowie zu <strong>de</strong>m Stil und Image <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur. Die öffentlichen Reaktionen <strong>auf</strong> die Psychobillies wer<strong>de</strong>n<br />

ebenso thematisiert, wie das Sozialgefüge <strong>de</strong>r Subkultur. Zu<strong>de</strong>m gehe ich auch <strong>auf</strong><br />

die Kontinuität und Diskontinuität <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur ein. Die Verän<strong>de</strong>rungen<br />

und Transformationsprozesse wer<strong>de</strong>n ausführlich beschrieben.<br />

78


4.3.1. Ist die Psychobillysubkultur politisch?<br />

„Also Psychobilly ist unpolitisch.“ (T.)<br />

Grundsätzlich kann man sagen, dass die Psychobillysubkultur eine unpolitische Subkultur<br />

ist. Politik ist in <strong>de</strong>n Texten von Psychobillybands nicht relevant. Die Szene<br />

distanziert sich ganz klar von Politik und Religion. „Peter Paul Fenech, <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Psychobilly, sagt ja auch: Fuck politics! Fuck religion! Just pure<br />

Psychobilly!“ (L.)<br />

„Also <strong>im</strong> Reinen ist Psychobilly gesehen unpolitisch. Man sagt Psychobilly: No politics!<br />

No religion! Just music o<strong>de</strong>r wie <strong>de</strong>r Spruch jetzt auch <strong>im</strong>mer heißen mag. Keine<br />

Ahnung. Je<strong>de</strong>nfalls ist Psychobilly <strong>im</strong> Reinen gesehen unpolitisch.“ (T.)<br />

Alle 5 Interviewpartner sind sich in dieser Hinsicht absolut einig. So antwortet auch<br />

D. <strong>auf</strong> die Frage, ob Politik bei Psychobilly eine Rolle spielt:<br />

„Also meines Empfin<strong>de</strong>ns gar keine Rolle. Mit Politik nichts am Hut find ich.“ (D.)<br />

Bei Psychobilly geht es in erster Linie um Musik und um zusammen feiern. Politik<br />

wird komplett aus <strong>de</strong>r Szene herausgehalten. Während bei Punk- und Oi-Konzerten<br />

schon <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Fleyern Stellung gegen Rechts bezogen wird, und Politik ein Dauerthema<br />

ist, distanziert sich die Psychobillysubkultur völlig von Politik.<br />

„[…] weil Psychobilly mit Politik rein eigentlich rein gar die Szene selber rein gar<br />

nix zu tun hat. Du wirst auch nie irgendwo n Fleyer irgendwo fin<strong>de</strong>n, wo dr<strong>auf</strong>steht:<br />

Sieg Heil! O<strong>de</strong>r Antifa o<strong>de</strong>r irgend so was. Du wirst <strong>im</strong>mer nur was von Musik lesen.“<br />

(K.)<br />

Der Spaß steht bei <strong>de</strong>n Psychobillies <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund und es wird die Meinung vertreten,<br />

dass politische Aussagen und Einstellungen nicht unbedingt durch Musik<br />

vermittelt wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

„Ja doch. Ich glaube, wie ich schon zum Anfang gesagt habe, einfach, dass ich in <strong>de</strong>r<br />

Musik nicht unbedingt o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Psychobillyszene, Musik wie auch <strong>im</strong>mer,<br />

nicht unbedingt <strong>de</strong>n politischen Hintergrund sehen muss. Und ich fin<strong>de</strong> nicht, das<br />

man <strong>im</strong>mer die Politik durch Musik ausdrücken mus, und <strong>de</strong>swegen fin<strong>de</strong> ich, das<br />

einfach ne witzige Art von Musik, <strong>auf</strong> die man gut feiern kann, mit <strong>de</strong>r man viel Spaß<br />

haben kann […].“ (J.)<br />

79


Individuelle politische Haltung<br />

„Welche politische Einstellung n Psychobilly hat, das ist eigentlich je<strong>de</strong>m selber<br />

überlassen.“ (K.)<br />

Während die Psychobillysubkultur an sich völlig unpolitisch ist, sind die einzelnen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r durchaus politisch. Je<strong>de</strong>r hat seine individuelle Meinung zu Politik.<br />

„Es gibt mit Sicherheit auch rechte und auch linke Psychobillies. Aber das ist halt<br />

die persönliche Einstellung.“ (K.)<br />

„Ich glaube, dass ist sehr individuell. Ich hoffe natürlich <strong>im</strong>mer inständig, dass es<br />

nicht so viele rechte Einflüsse gibt. Beobachte das lei<strong>de</strong>r aber <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r. Vor<br />

allem <strong>auf</strong> Festivals, wo man natürlich auch Leute von weiter weg trifft, dass es da<br />

viele rechte Einflüsse sind. Aber genau so auch linke Einflüsse. Also ich glaube, es<br />

ist sehr gemischt. Es ist halt offen gehalten. Das kann je<strong>de</strong>r für sich persönlich entschei<strong>de</strong>n.“<br />

(J.)<br />

„Je<strong>de</strong>r kann natürlich seine politische Richtung haben, wie er will, aber so <strong>de</strong>r<br />

Psychobilly hat gar keine politische Richtung.“ (D.)<br />

Die Szene ist von daher sehr ambivalent, da rechte und linke Psychobillies durchaus<br />

zusammen <strong>auf</strong> Konzerte gehen und zusammen feiern. Das wäre in an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong><br />

un<strong>de</strong>nkbar, bzw. ist es <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r ein Grund für Diskussionen und Streitigkeiten.<br />

Allerdings han<strong>de</strong>lt es sich um politische Haltungen, die durchaus in unterschiedlichste<br />

Richtungen tendieren können. Politische Aktivisten sind in <strong>de</strong>r<br />

Psychobillyszene eher die Ausnahme.<br />

Die politische Einstellung bleibt <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall <strong>im</strong> Hintergrund und wird bewusst aus<br />

<strong>de</strong>r Szene rausgehalten.<br />

„Ich persönlich kann z.B. nicht unpolitisch sein. Aber ich wür<strong>de</strong> jetzt niemals meine<br />

politische Einstellung mit meiner Subkultur vergleichen. O<strong>de</strong>r sehen. Das würd ich<br />

niemals machen.“(T.)<br />

80


Verwechslungen, Missverständnisse und Vorurteile<br />

„Die Gesellschaft ist heute viel offener und zugänglicher auch und gesprächsbe-<br />

reiter als früher. Früher biste abgestempelt wor<strong>de</strong>n als Skinhead. Konnten wir ja<br />

nicht sein, aber o<strong>de</strong>r als Punk. So, was an<strong>de</strong>res kannten die Leute gar nicht.“ (K.)<br />

Psychobillies wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 80er Jahren oft mit Skinheads o<strong>de</strong>r Punks verwechselt,<br />

da ihr Outfit aus diesen bei<strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong> und <strong>de</strong>r Rockabillyszene stammte. Da<br />

Psychobillies die Seiten und <strong>de</strong>n Hinterkopf kahlrasiert haben und auch Skinheads zu<br />

Psychobillykonzerten gekommen sind, haben die Leute ihre stereotypen Ansichten<br />

über die Skinheadszene <strong>auf</strong> die Psychobillyszene übertragen. Psychobillies wur<strong>de</strong>n<br />

für Rechte und Faschisten gehalten. Die Menschen wussten we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Heterogenität<br />

<strong>de</strong>r Skinheadsubkultur, noch von <strong>de</strong>r eigenständigen Psychobillysubkultur.<br />

„Es waren einfach Skinheads. Ru<strong>de</strong> Boys. Skinheads, ne? Und da die Leute das nicht<br />

unterschei<strong>de</strong>n konnten. Die wussten einfach Skinhead. Skinhead ist rechtsradikal.“<br />

(K.)<br />

Auch L. hat in <strong>de</strong>n 80er Jahren Erfahrungen mit Vorurteilen gegenüber Psychobillies<br />

gemacht.<br />

„Ja, die hab ich damals <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall gemacht, weil die Leute konnten das damals<br />

halt nicht so einordnen. Man hat halt damals kurze Haare gehabt und dann hat man<br />

ja von <strong>de</strong>n Klamotten, die man trug, hat ja die Sachen teilweise von <strong>de</strong>n Rockabillies,<br />

aber teilweise auch von Punks und Skins übernommen. Hat dann, was weiß ich, Doc<br />

Martens o<strong>de</strong>r so angehabt und wur<strong>de</strong> dann schon öfter mal in so ne Faschoecke gestellt<br />

ne? Was aber absolut nicht <strong>de</strong>r Fall ist, weil ist ja ne absolut unpolitische Szene.“<br />

(L.)<br />

Die Verwechslung mit <strong>de</strong>r Skinheadsubkultur hatte viel mit <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> zu tun, da es<br />

damals nicht so viel Auswahl an Kleidung und Merchandiseprodukten wie heute gab.<br />

Die Psychobillysubkultur hat sich also auch von <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> her verän<strong>de</strong>rt, da sich das<br />

Merchandiseangebot <strong>de</strong>utlich erhöht hat.<br />

„Der einfache Psychobilly hatte halt n Flat, n Baumfällerhemd an, meistens, ne verwaschene<br />

Jeans o<strong>de</strong>r Domestoshose und Boots. Und n Skinhead sah auch von <strong>de</strong>r<br />

Kleidung gar nicht an<strong>de</strong>rs aus, ne? Es war halt einfach so, es hat halt nicht die Klamotten<br />

gegeben. […] Wenn du heute mal in n Konzerthalle mal gehst, <strong>auf</strong> nen<br />

81


Psychobillykonzert, was du da an Klamotten siehst. Was du selbst so <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Konzert<br />

k<strong>auf</strong>en kannst, an Klamotten, das gab’s gar nicht so in <strong>de</strong>m Sinne.“ (K.)<br />

Auch <strong>de</strong>n Medien war Psychobilly kein Begriff. Als gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er Jahre ein<br />

Psychobillyfestival in Delmenhorst veranstaltet wur<strong>de</strong>, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Medien verbreitet,<br />

dass Hor<strong>de</strong>n von Skinheads und Punks in die Innenstadt kommen wür<strong>de</strong>n, um<br />

diese zu verwüsten. Psychobillies wur<strong>de</strong>n in die rechte Ecke gestellt und es wur<strong>de</strong><br />

unterstellt, dass es zu fürchterlichen Ausschreitungen kommen wür<strong>de</strong>. Hier wird<br />

<strong>de</strong>utlich, dass die Medien ein völlig falsches Bild von Psychobillies hatten. Ohne<br />

nähere Recherche wur<strong>de</strong>n Psychos mit Punks und Skinheads in einen Topf geworfen.<br />

Obwohl die Medien keine Informationen über die Psychobillysubkultur hatten, wur<strong>de</strong>n<br />

gleich Vorurteile über politische Haltungen geschürt, ebenso wie Ängste vor<br />

Randale und Gewalt.<br />

„Ja, es gab da mal so n Bericht <strong>im</strong> Nord Drei Fernsehen. Da gab’s so n Festival in<br />

Delmenhorst. […] Das wur<strong>de</strong> so ziemlich <strong>auf</strong>gebauscht und ja, da wur<strong>de</strong> das ganze<br />

auch irgendwie so in die rechte Ecke gestellt, ne? Warum auch <strong>im</strong>mer. Da hieß dann,<br />

Skins wür<strong>de</strong>n kommen und aber auch Punks. Und da wür<strong>de</strong> es Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

geben, auch untereinan<strong>de</strong>r. Und was weiß ich, die Innenstadt wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>moliert und<br />

was weiß ich. Hat sich dann aber <strong>im</strong> Nachhinein herausgestellt, dass dann alles nicht<br />

war. Das wird dann auch so in <strong>de</strong>m Fernsehbericht so dargelegt.“ (L.)<br />

Es gab allerdings auch Berichte in <strong>de</strong>n Medien, die <strong>de</strong>r Wahrheit entsprachen.<br />

„Ja und wo ich mich noch dran erinnern kann. Es gab dann mal in <strong>de</strong>r Bildzeitung n<br />

Artikel. Da wur<strong>de</strong> das Ganze aber nicht in die rechte Ecke gestellt. […] Es wur<strong>de</strong><br />

relativ wahrheitsgemäß berichtet. Das das alles unpolitisch ist.“ (L.)<br />

K. hatte auch oft Ärger mit Migranten, da sie ihn für einen Faschisten gehalten haben.<br />

„Dann hast du natürlich auch <strong>im</strong>mer Probleme gehabt mit Auslän<strong>de</strong>rn. Eher ungewollt,<br />

weil die dich halt für’n Nazi gehalten haben. Hab ich halt auch einige Schlägereien<br />

gehabt, weil ich einfach für n Fascho gehalten wur<strong>de</strong>, ne?“ (K.)<br />

Unterwan<strong>de</strong>rungsversuche von Rechts<br />

Die rechte Szene wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 80er Jahren <strong>auf</strong> die Psychobillysubkultur <strong>auf</strong>merksam.<br />

Die Faschisten versuchten, ebenso wie bei <strong>de</strong>n Skinheads, die Szene zu unterwan<strong>de</strong>rn<br />

und für ihre I<strong>de</strong>ologie zu gewinnen. Durch Einladungen zu Kamerad-<br />

82


schaftsaben<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r FAP o<strong>de</strong>r durch Musikprojekte von Skrewdrivermitglie<strong>de</strong>rn<br />

sollten die Psychobillies gekö<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

„Es gab wohl mal ein Projekt von einem gewissen Herrn Ian Stuart, <strong>de</strong>r ist ja bekannt<br />

in England, National Front. Dann gab’s da noch so ne rechtsradikale Band:<br />

Skrewdriver genannt. Ja und <strong>de</strong>r hat wohl auch so n Projekt gemacht. The Klansmen<br />

nannte sich das. Das war dann halt auch so Rockabilly, mit etwas faschistoi<strong>de</strong>n Texten.<br />

Und da wur<strong>de</strong> wohl auch versucht, die Szene so n bisschen zu unterwan<strong>de</strong>rn,<br />

aber das ist wohl eigentlich relativ, was heißt nicht relativ, das ist wohl auch erfolglos<br />

geblieben. Nichts in <strong>de</strong>r Richtung getan. Ist <strong>im</strong>mer noch unpolitisch.“ (L.)<br />

„Gera<strong>de</strong> hier <strong>im</strong> Ruhrgebiet hat die rechte Szene versucht, uns, ich habe selber erfahren,<br />

am eigenen Leib, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>ren Seite zu ziehen. Wir sind eingela<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n, zum<br />

Kameradschaftsabend von <strong>de</strong>r FAP damals hier. Unter an<strong>de</strong>rem angeführt, damals<br />

von „SS Siggi“, Siggi Borchert. Es ging aber hinterher soweit, dass wir da hinterher<br />

abhaun mussten, weil wir wollten einfach nur s<strong>auf</strong>en und Spaß haben und die Rechten<br />

wollten einfach ihre Parolen da grölen und wir haben einfach gar nicht da mitgemacht.<br />

Z. B. wenn wir eingela<strong>de</strong>n waren, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Kameradschaftsabend, dann<br />

sind die alle <strong>auf</strong>gestan<strong>de</strong>n, haben das Deutschlandlied gesungen, mit <strong>de</strong>r ersten<br />

Strophe. Hat uns gar nicht interessiert. Wir haben nicht mitgesungen. Da sind wir<br />

dann angemacht wor<strong>de</strong>n, wir müssen doch mitsingen und so ne Scheiße und Arm<br />

heben. Und das wollten wir gar nicht. Also ich war auch nie dafür, für die rechte<br />

Szene eigentlich so, ne?“ (K.)<br />

Politische Positionierung gegenüber Rechts<br />

Hier bil<strong>de</strong>n sich 3 Gruppen bei meinen Interviewpartnern. Die eine Gruppe bil<strong>de</strong>n L.<br />

und D. , die bei<strong>de</strong> sagen, dass Psychobilly unpolitisch ist und nichts über ihre Position<br />

gegenüber Rechts erwähnen.<br />

Die zweite Gruppe bil<strong>de</strong>n T. und J. . Bei<strong>de</strong> grenzen sich ganz bewusst von Rechten<br />

ab. „Ich hoffe natürlich <strong>im</strong>mer inständig, dass es nicht so viele rechte Einflüsse<br />

gibt“. (J.) T. hält überhaupt nichts von Faschisten. „Also du hast zwar <strong>im</strong>mer irgendwelche<br />

Bekloppten dabei, irgendwelche Faschos. Also <strong>im</strong> Reinen ist Psychobilly<br />

gesehen unpolitisch“. (T.)<br />

Auf die Frage, ob Faschisten <strong>de</strong>nn <strong>auf</strong> Konzerten gedul<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>n, antwortete T. :<br />

„Ja, was heißt gedul<strong>de</strong>t? Von mir wer<strong>de</strong>n diese Leute nicht gedul<strong>de</strong>t. Definitiv nicht.<br />

Und von meinen Freun<strong>de</strong>n und meinen Bekannten wer<strong>de</strong>n diese Menschen <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n<br />

83


Fall auch nicht gedul<strong>de</strong>t. Weil so was gehört da meiner Meinung nach nicht rein“.<br />

(T.)<br />

Hier wird sich klar von Faschisten und rechten Einflüssen distanziert und diese Leute<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Konzerten auch nicht toleriert.<br />

K. bil<strong>de</strong>t die dritte Gruppe. In K.’s Umfeld hatte die FAP keinen geringen Einfluss<br />

und er kannte einige Mitglie<strong>de</strong>r über die Schule bzw. Berufsschule.<br />

„Aber du bist halt hier so <strong>im</strong> Ruhrgebiet, damals zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt war <strong>de</strong>r Kontakt<br />

zu <strong>de</strong>nen sehr groß. Du hast halt in <strong>de</strong>r Schule, in <strong>de</strong>r Berufsschule o<strong>de</strong>r in damals,<br />

in <strong>de</strong>r Schule, halt <strong>im</strong>mer welche gehabt, die auch, weil die FAP hier <strong>im</strong> Ruhrgebiet<br />

sehr groß vertreten war, bist du halt <strong>im</strong>mer in Kontakt gekommen.“ (K.)<br />

K. wur<strong>de</strong> durch diese Kontakte auch zum Kameradschaftsabend zusammen mit an<strong>de</strong>ren<br />

Psychobillies, eingela<strong>de</strong>n. Entwe<strong>de</strong>r weil sie zu naiv waren o<strong>de</strong>r einfach nur mit<br />

<strong>de</strong>n Kontakten von <strong>de</strong>r Berufsschule feiern wollten, ganz egal, welchen politischen<br />

Hintergrund diese hatten, wur<strong>de</strong> diese Einladung auch angenommen. Allerdings war<br />

klar, das man zum Trinken und Spaß haben dahin gekommen ist und nicht um faschistische<br />

Politik zu feiern. Rechte Rituale wur<strong>de</strong>n nicht mitzelebriert.<br />

„[,,,] wir wollten einfach nur s<strong>auf</strong>en und Spaß haben, und die Rechten wollten einfach<br />

ihre Parolen da grölen und wir haben einfach gar nicht da mitgemacht.“ (K.)<br />

Es wur<strong>de</strong> auch nicht <strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>r rechten Kamera<strong>de</strong>n nachgegeben, bei strafbaren<br />

rechten Prozeduren mitzumachen. „[…] dann sind die alle <strong>auf</strong>gestan<strong>de</strong>n, haben das<br />

Deutschlandlied gesungen, mit <strong>de</strong>r ersten Strophe. Hat uns gar nicht interessiert.<br />

Wir haben nicht mitgesungen. Da sind wir dann angemacht wor<strong>de</strong>n, wir müssen<br />

doch mitsingen und so ne Scheiße. Und Arm heben. Und das wollten wir gar nicht.“<br />

(K.)<br />

K. und die an<strong>de</strong>ren Psychos waren zwar bereit, mit <strong>de</strong>r FAP einen Trinken zu gehen,<br />

aber sie haben sich nicht von <strong>de</strong>n Faschisten und ihrer rechten Politik instrumentalisieren<br />

lassen. K. bezieht zwar nicht so klar Stellung wie T. und J. , doch grenzt er<br />

sich ebenfalls von <strong>de</strong>n Rechten ab. „Also, ich war auch nie dafür, für die rechte Szene<br />

eigentlich so, ne?“ (K.)<br />

84


4.3.2. Ist die Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n?<br />

„Also es ging schon richtig zur Sache damals.“ (K.)<br />

Psychobillies sind früher, wie bereits oben erwähnt, <strong>de</strong>s öfteren mit Skinheads, Faschisten<br />

und Punks verwechselt wor<strong>de</strong>n. Diese Verwechslungen haben oft zu Streitigkeiten<br />

und Schlägereien geführt. Psychobillies waren unbeliebt bei <strong>de</strong>n<br />

Rockabillies, weil viele Leute sich von <strong>de</strong>r Rockabillyszene <strong>de</strong>r Psychobillyszene<br />

zugewen<strong>de</strong>t haben. Für Migranten und Punks waren Psychobillies Faschisten, und<br />

<strong>de</strong>r Normalbürger war in <strong>de</strong>n 80er Jahren bei weitem nicht so tolerant, wie es heute<br />

teilweise <strong>de</strong>r Fall ist. Die Psychobillysubkultur hat auch <strong>im</strong>mer mehr Punkeinflüsse<br />

in die Szene gelassen, was zu einer Spaltung <strong>de</strong>rselbigen geführt hat, da die<br />

Wrecking Crew (die Fans <strong>de</strong>r Meteors), sehr militant <strong>auf</strong> die neuen Einflüsse reagierten.<br />

Es gab also viele Grün<strong>de</strong>, warum Psychobillies in diverse Konflikte verwickelt<br />

waren.<br />

Tolerantere Gesellschaft, Zusammenhalt, Verwechslungen und reaktive Gewalt<br />

Psychobillies sind früher wesentlich häufiger von Passanten beleidigt und bepöbelt<br />

wor<strong>de</strong>n, als heutzutage. Die Psychobillies waren vielen Normalbürgern ein Dorn <strong>im</strong><br />

Auge und sie konnten nicht verstehen, wie man sich so in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit präsentieren<br />

konnte. Diese abwerten<strong>de</strong>n Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Gesellschaft ernteten nicht<br />

selten reaktive Gewalt <strong>de</strong>r Psychobillies. „Sind auch gleich am ersten Tag sofort ver-<br />

haftet wor<strong>de</strong> ne? Haben sofort uns einen gesoffen. Waren sofort Krawalle. Aber<br />

nicht von uns ausgegangen. Weil halt, früher, die Leute, das nicht verstehen konnten,<br />

dass man so rumläuft und <strong>im</strong>mer pöbeln mussten, was heute nicht mehr so ist,<br />

weil es mittlerweile normal gewor<strong>de</strong>n ist, dass die Leute irgendwie an<strong>de</strong>rs ruml<strong>auf</strong>en.“<br />

(K.)<br />

K. empfin<strong>de</strong>t die Gesellschaft heute als viel toleranter und er hat auch keinen Ärger<br />

mehr wie früher. „Also ich kann gut sagen, dass ich, hab jetzt best<strong>im</strong>mt seit 15 Jahren<br />

ja, keine Schlägerei mehr o<strong>de</strong>r so gehabt. Aber früher da war es, kann ich jetzt<br />

nicht sagen, aber es war häufiger, dass ich <strong>im</strong> Konflikt mit normalen Leuten gekommen<br />

bin. Weil in <strong>de</strong>n 80er halt alles noch nicht so offen war wie heute so. Die Gesell-<br />

85


schaft ist heute viel offener und zugänglicher auch und gesprächsbereiter als früher.“<br />

(K.)<br />

Aber auch mit an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> gab es früher Konflikte.<br />

„Wir hatten sehr viele Probleme halt mit Punks. Weil früher, <strong>im</strong> Gegensatz zu heute,<br />

gab es gar nicht, dass, hast du kaum o<strong>de</strong>r wenn überhaupt, ich kann mich gar nicht<br />

dran erinnern, in <strong>de</strong>r damaligen Zeit, dass du Punks <strong>auf</strong> Psychobillykonzerten gesehen<br />

hast. Das war wahrscheinlich auch das Problem.“ (K.)<br />

Aber auch mit <strong>de</strong>r Rockabillyszene kam es zu Konflikten, die in Straßenschlachten<br />

eskaliert sind, genau wie mit <strong>de</strong>r Punksubkultur.<br />

„Und ja, damals war man aber dann halt bei <strong>de</strong>n damals älteren Rockabillies natürlich<br />

nicht so gern gern gesehen, irgendwie. Da gab es auch damals früher n bisschen<br />

Stunk.“ (L.)<br />

„[…] auch die Rockabillyszene und die Psychoszene haben sich auch nicht gut miteinan<strong>de</strong>r<br />

verstan<strong>de</strong>n. Da hab ich auch richtig erlebt, richtige Straßenschlachten.<br />

Also es ging schon richtig zur Sache damals. Wir haben Riesenkrawall einmal gehabt<br />

hier, mit <strong>de</strong>n Punks. Das wir richtig <strong>auf</strong> Punks getroffen, richtig mit gegenseitig<br />

inne Fresse mit Zaunlatten, also. Und also früher war das viel aggressiver. Ich <strong>de</strong>nke<br />

auch, das Potential von <strong>de</strong>n Psychobillies war aggressiver, war n bisschen aggressiver<br />

früher als heute.“ (K.)<br />

Mit Migranten gab es ebenfalls gewalttätige Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen, weil diese, die<br />

Psychobillies, für Nazis hielten.<br />

„Dann hast du natürlich auch <strong>im</strong>mer Probleme gehabt mit Auslän<strong>de</strong>rn. Eher ungewollt,<br />

weil die dich halt für n Nazi gehalten haben. Hab ich halt auch einige Schlägereien<br />

gehabt, weil ich einfach für n Fascho gehalten wur<strong>de</strong>, ne?“ (K.)<br />

Auch mit <strong>de</strong>r Skinheadsubkultur kam es zu Konfrontationen. „Ich kann mich an so<br />

nen Festival, ich glaub in Belgien o<strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n erinnern. Da gab’s dann richtig<br />

Stress mit Skins, ne? Ich weiß jetzt nicht, ob das Rechtsradikale waren o<strong>de</strong>r so.<br />

Das kann man jetzt nicht so genau sagen. Aber ja die haben dann halt das Theater<br />

gemacht und dann ging’s auch richtig zur Sache, ne? Da haben die richtig Dresche<br />

bezogen und sind aus <strong>de</strong>r Halle geschreitet wor<strong>de</strong>n. Das gab’s wohl auch, ne?“ (L.)<br />

Die „normalen“ Bürger hingegen hielten die Psychobillies für Punks. Da die<br />

Psychobillies als Asoziale und Punks tituliert wur<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen sie wie<strong>de</strong>rum heftige<br />

Differenzen hatten, kam es <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r zu reaktiver Gewalt von Seiten <strong>de</strong>r Psychos,<br />

die <strong>im</strong> Prinzip nur ihre Ruhe wollten. „Ich habe viele Situationen erlebt, wo<br />

86


halt Schlägereien entstan<strong>de</strong>n sind, wo eigentlich hätten, keine Schlägereien hätten<br />

entstehen brauchen, wenn die Leute uns einfach in Ruhe gelassen hätten. Ein Beispiel.<br />

Ich sitze <strong>im</strong> Bus. Ich komm da so rein und <strong>auf</strong> einmal brüllt da ein: Eh, scheiß<br />

Punk! Mault <strong>de</strong>r mich voll an und so.“ (K.)<br />

Psychobillies sind allerdings nicht zu vergleichen mit <strong>de</strong>r Hippiekultur und das An<strong>de</strong>rssein,<br />

wird auch gegen äußere Einflüsse verteidigt. Auch mit Gewalt. „Ich bin <strong>de</strong>r<br />

Meinung, dass wenn man an<strong>de</strong>rs rumläuft, muss man dazu stehen und auch dagegen<br />

halten.“ (K.)<br />

Auf die Frage, mit welchen unterschiedlichen Teilen <strong>de</strong>r Gesellschaft es früher Konflikte<br />

gab, antwortet K. : „Mit je<strong>de</strong>m!“ (K.)<br />

Die Psychobillyszene hatte also <strong>auf</strong>grund von Verwechslungen, Konflikten mit an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>Subkulturen</strong> und einer Gesellschaft, die die Psychobillyszene nicht toleriert hat,<br />

mit viel Gegenwind zu kämpfen. Die vielen Konflikte haben in <strong>de</strong>n 80er Jahren zu<br />

einem starken Zusammenhalt <strong>de</strong>r Psychos untereinan<strong>de</strong>r geführt. Auf<br />

Psychobillykonzerte haben sich kaum noch an<strong>de</strong>re Leute, außer Psychobillies, getraut.<br />

Daher blieb die Psychobillyszene unter sich. „Aber ich mein schon, früher war<br />

n bisschen kleiner die Szene, aber viel verschworener. Viel eingefleischter. Weil wie<br />

gesagt, es gab <strong>auf</strong> Konzerten. Hast du eigentlich so von an<strong>de</strong>ren Szenen hast du von<br />

nicht viel gesehen, so wie heute. […] Auch früher eigentlich, wenn da n Konzert war,<br />

waren hauptsächlich nur Psychobillies da. Es war n bisschen kleiner und die Leute<br />

waren auch vorsichtiger früher. Die gingen dann nicht einfach <strong>auf</strong> n<br />

Psychobillykonzert. […] Wenn da irgendwer, einer von uns angemacht wur<strong>de</strong>, hatte<br />

er gleich n Problem mit allen gehabt. Deswegen sind die Leute, auch gar nicht so,<br />

auch keine Punks o<strong>de</strong>r so da <strong>auf</strong>getaucht.“ (K.)<br />

Psychobilly war für Außenstehen<strong>de</strong> eher verschlossen und die Leute, die trotz<strong>de</strong>m<br />

<strong>auf</strong> ein Psychobillykonzert gingen, mussten mit einer kritischen Betrachtungsweise<br />

o<strong>de</strong>r gar Ärger rechnen.<br />

„Also früher wur<strong>de</strong> man dann also, wenn man schon ne an<strong>de</strong>re Frisur hatte o<strong>de</strong>r so<br />

langhaarig o<strong>de</strong>r was weiß ich Punk o<strong>de</strong>r Skin o<strong>de</strong>r Normalo war, dann wurd man<br />

schon zumin<strong>de</strong>st schief angeguckt, wenn nicht noch mehr. Also das waren früher<br />

reine Psychobillykonzerte. Da liefen auch keine an<strong>de</strong>ren Leute rum.“ (L.)<br />

Da die Psychobillies aggressiv und mit Gewalt <strong>auf</strong> die Provokationen <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

geantwortet haben, ging ihnen <strong>de</strong>r Ruf voraus, dass sie Schläger wären. Die<br />

Gewaltbereitschaft war <strong>de</strong>finitiv vorhan<strong>de</strong>n und die Psychobillies sind auch keinem<br />

87


Ärger aus <strong>de</strong>m Weg gegangen. „Und dann Theater gab, haben wir auch <strong>im</strong>mer gut<br />

zusammen gehalten. Und dann wurd auch schon mal was platt gemacht, ne?“ (K.)<br />

Trotz <strong>de</strong>r hohen Gewaltbereitschaft <strong>de</strong>r Psychobillies waren die vielen Schlägereien<br />

nicht beabsichtigt, son<strong>de</strong>rn reaktiv. Die Psychobillies wollen sich zwar bewusst von<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft abgrenzen und auch provozieren, aber Schlägereien wer<strong>de</strong>n nicht<br />

bewusst gesucht. Schlägereien wer<strong>de</strong>n allerdings auch nicht unbedingt vermie<strong>de</strong>n.<br />

„[…] sag ich mal, zu 90% kam das eigentlich gar nicht von uns. Es fing eigentlich<br />

damit an, dass die Leute uns angepöbelt haben. Wir wollten eigentlich nicht. Wir<br />

sind nicht <strong>auf</strong> die Straße gegangen um Leute anzupöbeln. Wir wollten nur n bisschen<br />

die Leute durch unser Äußeres provozieren und halt das die Leute uns anglotzen und<br />

durch unser Äußeres auch uns abgrenzen, von <strong>de</strong>n Normalen. Aber wir wollten damit<br />

nicht erreichen, dass wir uns je<strong>de</strong>n Tag prügeln o<strong>de</strong>r. Wir wollten einfach unsere<br />

Musik hören, unseren Spaß haben, <strong>auf</strong> unsere Art und Weise und wollten einfach so<br />

aussehen, wie wir aussehen wollten.“ (K.)<br />

Dass die Psychobillies vorher provoziert wur<strong>de</strong>n, hat die Gesellschaft nicht interessiert<br />

und so hatten die Psychobillies ihren gewalttätigen Ruf weg, da die Schlägereien<br />

<strong>de</strong>n Bürgern nicht entgangen waren.<br />

„Das haben natürlich dann die Leute gesehen und haben gesagt, Schlägertypen und<br />

so, ne? Die haben aber nicht davon gere<strong>de</strong>t, dass du provoziert wur<strong>de</strong>st o<strong>de</strong>r so.<br />

Wurd <strong>im</strong>mer nur gesehen: Oh, das sind die! Schlägerei!“ (K.)<br />

Punkabilly vs. Psychobilly<br />

„Du musstest <strong>auf</strong>passen, dass du da echt nicht zusammengeschlagen wor<strong>de</strong>n bist,<br />

von <strong>de</strong>n Meteorsfans[…].“ (K.)<br />

Neben <strong>de</strong>n vielen Problemen, <strong>de</strong>n die Psychobillies mit <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

hatten, kamen gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er Jahre bzw. Anfang <strong>de</strong>r 90er Jahre noch szeneinterne<br />

Probleme hinzu. Die Psychobillysubkultur begann sich zu diesem Zeitpunkt zu<br />

transformieren und es kamen mehr Punkeinflüsse in die Szene. Das machte sich an<br />

<strong>de</strong>r Musik, wie auch an <strong>de</strong>n Frisuren, bemerkbar. „Dann so Anfang <strong>de</strong>r 90er Mitte<br />

<strong>de</strong>r 90er begann die Psychobillyszene sich zu wan<strong>de</strong>ln und es kam mehr <strong>de</strong>r Punkeinfluss<br />

rein. […] mittlerweile gibt’s n paar Bands, die sagen, sie machen<br />

88


Punkabilly. Ist halt noch n bisschen härter und schneller gespielt als Psychobilly.<br />

Und dadurch halt auch bunter halt und dadurch die Frisuren extremer wur<strong>de</strong>n.“ (K.)<br />

Eine <strong>de</strong>r wichtigsten Bands, die Punkabilly machen, sind „Demented Are Go“. Der<br />

Sänger Mark „Sparky“ Phillips ist für seinen bunten Riesenflat, seine extravagante<br />

Bühnenkleidung und für seinen exzessiven Lebensstil bekannt. Demented Are Go<br />

gehören mit ihren ausgeflippten Texten, ihrem Bühnen<strong>auf</strong>tritten mit Kunstblut,<br />

Gumm<strong>im</strong>asken und Gummipuppen, und ihren Skandalen, zu <strong>de</strong>n größten Bands <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur. Es ist auch allgemein bekannt, dass sich Mark Phillips und <strong>de</strong>r<br />

Sänger <strong>de</strong>r Meteors, Peter Paul Fenech, nicht lei<strong>de</strong>n können. En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er bzw. Anfang<br />

<strong>de</strong>r 90er Jahre, verhärteten sich die Fronten zwischen <strong>de</strong>n Fans <strong>de</strong>r Meteors, <strong>de</strong>r<br />

so genannten Wrecking Crew und <strong>de</strong>n Fans von Demented Are Go. Es kam zur Gewalt<br />

untereinan<strong>de</strong>r und fast zu einer Spaltung <strong>de</strong>r Subkultur.<br />

„Auch wenn es dann innerhalb <strong>de</strong>r Szene gab es ja die so genannte German<br />

Wrecking Crew, welche halt Fans <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Psychobillies, <strong>de</strong>r Meteors<br />

sind. Und ja, sind so n bisschen sehr puristisch eingestellt. Und es gab dann halt<br />

auch Bands wie Demented Are Go, die ein bisschen mehr Punkrock in die Szene gebracht<br />

haben und da gab’s dann <strong>im</strong>mer halt so n bisschen Stress. Was dann eigentlich<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er, Anfang <strong>de</strong>r 90er Jahre, fast <strong>auf</strong> ne Spaltung <strong>de</strong>r Szene hinaus<br />

lief. Es gab öfter mal Schlägereien. Ich hab auch das eine o<strong>de</strong>r das an<strong>de</strong>re blaue<br />

Auge davon getragen. Bin aber <strong>de</strong>r Szene treu geblieben.“ (L.)<br />

Was L. hier mit ein bisschen Stress verharmlost, eskaliert <strong>im</strong>mer mehr und die<br />

Wrecking Crew (in Deutschland bekannt unter <strong>de</strong>m Namen German Wrecking Crew,<br />

die Wrecking Crew gibt es allerdings weltweit) beharrt dar<strong>auf</strong>, dass nur die Meteors<br />

echten Psychobilly machen und alle an<strong>de</strong>ren Punks sind. Auf Festivals und Konzerten<br />

kam es <strong>im</strong>mer mehr zu Gewalt von <strong>de</strong>r Wrecking Crew, gegen vermeintliche<br />

Gegner. Ganz beson<strong>de</strong>rs beliebt waren bekennen<strong>de</strong> Demented Are Go Fans.<br />

„Man hat dann <strong>im</strong>mer wenn man schon, wenn man n falsches T-shirt o<strong>de</strong>r n falschen<br />

Aufnäher von <strong>de</strong>r falschen Band hatte, ist man schon blöd angemacht wor<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r<br />

irgendwann mal <strong>auf</strong> nem Festival, da haben wir dann Demented Are Go <strong>im</strong> Radio<br />

gehört, da kamen diese Jungs von <strong>de</strong>r Wrecking Crew und haben die Luft aus <strong>de</strong>n<br />

Reifen gelassen o<strong>de</strong>r einen mit Bier bekippt o<strong>de</strong>r so.“ (L.)<br />

Während L. blaue Augen, Bierduschen und platte Reifen hinnehmen musste, eskalierte<br />

die Gewalt <strong>im</strong>mer mehr von Seiten <strong>de</strong>r Wrecking Crew.<br />

Auch K. berichtet von Gewalt in <strong>de</strong>r Szene untereinan<strong>de</strong>r.<br />

89


„Also, ich hab erlebt auch Konzerte, wo Gewalt entstan<strong>de</strong>n ist. Lei<strong>de</strong>r auch unter<br />

Psychobillies. Ich hab das auch schon erlebt, dass ein Konzert beinahe abgebrochen<br />

wor<strong>de</strong>n ist, wegen Messerstecherei. Dann hab ich gehört, von An<strong>de</strong>ren, war ich selber<br />

nicht dabei. Das in Berlin sogar einer abgestochen wur<strong>de</strong>. Das kam aber damals<br />

lei<strong>de</strong>r durch diese ganze Meteors Geschichte.“ (K.)<br />

Die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wrecking Crew zählten sich zu <strong>de</strong>n einzig wahren Psychobillies<br />

und scheuten auch nicht davor zurück, Leute aus <strong>de</strong>m Pit (<strong>de</strong>r Tanzkreis <strong>de</strong>r<br />

Psychobillies vor <strong>de</strong>r Bühne) zu ziehen und diese zusammenzuschlagen. Sie wollten<br />

ganz klar <strong>de</strong>monstrieren, dass nur „echte“ Psychobillies <strong>auf</strong> die Konzerte durften.<br />

„Weil die Meteorsleute haben halt gesagt, dass die Meteors die einzige Band die<br />

Psychobilly macht, die an<strong>de</strong>ren sind alles Punks. […] Die haben für Krawalle gesorgt<br />

halt. Die sind dann in <strong>de</strong>n Pit rein und haben echt Leute mal rausgezogen und<br />

weggepölt. […] Du musstest <strong>auf</strong>passen, dass du da echt nicht zusammengeschlagen<br />

wor<strong>de</strong>n bist, von <strong>de</strong>n Meteorsleuten, weil die einfach gesagt haben, ihr seid keine<br />

Psychobillies. Wir sind Psychobillies. Wir sind die richtigen Psychobillies.“ (K.)<br />

Die selbsternannte militante Szenepolizei, führte schließlich dazu, dass die<br />

Psychobillyszene <strong>im</strong>mer kleiner wur<strong>de</strong> und sich viele Leute <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>r Gewaltsituation<br />

zurückzogen.<br />

Auch Leute, die sich durchaus wehren konnten, wie K. , wur<strong>de</strong> die Gewalt in <strong>de</strong>r<br />

Szene zuviel. Durch die ständige Bedrohung von Gewalt <strong>auf</strong> Konzerten und <strong>de</strong>r versuchten<br />

Spaltung durch die militante Wrecking Crew verloren viele Leute <strong>de</strong>n Spaß<br />

daran, Psychobilly zu sein. Dies führte dazu, dass <strong>im</strong>mer weniger Leute<br />

Psychobillykonzerte besuchten und so hatte sich die Szene gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre<br />

<strong>im</strong> Ruhrgebiet fast selber zerstört.<br />

„So dass die Leute irgendwann keinen Bock mehr hatten. Das war dann auch ir-<br />

gendwie gekommen, dass das echt Überhand genommen hat. Aus meiner Sicht war<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre die Psychobillyszene auch tot. Weil keiner mehr Bock hatte.<br />

[…] Aber damals war das schon, dass ich dann auch ne Zeit lang, ja zwei, zweieinhalb<br />

Jahre, <strong>auf</strong> gar keinem Konzert mehr war, weil die Szene auch tot war und auch<br />

keinen Spaß mehr machte, <strong>auf</strong>s Konzert zu gehen, ne?“ (K.)<br />

Auch L. zog sich Mitte <strong>de</strong>r 90er Jahre aus <strong>de</strong>r Psychoszene zurück.<br />

„Bis irgendwann, ja ich weiß es nicht mehr genau, irgendwann so in <strong>de</strong>n 90ern, Mitte<br />

<strong>de</strong>r 90er. Hatte ich dann auch n bisschen gar nicht mehr die große Lust und hab<br />

auch n bisschen an<strong>de</strong>re Musik gehört.“ (L.)<br />

90


Auf die Frage, ob sein Rückzug auch mit <strong>de</strong>r Gewalt zu tun hatte, die in <strong>de</strong>r Szene<br />

herrschte antwortete er:<br />

„Ja, das hatte auch damit zu tun.“ (L.)<br />

Die älteren Psychobillies haben <strong>de</strong>n Konflikt zwischen Psychobilly und Punkabilly<br />

am eigenen Leib erfahren, bzw. die Gewalt und die Konfliktsituationen miterlebt.<br />

Diese Konflikte sind auch <strong>de</strong>n jüngeren Psychobillies bekannt, allerdings schätzen<br />

sie die Situation heute als <strong>de</strong>utlich friedlicher ein. Dennoch gibt es <strong>im</strong>mer noch<br />

Spannungen und die Fans <strong>de</strong>r Meteors wer<strong>de</strong>n als aggressiv wahrgenommen.<br />

D. hat selber noch keine Konfliktsituationen erlebt, aber er weiß, dass es auch heute<br />

noch durchaus Spannungen gibt.<br />

„Es gibt auch Konfliktsituationen. So, wie ich mitbekommen habe, gibt es so richtig<br />

Oldschoolpsychobillies, die nur n paar Bands als wirklichen Psychobilly sehen. Und<br />

dann gibt’s einfach Stress mit <strong>de</strong>nen. Aber sonst eigentlich total harmonisch.“ (D.)<br />

T. sind die Konflikte auch durchaus bekannt, allerdings vertritt er die Meinung, dass<br />

sich die Situation <strong>de</strong>utlich entschärft hat, und er persönlich noch keine Probleme in<br />

dieser Hinsicht hatte. Allerdings ist auch er <strong>de</strong>r Meinung, dass <strong>auf</strong> einem<br />

Meteorskonzert durchaus Wachsamkeit gefragt ist, wenn man ein Demented Are Goshirt<br />

anhat.<br />

„Also mich betrifft das gar nicht. Ich kenn das auch aus Erzählungen von älteren<br />

Menschen, von älteren Psychos, dass es, war früher, in <strong>de</strong>n 80ern, wohl ziemlich<br />

krass. […] ihre Wrecking Crew, das ist sozusagen <strong>de</strong>r große Fankreis o<strong>de</strong>r Fankreis<br />

<strong>de</strong>r Meteors, dann wur<strong>de</strong>n halt an<strong>de</strong>re Bands so gut wie also an und für sich in <strong>de</strong>n<br />

80ern gar nicht akzeptiert. Das heißt, wenn man <strong>im</strong> Demented Are Go T-shirt <strong>auf</strong> n<br />

Meteorskonzert gegangen ist, dann halt man halt dick <strong>auf</strong> die Fresse bekommen.<br />

Heutzutage gut, also ich sag mal so heutzutage ist es ja alles viel lockerer. […] Aber<br />

heutzutage ist es meiner Meinung nach kein Problem mehr, wenn ne mit nem<br />

Dementedshirt <strong>auf</strong> n Meteorskonzert gehst. […] von <strong>de</strong>n alteingesessenen<br />

Wreckingcrewmenschen wirste zwar dämlich angeguckt. Sollte man auch nicht unbedingt<br />

ins Wrecking Pit gehen. Also in <strong>de</strong>n Pogo rein. […] Muss vielleicht n bisschen<br />

<strong>auf</strong>passen. Aber ich glaub nicht, dass es noch so krass ist, wie früher. Definitiv<br />

nicht. Kann ich mir nicht vorstellen.“ (T.)<br />

D. antwortet <strong>auf</strong> die Frage, ob er <strong>de</strong>nn Probleme mit an<strong>de</strong>ren Psychobillies hat, wenn<br />

die an<strong>de</strong>re Bands hören als er: „Nö, da hab ich gar keine Probleme mit.“ (D.)<br />

91


Auch J. schätzt die Konfliktsituation als <strong>de</strong>utlich entspannter ein. Sie hört zwar selber<br />

gerne Meteors, doch kann sie mit <strong>de</strong>r Wrecking Crew nichts anfangen.<br />

„Natürlich gibt’s <strong>im</strong>mer noch diese militanten Meteorsanhänger, mit <strong>de</strong>nen ich aber<br />

nicht viel anfangen kann. Die sind mir auch zu uniformiert. Die sehen für mich alle<br />

gleich aus. Und ich höre Meteors super gerne.“ (J.)<br />

In einem Psychobillyforum <strong>im</strong> Internet hat J. erlebt, dass es auch <strong>im</strong>mer noch<br />

Meteorsanhänger gibt, die <strong>de</strong>r Meinung sind, dass nur sie die echten Psychobillies<br />

sind. J. beeindruckt das allerdings nicht und sie hält diese Meinung für eine überholte.<br />

„Ich wur<strong>de</strong> schon öfters mal <strong>im</strong> Internet in diversen Foren natürlich angepöbelt,<br />

<strong>auf</strong> unterstem Niveau. Aber das find ich ist eher Kin<strong>de</strong>rgarten und das ist auch nicht<br />

mehr zeitgemäß.“ (J.)<br />

Der Grund für die Pöbeleien war J.’s Affinität zu Demented Are Go.<br />

„Weil ich, glaub ich, <strong>im</strong> Internet <strong>auf</strong> meinen Foren o<strong>de</strong>r <strong>auf</strong> meinen Profilen, glaub<br />

ich eher so n bisschen zu Demented Are Go Stellung beziehe.“ (J.)<br />

J. ist auch <strong>de</strong>r Meinung, dass eine Szene nicht nur aus einer Band bestehen kann. Sie<br />

fin<strong>de</strong>t diese Haltung lächerlich und auch von <strong>de</strong>r Abkürzung o.t.m.a.p.p. (only the<br />

meteors are pure psychobilly) hält sie nicht viel. Sie schreibt <strong>de</strong>n Meteorsfans auch<br />

heute noch eine hohe Aggressivität zu. „Ich find das auch albern, wie die heutzutage<br />

noch mit ihrem o.t.m.a.p.p. und dann in ihrem kleinen eingeschworenen Kreis und<br />

die sind ja auch ziemlich aggressiv <strong>auf</strong> Konzerten. […] Kann ich nur drüber lachen.<br />

Wenn eine Szene nur aus einer Band bestehen wür<strong>de</strong>, dann wäre es glaub ich keine<br />

richtige Szene. Ne.“ (J.)<br />

Auch K. vertritt die Meinung, dass die Meteorsanhänger es übertrieben haben und es<br />

langweilig ist, wenn man nur eine Band hört.<br />

„Ich <strong>de</strong>nke mal einfach, die haben das einfach n bisschen übertrieben, mit <strong>de</strong>ren<br />

Meteorskult. Obwohl Meteors natürlich ne wichtige Band in <strong>de</strong>r Psychobillyszene<br />

sind. Der Grundstein eigentlich auch. […] Gibt natürlich auch extrem Meteorsleute,<br />

die gehen wirklich nur zu Meteors o<strong>de</strong>r so, ne? Was ich n bisschen nicht so toll fin<strong>de</strong>,<br />

weil ist ja langweilig wird <strong>auf</strong> Dauer, ne?“ (K.)<br />

Auch hier bil<strong>de</strong>n sich zwei Gruppen bei meinen Interviewpartnern. Die älteren<br />

Psychobillies L. und K. stellen die eine Gruppe, während die jüngeren Psychobillies<br />

T. , J. und D. , die zweite Gruppe darstellen. Während L. und K. wegen <strong>de</strong>s eskalieren<strong>de</strong>n<br />

Konflikts zwischen <strong>de</strong>r Wrecking Crew und Punkabillyfans (Demented Are<br />

Go Fans <strong>im</strong> Speziellen), sogar die Szene für einige Jahre verlassen haben, bzw. gar<br />

92


keine Szene mehr vorhan<strong>de</strong>n war, erleben die Jüngeren eine friedlichere Subkultur.<br />

Bei einem Meteorskonzert geht es zwar <strong>im</strong>mer noch wild und aggressiv zu: „Obwohl<br />

es teilweise auch heute, auch ab und zu mal, <strong>auf</strong> Meteors Konzerten mal schon mal<br />

so n bisschen herbe wird.“ (K.)<br />

Doch sind die Zeiten <strong>de</strong>r eskalieren<strong>de</strong>n Gewalt vorbei. Die jüngeren Psychos kennen<br />

alle die alten Konflikte, und hin und wie<strong>de</strong>r tauchen auch Relikte dieser Feh<strong>de</strong> <strong>auf</strong>,<br />

wie z. B. bei <strong>de</strong>r Bepöbelung von J. <strong>im</strong> Internet. Dennoch lässt sich festhalten, dass<br />

die Psychobillysubukultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n ist und <strong>auf</strong> die Grün<strong>de</strong> dafür gehe ich<br />

<strong>im</strong> nächsten Unterpunkt ein.<br />

Die Psychobillysubkultur ist älter und ruhiger gewor<strong>de</strong>n<br />

„Früher haste nicht so direkt nachgefragt. Man hat einfach mal dr<strong>auf</strong>gehaun,<br />

ne?“ (K.)<br />

L. sieht die wil<strong>de</strong> Vergangenheit <strong>de</strong>r Psychobillyszene mit Humor und vertritt die<br />

Meinung, dass es damals so viel Gewalt gab, weil es sich um eine Jugendsubkultur<br />

gehan<strong>de</strong>lt hat. „[…] weiß nicht, heutzutage kann man mehr o<strong>de</strong>r weniger darüber<br />

lachen. Heutzutage gibt’s das alles nicht mehr. Heute ist mehr Spaß in <strong>de</strong>r Szene.<br />

Und ja, diese Gewalttätigkeiten. Ich mein, damals war das auch mehr ne Jugendsubkultur.<br />

Waren ja alles auch jüngere Leute. Und vielleicht lag das auch so n bisschen<br />

daran, dass das halt heutzutage zurückgegangen ist. Heutzutage sind ja auch viele<br />

Leute dabei, die n bisschen älter, n bisschen ruhiger sind. Und ja diese Gewalttätigkeiten<br />

gibt’s jetzt mittlerweile eigentlich gar nicht mehr.“ (L.)<br />

Auch K. sagt, dass er mit einem gewissen Alter ruhiger und friedlicher gewor<strong>de</strong>n ist,<br />

genau wie die Wrecking Crew. „Na gut, die Wrecking Crew sind auch älter gewor<strong>de</strong>n.<br />

Ruhiger gewor<strong>de</strong>n. Ich bin ja auch ruhiger gewor<strong>de</strong>n, ne? Wie gesagt. Was<br />

weiß ich? Gott sei Dank. Bin ich heute froh. Keine Schlägereien mehr gehabt und so.<br />

Man wird halt ruhiger.“ (K.)<br />

Der Spaß steht heute ganz klar <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund und K. vermutet, dass die Wrecking<br />

Crew lieber in Ruhe die alten Bands sehen will, die heute nach langer Pause wie<strong>de</strong>r<br />

<strong>auf</strong>treten. „Und vielleicht haben die Leute auch einfach gemerkt, dass es einfach<br />

mehr Spaß macht, einfach nur <strong>auf</strong>s Konzert zu gehen und einfach Spaß zu haben.<br />

[…] Viele Leute kommen dahin, weil da <strong>auf</strong> einmal wie<strong>de</strong>r alte Bands spielen. Viel-<br />

93


leicht sagen sich die Wrecking Crew Leute, sagen, man wir haben jetzt noch die<br />

Chance, die alten Bands noch mal zu sehen und gehen einfach mal wie<strong>de</strong>r hin.“ (K.)<br />

Neben <strong>de</strong>n alten Bands, könnten auch verän<strong>de</strong>rte Familienverhältnisse eine Rolle<br />

spielen. „Ich <strong>de</strong>nke, auch halt älter gewor<strong>de</strong>n sind. Reifer. Viele sind auch Familienväter<br />

mittlerweile. Ich kenn auch einige.“ (K.)<br />

Während die Wrecking Crew Germany früher in größeren Gruppen mit entsprechen<strong>de</strong>n<br />

T-shirts <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>en sind, trifft man die Mitglie<strong>de</strong>r dieser Fraktion heute eher<br />

vereinzelnd und ohne Wrecking Crew Shirt <strong>auf</strong> Konzerten an.<br />

„Die treten halt nicht mehr in so großen Gruppen <strong>auf</strong>, auch wie früher. Und ihre T-<br />

Shirts haben sie wahrscheinlich auch irgendwo an <strong>de</strong>n Nagel gehängt, woran man<br />

sie früher erkannte hatte. Und die sind <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall alle älter und ruhiger gewor<strong>de</strong>n.<br />

Da ist gar kein Stress mehr mit <strong>de</strong>nen. Ne. Ne.“ (L.)<br />

K. räumt auch ein, dass die Psychobillyszene ein hohes Aggressionspotential hatte<br />

und die Hemmschwelle für Gewalt nicht so hoch war. „Natürlich, da war dann, frü-<br />

her warste jung und frisch und frei und fröhlich und hast auch mal was kommen lassen,<br />

wenn er unbedingt brauchte, ne? Früher haste nicht so direkt nachgefragt. Man<br />

hat einfach dr<strong>auf</strong>gehaun, ne? […] Dann wurd halt auch mal, wenn dir einer blöd<br />

kam, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r halt weggekickt und so, ne? Und man war, ich sag mal ganz ehrlich,<br />

da schon schneller bei als heute. Also ich fin<strong>de</strong> die Psychobillyszene ist ruhiger. […]<br />

Ich <strong>de</strong>nke auch das Potential von <strong>de</strong>n Psychobillies war aggressiver war n bisschen<br />

aggressiver, früher als heute.“ (K.)<br />

Auch L. sieht es so, dass <strong>de</strong>r Spaßfaktor <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund steht und die<br />

Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n ist. „Ja, die Szene heute ist <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall<br />

<strong>de</strong>utlich friedlicher. […] Damals ging es schon nicht, das was weiß ich, z.B. Meteors<br />

und Demented <strong>auf</strong> einem Konzert gespielt hätten o<strong>de</strong>r so. Da wäre schon übel gewesen.<br />

Heutzutage ist das alles total locker und ja, es ist heute einfach nur Spaß, ne?“<br />

(L.)<br />

Auch J. gefällt die Atmosphäre <strong>de</strong>r heutigen Psychobillyszene. „Aber sonst empfin<strong>de</strong><br />

ich es <strong>im</strong>mer als ganz lässig, locker, nett.“ (J.)<br />

T. hält Psychobilly auch für eine friedliche Subkultur. „Meiner Meinung nach spielt<br />

da die Gewaltrolle ne recht kleine, aus meinen persönlichen Erfahrungen.“ (T.)<br />

D. antwortet <strong>auf</strong> die Frage, ob er die Psychobillyszene für aggressiver hält als an<strong>de</strong>re<br />

<strong>Subkulturen</strong>: „Ne, würd ich nicht.“ (D.)<br />

94


Auch für Außenstehen<strong>de</strong> ist es heute kein Problem mehr <strong>auf</strong> einem<br />

Psychobillykonzert zu erscheinen. Szeneneuling D. antwortet <strong>auf</strong> die Frage, ob Außenstehen<strong>de</strong><br />

Gefahr l<strong>auf</strong>en, Opfer von Gewalt <strong>auf</strong> Konzerten zu wer<strong>de</strong>n: „Also eigentlich<br />

nicht. Ne. Sieht wahrscheinlich für n Außenstehen<strong>de</strong>n schon n bisschen komisch<br />

aus, so wenn er da reinkommt, die ganzen Leute <strong>im</strong> Wrecking Pit. Natürlich,<br />

da <strong>de</strong>nkt er auch schon. Aber eigentlich wird ihm niemand was tun, weil die Leute<br />

super nett sind.“ (D.)<br />

Auch K. erlebt die heutige Szene als angenehmer und entspannter. „Und wie gesagt,<br />

auch dadurch, das sich das jetzt n bisschen, das <strong>im</strong> L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r Jahre verän<strong>de</strong>rt hat.<br />

Das auch an<strong>de</strong>re Leute dahingehen mittlerweile und einfach <strong>de</strong>r Spaß nur noch <strong>im</strong><br />

Vor<strong>de</strong>rgrund steht, find ich das heute n bisschen so angenehmer.“ (K.)<br />

Allerdings vermisst K. <strong>de</strong>n Respekt, <strong>de</strong>n die Leute früher vor Psychobillies hatten<br />

und die Verschworenheit <strong>de</strong>r kleinen, aber schlagkräftigen Subkultur. „Aber früher<br />

war es auch nicht schlecht, muss ich sagen. Weil du so n bisschen verschworener<br />

warst. Früher hatten die Leute schon Respekt vor Psychobilly. Find ich heute nicht<br />

mehr ganz so.“(K.)<br />

L. empfand seine Zeit als junger Psychobilly spannen<strong>de</strong>r als heute. „Ja, spannen<strong>de</strong>r<br />

war natürlich früher, weil man ja nie wusste, ob man nicht von <strong>de</strong>r Wrecking Crew<br />

mal eben n blaues Auge gezogen kriegte o<strong>de</strong>r so. […] Ja und man war jünger. Man<br />

hatte kein Auto. Man ist dann <strong>auf</strong> gut Glück einfach mal <strong>auf</strong> irgendwelche Festivals<br />

nach Belgien gefahren. Das war natürlich schon ne abenteuerlichere Zeit als heutzutage.“<br />

(L.)<br />

4.3.3. Wie verhält es sich mit <strong>de</strong>m Geschlechterverhältnis in <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur?<br />

„Die Frauen heutzutage, so find ich so, haben ganz schön <strong>auf</strong>geholt.“ (K.)<br />

Frauen in <strong>de</strong>r Psychobillyszene haben sich <strong>im</strong> Gegensatz zu früher auch verän<strong>de</strong>rt.<br />

Frauen trugen in <strong>de</strong>n 80er Jahren, genau wie die Männer Flats, Bomberjacken und<br />

Stiefel. Die weiblichen Psychobillies treten heute viel femininer <strong>auf</strong> und haben sich<br />

modisch an <strong>de</strong>r Rockabillyszene orientiert. Doch nicht nur das Outfit hat sich verän-<br />

95


<strong>de</strong>rt, son<strong>de</strong>rn auch Auftreten <strong>de</strong>r Frauen in <strong>de</strong>r Szene. Sie agieren viel selbstbewusster.<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Outfits<br />

In <strong>de</strong>n 80er Jahren gab es noch nicht so viele Merchandiseartikel und szenetypische<br />

Kleidung in <strong>de</strong>r Psychobillyszene und so sahen die Frauen fast so aus wie die Männer.<br />

„Die haben mächtig <strong>auf</strong>geholt, was so Sachen Outfit angeht. Ich kann mich erinnern,<br />

an ne Zeit, wo es bei mir los ging, da sah ne Frau eigentlich aus wie <strong>de</strong>r<br />

Kerl. Von <strong>de</strong>n Klamotten und meistens auch von <strong>de</strong>r Frisur. Also ich hatte ja auch ne<br />

Freundin, die hatte auch n Flat, die hatte auch ne Bomberjacke und ne<br />

Domestoshose. Von hinten sahen wir aus wie zwei Männer und die haben uns alle für<br />

schwul gehalten.“ (K.)<br />

Das Outfit ist heute wesentlich femininer, extravaganter und körperbetonter. „Wie<br />

gesagt, früher Frau, hatte meine Freundin, z.B. hat früher auch n Flat getragen. Und<br />

wenn man so mal von hinten o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Seite, dachte man das wäre n Mann vom<br />

Outfit einfach. Heute kann man <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall n Unterschied sehen. Und heute viel<br />

gewagter, das Outfit <strong>de</strong>r Frauen.“ (K.)<br />

„Was ich noch sagen muss, noch dazu, dass sich das Outfit <strong>de</strong>r Frauen verän<strong>de</strong>rt<br />

hat. Früher in <strong>de</strong>n 80ern, da liefen da halt mehr so rum, wie die Kerle halt auch, mit<br />

Flat und Domestosjeans. Und jetzt ist halt n bisschen mehr schwarz angesagt. So n<br />

bisschen Lack und Le<strong>de</strong>r teilweise auch.“ (L.)<br />

Auch J. weiß <strong>auf</strong>grund von Fotos, wie die Frauen in <strong>de</strong>n 80er Jahren, in <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur aussahen. Auch sie kann eine <strong>de</strong>utliche Verän<strong>de</strong>rung erkennen.<br />

„Die Leute sahen bisschen uniformierter aus, mit ihren Domestosjeans und Boots<br />

und keine Ahnung, Shirts o<strong>de</strong>r Hem<strong>de</strong>n, Bandshirts, Flats und auch die Frauen sahen<br />

n bisschen mehr unisex aus. Ich hab das Gefühl, dass die Frauen, mittlerweile n<br />

bisschen bunter, n bisschen femininer aussehen. Sich auch n bisschen mehr an die<br />

Rockabillyszene orientiert haben, mit <strong>de</strong>n Frisuren und <strong>de</strong>n Kleidchen.“ (J.)<br />

Allerdings betont J. , dass die Psychobillyfrauen sich <strong>de</strong>nnoch von <strong>de</strong>n<br />

Rockabillyfrauen vom Outfit und <strong>de</strong>m Auftreten unterschei<strong>de</strong>n. Auf die Frage, ob<br />

be<strong>im</strong> Style die Grenzen zwischen Psychobilly und Rockabilly verschwin<strong>de</strong>n, antwortet<br />

sie: „Es verschw<strong>im</strong>mt ein bisschen ineinan<strong>de</strong>r. Wenn’s jetzt unsichtbar wäre.<br />

96


Wenn ich sagen wür<strong>de</strong>, es wür<strong>de</strong> unsichtbar wer<strong>de</strong>n, könnte ich mich selbst nicht<br />

mehr ernst nehmen.“ (J.)<br />

Zu<strong>de</strong>m betont J. auch <strong>de</strong>n Punkeinfluss <strong>im</strong> Outfit <strong>de</strong>r Psychobillies. „Ne, wir, ich<br />

<strong>de</strong>nke schon, dass wir noch herausstechen. Vor allem wir als Frauen. Weil einfach<br />

bunter, wir sind wohl auch gepiercter, tätowierter und irgendwo auch punkiger. Natürlich<br />

ja.“ (J.)<br />

Auch K. ist <strong>de</strong>r Meinung, dass Tätowierungen in <strong>de</strong>r Psychobillyszene <strong>de</strong>utlich zugenommen<br />

haben. „Was auch <strong>auf</strong>gefallen ist, wenn man das mal beobachtet, <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zu früher. Früher siehste mal da, hat <strong>de</strong>r ein mal ein o<strong>de</strong>r zwei Tattoos. Ne<br />

Frau hatte vielleicht mal eins. Und heute sind selbst die Frauen, haben selbst da die<br />

Männer da teilweise überholt, wenn man sich das mal anguckt.“ (K.)<br />

Selbstbewusstsein von Frauen in <strong>de</strong>r Psychobillyszene<br />

Auch das Selbstbewusstsein <strong>de</strong>r Frauen in <strong>de</strong>r Psychoszene hat sich weiterentwickelt.<br />

Während die Frauen früher mehr am Rand vom Konzert stan<strong>de</strong>n, mischen sie heutzutage<br />

sogar <strong>im</strong> Pit mit. „Also wenn ich heutigen Frauen sehe, die in <strong>de</strong>r Szene sind,<br />

sind viel selbstbewusster schon mal. […] Früher haben die Frauen halt mehr so<br />

ringsum gestan<strong>de</strong>n. […] Die Frauen heutzutage so find ich so, haben ganz schön<br />

<strong>auf</strong>geholt. Die zeigen auch schon richtig. Die haben auch ihre eigene Entwicklung<br />

genommen, find ich in <strong>de</strong>r Szene. […] Die treten auch viel selbstbewusster <strong>auf</strong>. Die<br />

stehen nicht nur in <strong>de</strong>r Ecke rum. Gehen auch, ich habe auch mittlerweile auch viele<br />

gesehen, die auch ab und zu mal mit in <strong>de</strong>n Pit reingehen. Doch muss ich sagen, die<br />

Frauen haben ganz schön <strong>auf</strong>geholt.“ (K.)<br />

Auch D. erlebt die Psychobillyfrauen als sehr selbstbewusst. „Die sagen <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n<br />

Fall ihre Meinung und lassen sich gar nichts erzählen. Die sind knallhart. Da<br />

kannste einstecken, wenn so ne Psychobillyfrau, ja wenn sie dich <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Kieker hat,<br />

kannste direkt gehen.“ ( D.)<br />

Eintritt in die Psychobillyszene, Partizipation und Emanzipation<br />

Frauen kommen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r einen Seite aus eigenem Interesse zu <strong>de</strong>n Konzerten und <strong>auf</strong><br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite gibt es auch weibliche Psychobillies, die durch ihren Freund in die<br />

Szene gekommen sind. K. sieht auch hier eine Verän<strong>de</strong>rung. Er ist <strong>de</strong>r Meinung, dass<br />

heute mehr Frauen von sich aus die Konzerte besuchen. „Früher haste oft, <strong>de</strong>nk ich<br />

mal, die Freundin mitgenommen, wenn die die Musik gut fand, ist sie dann mitge-<br />

97


gangen. Und heute haste doch schon ne eigene Anzahl von Frauen, die nicht nur<br />

dahingehen, weil <strong>de</strong>r Freund dahingeht, son<strong>de</strong>rn einfach, weil sie selber dahin wollen.<br />

[…] Es gibt viele Frauen, die auch keinen Freund haben, aber trotz<strong>de</strong>m ständig<br />

<strong>auf</strong> irgendwelchen Festivals rumgammeln. Und einfach Spaß an <strong>de</strong>r Sache haben.<br />

Doch muss ich sagen.“ (K.)<br />

D. hingegen vertritt die Meinung, dass Frauen in erster Linie durch ihren Freund <strong>auf</strong><br />

die Psychobillyszene <strong>auf</strong>merksam wer<strong>de</strong>n. „Also ich <strong>de</strong>nke eher, Frauen kommen in<br />

die Psychobillyszene durch ihren Freund. Wenn sie n Freund haben, <strong>de</strong>r ist<br />

Psychobilly, kommen die dann so langsam in die Psychobillyszene.“ (D.)<br />

L. glaubt auch, dass es zwei Typen von Frauen in <strong>de</strong>r Psychobillyszene gibt. „Ja, zu<br />

<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n, warum Frauen dabei sind. Es gibt mit Sicherheit viele, die Musik gerne<br />

hören. Aber es gibt auch welche, die das machen, weil <strong>de</strong>r Freund dabei ist. Das<br />

gibt’s mit Sicherheit auch, ne? Ich <strong>de</strong>nk mal, es gibt bei<strong>de</strong>s.“ (L.)<br />

J. <strong>de</strong>nkt, dass es individuell von <strong>de</strong>n Personen abhängt, wie man zur<br />

Psychobillysubkultur kommt. Ebenfalls vertritt sie die Meinung, dass die meisten<br />

Leute allgemein aus einer an<strong>de</strong>ren Subkultur kommen, bevor sie Psychobilly wer<strong>de</strong>n.<br />

„Zu <strong>de</strong>m, wie man dazu kommt, das ist glaub ich, sehr abhängig von <strong>de</strong>n Personen.<br />

Die Leute, die ich kenne, die Frauen, die ich kenne, haben das alles aus eigenen Stücken<br />

gemacht. Und sind durch an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> dazu gekommen. Das ist ja meistens<br />

so. Man kommt ja nicht von Anfang an in die Psychobillyszene, weil die halt<br />

nicht so Mainstream ist. Sicher gibt’s <strong>im</strong>mer Frauen, die sich irgendwie mitreißen<br />

lassen, lei<strong>de</strong>r, warum auch <strong>im</strong>mer, und <strong>auf</strong> diesen Zug mit <strong>auf</strong>springen, weil ihr<br />

Freund irgendwie macht.“ (J.)<br />

J. hält die Rolle <strong>de</strong>r Frau <strong>im</strong> Psychobilly für emanzipiert und sieht es so, dass Frauen<br />

<strong>de</strong>nselben Status haben wie Männer und keinen speziellen, wie z.B. in <strong>de</strong>r<br />

Skinheadszene. „Und was wir zu sagen haben, in <strong>de</strong>r Szene, ist glaub ich recht offen,<br />

also nicht so wie in <strong>de</strong>r Skinheadszene. Wo die Frau eher untergeordnet ist, vielleicht<br />

n falsches Wort. Ne eigene Rolle spielt. Und wo auch dieser ganze Hype, diese Renee<br />

Skingirlszene, so ganz speziell ist. So was gibt’s bei uns nicht. Ne.“ (J.)<br />

Auch T. ist <strong>de</strong>r Ansicht, dass Frauen genau so behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n wie die Männer und<br />

nicht untergeordnet wer<strong>de</strong>n. „Aber jetzt auch zur Geschlechterrolle gesehen, also ich<br />

kenn das jetzt gar nicht so, von wegen ja, Frau halt die Klappe und keine Ahnung.<br />

Du hast nichts zu mel<strong>de</strong>n. Ist meiner Meinung nach <strong>de</strong>finitiv gleichberechtigt. Also<br />

98


ich kenn da jetzt irgendwie so was wie aus schlechten Filmen z.B., dass die Frauen<br />

nix zu mel<strong>de</strong>n haben. Das ist Blödsinn, meiner Meinung nach.“ (T.)<br />

Auch L. antwortet <strong>auf</strong> die Frage, ob die Psychobillyszene emanzipiert ist: „ Ja. Ja,<br />

würd ich sagen.“ (L.)<br />

Im Gegensatz zu früher gibt es heute auch <strong>im</strong>mer mehr Psychobillybands, in <strong>de</strong>nen<br />

Frauen mitspielen o<strong>de</strong>r gar alle Bandmitglie<strong>de</strong>r Frauen sind (z.B. bei „Brigitte<br />

Handley und the Dark Shadows“ aus Australien o<strong>de</strong>r „Thee Merry Widows“). Es<br />

gibt auch sehr populäre Bands wie „the Creepshow“ und „Horrorpops“, die weltweit<br />

viel Erfolg haben und eine weibliche Sängerin haben. Bands, die ebenfalls weibliche<br />

Sängerinnen, bzw. Mitglie<strong>de</strong>r haben sind z. B. „Mad Marge and the Stone Cutters“,<br />

„Rat Monkeys“, „Kitty in a Casket“ und „Nekromantix“. Frauen sind also nicht nur<br />

emanzipiert, son<strong>de</strong>rn sie gestalten die Szene aktiv mit. „Ja die wer<strong>de</strong>n <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall<br />

ernst genommen und sind auch aktiv. Also es gibt ja mittlerweile <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

früher auch Bands, wo Frauen singen o<strong>de</strong>r die nur aus Frauen bestehen. Das gab’s<br />

halt auch früher nicht so in <strong>de</strong>m Maße. Und die sind <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall aktiv und akzeptiert<br />

und mit dabei. Ja. Ja.“ (L.)<br />

Frauenanteil in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur<br />

Trotz <strong>de</strong>r Partizipation und Emanzipation, ist Psychobilly <strong>de</strong>nnoch eine männerdominierte<br />

Szene, wie die meisten <strong>Subkulturen</strong>. Das genaue Verhältnis von Frauen zu<br />

Männern kann man schlecht best<strong>im</strong>men und so gehen auch die Aussagen meiner<br />

Interviewpartner <strong>de</strong>utlich auseinan<strong>de</strong>r. D. sieht Frauen ganz klar in <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rheit.<br />

Vielleicht liegt es daran, dass er größtenteils <strong>auf</strong> die Proberaumpartys seines Bru<strong>de</strong>rs<br />

geht, <strong>de</strong>r in einer Psychobillyband spielt. Vielleicht ist das Frauenverhältnis <strong>auf</strong> diesen<br />

Partys ziemlich klein. „Wenn man so n Verhältnis sagen müsste, dann kommt <strong>auf</strong><br />

zehn Männer eine Frau. Und das ist wahrscheinlich schon hoch gesetzt. Also es gibt<br />

sehr wenig Frauen.“ (D.)<br />

K. macht keine Angaben zum Zahlenverhältnis, aber er glaubt, dass es heute mehr<br />

Frauen in <strong>de</strong>r Szene gibt. „Frauen sind mehr gewor<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Gegensatz zu früher.“ (K.)<br />

T. sieht die Männer in <strong>de</strong>r Überzahl. „Es ist natürlich n bisschen männerdominiert.<br />

[…] Es gibt zwar schon n bisschen weniger Frauen als Männer.“ (T.)<br />

Auch L. kann kein genaues Verhältnis benennen. „Das ist ne sehr gute Frage. Das<br />

ist ne sehr gute Frage. Das kann ich jetzt gar nicht so wirklich beantworten. […]<br />

99


Weiß ich nicht. Vielleicht n Drittel o<strong>de</strong>r was? Das ist jetzt wirklich sehr grob geschätzt<br />

jetzt, ne? Ich kann’s wirklich nicht so genau sagen.“ (L.)<br />

J. schätzt die Frauenquote am opt<strong>im</strong>istischen ein, ist aber unzufrie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Frauenanteil<br />

und wünscht sich noch viel mehr Frauen in <strong>de</strong>r Szene. „Klar sind die Frauen<br />

in <strong>de</strong>r Unterzahl. Spricht nicht gera<strong>de</strong> für uns. Lei<strong>de</strong>r. Ja, 60:40 so. Also, 60 %<br />

Männer. 40% Frauen vielleicht. […] Ja also, klar mehr als in <strong>de</strong>r Skinheadszene,<br />

aber es sind trotz<strong>de</strong>m noch viel zu wenig Frauen find ich.“ (J.)<br />

4.3.4. Gehört die Psychobillysubkultur zu <strong>de</strong>n Rockabillies o<strong>de</strong>r<br />

han<strong>de</strong>lt es sich um eine autonome Szene?<br />

Gemeinsamkeiten mit <strong>de</strong>r Rockabillyszene<br />

Die Psychobillies sind sich ihrer Wurzeln, die neben Punk auch <strong>im</strong><br />

Rockabillybereich liegen, absolut bewusst. Die älteren Psychos sind sich einig, dass<br />

es ohne Rockabilly keinen Psychobilly geben wür<strong>de</strong>. „Also klar ist man irgendwo<br />

verwandt. Weil <strong>de</strong>r Backround. Ohne Rockabilly wür<strong>de</strong> es auch keinen Psychobilly<br />

geben, ne?“ (K.)<br />

„Na also, ich <strong>de</strong>nk mal so schon ohne Rockabilly kein Psychobilly, ne? Ist schon ne<br />

Mischung aus Rockabilly und Punkrock.[…]Sicherlich ist Rockabilly n wichtiger<br />

Einfluss. Weil ohne Rockabilly wür<strong>de</strong> es <strong>de</strong>n Psychobilly gar nicht geben.“ (L.)<br />

Psychobillies hören auch durchaus gerne Rockabilly. „Es gibt guten Rockabilly, <strong>de</strong>n<br />

ich auch total gerne höre.“ (K.)<br />

Auch die jüngeren Psychos hören gerne alten Rock’n’Roll bzw. Rockabilly.<br />

„Klar, hab ich auch ne Stray Cats Platte in meinem Plattenkoffer drinne […].“ (J.)<br />

„Ich hör zwar gerne 50ties. 50er Jahre hier, was weiß ich. Eddie Cochran, Vince<br />

Taylor und die ganzen alten Chaoten da. Das fand ich schon richtig geil. Also guter<br />

alter Rock’n’Roll. Das höre ich unhe<strong>im</strong>lich gerne.“ (T.)<br />

Auch D. fin<strong>de</strong>t Rockabilly gut. „Ich find Rockabilly geil.“ (D.)<br />

Auch <strong>im</strong> Kleidungsbereich gibt es Überschneidungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong>. „Und<br />

wir Frauen, wie ich schon am Anfang gesagt habe, orientieren uns wohl mittlerweile<br />

an was Femininerem und auch bisschen optisch in <strong>de</strong>r Rockabillyszene.“ (J.)<br />

100


So sagt auch D. , dass viele Symbole, die Psychobillies als Aufnäher tragen, <strong>de</strong>utlich<br />

von Rockabilly beeinflusst sind. „Bands, eiserne Kreuze und alles was so<br />

Rockabillymäßig ist: Karten, Schä<strong>de</strong>l...“ (D.)<br />

Das sieht J. genau so. „O<strong>de</strong>r halt so Sachen, die aus <strong>de</strong>r Rockabillyszene rüberkommen:<br />

Eightballs, Kirschen und so Faxen.“ (J.)<br />

Doch trotz Überschneidungen in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n musikalischen Wurzeln und <strong>de</strong>r<br />

Sympathie für gewisse Rockabillybands, grenzen sich meine Interviewpartner ganz<br />

bewusst von <strong>de</strong>r Rockabillyszene ab und sehen Psychobilly als eigene Subkultur<br />

bzw. eigene Musikszene.<br />

Unterschie<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Rockabillies<br />

„Aber mit <strong>de</strong>m heutigen Rockabilly kann ich persönlich nicht viel mit anfangen.<br />

Das ist mir einfach zu weich, das ist mir zu lahm und zu langweilig.“ (T.)<br />

Trotz <strong>de</strong>r oben <strong>auf</strong>geführten Gemeinsamkeiten und Parallelen, sehen meine Interviewpartner<br />

<strong>de</strong>utliche Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n verwandten <strong>Subkulturen</strong>.<br />

Psychobilly wird als wil<strong>de</strong>re, heterogenere, abwechslungsreichere Subkultur erlebt,<br />

die sich von <strong>de</strong>n Rockabillies <strong>de</strong>utlich unterschei<strong>de</strong>t, <strong>im</strong> Style, in <strong>de</strong>n Texten und<br />

auch in <strong>de</strong>r Musik selber. T. empfin<strong>de</strong>t Rockabilly als zu weich und zu langweilig.<br />

Zu<strong>de</strong>m kann er mit <strong>de</strong>n Texten von Rockabillybands nichts anfangen.<br />

„Ganz ehrlich gesagt, Rockabilly spielt für mich nicht eine beson<strong>de</strong>rs große Rolle.<br />

[…] Aber mit <strong>de</strong>m heutigen Rockabilly kann ich persönlich nicht viel mit anfangen.<br />

Das ist mir zu weich, das ist mir zu lahm und zu langweilig. Weil ich beschäftige<br />

mich nicht damit, dass ich mein Baby von <strong>de</strong>r Highschool in nem Cadillac abhole.<br />

Ich steh halt mehr halt so <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Horrorbereich und das schon <strong>im</strong>mer.“ (T.)<br />

Auch J. ist Rockabilly nicht wild genug und sie empfin<strong>de</strong>t die Rockabillies als bie<strong>de</strong>r.<br />

„Klar hab ich auch ne Stray Cats Platte in meinem Plattenkoffer drinne, hör das<br />

auch gelegentlich, aber an sich ist mir das zu langsam und die Szene ist mir auch zu<br />

eingeschlafen und zu brav und zu schick und. Also die Entwicklung in <strong>de</strong>r<br />

Rockabillyszene momentan find ich auch ganz komisch.“ (J.)<br />

Auch K. ist Rockabilly nicht abwechslungsreich genug und er bemerkt eine gewisse<br />

Monotonie in <strong>de</strong>r Musik, während er bei Psychobilly die viele Abwechslung und die<br />

unterschiedlichsten Einflüsse schätzt: „Im Unterschied, <strong>im</strong> Gegensatz zu Rockabilly,<br />

101


kenn ich eigentlich, kann ich nicht sagen, dass sich irgen<strong>de</strong>ine Band gleich anhört.<br />

Rockabilly hört sich <strong>auf</strong> eine Art und Weise <strong>im</strong>mer gleich an. Das wie<strong>de</strong>rholt sich<br />

irgendwie alles. Aber Psychobilly, je<strong>de</strong> Band ist an<strong>de</strong>rs. Je<strong>de</strong> Band spielt <strong>de</strong>n<br />

Psychobilly an<strong>de</strong>rs. Und hat n an<strong>de</strong>ren Sound und Psychobilly kannste viel mehr<br />

reinpacken. [...] Rockabilly das ist <strong>im</strong>mer eine Schiene. Immer straight away –eine<br />

Schiene. […] Weil die Leute sich in <strong>de</strong>r Psychobillymusik, find ich, eigentlich das<br />

wie<strong>de</strong>rgeben können, richtig, ohne an irgendwelche L<strong>im</strong>its. Bei Rockabilly biste <strong>im</strong>mer<br />

an irgendwas gebun<strong>de</strong>n. Ja, da hast halt diesen 50ties Style, Rockabilly, ne?<br />

Und in <strong>de</strong>n Texten geht’s <strong>im</strong>mer um Autos, um Frauen, 50er Jahre und cool sein<br />

[…].“ (K.)<br />

Wie man oben erkennt, schätzt K. es auch, dass es bei Psychobilly keine Regeln gibt,<br />

die beachtet wer<strong>de</strong>n müssen. Psychobilly setzt sich über Grenzen hinweg, musikalisch,<br />

als auch moralisch.<br />

T. mag die dunkle Seite von Psychobilly. Rockabilly ist ihm zu lieb. Das Böse was in<br />

Psychobillytexten verarbeitet wird, fasziniert ihn. „Aber für mich ist halt Psychobilly<br />

dieses Böse. Für mich muss es böse sein, Psychobilly und <strong>de</strong>shalb kann ich mit diesem,<br />

sag ich mal, eher schönen Rock’n’Roll o<strong>de</strong>r Rockabilly nicht so viel anfangen,<br />

weil ich mehr <strong>auf</strong> diese bösen Sachen stehe. Kommt für mich halt geiler und krasser<br />

rüber und da krieg ich mehr Gänsehautgefühl dabei.“ (T.)<br />

D. sieht Psychobilly auch als selbstständige Subkultur an und antwortet <strong>auf</strong> die Frage,<br />

ob Rockabilly ihn beeinflusst hat: „Eher nicht. Ich find Rockabilly geil. Aber es<br />

war <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall nicht <strong>de</strong>r Grund, warum ich Psychobilly gewor<strong>de</strong>n bin.“ (D.)<br />

Er sieht auch Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Musik: „Ist ne ganz an<strong>de</strong>re Musikrichtung. Also,<br />

was heißt ganz an<strong>de</strong>rs? Aber ist schon an<strong>de</strong>rs.“ (D.)<br />

D. hält die Psychobillyszene autonom von <strong>de</strong>r Rockabillyszene und antwortet <strong>auf</strong> die<br />

Frage, ob Psychobilly <strong>de</strong>finitiv selbstständig wäre: „Ja, <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall.“ (D.)<br />

Auch J. und L. tendieren in dieselbe Richtung. Bei<strong>de</strong> erwähnen auch die Figurationen,<br />

die sich zwischen Psychobilly und an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> gebil<strong>de</strong>t haben. „Was<br />

heißt eigene Szene? Wir korrespondieren ja schon mit an<strong>de</strong>ren Szenen. Aber an sich<br />

ist es schon ne eigene Musik, ne eigene Szene, eigene Leute. […] Wie wir aussehen,<br />

ist ja auch n bisschen eigen. Klar ist es n bisschen punkig mit und natürlich auch mit<br />

<strong>de</strong>n Frisuren, abgewan<strong>de</strong>lt von <strong>de</strong>r Rockabillyszene und umgekrempelte Jeans und<br />

solche Faxen. Doch dich <strong>de</strong>nk schon, dass das n eigenes Ding ist.“ (J.)<br />

102


„Ja, ich würd <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall sagen, dass es ne eigene Szene ist. […] Was jetzt heutzutage<br />

<strong>de</strong>r Fall ist, dass es vielleicht <strong>im</strong>mer mehr so n bisschen zusammenwächst, weil<br />

wie gesagt, das Bands dieser bei<strong>de</strong>n Musikrichtungen zusammen <strong>auf</strong>treten, was es<br />

damals nicht gab. Aber ist schon ne eigene Szene noch. Auf je<strong>de</strong>n Fall, würd ich<br />

doch sagen. Ja.“ (L.)<br />

K. hat über die Jahre, die vielen Verän<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur gesehen<br />

und ist <strong>de</strong>r Meinung, dass sich Psychobilly klar von <strong>de</strong>n Rockabillies getrennt und<br />

sich <strong>im</strong> L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r Jahre zu einer eigenen Subkultur entwickelt hat.<br />

„Dann die Abspaltung von Rockabilly ging ja dann los, allein schon durch das Outfit.<br />

Das die Musik auch schon. Also wenn man das mal vergleicht, mal n Rockabilly<br />

anhört und n Psychobilly, schon n Unterschied erkennbar ist. Ich find <strong>im</strong> L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r<br />

Jahre ist das ne richtige Subkultur gewor<strong>de</strong>n, ne?“ (K.)<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle 5 Interviewpartner Psychobilly als<br />

eigenständig sehen und Rockabilly als eine an<strong>de</strong>re Subkultur betrachtet wird. Ob<br />

Psychobilly ein eigener Lebensweg bzw. eine Lebenseinstellung ist o<strong>de</strong>r nur eine<br />

Musikszene, dar<strong>auf</strong> werd ich <strong>im</strong> nächsten Abschnitt eingehen.<br />

Psychobilly als Lebensstil bzw. Lebensweg<br />

„Ich kann mir n Leben ohne Psychobilly nicht vorstellen. Ich lebe das.“ (K.)<br />

Psychobilly ist für viele Psychos nicht nur eine Musikszene, son<strong>de</strong>rn auch eine Subkultur,<br />

die <strong>de</strong>n Lebensweg best<strong>im</strong>mt. Bei meinen Interviewpartnern haben sich zu<br />

diesem Thema zwei Gruppen herauskristallisiert. D. ist noch nicht so lange<br />

Psychobilly und weiß noch nicht, ob Psychobilly in ferner Zukunft noch eine so große<br />

Rolle für ihn spielen wird, wie jetzt. „Also für mich, ich <strong>de</strong>nke momentan, ich<br />

kann ja nur von momentan sprechen. Momentan bin ich Psychobilly aus Herzblut.<br />

Solange ich jetzt bin, möchte ich Psychobilly sein. Natürlich kann man in zehn Jahren<br />

<strong>de</strong>nken: Ach du Scheiße! Was hast du da gemacht? Aber momentan möchte ich<br />

sehr, sehr gerne Psychobilly sein.“ (D.)<br />

J. sieht in Psychobilly eher eine Musikszene und für sie ist es keine Subkultur und<br />

auch kein Lebensstil, da die Szene viele zu klein ist und es viel zu wenig<br />

Psychobillies gibt. „Schwer zu sagen. Ich kann das nur für mich selber beurteilen.<br />

[…] Ja, ne Musikszene. Und dafür ist die Szene auch gera<strong>de</strong> in Deutschland viel zu<br />

103


klein. Grad hier in Hessen. Hier gibt es praktisch keine Szene. […] Wir sind vielleicht<br />

grad in Darmstadt so 5-10 Leute, wo ich sagen könnte, gut, die stehen da hinter<br />

<strong>de</strong>m Psychobillyding. Aber wir sind keine eigene Subkultur. Ne. Empfin<strong>de</strong> ich<br />

hier einfach nicht so.“ (J.)<br />

Ebenso weiß J. nicht, ob sie in einigen Jahren noch Psychobilly ist. Das ist ihr allerdings<br />

auch nicht so wichtig. Sie <strong>de</strong>nkt aber schon, dass sie auch weiterhin<br />

Psychobilly hören wird. „Und für mich persönlich, ob ich jetzt mich <strong>im</strong>mer als<br />

Psychobilly sehen wür<strong>de</strong>, das weiß ich nicht. Das fin<strong>de</strong> ich auch, muss man auch<br />

nicht. Ich werd es aber <strong>im</strong>mer hören. Weil mich die Musik einfach <strong>im</strong>mer reizt.“ (J.)<br />

T. , K. und L. bil<strong>de</strong>n die zweite Gruppe. Für diese Drei hat Psychobilly eine wichtigere<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>im</strong> Leben. Hier kann man teilweise von einer Ersatzreligion sprechen,<br />

da Psychobilly eine so zentrale Rolle <strong>im</strong> Leben einn<strong>im</strong>mt. Bei K. zumin<strong>de</strong>st,<br />

aber auch L. und T. sehen in Psychobilly einen subkulturellen Lebensweg. „Das hat<br />

schon so subkulturellen Charakter. Es gehören auch an<strong>de</strong>re Sachen außerhalb <strong>de</strong>r<br />

Musik dazu. Auch die die Klamotten, die man trägt o<strong>de</strong>r so. Wie gesagt, die Sache<br />

mit <strong>de</strong>n Horrorfilmen. Denk ich schon, dass das ja schon ne richtige Subkultur, ne<br />

eigene ist. Das <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall. Ja.“ (L.)<br />

T. differenziert auch zwischen Leuten, die Psychobilly als Lebensseinstellung sehen<br />

und Menschen, die einfach nur die Musik gerne hören. „Es ist <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall n Le-<br />

benseinstellung. Definitiv! Also zumin<strong>de</strong>stens für die Meisten. Gibt natürlich auch<br />

viele Leute, die halt die Musik nur toll fin<strong>de</strong>n. […] Also <strong>im</strong> Prinzip es ist, schon als<br />

Lebensstil anzusehen. Wenn du es so siehst. Auf je<strong>de</strong>n Fall. Definitiv!“ (T.)<br />

Für K. be<strong>de</strong>utet Psychobilly noch mehr. Für ihn ist Psychobilly schon existenziell.<br />

„Ich kann mir n Leben ohne Psychobilly nicht vorstellen. Ich lebe das! Ich lebe da-<br />

nach auch. Ich möchte an<strong>de</strong>rs sein! Ich zeig das auch! Seit<strong>de</strong>m ich dabei bin, habe<br />

ich es <strong>im</strong>mer geschafft, auch beruflich so zu sein, wie ich bin und auch <strong>im</strong>mer dazu<br />

gestan<strong>de</strong>n. Also ich habe das Glück, dass ich in meinem Job, meine Frisur behalten<br />

kann. Mein Äußeres behalten kann. Manche können es nicht, ne? Jobmäßig halt, ne?<br />

[…] Ich brauche es einfach! Ich muss einfach <strong>auf</strong>s Konzert gehen und unter <strong>de</strong>n Leuten<br />

sein! Ich muss die Musik hören! Ich muss Spaß haben! Ich muss rocken! Ich will<br />

so aussehen! Ich will so sein! Ja, ich fin<strong>de</strong> schon. Und viele Leute <strong>de</strong>nke auch so.<br />

[…] Doch mein Leben best<strong>im</strong>mt’s und ich kenn viele Leute, wo es auch tut.“ (K.)<br />

Für manche Leute ist Psychobilly weit mehr als nur eine Musikszene. Das ganze<br />

Leben wird nach Konzerten, Festivals und diesem Lebensstil ausgerichtet. Einige<br />

104


Leute müssen sich <strong>auf</strong>grund <strong>de</strong>s Berufs, <strong>de</strong>n sie ausüben, von einer extremen Frisur<br />

trennen, während Leute wie K. , auch in ihrem Beruf zu ihrer Subkultur stehen.<br />

Altern in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur<br />

„Und ich <strong>de</strong>nke, ich selber, persönlich, mach das solange, bis ich kaputt bin.“<br />

(K.)<br />

L. und K. haben bei<strong>de</strong> die 40 überschritten und sind <strong>im</strong>mer noch Psychobillies. Was<br />

für bei<strong>de</strong> als Jugensubkultur begann, ist für sie zu einem Lebensweg gewor<strong>de</strong>n.<br />

Psychobilly ist also keine Jugendsubkultur. Auch wenn jüngere Leute wie J. und D.<br />

dazu stoßen. Während J. und D. sich nicht sicher sind, ob sie Psychobillies bleiben,<br />

steht das für T. außer Frage, da er sich nicht vorstellen kann, sich die nächsten Jahre<br />

drastisch zu verän<strong>de</strong>rn. Er antwortet <strong>auf</strong> die Frage, ob er sich auch in Zukunft vorstellen<br />

kann, ein Psychobilly zu sein: „Ja, natürlich. 100%ig. Auf je<strong>de</strong>n Fall. Ich bin<br />

jetzt 25. Ich bin zwar noch ein kleines Kind, aber ich <strong>de</strong>nk mal nicht, dass ich mich<br />

noch großartig in <strong>de</strong>n nächsten 10, 20 Jahren än<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>. Zumin<strong>de</strong>st nicht von<br />

<strong>de</strong>r Musik her. […] Aber das wird sich bei mir, so wie ich jetzt hier sitze, <strong>de</strong>finitiv die<br />

nächsten Jahre nichts mehr än<strong>de</strong>rn.“ (T.)<br />

Auch L. trifft <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r Leute <strong>auf</strong> Konzerten, die noch älter sind als er. Auch<br />

viele berühmte Mitglie<strong>de</strong>r von Psychobillybands gehen <strong>auf</strong> die 50 zu, wie z.B. Peter<br />

Paul Fenech, <strong>de</strong>r Sänger von <strong>de</strong>n Meteors. Die Meteors veröffentlichen <strong>im</strong>mer noch<br />

sehr fleißig neue CD’s. Viele Bands, die sich in <strong>de</strong>n 80er Jahren gegrün<strong>de</strong>t haben,<br />

spielen noch <strong>im</strong>mer live und nehmen neue CD’s <strong>auf</strong>, wie z.B. „the Quakes“, „Frantic<br />

Flintstones“, Demented Are Go, „Guana Batz“ etc. . Daher ist auch L. <strong>de</strong>r Meinung,<br />

dass man als Psychobilly durchaus alt wer<strong>de</strong>n kann und er trifft auch <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r<br />

Leute <strong>auf</strong> Konzerten, die ebenso wie er, in <strong>de</strong>n 80er Jahren schon dabei waren. „Also<br />

man trifft schon Leute, die man, was weiß ich, seit Jahren nicht gesehen hat und trifft<br />

man dann wie<strong>de</strong>r. Das ist schon so. Das ist, ich <strong>de</strong>nk mal, es gibt viele, die von früher<br />

noch dabei sind und auch einige Jüngere. Ja, das ist schon so. […] Man kann da<br />

<strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall alt wer<strong>de</strong>n. Es ist ja mittlerweile auch so, wenn du <strong>auf</strong> Festivals gehst,<br />

haste ja auch Leute da, die <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall noch älter als ich sind, sag ich mal so. Und<br />

die sind <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall auch noch dabei. Sind halt auch n bisschen ruhiger gewor<strong>de</strong>n.“<br />

(L.)<br />

105


Ähnliche Erfahrungen hat auch K. gesammelt. K. kennt auch viele Psychos, die nach<br />

Jahren zur Szene zurückgekommen sind, weil ihnen etwas in ihrem Leben gefehlt<br />

hat. „Ich hab jetzt also, viele Leute wie<strong>de</strong>r kennen gelernt, die wie<strong>de</strong>r zurückgekommen<br />

sind, weil sie irgendwo was vermisst haben in ihrem normalen Leben. Haben<br />

gemerkt, <strong>im</strong> Psychobilly ist irgendwas, was ich brauche ja? […] Ich hab jetzt viele<br />

Leute über die ganzen Jahre kennengelernt, die ich <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r getroffen habe.<br />

Die mittlerweile auch mein Alter sind, aber sind <strong>im</strong>mer noch Psychobillies. Vielleicht<br />

nicht mehr so ganz so extrem vom Äußeren. Aber die sind <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r da.“ (K.)<br />

An dieser Äußerung kann man feststellen, dass es viele Leute gibt, die schon früher<br />

in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur waren und sich wahrscheinlich wegen ihres Berufes vom<br />

Aussehen verän<strong>de</strong>rt haben, aber <strong>im</strong> Inneren <strong>im</strong>mer noch überzeugte Psychobillies<br />

sind. Das zeugt auch von einer großen Verbun<strong>de</strong>nheit zur Psychobillysubkultur. Die<br />

Frage, die sich einem stellt, wenn man von <strong>de</strong>n Psychobillies liest, die nach Jahren<br />

zur Szene zurückgekehrt sind, ist, was genau das Beson<strong>de</strong>re be<strong>im</strong> Psychobilly ist,<br />

was die Leute <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r anzieht? Bei meiner letzten Hauptfrage versuche ich<br />

verständlich zu machen, was die Leute an Psychobilly so fasziniert und was <strong>de</strong>n<br />

Spaß ausmacht. K. und L. wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Szene so lange treu bleiben, wie es ihnen die<br />

Gesundheit erlaubt. „Und ich <strong>de</strong>nke, ich selber, persönlich, mach das solange, bis ich<br />

kaputt bin. Weil das ist einfach mein Ding. Das macht mir Spaß und ich steh dazu<br />

[…].“ (K.)<br />

„Und ich selber, ja, solange ich kann und noch fit bin, und werd ich auch weiter an<br />

solchen Veranstaltungen teilnehmen und die Musik auch weiter hören. Ja.“ (L.)<br />

4.3.5. Wie ist das Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>?<br />

Wie ich weiter oben schon geschil<strong>de</strong>rt habe, hatte die Psychobillysubkultur in <strong>de</strong>n<br />

80er Jahren massive Probleme mit an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>, wie z.B. <strong>de</strong>r Punk- und<br />

Rockabillyszene. Zu<strong>de</strong>m war Psychobilly sehr verschlossen. Es kamen fast nur<br />

Psychobillies zu Psychobillykonzerten, so dass eine Öffnung zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong><br />

kaum möglich war. Zu<strong>de</strong>m hatten die Psychobillies einen gewalttätigen Ruf, da sie<br />

<strong>auf</strong> die Verwechslungen und Angriffe <strong>de</strong>r Gesellschaft mit reaktiver Gewalt antworteten<br />

und so potentiell interessierte Menschen aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> abschreckten.<br />

Da die Gesellschaft aber toleranter gewor<strong>de</strong>n ist und auch die Psychobillyszene älter<br />

und friedlicher ist, kommt es zu <strong>im</strong>mer mehr Figurationen mit an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>.<br />

106


Heute spielen Psychobillybands zusammen mit Rockabillybands und Punkbands.<br />

Psychobillykonzerte sind auch keine reinen Psychokonzerte mehr, son<strong>de</strong>rn ziehen<br />

ein gemischtes Publikum an, welches sich aus allen Spektren <strong>de</strong>r <strong>Subkulturen</strong> zusammensetzt,<br />

ebenso wie aus „normalen“ Leuten.<br />

Psychobillies kommen meistens aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong><br />

„Man kommt ja nicht von Anfang an in die Psychobillyszene, weil sie halt nicht so<br />

Mainstream ist.“ (J.)<br />

Alle meine Interviewpartner waren vorher in einer an<strong>de</strong>ren Subkultur o<strong>de</strong>r haben<br />

sich zumin<strong>de</strong>st für an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> interessiert. K. hat sich für Rockabilly begeistert,<br />

ist allerdings nicht richtig in die Rockabillyszene hereingekommen. „Ich war<br />

vorher mehr so Rockabilly, bin aber eigentlich gar nicht so in die Szene reingekommen,<br />

weil die sehr verschlossen ist, die Rockabillyszene, fin<strong>de</strong> ich je<strong>de</strong>nfalls von meiner<br />

Person her.“ (K.)<br />

J. war früher in <strong>de</strong>r Punkszene, hat diese aber verlassen, weil sie Psychobilly musikalisch<br />

ansprechen<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>t. Zu<strong>de</strong>m empfin<strong>de</strong>t sie die Psychoszene als erwachsener<br />

und reifer. „Ich hab so mit 13 bin ich in die Punkszene gekommen. Und das hat sich<br />

irgendwo so weiterentwickelt, dass ich da irgendwann keinen Bock mehr dr<strong>auf</strong> hatte.<br />

Das war mir zu asozial. […] Aber ich fin<strong>de</strong> die Musik einfach n bisschen anspruchsvoller<br />

als Schrammelpunk. […] Auch die Szene ist einfach n bisschen erwachsener<br />

als die Punkszene, mit <strong>de</strong>r ich mich in meiner Jugend so umgeben habe.“ (J.)<br />

D. war, bevor er zur Psychobillysubkultur gekommen ist, sowohl Punk als auch<br />

Skinhead, genau wie sein Bru<strong>de</strong>r. „Früher waren wir halt eher so Skins/Punks. Aber<br />

auch nicht lange. Und halt eigentlich dann schon Psychobilly dann direkt.“ (D.)<br />

T. hat viel Oi-Punk gehört und ist durch die Punk’n’Roll Band „the Bones“ <strong>auf</strong><br />

Rock’n’Roll <strong>auf</strong>merksam gewor<strong>de</strong>n und hat sich dann für die Psychobands Mad Sin<br />

und Demented Are Go begeistert und ist so zur Psychoszene gekommen.<br />

„Es kam also so, wenn du es sehen willst, durch <strong>de</strong>n Punkrock. So mit 16/17 halt<br />

viele Oi-Punkrock gehört. Und dann kamen halt die ersten Berührungen. […] Und<br />

an und für sich fing dieses ganze Rock’n’Roll Getue mit <strong>de</strong>n Bones bei mir an. […]<br />

Hab ich diese Platte von Mad Sin gesehen: Survival of the sickest. […] Und die Platte<br />

reingemacht und war begeistert. Einfach nur begeistert. Erste Band so <strong>im</strong> Psycho-<br />

107


ereich, die ich gesehen habe, war damals Demented Are Go. […] Und das war für<br />

mich <strong>de</strong>r ausschlaggeben<strong>de</strong> Punkt. Ich hatte vorher ne Tolle, ne kleine Möchtegerntolle<br />

und da hab ich mir n Flat schnei<strong>de</strong>n lassen, weil das war für mich so was von<br />

beeindruckend damals. Das fand ich schon irgendwie astrein.“ (T.)<br />

T. hat somit eine Entwicklung genommen, die durch sehr viele unterschiedliche Subkultureinflüsse<br />

begünstigt wor<strong>de</strong>n ist. Über Punk und Oi zu Punk’n’Roll und schließlich<br />

zu Psychobilly. Auch Horrorpunk hat für T. eine große Rolle gespielt. Bei Horrorpunk<br />

han<strong>de</strong>lt es sich um Bands, die sich als Zombies o<strong>de</strong>r Monster verklei<strong>de</strong>n und<br />

ausschließlich über Horror singen, wie z.B. Vampire, Außerirdische, Mutanten usw. .<br />

Berühmte Bands aus diesem Bereich sind „the Other“ und „the Misfits“ (absolute<br />

Kultband in <strong>de</strong>r Punk- als auch in <strong>de</strong>r Psychoszene). Die Texte von Horrorpunkbands<br />

und Psychobillybands behan<strong>de</strong>ln also teilweise dieselben Thematiken. Daher treten<br />

Horrorpunkbands auch mit Psychobillybands <strong>auf</strong>. Daher liegen die Figurationen dieser<br />

bei<strong>de</strong>n Szenen auch sehr nahe beieinan<strong>de</strong>r und haben T. auch maßgeblich beeinflusst.<br />

„Und <strong>de</strong>r Horrorpunk hat unhe<strong>im</strong>lich viel zumin<strong>de</strong>st textlich mit Psychobilly<br />

zu tun. Weil Psychobillytexte beschäftigen sich weitgehend mit B-Movies, mit Massenmör<strong>de</strong>rn,<br />

mit Zombies, mit Mutanten und <strong>de</strong>n ganzen Klischee. […] Das war damals<br />

auch mit <strong>de</strong>r ausschlag geben<strong>de</strong> Grund, dass ich diesen Horrorpunk da kennengelernt<br />

habe. Und wenn du mit Horrorpunk in Verbindung kommst, da kommste<br />

automatisch irgendwie heutzutage, da führt eigentlich kein Weg dran vorbei. Zumin<strong>de</strong>st<br />

die jüngeren Leute, so wie wir. Da kommste an Psychobilly gar nicht vorbei.“<br />

(T.)<br />

L. hatte Sympathien für die Skinheadsubkultur und hat auch Punk, Oi und Ska-<br />

Musik gehört. In einer Gothicdisco, in <strong>de</strong>r alle <strong>Subkulturen</strong> vertreten waren, hat er<br />

Kontakt zu an<strong>de</strong>ren Psychobillies bekommen und ist so <strong>auf</strong> die Musik <strong>auf</strong>merksam<br />

gewor<strong>de</strong>n. „Also zunächst fing das bei mir an, mit 13/14. Keine Ahnung. Das fand<br />

ich dann irgendwie Skinheads ganz toll irgendwie und die Musik auch, ne? Und so<br />

Oi und Punkmusik. Und auch Ska. […] Und in so ne gewisse Disco. Das Memphis.<br />

Das gibt’s heute nicht mehr. Also ne Gruftidisco. Da waren halt auch Skins, und<br />

Punks und Psychos halt. Da hab ich dann die ersten Psychos kennengelernt. […]<br />

Und ja und hab dann auch von <strong>de</strong>nen Musik gekriegt. […] Ja, da fand ich die Musik<br />

ganz toll. Ja und irgendwann hab ich mir mein erstes Flat schnei<strong>de</strong>n lassen und dann<br />

ging das los mit Konzerten, ne?“ (L.)<br />

108


Hier wird <strong>de</strong>utlich, dass es viele Figurationen zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> gibt, da ein<br />

Großteil <strong>de</strong>r Psychobillyszene aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> kommt. Auch <strong>im</strong> Freun<strong>de</strong>skreis<br />

<strong>de</strong>r Interviewten fin<strong>de</strong>n sich diverse Mitglie<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> zusammen.<br />

Psychobilly erreicht ein <strong>im</strong>mer heterogenes Publikum<br />

Wie schon beschrieben, hat sich die Konzertsituation gewan<strong>de</strong>lt. Die Leute aus an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>Subkulturen</strong>, sowie ganz normale Leute, besuchen heute Psychobillykonzerte.<br />

Diese Verän<strong>de</strong>rung erfüllt K. schon fast mit Wehmut, weil er die Exklusivität eines<br />

Psychobillykonzertes für einen auserwählten Kreis durchaus geschätzt hat. „Hast du<br />

eigentlich so von an<strong>de</strong>ren Szenen, hast du von nicht viel gesehen, so wie heute. Heute<br />

<strong>auf</strong> n Festival gehst, siehste halt, l<strong>auf</strong>en auch n paar Punks rum, mal n paar Glatzköpfe,<br />

mal n paar Rockabillies. Auch Normale. Auch früher eigentlich, wenn da n<br />

Konzert war, waren hauptsächlich Psychobillies da. Es war n bisschen kleiner und<br />

die Leute waren auch vorsichtiger früher. Die gingen dann nicht einfach <strong>auf</strong> n<br />

Psychobillykonzert.“ (K.)<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seit schätzt es K. aber, dass heute alles friedlicher ist und <strong>de</strong>r Spaß<br />

<strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund steht. „Also ich find die Psychobillyszene ist ruhiger. Du kriegst viel<br />

besser Kontakt. Und wie gesagt, auch dadurch, dass sich das jetzt n bisschen das <strong>im</strong><br />

L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r Jahre verän<strong>de</strong>rt hat, das auch an<strong>de</strong>re Leute dahingehen mittlerweile und<br />

einfach <strong>de</strong>r Spaß nur noch <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund steht, find ich das heute n bisschen angenehmer.“<br />

(K.)<br />

So sagt auch K. , <strong>de</strong>r in seiner wil<strong>de</strong>n Zeit viel Ärger mit <strong>de</strong>r Punkszene hatte, dass<br />

Punks und an<strong>de</strong>re Leute heute toleriert wer<strong>de</strong>n, was früher nicht <strong>de</strong>r Fall war. „Aber<br />

ansonsten halten die sich eher am Rand <strong>auf</strong> und wer<strong>de</strong>n toleriert. Früher war’s halt<br />

nicht so. Früher haste halt oft Probleme gehabt mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Szenen.“ (K.)<br />

L. hat auch beobachtet, dass heute <strong>de</strong>r Spaß <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund steht und sich die<br />

Rockabillyszene und die Psychobillyszene angenähert haben und es keine Konflikte<br />

mehr wie früher gibt. Die Bands aus <strong>de</strong>n diversen <strong>Subkulturen</strong> treten heute auch zusammen<br />

<strong>auf</strong>. „War damals noch strikt getrennt von <strong>de</strong>r Rockabillyszene, was ja heute<br />

nicht mehr so <strong>de</strong>r Fall ist, ne? […] Und ja aber Psychobillybands spielen jetzt auch<br />

mit Rockabillybands zusammen o<strong>de</strong>r mit Punkbands o<strong>de</strong>r so <strong>auf</strong> gemischten Konzer-<br />

109


ten. Sowas hat’s halt damals gar nicht gegeben, ne? […] Heutzutage ist das alles<br />

total locker und ja und es ist heute einfach nur Spaß, ne?“ (L.) Zu<strong>de</strong>m gibt es <strong>im</strong>mer<br />

mehr Psychobillybands, die nicht nur bei <strong>de</strong>n Psychos beliebt sind, son<strong>de</strong>rn auch<br />

über die Szene hinaus bekannt sind, wie z.B. Tiger Army, Mad Sin und the Meteors.<br />

„Es ist ja auch so, dass Bands wie was weiß ich z.B. Mad Sin auch über die Szene<br />

hinaus <strong>auf</strong> Festivals <strong>auf</strong>treten, wo halt mehr so Metal o<strong>de</strong>r schon fast<br />

Mainstreambands spielen und dadurch auch einen höheren Bekanntheitsgrad außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Szene erlangt haben. […] Wie gesagt, z.B. Tiger Army aus Kalifornien ist<br />

jetzt so n Beispiel, die sind eigentlich sehr populär und haben auch einen ziemlich<br />

großen Bekanntheitsgrad, auch über die Szene hinaus würd ich sagen.“ (L.)<br />

Toleranz<br />

Da die großen Psychobillybands, wie Tiger Army, auch <strong>im</strong>mer mehr Leute außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Subkultur anlocken, wird das Publikum bei Psychobillykonzerten <strong>im</strong>mer heterogener.<br />

L. glaubt, dass es an <strong>de</strong>r Gewalt <strong>de</strong>r Psychobillies und an <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Popularität<br />

allgemein lag, dass ein gemischtes Publikum in <strong>de</strong>n 80er Jahren nicht möglich<br />

war. Er bemerkt heutzutage eine viel größere Toleranz in <strong>de</strong>r Szene. „Es hatte <strong>auf</strong><br />

je<strong>de</strong>n Fall mit <strong>de</strong>r Gewalt in <strong>de</strong>r Szene an sich zu tun, dass sich Leute, die halt irgendwie<br />

an<strong>de</strong>rs aussahen, wahrscheinlich irgendwie gar nicht hingetraut haben o<strong>de</strong>r<br />

ja gut, zu <strong>de</strong>r Zeit war es damals noch nicht so großflächig bekannt, dass da Leute<br />

aus an<strong>de</strong>ren Szenen da allgemein überhaupt hingegangen wären. […] Ja, wie gesagt,<br />

heutzutage ist das alles wesentlich toleranter. Und dadurch, das halt Bands wie<br />

Mad Sin o<strong>de</strong>r Tiger Army auch über die Szene hinaus bekannt sind, kommen halt<br />

auch Leute zu <strong>de</strong>n Konzerten, die jetzt nicht unbedingt so n 100%<br />

Psychobillyhintergrund haben. Und das ist <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall alles friedlich und tolerant.<br />

Und man kann da hinkommen, egal wie man aussieht heutzutage.“ (L.)<br />

Auch T. hat beobachtet, dass z.B. bei Mad Sin ein sehr gemischtes Publikum vertreten<br />

ist und Psychobillies auch nicht unbedingt <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Zuschauer ausmachen,<br />

da Mad Sin mittlerweile auch in <strong>de</strong>n Charts angekommen sind und allgemein<br />

eine hohe Popularität genießen. „Wenn du jetzt die neue Scheibe von Mad Sin z.B.<br />

siehst, ist sogar <strong>auf</strong> Platz 98 <strong>de</strong>r Charts gekommen. […] Die sprechen halt jetzt unhe<strong>im</strong>lich<br />

viel Publikum an. Da haste Punks, da haste Skinheads, da haste n paar<br />

Rock’n’Roller. Da haste n paar Skaterjungs. Da haste halt alles vertreten. Wie neu-<br />

110


lich z.B. wo wir da <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Konzert waren in Bochum. Was mich da gewun<strong>de</strong>rt hat,<br />

dass du da gar nicht mehr so viele Psychos gesehen hast.“ (T.)<br />

Gera<strong>de</strong> die jüngeren Psychobillies sind sehr tolerant und T. z. B ist sehr zufrie<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>n diversen Figurationen <strong>de</strong>r unterschiedlichen <strong>Subkulturen</strong>. Auch sein Freun<strong>de</strong>skreis<br />

setzt sich aus <strong>de</strong>n unterschiedlichen <strong>Subkulturen</strong> zusammen. Er fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

Zusammenhalt und die Konzerte mit <strong>de</strong>n Bands aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Sektoren sehr<br />

gut. „Also, ich kann persönlich nur von meinen Ansichten noch sagen, dass Verhältnis<br />

zu Punks und Skins, also von mir aus gesehen super. Weil mein kompletter<br />

Freun<strong>de</strong>skreis aus <strong>de</strong>r Punk-, Skinhead- und Psychoszene kommt. Da gibt es keinerlei<br />

Berührungsängste. Du siehst es ja auch inzwischen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n ganzen Konzerten und<br />

Festivals die stattfin<strong>de</strong>n. Wenn größere Konzerte und Festivals stattfin<strong>de</strong>n. Du hast<br />

alles vertreten. Du hast Punkrocker, du hast Punkbands, du hast Skinheadbands, du<br />

hast Psychobillybands, du hast Hardcorebands. Das ist alles so quasi so <strong>de</strong>r ganze<br />

Un<strong>de</strong>rground. Der ganze Un<strong>de</strong>rground. Alles united. Und das find ich auch super.<br />

[…] Ich kenn das gar nicht an<strong>de</strong>rs. Wenn man <strong>auf</strong> größere Veranstaltungen geht in<br />

unserem Bereich, ist halt alles vertreten. Punkrock, Psychobilly, Oi und Hardcore.<br />

Und ich finds halt toll.“ (T.)<br />

Während K. und L. in eine Psychobillyszene gekommen sind, die recht verschlossen<br />

und teilweise intolerant war, erleben die jüngeren Psychobillies eine tolerantere und<br />

offenere Szene, die sich mit an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> vereint und gemeinsam <strong>auf</strong> Konzerte<br />

und Festivals geht. Die Zeit, wo man sich gegenseitig bekämpft hat, ist <strong>de</strong>finitiv<br />

vorbei. Auch J. hat einen heterogenen Freun<strong>de</strong>skreis und beschreibt sich selber als<br />

tolerant und hat auch einen sehr vielseitigen Musikgeschmack. „Also ich habe<br />

Freun<strong>de</strong> in allen Szenen. Skinheadszene, Punkszene. Auch in Szenen, die jetzt nicht,<br />

keine Ahnung, in die punkige Richtung gehen. Wie beschreibt man das? Auch Hip<br />

Hopper o<strong>de</strong>r so was. Ich bin da tolerant und offen und höre auch selber ganz viel<br />

Musik. […] Und ich bin da auch wie gesagt offen und hör <strong>im</strong>mer alles. Ich hör auch<br />

jetzt noch ganz viel Oi. Ganz viel Punk. Ska, Hardcore. Alles.“ (J.)<br />

D. hingegen hat auch Freun<strong>de</strong> aus diversen <strong>Subkulturen</strong>, doch kennt seine Toleranz<br />

<strong>de</strong>utliche Grenzen. So kann D. z.B. keine Hip Hopper lei<strong>de</strong>n und sieht sie gar als<br />

Fein<strong>de</strong> an. „Ja, also mein bester Freund ist Oi. und sonst kenn ich auch Punks, Skins,<br />

an<strong>de</strong>re Psychobillies, Gothics. Ja, die ganze Palette an <strong>Subkulturen</strong>. […] Die rotten<br />

sich alle zusammen. Weil wir an<strong>de</strong>re Fein<strong>de</strong> haben.“(D.) Auf die Frage, wer <strong>de</strong>nn<br />

111


diese Fein<strong>de</strong> seien, antwortet D. : „So halt die Hip Hop Generation. Die Rapper.“<br />

(D.)<br />

D. hat eine tiefe Abneigung gegen Hip Hopper, aus <strong>de</strong>r er keinen Hehl macht. „Ja,<br />

das ist halt einfach wie die sich geben. Ich komm mit <strong>de</strong>n Leuten nicht klar. Diese<br />

Hip Hopper. Ich mag die einfach nicht. Die Musik mag ich nicht. Die Leute, wie die<br />

re<strong>de</strong>n. Können nicht sozial sein. Ne, kann ich einfach nicht ab die Leute.“ (D.)<br />

Diese Abneigung gegen Hip Hopper, könnte <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n schlechten Erfahrungen beruhen,<br />

die D. in <strong>de</strong>r Schule gemacht hat. Hier war D. Außenseiter und wur<strong>de</strong> gemobbt.<br />

Seine Mitschüler haben sich über seinen Flat lustig gemacht und ihn verbal attackiert,<br />

da er einfach an<strong>de</strong>rs ist. Da D. von kräftiger Statur ist, haben seine Mitschüler,<br />

die physische Ebene <strong>de</strong>r Gewalt nicht betreten. Was ein Psychobilly ist und was das<br />

für eine Art von Musik ist, hat dabei keine Rolle gespielt. „Ich bin ja jetzt seit zwei<br />

Jahren Psychobilly. Da war ich halt noch in <strong>de</strong>r Schule auch. In <strong>de</strong>r Schule hatte ich<br />

richtig Probleme. Ich war schon eher Außenseiter. […] War schon krass. […] Auf<br />

physischer Ebene haben sie Angst. Da haben sie sich nicht getraut, mich anzugreifen<br />

o<strong>de</strong>r so. Dann war eher mobben dr<strong>auf</strong>. Mit Sprüchen und so. […] Ne, die haben keine<br />

Ahnung gehabt. Hat die aber auch nicht interessiert. Das war <strong>de</strong>nen halt egal.<br />

Der ist an<strong>de</strong>rs: Fertig machen! […] Ja, vor allem auch wegen <strong>de</strong>r Frisur. Das war<br />

auch n Grund.“ (D.)<br />

T. hingegen interessiert es hingegen nicht, was die Leute für ein Aussehen haben<br />

o<strong>de</strong>r aus welcher Szene sie stammen. T. räumt auch ein, dass es Leute in <strong>de</strong>n <strong>Subkulturen</strong><br />

gibt, die er nicht lei<strong>de</strong>n kann. Er differenziert aber nicht nach <strong>de</strong>m Aussehen,<br />

son<strong>de</strong>rn nach menschlichen Aspekten. Für ihn ist es wichtig, dass die diversen <strong>Subkulturen</strong><br />

zusammenhalten. „Weil, ich interessiere mich sowieso nur für <strong>de</strong>n Men-<br />

schen. Mir ist es scheißegal. Es gibt Leute, die haben n Flat, das sind Wichser. Das<br />

sind Arschlöcher. Es gibt halt Leute mit nem Iro, das sind Arschlöcher. Und es<br />

kommt mir persönlich <strong>im</strong>mer <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Menschen an. Mich interessiert dass nicht, wie<br />

<strong>de</strong>rjenige aussieht. […] Also Un<strong>de</strong>rground Subkultur. Und meiner Meinung nach<br />

müssen die Leute zusammen halten und das find ich auch super, wie das heutzutage<br />

ist.“ (T.)<br />

4.3.6. Was be<strong>de</strong>utet Spaß in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur?<br />

112


Die Psychobillysubkultur ist eine äußerst hedonistisch veranlagte Subkultur, und <strong>de</strong>r<br />

Spaß steht ganz klar <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund. Sogar die politischen Einstellungen wer<strong>de</strong>n in<br />

<strong>de</strong>n Hintergrund gerückt, damit <strong>de</strong>r Spaßfaktor <strong>auf</strong>grund von politischer Differenzen<br />

nicht getrübt wer<strong>de</strong>n kann. Doch was macht Spaß für einen Psychobilly aus? Was<br />

unterschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Spaß von einem Psychobilly, von <strong>de</strong>m Spaß eines Schlagerfans?<br />

Bei meiner letzten Hauptfrage versuche ich, <strong>de</strong>n Spaßfaktor näher zu ergrün<strong>de</strong>n. Die<br />

Psychobillysubkultur hat, genau wie an<strong>de</strong>re Szenen auch, gewisse Rituale, die sich<br />

<strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Konzerten und Festivals abspielen. Psychobillies sind in <strong>de</strong>r Regel äußerst<br />

trinkfreudig und es wird sich meist vor <strong>de</strong>n Konzerten o<strong>de</strong>r direkt vor <strong>de</strong>r Konzerthalle<br />

getroffen, um vorher schon Alkohol zu konsumieren. Meistens wird dann <strong>de</strong>n<br />

ganzen Abend weiter exzessiv getrunken. Vor <strong>de</strong>r Bühne bil<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Tanzkreis<br />

und es kommt zum „Wrecking“. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine raue, harte Version<br />

vom Pogo <strong>de</strong>r Punks und Skinheads (wobei es natürlich auch harten Pogo in diesen<br />

bei<strong>de</strong>n Szene gibt). Die Leute schubsen sich gegenseitig und springen wild durcheinan<strong>de</strong>r.<br />

Sehr beliebt ist auch, einfach stehen zu bleiben und nach allen Seiten hin mit<br />

<strong>de</strong>n Armen wild auszuteilen, so dass es von außen wie eine Massenschlägerei wirkt.<br />

Dabei wer<strong>de</strong>n die wil<strong>de</strong>sten Gr<strong>im</strong>assen geschnitten und verrückt gespielt. Das<br />

Wrecking wird meistens noch kurz unterbrochen, um <strong>de</strong>n Refrain <strong>de</strong>r Band<br />

mitzugrölen, die gera<strong>de</strong> <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Bühne musiziert. Die Psychobillyszene hat sehr große<br />

Affinitäten zu Horror in allen Formen. Die Bands schminken sich mit Kunstblut<br />

und Knete, tragen Gumm<strong>im</strong>asken und verklei<strong>de</strong>n sich gerne als Zombies. Die Texte<br />

drehen sich um Massenmör<strong>de</strong>r, Psychopathen, Monster, Zombies, Horror, Vampire,<br />

Werwölfe und Mutanten. Serienmör<strong>de</strong>r wie Ed Gein (<strong>de</strong>r aus Menschenhaut Lampenschirme<br />

anfertigte), Jack the Ripper, Dieter Kürten (<strong>de</strong>r Vampir von Düsseldorf)<br />

und an<strong>de</strong>re Serienmör<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n heroisch besungen, wobei es natürlich nicht ernst<br />

zu nehmen ist, wie bei <strong>de</strong>n meisten Psychobillytexten. Die Leute sind sich <strong>de</strong>r Provokation<br />

und über das Hinwegsetzen über moralische Grenzen dabei absolut bewusst<br />

und genießen es. Auch Songs über Horrorfilmhel<strong>de</strong>n wie Michael Myers (Halloween),<br />

Freddy Krüger (Nightmare on Elm Street) und Jason (Freitag <strong>de</strong>r 13) sind<br />

sehr beliebt. Die Musik ist dabei recht anspruchsvoll und es wer<strong>de</strong>n die diversesten<br />

Stile miteinan<strong>de</strong>r wild gemischt. Psychobilly verbin<strong>de</strong>t nicht nur Rockabilly mit<br />

Punk, son<strong>de</strong>rn es fin<strong>de</strong>n sich auch Elemente aus Jazz, Blues, Country, Trash, Swing,<br />

Hardcore, Ska, Gothic und an<strong>de</strong>re Stile. Diese Heterogenität in <strong>de</strong>r Musik wird von<br />

<strong>de</strong>n Psychobillies sehr geschätzt.<br />

113


Heterogenität be<strong>im</strong> Psychobilly<br />

Durch die Vermischung <strong>de</strong>r vielen Stile hören sich Psychobillybands oft sehr unterschiedlich<br />

an. Aber auch von <strong>de</strong>n Texten und <strong>de</strong>m Auftreten gibt es große Unterschie<strong>de</strong>.<br />

Während die Meteors sehr oft über sehr düstere Themen singen und viele<br />

Songs auch eine große Aggressivität ausstrahlen, singen Tiger Army über Romantik,<br />

die über <strong>de</strong>n Tod hinaus geht und haben einen sehr melancholischen Sound. T.<br />

schätzt bei<strong>de</strong> Bands, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten. „Ja, Meteors<br />

natürlich. Hammerband. Hammergeil. Also das ist für mich purer Psychobilly. Es ist<br />

halt dieses Böse bei <strong>de</strong>m Fenech. Das merkste in <strong>de</strong>r St<strong>im</strong>me. Diese Böse. Diese unglaublich<br />

geile Gitarrenarbeit. Das kommt einfach nur evil rüber. […] Da mach ich<br />

mich vielleicht unbeliebt als Schwuchtel o<strong>de</strong>r so. Tiger Army. Ich liebe Tiger Army.<br />

Ich weiß nicht, warum ich mir die anhöre. Die kannste dir auch gut anhören, wenn<br />

du mal traurig bist. Wenn du mal nicht so gut dr<strong>auf</strong> bist. Es ist halt auch ne sehr,<br />

sehr geile Band. Als ich die das erste Mal live gesehen habe, war ich auch total begeistert.“<br />

(T.)<br />

Für J. ist Tiger Army schon gar kein Psychobilly mehr, weil es ihr von Musik und<br />

<strong>de</strong>n Texten zu weich ist. Allerdings outet sie sich auch als großer Fan <strong>de</strong>r Band. „Da<br />

ist ja z.B. Tiger Army, die ich persönlich wirklich toll fin<strong>de</strong>, gar keine Frage, aber<br />

ich sehe die persönlich auch nicht als Psychobilly an. Es ist ne tolle Musikrichtung<br />

und ich kann auch nicht beschreiben, was es ist. Aber es ist schön. Aber es ist für<br />

mich kein Psychobilly. Es ist zu seicht, und auch von <strong>de</strong>n Texten her gibt mir das<br />

nicht <strong>de</strong>n Psychobillykick. […] Es ist alles sehr romantisch, sehr theatralisch und<br />

traurig. Aber es hört sich wirklich schön an. Aber nicht Psychobilly.“ (J.)<br />

T. schätzt das Böse, welches <strong>im</strong> Psychobilly oft besungen und zelebriert wird und<br />

liebt auch <strong>de</strong>n unterschiedlichen Sound <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Bands, die mal mehr nach<br />

Punk und mal mehr nach Rock’n’Roll klingen. „[…] Psychobilly, es gibt ja Millionen,<br />

es gibt ja Millionen, es gibt ja tausen<strong>de</strong> Bands da. Und alle unterschiedlich.<br />

Je<strong>de</strong> hört sich an<strong>de</strong>rs an. Eigentlich müssteste Psychobilly auch noch unterteilen in<br />

mehr Richtung Rock’n’Roll und mehr das punkige. […] Aber für mich ist halt<br />

Psychobilly dieses Böse. Für mich muss es böse sein, Psychobilly, und <strong>de</strong>shalb kann<br />

ich mit diesem, sag ich mal eher schönen Rock’n’Roll o<strong>de</strong>r Rockabilly, nicht so viel<br />

anfangen, weil ich mehr <strong>auf</strong> diese bösen Sachen stehe. Komm für mich halt geiler<br />

und krasser rüber und da krieg ich mehr Gänsehautgefühl dabei.“ (T.)<br />

114


K. glaubt, dass es auch an <strong>de</strong>n vielen unterschiedlichen Einflüssen liegt, dass es<br />

Psychobilly <strong>im</strong>mer noch gibt und sich <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r neue Bands grün<strong>de</strong>n, die<br />

Psychobilly auch <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rn. „Wie sich das entwickelt hat, wird<br />

Psychobilly weitergehen. Wird nicht irgendwann vorbei sein. Weil das ist, auch<br />

glaub ich, auch <strong>de</strong>r Vorteil von Psychobilly. Aufgrund seiner verschie<strong>de</strong>nen Einflüsse<br />

sich <strong>im</strong>mer weiterentwickelt und <strong>im</strong>mer neue Bands kommen. Und du kannst <strong>im</strong>mer<br />

I<strong>de</strong>en haben, eigentlich. Und ich seh, das geht weiter.“ (K.)<br />

Zu<strong>de</strong>m mag K. es, dass Psychobilly sich nach keinen Regeln richtet und die Bands<br />

sehr vielfältig sind. Genau wie T. beschreibt er, dass sich Psychobands sehr vom<br />

Sound unterschei<strong>de</strong>n, da alle Psychobilly an<strong>de</strong>rs spielen. „Aber Psychobilly, je<strong>de</strong><br />

Band ist an<strong>de</strong>rs. Je<strong>de</strong> Band spielt Psychobilly an<strong>de</strong>rs. Und hat n an<strong>de</strong>ren Sound und<br />

Psychobilly kannste viel mehr reinpacken. […] Je<strong>de</strong> Band packt irgendwie was an<strong>de</strong>res<br />

rein. Spielt jetzt n bisschen härter, mal n bisschen seichter und mal n bisschen<br />

spaßiger. Mal aggressiver. […] Weil die Leute sich in <strong>de</strong>r Psychobillymusik find ich<br />

eigentlich, das wie<strong>de</strong>rgeben können, richtig ohne irgendwelche L<strong>im</strong>its.“ (K.)<br />

Auch L. hat beobachtet, wie Pschobilly <strong>im</strong> L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r Jahre <strong>im</strong>mer heterogener wur<strong>de</strong>,<br />

und sich die unterschiedlichsten Einflüsse bemerkbar gemacht haben. „Ja, ich<br />

<strong>de</strong>nk die Szene ist auch musikalisch vielfältiger gewor<strong>de</strong>n. Also es gibt viele Bands.<br />

Je<strong>de</strong> hat irgendwie ihren eigenen Musikstil. Und das geht ja von ja mehr Rockabilly<br />

beeinflusst, bis so ziemlich Hardcorepunk beeinflusst o<strong>de</strong>r auch so Sachen, die keine<br />

Ahnung, n bisschen poppiger sind. Tiger Army wären da vielleicht zu nennen.“ (L.)<br />

Wrecking<br />

„Und dann richtig einen mitgeben und so.“ (D.)<br />

Wrecking nennt sich <strong>de</strong>r Tanz <strong>de</strong>r Psychobillies. „To wreck“ kommt aus <strong>de</strong>m Englischen<br />

und be<strong>de</strong>utet übersetzt so viel wie zertrümmern, zerstören und zugrun<strong>de</strong> richten.<br />

Wer mal <strong>auf</strong> einem Meteors Konzert das Publikum bei Wrecking beobachtet hat,<br />

weiß, dass dieser Begriff sehr passend ist. Die Psychobillysubkultur ist schon lange<br />

keine Jugendsubkultur mehr. Es sieht schon sehr brachial aus, wenn sich 30-40 jährige,<br />

völlig zutätowierte Männer, die öfter mehr als 100 KG wiegen, durch die Gegend<br />

schubsen. Be<strong>im</strong> Wrecking gibt es, wie be<strong>im</strong> Pogo in <strong>de</strong>r Punkszene, <strong>de</strong>n Ehrenko<strong>de</strong>x,<br />

dass Leuten, die be<strong>im</strong> Wrecking umfallen, wie<strong>de</strong>r <strong>auf</strong>geholfen wird. Das kommt<br />

115


elativ oft vor, da be<strong>im</strong> Wrecking nicht gera<strong>de</strong> z<strong>im</strong>perlich miteinan<strong>de</strong>r umgegangen<br />

wird. Das Wrecking gehört zu <strong>de</strong>n festen Ritualen in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur. So<br />

hat auch <strong>de</strong>r Psychobillyautor Craig Brackenridge sein Buch „Let’s Wreck!“ genannt,<br />

nach <strong>de</strong>m gleichnamigen Song <strong>de</strong>r Psychoband „the Coffin Nails“. Auch einige<br />

Bands haben sich nach <strong>de</strong>m Tanz benannt, wie z.B. „the Wrecking Dead“ und die<br />

„Wreck Kings“. Auch die berüchtigten Fans <strong>de</strong>r Meteors, haben sich nach <strong>de</strong>m<br />

Wrecking benannt und nennen sich Wrecking Crew. Einer <strong>de</strong>r beliebtesten Songs <strong>de</strong>r<br />

Meteors heißt ebenfalls Wrecking Crew.<br />

D. beschreibt, wie die Musik eine aggressive St<strong>im</strong>mung <strong>auf</strong>baut, die die Psychos<br />

zum Wrecken an<strong>im</strong>iert und in <strong>de</strong>r man dann völlig eintaucht und Aggressionen abbaut.<br />

D. erlebt Glücksgefühle, wenn er an<strong>de</strong>re Leute be<strong>im</strong> Wrecking wegschubst und<br />

erlebt in dieser Situation voller Adrenalin und Gefahr, gera<strong>de</strong>zu einen Rausch. „Die<br />

Musik ist die Hauptursache. Dieses schnelle, aber gewalttätige. Hah? Wie soll man<br />

sagen? So Hass<strong>auf</strong>bauend. Dann <strong>im</strong> Pit so richtig abgehen. Das ist schon geil. […]<br />

Ja, also <strong>im</strong> Pit. Klar, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren so richtig einen mitgeben. Aber man übertreibt es<br />

nicht. Man passt schon <strong>auf</strong>, wenn einer <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n fällt. Aufheben. Einfach geile<br />

St<strong>im</strong>mung. Die Leute so in Ekstase, ist man schon fast. Und dann richtig einen mitgeben<br />

und so.“ (D.)<br />

Diese ritualisierte Gewalt, mit gewissen Spielregeln, ist in <strong>de</strong>r Subkultur allen bekannt<br />

und es wer<strong>de</strong>n normalerweise keine Leute ins Wrecking einbezogen, die das<br />

nicht wollen. Die Leute, die da mitmachen, sind sich völlig bewusst, <strong>auf</strong> was sie sich<br />

einlassen. „Hm, also <strong>im</strong> Wrecking Pit ist schon or<strong>de</strong>ntlich. Aber das ist ja alles abgeklärt.<br />

Und da kann man sich ruhig <strong>auf</strong>s Maul haun. Man will das dann ja auch nicht<br />

an<strong>de</strong>rs.“ (J.)<br />

J. empfin<strong>de</strong>t die Aggressionen, die <strong>im</strong> Wrecking ausgelebt wer<strong>de</strong>n, als nicht als zu<br />

dramatisch und sie vertritt die Meinung, dass man das nicht überbewerten sollte. „Na<br />

ja, wir sind keine Hippies. Klar steht irgendwo ne gewisse, aggressive Haltung <strong>im</strong><br />

Hintergrund. Ist ja auch in <strong>de</strong>r Musik. Ist ja auch n bisschen schneller, n bisschen<br />

kräftiger <strong>im</strong> Ausdruck. Genau so wie die Punkszene auch. Das ist ja, das hängt ja<br />

irgendwo alles zusammen. Klar ist das ne gewisse Grundaggressivität da, aber die<br />

man allerdings glaub ich, nicht zu doll werten sollte.“ (J.)<br />

T. sieht das Wrecking auch nicht als etwas wahnsinnig Gefährliches an. Für ihn ist es<br />

<strong>de</strong>r normale Tanz <strong>de</strong>r Psychos. Allerdings fin<strong>de</strong>t er es gut, dass kaum Frauen be<strong>im</strong><br />

Wrecking mitmachen, da er sonst eine hohe Verletzungsgefahr für diese fürchtet.<br />

116


„Wil<strong>de</strong>s Tanzen und rumspringen. Quasi Pogo. Also Pogo ist, glaub ich, für viele<br />

Leute n eherer Begriff. Nur halt <strong>de</strong>r Wrecking Pit ist halt noch n kleines bisschen<br />

härter. Kleines bisschen härter. Wreck heißt auch <strong>auf</strong> Deutsch auch übersetzt, irgendwie<br />

alles kaputtschlagen. Also <strong>im</strong> übertragenen Sinne. […] Aber vielleicht ist<br />

das auch gar nicht mal so verkehrt, weil <strong>im</strong> Wrecking Pit will man ja nicht unbedingt<br />

ner hübschen Frau irgendwie was brechen o<strong>de</strong>r so.“ (T.)<br />

Texte <strong>de</strong>r Psychobillybands<br />

„Psychobilly ist schon so ne eigene Welt, find ich.“ (K.)<br />

Sehr viele Texte von Psychobillybands han<strong>de</strong>ln über Horror. Allerdings gibt es auch<br />

an<strong>de</strong>re Themenfel<strong>de</strong>r und eine Psychobillyband singt nicht zwangsläufig über Monster<br />

o<strong>de</strong>r Untote. „Es geht bei vielen Bands, geht’s dann so n bisschen um Horror und<br />

Grusel und Monster. Das kann man jetzt auch nicht so pauschal sagen.<br />

Ich <strong>de</strong>nke mal, da macht auch je<strong>de</strong> Band ihr eigenes Ding. Wie gesagt, so was mit<br />

Monstern und so die dunkle Seite o<strong>de</strong>r so was in <strong>de</strong>r Art. Das ist bei vielen vorherrschend,<br />

aber auch nicht bei allen, ne? Es gibt auch Bands, wie was weiß ich, Long<br />

Tall Texans, da ist so was gar kein Thema. Das ist mehr so ne gute Laune, gute Laune<br />

Texte o<strong>de</strong>r wie auch <strong>im</strong>mer. Und ja ist eigentlich auch relativ vielfältig.“ (L.)<br />

Spaß spielt bei Psychobilly <strong>im</strong>mer eine große Rolle, und Politik ist fast nie ein Thema.<br />

Alkohol und Sex sind ebenfalls beliebte Themen. J. schätzt <strong>de</strong>n Spaßfaktor bei<br />

Psychobilly und ganz beson<strong>de</strong>rs die Horrorthematik. „Yo, so es ist glaub ich nicht so<br />

ernst. Es ist ja auch wenig politischer Hintergrund dabei. Es ist einfach witzig. Es<br />

geht um Zombies, Splatter, Horrorsachen, Horrorfilme, Party, S<strong>auf</strong>en, Fickerei, alles<br />

was eigentlich witzig ist, was Spaß macht. Aber halt <strong>im</strong>mer n bisschen mit <strong>de</strong>m Horrorkontext.<br />

Was mir eigentlich ganz gut gefällt.“ (J.)<br />

Auch wenn viele Songs sich um die Hölle, <strong>de</strong>n Teufel und die Sün<strong>de</strong> drehen, haben<br />

Psychobillies normalerweise keinen Hang zum Okkulten o<strong>de</strong>r gar zu Satanismus. Die<br />

Texte wer<strong>de</strong>n nicht all zu ernst genommen und es wird auch nicht groß reflektiert.<br />

Erlaubt ist, was Spaß macht. „Viele verstehen vielleicht auch nicht richtig, was einen<br />

dazu bewegt, zu Zombielie<strong>de</strong>rn zu tanzen, ohne da irgendwie einen satanistischen<br />

117


Hintergrund zu sehen. Ich glaub, wir sehen das alle ganz lustig. Und fin<strong>de</strong>n unsere<br />

Musik einfach nur lustig.“ (J.)<br />

K. gefällt es, dass bei Psychobilly oft über sehr verrückte Leute gesungen wird, die<br />

einfach nicht normal sind o<strong>de</strong>r über Dinge, die es gar nicht gibt. Psychobilly be<strong>de</strong>utet<br />

für K. auch eine Flucht aus <strong>de</strong>r realen Welt, in die Psychobillywelt, in <strong>de</strong>r es um einiges<br />

turbulenter und verrückter zugeht, als in <strong>de</strong>r Realität. „Halt über Mutanten,<br />

ausgeflippte Typen, abgedrehte Typen, Freggles, Freaks, einfach ne an<strong>de</strong>re Welt.<br />

Einfach unnormal. Einfach was nicht normal ist. Dabei geht es bei Psychobilly. Du<br />

willst ja als Psychobilly nicht normal sein. Du willst dich ja abgrenzen. Und in <strong>de</strong>n<br />

Texten sind <strong>im</strong>mer irgendwelche Freggles, die sich ne abgrenzen, von <strong>de</strong>n normalen<br />

Leuten. Die Texte sagen <strong>im</strong>mer was aus, was nicht normal ist. Freak. Da ist n Freak.<br />

Der dreht voll am Rad. Das sind welche, die s<strong>auf</strong>en sich die Birne zu o<strong>de</strong>r was, ne?<br />

Wie soll ich das beschreiben. Einfach dieses an<strong>de</strong>rs sein, das wird auch in <strong>de</strong>n Texten<br />

ausgesagt, in<strong>de</strong>m man auch einfach über Kreaturen singt, die es gar nicht gibt,<br />

ne? O<strong>de</strong>r Monster, o<strong>de</strong>r Vampire und was es nicht alles gibt. Immer irgendwie was<br />

an<strong>de</strong>res von Freaks, Freggles, ne? Doch schon einfach. Psychobilly ist schon so ne<br />

eigene Welt, find ich.“ (K.)<br />

Dieses bewusste Abgrenzen von normalen Leuten lässt auch dar<strong>auf</strong> schließen, dass<br />

Psychobillies nicht viel anfangen können mit normalen Leuten, da diese einfach<br />

nicht verrückt genug sind und als langweilig empfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Dabei sind die<br />

Psychobillies auch sehr rational, da sie sich bewusst sind, dass es keine Vampire und<br />

Werwölfe in <strong>de</strong>r Realität gibt. Die Psychobillies sind also nicht wirklich verrückt,<br />

son<strong>de</strong>rn begeistern sich nur für ausgeflippte, verrückte Sachen, wie<br />

Psychobillymusik und Horrorfilme.<br />

T. liebt ganz beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n Horrorkontext be<strong>im</strong> Psychobilly, da er sehr großer Fan<br />

von Horrorfilmen und allgemein von Horror in je<strong>de</strong>r Variation ist. „Da ich halt n<br />

großer Horrorfan bin, gab es eigentlich nichts Besseres für mich als Psychobilly.<br />

Horrortexte, geile Musik, dazu Punkrock, Rock’n’Roll, die Mischung also, das war<br />

für mich das Nonplusultra. O<strong>de</strong>r ist es sozusagen <strong>im</strong>mer noch.“ (T.)<br />

Auch K. bescheinigt, dass es <strong>im</strong> Psychobilly oft um <strong>de</strong>n Horrorkontext geht. „Auf<br />

je<strong>de</strong>n Fall. Es gibt sogar viele Songs, die einfach von diesen Filmen han<strong>de</strong>ln, z.B.<br />

von <strong>de</strong>n Meteors „Blue Sunshine“. O<strong>de</strong>r „Krewmen“ hat da oft auch Texte gemacht,<br />

die mit Sicherheit mit Werwölfen und so zu tun haben.“ (K.)<br />

118


Horrorfilme<br />

„Also Horror, diese ganze Horrorfilmszene so, die beeinflussen schon <strong>de</strong>n<br />

Psychobilly.“ (K.)<br />

Horrorfilme sind bei <strong>de</strong>n meisten Psychobillies sehr beliebt. Sie dienen auch vielen<br />

Künstlern als Inspiration für ihre Texte, auch Peter Paul Fenech von <strong>de</strong>n Meteors.<br />

„Das siehste ja an <strong>de</strong>n ersten Alben von <strong>de</strong>n Meteors. Das siehste an <strong>de</strong>n Songs von<br />

<strong>de</strong>n Meteors. Die han<strong>de</strong>ln über Zombies, über Vampire, über Mutanten. Der Fenech<br />

<strong>de</strong>r hat sich <strong>im</strong>mer schon, also <strong>de</strong>r Sänger und <strong>de</strong>r Gitarist von <strong>de</strong>n Meteors, <strong>de</strong>r<br />

Peter Paul Fenech, <strong>de</strong>r hat sich ja als Kind schon <strong>im</strong>mer mit <strong>de</strong>n Horrorfilmen und<br />

was weiß ich was allen beschäftigt. Der hat das geliebt. Das ist halt seine Religion<br />

sozusagen, wie er das <strong>im</strong>mer sagt. Und für mich kann es eigentlich nichts besseres<br />

geben.“ (T.)<br />

Auch K. guckt sehr gerne Horrorfilme und hat auch einen Zombie tätowiert. Tätowierungen<br />

von Zombies, Monstern und Vampiren sind allgemein sehr beliebt in <strong>de</strong>r<br />

Psychoszene. „Also Horror, diese ganze Horrorfilmszene so, die beeinflusst schon<br />

<strong>de</strong>n Psychobilly. Auch die Musik, die Texte und die Leute, weil viele Psychobillies<br />

halt diese Filme auch gucken. Ich z.B. gucke sehr gerne Werwolffilme, Zombiefilme.<br />

Nenn mich ja selber <strong>im</strong> Internet <strong>de</strong>r Superpsychozombie, ne? Ja und ich hab als Tätowierung<br />

auch n Zombie am Kontrabass. […] Weil halt das schon so Filme sind, die<br />

wie<strong>de</strong>r nicht normal sind. Und da wir auch ja nicht normal sind auch die Musik<br />

nicht. Passt das ja schon da rein, <strong>de</strong>nk ich.“ (K.)<br />

Hier merkt man, dass <strong>de</strong>r Horrorbereich auch in vielen Lebensbereichen <strong>de</strong>r Psychos<br />

eine wichtige Rolle spielt. Bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Tätowierungen z.B. und be<strong>im</strong> Nickname<br />

<strong>im</strong> Internet. Mit <strong>de</strong>n Horrorfilmen können sich die Psychos auch sehr gut i<strong>de</strong>ntifizieren,<br />

da Horrorfilme, von Teilen <strong>de</strong>r Gesellschaft, als brutaler Müll angesehen wird,<br />

<strong>de</strong>r die Jugend zu Gewalttätern macht und weil es manche Leute schockt, wird es für<br />

<strong>de</strong>n Psychobilly interessant. Zu<strong>de</strong>m sind Horrorfilme teilweise sehr krass und beschäftigen<br />

sich mit moralischen Tabubrüchen, mit Außenseitern, die von <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

zu Monstern gemacht wur<strong>de</strong>n und mit solchen Charakteren können sich<br />

Psychobillies vielleicht gut i<strong>de</strong>ntifizieren, da sie auch eher Außenseiter sind und sich<br />

bewusst von <strong>de</strong>r Gesellschaft abgrenzen.<br />

119


Horror und Horrorfilme beeinflussen auch viele Bands bei ihrer Bühnenperformance<br />

und so treten viele Bands geschminkt und mit Kunstblut <strong>auf</strong> o<strong>de</strong>r als Zombies und<br />

Monster verklei<strong>de</strong>t. Auch Splatterfilme wer<strong>de</strong>n gerne von einigen Psychos geguckt.<br />

Bei Splatterfilmen han<strong>de</strong>lt es sich um Horrorfilme, die meistens fast keine Handlung<br />

haben und sich in erster Linie um die <strong>de</strong>taillierte Darstellung von möglichst blutrünstigen<br />

Tötungsritualen drehen. Bei Splatterfilmen wird viel Wert <strong>auf</strong> heraustreten<strong>de</strong><br />

Gedärme und Hirne, viel Blut und abgetrennte Körperteile gelegt. Im Prinzip drehen<br />

sich diese Filme nur um Szenen, die aus an<strong>de</strong>ren Filmen rausgeschnitten wer<strong>de</strong>n.<br />

„Ich glaub, wir gucken alle gerne Horrorfilme und belustigen uns an Splatter und<br />

Gemetzel. Sieht man ja auch <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Bühnenshows von diversen Bands. Ja und viele<br />

Texte orientieren sich ja auch da dran. An Jack the Ripper und wer noch? Alle möglichen<br />

Horrorgeschichten halt. […] Es hat n großen Einfluss, wie gesagt, <strong>auf</strong> die<br />

Bühnenshows von Demented Are Go z.B. o<strong>de</strong>r Banane Metalik, die natürlich eher in<br />

<strong>de</strong>r neuen Generation jetzt ne Rolle spielen.“ (J.)<br />

Das Auftreten von Demented Are Go als Zombies <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Bühne, hat auch T. sehr<br />

beeindruckt. „Ja, Demented Are Go war <strong>de</strong>r Hammer. Es war damals, ich hab die<br />

gesehen. Hab mich direkt verliebt, sozusagen. Dieses böse Auftreten. Dieses Krasse.<br />

Dieser, dieser Sparky, <strong>de</strong>r Sänger mit seinem 3 Meter hohen Flat. Geschminkt wie so<br />

n Zombie. Einfach nur total abgewichst.“ (T.)<br />

Bei T. merkt man <strong>de</strong>utlich seine Faszination für unkonventionelle Ästhetik und <strong>de</strong>n<br />

Spaß am Extremen, <strong>de</strong>n Spaß am Ungewöhnlichen.<br />

Während J. auch eine Vorliebe für Splatterfilme (bei Splatterfilmen geht es, wie bereits<br />

oben erwähnt, in erster Linie um Gemetzel. Die Filme haben fast gar keine<br />

Handlung. Es geht z.B. nur darum, <strong>auf</strong> welche unterschiedlichen Arten diverse Zombies<br />

getötet wer<strong>de</strong>n und dabei fließen Unmengen an Blut und Gedärmen. L. sagen<br />

eher Filme mit subtileren Horrorelementen zu und auch er glaubt, dass Horrorfilme<br />

Psychobilly beeinflusst haben: „Ja, das <strong>de</strong>nk ich <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall, dass die Filme, das<br />

auch mitgeprägt haben. Ja, ich selber guck auch ganz gerne Horrorfilme. Jetzt mehr<br />

eigentlich mehr so, also so n bisschen, wie soll ich sagen, was tiefgründiges, wo sich<br />

<strong>de</strong>r Horror so langsam anschleicht. So Klassiker wie so Shining o<strong>de</strong>r so. Nicht so<br />

diese puren Splatterfilme. Also das ist nicht so ganz mein Ding. O<strong>de</strong>r so alte B-<br />

Movie Horror Filme aus <strong>de</strong>n 50er und 60ern guck ich mir auch ganz gerne mal an.“<br />

(L.)<br />

120


Die Exklusivität <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur<br />

Die Psychobillyszene ist <strong>de</strong>utlich toleranter und friedlicher gewor<strong>de</strong>n. Sie hat sich<br />

auch für an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> geöffnet. Da Bands wie Tiger Army und Mad Sin auch<br />

über die Szene hinaus bekannt sind, hat Psychobilly in <strong>de</strong>n letzten Jahren <strong>de</strong>utlich an<br />

Popularität gewonnen. Allerdings ist Psychobilly nicht mehr so groß, wie in <strong>de</strong>n 80er<br />

Jahren. „Ob’s jetzt so groß ist wie früher? Hm, ja vielleicht nicht ganz so groß. Also,<br />

<strong>auf</strong> <strong>de</strong>n ersten Festivals in Belgien, wo ich war, da waren schon sehr viele Leute.<br />

Und ich weiß nicht, ob das heutzutage noch so ist. Es gibt da noch die ein, zwei großen<br />

Festivals. Satanic Stomp in Speyer o<strong>de</strong>r Psychomania in Potsdam. Da ist dann<br />

auch schon ziemlich viel los. Aber ich glaub, in <strong>de</strong>n 80ern war das alles doch noch n<br />

Tacken größer. Ist ja, wie gesagt, zwischendurch mal geschrumpft. Da hat man<br />

schon gedacht, das wird gar nix mehr. Aber mittlerweile ist das doch wie<strong>de</strong>r gewachsen.“<br />

(L.)<br />

Im Großen und Ganzen ist Psychobilly eine relativ kleine Subkultur und auch relativ<br />

unbekannt. Doch gera<strong>de</strong> diese Exklusivität wird von <strong>de</strong>n Psychobillies durchaus geschätzt.<br />

Man genießt es, Teil von etwas Beson<strong>de</strong>rem zu sein und sich vom<br />

Mainstream bewusst abzugrenzen. „Das sind halt so die <strong>Subkulturen</strong> internen Sachen.<br />

Das dringt nicht unbedingt an die Außenwelt sag ich mal. Es ist ne meiner<br />

Meinung nach sehr unbekannte Szene. […] Ich find das super, weil ich, will ja nicht<br />

so wie An<strong>de</strong>re sein. Deshalb. Also Mainstream kann je<strong>de</strong>r. Und ich bin froh, dass ich<br />

<strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall was Eigenes da hab. Ich find das ganz toll so, wie es ist. […] So wie<br />

<strong>de</strong>r Punkbereich o<strong>de</strong>r wie <strong>de</strong>r Oi, wie <strong>de</strong>r Skinheadbereich. Die grenzen sich ja auch<br />

<strong>de</strong>finitiv quasi von <strong>de</strong>n normalen Menschen ab, weil man halt was Beson<strong>de</strong>res darstellen<br />

will und kein Langweiler sein will.“ (T.)<br />

J. genießt es ebenfalls, dass Psychobilly nicht so groß ist. „Ne, ich glaube, dass ist<br />

weltweit eher ne kleine Szene, was ich auch ganz angenehm fin<strong>de</strong>. Es ist einfach<br />

nicht so populär und nicht so Mainstream wie an<strong>de</strong>re Szenen mittlerweile gewor<strong>de</strong>n<br />

sind. Ja, ich <strong>de</strong>nk mal in Berlin ist die Szene ganz ausgeprägt, <strong>im</strong> Ruhrgebiet auch.<br />

Das sind, glaub ich, so die größten Sammelbecken für die Psychobillyszene.“ (J.)<br />

Auch D. meint, dass an<strong>de</strong>re Szenen größer sind, als die Psychobillysubkultur. „Ist<br />

schon ne kleine Szene <strong>im</strong> Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Szenen.“ (D.)<br />

L. glaubt, dass durch Berichte in Magazinen wie <strong>de</strong>m „Dynamite“, Psychobilly <strong>de</strong>n<br />

Leuten ein Begriff ist, die sich für Rock’n’Roll interessieren, da solche Magazine<br />

auch über Pschobillybands und Events berichten. Allerdings ist er sich auch sicher,<br />

121


dass <strong>de</strong>r normale Bürger keine Ahnung hat, was ein Psychobilly sein soll. „Und da<br />

gibt’s ja mittlerweile so Rock’n’Roll Magazine, wo dann auch über Psychobillybands<br />

berichtet wird. Ja also, ich sag mal, jemand, <strong>de</strong>r sich n bisschen mit Rock’n’Roll<br />

o<strong>de</strong>r so was beschäftigt, <strong>de</strong>r kennt das. Aber so Otto-Normal Verbraucher, <strong>de</strong>r Bürger,<br />

<strong>de</strong>r hat da wahrscheinlich keine Ahnung und <strong>de</strong>nkt <strong>im</strong>mer noch, das sind jetzt<br />

Punks o<strong>de</strong>r Skins. Wenn er überhaupt Skins und Punks kennt o<strong>de</strong>r wie auch <strong>im</strong>mer,<br />

ne?“ (L.)<br />

Psychobillyfestivals als Kontaktbörse/Alkoholkonsum<br />

„Das ist ja auch das, was bei Psychobilly so interessant ist. Halt diese Kontakte.“<br />

(K.)<br />

Bei <strong>de</strong>n wichtigen Szeneevents, wie <strong>de</strong>m Satanic Stomp in Speyer und <strong>de</strong>r<br />

Psychomania in Potsdam, kommen hun<strong>de</strong>rte bis tausen<strong>de</strong> Psychobillies, teilweise aus<br />

<strong>de</strong>r ganzen Welt, um zusammen zu feiern. Es spielen die größten Bands aus <strong>de</strong>r Subkultur.<br />

Es wird tagelang zusammen getrunken, gewreckt und Kontake geknüpft. K.<br />

liebt es, dass er durch Psychobilly <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r neue Leute kennenlernt. Für ihn<br />

sind die sozialen Kontake bei <strong>de</strong>n Festivals genau so wichtig wie die Bands. „Aber es<br />

geht ja nicht <strong>im</strong>mer nur, dass man nur die Bands sieht, son<strong>de</strong>rn auch das drumherum<br />

und das find ich in Potsdam sehr spaßig. Die Leute auch. Weil ich find das auch<br />

ganz witzig. Das ist mitten in ner Wohngegend und irgendwie stört sich da keiner<br />

drann, ne? Und von überall kommen die Leute her. Man unterhält sich. Macht Party.<br />

Spontane Partys und so. […] Das ist ja auch das, was bei Psychobilly so interessant<br />

ist. Halt diese Kontakte. Man unterhält sich. Man hat Spaß. Und lernt viele Leute<br />

kennen, was mir auch seit Jahren einfach Spaß macht. So <strong>auf</strong> Festivals gehen. Einfach<br />

Leute kennen lernen. Wo kommste her? Ja ist mir auch egal ob <strong>de</strong>r jetzt 20 ist<br />

o<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r jetzt 40 ist […].“ (K.)<br />

So ergeben sich auch viele Kontakte zwischen Psychobillies <strong>de</strong>r unterschiedlichsten<br />

Altersstufen. K. freut sich auch <strong>im</strong>mer, wenn er Leute <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Festivals trifft, die er<br />

ne lange Zeit nicht gesehen hat, weil sie so weit weg wohnen. Für K. ist es auch nicht<br />

so wichtig, wie lange die Leute schon Psychobillies sind. „Und irgendwo hinzukom-<br />

122


men und dann oh, dann freut man sich <strong>auf</strong> Leute, die hat man vielleicht n Jahr nicht<br />

gesehen, weil die ganz woan<strong>de</strong>rs wohnen, dann trifft man sich <strong>auf</strong> einmal und oh hey,<br />

wie geht’s? Schon zwanzig Jahre dabei. Manche schon dreißig. Egal. Ich fin<strong>de</strong> das<br />

eigentlich auch egal, ob man jetzt ein Jahr dabei ist o<strong>de</strong>r zwanzig Jahre dabei ist<br />

[…].“ (K.)<br />

Für D. ist die Musik nicht das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn viel mehr das Feiern und Trinken<br />

mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Psychobillies. Die Musik <strong>de</strong>r Bands läuft für ihn eher <strong>im</strong> Hintergrund.<br />

„Ist so ne Mischung. Ist eher <strong>de</strong>r Spaß, <strong>de</strong>n du mit <strong>de</strong>n Leuten hast. So, die<br />

Musik läuft <strong>im</strong> Hintergrund. Natürlich live ist noch geiler, da spürt man richtig <strong>de</strong>n<br />

Bass und so. Aber eigentlich ist das eher so, mit <strong>de</strong>n Leuten einen trinken, ablachen<br />

und das Konzert genießen.“ (D.)<br />

Der Alkoholkonsum gehört zum festen Ritual eines Psychobillykonzertes und D. ist<br />

<strong>de</strong>r Meinung, dass fast alle Psychobillies es lieben, sich zu betrinken. „Ich <strong>de</strong>nke, fast<br />

alle Psychobillies s<strong>auf</strong>en gerne. Haben Spaß. Ist schon ne Spaßsubkultur.“ (D.) Hier<br />

betont D. noch mal die hedonistische Seite <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur. Auch J. liebt<br />

das Feiern, das Trinken und die vielen Kontakte <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Konzerten und Festivals.<br />

Von Drogen hält sie nichts. Allerdings hat sie auch schon beobachtet, dass es auch<br />

Psychobillies gibt, die Drogen nehmen. „Ich glaub, wir trinken alle gern. Wir feiern<br />

alle gerne. Natürlich in einem gewissen Rahmen. Aber ich hab lei<strong>de</strong>r auch zunehmend<br />

erfahren müssen, dass extrem viele Drogen konsumiert wer<strong>de</strong>n. Vor allem<br />

chemische Sachen. Koks. […] Ich kenn mich da nicht so aus, weils einfach gar nicht<br />

mein Ding ist. […] Ich freu mich dann auch <strong>im</strong>mer, Leute aus ganz Europa zu sehen.<br />

Das, wie gesagt, gera<strong>de</strong> <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Satanic Stomp europaweit die Leute dahinpilgern.<br />

Doch das ist ok. […] Doch es geht, glaub ich, größtenteils um das miteinan<strong>de</strong>r feiern,<br />

auch Leute von weiter weg mal wie<strong>de</strong>r zu treffen, neue Leute zu treffen. Zusammen<br />

Party zu machen.“ (J.)<br />

4.4. Zusammenfassen<strong>de</strong> Betrachtung<br />

Die Interviews und ihre Auswertungen sind natürlich nicht repräsentativ für die<br />

Psychobillysubkultur. Sie liefern lediglich einen kleinen Einblick. Vier meiner Interviewpartner<br />

kommen aus NRW und eine Interviewte aus Hessen, somit liegen lediglich<br />

Informationen aus diesen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn vor. Eine Studie, die ein umfassen<strong>de</strong>s<br />

Bild über Psychobilly liefert, muss natürlich auch Interviews mit Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />

123


erüchtigten Wrecking Crew beinhalten. Es wäre sicherlich äußerst interessant zu<br />

erfahren, wie die Hardcore Fans <strong>de</strong>r Meteors die Entwicklung <strong>de</strong>r Subkultur beschreiben<br />

wür<strong>de</strong>n und wie sie die Gewaltsituationen erlebt haben.<br />

Ich fasse <strong>im</strong> Folgen<strong>de</strong>n, die Ergebnisse <strong>de</strong>r Interviews zusammen. Da die Befragten<br />

nur einen kleinen Teil <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur ausmachen, könnte es durchaus sein,<br />

dass Ergebnisse abweichen könnten, von Befragungen mit an<strong>de</strong>ren Psychobillies<br />

(z.B. <strong>de</strong>r Wrecking Crew). Da ich persönlich, auch seit Jahren, Psychobillyfestivals<br />

und Konzerte besuche, <strong>de</strong>nke ich allerdings, dass die Ergebnisse schon einen sehr<br />

guten Eindruck über die Subkultur und ihre Anhänger geben.<br />

1. Ist die Psychobillysubkultur politisch?<br />

Psychobilly kann grundsätzlich als unpolitisch beschrieben wer<strong>de</strong>n. Politik spielt in<br />

<strong>de</strong>n Texten kaum eine Rolle (eine <strong>de</strong>r wenigen Ausnahmen ist das Lied Politician<br />

von <strong>de</strong>r Psychokultband „Frenzy“, die allerdings auch über keine spezielle politische<br />

Richtung singen, son<strong>de</strong>rn legiglich über korrupte Politiker). Die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur sind natürlich nicht unpolitisch, doch wird die Politik absolut<br />

außen vor gelassen. Das macht die Psychobillysubkultur auch zu einer sehr speziellen<br />

Subkultur, da die politischen Meinungen <strong>de</strong>r Psychos doch stark auseinan<strong>de</strong>r<br />

gehen können. So feiern Psychobillies <strong>auf</strong> Konzerten, die eher nach links tendieren,<br />

zusammen mit Psychos, die eher rechts sind. Dabei muss natürlich erwähnt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass sich hier lediglich um politische Einstellungen han<strong>de</strong>lt. Politische Aktivisten<br />

sind in <strong>de</strong>r Psychobillyszene eher eine Seltenheit. Es feiern also keine autonomen<br />

Nationalisten mit Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Antifa zusammen. So absurd ist die Situation auch<br />

nicht. Dennoch ist diese politische Heterogenität und die Individualität bei <strong>de</strong>r politischen<br />

Meinung beson<strong>de</strong>rs hervorzuheben, da Politik in an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> <strong>im</strong>mer<br />

wie<strong>de</strong>r Grund für heftige Streitigkeiten und Abgrenzungen ist. In <strong>de</strong>r Punkszene ist<br />

Politik ein Dauerthema. In <strong>de</strong>r Skinheadsubkultur gibt es zu Zeit eine Riesendiskussion<br />

um sogenannte „Grauzonenbands“. Mit Grauzonenbands sind z.B. Bands wie<br />

die „Krawallbrü<strong>de</strong>r“ o<strong>de</strong>r „Con<strong>de</strong>mned 84“ gemeint, die von sich behaupten, unpolitisch<br />

zu sein, und <strong>auf</strong> <strong>de</strong>ren Konzerten <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r Rechte <strong>auf</strong>tauchen und so <strong>de</strong>r<br />

Eindruck entsteht, dass diese Bands durchaus rechtsoffen sind. Diesen Wirbel um<br />

Politik gibt es bei Psychobily <strong>de</strong>finitiv nicht und allein diese Tatsache unterschei<strong>de</strong>t<br />

die Psychobillyszene stark von an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>.<br />

124


Allerdings sind die Psychobillies in <strong>de</strong>n 80er Jahren häufiger von <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

mit Faschisten o<strong>de</strong>r Punks gleichgesetzt wor<strong>de</strong>n. Da auch mal Skinheads zu Psychokonzerten<br />

gekommen sind, und sich <strong>de</strong>r Kleidungsstil <strong>de</strong>r Psychos kaum von <strong>de</strong>r<br />

Skinheadszene unterschie<strong>de</strong>n hat, ist es zu Verwechslungen gekommen. Viele Bürger<br />

halten Skinheads sowieso alle für Nazis und so wur<strong>de</strong>n die stereotypen Vorurteile<br />

über die Skinheadszene einfach <strong>auf</strong> die Psychobillies übertragen. Wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re<br />

Leute haben Psychobillies für Punks gehalten, mit <strong>de</strong>nen die Psychos in <strong>de</strong>n 80er<br />

Jahren aber massive Probleme hatten. So wur<strong>de</strong>n die Psychobillies häufig in politische<br />

Richtungen einkategorisiert, mit <strong>de</strong>nen sie nichts zu tun haben. Da sich die<br />

Kleidung <strong>de</strong>r Psychobillies gewan<strong>de</strong>lt hat, bleiben heutzutage die Verwechslungen<br />

meistens aus. Lediglich ältere Psychobillies, die <strong>auf</strong>grund von Haarausfall keinen<br />

Flat mehr tragen können, haben auch heute noch Verwechslungsprobleme.<br />

Psychobilly ist allerdings auch eine recht kleine Subkultur. Vielleicht fürchten die<br />

Psychos, dass eine klare Beziehung zu einer politischen Position zu einer Spaltung<br />

<strong>de</strong>r Szene führen könnte. Die Spaltung zwischen Punkabillies und <strong>de</strong>r Wrecking<br />

Crew hat Psychobilly schon in <strong>de</strong>n 90er Jahren stark zugesetzt, und so wäre eine erneute<br />

Spaltung <strong>auf</strong>grund von Politik natürlich fatal. So bleibt natürlich kritisch anzumerken,<br />

dass Psychobillykonzerte auch durchaus von Faschisten besucht wer<strong>de</strong>n<br />

können, da die Psychobillies sich nicht klar von Rechts distanzieren. Eine Unterwan<strong>de</strong>rung<br />

von Rechts ist allerdings sehr unwahrscheinlich, da alle bisherigen Versuche<br />

<strong>de</strong>r Faschisten gescheitert sind. Sei es durch Einladungen zu<br />

Kammeradschaftsaben<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r durch Musikprojekte. Die Psychobillies haben sich<br />

nicht benutzen lassen und ihre unpolitische Haltung beibehalten.<br />

2. Ist die Psychobillysubkultur friedlicher gewor<strong>de</strong>n?<br />

Die Psychobillysubkultur hatte in <strong>de</strong>n 80er Jahren mit massiven Anfeindungen von<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft allgemein, aber auch von an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>, zu kämpfen. Zu<strong>de</strong>m<br />

ist Psychobilly recht unbekannt und so ist es früher zu vielen Verwechslungen gekommen.<br />

Migranten und Punks hielten Psychobillies für rechts und dadurch kam es<br />

zu Konfliktsituationen. Die normalen Bürger waren in <strong>de</strong>n 80er Jahren noch lange<br />

nicht so tolerant wie heute, und so wur<strong>de</strong>n die Psychos als Punks o<strong>de</strong>r Asoziale tituliert.<br />

Sie wur<strong>de</strong>n <strong>auf</strong> offener Straße beleidigt und bepöbelt. Es kam auch zu gewalttätigen<br />

Konflikten mit <strong>de</strong>r Rockabillyszene. Die Psychobillyszene war damals eine<br />

Jugendsubkultur, mit durchaus hohem Aggressionspotential, und so wur<strong>de</strong>n die Be-<br />

125


leidigungen und Angriffe häufig durch reaktive Gewalt geklärt. Die Psychobillies<br />

gingen keiner Schlägerei aus <strong>de</strong>m Weg und so hatten sie schnell <strong>de</strong>n Ruf als Schläger<br />

weg. Zu<strong>de</strong>m trauten sich kaum an<strong>de</strong>re Leute <strong>auf</strong> Psychobillykonzerte. Da die<br />

Psychobillies bei <strong>de</strong>n Konzerten unter sich blieben, konnten auch keine Vorurteile<br />

abgebaut wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m war auch die Psychobillyszene viel intoleranter als heute<br />

und so wur<strong>de</strong>n Konzertbesucher aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> min<strong>de</strong>stens kritisch betrachtet,<br />

wenn nicht gar angepöbelt o<strong>de</strong>r schl<strong>im</strong>meres.<br />

In <strong>de</strong>n 90er Jahren kam ein größerer Punkeinfluss in die Psychobillyszene und so<br />

wan<strong>de</strong>lten sich auch die Frisuren und die Musik. Der härtere und schnellere<br />

Psychobilly nennt sich Punkabilly. Dieser neue Einfluss gefiel vielen eingefleischten<br />

Meteors Fans (Wrecking Crew) nicht, und es kam zu einer Spaltung <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur. Die Wrecking Crew vertritt die Meinung, dass nur sie die echten<br />

Psychobillies sind und nur die Meteors puren Psychobilly spielen. Alle An<strong>de</strong>ren<br />

wer<strong>de</strong>n als Punks angesehen. In <strong>de</strong>n 90er Jahren eskalierte die Gewalt zwischen<br />

Meteorsanhängern und Punkabillies. Die Gewaltsituation wur<strong>de</strong> so drastisch, dass<br />

die Szene <strong>im</strong> Ruhrpott, Mitte <strong>de</strong>r 90er bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre, so gut wie „tot“ war,<br />

da sich keiner mehr <strong>auf</strong> die Konzerte traute.<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre wur<strong>de</strong> Psychobilly in <strong>de</strong>n USA populärer. Die neue Welle <strong>de</strong>r<br />

Begeisterung schwappte nach Europa zurück und es gab wie<strong>de</strong>r Psychobillykonzerte.<br />

Viele <strong>de</strong>r militanten Meteorsanhänger sind mittlerweile Familienväter und haben die<br />

40 überschritten. Die Psychobillyszene ist heute <strong>de</strong>finitiv keine Jugendsubkultur<br />

mehr. Mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter sind die Psychobillies <strong>de</strong>utlich friedlicher gewor<strong>de</strong>n.<br />

Die Szene ist allgemein auch toleranter gewor<strong>de</strong>n und hat sich <strong>auf</strong> für „normale“<br />

Leute und an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> geöffnet. Die alten Konflikte zwischen Meteorsfans<br />

und Demented Are Go Anhängern spielen bei <strong>de</strong>n jüngeren Psychobillies kaum eine<br />

Rolle und es wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Bands gehört. Bei einem Meteorskonzert kann es auch<br />

heute noch durchaus rau und hart zugehen, aber die Zeiten <strong>de</strong>r eskalieren<strong>de</strong>n Gewalt<br />

sind vorbei. Die Gesellschaft ist heute allgemein toleranter gewor<strong>de</strong>n, <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu <strong>de</strong>n 80er Jahren. Heute wer<strong>de</strong>n Psychobillies nicht ständig und überall angepöbelt<br />

und provoziert. Die jungen Psychobillies kommen in eine <strong>de</strong>utlich friedlichere und<br />

tolerante Psychobillysubkultur, als die Psychos <strong>de</strong>r 80er und 90er Jahre.<br />

3. Wie verhält es sich mit <strong>de</strong>m Geschlechterverhältnis in <strong>de</strong>r<br />

Psychobillysubkultur?<br />

126


Bei <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur han<strong>de</strong>lt es sich, wie bei vielen an<strong>de</strong>rn <strong>Subkulturen</strong><br />

auch, um eine männerdominierte Szene. Der Frauenanteil ist schwierig zu best<strong>im</strong>men,<br />

<strong>de</strong>nnoch kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass Frauen <strong>de</strong>utlich in <strong>de</strong>r Unterzahl sind.<br />

Es gibt Frauen, die über ihren Freund Psychobilly wer<strong>de</strong>n, und es gibt Frauen, die<br />

alleine <strong>auf</strong> die Subkultur <strong>auf</strong>merksam gewor<strong>de</strong>n sind. Die Psychobillyszene ist<br />

emanzipiert und die Frauen wer<strong>de</strong>n als gleichwertige Psychobillies akzeptiert. Die<br />

Frauen haben sich in <strong>de</strong>n 80er Jahren noch <strong>de</strong>utlich mehr <strong>im</strong> Hintergrund gehalten<br />

und sich auch optisch kaum von <strong>de</strong>n Männern unterschie<strong>de</strong>n. Sie trugen ebenfalls<br />

Bomberjacken, Flats und Domestosjeans. Heute ist das Outfit um einiges weiblicher<br />

und gewagter. Zu<strong>de</strong>m haben sich die Frauen auch von <strong>de</strong>n Frisuren und <strong>de</strong>n Klei<strong>de</strong>rn<br />

mehr an <strong>de</strong>r Rockabillyszene orientiert und sehen <strong>de</strong>utlich femininer aus. Die Frauen<br />

in <strong>de</strong>r Psychoszene agieren sehr selbstbewusst und schrecken auch nicht davor zurück,<br />

be<strong>im</strong> Wrecken mitzumachen. Zu<strong>de</strong>m haben die Frauen auch gute Partizipationsmöglichkeiten.<br />

So gibt es heute auch viele Psychobands, bei <strong>de</strong>nen Frauen mitspielen,<br />

o<strong>de</strong>r die nur aus Frauen bestehen. Das war in <strong>de</strong>n 80er Jahren <strong>de</strong>utlich seltener.<br />

So können die Frauen durch ihre Texte und ihre Musik die Subkultur maßgeblich<br />

mitbest<strong>im</strong>men und prägen. Die Frauen best<strong>im</strong>men die Szene also durchaus mit<br />

und können Psychobilly genau so verän<strong>de</strong>rn, wie die Männer.<br />

4. Gehört die Psychobillysubkultur zu <strong>de</strong>n Rockabillies o<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

eine autonome Szene?<br />

Die Psychobillies sind sich alle ihrer Rockabillywurzeln bewusst, doch sehen sie<br />

Psychobilly ganz klar als eigene Subkultur bzw. eigene Musikszene an. Rockabilly<br />

wird von einigen Interviewpartnern sehr gerne gehört. An<strong>de</strong>ren wie<strong>de</strong>rum ist Rockabilly<br />

zu langsam, zu langweilig, zu eingefahren und zu brav. Die Psychos haben einige<br />

Symbole <strong>de</strong>r Rockabillyszene übernommen, wie z.B. Spielkarten, Eightballs,<br />

Kirschen und Würfel, <strong>de</strong>nnoch sehen sich die Psychos als rebellischer, tätowierter,<br />

punkiger und aggressiver an. Zu<strong>de</strong>m haben sie mit <strong>de</strong>m Flat eine ganz eigene Frisur.<br />

Die Psychobillies schätzen <strong>de</strong>n Horrorkontext be<strong>im</strong> Psychobilly und haben <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

dass die Rockabillies an viel mehr Regeln gebun<strong>de</strong>n sind und <strong>im</strong>mer nur über<br />

dieselben Dinge singen. Auch die Musik wird als langweilig und wenig abwechslungsreich<br />

empfun<strong>de</strong>n. Psychobillies schätzen ganz beson<strong>de</strong>rs die Heterogenität<br />

<strong>de</strong>r vielen unterschiedlichen Psychobillybands, die <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r neue Stile miteinan<strong>de</strong>r<br />

vermischen. Zu<strong>de</strong>m lieben sie es, sich über moralische Grenzen<br />

127


hingwegzusetzen und zu provozieren. Psychobilly setzt sich viel mit Tabubrüchen,<br />

Fantastischem, Krassen, Abnormalen und Perversen auseinan<strong>de</strong>r und das fasziniert<br />

die Psychobillies. Das Böse was in <strong>de</strong>n Texten verarbeitet wird, sorgt für ein ganz<br />

beson<strong>de</strong>res Gänsehautfeeling, dass die Psychobillies <strong>im</strong> Rockabilly nicht fin<strong>de</strong>n.<br />

Während einige jüngere Psychobillies sich nicht sicher sind, ob sie auch in Zukunft<br />

Psychos sein wer<strong>de</strong>n, haben die 40 Jährigen für sich erkannt, dass Psychobilly ein<br />

eigener Lebensweg für sie ist. Hier wird Psychobilly teilweise schon als Ersatzreligion<br />

angesehen, ohne die nicht gelebt wer<strong>de</strong>n kann. Die Frisur, die Musik, die Wochenendbeschäftigungen,<br />

die Freundin, die Tätowierungen und <strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong>skreis: Alles<br />

hat mit Psychobilly zu tun. Psychobilly ist für Einige sehr wichtig und für An<strong>de</strong>re<br />

schon gera<strong>de</strong>zu existenziell. Ohne Psychobilly fehlt etwas <strong>im</strong> Leben. Zu<strong>de</strong>m kann<br />

man auch festhalten, dass die Psychobillyszene <strong>de</strong>utlich gealtert ist. Die Leute verän<strong>de</strong>rn<br />

teilweise ihr Outfit, weg vom Krassen, hin zu einem etwas alltagstauglicheren<br />

Look, während An<strong>de</strong>re, auch <strong>im</strong> Beruf ihren Psychobillystyle voll ausleben. Aber<br />

eins verbin<strong>de</strong>t all diese Leute. Sie besuchen <strong>im</strong>mer noch die Konzerte und die Festivals.<br />

Die Leute wer<strong>de</strong>n also alt in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur. Vielleicht sieht man es<br />

nicht allen Psychos an, doch bleiben viele Menschen, die die 40 überschritten haben,<br />

<strong>de</strong>r Subkultur treu. Die Psychobillysubkultur ist keine Jugendsubkultur. Die älteren<br />

Interviewpartner wer<strong>de</strong>n auch so lange Psychobillyaktivitäten nachgehen, solange es<br />

ihnen die Gesundheit erlaubt. Während an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong> ständig in Verän<strong>de</strong>rung<br />

sind, wie z.B. die Punkszene, kann man bei Psychobilly und <strong>de</strong>m Publikum eine gewisse<br />

Stabilität beobachten, weil die Leute Psychobilly auch <strong>im</strong> höheren Lebensalter<br />

treu bleiben. Das sticht bei Psychobilly <strong>im</strong> Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> auch<br />

ganz klar heraus. Wobei zu bemerken ist, dass es durchaus auch Skinheads und<br />

Punks gibt, die über 40 Jahre alt sind.<br />

5. Wie ist das Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>?<br />

Während in <strong>de</strong>n 80er Jahren das Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> äußerst angespannt<br />

war, hat sich die Situation heute grundlegend verbessert. Es gibt heute keine<br />

Straßenschlachten mehr mit <strong>de</strong>r Punk- o<strong>de</strong>r Rockabillysubkultur. Psychobillybands<br />

spielen heute <strong>auf</strong> Festivals mit Ska-, Punk-, Rockabilly-, Hardcore-, und Skinbands<br />

zusammen. Die Psychobillies sind <strong>de</strong>utlich toleranter und offener gewor<strong>de</strong>n, und so<br />

ist auch das Publikum bei Psychobillykonzerten <strong>de</strong>utlich heterogener gewor<strong>de</strong>n. Reine<br />

Psychobillykonzerte sind <strong>de</strong>utlich seltener gewor<strong>de</strong>n und so trifft man heute <strong>auf</strong><br />

128


<strong>de</strong>n Konzerten Anhänger diverser <strong>Subkulturen</strong> und auch „normale“ Leute an. Was<br />

bei <strong>de</strong>r Psychobillyszene sehr <strong>auf</strong>fällig ist, ist die Beobachtung, dass die meisten<br />

Leute, aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong> zum Psychobilly gekommen sind. So kommen alle<br />

meine Interviewpartner aus an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>, bzw. hatten Affinitäten zu best<strong>im</strong>mten<br />

Szenen (wie z.B. K., <strong>de</strong>r zwar so gesehen kein Rockabilly war, aber großes<br />

Interesse an dieser Szene hatte).<br />

Mittlerweile gibt es auch Psychobillybands, die weit über die Psychobillysubkultur<br />

hinaus bekannt sind, wie z.B. Tiger Army und Mad Sin. Diese Bands spielen <strong>auf</strong><br />

allen möglichen Festivals, mit <strong>de</strong>n diversesten Interpreten aus <strong>de</strong>n unterschiedlichsten<br />

Musikrichtungen zusammen und verhelfen Psychobilly zu einer größeren Popularität.<br />

Die Psychobillies sind, wie oben schon beschrieben, <strong>de</strong>utlich toleranter gewor<strong>de</strong>n<br />

und schätzen es, dass es Figurationen zwischen Psychobilly und an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong><br />

gibt. Gera<strong>de</strong> die jüngeren Psychos schätzen <strong>de</strong>n friedlichen Zusammenhalt <strong>de</strong>s<br />

Untergrun<strong>de</strong>s. Allerdings hört bei einigen Psychobillies die Toleranz bei eher szenefernen<br />

Gruppierungen <strong>auf</strong>, wie z.B. <strong>de</strong>n Hip-Hoppern. Allerdings gibt es auch Psychos,<br />

die auch bei Hip Hop sehr tolerant sind. Auch <strong>im</strong> Freun<strong>de</strong>skreis <strong>de</strong>r<br />

Psychobillies fin<strong>de</strong>t man oft Anhänger von diversen an<strong>de</strong>ren <strong>Subkulturen</strong>.<br />

6. Was be<strong>de</strong>utet Spaß in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur?<br />

Der Spaß in <strong>de</strong>r Psychobillysubkultur setzt sich aus <strong>de</strong>n diversesten Faktoren zusammen.<br />

Zum einen gibt es, genau wie bei <strong>de</strong>n Punks und Skinheads, gewisse Rituale.<br />

Zu <strong>de</strong>n Ritualen in <strong>de</strong>r Psychoszene zählen das Trinken von Alkohol vor Konzerten<br />

und Festivals. Vor <strong>de</strong>r Bühne wird dann <strong>de</strong>r Tanz <strong>de</strong>r Psychobillies, das<br />

„Wrecking“ zelebriert. Das „Wrecking“ lässt sich mit Pogo <strong>de</strong>r Punks und Skins vergleichen.<br />

Viele Psychos trinken auch während und nach <strong>de</strong>m Konzert exzessiv weiter.<br />

Einige Psychos konsumieren auch <strong>auf</strong>puschen<strong>de</strong> Drogen wie Speed und Kokain.<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich allerdings um eine Min<strong>de</strong>rheit. Die Hauptdroge <strong>de</strong>r<br />

Psychobillies ist Alkohol. Neben <strong>de</strong>n Ritualen ist die Musik ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

Spaßfaktor. Psychobilly ist meist recht anspruchsvolle, schnelle, verrückte Musik<br />

und setzt sich aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten musikalischen Einflüssen zusammen. Bei<br />

Psychobilly gibt es keine einschränken<strong>de</strong>n Regeln. Je<strong>de</strong> Band ihren eigenen Stil.<br />

Diese Heterogenität in <strong>de</strong>r Musik wird sehr geschätzt, da sich eine große Vielfalt in<br />

<strong>de</strong>r Psychobillymusik fin<strong>de</strong>n lässt, die keine Langeweile <strong>auf</strong>kommen lässt. Die Texte<br />

von Psychobilly sind verrückt, provozierend, grenzüberschreitend und gewagt. Die<br />

129


düstere Seite <strong>de</strong>s Lebens und Horror sind sehr gängige Themen. Allerdings gibt es,<br />

wie bereits erwähnt, keine Regeln, und so wird über alles Mögliche gesungen. Ob es<br />

sich um Serienmör<strong>de</strong>r, Drogenkonsum, exzessives Trinken, Sex, Sado-Maso, Inzest,<br />

Nekrophilie, Wahnsinn, <strong>de</strong>n Tod, die Hölle o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Teufel dreht, es geht in erster<br />

Linie darum, über etwas zu singen, was von <strong>de</strong>r Gesellschaft als verrückt o<strong>de</strong>r ungewöhnlich<br />

angesehen wird. Die Psychobillysubkultur liebt die Provokation und das<br />

Spielen mit <strong>de</strong>m Entarteten. Dabei wird auch nicht groß über die Texte refklektiert,<br />

da die Psychobillies sich selber meistens nicht all zu ernst nehmen. Was <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund<br />

steht, ist <strong>de</strong>r Spaß an Dingen, die nicht normal sind, son<strong>de</strong>rn verrückt. Großen<br />

Einfluss <strong>auf</strong> die Texte nehmen Horrorfilme. Die meisten Psychobillies lieben<br />

Horrofilme, Splatterfilme und B-Movies. Viele Texte drehen sich um Horrorfilme<br />

o<strong>de</strong>r um die Protagonisten aus diesen, wie z.B. Freddy Krueger o<strong>de</strong>r Michael Myers.<br />

Allgemein üben Horrorfilme eine große Faszination <strong>auf</strong> die Psychoszene aus. Sehr<br />

viele Texte han<strong>de</strong>ln von Horror, Außerirdischen, Vampiren, Zombies, Untoten,<br />

Monstern und Mutanten. Diese Affinität zum Horror sticht be<strong>im</strong> Psychobilly ganz<br />

klar heraus. Wärhrend <strong>de</strong>r Tod ein Tabuthema in unserer Gesellschaft ist, gibt es<br />

kaum einen Meteorstext, <strong>de</strong>r sich nicht mit <strong>de</strong>m Tod beschäftigt. Vielleicht setzen<br />

sich Psychobillies mehr mit <strong>de</strong>m Tod auseinan<strong>de</strong>r als an<strong>de</strong>re Leute, da auch ihr Lebensstil<br />

sehr exzessiv ist und mehr für <strong>de</strong>n Moment als für die Zukunft gelebt wird.<br />

Zu<strong>de</strong>m könnte eine Faszination für Gewalt ein Grund für die vielen Horrortexte sein.<br />

An<strong>de</strong>rerseits könnten auch Aggressionen, die durch ungerechte gesellschaftliche<br />

Rahmenbedingungen entstehen, durch die Horrortexte ausgelebt wer<strong>de</strong>n. Genau wie<br />

be<strong>im</strong> Wrecken. Ein weiter Spaßfaktor, <strong>de</strong>r Psychobilly so reizvoll macht, ist die Exklusivität<br />

von Psychobilly. Obwohl es Psychobilly schon seit dreißig Jahren gibt, ist<br />

diese Musikrichtung und die Subkultur ziemlich unbekannt. Während an<strong>de</strong>re <strong>Subkulturen</strong><br />

<strong>im</strong>mer mehr kommerziell ausgeschlachtet wer<strong>de</strong>n, kann sich Psychobilly seinen<br />

Un<strong>de</strong>rgroundcharme noch <strong>im</strong>mer bewahren. Das übt <strong>auf</strong> viele Psychobillies einen<br />

starken Reiz aus. Man ist Teil von etwas Beson<strong>de</strong>rem, was nicht je<strong>de</strong>r kennt und<br />

was nicht sofort zugeordnet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer wichtiger Faktor <strong>de</strong>r Psychobilly sehr reizvoll macht, sind die Kontakte<br />

die sich während <strong>de</strong>r Konzerte und Festivals ergeben. Zu großen Konzerten und Festivals<br />

kommen Leute aus ganz Deutschland und teilweise sogar aus ganz Europa. So<br />

ist z.B. <strong>de</strong>r Satanic Stomp eins <strong>de</strong>r größten Psychobillyfestivals weltweit. So ergeben<br />

sich während dieser Meetings Kontakte nach ganz Deutschland und Europa. Das<br />

130


empfin<strong>de</strong>n viele Leute als spannend und <strong>auf</strong>regend. Viele Psychos lieben es, Gleichgesinnte<br />

aus <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Län<strong>de</strong>rn kennenzulernen. Da die Psychoszene<br />

sehr treu ist, sehen sich viele Leute einmal <strong>im</strong> Jahr <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n großen Festivals und da<br />

ist die Wie<strong>de</strong>rsehensfreu<strong>de</strong> <strong>de</strong>mentsprechend groß.<br />

131


132


.<br />

.<br />

133

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!