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Sonderschule der Ästhetik:<br />

Enke<br />

Dass sich ein Mann aufgrund von<br />

Depressionen das Leben nimmt ist tragisch.<br />

In einem Sinne <strong>als</strong> allgemeine Beschreibung<br />

des Vorganges, in einem anderen,<br />

wesentlich unmittelbareren jedoch für die<br />

Hinterbliebenen. Deren Trauer mag ein<br />

gewisses abstraktes Mitgefühl hervorrufen,<br />

geht letztendlich aber niemanden außerhalb<br />

ihres unmittelbaren Umfeldes etwas an.<br />

Umso widerlicher das Spektakel, welches<br />

letzten Monat um den Freitod des Torwarts<br />

Robert Enke veranstaltet wurde.<br />

Spontane Bekundungen des Mitgefühls<br />

seitens der Fans sind die eine Sache, die Art<br />

und Weise der Berichterstattung – und zwar<br />

bezeichnenderweise wieder einmal nicht nur<br />

der üblichen Verdächtigen vom Boulevard –<br />

eine gänzlich andere.<br />

Selbstmorde aufgrund schwerer Depression<br />

sind keine Seltenheit. Dass die Krankheit<br />

in vielen Kontexten <strong>als</strong> solche nicht ernst<br />

genommen wird ist ein gesellschaftliches<br />

Problem, welches schon viel früher<br />

mediales Interesse verdient hätte. Doch<br />

warum ausgerechnet in diesem Fall<br />

solch ein unwürdiges Theater inklusive<br />

28<br />

ZeitGeist<br />

ausführlicher Berichterstattung in<br />

vorgeblich seriösen, gebührenfinanzierten<br />

Nachrichtensendungen, öffentlichem<br />

Vorführen der Ehefrau und live<br />

Übertragungen der Trauerfeier? Sicher,<br />

der Tote gilt <strong>als</strong> Person öffentlichen<br />

Interesses, was aber soll dieser läppische<br />

Begriff eigentlich bezeichnen? Ich für<br />

meinen Teil habe mich jedenfalls nicht für<br />

Robert Enke interessiert und bezweifle,<br />

dass es, abgesehen von einer kleinen<br />

Gruppe Fußballfans, sonst jemand tat.<br />

Doch die Deutungshoheit in solchen<br />

Fällen liegt bekanntlich in den Händen<br />

anderer Instanzen journalistischer<br />

und juristischer Art. Was selbstredend<br />

fragwürdige Ergebnisse nicht ausschließt,<br />

offensichtlich eher sogar begünstigt.<br />

Von solchen semantischen Diskussionen<br />

gänzlich unberührt bleibt ohnehin die Frage,<br />

inwieweit im journalistischen Umgang mit<br />

öffentlichen Personen jede Hirnverbranntheit<br />

gestattet ist.<br />

<strong>Die</strong> Tatsache, dass erneut keiner der<br />

prinzipiellen medialen Akteure auch nur<br />

in irgendeiner Form Druck verspürt, sich<br />

zu rechtfertigen, weißt letztendlich auf die<br />

wahre, weit über Fragen journalistischer<br />

Standards hinausgehende, Dimension<br />

des Phänomens hin. Nicht von ungefähr<br />

fällt es schwer, dem alten, zynischen<br />

Argument: "Wir geben den Leuten doch<br />

nur, was sie sehen/lesen wollen" die<br />

Gültigkeit abzusprechen. Und da kommen<br />

dann eben doch auch die trauernden<br />

Fans wieder ins Spiel. Denn in wie weit<br />

kann das, was hier vorgeblich <strong>als</strong> Trauer<br />

und Anteilnahme daherkommt, unter<br />

Bedingungen der medialen Gesellschaft<br />

des Spektakels noch <strong>als</strong> tatsächlich durch<br />

spontane, tief empfundene Emotionen<br />

motiviert und nicht bloßer Teil einer<br />

industriellen Betroffenheitmaschinerie, die<br />

den kollektiven Rausch an der eigenen<br />

Fähigkeit zur Sentimentalität verkauft, ernst<br />

genommen werden? Michael Jackson,<br />

Robert Enke, Mauerfall... – Simulacra und<br />

Simulation.<br />

Felix Grosser<br />

Philharmonie Lunchkonzert<br />

Donnerstagmorgen. <strong>Die</strong> letzte Nacht war einfach zu lang und die Musik zu gut. Arbeiten? Nicht dran zu denken. Uni? Ab Montag wieder. Am<br />

besten <strong>als</strong>o den Tag wieder mit Musik beginnen, in der Philharmonie. Dort ist es zwar um ein paar Glühbirnen heller, <strong>als</strong> es einem lieb und man<br />

es von anderen Konzerthallen her gewohnt ist, aber schließlich geht’s hier ja auch nicht ums Auge, sondern eher um was-auf-die-Ohren. <strong>Die</strong><br />

Philharmonie bietet seit ein paar Jahren immer donnerstags um 12.30 Uhr das halbstündige Lunchkonzert zusammen mit der Gelegenheit,<br />

völlig umsonst auf die normalerweise in so unerreichbarer Ferne erscheinenden ersten Reihen vorzurücken und sich ein breites Lächeln in<br />

seiner Tupperdose mit nach Hause zu nehmen. <strong>Die</strong> restlichen Promille werden dann erst vom WDR-Sinfonieorchester zu nieder gestrichen,<br />

damit man beim nächsten Mal den Kopf frei hat, um sich beispielsweise bei der Generalprobe zu Verdis Requiem von den zwei Chören,<br />

Sinfonieorchester und den vier argwöhnisch dreinblickenden Solisten in andere Sphären spielen und singen zu lassen, von denen selbst der<br />

allbekannte rosa Elefant noch träumt.<br />

Vera Hölscher<br />

Weihnachtsmarkt am Neumarkt<br />

Oh du seelige<br />

Adventszeit! Es ist<br />

bereits dunkel <strong>als</strong> du die Uni<br />

verlässt. Ein kalter Wind weht um<br />

deine Ohren und womöglich fallen bereits<br />

erste Schneeflocken. <strong>Die</strong> Stadt ist weihnachtlich<br />

geschmückt, hinter<br />

Fenstern siehst du zwar<br />

noch keine Christbaumspitzen,<br />

aber zumindest diese blinkenden Dinger,<br />

hier und da sogar einen echten Adventskranz,<br />

blitzen. Doch irgendwie reicht all das, so schön es<br />

auch sein mag, noch nicht ganz aus, das Frösteln aus<br />

deinem Herzen zu vertreiben. Klarer Fall von Prä-Nataler Depression.<br />

Doch nicht verzagen, es gibt einen Ausweg. Was du nun brauchst sind ein<br />

paar Freunde, lustige Buden mit<br />

überteuertem Ramsch, eine Curry<br />

Wurst mit Pommes und vor allem: Glühwein.<br />

Viel. Mit Schuß. Du brauchst: Weihnachstmarkt.<br />

Aber nicht das überrannte, unübersichtliche Riesending<br />

am Dom. Viel zu Mainstream. Nur vier Stationen von der Uni<br />

entfernt befindet sich wesentlich schnuckeliger und übersichtlicher<br />

die wahre Oase vorweihnachtlicher Besinnlichkeit. Der Weihnachtsmarkt<br />

am Neumarkt. Zur Wahrung deines Seelenheils auch in harten Zeiten hiermit von<br />

der Zeitgeist Redaktion wärmstens empfohlen.<br />

Felix Grosser<br />

ZeitGeist 29

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