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KALEIDOSKOP 2009 - Weltbuch Verlag

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wirtschaftliche Entwicklungen verlaufen<br />

in Schüben: Regionen erstarken, erleben ihre<br />

Blüte und erleiden schwere Struktureinbrüche,<br />

wenn die sie treibenden Technologien an<br />

Gestaltungskraft verlieren. Der mitteldeutsche<br />

Technologieschub wurde jäh mit dem zweiten<br />

weltkrieg und der zerstörung der technologischen<br />

Potentiale durch den real existierenden<br />

Sozialismus unterbrochen. Viele Potentiale des<br />

mitteldeutschen Industrieraums fanden später<br />

Anknüpfungspunkte im westen durch Flucht<br />

und Vertreibung. Vor allem der süddeutsche<br />

und der südwestdeutsche wirtschaftsraum wurden<br />

hierdurch massiv aufgewertet. zwischen<br />

2,5 und 4 Millionen Menschen, die überdurchschnittlich<br />

jung (¾ jünger als 45, die hälfte<br />

jünger als 25 Jahre) und überdurchschnittlich<br />

gut ausgebildet waren, verließen nach dem<br />

zweiten weltkrieg das Land. Der wirtschaftliche<br />

Erfolg des westens ist, überspitzt gesagt,<br />

auch der Tatsache geschuldet, daß er bei einer<br />

Bevölkerung von 62 Millionen Menschen die Elite<br />

von rund 80 Millionen Menschen besaß.<br />

Mit dem Auslaufen des westdeutschland<br />

zunächst im Aufbau treibenden und auch finanzierenden<br />

Industriebooms entlang von Rhein und<br />

MARKETING-CLUB DRESDEN E.V.<br />

60 JAhrE DEutSchLAnD<br />

Auferstanden aus ruinen...<br />

Der Beitrag der neuen Länder im<br />

wiedervereinigten Deutschland<br />

Prof. Dr. rer. pol. habil. Ulrich Blum<br />

in Zusammarbeit mit Jutta Günther<br />

Institut für Wirtschaftsforschung<br />

Halle/Saale<br />

Ruhr verschoben sich die wachstumszentren ab<br />

Mitte der zweiten hälfte des letzten Jahrhunderts<br />

in den Süden. Treibende Branchen wurden die<br />

Elektrotechnik und Elektronik, der Kraftwerksbau,<br />

die Medizin- und Meßtechnik und vor allem der<br />

Fahrzeugbau – von Autos bis zu Flugzeugen und<br />

Satteliten.<br />

Mit der wende kam es zu einer erheblichen<br />

Ost-west-Bevölkerungsverschiebung. Rund 4,3<br />

Mio. Menschen zog es aus dem Osten in den<br />

westen, rund 2,6 Mio. migrieren in umgekehrte<br />

Richtung. Per Saldo waren es vor allem jüngere,<br />

hochqualifizierte und auch Frauen, die damit<br />

das humankapital und die Bevölkerungsstruktur<br />

des westens stärkten. Letztlich ist der Boom der<br />

vergangenen Jahre vor allem im exportorientierten<br />

Süden des Landes in nicht unerheblichem<br />

Maße dieser Migration zu danken, ohne die der<br />

Fachkräftemangel die Expansion schnell zum<br />

Erliegen gebracht hätte.<br />

Bisher konnte der Osten nicht wirklich an seine<br />

früheren Erfolge anknüpfen. zwar zählen die<br />

Produktionsstätten zu den modernsten der<br />

welt, aber große Unternehmen – insbesondere<br />

Unternehmenszentralen mit strategischen<br />

Funktionen – haben sich bisher nicht entwickelt<br />

und sind auch nicht in die neuen Länder gezogen.<br />

Ostdeutschland zählt zwar mehr Unternehmen<br />

pro Einwohner als westdeutschland, aber deren<br />

Größe ist deutlich geringer. Man spricht von<br />

einem kleinteiligen Unternehmensbesatz. Nur<br />

knapp 17% der ostdeutschen Unternehmen weisen<br />

einen Umsatz von 250 Mio. Euro und mehr aus,<br />

im westen liegt der Anteil bei knapp der hälfte.<br />

Von den 100 größten Unternehmen Deutschlands<br />

hat keines seinen Sitz im Osten Deutschlands<br />

und damit auch keines der DAX-Unternehmen.<br />

wenn rund 30% der wirtschaftsleistung eines<br />

Unternehmens im Konzernsitz, also bei den<br />

zentralen Führungsfunktionen liegt, und diese<br />

zu mehr als 50% anteilig unterrepräsentiert<br />

sind, dann kann man nicht erwarten, daß die<br />

wirtschaftsleistung pro Kopf auf mehr als 80%<br />

des westens ansteigt. Das Fehlen gutverdienenden<br />

Führungspersonals hat auch konkrete<br />

Folgen für die urbane Struktur, weil qualitativ<br />

hochwertige Leistungsangebote fehlen, besonders<br />

im Einzelhandel. Das wiederum beschränkt<br />

in erheblichem Maße das Berufsspektrum im<br />

Dienstleistungsbereich. Damit bleibt, wie die<br />

Darstellung der Entwicklung der letzten 75 Jahre<br />

zeigt, die Entwicklung des Ostens hinter der des<br />

westens.<br />

Erst mit dem Aufbau einer eigenständigen<br />

Systemkompetenz, d.h. der Fähigkeit, komplexe<br />

Nachfrageanforderungen, beispielsweise<br />

im Anlagenbau, aus Ostdeutschland heraus<br />

zumindest in erheblichem Maße zu befriedigen,<br />

statt einer starken Vorleistungsorientierung<br />

anzuhängen, wird der Osten Deutschlands an<br />

seine historischen Erfolge anknüpfen können.<br />

Entsprechende Felder sind besonders im Bereich<br />

bestimmter „converging technologies“ zu sehen,<br />

an vorderster Stelle in der Umwelttechnologie.<br />

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