Bote aus der Buckligen Welt Februar 2022 - Nr. 230
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Aus <strong>der</strong> Topothek: Die ehem. Tankstelle in Hochneukirchen im Dezember 1978 (links) und die erste Hutwischwarte um 1900 (rechts)<br />
Fotos: Markus Wieser (2), Waltraud Sinawehl<br />
Topothek: Geschichte digitalisiert<br />
Mit <strong>der</strong> Topothek werden historische<br />
Gemeinde-Aufnahmen<br />
digitalisiert und damit leichter<br />
zugänglich gemacht, um nicht<br />
in Vergessenheit zu geraten.<br />
Jüngstes Beispiel ist die Gemeinde<br />
Hochneukirchen-Gschaidt.<br />
Die erste Hutwischwarte um<br />
1900, das Dobler-Kreuz in Züggen<br />
im tief verschneiten <strong>Februar</strong><br />
1988, die Kirchturmsanierung<br />
1983 o<strong>der</strong> alte Schulfotos <strong>aus</strong><br />
den 1930er-Jahren – all das ist<br />
wichtiger Teil <strong>der</strong> Gemeindegeschichte<br />
von Hochneukirchen-<br />
Gschaidt. Das Wissen darüber<br />
bewahren im Ort bislang wenige<br />
Menschen, allen voran Markus<br />
Wieser. Jetzt erhält auch eine<br />
breite Öffentlichkeit Zugang zu<br />
den Bil<strong>der</strong>n dieser Geschichte.<br />
Möglich macht das die Topothek,<br />
die sich im Laufe <strong>der</strong> vergangenen<br />
zehn Jahre zu dem<br />
regionalhistorischen Nachschlagewerk<br />
für die Sicherung und<br />
Sichtbarmachung von privatem,<br />
aber zugleich historischem Material<br />
entwickelt hat. Gegründet<br />
wurde die Plattform von dem in<br />
Katzelsdorf lebenden Alexan<strong>der</strong><br />
Schatek im Jahr 2010, als er<br />
selbst versuchte, private Aufnahmen<br />
nachhaltig zu digitalisieren.<br />
Ein Freund half ihm beim<br />
Programmieren <strong>der</strong> Plattform,<br />
auf <strong>der</strong> heute Gemeinden gegen<br />
einen kleinen Jahresbetrag<br />
ihre historischen Bil<strong>der</strong> sichern<br />
können.<br />
Alexan<strong>der</strong> Schatek<br />
Wir denken in Bil<strong>der</strong>n<br />
Das Geheimnis <strong>der</strong> Topothek<br />
ist die sogenannte Verschlagwortung;<br />
Schatek erklärt: „Der<br />
suchende Mensch denkt immer<br />
in Bil<strong>der</strong>n und nicht in Begriffen.“<br />
Dieser Gedanke sei <strong>aus</strong>schlaggebend<br />
für die Entstehung <strong>der</strong><br />
Topothek gewesen, „Die Topothek<br />
ermöglicht es jedem und<br />
je<strong>der</strong>, diese Bil<strong>der</strong> leicht zu finden“,<br />
meint <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>.<br />
In den teilnehmenden Gemeinden<br />
sind eigene Topothekare<br />
für die Digitalisierung <strong>der</strong><br />
ortshistorischen Bil<strong>der</strong> verantwortlich.<br />
In Hochneukirchen-<br />
Gschaidt hat sich beispielsweise<br />
ein kleines Team gefunden.<br />
Ernst Osterbauer, Karl Lackner,<br />
Rudolf Milchrahm, Edith Wieser-<br />
Mayrhofer, Frie<strong>der</strong>ike Gamperl,<br />
Tobias Höller und kurzfristig<br />
auch die Ferialpraktikantin am<br />
Gemeindeamt, Nina Bin<strong>der</strong>,<br />
halfen tatkräftig mit, Markus<br />
Wiesers Fotos, Nie<strong>der</strong>schriften,<br />
Handwerksobjekte o<strong>der</strong> auch<br />
eine Insektensammlung für den<br />
Start <strong>der</strong> Topothek zu digitalisieren.<br />
Wie in Hochneukirchen-<br />
Gschaidt gilt aber auch in an<strong>der</strong>en<br />
Gemeinden, die eine Topothek<br />
haben – beispielsweise<br />
Lanzenkirchen, Katzelsdorf o<strong>der</strong><br />
Bad Erlach – dass die Mithilfe<br />
aller Bürgerinnen und Bürger<br />
gefragt und gewollt ist. Wo historisches<br />
Material vorhanden<br />
ist, können Topothekare informiert<br />
werden. Das Material wird<br />
digitalisiert und so für die Nachwelt<br />
gesichert. Dadurch erhält<br />
das Aufbereiten <strong>der</strong> Topothek-<br />
Inhalte auch einen interessanten<br />
sozialen Aspekt. Vielfach kommen<br />
so Menschen miteinan<strong>der</strong><br />
in Kontakt, die sonst vielleicht<br />
nicht ins Gespräch kommen<br />
würden – gleichzeitig wird <strong>der</strong><br />
Informations<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch angeregt<br />
und wertvolles Wissen weitergegeben.<br />
Bildungsprojekt<br />
Für Schatek ist „seine“ Topothek<br />
nicht zuletzt deshalb<br />
ein „längst notwendiges Bildungsprojekt“.<br />
Und apropos<br />
Bildung: Zwar hat die Plattform<br />
insgesamt mittlerweile mehr<br />
als eine Million Einträge in den<br />
Orts-Topotheken <strong>aus</strong> Österreich<br />
(hauptsächlich Nie<strong>der</strong>österreich)<br />
und auch dem<br />
Ausland – am Ziel sieht sich<br />
Schatek aber noch lange nicht.<br />
Die Zukunftsvision des Katzelsdorfers?<br />
„Mir würden vor allem<br />
Workshops in Schulen sehr gut<br />
gefallen, da ich es wichtig finde,<br />
junge Menschen für das Thema<br />
Geschichte zu sensibilisieren.“<br />
Die Topothek sieht er als Werkzeug,<br />
das durch<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Lebensrealtität<br />
heutiger Jugendlicher<br />
entspricht. „Was unsere Lehrer<br />
uns früher in Form eines Rundgangs<br />
im Ort zeigten, könnte<br />
heute die Topothek leisten“,<br />
meint Schatek.<br />
In den Topotheken finden sich<br />
nämlich nicht nur alte Bil<strong>der</strong>,<br />
son<strong>der</strong>n auch Dokumentationen<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Gegenwart. Das Ortsbild<br />
von heute, Festveranstaltungen,<br />
Corona-Maßnahmen<br />
und vieles mehr finden ihren<br />
Platz, um das Gemeindeleben<br />
im Laufe <strong>der</strong> Zeit zu dokumentieren.<br />
Schatek ist überzeugt:<br />
„Die Bil<strong>der</strong> von heute erzählen<br />
die Geschichte von morgen“.<br />
Victoria Schmidt<br />
12 <strong>Bote</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | <strong>Februar</strong> <strong>2022</strong>