28.01.2022 Aufrufe

Bote aus der Buckligen Welt Februar 2022 - Nr. 230

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gerald Hofer und Reinhard Ritter an <strong>der</strong> Hoanzlbank – neuestes Projekt: die Nutschindeln, die hauptsächlich hier in Nie<strong>der</strong>österreich gefertigt<br />

werden; Gerald Hofer fertigt auch Brunnentröge, Holzdachrinnen, steirische Weidezäune, alte Kastenfenster u. v. m. / Fotos: Egerer (6), Ritter (2)<br />

Altes Handwerk – neu entdeckt<br />

In Aigen bei Kirchschlag, dort<br />

wo sich Fuchs und Hase gute<br />

Nacht sagen und wo man bei<br />

Winterstürmen bald einmal zugeweht<br />

werden kann, haben Gerald<br />

Hofer und Reinhard Ritter ihre<br />

„Schindel-Werkstatt“. War es früher<br />

gang und gäbe, sein Heim mit<br />

Schindeln zu decken, beherrscht<br />

heute kaum noch jemand diese<br />

alte Handwerkskunst. Mit ihren<br />

„Nutschindeln“ sind sie zurzeit<br />

sogar wahrscheinlich die einzigen<br />

Erzeuger in Österreich.<br />

Reinhard Ritter kommt <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> Maschinenbaubranche,<br />

Gerald Hofer ist gelernter Tischler.<br />

Beide haben auch noch an<strong>der</strong>e<br />

Jobs, doch seitdem sie<br />

2012 ganz klein angefangen<br />

haben, Schindeln von Hand zu<br />

fertigen, haben sie mittlerweile<br />

eine so gute Auftragslage, dass<br />

<strong>der</strong> Winter zu kurz wird, um all<br />

die Schindeln zu fertigen.<br />

Wie alles begann<br />

Der Bru<strong>der</strong> von Gerald Hofer<br />

ist Förster in Nasswald und<br />

auch dieser interessierte sich<br />

für den Schindelbau. So absolvierten<br />

Reinhard Ritter und<br />

er den ersten Kurs in Sachen<br />

Schindel-Anfertigung.<br />

Vom Baum zur Schindel<br />

Viele Arbeitsschritte und viel<br />

Vorlaufzeit sind notwendig, bevor<br />

man die fertigen Schindeln<br />

in Händen halten kann. „Da ist<br />

zuerst einmal wichtig, dass <strong>der</strong><br />

Baum dafür astfrei ist, einen<br />

geraden Wuchs, feine Jahresringe<br />

und einen zentralen Kern<br />

aufweist“, so Ritter. „Wir suchen<br />

uns mittlerweile unsere Bäume<br />

selbst <strong>aus</strong>, bevor diese bei abnehmendem<br />

Mond im Winter<br />

gefällt werden“, ergänzt Hofer.<br />

Wichtig ist beiden, dass das<br />

Holz <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Region kommt;<br />

vorwiegend wird Lärchenholz,<br />

aber auch das Holz von Tanne<br />

o<strong>der</strong> Fichte verwendet. Danach<br />

werden vom Stamm dicke Platten<br />

(40 bis 50cm) heruntergeschnitten.<br />

Diese werden zuerst<br />

grob wie „Tortenstücke“ gekloben,<br />

<strong>aus</strong> denen schließlich kleine<br />

flache Schindeln gefertigt<br />

werden; dann werden sie auf <strong>der</strong><br />

„Hoanzelbank“ geputzt und die<br />

Tropfkante gefertigt, bevor sie<br />

mindestens ein Jahr trocknen.<br />

Erst danach werden diese zu<br />

Schar- o<strong>der</strong> neuerdings auch zu<br />

Nutschindeln, fast <strong>aus</strong>schließlich<br />

in Handarbeit. „Natürlich<br />

haben wir uns mittlerweile ein<br />

paar maschinelle Hilfsmittel<br />

gebastelt, sonst kämen wir gar<br />

nicht nach und die Schindeln<br />

werden zu teuer“, so Ritter.<br />

70 bis 80 Schindeln sind für<br />

einen Quadratmeter fertige<br />

Deckung notwendig, da sie ja<br />

dreifach gedeckt werden.<br />

„Das Beson<strong>der</strong>e an den Nutschindeln<br />

ist, dass die Nut mit<br />

einem ,Niereisen’, welches früher<br />

fast in jedem Bauernh<strong>aus</strong><br />

zu finden war, auf <strong>der</strong> ‚Hoanzelbank‘<br />

mit einer entsprechenden,<br />

ebenfalls selbst gemachten Vorrichtung<br />

eingebracht wird“, erzählt<br />

Hofer. „Wir halten uns da<br />

immer an die alten Vorlagen, bei<br />

den Maschinen ebenso wie bei<br />

den Schindeln.“<br />

Nachhaltiger B<strong>aus</strong>toff<br />

„Die Scharschindeln werden<br />

in Dreifachdeckung für Dächer<br />

o<strong>der</strong> in Zweifachdeckung für<br />

Wandfassaden verwendet“,<br />

so Ritter. Die Nutschindeln<br />

werden in Zweifachdeckung<br />

hauptsächlich für denkmalgeschützte<br />

Bauwerke eingesetzt.<br />

Naturbelassen<br />

„Wir haben uns für das Schindelmachen<br />

entschieden, weil<br />

Schindeln uns gut gefallen, weil<br />

Holz ein ökologischer B<strong>aus</strong>toff<br />

ist, die Schindeln ein geringes<br />

Gewicht aufweisen, aber auch<br />

sturm- und hagelsicher sind.<br />

Man darf sie aber auf keinen<br />

Fall streichen o<strong>der</strong> sie sonst<br />

irgendwie behandeln“, sind<br />

sich beide einig. „Je größer die<br />

Dachneigung, umso länger die<br />

Lebensdauer. Man könnte sagen,<br />

<strong>der</strong> Winkel des Daches ist<br />

gleichzusetzen mit den Jahren:<br />

Also würde ein 45-Grad-Dach<br />

45 Jahre halten“, weiß Ritter.<br />

In <strong>der</strong> altbewährten Technik<br />

haben die beiden schon Schindeln<br />

für die Schweiz, Oberösterreich,<br />

die Steiermark, Wien und<br />

für ihre Heimat Nie<strong>der</strong>österreich<br />

gefertigt. „Das ist uns am liebsten“,<br />

schmunzeln die beiden.<br />

Karin Egerer<br />

18 <strong>Bote</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | <strong>Februar</strong> <strong>2022</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!