Bote aus der Buckligen Welt Februar 2022 - Nr. 230
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Gerald Hofer und Reinhard Ritter an <strong>der</strong> Hoanzlbank – neuestes Projekt: die Nutschindeln, die hauptsächlich hier in Nie<strong>der</strong>österreich gefertigt<br />
werden; Gerald Hofer fertigt auch Brunnentröge, Holzdachrinnen, steirische Weidezäune, alte Kastenfenster u. v. m. / Fotos: Egerer (6), Ritter (2)<br />
Altes Handwerk – neu entdeckt<br />
In Aigen bei Kirchschlag, dort<br />
wo sich Fuchs und Hase gute<br />
Nacht sagen und wo man bei<br />
Winterstürmen bald einmal zugeweht<br />
werden kann, haben Gerald<br />
Hofer und Reinhard Ritter ihre<br />
„Schindel-Werkstatt“. War es früher<br />
gang und gäbe, sein Heim mit<br />
Schindeln zu decken, beherrscht<br />
heute kaum noch jemand diese<br />
alte Handwerkskunst. Mit ihren<br />
„Nutschindeln“ sind sie zurzeit<br />
sogar wahrscheinlich die einzigen<br />
Erzeuger in Österreich.<br />
Reinhard Ritter kommt <strong>aus</strong><br />
<strong>der</strong> Maschinenbaubranche,<br />
Gerald Hofer ist gelernter Tischler.<br />
Beide haben auch noch an<strong>der</strong>e<br />
Jobs, doch seitdem sie<br />
2012 ganz klein angefangen<br />
haben, Schindeln von Hand zu<br />
fertigen, haben sie mittlerweile<br />
eine so gute Auftragslage, dass<br />
<strong>der</strong> Winter zu kurz wird, um all<br />
die Schindeln zu fertigen.<br />
Wie alles begann<br />
Der Bru<strong>der</strong> von Gerald Hofer<br />
ist Förster in Nasswald und<br />
auch dieser interessierte sich<br />
für den Schindelbau. So absolvierten<br />
Reinhard Ritter und<br />
er den ersten Kurs in Sachen<br />
Schindel-Anfertigung.<br />
Vom Baum zur Schindel<br />
Viele Arbeitsschritte und viel<br />
Vorlaufzeit sind notwendig, bevor<br />
man die fertigen Schindeln<br />
in Händen halten kann. „Da ist<br />
zuerst einmal wichtig, dass <strong>der</strong><br />
Baum dafür astfrei ist, einen<br />
geraden Wuchs, feine Jahresringe<br />
und einen zentralen Kern<br />
aufweist“, so Ritter. „Wir suchen<br />
uns mittlerweile unsere Bäume<br />
selbst <strong>aus</strong>, bevor diese bei abnehmendem<br />
Mond im Winter<br />
gefällt werden“, ergänzt Hofer.<br />
Wichtig ist beiden, dass das<br />
Holz <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Region kommt;<br />
vorwiegend wird Lärchenholz,<br />
aber auch das Holz von Tanne<br />
o<strong>der</strong> Fichte verwendet. Danach<br />
werden vom Stamm dicke Platten<br />
(40 bis 50cm) heruntergeschnitten.<br />
Diese werden zuerst<br />
grob wie „Tortenstücke“ gekloben,<br />
<strong>aus</strong> denen schließlich kleine<br />
flache Schindeln gefertigt<br />
werden; dann werden sie auf <strong>der</strong><br />
„Hoanzelbank“ geputzt und die<br />
Tropfkante gefertigt, bevor sie<br />
mindestens ein Jahr trocknen.<br />
Erst danach werden diese zu<br />
Schar- o<strong>der</strong> neuerdings auch zu<br />
Nutschindeln, fast <strong>aus</strong>schließlich<br />
in Handarbeit. „Natürlich<br />
haben wir uns mittlerweile ein<br />
paar maschinelle Hilfsmittel<br />
gebastelt, sonst kämen wir gar<br />
nicht nach und die Schindeln<br />
werden zu teuer“, so Ritter.<br />
70 bis 80 Schindeln sind für<br />
einen Quadratmeter fertige<br />
Deckung notwendig, da sie ja<br />
dreifach gedeckt werden.<br />
„Das Beson<strong>der</strong>e an den Nutschindeln<br />
ist, dass die Nut mit<br />
einem ,Niereisen’, welches früher<br />
fast in jedem Bauernh<strong>aus</strong><br />
zu finden war, auf <strong>der</strong> ‚Hoanzelbank‘<br />
mit einer entsprechenden,<br />
ebenfalls selbst gemachten Vorrichtung<br />
eingebracht wird“, erzählt<br />
Hofer. „Wir halten uns da<br />
immer an die alten Vorlagen, bei<br />
den Maschinen ebenso wie bei<br />
den Schindeln.“<br />
Nachhaltiger B<strong>aus</strong>toff<br />
„Die Scharschindeln werden<br />
in Dreifachdeckung für Dächer<br />
o<strong>der</strong> in Zweifachdeckung für<br />
Wandfassaden verwendet“,<br />
so Ritter. Die Nutschindeln<br />
werden in Zweifachdeckung<br />
hauptsächlich für denkmalgeschützte<br />
Bauwerke eingesetzt.<br />
Naturbelassen<br />
„Wir haben uns für das Schindelmachen<br />
entschieden, weil<br />
Schindeln uns gut gefallen, weil<br />
Holz ein ökologischer B<strong>aus</strong>toff<br />
ist, die Schindeln ein geringes<br />
Gewicht aufweisen, aber auch<br />
sturm- und hagelsicher sind.<br />
Man darf sie aber auf keinen<br />
Fall streichen o<strong>der</strong> sie sonst<br />
irgendwie behandeln“, sind<br />
sich beide einig. „Je größer die<br />
Dachneigung, umso länger die<br />
Lebensdauer. Man könnte sagen,<br />
<strong>der</strong> Winkel des Daches ist<br />
gleichzusetzen mit den Jahren:<br />
Also würde ein 45-Grad-Dach<br />
45 Jahre halten“, weiß Ritter.<br />
In <strong>der</strong> altbewährten Technik<br />
haben die beiden schon Schindeln<br />
für die Schweiz, Oberösterreich,<br />
die Steiermark, Wien und<br />
für ihre Heimat Nie<strong>der</strong>österreich<br />
gefertigt. „Das ist uns am liebsten“,<br />
schmunzeln die beiden.<br />
Karin Egerer<br />
18 <strong>Bote</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | <strong>Februar</strong> <strong>2022</strong>