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E&W Dezember 2010 - GEW

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Erziehung<br />

undWissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 12/<strong>2010</strong><br />

Zehn Jahre PISA –<br />

Lesekompetenz<br />

in Deutschland


GASTKOMMENTAR<br />

Warum regt sich<br />

niemand auf?<br />

Vor knapp zehn Jahren entfachte die PISA-Studie<br />

in Deutschland eine Diskussion über die Leistungsfähigkeit<br />

des Bildungssystems, vergleichbar<br />

nur mit derjenigen in den 1960er-Jahren, die<br />

der Pädagoge Georg Picht mit seinem Begriff der<br />

„Bildungskatastrophe“ angezettelt bzw. auf den<br />

Punkt gebracht hatte. PISA hatte festgestellt,<br />

dass ein Viertel der Jugendlichen die Schule ohne<br />

ausreichende Grundbildung verlässt (PISA<br />

2001). Überraschend war dies wiederum nicht:<br />

Bereits 1996 hatte die OECD im International<br />

Adult Literacy Survey (IALS) ermittelt, dass in<br />

Deutschland 14,4 Prozent der Erwachsenen<br />

(zirka 7,7 Millionen!) lediglich das niedrigste<br />

Niveau der Lesekompetenz erreichten.<br />

Die 15-Jährigen des Jahres 2000 sind heute erwachsen.<br />

Jährlich haben seit damals<br />

bis heute zwischen 65 000<br />

und annähernd 80 000 Jugendliche<br />

ohne Hauptschulabschluss<br />

und mit höchstwahrscheinlich<br />

gravierenden Mängeln im Schreiben<br />

und Rechnen die Schule verlassen.<br />

Bei einer engen Definition<br />

ist davon auszugehen, dass<br />

heute in Deutschland etwa vier<br />

Millionen Menschen (fünf Prozent<br />

der Gesamtbevölkerung)<br />

Analphabeten sind.<br />

Doch was geschah mit den Jugendlichen<br />

von damals, der<br />

„PISA-Generation“? Was ist <strong>2010</strong> aus ihnen geworden?<br />

Warum fragt niemand danach, warum<br />

diskutiert das niemand (s. S. 9/10)?<br />

Wir wissen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

seltener einen Ausbildungsplatz finden,<br />

ihr Anteil im dualen System rückläufig und<br />

ihre Abbrecherquote hoch ist. Und wir wissen,<br />

dass die Zahl der Arbeitsplätze für Ungelernte<br />

erheblich abnimmt. Bis heute ist fast die Hälfte<br />

aller Jobs, die es noch vor zehn Jahren für Menschen<br />

ohne Berufsabschluss gab, abgebaut. Wir<br />

wissen, dass wir es hier mit einer bedeutsamen<br />

Minderheit Erwachsener zu tun haben, die für<br />

berufliche und gesellschaftliche Teilnahme einer<br />

angemessenen Bildung bedürfen.<br />

Die Jugendlichen von damals sind heute zwar<br />

Adressatengruppen in der Erwachsenen- und Weiterbildung.<br />

Es ist aber hinreichend belegt, dass<br />

die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einer<br />

Fortbildung mit dem Bildungsniveau steigt. Dies<br />

gilt sowohl für organisierte Weiterbildung als<br />

auch für informelle Bildung, und dies trifft auch<br />

auf andere Länder zu. Obwohl die Teilnahmequoten<br />

wieder seit einigen Jahren ansteigen (auch bei<br />

den Niedrigqualifizierten), vergrößert sich der Bil-<br />

2 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

dungsabstand zwischen Höher- und Geringerqualifizierten<br />

eher. Denn: Die Erkenntnis der PISA-<br />

Studie, dass das Verfehlen grundlegender Kompetenzen<br />

gleichsam sozial „vererbt“ wird, kann<br />

auch die Weiterbildung nicht aufheben. Die Hoffnung,<br />

hier könnten Nachteile aus dem Schulsystem<br />

kompensiert werden, hat sich bis heute nicht<br />

erfüllt.<br />

Dabei sind viele Aktivitäten erkennbar, diese Situation<br />

zu verbessern: Bildungsabschlüsse lassen<br />

sich nachholen bei Volkshochschulen, Abendschulen<br />

und Kollegs sowie Fernunterrichtsinstituten<br />

(etwa 180 000 Teilnehmende pro Jahr). Seit einigen<br />

Jahren werden auch informell erworbene<br />

Kompetenzen erfasst (z.B. im „Profilpass“) und<br />

verwertet. Projekte wie „Brücke von der Schule<br />

zur Ausbildung“, „Deutsch für Personen<br />

mit Migrationshintergrund“,<br />

„Elternweiterbildung“<br />

sind oft gute Ansätze, denen es jedoch<br />

an Förderung und systematischer<br />

Verbreitung fehlt.<br />

Vor allem mangelt es an einer<br />

verbindlichen Realität dessen,<br />

was mit dem Begriff „Lebenslanges<br />

Lernen“ gemeint ist – an einer<br />

systematischen Vernetzung<br />

Foto: ??????????????????<br />

der Bildungsbereiche, die den<br />

biografischen Lernweg beglei-<br />

Ekkehard Nuissl<br />

ten, unterstützen und ermöglichen:<br />

Kita, Schule, Berufliche Bildung,<br />

Hochschule, Weiterbildung. In solch einem<br />

vernetzten System könnte Weiterbildung<br />

wichtige Beiträge leisten: in der Elternbildung,<br />

der beruflichen Bildung, der Migrantenfortbildung,<br />

der Öffnung von Schule, der Fachdidaktik,<br />

dem Lernen am Arbeitsplatz und im sozialen<br />

Umfeld. Wenn unterschiedliche Bildungsbereiche<br />

sich aufeinander beziehen und über die Lernenden<br />

definieren, kann es auch nicht passieren,<br />

dass ganze Kohorten „vergessen“ werden.<br />

Man geht heute mit Blick auf ganz Europa davon<br />

aus, dass der Anteil der Menschen mit mangelnder<br />

Grundbildung perspektivisch bei einem Viertel<br />

der gesamten europäischen Bevölkerung<br />

liegt. Es wäre fatal, wenn man diese Gruppe immer<br />

wieder vernachlässigt. Und es wäre fatal,<br />

wenn sich das Bildungssystem nicht insgesamt<br />

verantwortlich für einen lebenswerten Alltag<br />

und Beruf dieser Menschen einsetzen würde.<br />

Und das möglicherweise wiederum, ohne dass<br />

sich jemand aufregt.<br />

Ekkehard Nuissl, wissenschaftlicher Direktor<br />

des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung<br />

(DIE) und Professor für Erwachsenenbildung<br />

an der Universität Duisburg-Essen<br />

Prämie<br />

des Monats<br />

Seite 5<br />

Engagement kommt anderen zugute.<br />

Werben Sie im <strong>Dezember</strong> ein neues<br />

<strong>GEW</strong>-Mitglied und spenden Sie<br />

30 Euro für ein internationales<br />

Hilfsprojekt. Es danken Ihnen: die<br />

<strong>GEW</strong> und ein Mensch, der Unterstützung<br />

braucht!<br />

Impressum<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 62. Jg.<br />

Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

im Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />

Vorsitzender: Ulrich Thöne.<br />

Redaktion: Ulf Rödde (verantwortlich),<br />

Helga Haas-Rietschel.<br />

Redaktionsassistenz: Renate Körner.<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M.,<br />

Telefon (0 69) 7 89 73-0, Telefax (0 69) 7 89 73-202.<br />

Internet: www.gew.de<br />

Redaktionsschluss ist der 10. eines jeden Monats.<br />

Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich, jeweils<br />

am 5. des Monats mit Ausnahme der Sommerferien.<br />

Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann,<br />

Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt<br />

Druck: apm AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt.<br />

Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag<br />

enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis<br />

jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl.<br />

MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern,<br />

Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz, Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und<br />

Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der<br />

E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung<br />

übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten<br />

Beiträge stellen nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar.<br />

Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH,<br />

Goldammerweg 16, 45134 Essen,<br />

Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller,<br />

Tel. (0201) 84300-0,Telefax (0201) 472590,<br />

anzeigen@stamm.de; www.erziehungundwissenschaft.de,<br />

gültige Anzeigenpreisliste Nr. 37 vom 1. 1. 2009,<br />

Anzeigenschluss ca. am 5. des Vormonats.<br />

E&W wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.<br />

ISSN 0342-0671


Zehn Jahre PISA – vor einer Dekade versetzte die erste<br />

PISA-Studie die Nation in Schockzustand. Nun liegt mit den<br />

Ergebnissen des PISA-Tests 2009, in dessen Zentrum erneut<br />

die Lesekompetenz steht, eine aktuelle Analyse unter dem<br />

Weihnachtsbaum der Kultusminister. Abzusehen ist: Frohe<br />

Botschaften werden darin kaum verkündet. Nach wie vor hat<br />

die Kultusministerkonferenz (KMK) ihre Hausaufgaben nur<br />

mangelhaft erledigt. Der größte Skandal des deutschen<br />

Schulsystems, die Abhängigkeit des Bildungserfolges von<br />

der sozialen Herkunft der Kinder, besteht weiterhin.<br />

Schwerpunkt PISA Seite 6 ff.<br />

Gastkommentar<br />

Warum regt sich niemand auf? Seite 2<br />

Impressum Seite 2<br />

Auf einen Blick Seite 4<br />

Titel: PISA<br />

1. Zehn Jahre PISA: Auf das falsche Pferd gesetzt Seite 6<br />

2. Interview mit Cordula Artelt:<br />

„Es liegt noch ein weiter Weg vor uns“ Seite 9<br />

3. Wo bleibt das Positive?<br />

Interpretations-Wirrwarr um die PISA-Daten Seite 11<br />

4. <strong>GEW</strong>-Mitgliederbefragung zur Lesekompetenz:<br />

„Viel geredet – wenig getan!“ Seite 12<br />

Bildungspolitik<br />

1. Ganztagsschulkongress: „Alle reden von ,Revolution‘“ Seite 13<br />

2. Interview mit Eckhard Klieme: „Ein Coach an jede Schule“ Seite 14<br />

3. Schulpsychologen: Warum weint ein Kind nach der Schule? Seite 18<br />

4. Deutschland verstößt gegen UN-Sozialpakt Seite 25<br />

Inklusion<br />

1. Interview mit Vernor Muñoz:<br />

„Deutschland braucht ein inklusives Bildungswesen!“ Seite 15<br />

2. <strong>GEW</strong>-Tagung „Profession braucht Inklusion“ Seite 17<br />

Dialog: Zeitschrift für Seniorinnen und Senioren Seite 19<br />

Foto: imago<br />

Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Wir wünschen Ihnen ein friedvolles und<br />

fröhliches, ein heiteres und besinnliches<br />

Weihnachtsfest – mit aufmerksamem und<br />

achtendem Blick für den Anderen.<br />

Möge das Jahr gut für Sie enden und 2011 mit<br />

Hoffnung und Zuversicht neu beginnen.<br />

Ihre E&W-Redaktion<br />

Gesellschaftspolitik<br />

1. Kommentar zum Integrationsgipfel: Angst und Ignoranz Seite 23<br />

2. Massiver Protest gegen Sozialabbau Seite 24<br />

3. <strong>GEW</strong>-Kommentar: „Für einen politischen Kurswechsel“ Seite 24<br />

Weiterbildung<br />

Herbstakademie: Was bringt Regionalisierung? Seite 26<br />

Internationales<br />

Interview mit Jucara Maria Dutra Vieira und Fátima Aparecida da Silva:<br />

„Wir wollen die Schulpflicht verlängern“ Seite 27<br />

Tarifpolitik<br />

1. Interview mit Werner Balfer:<br />

„Einkommenssituation verbessert“ Seite 28<br />

2. L-ego: Sondierungsgespräche vereinbart Seite 29<br />

3. Leserdebatte: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Seite 30<br />

<strong>GEW</strong>-Intern<br />

1. Mitgliederservice Seite 32<br />

2. Immer noch ein Vorbild: Heinrich Rodenstein Seite 35<br />

3. Spendenaufruf: Hilfe für Burkina Faso Seite 35<br />

Leserforum Seite 36<br />

Diesmal Seite 40<br />

Titel: Werbeagentur Zimmermann<br />

Foto: zplusz<br />

Auf ein Wort ...<br />

Die<strong>GEW</strong>hatimvergangenen<br />

Jahr per Saldo über 6000 Mitglieder<br />

gewonnen. Auch <strong>2010</strong><br />

hat sich die positive Entwicklung<br />

fortgesetzt. Vor allem<br />

während der Tarifauseinandersetzungen<br />

sind viele Kolleginnen<br />

und Kollegen in die Bildungsgewerkschafteingetreten.<br />

Damit geben wir uns aber<br />

nicht zufrieden. Die Verhandlungen<br />

über die Länder-Entgeltordnung<br />

(L-ego) für Lehrkräfte,<br />

aber auch das Engagement für<br />

ein inklusives Bildungssystem<br />

erfordern eine starke <strong>GEW</strong>.<br />

Denn wir wollen diese Auseinandersetzungen<br />

gewinnen!<br />

Dafür brauchen wir Ihre, Deine<br />

Unterstützung. In den nächsten<br />

Monaten werden jeder Ausgabe<br />

der „Erziehung und Wissenschaft“<br />

zwei Flugblätter der Serie<br />

„Auf ein Wort, liebe Kollegin,<br />

lieber Kollege“ beigeheftet.<br />

Wir bitten alle Leserinnen<br />

und Leser, die Blätter herauszutrennen<br />

und über die Inhalte<br />

das persönliche Gespräch mit<br />

Kolleginnen und Kollegen am<br />

Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis<br />

zu suchen und diese<br />

für eine Mitgliedschaft in der<br />

<strong>GEW</strong> zu gewinnen.<br />

Herzlichen Dank für Ihre,<br />

Deine Unterstützung!<br />

Ulf Rödde, Redaktionsleiter der<br />

„Erziehung und Wissenschaft“<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 3


AUF EINEN BLICK<br />

Erziehung<br />

undWissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 7-8/<strong>2010</strong><br />

Stoppt Kinderarbeit!<br />

Schule ist der richtige Arbeitsplatz<br />

Rente mit 67: Schönfärberei<br />

DGB-Chef Michael Sommer hat sich dafür ausgesprochen, die<br />

Rentenbeiträge geringfügig zu erhöhen, um die Rente mit 67<br />

zu verhindern. Dies würde Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen<br />

nur 0,6 Prozent mehr kosten, so Sommer. Der Rentenbeginn<br />

mit 67 Jahren sei für viele Beschäftigte selbst bei einer<br />

deutlichen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt kaum zu<br />

erreichen und verschärfe die soziale Schieflage in Deutschland.<br />

Zu diesem Ergebnis kam der vierte Monitoring-Bericht<br />

des Netzwerks für eine gerechte Rente, zu dem die DGB-Gewerkschaften<br />

sowie Sozial- und Wohlfahrtsverbände gehören.<br />

Die Folgen seien gravierende Rentenkürzungen und eine drastische<br />

Zunahme der Altersarmut. „Die Fakten belegen, dass<br />

die Einführung der Rente mit 67 nicht zu vertreten ist. Wenn<br />

sich die Bundesregierung an die geltende Rechtslage hält,<br />

muss sie die Rente mit 67 in diesem Jahr stoppen oder zumindest<br />

auf Eis legen“, betonte DGB-Vorstandsmitglied Annelie<br />

Buntenbach. Sie forderte die Bundesregierung auf, die Situation<br />

nicht länger „zu verharmlosen“ und „schönzufärben“.<br />

<strong>GEW</strong>-Initiative gegen Kinderarbeit<br />

4 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Die <strong>GEW</strong> startet im April 2011 eine „Initiative gegen<br />

Kinderarbeit – für Bildung“ (s. E&W-Schwerpunkt „Kinderarbeit“,<br />

Ausgabe 7-8/<strong>2010</strong>). <strong>GEW</strong>-Vorsitzender Ulrich<br />

Thöne stellte das Projekt auf der Hauptvorstandssitzung<br />

im November in Göttingen vor. Die Initiative solle Teil<br />

einer internationalen gewerkschaftlichen Kampagne gegen<br />

Kinderarbeit werden, so Gastredner Fred van<br />

Leeuwen, Generalsekretär der Bildungsinternationale<br />

(BI). Die Welt dürfe nicht länger zusehen, wie noch immer<br />

über 200 Millionen Kinder nicht zur Schule gingen<br />

und dazu verdammt seien, „ihre Kindheit und Jugend<br />

auf Feldern, in Fabriken und in Ausbeutungsbetrieben<br />

zu verbringen“, mahnte van Leeuwen.<br />

Menschenrechtsverstöße in der Türkei<br />

Wieder sind türkische Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter<br />

einem exzessiv langen Strafverfahren ausgesetzt: Die<br />

Anklage wirft ihnen vor, Mitglied von Organisationen zu sein,<br />

die als PKK*-verdächtig gelten. Die Angeklagten, 31 Gewerkschafterinnen<br />

und Gewerkschafter von Kamu Emekçileri Sendikalari<br />

Konfederasyonu (KESK) und Egitim Sen, waren von Mai<br />

bis November 2009 in Untersuchungshaft. Seit der ersten Verhandlung<br />

im November 2009 ist mehr als ein Jahr vergangen.<br />

Das Ergebnis des letzten Verhandlungstages am 22. Oktober<br />

<strong>2010</strong> vor dem zehnten türkischen Strafgerichtshof in Izmir:<br />

Man hat lediglich den nächsten Gerichtstermin für Februar<br />

2011 angesetzt. Nicht nur die außerordentlich lange Zeit des<br />

Strafverfahrens erweckt den Eindruck der Prozessverschleppung.<br />

Die Anklage selbst steht auf mehr als wackeligen Beinen:<br />

Seit knapp einem Jahr sind die Beweismittel aus den angeforderten<br />

Akten gegen die angeklagten Gewerkschafter<br />

noch immer nicht beim Gericht in Izmir angekommen. Die<br />

halbjährige Untersuchungshaft und der nun knapp ein Jahr<br />

dauernde Gerichtsprozess zermürbt die Angeklagten – psychisch<br />

und physisch. Man untersagt ihnen auch, ins Ausland<br />

zu reisen. Dies betrifft beispielsweise Gülçin Isbert, die den<br />

Menschenrechtspreis (Egitim Sen – EI-Award) der Bildungsinternationale<br />

(BI) erhalten soll.<br />

* Kurdische Arbeiterpartei Partiya Karkerên Kurdiastan<br />

Foto: Privat<br />

Traumjob<br />

Erzieherin?<br />

Der Beruf der Erzieherin<br />

ist noch weit davon<br />

entfernt, ein Traumjob<br />

zu sein. Die Realität:<br />

geringer Verdienst, oft<br />

auf Hartz-IV-Niveau,<br />

schlechte Rahmenbedingungen.<br />

Die Folgen:<br />

Viele geben den<br />

Beruf schnell auf oder<br />

leiden unter chronischenBerufskrankheiten.<br />

„Der Anspruch an<br />

die Qualität frühkindlicher<br />

Bildung und die<br />

Bedingungen, unter de-<br />

nen Erzieherinnen gute Arbeit leisten sollen, klaffen meilenweit<br />

auseinander“, sagte <strong>GEW</strong>-Jugendhilfeexperte Norbert<br />

Hocke, als er in Berlin die Ergebnisse einer <strong>GEW</strong>-Studie zur beruflichen,<br />

familiären und ökonomischen Situation der Erzieherinnen<br />

und Kinderpfleger vorstellte. Laut <strong>GEW</strong>-Studie haben<br />

nur 50 Prozent der Erzieherinnen und 30 Prozent der Kinderpfleger<br />

eine Vollzeitstelle. Nur 49 Prozent der Fachkräfte<br />

unter 25 Jahren sind unbefristet eingestellt. Fast 20 Prozent der<br />

Berufsanfängerinnen sind mit einem Verdienst von unter 786<br />

Euro armutsgefährdet. Die <strong>GEW</strong> schlägt ein Vier-Punkte-Programm<br />

vor, um die Situation der Fachkräfte zu verbessern und<br />

den Bereich der sozialpädagogischen Berufe aufzuwerten.<br />

Nähere Infos unter: www.gew.de/Berufsbild_Erzieherin.html<br />

Dorothea Schäfer neue Chefin der <strong>GEW</strong> NRW<br />

Mit Dorothea Schäfer steht seit dem 20.<br />

November erstmals seit 30 Jahren wieder<br />

eine Frau an der Spitze der nordrhein-westfälischenBildungsgewerkschaft.<br />

Auf Schäfer entfielen bei der<br />

Wahl 96 Prozent der Stimmen. Die 56jährige<br />

Gesamtschullehrerin, seit 1993<br />

Mitglied im <strong>GEW</strong>-Landesvorstand, tritt<br />

die Nachfolge von Andreas Meyer-Lau-<br />

Dorothea Schäfer ber an, der im Oktober zum DGB-Bezirksvorsitzenden<br />

gewählt worden ist (s.<br />

E&W 10/<strong>2010</strong>). Schäfer will u.a. einen Stufenplan für kleinere<br />

Klassen durchsetzen.<br />

Thomas Lippmann bleibt im Amt<br />

Auf der Landesdelegiertenkonferenz der<br />

<strong>GEW</strong> Sachsen-Anhalt ist Thomas Lippmann<br />

Ende November als Landesvorsitzender<br />

bestätigt worden. Er erreichte bei<br />

der Wahl 95,4 Prozent der Stimmen. Der<br />

48-jährige Mathe- und Physiklehrer ist<br />

seit 1998 <strong>GEW</strong>-Landeschef. Lippmann<br />

engagierte sich in den vergangenen 15<br />

Jahren erfolgreich für tarifvertragliche<br />

Regelungen zur Arbeitsplatzsicherung<br />

der Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeiter.<br />

Jugendhilfe und Sozialarbeit<br />

Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin,Technische Universität Dortmund –<br />

Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik<br />

Die berufliche, familiäre<br />

und ökonomische Situation<br />

von Erzieherinnen<br />

und Kinderpflegerinnen<br />

Sonderauswertung des Mikrozensus<br />

Im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung der <strong>GEW</strong><br />

Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Foto: Privat<br />

Thomas Lippmann


#<br />

Bitte in Druckschrift ausfüllen.<br />

Ihre Daten sind entsprechend den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes geschützt.<br />

Antrag auf<br />

Mitgliedschaft<br />

Vorname/Name<br />

Straße/Nr.<br />

Land/PLZ/Ort<br />

Mitmachen lohnt sich...<br />

...mit jedem neu geworbenen <strong>GEW</strong>-Mitglied unternehmen Sie etwas gegen den Hunger in derWelt.<br />

Geburtsdatum/Nationalität<br />

Bisher gewerkschaftlich organisiert bei von bis (Monat/Jahr)<br />

Telefon Fax<br />

Jedes Mitglied der <strong>GEW</strong> ist verpflichtet, den satzungsgemäßen Beitrag zu entrichten und seine Zahlungen<br />

daraufhin regelmäßig zu überprüfen. Mit meiner Unterschrift auf diesem Antrag erkenne ich die<br />

Satzung der <strong>GEW</strong> an und ermächtige die <strong>GEW</strong> zugleich widerruflich, den von mir zu leistenden Mitgliedsbeitrag<br />

vierteljährlich von meinem Konto abzubuchen. Prämienberechtigt sind <strong>GEW</strong>-Mitglieder,<br />

die ein beitragzahlendes Mitglied werben. Der Landesverband Niedersachsen<br />

nimmt nicht an diesem Programm teil.<br />

Ort/Datum Unterschrift<br />

Daten desWerbers<br />

Ich habe die oben genannte Person als neues <strong>GEW</strong>-Mitglied geworben.<br />

Vorname/Name<br />

Straße/Nr.<br />

PLZ/Ort<br />

Prämie des Monats <strong>Dezember</strong><br />

Eine 30-Euro-Spende für internationale Organisationen<br />

(Bitte wählen Sie zwischen dem Heinrich-Rodenstein-Fonds der <strong>GEW</strong> und derWelthungerhilfe)<br />

Ihr Mitgliedsbeitrag:<br />

- BeamtInnen zahlen 0,75 Prozent der Besoldungsgruppe und -stufe, nach der sie besoldet werden.<br />

- Angestellte zahlen 0,7 Prozent der Entgeltgruppe und Stufe, nach der vergütet wird.<br />

- Der Mindestbeitrag beträgt immer 0,6 Prozent der untersten Stufe der Entgeltgruppe 1 des TVöD.<br />

- Arbeitslose zahlen ein Drittel des Mindestbeitrages.<br />

- Studierende zahlen einen Festbetrag von 2,50 Euro.<br />

- Mitglieder im Referendariat oder Praktikum zahlen einen Festbetrag von 4 Euro.<br />

- Mitglieder im Ruhestand zahlen 0,66 Prozent ihrer Ruhestandsbezüge.<br />

Weitere Informationen sind der Beitragsordnung zu entnehmen.<br />

E-Mail<br />

Berufsbezeichnung/-ziel beschäftigt seit Fachgruppe<br />

Name/Ort der Bank<br />

Kontonummer BLZ<br />

Tarif-/Besoldungsgebiet<br />

Tarif-/Besoldungsgruppe Stufe seit<br />

Bruttoeinkommen € monatlich (falls nicht öffentlicher Dienst)<br />

Betrieb/Dienststelle/Schule Träger des Betriebes/der Dienststelle/der Schule<br />

Straße/Nr.des Betriebes/der Dienststelle/der Schule PLZ/Ort<br />

<strong>GEW</strong>-Landesverband<br />

Telefon Fax<br />

E-Mail<br />

Spende für dieWelthungerhilfe<br />

Spende für den<br />

Heinrich-Rodenstein-Fonds der <strong>GEW</strong><br />

E+W-Prämie des<br />

Monats <strong>Dezember</strong> <strong>2010</strong>/Spende<br />

Beschäftigungsverhältnis<br />

Honorarkraft<br />

angestellt<br />

beamtet<br />

teilzeitbeschäftigt mit<br />

Prozent<br />

teilzeitbeschäftigt mit<br />

Std./Woche<br />

in Rente/pensioniert<br />

Altersteilzeit<br />

befristet bis<br />

arbeitslos<br />

beurlaubt ohne Bezüge<br />

im Studium<br />

in Elternzeit<br />

Referendariat/<br />

Berufspraktikum<br />

Sonstiges<br />

Bitte den Antrag<br />

vollständig ausfüllen<br />

und an folgende<br />

Adresse senden:<br />

Gewerkschaft<br />

Erziehung undWissenschaft<br />

Reifenberger Straße 21<br />

60489 Frankfurt a.M.<br />

Fax:069/78973-102<br />

Vielen Dank!<br />

Ihre <strong>GEW</strong>


6 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong>


Auf das falsche Pferd gesetzt<br />

Zehn Jahre PISA – eine Bilanz der KMK-Maßnahmen<br />

Als Reaktion auf den PISA-Schock<br />

beschlossen die Kultusminister im <strong>Dezember</strong><br />

2001, auf sieben Handlungsfeldern<br />

aktiv zu werden (s. Kasten).<br />

Unter dem Druck der öffentlichen<br />

Meinung und aufgrund massiver Kritik<br />

am schulpolitischen Föderalismus<br />

entschied sich die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) für eine Blitz-Reaktion<br />

und die Methode „Schrotschuss“:<br />

Eine Kugel trifft schon ins Schwarze.<br />

Die sieben Handlungsfelder<br />

der KMK bieten von<br />

(fast) allem etwas: frühkindliche<br />

Bildung, Sprachförderung<br />

für Leistungsschwache,<br />

Qualitätsentwicklung, Entwicklung<br />

der Lehrerprofessionalität, Verzahnung<br />

von vorschulischer und schulischer<br />

Bildung und – hart umkämpft –<br />

Ausbau von Ganztagsangeboten.<br />

Tabu Schulstruktur<br />

Ein wichtiges Handlungsfeld fehlte allerdings:<br />

Die selektive Schulstruktur in<br />

Deutschland als eine wichtige Quelle<br />

der extremen sozialen Schieflage im<br />

deutschen Schulwesen wird in den<br />

Handlungsfeldern nicht einmal erwähnt.<br />

Die KMK hatte sich auf ein Tabu<br />

verständigt, um – wie es hieß – sich<br />

nicht in einer „politischen Schlammschlacht“<br />

zu verausgaben. Die Ironie<br />

der Verhältnisse will es nun, dass die<br />

Schulstrukturfrage heute – zehn Jahre<br />

nach der ersten PISA-Erhebung – selbst<br />

der CDU/CSU ein zentrales bildungspolitisches<br />

Thema ist.<br />

Was hat die KMK-Initiative erreicht?<br />

Zehn Jahre nach der ersten PISA-Erhebung<br />

und neun Jahre nach Veröffentlichung<br />

der ersten Ergebnisse muss eine<br />

Bilanz möglich sein. PISA 2009 hat<br />

Schülerinnen und Schüler getestet, deren<br />

gesamte Schulzeit in die PISA-Ära fiel.<br />

Leseförderung: wirkungslos<br />

Wie schon in 2000 steht bei PISA 2009<br />

Lesekompetenz im Fokus – die Ergebnisse<br />

sind vorhersehbar. Wie lässt sich<br />

das erklären?<br />

Die KMK hat mit dem Paradigmenwechsel<br />

zur ergebnisorientierten Steuerung<br />

auf das falsche Pferd gesetzt, statt sich auf<br />

direkte und schnell wirksame Maßnahmen<br />

zu konzentrieren. Vor allem: Es<br />

mangelt an gezielten und flächendeckenden<br />

Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte<br />

aller Schulformen und -stufen, um<br />

schwache Leserinnen und Leser zu erkennen.<br />

Es fehlt ebenso an entsprechenden<br />

Rahmenbedingungen und Konzepten,<br />

um umfassende Sprachfördermaßnahmen<br />

zu realisieren. „Untericht – Diagnose<br />

– Kompetenz“ (UDiKom), ein Kooperationsprojekt<br />

der KMK, wird im Frühjahr<br />

2011 beendet und kann erst dann<br />

von den Ländern eingesetzt werden (s.<br />

Kasten S. 8).<br />

Nur im frühkindlichen Bereich spielt<br />

Sprachförderung flächendeckend bisher<br />

eine Rolle – allerdings mit 16 (!) umstrittenen,<br />

testlastigen, unausgereiften Me-<br />

Die sieben Handlungsfelder der KMK<br />

thoden. Die Evaluation von drei gezielten<br />

Sprachförderkonzepten in Baden-<br />

Württemberg etwa hat ergeben, dass unmittelbare<br />

Effekte ausblieben.<br />

Ansonsten blühten – unsystematisch<br />

und zufällig gesät – viele bunte Blumen<br />

der Leseförderung. Die KMK hat als<br />

ihren Beitrag 2009 ein Kooperationsprojekt<br />

ProLesen beigesteuert, in dem sie auf<br />

93 Seiten Literaturhinweise und auf weiteren<br />

zwölf Links zu über 150 Initiativen<br />

und Projekten aus den Bundesländern<br />

1.Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich<br />

2.Maßnahmen zur besseren Verzahnung von vorschulischem Bereich und Grundschule mit dem Ziel einer frühzeitigen Einschulung<br />

3. Maßnahmen zur Verbesserung der Grundschulbildung und durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz und des<br />

grundlegenden Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge<br />

4.Maßnahmen zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen<br />

mit Migrationshintergrund<br />

5.Maßnahmen zur konsequenten Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage<br />

verbindlicher Standards sowie einer ergebnisorientierten Evaluation<br />

6.Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und<br />

methodische Kompetenz als Bestandteil systematischer Schulentwicklung<br />

7.Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungsund<br />

Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen.<br />

http://www.kmk.org/no_cache/presse-und-aktuelles/pm2004/stellungnahme-der-kmk.html?sword_list[0]=sieben&sword_list[1]=<br />

handlungsfelder<br />

PISA<br />

Lesekompetenz<br />

steht im Zentrum<br />

von PISA 2009.<br />

Die Ergebnisse –<br />

bei Redaktionsschluss<br />

noch<br />

nicht bekannt –<br />

sind vorherzusehen:<br />

Die Maßnahmen,<br />

die Lesekompetenz<br />

zu<br />

verbessern,<br />

waren nicht ausreichend.<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 7<br />

Fotos: imago


PISA<br />

(und dem Ausland) zusammengetragen<br />

hat. ProLesen (s. Seiten 9/10) ist zwar eine<br />

Fundgrube für die wissenschaftliche<br />

Beschäftigung mit Themen, dürfte aber<br />

so gut wie keine Wirksamkeit in der<br />

Schulpraxis entfalten.<br />

FörMig (Förderung von Kindern und<br />

Jugendlichen mit Migrationshintergrund),<br />

das einzige umfassende und wissenschaftlich<br />

begleitete Projekt zur<br />

durchgängigen sprachlichen Förderung<br />

bildungsbenachteiligter Kinder und Jugendlicher,<br />

wurde im Zuge der Föderalismusreform<br />

als Bund-Länder-Kommission-Projekt<br />

abgewickelt. Beteiligt<br />

waren zehn Länder. Das Projekt hatte<br />

Mühe, sich weiter zu finanzieren.<br />

Teurer Paradigmenwechsel<br />

Das mit Abstand größte planerische<br />

und finanzielle Engagement steckte die<br />

KMK in der vergangenen Dekade in ein<br />

ergebnisorientiertes Steuerungssystem<br />

mit Qualitätssicherung und Bildungsberichterstattung,<br />

ein eigenes Institut für<br />

Qualität im Bildungswesen (IQB), in<br />

Bildungsstandards, Kompetenzmodelle<br />

und Vergleichsarbeiten. Dieser Paradigmenwechsel<br />

kostet die Länder jährlich<br />

Millionen, die vor allem in der Lehrerfortbildung<br />

fehlen.<br />

Die empirische Bildungsforschung in<br />

Deutschland hat seit PISA 2000 eine<br />

exorbitante Expansion erfahren. Das<br />

Wissen über Bildung nimmt zu, wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse in pädagogische<br />

Praxis umzusetzen, bleibt hingegen<br />

einer überforderten Lehrerschaft überlassen.<br />

Unterstützungssysteme fehlen.<br />

Lehrkräfte werden mit den Ergebnissen<br />

der bundesweiten Vergleichsarbeiten direkt<br />

und unmittelbar konfrontiert. Sie<br />

erhalten aber in der Regel keine systematische<br />

Fortbildung in der Interpretation<br />

von Forschungsdaten, geschweige<br />

denn ausreichend Mittel und Hilfe, um<br />

angemessen handeln zu können.<br />

Als ein zentrales Problem in Deutschland<br />

hat PISA von Beginn an den sehr<br />

großen Anteil leistungsschwacher 15-<br />

Projekte der KMK<br />

8 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Länderübergreifende Projekte<br />

Jähriger dokumentiert. Dennoch haben<br />

die Kultusminister fast neun (!) Jahre gebraucht<br />

– bis zum 4. März <strong>2010</strong> –, um<br />

auf die anhaltenden Forderungen aus<br />

Wirtschaft und Wissenschaft mit einer<br />

„Förderstrategie für leistungsschwächere<br />

Schülerinnen und Schüler“ zu reagieren.<br />

Der Beschluss stellt zwar die individuelle<br />

Förderung ins Zentrum, reflektiert<br />

jedoch nicht deren Grenzen: Selektion,<br />

Segregation, unzureichende Rahmenbedingungen<br />

und mangelnde Lehrerqualifizierung.<br />

Die „Förderstrategie“ entpuppt sich bei<br />

genauerem Hinsehen als wohlfeile Absichtserklärung<br />

und Gemischtwarenladen.<br />

Es wird auf die gemeinsamen und<br />

länderübergreifenden KMK-Projekte (s.<br />

Kästen) hingewiesen, die sich größtenteils<br />

noch im Projektstadium befinden.<br />

Ehrenamtliche Helfer sollen für zusätzliche<br />

Lernzeit sorgen, Förderschulen<br />

den Hauptschulabschluss vergeben.<br />

Fakt ist: Nach Angaben der Lehrkräfte<br />

in der IGLU-Erhebung 2006 erhielten<br />

ungefähr zwei Drittel (!) leseschwacher<br />

und legasthenischer Grundschulkinder<br />

keine spezielle Lernförderung. Daran<br />

gemessen belegt die Förderstrategie<br />

überdeutlich die Unfähigkeit der Kultusminister,<br />

gesamtstaatliche Verantwortung<br />

zu übernehmen.<br />

Ein Erfolg – wenn auch mit Einschränkungen<br />

– ist nur das von der rot-grünen<br />

Bundesregierung unter Kanzler Gerhard<br />

● ProLesen – Auf dem Weg zur Leseschule<br />

● for.mat – Bereitstellung von Fortbildungskonzeptionen und -materialien zur kompetenz- bzw. standardbasierten<br />

Unterrichtsentwicklung<br />

● UDiKom – Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte im Hinblick auf die Verbesserung der Diagnosefähigkeit<br />

als Voraussetzung für den Umgang mit Heterogenität und individuelle Förderung<br />

http://www.kmk.org/no_cache/presse-und-aktuelles/meldung/stellungnahme-der-kultusministerkonferenz-zuden-ergebnissen-des-laendervergleichs-von-iglu-2006.html?cHash=73930d7392&sword_list%5B0%5D=<br />

prolesen<br />

http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/<strong>2010</strong>/<strong>2010</strong>_03_04-Foerderstrategie-Leistungsschwaechere.pdf<br />

● SINUS-Transfer – Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts für die Sekundarstufe I<br />

● SINUS-Transfer Grundschule<br />

● FörMig – Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />

● TransKiGs – Stärkung der Bildungs- und Erziehungsqualität in Kindertageseinrichtungen<br />

und Grundschule – Gestaltung des Übergangs<br />

http://sinus-transfer.uni-bayreuth.de/<br />

http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de/<br />

http://www.transkigs.de/<br />

Schröder (SPD) den Konservativen abgetrotzte<br />

milliardenschwere Investitionsprogramm<br />

„Zukunft, Bildung und Betreuung“<br />

(IZBB). Quantitativ eine Erfolgsgeschichte,<br />

qualitativ noch immer<br />

ein Rohbau (s. Seiten 13/14 und E&W-<br />

Schwerpunkt 10/<strong>2010</strong>). Mittlerweile<br />

geht etwa ein Viertel der Schülerinnen<br />

und Schüler im Primar- und Sekundar-I-<br />

Bereich in eine Ganztagseinrichtung.<br />

Dass sich dieser Besuch positiv auf Sozialverhalten<br />

und Familienklima auswirkt,<br />

ist durchgängig nachzuweisen.<br />

Für Qualität und verbesserte Bildungschancen<br />

trifft das nicht zu. Die Investitionen<br />

in die Qualität pädagogischer<br />

Angebote waren bislang bei Weitem<br />

nicht ausreichend dafür, dass man bessere<br />

PISA-Ergebnisse erwarten konnte<br />

(www.projekt-steg.de).<br />

Alles in allem<br />

Alles in allem fällt die Bilanz ernüchternd<br />

aus: PISA hat zwar zu einem<br />

Boom empirischer Bildungsforschung<br />

und bildungspolitischer Sonntagsreden<br />

geführt. Der Paradigmenwechsel zur ergebnisorientierten<br />

Steuerung ist jedoch<br />

teuer und pädagogisch wirkungslos,<br />

wenn nicht sogar kontraproduktiv.<br />

Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit<br />

sind zwar Themen, aber keine<br />

Realität. Die Lehrerbildung hat man<br />

bislang sträflich vernachlässigt. Die<br />

KMK hat bewiesen, dass sie zur gesamtstaatlichen<br />

Übernahme bildungspolitischer<br />

Verantwortung nicht in der Lage<br />

ist, denn die Kluft wird nicht kleiner:<br />

weder zwischen den Schülerinnen und<br />

Schülern noch zwischen den Bundesländern.<br />

Die zentralen Herausforderungen<br />

bleiben und können wirksam nur in<br />

Kooperation von Bund, Ländern und<br />

Kommunen bearbeitet werden.<br />

Marianne Demmer, Leiterin des<br />

<strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs Schule


„Es liegt noch ein<br />

weiter Weg vor uns“<br />

Interview mit Bildungsforscherin Cordula Artelt über Lesekompetenz<br />

E &W: Lesen gilt als Schlüsselkompetenz.<br />

Zu Recht?<br />

Cordula Artelt: Ja. Lesen ist funktional,<br />

dient dem Lernen, dem Wissenserwerb,<br />

der Weiterbildung, aber auch der Zerstreuung<br />

und der Fantasieentwicklung.<br />

Vor allem: Lesen erschließt ganze Lebensbereiche.<br />

E &W: Und wenn junge Menschen die Schule<br />

ohne entsprechende Lesekompetenz verlassen?<br />

Artelt: Wer mit schwacher Lesekompetenz<br />

die Schule verlässt, gerät in Gefahr,<br />

abgeschottet von sozialer, politischer<br />

und kultureller Teilhabe zu leben. Das<br />

kann zu einem Teufelskreis von Bildungs-<br />

und sozialer Armut führen.<br />

E &W: Wenn Lesen eine so fundamentale<br />

Schlüsselkompetenz auch für die Integration<br />

in den Arbeitsmarkt ist: Wieso hat es dann<br />

das deutsche Bildungssystem bisher nicht geschafft,<br />

die hohe Zahl 15-Jähriger (20 Prozent<br />

der Altersgruppe) zu senken, denen alle<br />

PISA-Studien ein mangelhaftes Grundwissen<br />

im Lesen und Rechnen attestierten?<br />

Artelt: Die Ursachen geringer Lesekompetenz<br />

können sehr unterschiedlich<br />

sein. Sie reichen von einer primär physiologisch<br />

bedingten Behinderung wie<br />

Lese-Rechtschreib-Schwäche über mangelnde<br />

Lesemotivation bis hin zu Defiziten<br />

im Wissen über einen angemessenen<br />

Umgang beim Lesen und Verstehen<br />

von Texten. Die Förderbedürfnisse von<br />

Schülerinnen und Schülern mit geringen<br />

Deutschkenntnissen sind noch einmal<br />

anders gelagert. Bislang gibt es wenig<br />

Maßnahmen, die sich intensiv<br />

schwacher Leser annehmen.<br />

E &W: Sie sprachen von der Motivation<br />

zum Lesen: Es ist ein Unterschied, ob Kinder<br />

in einem anregungsarmen Elternhaus aufwachsen<br />

oder in einem, in dem viel vorgelesen<br />

wird und Bücher zum Alltag gehören.<br />

Artelt: Ganz sicher. Die Familie ist einer<br />

der wichtigsten Orte für die Lesesozialisation.<br />

Der Stellenwert und die vielfältige<br />

Funktion des Lesens werden hier –<br />

ganz nebenbei – über familiäre Vorbilder<br />

und Modelle vermittelt. Solche Erfahrungen<br />

im Alltag sind zumindest bis<br />

zur Pubertät sehr prägend. Natürlich: Es<br />

gibt Kinder aus bildungsfernen Familien,<br />

die sich zu Viellesern entwickeln.<br />

Und nicht jeder Gymnasiallehrersohn<br />

wird zum begeisterten Leser. Aber der<br />

sozioökonomische Status und der Bildungsabschluss<br />

der Eltern spielen eine<br />

maßgebliche Rolle beim Leseerwerb,<br />

besonders bei der Entwicklung eines<br />

Selbstverständnisses als Leser bzw. der<br />

Lesemotivation.<br />

E &W: Wie stark hängt Lesekompetenz vom<br />

Spracherwerb ab?<br />

Artelt: Das Wissen über Sprache, der<br />

Wortschatz, ist zentral. Wenn ich z.B.<br />

versuche, einen Text mit vielen unbekannten<br />

Wörtern zu lesen, hilft mir<br />

auch der Wortkontext nicht mehr beim<br />

Entschlüsseln der Bedeutung. Lesen<br />

wird zum frustrierenden Erlebnis. Ein<br />

umfangreicher Wortschatz ist eine wesentliche<br />

Voraussetzung für verstehendes<br />

Lesen.<br />

E &W: Andere Industrieländer haben im<br />

Schnitt vier bis fünf Prozent schwache Leser.<br />

Was machen die besser?<br />

Artelt: Es existiert dort wohl ein stärkeres<br />

bildungspolitisches und pädagogisches<br />

Engagement, Leseschwächen zu<br />

beheben. Die skandinavischen Länder<br />

beispielsweise setzen Assistenzlehrkräfte<br />

für eine individuelle (Lese-)Förderung<br />

ein, andere Staaten bieten im Ganztag<br />

spezielle Programme zur Leseförderung<br />

an Nachmittagen an. In Deutschland<br />

scheinen manche Institutionen dagegen<br />

überzeugt zu sein, Leseförderung jenseits<br />

der Grundschule sei nicht notwendig<br />

oder aber allein Aufgabe der Eltern.<br />

Deshalb sehen sie sich offenbar zu keinem<br />

integrierten oder zusätzlichen institutionellen<br />

Förderungsangebot verpflichtet.<br />

E &W: Nach PISA 2003 erreichen zum<br />

Beispiel nur 50 Prozent der 15-jährigen<br />

Hauptschüler beim Lesen die Kompetenzstufe<br />

2. Heißt das, dass Lesekompetenz erheblich<br />

von der Schulform abhängig ist?<br />

Artelt: PISA betrachtet die Leistungsergebnisse<br />

im Querschnitt: Die Befunde<br />

sagen daher nicht wirklich etwas darü-<br />

ber aus, ob das selektive Schulsystem für<br />

ein schlechtes Leistungsniveau verantwortlich<br />

ist. Leistungsschwächere und<br />

-starke werden ja nach der Grundschulzeit<br />

bestimmten Schulformen zugeteilt.<br />

Ggf. bestehen die Unterschiede also<br />

schon zu diesem Zeitpunkt. Wir wissen<br />

auch nicht, ob die Unterrichtsqualität<br />

an einer Hauptschule mit Blick auf die<br />

Leseförderung wirklich schlechter ist.<br />

E &W: Wie kommt man in dieser Frage weiter?<br />

Artelt: Längsschnittuntersuchungen sind<br />

hier aussagekräftiger als die PISA-Daten –<br />

etwa Jürgen Baumerts Re-Analyse der Element-Studie<br />

(s. E&W 10/<strong>2010</strong>). Die wenigen<br />

Befunde, die es hierzu gibt, ergeben<br />

allerdings bei der Frage der Rolle der<br />

Schulformen für die Entwicklung von<br />

Lesekompetenzen kein eindeutiges<br />

Bild. Die Frage, ob individuelle und institutionelle<br />

Ursachen stärker für ein<br />

schlechtes Leistungsniveau verantwortlich<br />

sind, lässt sich noch nicht klar beantworten.<br />

E &W: Sehen Sie Chancen, dass sich der<br />

große Anteil leseschwächerer Schülerinnen<br />

und Schüler bald verringern lässt?<br />

Artelt: Da liegt noch ein weiter Weg vor<br />

uns! Nicht etwa deshalb, weil es zu wenig<br />

gute Konzepte der Förderung gibt,<br />

sondern weil diverse Hürden zu nehmen<br />

sind, bevor diese realisiert werden<br />

können. Vor allem, wenn es darum geht,<br />

länderübergreifende Maßnahmen umzusetzen.<br />

E &W: Aber die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) hat bereits vor neun Jahren sieben<br />

Handlungsfelder beschlossen, unter anderem<br />

Maßnahmen zur durchgängigen Verbesserung<br />

der Sprach- und Lesekompetenz. Wieso<br />

haben wir dann immer noch einen langen<br />

Weg vor uns?<br />

Artelt: Es gibt durchaus auch KMK-<br />

Projekte zur Lese- und Sprachförderung<br />

(s. auch S. 7/8), z.B. das von Bayern koordinierte<br />

Projekt ProLesen. Es ist allerdings<br />

vergleichsweise spät gestartet,<br />

wird in den einzelnen Ländern unterschiedlich<br />

umgesetzt und eine Evaluation<br />

steht ebenfalls noch aus. Länder-<br />

Foto: Privat<br />

PISA<br />

Cordula Artelt<br />

lehrt empirische<br />

Bildungsforschung<br />

an der Uni<br />

Bamberg. Die Professorin<br />

ist Mitglied<br />

im PISA-<br />

Konsortium 2009.<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 9


Foto: imago<br />

PISA<br />

Die Familie ist einer der<br />

wichtigsten Orte für die<br />

Lesesozialisation. Der<br />

Stellenwert des Lesens<br />

wird über familiäre Vorbilder<br />

vermittelt. Solche Erfahrungen<br />

im Alltag sind<br />

zumindest bis zur Pubertät<br />

sehr prägend.<br />

übergreifende oder auch länderspezifische<br />

Programme, die sich auf die Gruppe<br />

schwacher Leser konzentrieren und<br />

hierbei systematisch Förderangebote<br />

nutzen, die in die Breite gehen, sind weiterhin<br />

rar.<br />

E &W: Sie haben von Hürden gesprochen –<br />

welche meinen Sie?<br />

Artelt: Administrative, bildungspolitische,<br />

teilweise eine gewisse Trägheit im<br />

Bildungssystem. Auch die Lehrerausbildung<br />

lässt sich nicht von heute auf morgen<br />

verändern.<br />

E &W: Sind die Leseschwachen der ersten<br />

PISA-Studie von 2000 heute die neuen<br />

funktionalen Analphabeten?<br />

Artelt: Die damals 15-Jährigen sind sicherlich<br />

nicht alle zu funktionalen Analphabeten<br />

geworden. PISA 2009 hat,<br />

um die Leseschwäche exakter erfassen<br />

zu können, bei der unteren Kompetenzstufe<br />

noch einmal differenziert, so dass<br />

wir nun präzisere Aussagen über das Leseniveau<br />

machen können. Über das Na-<br />

10 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

tionale Bildungspanel<br />

(NEPS) sind wir zudem<br />

bald in der Lage, Bildungsbiografien<br />

über längere<br />

Zeiträume zu verfolgen.<br />

Diese Studie ist jedoch<br />

erst gestartet.<br />

E &W: BeiPISAhabendie<br />

Mädchen beim Lesen besser<br />

abgeschnitten als die Jungen.<br />

Doch bei Untersuchungen der<br />

Lesekompetenzen am PC haben<br />

die Knaben die Nase<br />

vorn. Wieso?<br />

Artelt: Jungen und<br />

Mädchen bevorzugen bereits<br />

bei den Printmedien<br />

unterschiedliche Textsorten.<br />

In der aktuellen<br />

PISA-Studie findet man<br />

interessante Unterschiede,<br />

welche Art der Texte im<br />

Internet von Schülerinnen<br />

oder Schülern bevorzugt<br />

gelesen werden.<br />

PISA macht aber auch<br />

deutlich, dass die Gruppe<br />

der leseschwachen und<br />

wenig lesemotivierten Jungen<br />

– vor allem mit Migrationshintergrund<br />

– besonderer<br />

Aufmerksamkeit bedarf.<br />

E &W: Schule hat den Auftrag,<br />

herkunftsbedingte Nachteile<br />

auszugleichen. Haben<br />

die Kultusminister seit 2001<br />

geeignete Maßnahmen ergriffen?<br />

Artelt: Zumindest hat die KMK sich<br />

über gemeinsame Bildungsziele – die<br />

Bildungsstandards – verständigt. Das ist<br />

ein erster wichtiger Schritt.<br />

E &W: Das reicht doch nicht aus! Die Ländervergleichsstudie<br />

<strong>2010</strong> (s. E&W 9/<strong>2010</strong>)<br />

weist darauf hin, dass sich beim Leseverständnis<br />

die Neuntklässler in den drei sozial<br />

stärksten Gruppen von denen der drei ökonomisch<br />

schwächsten um 67 Testpunkte unterscheiden.<br />

Bei Schülern mit und ohne Migrationshintergrund<br />

liegt die Differenz bei 60<br />

Testpunkten. Wie interpretieren Sie das?<br />

Artelt: Es zeigt – und das belegen ja<br />

auch andere Studien –, dass wir in<br />

Deutschland eine äußerst starke Kopplung<br />

von sozioökonomischem Status<br />

(SES) und Migrationshintergrund haben.<br />

Betrachtet man lediglich den Migrationseffekt<br />

ohne den SES, rechnet also<br />

den Effekt des sozioökonomischen<br />

Status’ heraus, stellt man fest, dass kaum<br />

noch Leistungsunterschiede zwischen<br />

Schülerinnen und Schülern mit und oh-<br />

ne Mitgrationshintergrund bestehen.<br />

Leistungsunterschiede zeigen sich also<br />

vor allem in Abhängigkeit vom SES<br />

bzw. beim Bildungshintergrund. Diese<br />

großen Unterschiede sind nicht naturgegeben,<br />

sondern können auch – das<br />

zeigen uns andere Länder – erheblich<br />

kleiner sein.<br />

E &W: Wenn man die Leseergebnisse von<br />

PISA 2000 und die des Bundesländervergleichs<br />

von <strong>2010</strong> anschaut, fällt auf, dass<br />

Bayern und Baden-Württemberg, die bei den<br />

früheren PISA-Studien Spitzenreiter waren,<br />

heute in ihren aktuellen Leseleistungen stagnieren.<br />

Artelt: Die Testmethoden sind nicht<br />

identisch. Wir haben beim Ländervergleich<br />

die Bildungsstandards als wissenschaftliche<br />

Basis und nicht die Items des<br />

internationalen PISA-Tests, der auf<br />

funktionale Kompetenzen, auf „literacy“<br />

setzt. Unterschiedliche Testinstrumente<br />

führen entsprechend zu anderen<br />

Ergebnissen. Bedauerlich ist allerdings,<br />

dass Deutschland beim Bundesländervergleich<br />

nicht mehr an PISA teilnimmt.<br />

So fehlt die Kontinuität der international<br />

vergleichenden Befunde.<br />

E &W: Gibt es eine plausible Erklärung<br />

dafür, warum bei PISA Sachsen, Bayern<br />

und Baden-Württemberg immer die vorderen<br />

Plätze belegen, Berlin, Hamburg und<br />

Bremen aber ziemlich weit abgeschlagen<br />

sind?<br />

Artelt: Wenn ein Flächenland wie Bayern<br />

oder Baden-Württemberg Spitzenwerte<br />

erreicht, ist das noch kein eindeutiger<br />

Beleg dafür, dass das Bildungssystem<br />

besser ist. Stadtstaaten wie Bremen<br />

haben beispielweise eine andere Zusammensetzung<br />

der Bevölkerung.<br />

E &W: Das klingt so, als ob die Bildungsforschung<br />

im Nebel stochert. . . .<br />

Artelt: Das tut sie sicher nicht! Man<br />

muss sich aber der Grenzen der Aussagekraft<br />

einzelner Studien bewusst sein.<br />

Querschnittstudien lassen bestimmte<br />

Schlussfolgerungen einfach nicht zu.<br />

Im Rahmen von Längsschnittstudien<br />

lässt sich z.B. genauer feststellen, was<br />

sich in Abhängigkeit von bestimmten<br />

Maßnahmen verändert. Evaluationen<br />

von Fördermaßnahmen sind deshalb so<br />

wichtig, weil sie genau ermitteln: Das ist<br />

eine zentrale Stellschraube, an der gedreht<br />

werden muss, um Kompetenzen<br />

zu verbessern. Leider werden Maßnahmen<br />

viel zu selten evaluiert.<br />

Interview: Helga Haas-Rietschel,<br />

Redakteurin der<br />

„Erziehung & Wissenschaft“


Wo bleibt das Positive?<br />

Interpretations-Wirrwarr um die PISA-Daten<br />

Seit dem ersten PISA-Test 2000 streitet das deutsche<br />

Schulforscher-Konsortium mit den internationalen<br />

Bildungs-Analysten der OECD um die Interpretation<br />

der Daten. Nach deutscher Lesart geht<br />

es schon seit Jahren aufwärts. Doch aus internationaler<br />

Sicht fehlen für übertriebene deutsche Euphorie<br />

die Belege.<br />

Der Schock bei Veröffentlichung des ersten<br />

internationalen PISA-Tests im <strong>Dezember</strong><br />

2001 hat mit zwei lang gehegten<br />

Lebenslügen des deutschen gegliederten<br />

Schulsystems aufgeräumt: Erstens<br />

sind die Leistungen deutscher Schülerinnen<br />

und Schüler nicht „Weltspitze“ – wie zuvor<br />

von der Gymnasiallobby gern unterstellt –, sondern<br />

allenfalls Mittelmaß. Zweitens ist in Deutschland mit<br />

der frühen Selektion Zehnjähriger auf weiterführende<br />

Schulen die Abhängigkeit von sozialer Herkunft<br />

und Schulerfolg so groß wie in keinem anderen vergleichbaren<br />

Industriestaat. Konservative Lobeshymnen<br />

auf das angeblich „begabungsgerechte gegliederte<br />

Schulsystem“ sind seitdem deutlich leiser geworden.<br />

Aufwändige Konstruktion<br />

Die gescholtenen Kultusminister sind seitdem auf<br />

der Suche nach positiven Nachrichten. Während etwa<br />

Italien, Kanada und die Schweiz für Regionalanalysen<br />

ebenfalls das Know how der internationalen<br />

Bildungsforscher aus der Pariser OECD-Zentrale<br />

nutzen, hat die Bundesrepublik die aufwändige Konstruktion<br />

eines „Deutschen PISA-Konsortiums“ installiert.<br />

Auffällig unterscheiden sich in markanten<br />

Punkten die Interpretationen der selben Daten in<br />

den deutschen und internationalen Veröffentlichungen.<br />

Bereits bei Vorlage der zweiten internationalen PISA-<br />

Studie 2003 hat der deutsche PISA-Forscher Manfred<br />

Prenzel die nur marginalen Punktgewinne der Bundesrepublik<br />

im Leseverständnis und in Mathematik<br />

als „großen Sprung nach vorn“ gefeiert. Die internationalen<br />

OECD-Forscher sahen dagegen den vermeintlichen<br />

deutschen Aufstieg in Lesen und Rechnen<br />

drei Jahre nach dem ersten Test eher als Folge statistischer<br />

Fehlertoleranz denn als Ergebnis tatsächlicher<br />

Schulreformen.<br />

Zum regelrechten Eklat kam es bei der Veröffentlichung<br />

der PISA-Studie 2006. Die deutsche Seite hatte<br />

das bessere Abschneiden im Untersuchungsschwerpunkt<br />

Naturwissenschaften groß herausgestellt<br />

– was eine konservative Tageszeitung gar zur<br />

Schlagzeile „Deutschlands Schüler auf dem Weg zur<br />

Weltspitze“ veranlasste. Angesichts des 13. Platzes für<br />

den Wirtschaftsriesen Bundesrepublik im globalen<br />

Leistungsranking der immer wichtiger werdenden<br />

Naturwissenschaften doch eine arg gewagte These!<br />

Foto: imago<br />

PISA<br />

Als dann die OECD-Zentrale vorsichtig auf den veränderten<br />

und um Umweltwissen erweiterten naturwissenschaftlichen<br />

Aufgabenkatalog verwies, was<br />

den Schülern hierzulande offenbar entgegenkam,<br />

flogen die Fetzen – nicht nur hinter den Kulissen. Baden-Württemberg<br />

drohte offen mit einem PISA-Ausstieg<br />

der Bundesrepublik. Das ging den Kultusministern<br />

der anderen Bundesländer allerdings dann doch<br />

zu weit.<br />

Ständiger Methodenwechsel<br />

Kaum noch nachvollziehbar ist bei den deutschen<br />

PISA-Veröffentlichungen ein wahrer Interpretations-<br />

Wirrwarr und der ständige Methoden-Wechsel bei<br />

der wohl wichtigsten PISA-Botschaft, der fehlenden<br />

Chancengleichheit. Obwohl die Untersuchung für<br />

einen Vergleich über mehrere Jahre hinweg konzipiert<br />

ist, sind bisher mit jeder deutschen Veröffentlichung<br />

die sozialwissenschaftlichen Messkriterien<br />

verändert worden. Mal setzt man – abweichend von<br />

der internationalen Linie – einen selbst entwickelten<br />

deutschen Index ein, mal weist man neben der Lesekompetenz<br />

auch kognitive Fähigkeiten aus, dann<br />

mal wieder nicht. Sauber zu vergleichen ist das alles<br />

nicht. Es bleibt der Eindruck, dass so lange gerechnet<br />

werden soll, bis eine Tendenz zum Besseren erkennbar<br />

ist.<br />

Dabei wächst der öffentliche Druck. Nach PISA<br />

2006 kommentierte eine konservative Tageszeitung,<br />

man möchte doch bitte nicht ständig im „Ulbricht-<br />

Ton“ daran erinnert werden, dass das Gymnasium in<br />

Deutschland vorwiegend eine Schule der besseren<br />

Kreise sei.<br />

Max Loewe, Bildungsjournalist<br />

Nach Veröffentlichung des<br />

ersten PISA-Tests 2001:<br />

Konservative Lobeshymnen<br />

auf das angeblich „begabungsgerechte<br />

gegliederte<br />

Schulsystem“ sind deutlich<br />

leiser geworden.<br />

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12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 11


PISA<br />

„Viel geredet – wenig getan!“<br />

12 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

<strong>GEW</strong>-Mitgliederbefragung zur Entwicklung der Lesekompetenz seit 2001<br />

Seit dem PISA-Debakel 2001 gab es<br />

politisch viele gute Absichtserklärungen,<br />

die Kultusminister verabschiedeten<br />

einen Maßnahmenkatalog. Aber<br />

was ist davon im Schulalltag angekommen?<br />

Wie beurteilen Lehrkräfte<br />

die Situation vor Ort im Klassenzimmer?<br />

Vor Veröffentlichung der aktuellen<br />

PISA-Studie befragte die <strong>GEW</strong><br />

Mitglieder zur Praxis der Leseförderung.<br />

Die aktuelle PISA-Studie hat<br />

zum zweiten Mal den<br />

Schwerpunkt Lesekompetenz.<br />

Die schlechten Ergebnisse<br />

auf diesem Feld<br />

waren Teil des PISA-<br />

Schocks nach der Veröffentlichung der<br />

ersten Studie 2001. Lesekompetenz ist<br />

zentral für den schulischen Erfolg und<br />

die Chancen junger Menschen beim<br />

Übergang von Schule in Ausbildung.<br />

Seit PISA 2000 haben sich die deutschen<br />

Befunde nur geringfügig bis kaum<br />

verbessert. Neben aller Kritik am deutschen<br />

Schulsystem gab es in den Medien<br />

stets – mit jeder neuen Studie – politische<br />

Selbstbelobigungen wie „Deutschland<br />

schließt zur Spitze auf!“ oder „Wir<br />

sind auf dem richtigen Weg“. Aus der<br />

Praxis ist das selten zu hören. Der Ein-<br />

druck der <strong>GEW</strong>: Schulpolitik reagiert<br />

nicht konsequent und systematisch genug<br />

auf das Lese-Debakel (s. Seiten 8/9).<br />

„Unbefriedigend“<br />

Die Bildungsgewerkschaft wollte daher<br />

im Vorfeld der neuen PISA-Studie von<br />

ihren Mitgliedern wissen, wie sie die bildungspolitischen<br />

Anstrengungen zur<br />

Förderung der Lesekompetenz wahrgenommen<br />

haben, was an ihren Schulen<br />

nach der ersten PISA-Studie passiert ist,<br />

wie sie selbst fördern und wie gut sie sich<br />

auf den neuen PISA-Test vorbereitet<br />

fühlen. Im Auftrag der Max-Traeger-<br />

Stiftung wurden im April <strong>2010</strong> 1940 repräsentativ<br />

ausgewählte <strong>GEW</strong>-Mitglieder<br />

aus dem allgemein schulischen Bereich<br />

online befragt. Auf den Punkt gebracht:<br />

Lehrerinnen und Lehrer messen<br />

der Lesekompetenz höchste Bedeutung<br />

bei, nehmen aber die Situation der Leseförderung<br />

als unstrukturiert und unbefriedigend<br />

wahr. Rund ein Drittel der<br />

Kolleginnen und Kollegen ist außerdem<br />

skeptisch, was die Nützlichkeit der<br />

Maßnahmen betrifft. Weitere Ergebnisse<br />

im Einzelnen:<br />

Über zwei Drittel der Lehrkräfte attestieren<br />

der Lehreraus- und -fortbildung<br />

zum Thema Leseförderung erhebliche<br />

Mängel. 70 Prozent finden, dass es zu<br />

wenig Fortbildungsangebote gibt. Fast<br />

drei Viertel der Mitglieder bescheinigen<br />

der Ausbildung, dass die Lesekompetenz<br />

in der Sek-I und Sek-II so gut wie<br />

keine Rolle spielt.<br />

Vergleichsarbeiten werden für die Leseförderung<br />

mehrheitlich nicht genutzt.<br />

Die von der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) beschlossenen Bildungsstandards<br />

haben die meisten Schulen noch<br />

nicht erreicht.<br />

Die Ressourcen für individuelle Leseförderung<br />

schätzen Lehrkräfte als völlig<br />

ungenügend ein (siehe Schaubild). Dabei<br />

geht es sowohl um zeitliche, personelle<br />

und finanzielle Mängel wie auch<br />

um lückenhafte Lehrpläne und Stundentafeln.<br />

Die Aktivitäten der Kultusministerien<br />

wirken unkoordiniert und<br />

zufällig. Sie werden von sehr vielen<br />

Lehrkräften gar nicht wahrgenommen.<br />

Nur in Schleswig-Holstein kennt ein<br />

Gros der Pädagogen Leseförderprogramme<br />

des Kultusministeriums.<br />

Bei 152 offiziellen Leseförderprogrammen<br />

(37 bundes- und 115 länderweite)<br />

ist vor allem der letzte Befund erschreckend.<br />

Er spiegelt eine Aussage wider,<br />

der rund zwei Drittel der Lehrkräfte<br />

ganz oder eher zustimmten: „Es wird<br />

viel über die Verbesserung der Lesekompetenz<br />

geredet und geschrieben, aber<br />

wenig dafür getan.“<br />

Martina Schmerr, Referentin im<br />

<strong>GEW</strong>-Organisationsbereich Schule<br />

Die Befragten zu den Aktivitäten der Kultusminister<br />

Zustimmung % „stimme „stimme<br />

ganz zu“ ganz“ oder<br />

„stimme<br />

eher zu“<br />

Die zur Verfügung stehenden zeitlichen und<br />

personellen Ressourcen reichen überhaupt<br />

nicht aus, um gezielt zu fördern.<br />

55,52 89,77<br />

Ich kenne kein Leserförderprogramm, das vom<br />

Kultusministerium empfohlen wird.<br />

44,09 68,93<br />

Die Lehrpläne und Stundentafeln messen der<br />

Lesekompetenz zu wenig Bedeutung bei.<br />

32,33 74,13<br />

Die offiziellen Leseförderprogramme des Kultusministeriums<br />

sind gut bekannt gemacht worden.<br />

4,36 15,47<br />

Schaubild


Foto: imago<br />

BILDUNGSPOLITIK<br />

Alle reden von „Revolution“<br />

Ganztagsschulkongress – Lernkultur im Mittelpunkt<br />

Auf dem 7. Ganztagsschulkongress, den das Bundesbildungsministerium<br />

(BMBF) Mitte November<br />

in Berlin veranstaltet hat, ist über eine neue<br />

Lernkultur diskutiert worden. Doch die Frage, wer<br />

den quantitativen wie qualitativen Ausbau des<br />

Ganztags finanziert, blieb offen.<br />

Ganztagsschulen sind politisch populär<br />

(s. E&W-Schwerpunkt 10/<strong>2010</strong>). Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan<br />

(CDU), der bayerische Kultusminister<br />

Ludwig Spaenle (CSU) und der ehemalige<br />

hessische Ministerpräsident Roland<br />

Koch (CDU), nun Vorsitzender des Stiftungsrates der<br />

Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS),<br />

eröffneten den Ganztagsschulkongress. Noch 2003<br />

hätten die drei konservativen Politiker das von Rot-<br />

Grün gestartete Programm am liebsten verhindert.<br />

Sieben Jahre später priesen sie Ganztagsschulen als<br />

die Schulform des 21. Jahrhunderts.<br />

Das Thema Lernkultur stand im Zentrum des DKJS-<br />

Kongresses. Nur einen Tag zuvor war die Studie zur<br />

Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) erschienen.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass Ganztagsangebote<br />

pädagogischen Erwartungen der Eltern noch zu wenig<br />

gerecht werden (s. Interview S. 14).<br />

Nach dem erfolgreichen quantitativen Ausbau stehe<br />

nun die „Revolution der Lernkultur“ an, sagte Schavan.<br />

Eine „Revolution“ forderte auch die Schülerin<br />

Charlotte aus Dresden, die schon am Tag zuvor zum<br />

Vorbereitungstreffen der Schülerinnen und Schüler<br />

angereist war. Eine Revolution der Schule: „Die<br />

Schüler müssen bestimmen können, was im Unterricht<br />

gemacht wird, anstatt dass man ihnen die Themen<br />

vorsetzt. Wir müssen unseren Stundenplan<br />

selbst bestimmen können.“<br />

Vieles hat sich bewegt<br />

Viele der 1300 Pädagogen, Schüler und Eltern sind<br />

bereits dabei, Stundenpläne und Unterricht in ihren<br />

Gerät die Bewegung<br />

ins Stocken? Ganztagsschulen<br />

sorgen<br />

sich um ihre künftige<br />

Finanzierung.<br />

Ergebnisse der Studie zur Entwicklung<br />

von Ganztagsschulen<br />

(StEG)<br />

Der regelmäßige Besuch einer Ganztagsschule<br />

kann sich positiv auf Sozialverhalten und Lernfreude<br />

der Schülerinnen und Schüler auswirken.<br />

Das zeigt die dritte Studie zur Entwicklung von<br />

Ganztagsschulen (StEG). Deutlich wird auch,<br />

dass es dabei auf die Qualität der Schule und der<br />

Angebote ankommt. Und da haben viele Schulen<br />

noch Nachholbedarf. So sind Unterricht und<br />

Angebote insbesondere an Schulen der Sekundarstufe<br />

I inhaltlich wenig miteinander verknüpft.<br />

Über drei Erhebungen hinweg konnten die Wissenschaftler<br />

keinen positiven Trend feststellen.<br />

Verantwortlich für die Untersuchung waren das<br />

Deutsche Institut für Internationale Pädagogische<br />

Forschung (DIPF), das Deutsche Jugendinstitut<br />

(DJI), das Institut für Schulentwicklungsforschung<br />

(IfS) und die Universität Gießen. Die<br />

Autoren befragten zwischen 2005 und 2009<br />

mehr als 54500 Menschen aus 328 Schulen.<br />

www.projekt-steg.de A. L.<br />

Einrichtungen umzukrempeln. Der Leiter der Montessori-Grundschule<br />

in Greifswald, Nils Kleemann,<br />

hat die Arbeitspläne seines Kollegiums so geändert,<br />

dass alle Lehrkräfte eine 35-Stunden-Woche in der<br />

Schule verbringen. Ihren Unterricht könnten sie an<br />

den mit Laptops ausgestatten Lehrerarbeitsplätzen<br />

vorbereiten. Im Klassenzimmer unterrichteten<br />

grundsätzlich immer zwei Kollegen, berichtete Kleemann.<br />

Ein Weg, den mehr Schulen gehen sollten,<br />

meinte Eike Schulz vom Jugendamt Rostock: „Aber<br />

die Schulen müssen mutig sein.“<br />

Schulleiter und Berater von Ganztagsschulen trieb<br />

die Frage um, wie es weitergehen wird. Das Bauprogramm<br />

des Bundes ist 2009 ausgelaufen. Nun sind<br />

die Länder allein für Ausstattung, Inhalte<br />

und Personal verantwortlich.<br />

Anna Davis, Ganztagsschulberaterin<br />

der Berliner Serviceagentur, äußerte<br />

die Befürchtung, dass Ganztagsschulen,<br />

die in diesem Jahr gestartet sind,<br />

finanziell weniger Hilfe erhalten<br />

könnten. In Berlin etwa beträfe das alle<br />

zu Sekundarschulen fusionierten<br />

Real- und Hauptschulen.<br />

Doch konkrete Zusagen für eine Neuauflage<br />

des Ganztagsschulprogramms<br />

machte keiner der drei Politiker. So<br />

blieb die Sorge der Teilnehmenden,<br />

dass die Ganztagsschulbewegung ins<br />

Stocken geraten könnte, im Raum.<br />

Anna Lehmann, „taz“-Redakteurin<br />

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DIREKT<br />

FAIR<br />

NACHHALTIG<br />

DE-ÖKO-005


BILDUNGSPOLITIK<br />

Foto: privat<br />

„Ein Coach an jede Schule“<br />

14 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Interview mit dem Bildungsforscher Eckhard Klieme über Ganztagsschulen<br />

Eckhard Klieme, Sprecher des StEG-<br />

Konsortiums (Studie zur Entwicklung<br />

von Ganztagsschulen), leitet den Bereich<br />

Bildungsqualität und Evaluation<br />

am Deutschen Institut für Internationale<br />

Pädagogische Forschung (DIPF). Er ist<br />

Leiter des wissenschaftlichen Konsortiums<br />

PISA 2009.<br />

Die dritte StEG-Studie zeigt, dass vor<br />

allem die Qualität der Ganztagsschulen<br />

weiterentwickelt werden muss. Das<br />

ist eine Frage der Personal- und Schulentwicklung<br />

(s. auch S. 13).<br />

E &W: Herr Klieme, Ganztagsschule wirkt<br />

sich positiv auf das Verhalten von Schülerinnen<br />

und Schülern aus, auch die Eltern fühlen<br />

sich entlastet. Aber die Leistungen der Kinder<br />

und Jugendlichen verbessern sich nicht.<br />

Sind Ganztagschulen pädagogisch gescheitert<br />

(s. E&W-Schwerpunkt 10/<strong>2010</strong>)?<br />

Eckhard Klieme: Nein, wir sehen, dass<br />

sich Ganztagsschule auch positiv auf die<br />

Lernzielorientierung, die Schulfreude<br />

und Noten auswirkt. Aber diese Effekte<br />

zeigen sich nur, wenn die Qualität der<br />

Schule stimmt.<br />

E &W: Was macht eine gute Ganztagsschule<br />

aus?<br />

Klieme: Die Beziehung zwischen Lehrenden,<br />

Betreuern und Schülern muss<br />

stimmen, damit die Heranwachsenden<br />

überhaupt bereit sind, Angebote zu nutzen.<br />

Wichtig ist außerdem, dass an der<br />

Schule individuelle Förderung ernst genommen<br />

wird, etwa durch unterschiedliche<br />

Aufgabenstellungen und zusätzliche<br />

Lernbegleitung bei einzelnen Jugendlichen.<br />

Ein dritter entscheidender<br />

Faktor ist die Qualität der Angebote. Sie<br />

müssen Schüler motivieren, sie müssen<br />

mit einbezogen und ernst genommen<br />

werden. Aber auch gute Strukturierung,<br />

Verständlichkeit und kognitive Herausforderung<br />

gehören dazu.<br />

E &W: Entscheidend ist also nicht, dass eine<br />

Schule viel anbietet, sondern was sie anbietet?<br />

Klieme: Unsere Studie hat gezeigt, dass<br />

die Vielfalt der Angebote nicht so relevant<br />

ist. Wenn man etwa Leistungen im<br />

Sprachbereich fördern will, muss man<br />

Schwerpunkte setzen. Wenn der Sprachlehrer<br />

dann noch ein echter Profi ist und<br />

eng mit der Deutschlehrerin zusammenarbeitet,<br />

gewinnt man an Qualität.<br />

Auf die kommt es an.<br />

E &W: Doch haben die Schulen seit dem<br />

Start des Programms kaum Fortschritte gemacht,<br />

Unterricht und Angebote zu verbinden.<br />

Ist das so kompliziert?<br />

Klieme: Die Verbindung von Angeboten<br />

und Unterricht ist kein pädagogisches<br />

Wunderwerk. In den Grundschulen ist sie<br />

sogar enger geworden, im Sekundarbereich<br />

nur an einzelnen Schulen. Ein wichtiger<br />

Schritt ist, dass die Schule ihre Lehrkräfte<br />

mehr einbindet in die Nachmittagsgestaltung.<br />

Und sie muss den Zeitablauf<br />

in der Woche so umgestalten, dass<br />

die Elemente verzahnt werden können.<br />

E &W: Das klingt so einfach. Wie kann die<br />

Politik die Schulen dabei unterstützen?<br />

Klieme: Dazu sagt unsere Studie erst<br />

einmal nichts, weil wir nur die Schulen<br />

selbst begleitet haben. Ich persönlich<br />

bin davon überzeugt, dass sich vor allem<br />

die Ausbildung der Pädagogen ändern<br />

muss, aber auch Arbeitszeitmodelle und<br />

Bezahlung. Ich finde es bewundernswert,<br />

wie in einigen Schulen Lehrkräfte,<br />

Erzieher und anderes pädagogisches<br />

Personal Hand in Hand arbeiten.<br />

E &W: Also muss sich nicht nur die Schule,<br />

sondern auch ihr Umfeld verändern?<br />

Klieme: Die Schulen müssen verlässliche<br />

Partner von außen reinholen. Daran<br />

arbeiten die Länder, beispielsweise indem<br />

sie Verträge mit Verbänden und der<br />

Jugendhilfe abschließen. Das Wichtigste:<br />

Die Menschen vor Ort müssen miteinander<br />

kommunizieren. Das setzt voraus,<br />

dass die pädagogischen Partner längerfristig<br />

beschäftigt sind und nicht ständig<br />

jemand Neues kommt. Wenn die<br />

pädagogischen Partner an Entscheidungen<br />

für den Ganztag beteiligt werden,<br />

entwickelt sich die Kooperation besser,<br />

die Verzahnung mit dem Unterricht wird<br />

enger. Das wirkt sich übrigens auch auf<br />

die Zufriedenheit der Eltern aus.<br />

E &W: Das Ganztagsschulprogramm ist<br />

seit 2009 beendet. Manche befürchten, dass<br />

die Entwicklung stockt. Teilen Sie die Besorgnis?<br />

Klieme: Ich glaube nicht, dass es zum<br />

Stillstand kommt. Aber es ist noch viel<br />

ungeklärt: Wer trägt die Investitionen für<br />

Baumaßnahmen an weiteren Schulen,<br />

wer trägt die Kosten für sozialpädagogisches<br />

Personal, wer finanziert pädagogische<br />

Weiterbildung und Beratung? Das<br />

sind Fragen, die zwischen Bund und<br />

Ländern noch nicht ausdiskutiert sind.<br />

E &W: Brauchen wir eine gemeinsame Aktion,<br />

brauchen wir ein zweites Ganztagsschulprogramm?<br />

Klieme: Aus unserer Studie folgt vor allem,<br />

dass man mehr tun muss, um die<br />

Qualität weiterzuentwickeln. Das ist<br />

letztlich eine Frage der Personal- und der<br />

Schulentwicklung. Man braucht Experten,<br />

die Schulen in Planungsprozessen<br />

beraten. Man braucht im optimalen Fall<br />

Experten, die in der Lage sind, Lehrkräfte<br />

zu coachen. Coaching ist eine der besten<br />

Methoden, um Unterricht zu verbessern.<br />

E &W: Ein Coach an jede Schule?<br />

Klieme: Das wäre ideal, wenn Pädagogen<br />

bei Bedarf eine professionelle Hilfe<br />

zur Seite gestellt würde, die mit ihnen<br />

arbeitet, den Unterricht besucht und<br />

Anregungen gibt. Man kann verstärkt<br />

Berater an jene Schulen entsenden, die<br />

einen besonderen Bedarf haben. Da gibt<br />

es bereits gute Modelle. Bremen etwa<br />

hat massiv in Fortbildung und Beratung<br />

investiert, um Schulen in so genannten<br />

Brennpunkten zu unterstützen. Man<br />

muss aber nicht immer Experten von<br />

außen einkaufen. Man kann Lehrkräfte<br />

einer Schule auch dazu bringen, mehr<br />

miteinander zu arbeiten.<br />

E &W: Wie?<br />

Klieme: Etwa indem Kolleginnen und<br />

Kollegen wechselseitig hospitieren. So<br />

bekommt man als Lehrkraft neue Ideen<br />

und kann sich unterstützt fühlen in einem<br />

guten Team.<br />

Interview: Anna Lehmann,<br />

„taz“-Redakteurin


Foto: Paul Schwarz<br />

INKLUSION<br />

„Deutschland braucht<br />

ein inklusives<br />

Bildungswesen!“<br />

Interview mit Vernor Muñoz<br />

Vernor Muñoz, UN-Sonderberichterstatter<br />

für das Recht auf Bildung<br />

Beim Kölner Kongress „Eine<br />

Schule für alle“ des Vereins „mittendrin<br />

e.V.“ sprach Prof. Vernor<br />

Muñoz aus Puerto Rico über<br />

„Deutschland und die UN-Behindertenrechtskonvention“.<br />

Am Rande der Tagung führte<br />

Paul Schwarz ein Gespräch mit<br />

Muñoz.<br />

E &W: Herr Muñoz, was fällt Ihnen<br />

ein, wenn Sie „deutsches Bildungssystem“<br />

hören?<br />

Vernor Muñoz: Der erste Gedanke<br />

ist der einer großen Herausforderung<br />

und Veränderung, die ganz<br />

langsam eingeleitet worden ist,<br />

ganz vorsichtig und etwas schüchtern,<br />

die sich aber beschleunigen<br />

wird.<br />

E &W: Konkret, welche Veränderungen<br />

sind das, auch mit Blick auf den<br />

internationalen Vergleich?<br />

Muñoz: Die Hauptherausforderung<br />

ist, ein inklusives Schulwesen<br />

zu schaffen. Damit meine ich<br />

nicht nur ein System, das auch allen<br />

behinderten Kindern und Jugendlichen<br />

offensteht, sondern eines,<br />

das zudem Migranten stärker<br />

fördert. Diese haben bisher in<br />

Deutschland große Schwierigkeiten,<br />

ihre Chancen wahrzunehmen.<br />

E &W: Deutschland hat die Reformpädagogik<br />

erfunden, dennoch hinken<br />

wir im internationalen Vergleich hinterher.<br />

Wie erklärt sich das?<br />

Muñoz: Menschen mit Migrationshintergrund,<br />

aber auch Deutsche,<br />

die in sozioökonomisch<br />

schwierigen Verhältnissen leben,<br />

sind bisher im Bildungssystem<br />

nicht so gefördert worden, wie es<br />

hätte sein sollen. Die Antworten,<br />

die das deutsche Schulsystem auf<br />

die Bedürfnisse dieser Gruppe gefunden<br />

hat, waren nicht richtig<br />

und angemessen. Die demografische<br />

Zusammensetzung in<br />

Deutschland wird sich in den<br />

nächsten 30 Jahren grundlegend<br />

verändern. Wenn man die Bevölkerungsgruppen,<br />

die bisher benachteiligt<br />

waren, nicht einbezieht<br />

und fördert, wenn man ihnen<br />

nicht die Chancen gibt, die sie verdienen<br />

und brauchen, könnte das<br />

in der Zukunft zu ernsthaften Problemen<br />

führen. Die Bildungsreform<br />

sollte sich nicht nur auf technische<br />

und pädagogische Aspekte<br />

konzentrieren, sondern auch auf<br />

den rechtlichen Anspruch, dass alle<br />

die gleichen Chancen erhalten.<br />

E &W: Was bedeutet das für die<br />

Struktur?<br />

Muñoz: In Deutschland gibt es eine<br />

Spaltung in der Bevölkerung.<br />

Die Kinder und Jugendlichen werden<br />

aufgeteilt und klassifiziert –<br />

und das zu einem frühen Zeitpunkt<br />

im Alter von zehn Jahren.<br />

Diese Auslese nehmen häufig<br />

Lehrkräfte vor, die nicht immer in<br />

der Lage sind, die Situation richtig<br />

einzuschätzen. Das deutsche<br />

Schulwesen basiert auf einem System,<br />

das eher teilt als zusammenführt,<br />

es spaltet die Gesellschaft.<br />

Die Grundschulstudie IGLU hat<br />

z.B. nachgewiesen, dass über 40<br />

Prozent der Klassifizierung der<br />

Kinder nicht „richtig“ war, dass die<br />

Schüler „falsch“ zugewiesen worden<br />

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Medizin<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 15


INKLUSION<br />

Literaturtipps<br />

s. auch: Hartmann,<br />

Michael:<br />

Die deutschen Spitzenmanager,<br />

in: Kursbuch Nr. 139,<br />

Die deutschen Eliten,<br />

S.97-109.<br />

Bildung und andere<br />

Privilegien,<br />

in: Kursbuch Nr. 143,<br />

Neidgesellschaft, März,<br />

S. 39-53.<br />

Eliten in Deutschland –<br />

Rekrutierungswege und<br />

Karrierepfade. In: Das<br />

Parlament, Politik und<br />

Zeitgeschichte 10, 2004,<br />

S. 17-21.<br />

Eliten und Macht in<br />

Europa. Ein internationaler<br />

Vergleich. Frankfurt<br />

a. Main, 2007.<br />

UN-Sonderberichterstatter<br />

Vernor Muñoz:<br />

„Auf meiner offiziellenUN-Mission<br />

nach Deutschland<br />

2006 habe<br />

ich bereits festgestellt,<br />

dass Kinder<br />

mit Migrationshintergrund<br />

in<br />

Hauptschulen<br />

über- und in Gymnasienunterrepräsentiert<br />

sind.<br />

Das zeigt, dass<br />

sie nicht die gleichenBildungschancen<br />

haben<br />

wie deutsche<br />

Kinder.“<br />

Foto: imago<br />

UN-Mission nach Deutschland 2006<br />

habe ich ja bereits festgestellt, dass Kinder<br />

mit Migrationshintergrund in<br />

Hauptschulen über- und in Gymnasien<br />

unterrepräsentiert sind. Das zeigt, dass<br />

sie nicht die gleichen Bildungschancen<br />

haben wie deutsche Kinder.<br />

E &W: Wir reden ständig von Globalisierung<br />

und übernehmen, was die Wirtschaft<br />

angeht, manches von anderen Ländern.<br />

Warum tut sich Deutschland so schwer, von<br />

anderen Staaten in Sachen Bildung zu lernen?<br />

Muñoz: Das Bildungswesen in<br />

Deutschland hat eine sehr alte, sehr<br />

feste Struktur, die bis heute die Ständeordnung<br />

des 19. Jahrhunderts widerspiegelt.<br />

Es ist sehr schwierig, diese Strukturen<br />

aufzubrechen und zu verändern.<br />

Dazu kommt, dass das Bildungssystem<br />

bestimmte Privilegien beinhaltet. Soviel<br />

ich weiß, gibt es keinen führenden Politiker,<br />

der Abgänger einer Hauptschule<br />

ist. Die meisten Politiker in Deutschland<br />

sind wohl Gymnasiasten gewesen.<br />

(Literaturhinweise s. Marginalspalte)<br />

E &W: Kommen wir zur inklusiven Schule.<br />

Welche Vorteile hat sie? Wir haben doch gute<br />

Förderschulen?<br />

Muñoz: Ein inklusives Schulsystem hat<br />

Vorteile für alle Beteiligten. Man lernt<br />

Solidarität, Gerechtigkeit, Menschenwürde.<br />

Dies gilt für die behinderten und<br />

nichtbehinderten Kinder. In einem Bildungssystem<br />

wie in Deutschland, in<br />

dem die Schule Auslese- und Zuteilungsfunktion<br />

hat, kann keine Gleichheit<br />

bestehen – aus Prinzip. Es ist<br />

pädagogisch richtig, allen das Recht zu<br />

geben, lange gemeinsam zu lernen –<br />

16 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

und in den Städten zusammenzuleben:<br />

Einheimische, Migranten, Anhänger<br />

verschiedener Religionen, Arme und<br />

Reiche, Behinderte. So sollte es auch in<br />

den Schulen sein.<br />

E &W: Gemeinsam lernen. Wie lange?<br />

Muñoz: Für die gesamte Schullaufbahn.<br />

E &W: Die Vereinten Nationen haben vor<br />

einem Jahr die Konvention über die Rechte<br />

von Menschen mit Behinderungen verabschiedet.<br />

Welche Beobachtungen machen Sie<br />

bei der Umsetzung?<br />

Muñoz: Die inklusive Bildung hinterfragt<br />

die historische Struktur im deutschen<br />

Schulwesen. Deshalb ist es nicht<br />

so einfach, Veränderungen umzusetzen.<br />

Ich spreche immer wieder mit Lehrkräften,<br />

die an dieser pädagogischen Revolution<br />

interessiert sind, aber nicht wissen,<br />

wo sie beginnen sollen. In den Entwicklungsländern<br />

sind die Klassen häufig<br />

sehr viel größer als in Europa: 40<br />

Schüler und mehr. Wenn man dort den<br />

Lehrkräften sagen würde, ihr seid verpflichtet,<br />

drei Kinder mit Down-Syndrom<br />

und zwei psychisch Behinderte<br />

aufzunehmen, könnten sie damit nicht<br />

umgehen. Sie wären völlig schockiert<br />

und de facto nicht darauf vorbereitet.<br />

Was mir aber sehr interessant und bewegend<br />

erscheint: Lehrkräfte, die mit einer<br />

solchen Situation konfrontiert sind, lösen<br />

diese in ihrer täglichen Schularbeit<br />

auch irgendwie. Es kommt ja auch hier<br />

vor, dass Lehrkräfte Schüler in ihre Klasse<br />

bekommen, die etwa die deutsche<br />

Sprache nicht beherrschen. Damit müssen<br />

sie dann auch umgehen. Freilich –<br />

auf das Engagement und den guten Wil-<br />

len der Lehrkräfte dürfen wir alleine<br />

nicht setzen. Es muss eine Politik, einen<br />

öffentlichen Willen geben und Pläne<br />

auf nationaler Ebene, die sich für Inklusion<br />

einsetzen. Natürlich braucht man<br />

dafür auch finanzielle Mittel.<br />

E &W: Wie hilfreich ist da das föderale System<br />

mit 16 Bundesländern?<br />

Muñoz: Deutschland ist nicht der einzige<br />

Staat, der über ein sehr kompliziertes<br />

Bildungswesen verfügt. Es gibt andere<br />

Länder, in denen es noch schwieriger ist.<br />

In der Bundesrepublik hat die Verwaltung<br />

des Schulwesens in der Vergangenheit<br />

ganz gut funktioniert. Trotzdem<br />

müsste die Bundesregierung bzw. der<br />

Bund etwas direkter eingreifen, um die<br />

Chancengleichheit im Bildungswesen<br />

voranzutreiben.<br />

E &W: Welche Empfehlungen würden Sie<br />

der deutschen Politik geben?<br />

Muñoz: Zuerst müssten Gesetze her,<br />

die für die Umsetzung der Konvention<br />

der Rechte behinderter Menschen sorgen.<br />

Man braucht eine Politik, die Übergangspläne<br />

erarbeitet, weg von einem<br />

System der Sonder- hin zu einem inklusiver<br />

Schulen. Natürlich sind auch die<br />

finanziellen Mittel für die Umsetzung<br />

notwendig. Zudem müssen die Eltern<br />

der behinderten Kinder und die Schüler<br />

größere Teilhabe erhalten. Sie sind einzubeziehen,<br />

wenn neue Methoden des<br />

Lernens und des gegenseitigen Miteinanders<br />

entwickelt werden. Sie brauchen<br />

eine neue und gerechtere Form der<br />

Bildung.<br />

Interview: Paul Schwarz,<br />

freier Journalist, Filmautor


Foto: dpa<br />

Das Thema „Inklusion“<br />

ist in der pädagogischen<br />

Ausbildung kaum verankert.<br />

Mehr als ein Label<br />

<strong>GEW</strong>-Tagung: „Profession braucht Inklusion“<br />

Auf der <strong>GEW</strong>-Tagung „Profession<br />

braucht Inklusion“ debattierten Ende<br />

Oktober rund 40 Pädagoginnen und<br />

Pädagogen, viele in der Erzieherausbildung<br />

tätig, in Fulda über ihr professionelles<br />

Selbstverständnis. Die Experten<br />

fassten zusammen, wie Inklusion<br />

in der pädagogischen Ausbildung verankert<br />

ist. Ergebnis: fast gar nicht –<br />

außer in Bildungsgängen, die „Inklusion“<br />

im Titel tragen.<br />

Im 13. Kinder- und Jugendbericht<br />

der Bundesregierung steht ein<br />

Satz, der an Deutlichkeit nichts zu<br />

wünschen übrig lässt: „Die Bundesregierung<br />

unterstützt den inklusiven<br />

Ansatz (...) nachdrücklich.“<br />

Dass die Realität an Schulen von<br />

einer „Perspektive, die keine Aussonderung<br />

akzeptiert“ weit entfernt ist, ist bekannt.<br />

Der frühkindlichen Bildung<br />

stellt die Kommission, die den Bericht<br />

erstellt hat, ein besseres Zeugnis aus.<br />

„Wenn überhaupt irgendwo Inklusion<br />

umgesetzt ist“, sagte ihr Vorsitzender<br />

Heiner Keupp, „dann bei den Kitas.“ Dabei<br />

ist auch das noch optimistisch.<br />

Denn obwohl acht von 16 Ländern ihre<br />

Curricula für die Erzieherausbildung<br />

seit 2005 überarbeitet haben, sprechen<br />

nur Berlin und Brandenburg von „Inklusion“.<br />

In allen anderen Ländern, erklärte<br />

Rolf Janssen, der für die Weiterbildungsinitiative<br />

Frühpädagogische Fachkräfte<br />

(WIFF) Rahmenpläne verglich,<br />

ist von „Integration“ die Rede. Schwerer<br />

noch mag wiegen, dass „Interkulturalität“<br />

und „Leben mit Behinderung“ nur<br />

in Hamburg, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg<br />

als Querschnittsthemen<br />

behandelt werden. In manchen<br />

Ländern ist Integration bloß Wahlpflichtfach<br />

– oder nicht einmal das. In<br />

Nordrhein-Westfalen (NRW), das bundesweit<br />

jede vierte Erzieherin ausbildet,<br />

wird der Umgang mit Kindern mit Besonderheiten<br />

laut Janssens Synopse in<br />

der allgemeinen Ausbildung schlicht abgelehnt.<br />

Integratives Erziehen wird den<br />

Heilpädagogen in „multiprofessionellen<br />

Teams“ überlassen. Wie weit die Annahme,<br />

dass es von diesen genug gäbe,<br />

von der Realität entfernt ist, machte die<br />

stellvertretende baden-württembergische<br />

<strong>GEW</strong>-Vorsitzende Petra Kilian<br />

deutlich: „Es fehlt nicht nur an Ausbildung.<br />

Es fehlt auch an personellen Ressourcen.“<br />

Wie eine andere Ausbildung aussehen<br />

könnte, machen einige Hochschulen<br />

vor. In Fulda bereitet der berufsbegleitende<br />

Studiengang „Frühkindliche Inklusive<br />

Bildung“ die Studierenden acht<br />

Semester auf die Vielfalt in einer inklusiven<br />

Einrichtung vor. Bunt gemischt<br />

werden dabei bereits die Kommilitoninnen<br />

und Kommilitonen: Abiturienten,<br />

Erzieherinnen mit Berufserfahrung sowie<br />

Quereinsteiger studieren gemeinsam.<br />

Schon die Mischung, erläuterte<br />

Studiengangs-Leiterin Sabine Lingenauber,<br />

habe auch ein pädagogisches Ziel:<br />

„Wer in heterogenen Gruppen studiert,<br />

wird auch im Beruf besser damit umgehen<br />

können.“<br />

„Radikaler Umbau nötig“<br />

In Darmstadt gibt es das grundständige<br />

Vollstudium „Integrative Heilpädagogik/Inclusive<br />

Education“. In einem<br />

zehnsemestrigen Master-Studiengang –<br />

acht bis zum Bachelor – erörtern die<br />

Studierenden Grundlagen etwa von<br />

Theodor W. Adornos „Erziehung nach<br />

Auschwitz“ bis zu Theorien über aussondernde<br />

Strukturen in der Gesellschaft.<br />

Praktisches Highlight: Die Studierenden<br />

müssen in einem obligatorischen<br />

Auslandssemester in einer fremden<br />

Sprache ein inklusives Projekt umsetzen.<br />

Anne Dore Stein, Gründerin des<br />

Studiengangs: „In einer ungewohnten<br />

Umgebung, ganz konkret und im Detail<br />

zu sagen, warum z.B. alle gemeinsam<br />

lernen sollen, übt für die spätere Praxis<br />

in Deutschland ungemein.“ Die Absolventen<br />

des Studiengangs sollen Inklusion<br />

als „Wegbereiter, Brückenbauer, Katalysatoren“<br />

in den Einrichtungen vorantreiben.<br />

Allerdings, schränkt Stein<br />

sogleich ein: „Weit mehr als das Label<br />

‚Inklusion‘ benötigt das deutsche Bildungssystem<br />

einen radikalen Umbau.“<br />

Der ist, darauf wurde in Fulda immer<br />

wieder verwiesen, jedoch noch in weiter<br />

Ferne.<br />

<strong>GEW</strong>-Schulexpertin Marianne Demmer<br />

stellte klar, warum Profession nicht nur<br />

Inklusion braucht – sondern Inklusion<br />

auch Profession. Nur eine gute Ausbildung<br />

könne die Sorgen der Pädagoginnen<br />

und Pädagogen zerstreuen, mit<br />

„Anderen“ – ob Kinder mit Behinderungen,<br />

Verhaltensauffälligkeiten oder<br />

Migrationshintergrund – nicht angemessen<br />

umgehen zu können. Erst dann,<br />

so Demmer, ließe sich „wissenschaftlich<br />

längst widerlegten Mythen“ der Nährboden<br />

entziehen: „Inklusion bremst<br />

nicht die Leistungsstärkeren. Und in homogenen<br />

Gruppen lernt man nicht besser.“<br />

Jeannette Goddar, freie Journalistin<br />

INKLUSION<br />

Der Studiengang<br />

„Frühkindliche<br />

Inklusive Bildung“ an<br />

der Hochschule Fulda:<br />

www.fruehkindlicheinklusive-bildung.de<br />

Der Studiengang IntegrativeHeilpädagogik/Inclusive<br />

Education<br />

an der Evangelischen<br />

Fachhochschule Darmstadt:heilpaedagogik.efhd.de/heilpaedagogik_<br />

ba_start.php<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 17


BILDUNGSPOLITIK<br />

Warum weint ein Kind nach der Schule?<br />

Der Arbeitsalltag von Schulpsychologen hat sich geändert<br />

Warum weint ein Kind immer, wenn<br />

es aus der Schule kommt? Wie geht<br />

man im Unterricht mit einem ständigen<br />

Störer um? Wie hilft man einer gemobbten<br />

Schülerin? Fälle, bei denen<br />

man im Schulalltag oft die Hilfe und<br />

Unterstützung von Schulpsychologen<br />

braucht. Das Dilemma: Es gibt immer<br />

noch viel zu wenige für viel zu viele<br />

Schülerinnen und Schüler.<br />

Köln-Dellbrück ist kein Problemstadtteil,<br />

sondern ein<br />

ruhiger, fast dörflicher Vorort.<br />

Ellen Glanz-Born, die<br />

Schulpsychologin, kommt<br />

gerade aus dem Unterricht.<br />

15 Schulen hat sie zu betreuen. Einmal<br />

im Monat ist sie hier, um das Verhalten<br />

der Kinder zu beobachten, deren Eltern<br />

sie um Rat gefragt haben. „Warum weint<br />

mein Kind immer, wenn es aus der<br />

Schule kommt?“ „Meine Tochter hat<br />

solche Schwierigkeiten mit dem Rechnen.<br />

Ist das Dyskalkulie?“ Die Eltern erwarten<br />

häufig von ihr eindeutige Diagnosen<br />

– in der Illusion, das sei schon<br />

eine Lösung ihrer Probleme, meint<br />

Glanz-Born.<br />

Sie will die gängigen Vorurteile gegenüber<br />

Schulpsychologen widerlegen.<br />

Nein, sie teste nicht nur Kinder auf<br />

Schulreife, Hoch- oder Tiefbegabung,<br />

ADHS oder sonstige Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Die erfahrene Psychologin<br />

hält mehr von ausführlichen Gesprächen.<br />

Denn oft sind es Beziehungsprobleme<br />

zwischen Eltern und Kindern,<br />

zu Lehrkräften oder Mitschülern,<br />

wenn es um Leistungsversagen geht. Die<br />

Psychologin nimmt sich viel Zeit für Eltern<br />

und Kinder. Sie sitzt auch nicht nur<br />

in ihrer Beratungsstelle, sondern ist in<br />

15 Schulen unterwegs, sieht sich Unterricht<br />

an, berät und bildet Pädagogen<br />

fort. Und sie kommt zu Elternabenden,<br />

wenn man sie darum bittet. Zum Beispiel,<br />

um etwas über die Probleme beim<br />

Schulwechsel zu erzählen oder um Eltern<br />

und Lehrende zu beraten, wenn<br />

diese einen Verhaltenskodex für die<br />

Schule entwerfen.<br />

Lernversagen, Leistungsschwächen, Aufmerksamkeitsstörungen,<br />

Mobbing –<br />

diese Probleme und Fragen sind der Alltag<br />

der 18 Kölner Schulpsychologen. Jeder<br />

von ihnen hat rund 6000 Schülerinnen<br />

und Schüler zu betreuen. Das ist<br />

Foto: imago<br />

18 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

schon eine relativ günstige Relation.<br />

Besser schneiden nur die Stadtstaaten<br />

ab. Berlin erreicht als einziges Bundesland<br />

ein Verhältnis von gut 5000 Schülerinnen<br />

und Schülern auf eine Psychologin,<br />

einen Psychologen. Das ist die<br />

Zielmarke, die die Bund-Länder-Kommission<br />

für Bildungsplanung (BLK)<br />

1974 beschlossen hatte. Davon ist man<br />

noch heute weit entfernt. 2008 gab es in<br />

Deutschland für 16500 Kinder einen<br />

Schulpsychologen. Nur in China sei die<br />

Relation noch schlechter, wie der Psychologe<br />

Rainer Dollase in einem Gutachten<br />

für die <strong>GEW</strong> Niedersachsen* feststellte.<br />

Italien und Albanien können<br />

sich einen Psychologen für etwa 500<br />

Kinder leisten, die USA einen für je<br />

1000 Schülerinnen und Schüler. In Niedersachsen<br />

dagegen hat ein Psychologe<br />

über 28 000 Kinder und Jugendliche zu<br />

betreuen.<br />

„Eigentlich müsste es für tausend Schüler<br />

einen Psychologen geben“, ist Stefan<br />

Drewes, Vorsitzender der Sektion Schulpsychologie<br />

im Bundesverband Deutscher<br />

Psychologen (BDP) und Leiter des<br />

schulpsychologischen Dienstes in Düsseldorf,<br />

überzeugt. In den frühen 1970er-<br />

Jahren etwa hatten alle Gesamtschulen in<br />

Nordrhein-Westfalen (NRW) einen eigenen<br />

Schulpsychologen. Der Vorteil: Das<br />

Angebot war im wahrsten Sinne des Wortes<br />

niedrigschwellig. Schüler und Lehrkräfte<br />

konnten in der Pause vorbeikommen.<br />

Dass die letzte CDU/FDP-Landesregierung<br />

diese schulinternen Stellen gestrichen<br />

hat, war eine der Maßnahmen,<br />

mit denen sie den Gesamtschulen das Leben<br />

erschweren wollte.<br />

Drewes hält allerdings nichts davon,<br />

Schulpsychologen ins Kollegium einzu-<br />

binden. „Der Schulpsychologe braucht<br />

ein Stück Abstand, er muss von außen<br />

auf das System gucken können“, sagt er.<br />

Es erleichtere Eltern und Kindern den<br />

Zugang, wenn der Psychologe nicht<br />

zum Kollegium gehöre.<br />

Das Arbeitsfeld des Psychologen habe<br />

sich gewandelt, berichtet der BDP-Vorsitzende.<br />

Statt nur Einzelfallhilfe böten<br />

die Schulpsychologen heute mehr Beratung<br />

und Unterstützung für Lehrerinnen<br />

und Lehrer an. Drewes: „Wir brauchen<br />

Sozialpädagogen und Psychologen,<br />

die die Lehrkräfte im Unterrichtsalltag<br />

unterstützen. Die müssen wissen,<br />

welchen Schulpsychologen sie anrufen<br />

können, der ihnen in schwierigen Situationen<br />

zur Seite steht.“<br />

Eine neutrale Position außerhalb der<br />

Schulhierarchie habe der Akzeptanz der<br />

Schulpsychologen genützt, bestätigt<br />

auch Wolfgang Ehinger, Schulpsychologe<br />

in Tübingen und Vorsitzender des badenwürttembergischen<br />

Verbands der Schulpsychologen.<br />

In seinem Bundesland sind<br />

die Planstellen für Schulpsychologen seit<br />

2007 nahezu verdoppelt worden – nicht<br />

zuletzt eine Folge der Amokläufe. Ehinger<br />

befürchtet allerdings, dass die Position<br />

der Psychologen als unabhängige<br />

Berater eingeschränkt werden könnte,<br />

wenn man diese in die Strukturen der<br />

Schulaufsichtsbehörden einbinde.<br />

Fest steht: Arbeitsumfang und Aufgaben<br />

der Schulpsychologen wachsen.<br />

Aber nicht, weil die Krisen- und Katastrophenfälle<br />

häufiger geworden sind.<br />

Sondern, so Drewes, weil der alltägliche<br />

Druck auf die Schüler, etwa durch die<br />

verkürzte gymnasiale Schulzeit (G 8),<br />

zunehme.<br />

Karl-Heinz Heinemann, freier Journalist<br />

* Rainer Dollase: Situation<br />

der Schulpsychologie<br />

in Deutschland und<br />

in Niedersachsen im internationalen<br />

Vergleich,<br />

Februar <strong>2010</strong>, Gutachten<br />

im Auftrag der Max-<br />

Traeger-Stiftung der<br />

<strong>GEW</strong> (www.gew-nds.de/<br />

Aktuell/archiv_jan_10/<br />

Situation_der_<br />

Schulpsychologie_in_<br />

Deutschland_und_<br />

Niedersachsen.pdf)<br />

Warum ist ein<br />

Kind traurig,<br />

wenn es von der<br />

Schule nach Hause<br />

kommt? Wird<br />

es gemobbt? Hat<br />

es Angst vor Versagen?<br />

Eltern und<br />

Lehrkräfte sind in<br />

solchen Fällen oft<br />

ratlos. Helfen<br />

können Schulpsychologen.


Dialog<br />

Lebensformen und Beziehungen im Alter<br />

Allein leben – nicht einsam<br />

Die Lebensstile werden bunter:<br />

Ältere Menschen leben öfter<br />

allein – und zwar nicht nur nach<br />

dem Tod des Partners oder der<br />

Partnerin. Es gibt mehr Scheidungen,<br />

mehr Alleinstehende<br />

und Kinderlose.Viele sortieren<br />

deshalb ihre sozialen Beziehungen<br />

neu, beugen bewusst Isolation<br />

und Einsamkeit im Alter<br />

vor. Das erfordert Initiative und<br />

Engagement.<br />

Lebensqualität, Hilfe in kritischen<br />

Lebenslagen: Dafür wünschen sich<br />

die meisten Menschen bis ins<br />

hohe Alter hinein stabile soziale Beziehungen<br />

– in der Familie und im Freun-<br />

deskreis. Doch unsere Zeit sei von gegenläufigen<br />

Tendenzen geprägt, häufiger<br />

brächen schlecht gepflegte Kontakte und<br />

Freundschaften im Alter weg, erklärt<br />

Prof. Ansgar Thiel. Als Gründe nennt er<br />

die Belastungen der modernen Arbeitswelt,<br />

die geforderte große Mobilität mit<br />

Umzügen, Dienstreisen und beruflicher<br />

Verfügbarkeit. „In jungen Jahren verausgaben<br />

sich viele Menschen am Arbeitsplatz.<br />

Darüber zerbrechen Freundschaften,<br />

Hobbygruppen und familiäre Bezüge“,<br />

stellt der Wissenschaftler fest. Isolation<br />

werde gerade von „sehr aktiven<br />

Machern“ umso schmerzlicher erfahren,<br />

sobald sie den Ruhestand erreichten.<br />

Das gelte nicht nur für Singles, sondern<br />

auch für verheiratete Männer. Die stell-<br />

Cartoon: Brecheis<br />

ten nämlich zuhause verwundert fest:<br />

„Meine Frau ist ständig auf Achse, trifft<br />

ihren Bekanntenkreis und geht ihren<br />

Hobbys nach – und ich habe nichts zu<br />

tun!“ Frauen sind unter anderem aufgrund<br />

ihrer höheren Lebenserwartung<br />

häufiger als Männer im Alter alleinstehend;<br />

aber sie sind in der Regel besser sozial<br />

vernetzt und aktiver.<br />

Thiel hat das Leben von Ruheständlern<br />

untersucht und bietet Seminare für Betroffene<br />

und Übungsleiter an – mit Tipps,<br />

den Alltag im Alter zu bewältigen. Dabei<br />

fällt ihm auf: „Für die heutigen Älteren,<br />

die körperlich fit und geistig rege sind,<br />

gibt es kaum adäquate Freizeitangebote,<br />

wenn sie nach dem Beruf wieder im Gemeinschaftsleben<br />

Fuß fassen wollen.“<br />

4/<strong>2010</strong><br />

Inhalt<br />

Titel<br />

Lebensformen und<br />

Beziehungen im Alter:<br />

Allein leben –<br />

nicht einsam<br />

Seite 1– 2<br />

Interviews:<br />

Freundschaften<br />

pflegen<br />

Keinesfalls ins<br />

„Altengetto“<br />

Seite 3<br />

Sozial integriert –<br />

auch ohne Familie:<br />

Mehr Miteinander!<br />

Seite 4<br />

In Kürze<br />

Zwischen Pflege<br />

und Beruf<br />

Pflegezeit schöngeredet<br />

Seite 4<br />

Dialog 4/10 1


2<br />

*Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend<br />

(BMFSFJ): Altern im<br />

Wandel. Zentrale<br />

Ergebnisse des<br />

Deutschen Alterssurveys(DEAS).Veröffentlicht<br />

am<br />

8. September <strong>2010</strong>.<br />

www.bmfsfj.de<br />

(Pfad: Ältere Menschen,<br />

Suchbegriff<br />

DEAS).<br />

** Statistisches Bundesamt<br />

(Destatis):<br />

Frauen und Männer<br />

in verschiedenen<br />

Lebensphasen.<br />

Destatis-Broschüre<br />

Wiesbaden,<br />

30. September<br />

<strong>2010</strong>.<br />

Informationen zum<br />

Seminarangebot<br />

für Ältere und für<br />

Multiplikatoren<br />

unter: www.projektruhestand.de.<br />

Dialog 4/10<br />

Titel<br />

Weder Vereine noch kommerzielle Angebote<br />

könnten vernachlässigte Sozialstrukturen<br />

ersetzen.<br />

Instabile Kontakte<br />

Ungünstige Befunde, zumal zwei aktuelle<br />

Veröffentlichungen den Trend zum<br />

Single-Leben der Älteren bestätigen:<br />

eine Langzeitstudie des Bundesfamilienministeriums<br />

(BMFSFJ) und eine Broschüre<br />

des Statistischen Bundesamts<br />

(Destatis).<br />

• Die Studie „Altern im Wandel“* bilanziert:<br />

Das Leben älterer Menschen wird<br />

bunter, aber auch sozial „zerbrechlicher“.<br />

Zunehmend brauchen Partnerund<br />

Kinderlose mehr Unterstützungsquellen<br />

jenseits der Familie – und die<br />

Kraft zur Selbsthilfe.<br />

• Destatis veröffentlichte Zahlen für das<br />

Jahr 2009 über Alleinstehende der Generation<br />

60plus**: Danach lebten 18<br />

Prozent der Männer und 40 Prozent<br />

der Frauen in Privathaushalten allein.<br />

Mit dem Alter steigt diese Quote: Ab<br />

85 Jahren lebten 36 Prozent der Männer<br />

allein – und 74 Prozent der Frauen.<br />

Der Trend: Familiäre Bande werden<br />

brüchiger und die Scheidungsrate steigt –<br />

sogar im Rentenalter.<br />

Lebensstil finden<br />

Aus diesen Ergebnissen folgert Thiel:<br />

Die Menschen brauchen Kompetenzen<br />

und Strategien, um sozial eingebunden<br />

– und glücklich! – alt zu werden: „Ältere,<br />

die allein leben, müssen sich rechtzeitig<br />

organisieren, Kontakte aufbauen<br />

Buchtipps<br />

Mathias Irle: Älterwerden für Anfänger.<br />

Das Alter als unbekanntes Terrain wird<br />

in Gesprächen mit Fachleuten und Betroffenen<br />

ausgeleuchtet.<br />

rororo, 288 Seiten, 19,95 Euro.<br />

Eckart Hammer: Männer altern anders.<br />

Der Ruhestand ist da, die Kinder sind<br />

aus dem Haus: Freiräume und Orien-<br />

Prof. Ansgar Thiel lehrt Sozial- und<br />

Gesundheitswissenschaft des Sports<br />

an der Universität Tübingen.<br />

Er ist Direktor des Instituts für Sportwissenschaften.<br />

und persönliche Lebensstile entwickeln“,<br />

so Thiel. Er fordert, dass Vereine<br />

und Verbände über passgenaue<br />

Freizeitangebote für die neuen Alten<br />

nachdenken. Egal, ob jemand in eine<br />

Wohngemeinschaft ziehe, allein lebe<br />

oder im betreuten Wohnen: Soziale<br />

Verankerung sei so wichtig wie die Luft<br />

zum Atmen.<br />

Egal ob Büchernarren, Klassikliebhaber,<br />

Hobbyköche oder Rockmusikfans: Wie<br />

man seine freie Zeit bevorzugt gestalten<br />

will, man müsse Menschen mit Schnittmengen<br />

suchen und ansprechen, resümiert<br />

der Wissenschaftler. Zur sozialen<br />

Fitness im Alter gehöre der Mumm, auf<br />

andere zuzugehen, und eine ehrliche<br />

Bilanz: Bin ich isoliert? Habe ich belastbare<br />

Freundschaften? Trauere ich<br />

vernachlässigten Hobbys nach? Wie<br />

komme ich an Gleichgesinnte heran?<br />

„Wer sich öffnet, kann mit anderen die<br />

Welt erobern“, sagt Thiel. Doch der Bekanntenkreis<br />

sollte sich nicht auf funktionale<br />

Gruppen beschränken – also auf<br />

tierung für Männer jenseits der 50.<br />

Herder, 224 Seiten, 9,95 Euro.<br />

Janine Berg-Peer: Sieben Schritte zur<br />

neuen Liebe. Auch jenseits der 30 gibt<br />

es genug Singles, aber zu Hause vor<br />

dem Fernseher trifft man weder nette<br />

Frauen noch nette Männer.<br />

rororo, 265 Seiten, 8,95 Euro.<br />

Foto: privat<br />

Sport, Ehrenamt oder ein Hobby.<br />

Wichtig sei, gemeinsame Rituale zu finden:<br />

den Kneipenbummel, Tanzen, Kochen<br />

oder den Spieleabend. Freizeit<br />

sollte Spaß machen und Sinn stiften.<br />

Enge Freundschaften, betont der Forscher,<br />

seien auch in einer Lebenskrise<br />

stabil und strapazierfähig.<br />

Rückzug oder Offensive?<br />

Studien belegen: Ältere Menschen mit<br />

niedrigerem Bildungsniveau orientieren<br />

sich vorwiegend auf ihre Familie, Kinder<br />

und Enkelkinder sowie den privaten<br />

Rückzug. Besser Gebildete setzen verstärkt<br />

auf externe Kontakte, Erlebnisse,<br />

Reisen, Kunst und Kultur – mit einer Tendenz,<br />

enge Familienbande zu vernachlässigen.<br />

Allerdings können vergangene, schlechte<br />

Erfahrungen soziale Bindungen behindern<br />

– mit Ängsten und vielen Aber-<br />

Einwänden. Denn bei neuen Kontakten<br />

bleiben Enttäuschungen nicht aus. Aber<br />

es besteht auch eine Chance: Bei der<br />

privaten Neuorientierung jene Bedürfnisse<br />

in den Blick nehmen, die früher zu<br />

kurz kamen.<br />

Fest steht: Wer Einsamkeit im Alter verhindern<br />

möchte, kommt um neue Wege<br />

zu alltagstauglichen, stabilen sozialen<br />

Netzen nicht herum. „Zum sozialen Leben<br />

gehören Kompromisse und das bewusste<br />

Gestalten einer Lebensform oder<br />

eines Lebensstils“, betont Thiel. Der römische<br />

Philosoph Cicero sagte einst:<br />

„Man muss viele Scheffel Salz zusammen<br />

essen, damit die Freundschaft erfüllt ist.“<br />

Beate Eberhardt, freie Journalistin<br />

Verena Kast: Loslassen und sich selber<br />

finden. Die Ablösung von den Kindern<br />

gehört für Eltern zu den schwierigen<br />

Herausforderungen – lebenslang.<br />

Herder, 128 Seiten, sieben Euro.


Das Leben neu justieren<br />

Freundschaften pflegen<br />

Renate Oehler (54) lebt in einer<br />

Fernbeziehung. In den vergangenen<br />

Jahren hat die kinderlose<br />

Förderlehrerin aus Aschaffenburg<br />

ihr Leben neu justiert. Sie ging<br />

von der Frage aus:Was will ich<br />

anders haben, was tut mir gut?<br />

Dialog:Wie stellen Sie sich<br />

ihren Ruhestand vor?<br />

Renate Oehler: Bisher verlief mein Leben<br />

eher unkonventionell: Ich habe 14<br />

Jahre in einer Wohngemeinschaft mit<br />

einer Freundin und deren Tochter gelebt.<br />

Das war eine schöne Erfahrung,<br />

aber eine Alterswohngemeinschaft wäre<br />

mir zu eng. Ich brauche mehr Freiraum.<br />

Dialog:Wie setzen Sie das um?<br />

Renate Oehler: Ich lebe allein, bin<br />

aber sehr aktiv – beruflich, ehrenamtlich<br />

und privat, also viel unter Menschen.<br />

Vor ein paar Jahren ist mir klar geworden,<br />

dass mir eine zentrale Lebensressource<br />

fehlt. Ich hatte private Freundschaften<br />

vernachlässigt, der Beruf und meine<br />

<strong>GEW</strong>-Ehrenämter hatten mich fest im<br />

Griff. Freundschaften sind aber nicht<br />

dasselbe wie berufliche und politische<br />

Kontakte; man teilt ein Stück Privatheit<br />

mit denen, die man gerne hat.<br />

Dialog:Was haben Sie verändert?<br />

Renate Oehler: Ich ziehe Grenzen, halte<br />

mir mindestens zwei Wochenenden im<br />

Monat frei und achte auf mein Wohlbefinden<br />

und auf Aktivitäten, die ein Gegengewicht<br />

zur politischen Arbeit bilden.<br />

Die politischen und beruflichen Kontakte<br />

sind mir weiterhin wichtig, aber jetzt ist<br />

alles besser dosiert. Außerdem lebe ich<br />

seit zehn Jahren eine glückliche Wochenendbeziehung,<br />

mein Freund wohnt 65<br />

Kilometer entfernt. Wir erledigen unter<br />

der Woche die Alltagspflichten, damit<br />

Neustart im Wohnprojekt<br />

Keinesfalls ins „Altengetto“<br />

Gemeinsam statt einsam wollte<br />

die pensionierte alleinstehende<br />

Lehrerin Marlies Beitz (63)<br />

ihren Lebensabend verbringen –<br />

und auf keinen Fall im „Altengetto“<br />

landen.<br />

Dialog:Wie kamen Sie zum<br />

Wohnprojekt Wabe?<br />

Marlies Beitz: Als alleinerziehende<br />

Mutter habe ich mich jahrzehntelang<br />

auf den Beruf als Existenzgrundlage<br />

und auf meine Tochter konzentriert.<br />

Erst als sie auszog, habe ich gemerkt,<br />

wie isoliert ich war. Zum Glück ist mir<br />

der Neuanfang gelungen, ich suchte<br />

Kontakt zu Gleichgesinnten. Meine<br />

Ziele waren eine neue Wohnsituation,<br />

Teilhabe am normalen Leben und viele<br />

soziale Kontakte. Das ist mir im Stuttgarter<br />

Wabe-Haus gelungen.<br />

Dialog:Wie sieht das konkret aus?<br />

Marlies Beitz: Mit dem Wabe-Verein<br />

und einer neuen Wohnbaugenossenschaft<br />

haben wir eines von mehreren<br />

Gemeinschaftshäusern realisiert, dazu<br />

gab es Wohnbauförderung von Stadt<br />

und Land. Vor neun Jahren sind wir mit<br />

20 Erwachsenen und 15 Kindern in das<br />

Genossenschaftsprojekt eingezogen, die<br />

Erwachsenen waren zwischen 30 und 70<br />

Jahren alt. Jede Partei hat eine abgeschlossene<br />

Wohnung, alle sind gemeinsam<br />

aktiv. Das Haus liegt in einer Randlage,<br />

wie ein Dorf in der Stadt, mit guter<br />

Verkehrsanbindung. Ich komme also<br />

überall hin.<br />

Dialog: Haben sich Ihre Erwartungen<br />

erfüllt?<br />

Marlies Beitz: Das verläuft von Person<br />

zu Person recht unterschiedlich. Gegen-<br />

Titel<br />

wir die Wochenenden genießen können<br />

– ein schönes Arrangement.<br />

Dialog: Ist die gemeinsame<br />

Wohnung eine Zukunftsperspektive?<br />

Renate Oehler: Ich sage nicht grundsätzlich<br />

nein. Aber momentan sind wir<br />

beide in unserem Lebensumfeld verwurzelt:<br />

Bei mir sind das der Beruf,<br />

Freunde, Ehrenämter und eine nette<br />

Hausgemeinschaft. Es würde mir schwerfallen,<br />

das aufzugeben.<br />

Dialog:Also keine neuen Pläne?<br />

Renate Oehler: Der Ruhestand stellt<br />

neue Anforderungen, Freundschaften<br />

wiederzubeleben war ein erster Schritt.<br />

Es gibt in meinem Hinterkopf die Fiktion,<br />

mit meinem Partner in der Nähe<br />

von Freunden zu leben – oder in einer<br />

engagierten Hausgemeinschaft. Aber<br />

zunächst arbeite ich noch einige Jahre.<br />

seitige Hilfe ist selbstverständlich, man<br />

kann jederzeit jeden im Wohnprojekt<br />

um Rat fragen oder um Unterstützung<br />

bitten. Es gibt Senioren, die haben ihre<br />

Wahlfamilie gefunden, sind Babysitter<br />

und nehmen am Familienleben teil.<br />

Aber letztlich steht sich die Hausgemeinschaft<br />

doch nicht so nahe, wie ich<br />

erwartet hatte. Das war schon eine<br />

Ernüchterung. Zumindest die Älteren<br />

haben ein reges Miteinander entwickelt,<br />

auch zu den Bewohnern der Nachbarhäuser.<br />

Das Wichtigste: Wir leben nicht<br />

in einem Altengetto, Gleichgesinnte<br />

sind gut untereinander vernetzt. Meine<br />

Tochter lebt mit ihrer Familie in Norddeutschland<br />

– und braucht sich keine<br />

Sorgen um mich zu machen.<br />

Interviews:<br />

Beate Eberhardt, freie Journalistin<br />

Renate Oehler<br />

Marlies Beitz<br />

Foto: privat Foto: privat<br />

Dialog 4/10 3


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Hauptvorstand,<br />

Postfach 90 04 09<br />

60444 Frankfurt/M.<br />

Tel.: (069) 7 89 73-0<br />

Fax: (069) 7 89 73-2 01<br />

E-Mail: info@gew.de<br />

Internet: www.gew.de<br />

Redaktion:<br />

Ulf Rödde (verantwortlich),<br />

Anne Jenter, Helga Haas-Rietschel,<br />

Beate Eberhardt, Frauke Gützkow<br />

Gestaltung:<br />

Werbeagentur Zimmermann<br />

GmbH, Frankfurt/M.<br />

Druck:<br />

apm AG, Darmstadt<br />

4<br />

Neue Wohnformen,<br />

Initiativen, Projekte<br />

und traditionelle<br />

Angebote wie Betreutes<br />

Wohnen<br />

oder Altenwohnanlagen<br />

– bundesweiteInformationen<br />

bei: den Sozialämtern<br />

und<br />

Wohnungsbaugesellschaften<br />

der<br />

Städte, den Wohlfahrtsverbänden.<br />

Lesetipp:<br />

Studie zum lesbischen<br />

Leben im<br />

Alter, Lebenssituation<br />

und spezifische<br />

Bedürfnisse.<br />

Forschungsgruppe<br />

„Lesben im Alter“;<br />

Fachhochschule<br />

Frankfurt am Main<br />

(2007).<br />

Link zum<br />

Download:<br />

http://www.gffz.de/<br />

data/downloads/<br />

107176/Lesbische-<br />

FrauenimAlter.pdf.<br />

Dialog 4/10<br />

Kurz und wichtig<br />

Sozial integriert – auch ohne Familie<br />

Mehr Miteinander!<br />

Die Babyboomer kommen<br />

in die Jahre. Die<br />

geburtenstarken Jahrgänge<br />

der 1950er- und<br />

-60er-Jahre brechen<br />

stärker als andere Vorgängergenerationen<br />

Anne Jenter mit traditionellen Lebensformen.Partnerschaften<br />

werden schneller gelöst und wieder<br />

geschlossen, Paare leben ohne Trauschein<br />

oder bewusst an unterschiedlichen<br />

Orten. Vor 15 Jahren waren 83 Prozent<br />

der 40- bis 54-Jährigen verheiratet, heute<br />

sind es 70 Prozent. Auch die Kinderlosigkeit<br />

steigt in dieser Altersgruppe an. Jede<br />

dritte Ehe wird geschieden – und mittlerweile<br />

trifft das auch langjährige Ehen.<br />

„Leerstelle“ füllen<br />

Emotionalen und praktischen Beistand<br />

leistete früher die Familie. Zumindest<br />

war das die Erwartung. Mit größerer Mobilität<br />

und zunehmender räumlicher Distanz<br />

zwischen Kindern und Eltern nehmen<br />

praktische Hilfen in der Familie ab.<br />

Bei 20 Prozent Alleinstehenden in der<br />

zweiten Lebenshälfte zeichnet sich zudem<br />

ab: Mehr externer Beistand ist gefragt.<br />

Dabei geht es nicht vorrangig um<br />

hochbetagte, hilfebedürftige Seniorinnen<br />

und Senioren, die auf Haushaltsassistenz<br />

In Kürze<br />

Foto: privat<br />

Zwischen Pflege und Beruf<br />

Senioren sind die am schnellsten wachsende<br />

Altersgruppe in Europa: Ende<br />

2009 waren von rund 82 Millionen<br />

Deutschen fast 20 Millionen 65 Jahre<br />

und älter. Nach Angaben des Statistischen<br />

Bundesamtes (Destatis) stieg die<br />

Zahl älterer Menschen seit 1990 um<br />

rund 42 Prozent.<br />

Erhöhter Pflegebedarf ist daher absehbar:<br />

Aus Kostengründen favorisiert der<br />

Staat die ambulante Pflegeversorgung<br />

zuhause, doch mangelhafte Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Pflege ist für berufs-<br />

oder Pflege angewiesen sind. Vielmehr<br />

steht menschliches Miteinander bereits<br />

in der mittleren Altersphase im Vordergrund:<br />

Wer steht mir bei, wenn es mir<br />

mies geht? Wem kann ich mich anvertrauen?<br />

Gut 30 Prozent der Menschen<br />

verlassen sich heute auf Nachbarn und<br />

Freundschaften, wenn sie in eine Krise geraten<br />

– das gilt in stärkerem Maße für<br />

Frauen. Aber viele Alleinstehende sagen<br />

auch: Ich habe kaum emotionalen Rückhalt<br />

und fühle mich einsam.<br />

Was tun?<br />

Hilfebedürftige Ältere werden auch in<br />

Zukunft formelle Unterstützung für<br />

Pflege oder Haushalt nachfragen, sofern<br />

ihre finanzielle Lage es erlaubt. Nachdenklich<br />

stimmt die Aussage von Prof.<br />

Ansgar Thiel (s. Dialog Seite 1), dass es<br />

kaum Angebote für die „jungen Alten“<br />

gebe, um ein gemeinschaftliches Miteinander<br />

und persönliche Nähe zu erleben.<br />

Daran zeigt sich zweierlei:<br />

• Gewerkschaften müssen lernen: Private<br />

soziale Verankerung ist so wichtig wie<br />

die Luft zum Atmen. Sie haben eine gesellschaftliche<br />

Verantwortung, soziale<br />

Kontakte, Treffpunkte und Gemeinschaft<br />

unter ihren Mitgliedern zu<br />

fördern.<br />

• Wer es in jungen Jahren nicht gelernt<br />

tätige Angehörige ein Problem: Das internationale<br />

Kooperationsprojekt „Carers@Work<br />

– Angehörige zwischen<br />

Pflege und Beruf“ untersucht aus Sicht<br />

der Betroffenen und der Arbeitgeber<br />

Strategien für eine bessere Vereinbarkeit:<br />

weitere Infos über das von der<br />

Volkswagenstiftung geförderte Projekt<br />

unter:<br />

www.carersatwork.tu-dortmund.de<br />

Pflegezeit schöngeredet<br />

Bei dem aktuellen Deutschen Alterssurvey<br />

„Altern im Wandel“ lobte Bundes-<br />

hat, ein lebendiges soziales Umfeld<br />

aufzubauen und zu erhalten, braucht<br />

im Alter Hilfe und Anregungen. Seminarangebote<br />

für Alleinstehende, die<br />

Anleitungen und Rat geben, sind daher<br />

unerlässlich.<br />

Lebensstile wandeln sich – mit alternativen<br />

Lebensformen jenseits von Ehe und<br />

Familie. Doch Einsamkeit und Isolation<br />

nehmen oft aufgrund großer Arbeitsbelastungen<br />

zu. Was können Politik und Gewerkschaften<br />

tun? Strukturelle Voraussetzungen<br />

sind zu schaffen, um Abschottung<br />

im Alter aufzubrechen – etwa in Form<br />

neuer Wohnmodelle: Mehrgenerationenhäuser,<br />

Wohnprojekte mit Eigeninitiative.<br />

Darüber hinaus sind Kompetenzen – etwa<br />

über gewerkschaftliche Weiterbildungsangebote<br />

– für ein sozial erfülltes Miteinander<br />

zu fördern.<br />

Gespannt darf man sein, ob der neue Altenbericht<br />

der Bundesregierung dazu etwas<br />

zu bieten hat. Die wissenschaftlichen<br />

Befunde nötigen Politik, nicht nur allgemein<br />

über den demografischen Wandel zu<br />

reden. Sie muss die qualitativen Sprünge<br />

der Lebenslagen im Alter auch aufgreifen<br />

und für den Alltag Lösungen anbieten.<br />

Anne Jenter, Leiterin des<br />

<strong>GEW</strong>-Arbeitsbereichs Frauenpolitik<br />

familienministerin Kristina Schröder<br />

(CDU) die große Pflegebereitschaft in<br />

den Familien. Die Bundestagsfraktion<br />

Bündnis 90/Die Grünen kritisierte hingegen<br />

zunehmende Mobilität sowie<br />

veränderte Familien- und Lebensformen.<br />

Diese passten nicht zum Modell<br />

der Angehörigenpflege. Betroffene meisterten<br />

ihre Lage oft im Spagat und<br />

brächten Opfer – mit Teilzeitarbeit oder<br />

Berufsaufgabe. Unterstützung und Entlastung<br />

für pflegende Angehörige seien<br />

dringend zu verbessern. (Deutscher Alterssurvey,<br />

s. Seite 2, Marginalspalte)


Foto: Privat<br />

Foto: dpa Angst<br />

und Ignoranz<br />

Kommentar zum vierten Berliner Integrationsgipfel<br />

Es war ein<br />

merkwürdiges<br />

Interview, das<br />

die Leser im<br />

NiederbayerischenausgerechnetamTag<br />

des vierten Integrationsgipfels<br />

lesen durften.„Eigentlich“,<br />

sagte Bun-<br />

Jeannette Goddar deskanzlerin<br />

Angela Merkel<br />

(CDU) der Passauer<br />

Neuen Presse, sei Deutschland<br />

kein Einwanderungsland. „Eigentlich“<br />

nämlich sei es das „nur zwischen den<br />

1950er-Jahren und 1973“ gewesen:<br />

„Damals fehlten Arbeitskräfte und<br />

man warb gezielt um Gastarbeiter.“ Danach<br />

seien „nur noch“ Familienangehörige,<br />

Flüchtlinge und Asylbewerber<br />

zugezogen.<br />

Uneigentlich kamen am 3. November<br />

115 Vertreter aus Bundes- wie Länderministerien,<br />

Parteien, Wirtschaft und<br />

Medien mit Migrantenorganisationen<br />

zusammen, um über Integration in einem<br />

Land zu reden, in dem jeder Fünfte<br />

einen Migrationshintergrund hat.<br />

Und in dem nicht vier Millionen Gastarbeiter<br />

– sondern seit 1954 mehr als 31<br />

Millionen Menschen zugezogen sind.<br />

Nicht alle blieben, viele gingen wieder.<br />

Zu behaupten, Deutschland sei kein<br />

Einwanderungsland, ist eine ziemlich<br />

steile These. Wie auch, was die Bundeskanzlerin<br />

kurz zuvor den jungen<br />

Christdemokraten auf deren Bundestreffen<br />

zugerufen hatte: „Multikulti“<br />

sei „gescheitert“!<br />

Was soll diese diffamierende Bemer-<br />

Same procedure as every year: Auch<br />

der vierte Integrationsgipfel tat nur,<br />

was er immer getan hat: ankündigen.<br />

kung angesichts der Vielfalt in<br />

Deutschland wohl bedeuten? Ein Hinweis,<br />

dass das Miteinander von Menschen<br />

aus 180 Nationen kein ganzjähriger<br />

Salsa ist? Das wäre banal. Auch als<br />

Verweis auf eine Zeit, in der man dachte,<br />

„jetzt machen wir hier mal Multikulti<br />

und leben so nebeneinander her<br />

und freuen uns übereinander“ (Merkel),<br />

taugt die Behauptung kaum.<br />

Schon deswegen, weil sie historisch<br />

falsch ist.<br />

„Wir feiern das nicht. Wir stellen es nur<br />

fest“, schrieb schon einer der ersten,<br />

der in Deutschland überhaupt über die<br />

multikulturelle Gesellschaft redete.<br />

Und: „Sie (die multikulturelle Gesellschaft,<br />

Anm.d.Red.) hat zwei Seiten:<br />

eine vorteilhafte und eine, die Angst<br />

macht. Von beiden muss gesprochen<br />

werden.“ Der Verfasser: Daniel Cohn-<br />

Bendit (Grüne, heute für Frankreichs<br />

Grüne im Europaparlament), damals<br />

Leiter des Amtes für multikulturelle<br />

Angelegenheiten in Frankfurt am<br />

Main. 1993, also sechs Jahre bevor Roland<br />

Koch als selbsternannter „Anwalt<br />

des Volkes“ mit einer beispiellos skrupellosen<br />

Kampagne gegen die Einwanderungsgesellschaft<br />

Wahlkampf machte<br />

und hessischer CDU-Ministerpräsident<br />

wurde.<br />

Und es war dieselbe Zeit, in der sich die<br />

rot-grüne Koalition nach sage und<br />

schreibe 45 Jahren Zuwanderung ins<br />

Stammbuch geschrieben hatte, diese<br />

gesetzlich regeln zu wollen. Vier Jahre<br />

lang bewegten das Zuwanderungsgesetz<br />

ebenso wie die nach dem 11. September<br />

2001 eingeführten neuen Sicherheitsgesetze<br />

die Republik – jeder<br />

einzelne Absatz hart umkämpft; nahezu<br />

keiner davon am Ende zur Zufrie-<br />

denheit der Migrantenvertreter verabschiedet.<br />

Es war auch dieselbe Zeit, in<br />

der die erste PISA-Studie darauf aufmerksam<br />

machte, dass der statistische<br />

15-Jährige mit Migrationshintergrund<br />

seinem „herkunftsdeutschen“ Klassenkameraden<br />

in seinen Kompetenzen<br />

um zwei Jahre hinterherhinkt. PISA<br />

2001 wies allerdings auch darauf hin:<br />

Das muss nicht so sein – andere Industrieländer<br />

können es besser.<br />

Heute und somit 55 Jahre nach Beginn<br />

der gesteuerten Zuwanderung hätte eine<br />

Bundesregierung also Dringenderes<br />

zu tun, als sich in monoethnischen<br />

Träumereien einer Leitkultur-Debatte<br />

zu verlieren. Fakt ist: Die Bildungssituation<br />

in vielen Migrantenfamilien ist<br />

dramatisch: Schüler nichtdeutscher<br />

Herkunft brechen doppelt so häufig<br />

die Schule ab und machen nur halb so<br />

oft eine Ausbildung. Und während an<br />

Hauptschulen mehr als jeder zweite<br />

Schüler einer Zuwandererfamilie entstammt,<br />

ist es an Gymnasien nur jeder<br />

vierte. In den Innenstädten nehmen<br />

die Fluchtreflexe der Mittelschicht –<br />

der türkischen wie der deutschen – zu.<br />

Wer will schon sein Kind an einer<br />

Schule wissen, die für das heterogene<br />

Klassenzimmer nicht ausgestattet ist<br />

und deren Lehrkräfte auf die komplexe<br />

mehrsprachige Realität nicht vorbereitet<br />

werden?<br />

All dem zum Trotz tat aber auch der<br />

vierte Integrationsgipfel nur, was er immer<br />

getan hat: Ankündigen – dieses<br />

Mal die Fortschreibung des „Nationalen<br />

Integrationsplans“* von 2007 in einen<br />

„Aktionsplan“** bis 2012. Mit ihm<br />

soll, so vage blieb es dann auch, die Integration<br />

durch „Ziel- und Zeitvorgaben“<br />

beschleunigt werden. Die Bundeskanzlerinsicherte<br />

außerdem zu, bis<br />

2015 allen Migranten<br />

einen Integrationskursanzubieten.<br />

Bis dahin sind<br />

es 60 Jahre seit dem<br />

ersten Vertrag über<br />

den Zuzug dringend<br />

benötigter Arbeitskräfte<br />

aus dem<br />

Ausland.<br />

Jeannette Goddar,<br />

freie Journalistin<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

* www.bundesregierung.de/<br />

Content/DE/Archiv16/<br />

Artikel/2007/07/Anlage/<br />

2007-10-18-nationaler-integrationsplan,property=<br />

publicationFile.pdf<br />

**www.bundesregierung<br />

.de/nn_1272/Content/<br />

DE/Pressemitteilungen/<br />

BPA/<strong>2010</strong>/11/<strong>2010</strong>-11-<br />

03-ib-integrations<br />

gipfel.html<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 23


GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

* Das Steuerkonzept<br />

der<br />

Bildungsgewerkschaft<br />

finden Sie<br />

auf der <strong>GEW</strong>-<br />

Website unter:<br />

www.gew.de/Bina<br />

ries/Binary65845<br />

/<strong>2010</strong>_10_26_<br />

<strong>GEW</strong>-Steuer<br />

konzept.pdf<br />

Massiver<br />

Protest<br />

gegen<br />

Sozialabbau<br />

DGB macht Druck<br />

Unter dem Motto „Gerechtigkeit ist<br />

etwas anderes“ haben im Oktober und<br />

November weit über 100 000 Menschen<br />

für mehr soziale Gerechtigkeit demonstriert<br />

und von der Bundesregierung<br />

einen Kurswechsel in der Sozialpolitik<br />

verlangt (s. <strong>GEW</strong>-Kommentar).<br />

Der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften<br />

hatten im<br />

Rahmen der Herbstaktionen<br />

bundesweit in vielen<br />

Städten zu Protesten aufgerufen.<br />

Hauptforderungen<br />

waren gerechte Löhne, ein solidarisches<br />

Gesundheitssystem, Verzicht auf die<br />

Rente mit 67, starke öffentliche Leistungen<br />

sowie qualifizierte Bildung und<br />

Ausbildung. Die größte Kundgebung<br />

fand mit 45 000 Menschen in Stuttgart<br />

statt. In Nürnberg demonstrierten mehr<br />

als 30000 Menschen für mehr soziale<br />

Gerechtigkeit. Auch in Nordrhein-<br />

Westfalen folgten Tausende dem DGB-<br />

Aufruf und protestierten gegen die ungerechte<br />

Sozial- und Wirtschaftspolitik<br />

von Schwarz-Gelb. „Unten belasten<br />

und oben entlasten – das ist der falsche<br />

Weg“, betonte ver.di-Chef Frank Bsirske<br />

in Dortmund. In Kiel forderte DGB-<br />

Vorsitzender Michael Sommer die Regierenden<br />

auf, ihren unsozialen Kurs aufzugeben<br />

und sich nicht länger zum<br />

„willfährigen Helfershelfer der Interessen<br />

der Arbeitgeber und Besitzenden“<br />

zu machen. In Richtung Bundesregierung<br />

warnte Sommer: „Sparpakete,<br />

Schonung der Vermögenden und Verursacher<br />

der Krise, massive und einseitige<br />

Belastungen der gesetzlich Krankenversicherten,<br />

drohende Altersarmut und<br />

Arbeit zu Hungerlöhnen bringen die<br />

Beschäftigten nicht nur in Rage, sondern<br />

auch auf die Straße.“ Schwarz-<br />

Gelb müsse endlich die soziale Schieflage<br />

korrigieren, verlangte der DGB-<br />

Chef, mindestens die Rente mit 67 auf<br />

Eis legen und die Leiharbeit sozial regulieren.<br />

hari<br />

24 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Foto: Kay Herschelmann<br />

Foto: dpa<br />

„Für einen politischen Kurswechsel“<br />

<strong>GEW</strong>-Kommentar zu den DGB-Herbstaktionen<br />

Die <strong>GEW</strong> begrüßte,<br />

dass ihre Kernforderung<br />

bei den<br />

DGB-Herbstaktionen<br />

„Qualifizierte<br />

Bildung und Ausbildung!“<br />

eine herausragende<br />

Rolle<br />

gespielt hat. Die<br />

Bildungsgewerkschaft<br />

war mit<br />

Ulrich Thöne<br />

ihren Themen auf<br />

allen gewerkschaftlichen Ebenen präsent<br />

– und das ist gut so.<br />

Mit ihren Aktionen haben die Gewerkschafterinnen<br />

und Gewerkschafter mehr<br />

soziale Gerechtigkeit eingefordert. Sie<br />

wollen einen Kurswechsel in der Politik.<br />

Der wird mit jedem Tag dringender, an<br />

dem uns die schwarz-gelbe Bundesregierung<br />

in die falsche Richtung lenkt.<br />

Wichtig ist – und das sollten wir im Kopf<br />

behalten: Das gemeinsame Tun steht im<br />

Vordergrund. Die <strong>GEW</strong> kocht kein eigenes<br />

Süppchen. Die Parolen, unter denen<br />

sich <strong>GEW</strong>ler im Herbst an DGB-Demonstrationen<br />

beteiligt haben, gelten<br />

auch für das eigene gewerkschaftliche<br />

Handeln.<br />

Die Forderung „Gleiches Geld für gleichwertige<br />

Arbeit“ wird die <strong>GEW</strong> in den anstehenden<br />

Tarifauseinandersetzungen leiten<br />

und beflügeln.<br />

Auf „Starke öffentliche Leistungen“ zielt<br />

auch das Steuerkonzept der <strong>GEW</strong> * (s.<br />

Marginalspalte), das sie nun erst recht offensiv<br />

vertreten wird. Pädagoginnen und<br />

Pädagogen schwärmen nicht von der „Bildungsrepublik<br />

Deutschland“, ohne die<br />

Konsequenzen mitzubedenken, sie wollen,<br />

dass diese finanzierbar ist. Dazu<br />

macht die <strong>GEW</strong> konkrete Vorschläge,<br />

zeigt Instrumente und Wege auf, wo die<br />

vorerst erforderlichen 40 bis 50 Milliarden<br />

Euro jährlich, die als zusätzliche Investitionen<br />

für bessere Bildung nötig<br />

sind, herkommen sollen. Fest steht: Das<br />

Ziel, in allen Bundesländern die Ausgaben<br />

für Bildung deutlich zu erhöhen, ist<br />

nicht unrealistisch, wenn man die richtigen<br />

politischen Entscheidungen trifft.<br />

Klar ist: Der Bildungsbereich braucht<br />

mehr Geld, nicht die Zocker der Banken!<br />

„Gutes Auskommen im Alter“ – ein weiteres<br />

Motto des Aktionsherbstes – ist<br />

auch für die <strong>GEW</strong> handlungsleitend.<br />

Denn: Die Basis für ein solides Auskommen<br />

der Älteren ist und bleibt, dass die<br />

nachwachsenden Generationen möglichst<br />

gut ausgebildet sind und mit hoher<br />

Leistungskraft für den wirtschaftlichen<br />

und gesellschaftlichen Fortschritt sorgen<br />

können. Doch davon sind wir angesichts<br />

von 5,5 Millionen Arbeitsuchenden (und<br />

nicht etwa 2,9 wie uns das Bundesarbeitsministerium<br />

vorgaukelt) und zirka 1,45<br />

Millionen jungen Menschen zwischen 20<br />

und 29 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,<br />

weit entfernt. Diese sind<br />

Opfer des selektiven deutschen Schulsystems<br />

und der mangelnden Ausbildungsbereitschaft<br />

der Unternehmen.<br />

Die Bildungsgewerkschaft fordert deshalb<br />

einen freien Zugang zur Bildung vom Elementar-<br />

über den Schul- und Hochschulbis<br />

zum Weiterbildungsbereich. Der<br />

<strong>GEW</strong>-Arbeitsschwerpunkt „Kampf dem<br />

pädagogischen Fachkräftemangel“ ist daher<br />

auch keine Klientelpolitik, sondern<br />

soll die aktuelle Diskussion vom Kopf auf<br />

die Füße stellen. Fakt ist: Nur mit personell<br />

besser ausgestatteten Kitas und Schulen<br />

kann die Zukunftsfähigkeit unserer<br />

Gesellschaft gewährleistet werden.<br />

Auch wenn jetzt Weihnachten vor der Tür<br />

steht: Die Parolen aus dem heißen Herbst<br />

der Gewerkschaften sind für die <strong>GEW</strong><br />

kein Wunschzettel an das Christkind und<br />

auch keine „Frohe Botschaft“, sondern<br />

ein bleibender Arbeitsauftrag für das neue<br />

Jahr.<br />

Ulrich Thöne, <strong>GEW</strong>-Vorsitzender


Foto: imago<br />

Deutschland verstößt<br />

gegen UN-Sozialpakt<br />

<strong>GEW</strong> legt Vereinten Nationen in Genf Alternativbericht vor<br />

Die Bundesrepublik Deutschland verletzt<br />

den von ihr ratifizierten Internationalen<br />

Pakt für wirtschaftliche, soziale<br />

und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt).<br />

Das ist das Ergebnis des<br />

Alternativberichts, den die <strong>GEW</strong> den<br />

Vereinten Nationen vorgelegt hat.*<br />

Am 22. November hat sich der für die<br />

Überwachung des Sozialpakts zuständige<br />

UN-Ausschuss in Genf mit dem<br />

offiziellen Staatenbericht der Bundesregierung<br />

und dem <strong>GEW</strong>-Alternativbericht<br />

befasst.<br />

Nach Artikel 13 sind die Unterzeichnerstaaten<br />

des UN-<br />

Sozialpakts verpflichtet,<br />

„den Hochschulunterricht<br />

auf jede geeignete Weise,<br />

insbesondere durch allmähliche<br />

Einführung der Unentgeltlichkeit,<br />

jedermann gleichermaßen entsprechend<br />

seinen Fähigkeiten zugänglich“<br />

zu machen. Tatsächlich spielt sich<br />

in Deutschland das Gegenteil ab. In<br />

fünf Bundesländern, in denen mehr als<br />

die Hälfte aller Studierenden bundes-<br />

Ein Ausschuss der Vereinten Nationen in Genf, der<br />

die Umsetzung des UN-Sozialpakts überwacht, hat<br />

sich Ende November erstmals mit dem offiziellen<br />

Staatenbericht der Bundesregierung und dem <strong>GEW</strong>-<br />

Alternativbericht befasst. Die <strong>GEW</strong> präsentierte<br />

dem Gremium klare Verstöße gegen den Pakt.<br />

weit eingeschrieben ist, werden schon<br />

ab dem ersten Semester allgemeine Studiengebühren<br />

erhoben – aus Sicht der<br />

<strong>GEW</strong> ein klarer Verstoß gegen den Pakt.<br />

Auch aufgrund der Konsequenzen: Gebühren<br />

schrecken Studienberechtigte<br />

nachweislich vom Studium ab, in besonderem<br />

Maße junge Frauen.<br />

Standards ausgehebelt<br />

Schon 2001 hatte der UN-Ausschuss bei<br />

seiner Beratung zur Umsetzung des<br />

UN-Sozialpakts in Deutschland die<br />

Verwaltungsgebühren in Höhe von 50<br />

Euro beanstandet. Insofern nahm er<br />

sehr aufmerksam zur Kenntnis, dass<br />

sich die Bundesrepublik seitdem noch<br />

weiter vom Grundsatz des unentgeltlichen<br />

Studiums entfernt hat. Nach der<br />

Philosophie des UN-Sozialpakts dürfen<br />

einmal erreichte menschenrechtliche<br />

Standards nicht wieder in Frage gestellt<br />

werden.<br />

Auch die Kritik der <strong>GEW</strong>, dass die Bundesregierung<br />

in ihrer offiziellen Stellungnahme<br />

den Bericht des UN-Sonderberichterstatters<br />

Vernor Muñoz (s. Interview<br />

S. 15/16) aus dem Jahr 2007 mit keinem<br />

Wort erwähnt habe, stieß in Genf<br />

auf Interesse. Nach seinem Deutsch-<br />

landbesuch hatte Muñoz den selektiven<br />

und teilweise diskriminierenden Charakter<br />

des deutschen Schulsystems<br />

bemängelt. Der <strong>GEW</strong>-Alternativbericht<br />

weist nach, dass das mehrgliedrige<br />

Schulsystem Kinder aus Familien mit<br />

geringem Einkommen und/oder Migraionshintergrund<br />

benachteiligt sowie<br />

Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen<br />

gleiche Bildungschancen in<br />

einer inklusiven Schule verwehrt.<br />

Weiterer Kritikpunkt: der Mangel an<br />

Kindertagesstätten, vor allem in den alten<br />

Ländern. Die <strong>GEW</strong> berichtete, dass<br />

es für Kinder, die jünger als drei Jahre<br />

sind, keine ausreichende Versorgung gebe:<br />

Die Betreuungsquote liege bei lediglich<br />

20 Prozent, in den alten Bundesländern<br />

bei 15 Prozent.<br />

Auch beim Streikrecht – siehe Artikel 8<br />

des Pakts – für Beamtinnen und Beamte<br />

wies die <strong>GEW</strong>-Delegation darauf hin,<br />

dass keine Fortschritte erzielt worden<br />

seien – obwohl der UN-Ausschuss bereits<br />

2001 das deutsche Beamtenstreikverbot<br />

angeprangert hatte. Die <strong>GEW</strong>-<br />

Daten belegen eine unveränderte Verbotspraxis<br />

in Deutschland: Verbeamtete<br />

Lehrkräfte werden diszipliniert, wenn<br />

sie ihr Streikrecht in Anspruch nehmen.<br />

Berichterstatter für Deutschland im<br />

UN-Ausschuss ist der Kameruner Clemens<br />

Atangana. Gemeinsam mit seinen<br />

Kolleginnen und Kollegen wird er für<br />

die Bundesregierung eine Liste mit Fragen<br />

zur Umsetzung des Sozialpakts in<br />

Deutschland erarbeiten. Im Mai 2011<br />

wird das Gremium in einer abschließenden<br />

Beratung ein Resümee ziehen und<br />

Empfehlungen an die Bundesregierung<br />

aussprechen.<br />

Andreas Keller, Leiter des <strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs<br />

Hochschule und Forschung<br />

BILDUNGSPOLITIK<br />

Templiner Manifest:<br />

Follow-Up-Kongress in Berlin<br />

* Den Bericht haben die<br />

<strong>GEW</strong>-Vorstandsbereiche<br />

Angestellten- und<br />

Beamtenpolitik, Frauenpolitik,<br />

Schule sowie<br />

Hochschule und Forschung<br />

gemeinsam<br />

erarbeitet.<br />

Der vollständige Alternativbericht<br />

der <strong>GEW</strong><br />

und weiterführende Informationen<br />

sind im Internet<br />

verfügbar:<br />

www.gew.de/<strong>GEW</strong>_<br />

Deutschland_verletzt_<br />

voelkerrechtlich_<br />

verbrieftes_Recht_auf_<br />

Bildung.html.<br />

Im September hat die <strong>GEW</strong> das „Templiner Manifest“ als<br />

Ergebnis ihrer Wissenschaftskonferenz „Traumjob Wissenschaft?“<br />

vorgestellt. Mehr als 3500 Unterzeichnerinnen<br />

und Unterzeichner machen sich inzwischen für die zehn<br />

Eckpunkte zur Reform von<br />

Berufwegen und Personalstruktur<br />

in Hochschule und<br />

Forschung stark (Stand: Mitte<br />

November). Am 21. Januar<br />

2011 wird in Berlin ein Follow-Up-Kongress zum „Templiner<br />

Manifest“ stattfinden. Motto: „Gute Forschung und<br />

Lehre – gute Arbeit: zwei Seiten einer Medaille“. Weitere<br />

Informationen, auch zu den zahlreichen dezentralen Diskussionsveranstaltungen,<br />

finden Sie im Internet unter:<br />

www.templiner-manifest.de.<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 25


WEITERBILDUNG<br />

Am Ort der deutschen<br />

Klassik,<br />

Weimar, diskutierte<br />

die <strong>GEW</strong><br />

das Für und Wider<br />

einer Kommunalisierung<br />

in der Bildung.<br />

Klar ist nur<br />

eins: Es bedeutet<br />

nicht, dass automatisch<br />

mehr<br />

Ressourcen zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Was bringt Regionalisierung?<br />

26 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Herbstakademie: zusätzliche Bildungsaufgaben und die Finanznot der Städte<br />

Welche Chancen und Risiken bestehen,<br />

wenn lebenslanges Lernen auf<br />

kommunaler Ebene neu organisiert<br />

wird? Damit haben sich rund 50<br />

Fachleute aus Erwachsenenbildung,<br />

Parteien, Ministerium, Kommunen<br />

und Wissenschaft beschäftigt, die am<br />

5. und 6. November die Weimarer<br />

Herbstakademie besuchten. Gastgeber<br />

waren der <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand und<br />

der gewerkschaftsnahe Bildungsträger<br />

„Arbeit und Leben Thüringen“.<br />

Referate und Diskussion<br />

drehten sich vor allem um<br />

„Lernen vor Ort“. Ein Projekt,<br />

das die gesamten Bildungsangebote<br />

in einer<br />

Kommune, einschließlich<br />

der Weiterbildung, vernetzen und fördern<br />

will. Staatliche Einrichtungen werden<br />

ebenso erfasst wie private und freigemeinnützige<br />

Träger. An „Lernen vor<br />

Ort“ beteiligen sich bundesweit 40 Städte<br />

und Kreise. Bund und Europäischer<br />

Sozialfonds finanzieren das Projekt mit<br />

60 Millionen Euro. Der Startschuss fiel<br />

im Herbst 2009.<br />

Foto: imago<br />

Torsten Haß von der Volkshochschule<br />

(VHS) Erfurt erläuterte zunächst, was<br />

„Lernen vor Ort“ in der thüringischen<br />

Landeshauptstadt bereits angestoßen<br />

hat. So schuf die Stadt ein Amt für Bildung.<br />

Zudem habe „Lernen vor Ort“<br />

rund 530 örtliche Bildungsträger angeschrieben<br />

und nach deren Angeboten<br />

gefragt. Das Ergebnis fließe in einen<br />

„Bildungsplan“ für Erfurt ein. Der habe<br />

auch das Ziel, überflüssige Strukturen<br />

abzubauen. „Brauche ich wirklich den<br />

fünften Träger für Integrationskurse?“,<br />

so Haß.<br />

Warum überhaupt Kommunalisierung<br />

von Bildung? Uwe Rossbach, Leiter von<br />

Arbeit und Leben Thüringen, verwies<br />

auf das Beispiel der Schulen. Die „entwickeln<br />

sich auseinander“, so Rossbach.<br />

„Schulen in Problemvierteln sollten<br />

mehr Stellen bekommen.“ Doch auf<br />

Länderebene sei das „kaum zu steuern“.<br />

Einzelne Kommunen in Thüringen forderten<br />

deshalb, „auch die personelle<br />

Verantwortung für die Lehrkräfte zu bekommen“.<br />

Kein Allheilmittel<br />

Wissenschaftler betonen jedoch, dass<br />

Kommunalisierung kein Allheilmittel<br />

darstellt. „Es ist klar, dass über eine Regionalisierung<br />

nicht automatisch mehr<br />

Ressourcen zur Verfügung stehen“, so<br />

Professor Horst Weishaupt vom Deutschen<br />

Institut für Internationale Pädagogische<br />

Forschung (DIPF). Kommunalisierung<br />

müsse eingebettet sein „in die<br />

bildungspolitische Gesamtverantwortung<br />

des Staates“. Andernfalls bestehe<br />

„die Gefahr der Zersplitterung“. Zu diesem<br />

Schluss kommt ein Gutachten des<br />

Bremerhavener Professors Wolfgang<br />

Weiß, erstellt im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung.<br />

Kontrovers diskutierten Fachleute und<br />

Gewerkschafter auch das Thema Stiftungen.<br />

Rund 120 Stiftungen sind bei<br />

„Lernen vor Ort“ mit im Boot, darunter<br />

große, unternehmensnahe wie Bertelsmann-Stiftung<br />

und Alfred Krupp von<br />

Bohlen und Halbach-Stiftung, aber<br />

auch lokale Bürgerstiftungen.<br />

Andreas Räuber, Projektleiter von „Lernen<br />

vor Ort“ im nordthüringischen<br />

Kyffhäuserkreis, begrüßte deren Teilnahme.<br />

„Die können an vielen Stellen<br />

unkompliziert an die Dinge herangehen“,<br />

sagte Räuber, „weil sie nicht an die<br />

Kommunalverwaltung gebunden sind.“<br />

Uwe Rossbach erinnerte daran, dass Ministerien<br />

und Verwaltungen verschlankt<br />

worden seien. „Dort gibt es nicht mehr<br />

die notwendige Kompetenz.“ Deshalb<br />

verlasse sich die kommunale Verwaltung<br />

zu sehr auf Einrichtungen wie die<br />

Bertelsmann-Stiftung.<br />

Dass Stiftungen nicht nur ihr Wissen<br />

und ihre Kontakte, sondern auch ihre<br />

Weltsicht einbringen, sei „Teil eines viel<br />

breiteren Prozesses“. Das befürchtet Rosemarie<br />

Hein, Bundestagsabgeordnete<br />

der LINKEN aus Magdeburg. „Die<br />

Bundesregierung“, so Hein, „hat zunehmend<br />

die private Bereitstellung von Bildung<br />

im Kopf.“ Das aber führe zu<br />

„prekären Beschäftigungsverhältnissen“.<br />

„Lernen vor Ort“ endet spätestens 2014.<br />

Und was wird dann aus den Strukturen,<br />

die derzeit in Städten und Kreisen entstehen?<br />

Ein <strong>GEW</strong>-Kollege sieht die Gefahr,<br />

„dass man den Kommunen den<br />

Schwarzen Peter zuschieben wird“. Das<br />

heißt: Sie müssten die Folgekosten alleine<br />

aufbringen.<br />

Das 60-Millionen-Budget von „Lernen<br />

vor Ort“ sei allenfalls „ein Tropfen auf<br />

den heißen Stein“, betonte <strong>GEW</strong>-Vorstandsmitglied<br />

Stephanie Odenwald. Seit<br />

2002 seien in der Weiterbildung durch<br />

rot-grüne Regierungspolitik 40 000 Arbeitsplätze<br />

zerstört worden. Wer hier<br />

Defizite beseitigen wolle, so die Gewerkschafterin,<br />

„muss ganz andere Methoden<br />

ergreifen – weniger pädagogische,<br />

sondern politische“. Ein Satz, für<br />

den es in Weimar lauten Applaus gab.<br />

Matthias Holland-Letz, freier Journalist<br />

„Weimarer Aufruf“<br />

Die Teilnehmenden der Herbstakademie<br />

verabschiedeten den „Weimarer<br />

Aufruf für Mindestlohn in der Weiterbildung“.<br />

Damit protestierten sie gegen<br />

Bundesarbeitsministerin Ursula<br />

von der Leyen (CDU). Diese hatte es<br />

abgelehnt, den Branchentarifvertrag<br />

in der Weiterbildung für allgemeinverbindlich<br />

zu erklären (s. E&W<br />

11/<strong>2010</strong>). Der Weg zum Mindestlohn<br />

bleibt damit versperrt. H.-L.<br />

Weimarer Aufruf für Mindeslohn in<br />

der Weiterbildung unter www.gew.de/<br />

Weimarer_Aufruf.html


Foto: Tina Fritsche<br />

Jucara Maria Dutra Vieira (links) und Fátima Aparecida da Silva<br />

Wir wollen die<br />

Schulpflicht verlängern<br />

InterviewmitJucaraMariaDutraVieiraundFátimaAparecidadaSilva<br />

E &W: Welchen Einfluss hat die BildungsgewerkschaftConfederacaoNacionaldosTrabalhadores<br />

na Educacao (CNTE) in Brasilien?<br />

Jucara Maria Dutra Vieira: Es gibt in<br />

Brasilien fünf Organisationen im Bildungsbereich.<br />

Die CNTE ist mit einer<br />

Million Mitgliedern die größte. Es gibt<br />

etwa zweieinhalb Millionen Lehrkräfte<br />

in Brasilien. Unsere Kolleginnen und<br />

Kollegen kommen aus allen Bundesstaaten,<br />

sie arbeiten in der frühkindlichen<br />

Erziehung und als Lehrkräfte in<br />

den städtischen und bundesstaatlichen<br />

Schulen. Der Bildungsbereich ist eine<br />

große Herausforderung: Denn was die<br />

brasilianische Gesellschaft am stärksten<br />

behindert, im Demokratieprozess voranzukommen,<br />

ist immer noch der<br />

Mangel an Bildung.<br />

E &W: Was sind die drängendsten Probleme?<br />

Fátima Aparecida da Silva: Das föderale<br />

System verzögert viele wichtige Prozesse.<br />

Unter der jetzigen sozialistischen<br />

Regierung haben wir zwar viele Änderungen<br />

angeschoben. Aber letztlich lie-<br />

CNTE zu Besuch in<br />

Deutschland<br />

Jucara Maria Dutra Vieira und Fátima<br />

Aparecida da Silva sind im Vorstand<br />

der brasilianischen Lehrergewerkschaft<br />

CNTE (Confederacao Nacional<br />

dos Trabalhadores na Educacao).<br />

Auf Einladung des DGB-Bildungswerkes<br />

nahmen die Gewerkschafterinnen<br />

an dem jährlich stattfindenden<br />

deutsch-brasilianischen Gewerkschaftstreffen<br />

in Hattingen/Ruhr<br />

vom 12. bis 14. November teil. Sie besuchten<br />

außerdem die <strong>GEW</strong> in<br />

Hamburg und Berlin. T. F.<br />

gen die bildungspolitischen Entscheidungen<br />

bei den Bundesstaaten und den<br />

Stadtverwaltungen, die die Vorlagen<br />

nicht immer umsetzen. Zum Beispiel<br />

hat die Regierung ein Mindestlohngesetz<br />

für Lehrkräfte verabschiedet, aber<br />

nicht alle Bundesstaaten realisieren es.<br />

Ein weiteres Problem: Das aus Bundesmitteln<br />

finanzierte große Lehrerausbildungsprogramm<br />

wird aus parteipolitischen<br />

Gründen nicht in allen Bundesstaaten<br />

angewandt. Weil gewisse Regionen<br />

das Ausbildungsprogramm blockieren,<br />

haben wir in den Klassenzimmern<br />

immer noch Pädagogen, die die staatliche<br />

Prüfung nicht absolviert haben. Sie<br />

sind nicht voll ausgebildet und im<br />

Grunde nicht befähigt, an einer staatlichen<br />

Schule zu unterrichten.<br />

E &W: Sind die Gewerkschaften während<br />

Lulas Präsidentschaft stärker geworden?<br />

Vieira: Es geht ja nicht nur um die Anzahl<br />

der Mitglieder. Es ist viel wichtiger,<br />

was wir gesellschaftlich erreichen. Mit<br />

der Regierung Lulas ist es gelungen, eine<br />

Kultur des Dialogs zu entwickeln. Das<br />

hat die Gesellschaft demokratisiert.<br />

Zum Beispiel gab es im nationalen Bereich<br />

des Bildungswesens ein Dialogverfahren,<br />

das alle einbezogen hat: Schülerinnen<br />

und Schüler, Studierende, Eltern,<br />

Gewerkschaften, Universitäten sowie<br />

Vertreter der Zivilgesellschaft. Es<br />

gab aufeinander folgende Konferenzen<br />

an Schulen, in Stadtverwaltungen, auf<br />

regionaler und auf Bundesebene. Alle<br />

Konferenzmitglieder wurden von ihrer<br />

Gruppe gewählt. Das Ergebnis ist ein<br />

Entwurf für das Bildungswesen der<br />

nächsten zehn Jahre, der dem Kongress<br />

nun als Beschlussvorlage vorliegt. An<br />

diesem demokratischen Prozess waren<br />

etwa 50000 Menschen als gewählte Delegierte<br />

beteiligt, allein zur letzten Kon-<br />

ferenz kamen rund 4000 Menschen.<br />

Das war nicht immer einfach. Es galt,<br />

Kompromisse zu finden. Es gab Niederlagen.<br />

CNTE will zum Beispiel erreichen,<br />

dass öffentliche Gelder nur für öffentliche<br />

Institutionen verwendet werden<br />

dürfen. Unsere Gewerkschaft ist<br />

dafür auch ungewöhnliche Allianzen<br />

mit kirchlichen Bildungseinrichtungen<br />

eingegangen. Leider haben wir unser<br />

Ziel nicht erreicht: Unternehmensfinanzierte<br />

Schulen können weiterhin<br />

auch auf öffentliche Gelder zugreifen.<br />

Trotzdem war der Weg, ein tragfähiges<br />

Bildungsprogramm im direkten Dialog<br />

mit möglichst vielen Menschen zu entwickeln,<br />

sehr erfolgreich.<br />

E &W: Was sind Ihre nächsten Vorhaben?<br />

da Silva: Wir wollen die Schulpflicht<br />

verlängern: Derzeit sind Kinder lediglich<br />

im Alter zwischen sechs und 14<br />

schulpflichtig. Wir wollen die Schulpflicht<br />

auf die Vier- bis 17-Jährigen ausweiten.<br />

Zudem engagieren wir uns<br />

dafür, das Netz der öffentlichen Universitäten<br />

und Fachhochschulen zu erweitern.<br />

Wir wollen, dass alle Bundesländer<br />

den Mindestlohn, die finanzierte Fortbildung<br />

und die staatliche Prüfung für<br />

Lehrkräfte auch tatsächlich umsetzen.<br />

Ein weiteres wichtiges Ziel: Der Anteil<br />

der Bildungsausgaben im Gesamtetat<br />

soll nicht nur von 3,4 auf 4,6 Prozent,<br />

sondern auf sieben Prozent erhöht werden.<br />

Große Pläne – wir sind optimistisch,<br />

dass wir viel erreichen können.<br />

Interview: Tina Fritsche, freie Journalistin<br />

Dolmetscherin: <strong>GEW</strong>-Mitglied<br />

Barbara Geier<br />

Zu den Personen<br />

Jucara Maria Dutra Vieira war CN-<br />

TE-Präsidentin, bis sie 2008 turnusgemäß<br />

ihren Vorsitz abgab. Sie ist<br />

jetzt für die Finanzen der Gewerkschaft<br />

zuständig und arbeitet als Vizepräsidentin<br />

der Bildungsinternationale<br />

(BI) unter anderem eng mit<br />

dem <strong>GEW</strong>-Vorsitzenden Ulrich Thöne<br />

zusammen. Die 60-jährige Literaturlehrerin<br />

stammt aus dem Bundesstaat<br />

Rio Grande do Sul, wo sie als<br />

langjährige Companheira des bisherigen<br />

Staatspräsidenten Lula Vertreterin<br />

der brasilianischen Arbeiterpartei<br />

PT ist.<br />

Fátima Aparecida da Silva stammt<br />

aus dem Staat Mato Grosso, leitet<br />

das Referat Internationale Beziehungen<br />

in der CNTE und ist Vizepräsidentin<br />

der lateinamerikanischen<br />

Bildungsgewerkschaften. T. F.<br />

INTERNATIONALES<br />

Mehr Infos über die<br />

CNTE<br />

(auf portugiesisch):<br />

http://www.cnte.org.br/<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 27


Foto: Privat<br />

TARIFPOLITIK<br />

Werner Balfer,<br />

stellvertretender<br />

Vorsitzender des<br />

HauptpersonalratsGesamtschulen<br />

beim Schulministerium<br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

Kein Geld?<br />

Einkommenssituation verbessert<br />

28 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Deutscher Personalräte-Preis in Gold/Interview mit Werner Balfer<br />

E &W: Der Hauptpersonalrat (HPR) Gesamtschulen<br />

beim Schulministerium in<br />

Nordrhein-Westfalen (NRW) hat vom<br />

„Schöneberger Forum“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />

(DGB) in Berlin den erstmals<br />

ausgelobten „Deutschen Personalräte-<br />

Preis“ in Gold erhalten. Begründet wurde die<br />

Auszeichnung damit, dass sich der HPR erfolgreich<br />

für eine bessere Einkommenssituation<br />

angestellter Lehrerinnen und Lehrer eingesetzt<br />

habe. Worum ging es bei dieser Initiative?<br />

Werner Balfer: Ausgangslage war, dass<br />

die neueingestellten tarifbeschäftigen,<br />

also nicht verbeamteten Lehrkräfte<br />

durch die Ablösung des Bundesangestelltentarifvertrages<br />

(BAT) durch den<br />

Tarifvertrag der Länder (TV-L) 2006 erhebliche<br />

Gehaltseinbußen hinnehmen<br />

mussten. Im Schnitt betrugen diese bis<br />

zu 400 Euro netto monatlich. Grund<br />

dafür: Beim TV-L spielten, anders als<br />

beim BAT, die familiäre Situation und<br />

das Lebensalter bei der Eingruppierung<br />

keine Rolle. Verschärft wird dieses Problem<br />

dadurch, dass NRW mit 40 Jahren<br />

die niedrigste Verbeamtungsgrenze aller<br />

Bundesländer hat – also viele Lehrkräfte<br />

keine Chance haben, den Beamtenstatus<br />

zu erhalten, für sie gilt als Angestellte<br />

der TV-L. Das betrifft vor allem die so<br />

genannten Seiteneinsteiger, in der Regel<br />

ältere Kolleginnen und Kollegen. Um<br />

diese hat das Land in den vergangenen<br />

Jahren verstärkt geworben, damit es die<br />

Personalnot in den Mangelfächern beheben<br />

kann.<br />

E &W: Was waren die Folgen?<br />

Balfer: Die teils erhebliche Diskrepanz<br />

bei der Bezahlung hat zu Unmut in den<br />

Schulen geführt. Viele neueingestellte<br />

Lehrkräfte haben berechtigterweise<br />

nicht eingesehen, dass man sie für die<br />

gleiche Arbeit schlechter bezahlt als ihre<br />

Kolleginnen und Kollegen. Gegenüber<br />

den verbeamteten Lehrkräften war die<br />

Ungerechtigkeit besonders groß. Ein<br />

Beamter in der Besoldungsklasse A 12<br />

erhielt rund 800 Euro netto mehr im<br />

Monat als ein Tarifbeschäftigter in der<br />

TV-L-Entgeltgrupppe 11 – und das bei<br />

gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation<br />

(s. E&W-Schwerpunkt 11/<strong>2010</strong>)!<br />

E &W: Wie groß war der Kreis derer, die<br />

von diesem Problem betroffen waren?<br />

Balfer: Wir haben in NRW etwa 170 000<br />

Lehrerinnen und Lehrer, 36000 davon<br />

Tarifbeschäftigte. Natürlich sind von<br />

diesen nicht alle durch den TV-L<br />

schlechter gestellt worden. Für die älteren<br />

Lehrkräfte gab es Überleitungsbestimmungen,<br />

die Besitzstände wahren.<br />

Die grundsätzliche Schlechterstellung<br />

betraf vor allem Neueingestellte.<br />

E &W: Wie sieht die Regelung aus, die der<br />

HPR mit dem NRW-Schulministerium ausgehandelt<br />

hat?<br />

Balfer: Alle beruflichen Vorerfahrungen,<br />

die man haupt-, neben-, freiberuflich,<br />

in einem geringfügigen, kurzfristigen<br />

oder Teilzeitarbeitsverhältnis erworben<br />

hat, werden jetzt bei der Einstufung<br />

angerechnet. Darüber hinaus konnten<br />

wir noch die Anerkennung von eventuell<br />

anfallenden Restzeiten erreichen.<br />

Das führt dazu, dass man schneller als<br />

vorher in die nächste Gehaltsstufe auf-<br />

Im Sommer <strong>2010</strong> sorgte der „Hochschulpakt“ in<br />

Hessen für Verdruss, der bei den staatlichen<br />

Hochschulen Einsparungen in Höhe von jährlich<br />

mehr als 30 Millionen Euro vorsah. Es gab Proteste,<br />

Vollversammlungen und eine landesweite Demonstration.<br />

Selbst einige Hochschulpräsidenten<br />

probten den Aufstand. Am Ende ohne Erfolg. Die<br />

Kürzungen wurden in vollem Umfang durchgezogen.<br />

Fast zeitgleich eröffnete die private „European<br />

Business School“ (EBS) einen neuen Fachbereich<br />

Jura in Wiesbaden. Die EBS bildet für Studiengebühren<br />

von zirka 12 000 Euro eine kleine<br />

auserlesene Managerelite aus. Doch offenbar reichen<br />

Studiengebühren, Sponsoring und private<br />

Spenden nicht, die hohen Ansprüche der Klientel<br />

zu erfüllen. Gerne nahm man daher zur Eröffnung des neuen Fachbereichs auch öffentliche Gelder: etwa<br />

zehn Millionen Euro von der Stadt Wiesbaden und 25 Millionen vom Land Hessen.<br />

Foto: dpa<br />

steigt bzw. nicht in der untersten Stufe<br />

der Entgeltgruppe einsortiert wird. Der<br />

Grund: Im TV-L ist die Berufserfahrung<br />

für den Stufenaufstieg in der Entgeltgruppe<br />

entscheidend – nicht wie früher<br />

im BAT das Lebensalter.<br />

E &W: Wie hat das Ministerium auf Ihre<br />

Initiative reagiert, waren die Bretter dick, die<br />

der HPR bohren musste?<br />

Balfer: Natürlich hat das Ministerium<br />

anfangs geblockt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

(BVerfG) von<br />

2008, das die <strong>GEW</strong> erstritt und in dem<br />

den Personalräten ein Mitbestimmungsrecht<br />

bei der Stufenzuordnung eingeräumt<br />

wird, hat uns sehr geholfen. Positiv<br />

war auch, dass es innerhalb des Ministeriums<br />

Beamte gab, die mit viel Verständnis<br />

auf unsere Forderungen und<br />

Vorschläge reagiert haben. Letztlich hat<br />

sich das Ministerium aber deshalb bewegt,<br />

weil es fürchten musste, dass gut<br />

qualifizierte Lehrkräfte von anderen Ländern<br />

abgeworben werden, die ihnen bessere<br />

finanzielle Bedingungen bieten. Vor<br />

allem in Gebieten NRWs, die an das besser<br />

zahlende Land grenzen, hatten Schulen<br />

zunehmend ein Problem, ausreichend<br />

Nachwuchs zu finden. Es gab also<br />

Druck auf Ministerium und Schulen.<br />

E &W: Bei der Preisverleihung hieß es, die<br />

Initiative des HPR in NRW sei mustergültig.<br />

Es gibt Bundesländer, in denen die Situation<br />

ähnlich schlecht ist, wie sie in NRW lange<br />

war. Hat der nordrhein-westfälische Verhandlungserfolg<br />

eine Signalwirkung?<br />

Balfer: Das muss man abwarten. Auf jeden<br />

Fall ist es so, dass die Kolleginnen<br />

und Kollegen, die bei der Verleihung des<br />

Preises dabei waren, sehr genau zuhörten.<br />

Trotz unseres Erfolges besteht nach<br />

wie vor eine große Diskrepanz zwischen<br />

den Einkommen der Tarifbeschäftigten<br />

und dem der Beamten. Für eine<br />

grundsätzliche Lösung muss die Entgeltordnung<br />

für Lehrerinnen und Lehrer<br />

neu gefasst werden. Seit etwa einem<br />

Jahr haben dazu die Tarifparteien verhandelt.<br />

Diese Gespräche sind am 15.<br />

November <strong>2010</strong> einseitig von den Arbeitgebern<br />

der Tarifgemeinschaft deutscher<br />

Länder (TdL) abgebrochen worden.<br />

Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle<br />

Angestellten und ihre Gewerkschaften.<br />

Das werden wir nicht hinnehmen.<br />

Interview: Jürgen Amendt,<br />

Redakteur „Neues Deutschland“


Sondierungsgespräche vereinbart<br />

Entgeltordnung zum Länder-Tarifvertrag<br />

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat am 15. November<br />

überraschend die Verhandlungen mit den Gewerkschaften<br />

über eine Entgeltordnung zum Tarifvertrag der Länder<br />

(TV-L) abgebrochen. Anlass waren angeblich maßlose Nachforderungen<br />

der Gewerkschaften, Vergütungsgruppenzulagen<br />

aus dem alten abgelösten Bundesangestelltentarifvertrag (BAT)<br />

in der neuen Entgeltordnung zu berücksichtigen. Aus <strong>GEW</strong>-<br />

Sicht war die Ankündigung der TdL, dass der Abbruch auch die<br />

Sondierungen zu einer Lehrkräfte-Entgeltordnung (L-ego) betreffe,<br />

besonders befremdlich. Hier spielen Vergütungsgruppenzulagen<br />

gar keine Rolle.<br />

Die Verhandlungen sollen möglichst schnell wieder aufgenommen<br />

werden. Deshalb ist für den 29. November eine Sondierungsrunde<br />

vereinbart worden. Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />

wollen nach Lösungswegen mit Blick auf die Zulagen für die<br />

Vergütungsgruppen suchen.<br />

Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss der E&W noch nicht<br />

fest. Klar ist: Die <strong>GEW</strong> will in der Tarifrunde 2011 neben einer<br />

kräftigen Lohnerhöhung den Abschluss einer Entgeltordnung<br />

zum TV-L durchsetzen – inklusive der tariflichen Eingruppierung<br />

der Lehrkräfte.<br />

Foto: imago<br />

Oliver Brüchert, Referent im <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereich Angestellten- und<br />

Beamtenpolitik<br />

Tarifflucht bei Berlitz<br />

DieGeschäftsführungderBerlitzDeutschland GmbH hatte die <strong>GEW</strong> im Oktober zu<br />

Tarifverhandlungen aufgefordert – und dies sehr dringlich gemacht. Begründung:<br />

Man befürchte in Folge der Wirtschaftskrise Umsatzeinbußen. Die Forderungen<br />

der Arbeitgeber: 22 Prozent Lohnverzicht bei den Lehrkräften und Streichung<br />

zahlreicher tariflicher Regelungen. In den Verhandlungen hat die <strong>GEW</strong> signalisiert,<br />

dass sie zu befristeten Gehaltskürzungen bereit sei, wenn dafür verbindliche<br />

Regelungen vereinbart würden, die die Beschäftigung sichern. Doch der Berlitz<br />

Geschäftsführung ging es nicht darum, einen Rückgang der Einnahmen zu überbrücken.<br />

Sie will eine dauerhafte Umstrukturierung: weg von Festangestellten hin<br />

zu Honorarkräften. Das hat die <strong>GEW</strong> strikt abgelehnt, so dass beide Seiten die Verhandlungen<br />

am 4. November für gescheitert erklärt haben. Die <strong>GEW</strong> hat darauf<br />

reagiert und Berlitz auf Beschluss der Tarifkommission aufgefordert, Tarifverhandlungen<br />

über einen Sozialplan aufzunehmen. Dabei geht es um Verbesserungen bei<br />

Kündigungsfristen, Abfindungen und Wiedereinstellungsansprüche.<br />

Oliver Brüchert, Referent im <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereich Angestellten- und Beamtenpolitik<br />

Berlitz plant eine dauerhafte<br />

Umstrukturierung<br />

seiner Sprachschulen:<br />

weg von Festangestellten<br />

hin zu Honorarkräften.<br />

Mehr Rente für<br />

Beamtinnen mit Kindern<br />

Bis heute werden verbeamteten Lehrerinnen,<br />

deren Kinder bis zum Jahr 1991<br />

geboren sind, je Kind nur sechs Monate<br />

bei der Versorgung gutgeschrieben. Rentenempfängerinnen<br />

wird ein Jahr pro<br />

Kind an Kindererziehungszeiten anerkannt.<br />

So sieht es das bis zum 31. <strong>Dezember</strong><br />

1991 geltende Beamtenversorgungsgesetz<br />

vor, das als Übergangsrecht<br />

weiterhin angewandt wird. Seit diesem<br />

Jahr können sich allerdings Beamtinnen<br />

ihre Kindererziehungszeiten vor dem 1.<br />

Januar 1992 nachträglich in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung anerkennen<br />

lassen. Sie haben zudem die Möglichkeit,<br />

Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung<br />

freiwillig nachzuzahlen,<br />

sofern sie die rentenrechtliche Mindestversicherungszeit<br />

von fünf Jahren nicht<br />

erfüllen. Das lohnt sich, wenn die Beamtin<br />

(z. B. wegen Beurlaubung oder<br />

Teilzeit) den Höchstversorgungssatz in<br />

der Beamtenversorgung – 40 ruhegehaltsfähige<br />

Dienstjahre – nicht erreicht.<br />

Nähere Infos gibt es bei den Auskunftsund<br />

Beratungsstellen der Deutschen<br />

Rentenversicherung sowie unter www.<br />

gew.de/Rente.html.<br />

Gesa Bruno-Latocha,<br />

Referentin im <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereich<br />

Angestellten- und Beamtenpolitik<br />

TARIFPOLITIK<br />

Die <strong>GEW</strong>-Broschüre<br />

„Tarifrunde 2011 – Entgeltordnungdurchsetzen!“<br />

ist über die Landesverbände<br />

zu beziehen.<br />

Weitere Infos unter:<br />

www.gew.de/Berlitz_<br />

Deutschland_GmbH.html<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 29


TARIFRUNDE<br />

Gleicher<br />

Lohn für<br />

gleichwertige<br />

Arbeit!<br />

Leserdebatte<br />

Der E&W-Tarif-Schwerpunkt, insbesondere die<br />

„Acht Protokolle der Ungerechtigkeit...“, Seite 6<br />

ff., in der November-Ausgabe hat eine rege Leserdebatte<br />

entfacht. Die Zuschriften spiegeln wider,<br />

was die Leserinnen und Leser bewegt, sie erzählen<br />

von Wut, Frust und Diskriminierungen.<br />

„Alte Wut“<br />

Diese Protokolle haben mich berührt.<br />

Alte Wut kam wieder auf. Ich bin Lehrerin<br />

an einer Fachschule für Sozialpädagogik/Heilerziehungspflege.Obwohl<br />

ich über zwei Hochschulabschlüsse<br />

verfüge (einen „DDR-Abschluss“ als<br />

Diplom-Lehrerin und einen „West-Abschluss“<br />

als Diplom-Pädagogin), bezahlt<br />

man mich aus unterschiedlichen<br />

Gründen schlechter. Es hieß: Ich würde<br />

mehr Musik als Pädagogik unterrichten.<br />

Ich müsse eine bestimmte Anzahl<br />

von Berufsjahren vorweisen, die zwischenzeitlich<br />

nach oben korrigiert worden<br />

ist und die ich nur langsam erreiche,<br />

da ich Teilzeit arbeite. Ich müsse<br />

vorwiegend in einem bestimmten<br />

Schultyp arbeiten (an unserer Schulform<br />

sind mehrere Schulen vereint). Inzwischen<br />

habe ich mich mit dieser Situation<br />

abgefunden. Ich ärgere mich<br />

aber immer noch, wenn das Thema<br />

wieder aktuell wird.<br />

Rita Klaukin (per E-Mail)<br />

„Vergessene Gruppe“<br />

Ich bin seit fünf Jahren Werkstattlehrer<br />

und seit kurzem <strong>GEW</strong>-Mitglied. Bei<br />

der Tarifberichterstattung ist mir<br />

schmerzlich aufgefallen, dass der Tarif<br />

von Werkstattlehrkräften nicht erwähnt<br />

wird. Keine Werkstattlehrkraft kommt<br />

zu Wort. In den meisten Bundeslän-<br />

30 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

dern sitzen die Werkstattlehrkräfte mit<br />

30 Unterrichtsstunden – eingruppiert<br />

in Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrags der<br />

Länder (TV-L) – auf dieser Gehaltsstufe<br />

fest. Immer wieder müssen wir uns anhören,<br />

wir wären ja keine richtigen Lehrerinnen<br />

und Lehrer und dürften nur<br />

„Unterweisungen“ machen. Die Realität<br />

sieht anders aus: Wir haben oft besonders<br />

schwierige Schüler. Werkstattlehrkräfte<br />

haben zwar nicht studiert,<br />

aber unsere Ausbildung umfasst mindestens<br />

fünf Jahre (Lehre und Meisterprüfung).<br />

Viele von uns waren jahrelang<br />

in leitenden Positionen eines Betriebes<br />

tätig und sind aus Überzeugung<br />

in den Schuldienst gegangen.<br />

Bettina Börnsen (per E-Mail)<br />

„Blick auf prekär<br />

Beschäftigte“<br />

Die meisten <strong>GEW</strong>-Mitglieder nehmen<br />

Hartz IV in erster Linie durch die zunehmende<br />

Armut der Kinder und Jugendlichen<br />

in ihren Einrichtungen<br />

wahr. Aber wir haben auch etliche Betroffene<br />

unter den <strong>GEW</strong>-Mitgliedern.<br />

Diese finden innerhalb der Gewerkschaft<br />

jedoch zu wenig Aufmerksamkeit.<br />

Für alle, die sich in prekären Arbeitsund<br />

Lebensbedingungen befinden,<br />

muss die <strong>GEW</strong> sich noch deutlicher als<br />

politische Interessenvertretung aufstellen.<br />

Peter Müller, Vertreter der „Beschäftigtengruppe<br />

Erwerbslose im Landesvorstand<br />

Sachsen“<br />

„Die Mauer steht“<br />

Herzlichen Dank für diesen Artikel,<br />

der die bestehenden Ungerechtigkeiten<br />

in der Bezahlung angestellter Lehrkräfte<br />

einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich<br />

macht. Ich habe 1984 in<br />

Thüringen mein Fachschulstudium als<br />

„Lehrer für die unteren Klassen“ in<br />

Deutsch, Mathematik und Musik abgeschlossen<br />

und arbeite seit 1997 mit<br />

Spaß und unter Anerkennung meiner<br />

Arbeit durch Kollegen, Eltern und<br />

Kinder an einer niedersächsischen<br />

Grundschule. Obwohl ich in unserer<br />

Schule die gleichen beruflichen Anforderungen<br />

erfülle wie andere angestellte<br />

Lehrkräfte mit „richtigem“ Abschluss,<br />

werde ich während meiner niedersächsischen<br />

Dienstzeit nach meiner Rechnung<br />

bis zum Renteneintritt etwa<br />

35 000 Euro weniger als meine Kollegen<br />

verdient haben. Die Übernahme<br />

einer Funktionsstelle bleibt mir dauerhaft<br />

verwehrt. Mein Fazit: Die Mauer<br />

steht – wenn auch unsichtbar – zumindest<br />

in den Köpfen derer, die an dieser<br />

Ungerechtigkeit weiter festhalten wollen.<br />

Daniela Gerstenberger (per E-Mail)<br />

„Gleichermaßen<br />

anspruchsvoll“<br />

Die „Tarifrunde“ wird in den neuen<br />

Bundesländern besonders aufmerksam<br />

verfolgt. Es geht doch nach wie vor um<br />

eine gerechtere Bezahlung der Lehrkräfte<br />

im Osten. Ich befürworte eine nach<br />

dem Prinzip: gleicher Lohn für gleiche<br />

Arbeit. Da ich seit 18 Jahren bereits als<br />

Grundschullehrer an einem Gymnasium<br />

arbeite und 15 Jahre lang als Angestellter<br />

immer wieder hören musste,<br />

dass eine Höhergruppierung nicht<br />

möglich sei, konnte ich nach meiner<br />

Verbeamtung endlich in die Besoldungsgruppe<br />

A 12 aufsteigen. Deshalb:<br />

Die Forderungen der <strong>GEW</strong> nach einer<br />

einheitlichen Bezahlung gehen in die<br />

richtige Richtung.<br />

H. Weber (per E-Mail)<br />

„Unterschiedliche<br />

Pflichtstundenzahl“<br />

Eine ungerechte Entlohnung entsteht<br />

auch durch unterschiedlich hohe<br />

Pflichtstundenzahlen in den verschiedenen<br />

Schularten. Das sollte bei der angestrebten<br />

Vereinheitlichung der Bezahlung<br />

der Pädagogen nicht vergessen<br />

werden. Zurzeit arbeiten Lehrerinnen<br />

und Lehrer z.B. an Grundschulen für<br />

weniger Geld mehr, bei gleicher Eingruppierung<br />

arbeiten sie für das gleiche<br />

Geld mehr.<br />

Karin Sydow (per E-Mail)<br />

„Aus dem Herzen<br />

gesprochen“<br />

Schön, dass so viele Beispiele kamen,<br />

aber die Kolleginnen und Kollegen aus<br />

der Fachpraxis sind leider mal wieder<br />

nicht erwähnt. Auch ich bin eine so genannte<br />

„Quereinsteigerin“. Ich habe<br />

meinen Meister als Hauswirtschaftliche<br />

Betriebsleiterin gemacht, dann lernbehinderte<br />

Jugendliche ausgebildet. Später<br />

bin ich durch Zufall an die Berufsschule<br />

gekommen. Hier werde ich nach<br />

A 9 bezahlt – mit geringen Aufstiegschancen.<br />

Ich darf zwar als „Ersatz“ für<br />

erkrankte Kollegen einspringen oder<br />

mir fachfremd neuen Unterrichtsstoff<br />

aneignen. Ich bin auch gern bereit dazu,<br />

allerdings wäre mir doch lieber,<br />

wenn die Forderung nach „gleichem<br />

Lohn für gleiche Arbeit“ endlich umge-


setzt würde. Ein weiterer Grund, die<br />

<strong>GEW</strong> bei den Tarifauseinandersetzungen<br />

zu unterstützen.<br />

Nadine Hannig (per E-Mail)<br />

„Diskriminierende<br />

Unterbezahlung“<br />

Vergesst bei den Tarifverhandlungen<br />

nicht die Altersteilzeit-Beschäftigten,<br />

die im Vertrauen auf die Aussagen des<br />

Tarifvertrages vom 5. Mai 1998 ein Altersteilzeit-Verhältnis<br />

eingingen und<br />

nun erkennen müssen, dass eine nicht<br />

aktualisierte Mindestnetto-Tabelle Ursache<br />

für eine diskriminierende Unterbezahlung<br />

ist. Bereitet die <strong>GEW</strong> Musterklagen<br />

vor oder wartet sie auf eine<br />

Austrittswelle? Denn Interessen einer<br />

großen Anzahl von Mitgliedern werden<br />

nicht vertreten.<br />

Ines Volk (per E-Mail)<br />

„Alle im Blick“?<br />

E&W veröffentlicht viele Beispiele ungerechter<br />

Entlohnung. Es verwundert<br />

und ärgert mich aber, dass die Redaktion<br />

den unterschiedlichen Verdienst<br />

von Angestellten und Beamten unerwähnt<br />

lässt. Die ungleiche Entlohnung<br />

wurde kürzlich in der ARD-Sendung<br />

Fakt am Beispiel zweier Lehrer (einer<br />

Beamter, einer Angestellter – Anm. d.<br />

Red.) deutlich, die die gleiche Qualifikation<br />

haben, die gleiche Arbeit machen<br />

und dennoch mit 400-Euro-Differenz<br />

monatlich nach Hause gehen. Da<br />

stellt sich erstens die Frage, warum<br />

E&W dieses Thema ausgespart hat?<br />

Und zweitens, ob die Redaktion wirklich<br />

die Interessen aller Lehrkräfte im<br />

Blick hat?<br />

M. Wald-Dasey (per E-Mail)<br />

„Kein Ruhmesblatt“<br />

Ich arbeite seit 22 Jahren an einer Gesamtschule<br />

und es war schon immer<br />

demütigend, ärgerlich und häufig demotivierend,<br />

wenn man z.B. Sek-II-<br />

Kolleginnen und -Kollegen in den Berufsalltag<br />

einführte und diese später<br />

mehr verdienten, in der Regel in höhere<br />

Gehaltsstufen aufstiegen – und wir<br />

blieben bei Stufe A 12 „hängen“! Schon<br />

Anfang der 1990er gab es Initiativen an<br />

Gelsenkirchener und Bottroper Gesamtschulen<br />

gegen solche Ungerechtigkeiten.<br />

Sie scheiterten an den Schulpolitikern<br />

der SPD, am mangelnden Engagement<br />

der <strong>GEW</strong>-Führung und weil<br />

die Beschäftigten „genervt“ aufgaben!<br />

Die Tarifpolitik in diesem Bereich ist<br />

kein Ruhmesblatt; sie hat bestehende<br />

Hierachien und Ungerechtigkeiten immer<br />

wieder stabilisiert!<br />

Jürgen Todeskino (per E-Mail)<br />

„Qualifizierter Unterschied“<br />

Das so genannte Negativ-Beispiel der<br />

56-jährigen Diplom-Pädagogin in den<br />

„Acht Protokollen“ ist für mich nicht<br />

nachvollziehbar. Ich finde die Bezahlung<br />

bei dieser Qualifikation in Ordnung.<br />

Was sollen denn Kolleginnen<br />

und Kollegen verdienen, die über<br />

Praxiserfahrung verfügen, eine entsprechende<br />

Fachrichtung an der Uni studiert,<br />

ein Referendariat sowie ein zweites<br />

Staatsexamen absolviert haben? Aus<br />

langjähriger beruflicher Erfahrung und<br />

als <strong>GEW</strong>-Personalrat bin ich vom qualifizierten<br />

Unterschied überzeugt – und<br />

der muss auch adäquat vergütet werden!<br />

Horst Küppers, Neumünster<br />

Blick nach USA<br />

Erfahrungen aus den USA: Das amerikanische<br />

Tarifsystem erscheint mir<br />

sinnvoller als das deutsche: Die Lehrkräfte<br />

werden nach ihrem Aus- bzw.<br />

Fortbildungsstand bezahlt. Es gibt unterschiedliche<br />

Gehaltstabellen für Bachelor,<br />

Master, Master+15, Master+30<br />

(Credithours) und PHD (Doktortitel).<br />

Das hat zur Folge, dass ein promovierter<br />

Pädagoge an der Grundschule genau<br />

so viel verdient wie an jeder anderen<br />

Schulform. Es gibt tatsächlich Lehrkräfte<br />

mit Doktortitel an amerikanischen<br />

Grundschulen! Mein zusätzlicher<br />

Abschluss in den Vereinigten Staaten<br />

brachte mir allerdings nur dort<br />

auch eine bessere Bezahlung ein. Hier<br />

in Deutschland komme ich über mein<br />

Grundschullehrergehalt – auch mit<br />

Doktortitel – nicht hinaus.<br />

Katrin Lederer (per E-Mail)<br />

„Frust“<br />

Innerhalb des Studiengangs „Lehramt<br />

für Grund- und Hauptschulen“ kann<br />

man in Baden-Württemberg an den<br />

Pädagogischen Hochschulen Freiburg<br />

und Karlsruhe den Studiengang „Europalehramt“<br />

für bilinguales Lehren und<br />

Lernen belegen. Trotz höherer Qualifikation<br />

(in etwa vergleichbar mit dem<br />

Studiengang Realschule) erhalten „Europalehrämtler“<br />

die gleiche Bezahlung<br />

wie alle anderen Grund- und Hauptschullehrkräfte.<br />

Eine qualifiziertere<br />

Ausbildung macht sich hier in keinster<br />

Weise bezahlt. Dass sich dabei schnell<br />

Frust einstellt, ist gut nachzuvollziehen.<br />

Caroline Tamm, Tübingen<br />

Erziehung<br />

undW ssenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungs erkschaft <strong>GEW</strong> 11/<strong>2010</strong><br />

Qualifikation:<br />

Bezahlung:<br />

„Unterschiedliche<br />

Beförderung“<br />

sehr gut<br />

ungenügend<br />

In der Bezahlung ist leider eine große<br />

Ungerechtigkeit zwischen den Fachleitungen<br />

einzelner Schulformen vorhanden.<br />

Obwohl der Arbeitsumfang<br />

durchaus vergleichbar ist. Eine Lehrerin<br />

aus dem gehobenen Dienst (A 12),<br />

die sich um eine Fachleiterstelle im Bereich<br />

der Sekundarstufe I bewirbt, erhält<br />

lediglich eine Zulage, sie bleibt<br />

aber in der Besoldungsstufe A 12 eingruppiert.<br />

Die neue Aufgabe ist nicht<br />

mit einer Beförderung verbunden. Eine<br />

Studienrätin, die sich um eine Fachleiterstelle<br />

im Bereich der Sekundarstufe<br />

II bewirbt, wird dagegen zur Oberstudienrätin<br />

und anschließend zur Studiendirektorin<br />

befördert.<br />

Quelle:<br />

http://www.tresselt.de/befoerderung.htm<br />

Christina Eckhard (per E-Mail)<br />

„Soziale Kluft größer“<br />

Acht<br />

Protokolle der<br />

Ungerechtigkeit<br />

Danke für diese ausgezeichnete Ausgabe!<br />

Es ist in der Tat erschreckend, wie<br />

eines der reichsten Länder der Erde die<br />

soziale Kluft immer weiter vergrößert.<br />

Die Politik hat, nach der unsäglichen<br />

Einführung von Arbeitslosengeld<br />

(ALG) II, die Finanzmarktkrise genutzt,<br />

Millionen Menschen in Unterbeschäftigung<br />

bzw. in Niedriglöhne zu drängen.<br />

Erneut hat eine gigantische Umverteilung<br />

stattgefunden. Das ist auch<br />

innerkapitalistisch kontraproduktiv:<br />

Die Kaufkraft bleibt niedrig, die Abhängigkeit<br />

vom Export weitet sich aus.<br />

Johannes M. Becker, Marburg<br />

Weitere Leserbriefe s. Seite 36<br />

TARIFRUNDE<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 31


<strong>GEW</strong>-INTERN<br />

Termin:31.<strong>Dezember</strong> <strong>2010</strong><br />

Anträge, die bis dahin beantragt werden, können noch zu den niedrigen Beiträgen für <strong>2010</strong> angenommen werden.<br />

Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

wer verantwortlich vorsorgen will, kommt nicht daran vorbei, auch über die finanzielle Absicherung im Todesfall nachzudenken.<br />

Brechen Sie ein Tabu und treffen Sie Vorsorge für den Fall der Fälle.<br />

Ein Todesfall ist immer eine hohe psychische Belastung für alle Hinterbliebenen. Neben der Trauer müssen eine Reihe organisatorischer Aufgaben bewältigt<br />

werden. Von der Gestaltung der Trauerfeier bis hin zur Wohnungsauflösung. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Kosten für eine würdige Bestattung<br />

5 000 EUR oft weit übersteigen. Sichern Sie Ihre Angehörigen rechtzeitig ab durch den Abschluss einer Sterbegeldversicherung. Denn seit<br />

dem 01.01.2004 wurde das von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlte Sterbegeld komplett gestrichen.<br />

Eigenverantwortung ist jetzt unverzichtbar – Wir helfen Ihnen dabei.<br />

Sie können jetzt mit der BFW-Sterbegeldversicherung Ihre Lücke in der Vorsorge schließen; dabei kommen Ihnen die besonders günstigen Beiträge<br />

für <strong>GEW</strong>-Mitglieder zugute. Diese und weitere Vorteile gelten auch für Ihre Angehörigen:<br />

Vorteile auf einen Blick:<br />

● Niedrige Beiträge durch Gruppenvertrag ● Garantierte Aufnahme bis 80 Jahre<br />

● Steuerbegünstigung der Beiträge ● Doppelzahlung bei Unfalltod<br />

● Keine Gesundheitsprüfung, ● Leistungsverbesserung durch Überschussbeteiligung<br />

Warum sollten Sie eine Sterbegeldversicherung beim Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> abschließen?<br />

In der Bereitstellung finanzieller Mittel für ein würdiges Begräbnis sieht das BFW der <strong>GEW</strong> seine Hauptaufgabe. Durch den Gruppenvertrag mit der<br />

DBV Deutsche Beamtenversicherung bieten wir <strong>GEW</strong>-Mitgliedern und deren Angehörigen seit über 35 Jahren besonders günstige Versicherungsbeiträge.<br />

Wählen Sie eine Versicherungssumme zwischen 500 € und 12500 €.<br />

Senden Sie uns den folgenden Antrag am besten noch heute zurück.<br />

Beitragstabelle Monatsbeiträge je 500 EUR Versicherungssumme Tarif VG9/2008<br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

15 0,59 EUR 0,51 EUR<br />

16 0,61 EUR 0,52 EUR<br />

17 0,62 EUR 0,53 EUR<br />

18 0,63 EUR 0,54 EUR<br />

19 0,65 EUR 0,56 EUR<br />

20 0,66 EUR 0,57 EUR<br />

21 0,67 EUR 0,58 EUR<br />

22 0,69 EUR 0,59 EUR<br />

23 0,71 EUR 0,60 EUR<br />

24 0,72 EUR 0,62 EUR<br />

25 0,74 EUR 0,63 EUR<br />

26 0,76 EUR 0,65 EUR<br />

27 0,78 EUR 0,66 EUR<br />

28 0,80 EUR 0,68 EUR<br />

29 0,82 EUR 0,69 EUR<br />

30 0,84 EUR 0,71 EUR<br />

31 0,86 EUR 0,73 EUR<br />

Eintrittsalter: Beginnjahr der Versicherung minus Geburtsjahr der zu versichernden Person.<br />

Bei Eintrittsalter 15-74 ist die Unfallzusatzversicherung obligatorisch eingeschlossen.<br />

Für andere Versicherungssummen als 500 Euro ist der Betrag entsprechend zu vervielfältigen.<br />

Die Monatsbeiträge sind versicherungstechnisch mit sieben Nachkommastellen gerechnet. Aus Vereinfachungsgründen sind aber nur zwei Nachkommastellen<br />

in der Beitragstabelle ausgewiesen. Deshalb kann es zu Rundungsdifferenzen kommen, die sich allerdings nur im Cent-Bereich bewegen.<br />

Endalter Beitragszahlung: 85 Jahre, aber mindestens fünf Jahre.<br />

32 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

32 0,89 EUR 0,75 EUR<br />

33 0,91 EUR 0,77 EUR<br />

34 0,94 EUR 0,79 EUR<br />

35 0,97 EUR 0,81 EUR<br />

36 1,00 EUR 0,83 EUR<br />

37 1,03 EUR 0,86 EUR<br />

38 1,06 EUR 0,88 EUR<br />

39 1,09 EUR 0,91 EUR<br />

40 1,13 EUR 0,94 EUR<br />

41 1,17 EUR 0,96 EUR<br />

42 1,21 EUR 0,99 EUR<br />

43 1,25 EUR 1,03 EUR<br />

44 1,30 EUR 1,06 EUR<br />

45 1,34 EUR 1,09 EUR<br />

46 1,39 EUR 1,13 EUR<br />

47 1,45 EUR 1,17 EUR<br />

48 1,50 EUR 1,21 EUR<br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

49 1,56 EUR 1,26 EUR<br />

50 1,63 EUR 1,30 EUR<br />

51 1,69 EUR 1,35 EUR<br />

52 1,76 EUR 1,40 EUR<br />

53 1,84 EUR 1,46 EUR<br />

54 1,92 EUR 1,52 EUR<br />

55 2,00 EUR 1,58 EUR<br />

56 2,09 EUR 1,65 EUR<br />

57 2,18 EUR 1,72 EUR<br />

58 2,28 EUR 1,80 EUR<br />

59 2,39 EUR 1,88 EUR<br />

60 2,51 EUR 1,97 EUR<br />

61 2,63 EUR 2,07 EUR<br />

62 2,76 EUR 2,17 EUR<br />

63 2,91 EUR 2,29 EUR<br />

64 3,06 EUR 2,41 EUR<br />

65 3,23 EUR 2,55 EUR<br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

66 3,42 EUR 2,70 EUR<br />

67 3,62 EUR 2,86 EUR<br />

68 3,84 EUR 3,05 EUR<br />

69 4,08 EUR 3,25 EUR<br />

70 4,35 EUR 3,48 EUR<br />

71 4,64 EUR 3,73 EUR<br />

72 4,97 EUR 4,02 EUR<br />

73 5,34 EUR 4,35 EUR<br />

74 5,75 EUR 4,73 EUR<br />

75 6,19 EUR 5,14 EUR<br />

76 6,75 EUR 5,66 EUR<br />

77 7,41 EUR 6,30 EUR<br />

78 8,22 EUR 7,09 EUR<br />

79 9,24 EUR 8,11 EUR<br />

80 10,61 EUR 9,49 EUR


Version G -03. <strong>2010</strong><br />

Beitrittserklärung bitte zurücksenden an:<br />

Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> e.V., Postfach 90 04 09, 60444 Frankfurt<br />

Beitrittserklärung zur Gruppen-Sterbegeldversicherung<br />

(bis Alter 80) - Tarif VG9/2008<br />

Zu versichernde Person<br />

Versicherungsumfang<br />

Einzugsauftrag<br />

(bitte in jedem Fall ausfüllen)<br />

Produktbeschreibung<br />

Unfalltod-<br />

Zusatzversicherung<br />

Beitragszahlung<br />

Name / Vorname<br />

Straße / Hausnummer<br />

Versicherungsbeginn<br />

PLZ / Wohnort<br />

Geburtsdatum<br />

Telefonnummer für Rückfragen<br />

Ich beantrage eine Versicherungssumme von: (bitte ankreuzen)<br />

Versicherungssumme in €<br />

3.000<br />

5.000<br />

7.000<br />

10.000<br />

12.500<br />

Monatlicher Beitrag in €<br />

Ich wähle folgende Summe unter 12.500 Euro: Euro .....................<br />

zzgl. BFW-Mitgliedsbeitrag 0,05<br />

Mindestsumme 500,-- Euro<br />

Lastschriftbetrag ................<br />

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Beiträge für diese Gruppen-Sterbegeld-Versicherung bis auf schriftlichen Widerruf und der<br />

monatliche BFW-Mitgliedsbeitrag von € 0,05 im Lastschriftverfahren monatlich eingezogen werden.<br />

Konto-Nummer Bankleitzahl<br />

Y Y<br />

Bank / Sparkasse / Postbank Konto-Inhaber<br />

Y<br />

Die Versicherungsleistung wird beim Tod der versicherten Person fällig.<br />

Das Höchsteintrittsalter beträgt 80 Jahre. Der Versicherer verzichtet auf<br />

eine Gesundheitsprüfung; stattdessen gilt beim Tod der versicherten<br />

Person im 1. Versicherungsjahr folgende Staffelung der Versicherungssumme:<br />

Bei Tod im 1. Monat: Rückzahlung des eingezahlten Beitrages;<br />

bei Tod im 2. Monat: Zahlung von 1/12 der Versicherungssumme; bei Tod<br />

im 3. Monat Zahlung von 2/12 der Versicherungssumme usw.; allmonat-<br />

Eine Unfalltod-Zusatzversicherung ist stets eingeschlossen, außer bei<br />

den Eintrittsaltern ab 75 Jahren. Bei Tod infolge eines Unfalls vor dem<br />

Ende des Versicherungsjahres, in dem die versicherte Person ihr 75.<br />

Die Beiträge sind bis zum Ende des Monats zu entrichten, in dem die<br />

versicherte Person stirbt; längstens jedoch bis zum Ende des Ver-<br />

Überschussbeteiligung Die von der DBV Deutsche Beamtenversicherung Lebensversicherung<br />

AG laufend erwirtschafteten Überschüsse werden in Form von Grund- und<br />

Zinsüberschussanteilen weitergegeben. Die Grundüberschussanteile<br />

werden mit den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet.<br />

Zuwendungserklärung Die während meiner Mitgliedschaft auf die Sterbegeldversicherung<br />

anfallenden Grundüberschussanteile werden mit<br />

den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet.<br />

Bis auf meinen jederzeit möglichen Widerruf wende ich dem<br />

BFW der <strong>GEW</strong> laufend Beträge in Höhe der jeweils verrechneten<br />

Überschussanteile zu. Dadurch kommen diese Beträge wirt-<br />

Unterschriften<br />

Bildungs- und Förderungswerk<br />

der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />

Über die Erhöhung des Versicherungsschutzes wird ein gesonderter Versicherungsschein erstellt.<br />

Bevor Sie diese Beitrittserklärung unterschreiben, lesen Sie bitte auf der<br />

Rückseite die Einwilligungserklärung der zu versichernden Person. Die Einwilligungserklärung<br />

enthält u.a. die Klausel nach dem Bundesdaten-<br />

Ort / Datum Unterschrift der zu versichernden Person<br />

Y Y Y<br />

Bitte kreuzen Sie an:<br />

weiblich männlich<br />

lich um 1/12 der Versicherungssumme steigend bis zur vollen Versicherungssumme<br />

ab Beginn des 2. Versicherungsjahres. Stirbt die<br />

versicherte Person vor Ablauf des ersten Versicherungsjahres infolge<br />

eines im ersten Versicherungsjahr eingetretenen Unfalls, wird stets<br />

die volle Versicherungsleistung erbracht.<br />

Interne Angaben<br />

Gruppenvertragsnummer Personenkreis Versicherungsscheinnummer Versicherungssumme Versicherungsbeginn<br />

4 7 9 0 0 5 8 6 6 1 4 7 0 1 2 0 1 0<br />

Y<br />

Ihr Servicetelefon<br />

069/78 97 32 05<br />

Bitte ankreuzen:<br />

Mitglied<br />

Familienangehörige/r<br />

Lebensjahr vollendet hat, wird die volle Versicherungssumme zusätzlich<br />

zur Sterbegeldleistung gezahlt.<br />

sicherungsjahres, in dem die versicherte Person das rechnungsmäßige<br />

85. Lebensjahr vollendet.<br />

Die Zinsüberschussanteile werden verzinslich angesammelt<br />

und zusammen mit der Versicherungsleistung ausgezahlt.<br />

schaftlich nicht mir, sondern dem BFW der <strong>GEW</strong> zu 64 % für<br />

satzungsgemäße Aufgaben und zu 36 % zur Förderung der<br />

Sterbegeldeinrichtung (Kostendeckungsmittel) zugute. Über<br />

die Höhe der Zuwendungen gibt das BFW der <strong>GEW</strong> auf Anfrage<br />

jederzeit Auskunft. Bei Widerruf der Zuwendungserklärung<br />

beträgt der monatliche BFW-Mitgliedsbeitrag 2,50 €.<br />

schutzgesetz (BDSG) und Hinweise zum Widerspruchsrecht; sie ist<br />

wichtiger Bestandteil des Vertrages. Sie machen mit Ihrer Unterschrift<br />

die Einwilligungserklärung zum Inhalt dieser Beitrittserklärung.<br />

Unterschrift der Kontoinhaberin/des Kontoinhabers<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 33


Einwilligungserklärung Die Vereinigung und die zu versichernde Person geben die nachfolgend abgedruckten Einwilligungserklärungen zur Datenverarbeitung<br />

nach dem Bundesdatenschutzgesetz und zur Schweigepflichtentbindung ab.<br />

Widerrufsrecht<br />

Sie können Ihre Erklärung bis zum Ablauf von 30 Tagen<br />

nach Erhalt des Versicherungsscheins und der<br />

Bestimmungen und Informationen zum Vertrag (BIV) ohne<br />

Angabe von Gründen schriftlich widerrufen. Eine<br />

Erklärung in Textform (z.B. per Brief, Fax oder E-Mail) ist<br />

I. Bedeutung dieser Erklärung und Widerrufsmöglichkeit<br />

Ihre personenbezogenen Daten benötigen wir zur Verhinderung<br />

von Versicherungsmissbrauch, zur Überprüfung unserer<br />

Leistungspflicht, zu Ihrer Beratung und Information sowie allgemein<br />

zur Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung.<br />

Personenbezogene Daten dürfen nach geltendem Datenschutzrecht<br />

nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden<br />

(Datenverwendung), wenn dies ein Gesetz ausdrücklich<br />

erlaubt oder anordnet oder wenn eine wirksame Einwilligung<br />

des Betroffenen vorliegt.<br />

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Verwendung<br />

Ihrer allgemeinen personenbezogenen Daten<br />

(z.B. Alter oder Adresse) erlaubt, wenn es der Zweckbestimmung<br />

eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen<br />

Vertrauensverhältnisses dient (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG).<br />

Das gleiche gilt, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen<br />

der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu<br />

der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des<br />

Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung<br />

überwiegt (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Die Anwendung<br />

dieser Vorschriften erfordert in der Praxis oft eine umfangreiche<br />

und zeitintensive Einzelfallprüfung. Auf diese kann bei Vorliegen<br />

dieser Einwilligungserklärung verzichtet werden.<br />

Zudem ermöglicht diese Einwilligungserklärung eine Datenverwendung<br />

auch in den Fällen, die nicht von den Vorschriften<br />

des Bundesdatenschutzgesetzes erfasst werden<br />

(Vgl. dazu Ziffer II).<br />

Einen intensiveren Schutz genießen besondere Arten personenbezogener<br />

Daten (insbesondere Ihre Gesundheitsdaten).<br />

Diese dürfen wir im Regelfall nur verwenden, nachdem<br />

Sie hierin ausdrücklich eingewilligt haben (Vgl. dazu Ziffer III.).<br />

Mit den nachfolgenden Einwilligungen zu Ziffer II. und Ziffer<br />

III. ermöglichen Sie zudem eine Datenverwendung auch<br />

solcher Daten, die dem besonderen gesetzlichen Schutz von<br />

Privatgeheimnissen gemäß § 203 Strafgesetzbuch unterliegen.<br />

Diese Einwilligungen sind ab dem Zeitpunkt der Antragstellung<br />

wirksam. Sie wirken unabhängig davon, ob später<br />

der Versicherungsvertrag zustande kommt. Es steht Ihnen<br />

frei, diese Einwilligungserklärungen mit Wirkung für die<br />

Zukunft jederzeit ganz oder teilweise zu widerrufen. Dies<br />

lässt aber die gesetzlichen Datenverarbeitungsbefugnisse<br />

unberührt. Sollten die Einwilligungen ganz oder teilweise<br />

verweigert werden, kann das dazu führen, dass ein Versicherungsvertrag<br />

nicht zustandekommt.<br />

II. Erklärung zur Verwendung Ihrer allgemeinen personenbezogenen<br />

Daten<br />

Hiermit willige ich ein, dass meine personenbezogenen Daten<br />

unter Beachtung der Grundsätze der Datensparsamkeit und<br />

der Datenvermeidung verwendet werden<br />

1.a) zur Vertragsabwicklung und zur Prüfung der Leistungspflicht;<br />

b) zur Weitergabe an den/die für mich zuständigen Vermittler,<br />

soweit dies der ordnungsgemäßen Durchführung meiner<br />

Versicherungsangelegenheiten dient;<br />

Allgemeine Hinweise<br />

Mir ist bekannt, dass die Vereinigung Versicherungsnehmerin<br />

ist. Sie handelt in meinem Auftrag. Ich bevollmächtige die Vereinigung<br />

zur Vertretung bei der Abgabe und Entgegennahme<br />

aller das Versicherungsverhältnis betreffenden Willenserklärungen<br />

(einschließlich der Kündigung der Sterbegeldversicherung<br />

beim Ausscheiden des Mitglieds aus der Vereinigung);<br />

die Vertretungsbefugnis erstreckt sich jedoch nicht<br />

auf die Empfangnahme von Versicherungsleistungen und<br />

die Änderung des Bezugsrechts.<br />

Versicherungsträger<br />

DBV Deutsche Beamtenversicherung<br />

Lebensversicherung AG<br />

Sitz: Wiesbaden (AG Wiesbaden - HRB 7501-)<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrats: Herbert Falk<br />

34 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Widerrufsbelehrung auf Abschluss eines Versicherungsvertrages<br />

ausreichend. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die<br />

rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu<br />

richten an: DBV Deutsche Beamtenversicherung Lebensversicherung<br />

AG, Frankfurter Str. 50, 65189 Wiesbaden.<br />

Sofern der vorseitig genannte Versicherungsbeginn vor<br />

2. zur gemeinschaftlichen Führung von Datensammlungen<br />

der zur AXA Gruppe gehörenden Unternehmen (zu denen<br />

auch die DBV Deutsche Beamtenversicherung zählt und<br />

die im Internet unter www.dbv.de einsehbar sind oder mir<br />

auf Wunsch mitgeteilt werden), um die Anliegen im Rahmen<br />

der Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung schnell,<br />

effektiv und kostengünstig bearbeiten zu können (z.B.<br />

richtige Zuordnung Ihrer Post oder Beitragszahlungen).<br />

Diese Datensammlungen enthalten Daten wie Name,<br />

Adresse, Geburtsdatum, Kundennummer, Versicherungsnummer,<br />

Kontonummer, Bankleitzahl,Art der bestehenden<br />

Verträge, sonstige Kontaktdaten;<br />

3. durch andere Unternehmen/Personen (Dienstleister) innerhalb<br />

und außerhalb der AXA Gruppe, denen der Versicherer<br />

oder ein Rückversicherer Aufgaben ganz oder teilweise zur<br />

Erledigung überträgt. Diese Dienstleister werden eingeschaltet,<br />

um die Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung<br />

möglichst schnell, effektiv und kostengünstig zu<br />

gestalten. Eine Erweiterung der Zweckbestimmung der<br />

Datenverwendung ist damit nicht verbunden. Die Dienstleister<br />

sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung verpflichtet,<br />

ein angemessenes Datenschutzniveau sicher zu stellen,<br />

einen zweckgebundenen und rechtlich zulässigen Umgang<br />

mit den Daten zu gewährleisten sowie den Grundsatz der<br />

Verschwiegenheit zu beachten;<br />

4. zur Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs und bei<br />

der Klärung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis<br />

durch Nutzung konzerneigener Datenbestände sowie<br />

Nutzung eines Hinweis- und Informationssystems der Versicherungswirtschaft<br />

mit Daten, die der Gesamtverband<br />

der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) im Auftrag<br />

der Versicherer verschlüsselt.Auf Basis dieses Systems<br />

kann es zu einem auf den konkreten Anlass bezogenen<br />

Austausch personenbezogener Daten zwischen dem<br />

anfragenden und dem angefragten Versicherer kommen;<br />

5. zur Beratung und Information über Versicherungs- und<br />

sonstige Finanzdienstleistungen durch<br />

a) den Versicherer, andere Unternehmen der AXA Gruppe und<br />

den für mich zuständigen Vermittler;<br />

b) Kooperationspartner des Versicherers (die im Internet<br />

unter www.axa.de einsehbar sind oder mir auf Wunsch<br />

mitgeteilt werden); soweit aufgrund von Kooperationen mit<br />

Gewerkschaften/Vereinen Vorteilskonditionen gewährt<br />

werden, bin ich damit einverstanden, dass der Versicherer<br />

zwecks Prüfung, ob eine entsprechende Mitgliedschaft<br />

besteht, mit den Gewerkschaften/Vereinen einen Datenabgleich<br />

vornimmt;<br />

6. zur Antrags-,Vertrags- und Leistungsabwicklung, indem<br />

der Versicherer Informationen über mein allgemeines<br />

Zahlungsverhalten einholt. Dies kann auch erfolgen durch<br />

ein anderes Unternehmen der AXA Gruppe oder eine Auskunftei<br />

(z.B. Bürgel, Infoscore, Creditreform, SCHUFA);<br />

7. zur Antrags-,Vertrags- und Leistungsabwicklung, indem<br />

Bei höherem Eintrittsalter können die zu zahlenden<br />

Beiträge in ihrem Gesamtbetrag die versicherte<br />

Leistung unter Umständen übersteigen.<br />

Eine Durchschrift der Beitrittserklärung wird mir unverzüglich<br />

nach Unterzeichnung zugesandt.<br />

Auf diesen Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik<br />

Deutschland Anwendung.<br />

Soweit Vorteilskonditionen gewährt werden, die vom<br />

Bestehen der Mitgliedschaft zu einer Gewerk-<br />

Vorstand: Dr. Frank Keuper (Vors.), Dr. Patrick Dahmen,<br />

Wolfgang Hanssmann, Ulrich C. Nießen, Thomas Gerber,<br />

Dr. Heinz-Jürgen Schwering<br />

dem Ablauf der Widerrufsfrist liegt, bin ich damit einverstanden,<br />

dass der erste oder einmalige Beitrag (Einlösungsbeitrag)<br />

- abweichend von der gesetzlichen<br />

Regelung - vor Ablauf der Frist fällig d.h. unverzüglich zu<br />

zahlen ist.<br />

der Versicherer ein Unternehmen der AXA Gruppe oder<br />

eine Auskunftei eine auf der Grundlage mathematischstatistischer<br />

Verfahren erzeugte Einschätzung meiner<br />

Zahlungsfähigkeit bzw. der Kundenbeziehung (Scoring) einholt.<br />

III. Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung und<br />

Verwendung von Gesundheitsdaten<br />

Schweigepflichtentbindung<br />

Zur Bewertung unserer Leistungspflicht kann es erforderlich<br />

werden, dass wir die Angaben prüfen, die zur Begründung<br />

von Ansprüchen gemacht werden oder die sich aus eingereichten<br />

Unterlagen (z.B. Rechnungen,Verordnungen, Gutachten)<br />

oder Mitteilungen beispielsweise eines Krankenhauses<br />

oder Arztes ergeben. Diese Überprüfung unter Einbeziehung<br />

von Gesundheitsdaten erfolgt nur, soweit hierzu<br />

ein Anlass besteht (z.B. Fragen zu Unfalltod oder Selbsttötung).<br />

Um diese Prüfung und Bewertung zu ermöglichen, geben<br />

Sie folgende Erklärung ab:<br />

a) Zum Zweck der Prüfung der Leistungspflicht befreie ich<br />

von ihrer Schweigepflicht Ärzte, Pflegepersonen und Bedienstete<br />

von Krankenhäusern, sonstigen Krankenanstallten,<br />

Pflegeheimen, Personenversicherern, gesetzlichen<br />

Krankenkassen sowie von Berufsgenossenschaften und<br />

Behörden, soweit ich dort in den letzten 10 Jahren vor<br />

Antragstellung untersucht, beraten oder behandelt worden<br />

bin bzw. versichert war oder einen Antrag auf Versicherung<br />

gestellt habe.<br />

b) Die Angehörigen des Versicherers und seiner Dienstleistungsgesellschaften<br />

befreie ich von ihrer Schweigepflicht<br />

insoweit, als Gesundheitsdaten an beratende Ärzte oder<br />

Gutachter weitergegeben werden. Wir werden Gesundheitsdaten<br />

nach den Absätzen a) und b) nur erheben zur Leistungspflichtprüfung.<br />

Datenverwendung<br />

Um die Datenverwendung zu ermöglichen, geben Sie<br />

folgende Erklärungen ab:<br />

a) Ich willige in die Verwendung der von den vorstehenden<br />

Schweigepflichtentbindungserklärungen erfassten Gesundheitsdaten<br />

zur Leistungsprüfung ein. Die Grundsätze der<br />

Datensparsamkeit und Datenvermeidung sind zu beachten.<br />

b) Ich willige ferner ein, dass die von den vorstehenden<br />

Schweigepflichtentbindungserklärungen erfassten Gesundheitsdaten<br />

unter Beachtung der Grundsätze der Datensparsamkeit<br />

und Datenvermeidung im Sinne der Ziffer II. Nr.<br />

1 (Vertragsabwicklung), Nr. 3 (Outsourcing an Dienstleister),<br />

Nr. 4 (Missbrauchsbekämpfung) und Nr. 5 (Beratung und<br />

Information) verwendet werden dürfen.<br />

Zur Missbrauchsbekämpfung im Rahmen einer besonderen<br />

Konzerndatenbank dürfen Gesundheitsdaten nur von<br />

Kranken-, Unfall- und Lebensversicherern eingesehen und<br />

verwendet werden (Ziffer II. 4).<br />

schaft/Vereinigung abhängig sind, erfolgt ein Datenabgleich<br />

mit dieser Organisation ohne Bekanntgabe der Versicherungsinhalte.<br />

Die für Ihre Versicherung zuständige Aufsichtsbehörde ist die<br />

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin),<br />

Postfach 1308, 53003 Bonn, Internet: www.bafin.de.<br />

Unser Unternehmen ist Mitglied im Verein Versicherungsombudsmann<br />

e.V., Postfach 080632, 10006 Berlin.<br />

Anschrift:<br />

Frankfurter Straße 50<br />

65189 Wiesbaden


Immer noch ein Vorbild<br />

Vor 30 Jahren starb Heinrich Rodenstein<br />

„Wer war denn Heinrich<br />

Rodenstein? Muss<br />

man den kennen?“,<br />

fragen <strong>GEW</strong>-Mitglieder.<br />

Ja, denn er war<br />

nicht nur Lehrer,<br />

<strong>GEW</strong>-Vorsitzender<br />

sowie ein demokratisches<br />

und antifaschistisches<br />

Vorbild für<br />

die heutige Lehrergeneration.<br />

Er war auch<br />

ein international anerkannterBildungspolitiker<br />

der Nachkriegszeit.<br />

Heinrich Friedrich<br />

Heinrich Friedrich Henry Rodenstein<br />

Henry Rodenstein<br />

starb am 22. <strong>Dezember</strong><br />

1980 in Braunschweig. Sein bewegtes Leben endete<br />

an seinem Geburtsort. In Braunschweig wuchs er als Arbeiterkind<br />

auf. Das prägte ihn. Rodenstein wurde Volksschullehrer,<br />

erhielt aber im Juli 1933 von den Nazis Berufsverbot.<br />

Schon kurz danach emigrierte er mit Frau<br />

und Tochter über Holland, das Saarland nach Frankreich.<br />

Für die Braunschweiger Nazis war Rodenstein ein „rotes“<br />

Tuch. 1920 war er zunächst Mitglied der „Freien Sozialistischen<br />

Arbeiterjugend“, 1922 trat er in die KPD ein.<br />

Da er die stalinistische Entwicklung der KPdSU und deren<br />

Personenkult ablehnte, kam es 1929 zum Bruch mit<br />

der KPD. 1931 schloss er sich der Sozialistischen Arbeiterpartei<br />

(SAP) an. Der Sozialist war nicht nur ein politischer<br />

Kopf, er war auch ein engagierter Gewerkschafter.<br />

Bereits 1921 gehörte er der linken Freien Lehrergewerkschaft<br />

Deutschlands (FLGD) an, aus der 1928 in Braunschweig<br />

die Allgemeine Freie Lehrergewerkschaft<br />

Deutschlands (AFLD) hervorging. An diese Aktivitäten<br />

knüpfte Rodenstein nach der Befreiung vom Faschismus<br />

und seiner Rückkehr aus dem Exil nahtlos an. Er hatte gelernt,<br />

dass aus Sektierertum keine Veränderungen entstehen<br />

und so engagierte er sich für eine gemeinsame Organisation<br />

aller Lehrerinnen und Lehrer. 1947 wählte man<br />

ihn zum zweiten Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen<br />

Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (ADLLV), der<br />

am 1. Oktober 1948 in den Deutschen Gewerkschaftsbund<br />

(DGB) aufgenommen wurde. Der neue Name:<br />

„Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ – die <strong>GEW</strong><br />

war gegründet. Von 1960 bis 1968 war Rodenstein <strong>GEW</strong>-<br />

Vorsitzender.<br />

Nach 1945 setzte er sich für eine wissenschaftliche Ausbildung<br />

der Volksschullehrkräfte an Hochschulen ein<br />

und bildete diese bis 1968 an der Pädagogischen Hochschule<br />

in Braunschweig auch aus.<br />

Diethelm Krause-Hotopp, Akademischer Oberrat<br />

an der TU Braunschweig, Institut für Erziehungswissenschaft<br />

Foto: unbekannt<br />

Hilfe für Burkina Faso<br />

Spendenaufruf des Heinrich-Rodenstein-Fonds<br />

Hilfe für Menschen in Not – das ist die Aufgabe<br />

des Heinrich-Rodenstein-Fonds, benannt nach<br />

dem früheren Vorsitzenden der <strong>GEW</strong> (s. nebenstehenden<br />

Artikel), der als politischer Flüchtling<br />

im Exil selbst erfuhr, wie lebenswichtig Solidarität<br />

sein kann. Der Heinrich-Rodenstein-Fonds<br />

agiert unbürokratisch, um schnell zu helfen. So etwa den Erdbebenopfern<br />

in Haiti, die Dank der Spenden von <strong>GEW</strong>-Mitgliedern<br />

zu Beginn diesen Jahres mit 15000 Euro unterstützt<br />

werden konnten. Oder in Burkina Faso, einem der ärmsten<br />

Länder Afrikas, in dem die Lebenserwartung niedrig ist und<br />

viele Kinder ohne Eltern oder als Halbwaisen heranwachsen.<br />

Für die meisten ist ein Schulbesuch aufgrund fehlender familiärer<br />

oder staatlicher Hilfe nicht möglich. Ohne Bildung können<br />

sie aus dem Teufelskreis der Armut nicht ausbrechen. Das<br />

Frauenkomitee der burkinischen Partnergewerkschaft der<br />

<strong>GEW</strong> Syndicat National des Travailleurs de l’Education et de<br />

la Recherche scientifique (SYNTER) fördert diese Kinder und<br />

erhält dafür Mittel aus dem Rodenstein-Fonds. Damit wenigstens<br />

einige die Schule besuchen können, ist SYNTER auf<br />

Spenden angewiesen. Die Schulkosten belaufen sich pro Jahr<br />

und Kind auf etwa 150 Euro.<br />

Helfen Sie mit, den Waisenkindern in Burkina Faso eine Zukunft<br />

zu geben. Wir garantieren, dass Ihre Spende den Jungen<br />

und Mädchen direkt zugute kommt – eins zu eins, ohne jede<br />

Abzüge. Denn im Unterschied zu vielen anderen Spendenorganisationen<br />

fallen beim Heinrich-Rodenstein-Fonds keine<br />

Verwaltungskosten an, da die <strong>GEW</strong> diese vollständig übernimmt.<br />

Foto: Sabine Tölke-Rückert<br />

Spendenkonto:<br />

Heinrich-Rodenstein-Fonds, Konto-Nr. 1 707 274 700<br />

SEB AG Frankfurt am Main, BLZ 500 101 11<br />

Internet: www.gew.de/Heinrich-Rodenstein-Fonds.html<br />

<strong>GEW</strong>-INTERN<br />

Der Heinrich-Rodenstein-<br />

Fonds verhilft Waisenkindern<br />

in Burkina Faso zum<br />

Schulbesuch.<br />

12/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 35


LESERFORUM<br />

„Sechser im Lotto“<br />

(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 23: „Mehr<br />

Männer in die Kitas“<br />

Ich habe 20 Jahre als Schlosser gearbeitet,<br />

bis mir eine Abfindung<br />

ermöglichte, drei Jahre an der<br />

Fachschule Sozialpädagogik zu<br />

studieren. Heute bin ich 48 Jahre<br />

und seit etwa zehn Jahren als Erzieher<br />

tätig. In dieser Zeit habe<br />

ich nur ein Jahr als Vollzeitkraft<br />

gearbeitet. Heute eine Vollzeitstelle<br />

als Erzieher zu ergattern, ist fast<br />

wie ein „Sechser im Lotto“. Auch<br />

in Ganztagsschulen erhält man als<br />

Sozialpädagoge nur Teilzeitstellen.<br />

Damit kann man nicht mal<br />

mehr den eigenen Lebensunterhalt<br />

bestreiten und schon gar<br />

nicht eine Familie ernähren.<br />

H. Kemper, Gummersbach<br />

„Schönfärberei“<br />

(E&W 10/<strong>2010</strong>, Seite 9: Porträt<br />

„Unterm Strich eine Entlastung“<br />

in Schwerpunkt „Ganztag“)<br />

Im Porträt des Ganztagsschullehrers<br />

heißt es: „Wenn der 37-Jährige<br />

gegen 17, 18 Uhr den Heimweg antritt,<br />

hat er zehn Stunden in den<br />

Knochen.“ Der betreffende Kollege<br />

findet das gar nicht so anstrengend.<br />

Er arbeitet auch samstags<br />

noch „Liegengebliebenes“ ab. Ich<br />

frage mich, wann er korrigiert,<br />

Mappen, Portfolios und dergleichen<br />

durchsieht und Lernentwicklungsberichte<br />

schreibt? Hat der<br />

Kollege keinen Unterricht in einer<br />

Oberstufe? Wann korrigiert er<br />

Klausuren, für die man, je nach<br />

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36 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Unterrichtsfach, zirka eine Stunde<br />

pro Exemplar braucht? Wann<br />

korrigiert er sechsstündige Abiturarbeiten?<br />

Macht er das sonntags?<br />

Das, was hier dargestellt wird, ist<br />

Schönfärberei! An IGSen mit integrierter<br />

Oberstufe, und das sind<br />

zumindest in Niedersachsen<br />

ziemlich viele, wird es für Kolleginnen<br />

und Kollegen, die Vollzeit<br />

arbeiten, zunehmend schwieriger,<br />

den wachsenden Ansprüchen aus<br />

Mittelstufe und Oberstufe gerecht<br />

zu werden. Folge: Sie reduzieren<br />

ihre Stundenzahl. Man kann das<br />

auch als Lohnkürzung sehen.<br />

Ute Lamping, Bremen<br />

„Ungutes Gefühl“<br />

(E&W 10/<strong>2010</strong>, Seite 28: Interview<br />

„Die Schwächsten brauchen<br />

die besten Lehrkräfte“)<br />

Wenn ich lese, dass der Bildungsforscher<br />

Jürgen Baumert die Lehrerausbildung<br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

(NRW) lobt, bleibt für mich<br />

als Lehrer an Gymnasien und<br />

Lehrbeauftragtem für Physik und<br />

ihre Didaktik in NRW ein sehr<br />

ungutes Gefühl zurück. Wenn<br />

Studierende für Naturwissenschaften<br />

der Sekundarstufe I in einer<br />

Anfängerübung an der Aufgabe<br />

(Vorsicht: keine Glosse!) „drei<br />

mal acht“ oder „180 durch 36“<br />

scheitern und dem Dozenten derartige<br />

„Anforderungen“ als überzogen<br />

vorgeworfen werden, fragt<br />

man sich, wie sie denn den doch<br />

recht hohen Numerus clausus geschafft<br />

haben.<br />

Rudolf Spiegel, Köln<br />

Verschiedenes<br />

„Unpädagogisch“<br />

(E&W 11/<strong>2010</strong>, Karikatur Seiten 3<br />

und 6)<br />

Mit ihren Hausaufgabenkorrekturen<br />

macht sich die Kollegin nicht<br />

nur „so einen Stress“, sondern sie<br />

handelt auch unpädagogisch, indem<br />

sie kommentarlos „Fünf!“<br />

darunter schreibt und diese Note<br />

sogar noch der Klasse zeigt. Stattdessen<br />

sollte sie die Schülerleistung,<br />

so unvollkommen sie sein<br />

mag, würdigen und Hilfe zur Verbesserung<br />

anbieten. Übrigens:<br />

Hausaufgaben werden in der<br />

Grundschule nicht benotet.<br />

Paul de Vooght, Aidlingen<br />

„Kaum gerecht“<br />

(E&W 11/<strong>2010</strong>, Seite 24: „Die totale<br />

Ungerechtigkeit“)<br />

Es muss an der Sprache liegen,<br />

aber Matthias Holland-Letz‘Artikel<br />

über die Bezahlung der Lehrkräfte<br />

in den Integrationskursen<br />

wird dem Skandal ihrer Unterfinanzierung<br />

kaum gerecht. Prekär<br />

sei unsere Lage, schreibt er, ganz<br />

als ob es Wörter wie „elend“,<br />

„demütigend“, „unerträglich“<br />

nicht gäbe. Wenn eine Kollegin,<br />

die „totale Ungerechtigkeit“ be-<br />

klagt, so „schimpft“ sie, wenn eine<br />

andere auf das übliche ruinöse<br />

Sommerloch hinweist, dann zitiert<br />

der Autor sie lediglich mit einem<br />

resigniert seufzenden: „Das<br />

kann es ja nicht sein.“ So lässt der<br />

Artikel merkwürdig kalt, obwohl<br />

kaum etwas die gegen die wirtschaftlich<br />

Schwächeren gerichtete<br />

Politik der letzten drei Bundesregierungen<br />

so gut zusammenfasst<br />

wie das Tagelöhnerwesen bei den<br />

Integrationskursen. Vielleicht entsteht<br />

dieser Eindruck aber auch,<br />

weil Holland-Letz ein entscheidendes<br />

Detail gar nicht erwähnt:<br />

Ob 218 Millionen oder 59 Millionen<br />

weniger im Jahr für die Kurse<br />

zur Verfügung stehen, wird so lange<br />

nichts an der Situation der<br />

Lehrkräfte ändern, wie Bundesinnenminister<br />

Lothar de Maizière<br />

(CDU) und das Bundesamt für<br />

Migration und Flüchtlinge<br />

(BAMF) am Kostensatz von 2,35<br />

Euro pro Teilnehmer und Unterrichtseinheit<br />

festhalten.<br />

Karl Kirsch (per E-Mail)<br />

E &W-Briefkasten<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M.,<br />

E-Mail: renate.koerner@gew.de<br />

Die E&W-Rubrik „Anschlagtafel“ ist auf<br />

unserer Website unter www.gew.de/<strong>GEW</strong>-<br />

Anschlagtafel. html zu finden.


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