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E&W Dezember 2010 - GEW

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WEITERBILDUNG<br />

Am Ort der deutschen<br />

Klassik,<br />

Weimar, diskutierte<br />

die <strong>GEW</strong><br />

das Für und Wider<br />

einer Kommunalisierung<br />

in der Bildung.<br />

Klar ist nur<br />

eins: Es bedeutet<br />

nicht, dass automatisch<br />

mehr<br />

Ressourcen zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Was bringt Regionalisierung?<br />

26 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2010</strong><br />

Herbstakademie: zusätzliche Bildungsaufgaben und die Finanznot der Städte<br />

Welche Chancen und Risiken bestehen,<br />

wenn lebenslanges Lernen auf<br />

kommunaler Ebene neu organisiert<br />

wird? Damit haben sich rund 50<br />

Fachleute aus Erwachsenenbildung,<br />

Parteien, Ministerium, Kommunen<br />

und Wissenschaft beschäftigt, die am<br />

5. und 6. November die Weimarer<br />

Herbstakademie besuchten. Gastgeber<br />

waren der <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand und<br />

der gewerkschaftsnahe Bildungsträger<br />

„Arbeit und Leben Thüringen“.<br />

Referate und Diskussion<br />

drehten sich vor allem um<br />

„Lernen vor Ort“. Ein Projekt,<br />

das die gesamten Bildungsangebote<br />

in einer<br />

Kommune, einschließlich<br />

der Weiterbildung, vernetzen und fördern<br />

will. Staatliche Einrichtungen werden<br />

ebenso erfasst wie private und freigemeinnützige<br />

Träger. An „Lernen vor<br />

Ort“ beteiligen sich bundesweit 40 Städte<br />

und Kreise. Bund und Europäischer<br />

Sozialfonds finanzieren das Projekt mit<br />

60 Millionen Euro. Der Startschuss fiel<br />

im Herbst 2009.<br />

Foto: imago<br />

Torsten Haß von der Volkshochschule<br />

(VHS) Erfurt erläuterte zunächst, was<br />

„Lernen vor Ort“ in der thüringischen<br />

Landeshauptstadt bereits angestoßen<br />

hat. So schuf die Stadt ein Amt für Bildung.<br />

Zudem habe „Lernen vor Ort“<br />

rund 530 örtliche Bildungsträger angeschrieben<br />

und nach deren Angeboten<br />

gefragt. Das Ergebnis fließe in einen<br />

„Bildungsplan“ für Erfurt ein. Der habe<br />

auch das Ziel, überflüssige Strukturen<br />

abzubauen. „Brauche ich wirklich den<br />

fünften Träger für Integrationskurse?“,<br />

so Haß.<br />

Warum überhaupt Kommunalisierung<br />

von Bildung? Uwe Rossbach, Leiter von<br />

Arbeit und Leben Thüringen, verwies<br />

auf das Beispiel der Schulen. Die „entwickeln<br />

sich auseinander“, so Rossbach.<br />

„Schulen in Problemvierteln sollten<br />

mehr Stellen bekommen.“ Doch auf<br />

Länderebene sei das „kaum zu steuern“.<br />

Einzelne Kommunen in Thüringen forderten<br />

deshalb, „auch die personelle<br />

Verantwortung für die Lehrkräfte zu bekommen“.<br />

Kein Allheilmittel<br />

Wissenschaftler betonen jedoch, dass<br />

Kommunalisierung kein Allheilmittel<br />

darstellt. „Es ist klar, dass über eine Regionalisierung<br />

nicht automatisch mehr<br />

Ressourcen zur Verfügung stehen“, so<br />

Professor Horst Weishaupt vom Deutschen<br />

Institut für Internationale Pädagogische<br />

Forschung (DIPF). Kommunalisierung<br />

müsse eingebettet sein „in die<br />

bildungspolitische Gesamtverantwortung<br />

des Staates“. Andernfalls bestehe<br />

„die Gefahr der Zersplitterung“. Zu diesem<br />

Schluss kommt ein Gutachten des<br />

Bremerhavener Professors Wolfgang<br />

Weiß, erstellt im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung.<br />

Kontrovers diskutierten Fachleute und<br />

Gewerkschafter auch das Thema Stiftungen.<br />

Rund 120 Stiftungen sind bei<br />

„Lernen vor Ort“ mit im Boot, darunter<br />

große, unternehmensnahe wie Bertelsmann-Stiftung<br />

und Alfred Krupp von<br />

Bohlen und Halbach-Stiftung, aber<br />

auch lokale Bürgerstiftungen.<br />

Andreas Räuber, Projektleiter von „Lernen<br />

vor Ort“ im nordthüringischen<br />

Kyffhäuserkreis, begrüßte deren Teilnahme.<br />

„Die können an vielen Stellen<br />

unkompliziert an die Dinge herangehen“,<br />

sagte Räuber, „weil sie nicht an die<br />

Kommunalverwaltung gebunden sind.“<br />

Uwe Rossbach erinnerte daran, dass Ministerien<br />

und Verwaltungen verschlankt<br />

worden seien. „Dort gibt es nicht mehr<br />

die notwendige Kompetenz.“ Deshalb<br />

verlasse sich die kommunale Verwaltung<br />

zu sehr auf Einrichtungen wie die<br />

Bertelsmann-Stiftung.<br />

Dass Stiftungen nicht nur ihr Wissen<br />

und ihre Kontakte, sondern auch ihre<br />

Weltsicht einbringen, sei „Teil eines viel<br />

breiteren Prozesses“. Das befürchtet Rosemarie<br />

Hein, Bundestagsabgeordnete<br />

der LINKEN aus Magdeburg. „Die<br />

Bundesregierung“, so Hein, „hat zunehmend<br />

die private Bereitstellung von Bildung<br />

im Kopf.“ Das aber führe zu<br />

„prekären Beschäftigungsverhältnissen“.<br />

„Lernen vor Ort“ endet spätestens 2014.<br />

Und was wird dann aus den Strukturen,<br />

die derzeit in Städten und Kreisen entstehen?<br />

Ein <strong>GEW</strong>-Kollege sieht die Gefahr,<br />

„dass man den Kommunen den<br />

Schwarzen Peter zuschieben wird“. Das<br />

heißt: Sie müssten die Folgekosten alleine<br />

aufbringen.<br />

Das 60-Millionen-Budget von „Lernen<br />

vor Ort“ sei allenfalls „ein Tropfen auf<br />

den heißen Stein“, betonte <strong>GEW</strong>-Vorstandsmitglied<br />

Stephanie Odenwald. Seit<br />

2002 seien in der Weiterbildung durch<br />

rot-grüne Regierungspolitik 40 000 Arbeitsplätze<br />

zerstört worden. Wer hier<br />

Defizite beseitigen wolle, so die Gewerkschafterin,<br />

„muss ganz andere Methoden<br />

ergreifen – weniger pädagogische,<br />

sondern politische“. Ein Satz, für<br />

den es in Weimar lauten Applaus gab.<br />

Matthias Holland-Letz, freier Journalist<br />

„Weimarer Aufruf“<br />

Die Teilnehmenden der Herbstakademie<br />

verabschiedeten den „Weimarer<br />

Aufruf für Mindestlohn in der Weiterbildung“.<br />

Damit protestierten sie gegen<br />

Bundesarbeitsministerin Ursula<br />

von der Leyen (CDU). Diese hatte es<br />

abgelehnt, den Branchentarifvertrag<br />

in der Weiterbildung für allgemeinverbindlich<br />

zu erklären (s. E&W<br />

11/<strong>2010</strong>). Der Weg zum Mindestlohn<br />

bleibt damit versperrt. H.-L.<br />

Weimarer Aufruf für Mindeslohn in<br />

der Weiterbildung unter www.gew.de/<br />

Weimarer_Aufruf.html

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