Aktuell Obwalden | KW14 | 7. April 2022

AKTUELL
IM ARCHIV
VonLeninund Lautsprechern
BeiRecherchen zu einem bestimmten Thema kann es passieren, dass
man plötzlich an einem ganz anderenOrt landet. Und so führtuns ein
Kommunist auf demSarnerseezuBabette Burri-Fangeraus Luzern.
Wladimir Iljitsch Uljanow –ein russischer
Name, der einigen vielleicht
nichts sagt. Seinen Kampfnamen
dagegen kennt jeder: Lenin. Der russische
Politiker kam ander Oktoberrevolution 1917
an die Macht und lenkte die Weltgeschichte
in neue Bahnen. Davor allerdings entspannte
er sich während einer Bootsfahrt auf dem
Sarnersee. So zumindest erzähltman es sich
noch heute in Obwalden. Aber was ist dran
an dieser Geschichte? Sicher ist, dass Lenin
1914 nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs
mit seiner Frau Nadeschda Krupskaja und
deren Mutter in die Schweiz zog und hier
wohnte, bis er 1917 nach Russland zurückkehrte.
Gelebt haben sie in Bern und später
in Zürich. Längere Kuraufenthalte führten die
Familie in die Region Sörenberg. Aberwar Lenin
tatsächlich, wie man es sich erzählt, auch
ein Gast in Obwalden und in hiesigen Hotels?
Hans Fanger als Fährmann Lenins
EineSpurensuche beginnt im «Volksfreund».
In der Ausgabe vom 9.Juli 1949, also mehr
als 30 Jahre nach der Revolution, ist tatsächlich
zu lesen, dass «Lenin eines Tages
auf dem Sarnersee herumgegondelt ist und
sich vom Fährmann über unsere Staatseinrichtungen
Auskünfte geben liess». Mehr
steht nichtdrin, und aucheine Quelle zu dieser
Information fehlt. Ein weiterer Hinweis
ist in einer Ausgabe von1963 zu entdecken.
In einem Artikel über einen Kurs im Hotel
Paxmontana steht am Rande: «In diesem
HotelPaxmontanahat einstLenin seine Pläne
ausgebrütet fürdie Weltrevolution.»Auch
hier aber: keine Quellenangabe, keine weiteren
Hinweise. Spannender wird esinder
Ausgabe vom 8.Oktober 1952. Abgedruckt
isthierein Nachruf auf einen Zimmermeister
namens Hans Fanger-Notter (1872-1952).In
einem Abschnitt steht Folgendes: «Er baute
auch seine Schiffe selber. Mit einem derselben
hat er anno1916 oder1917 den späteren
russischen Bolschewikiführer Lenin über den
Sarnersee gefahren. Der hochstämmige und
gesprächige Sarner Schiffmann, der mit Lenin
eifrig disputierte, muss auf den Russen,
der kurz darauf die blutigste aller Revolutionen
ins Rollen brachte, einen imponierenden
Eindruck gemacht haben. Denn wenige Tage
später hat Zimmermeister Fanger von Lenin
eines seiner Revolutionsbücher mit eigenhändigerWidmungerhalten.»
Gemeinsam auf dem Sarnersee? Lenin (links) und
Hans Fanger-Notter. (Bilder: Wikipedia/Portraitarchiv.ch)