Dahingleiten wie ein Segler im sanften Wind - Heimatblatt ...
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Als der H<strong>im</strong>mel w<strong>ein</strong>te –<br />
Stolperst<strong>ein</strong>e für die Gersons<br />
Erinnerung und Gedenken an die 1942 deportierte jüdische Familie<br />
Die Stolperst<strong>ein</strong>e zur Ehrung von Opfern<br />
der Nazi-Gewaltherrschaft gibt es<br />
deutschlandweit bereits zu Tausenden.<br />
In Angermünde verlegte am 25. Oktober<br />
der Kölner Bildhauer Günter Demnig die<br />
ersten sechs St<strong>ein</strong>e zum Gedenken an<br />
die Familie Gerson.<br />
Sie wohnten von 1919 bis 1942 in der<br />
Jägerstraße 2 – Mutter und Vater Rosa<br />
und Hugo Gerson (1885 und 1884) mit<br />
ihren vier Kindern Günter (1920), Karl-<br />
H<strong>ein</strong>z (1921), Gerhard (1924) und<br />
Wolfgang (1932). Bis auch sie 1942 deportiert<br />
und schließlich wohl auch ermordet<br />
wurden.<br />
Die Eltern wurden <strong>im</strong> Warschauer<br />
Ghetto gemeuchelt, der Todesort der<br />
Kinder ist nicht bekannt. Sie gehörten zu<br />
den 43 Mitgliedern der jüdischen Gem<strong>ein</strong>de,<br />
die ebenfalls nicht überlebten.<br />
Die Familie Gerson wohnte und führte<br />
<strong>ein</strong> Geschäft für Rohprodukte und Gemischtwaren<br />
in der Jägerstraße, erläuterte<br />
Stadtarchivarin Margret Sperling.<br />
Im Archiv hat sie <strong>ein</strong> Tätigkeitsbuch der<br />
Ortspolizeibehörde vom 13. April 1942<br />
entdeckt, worin es heißt: „Evakuierung<br />
der Juden. Auf Anordnung der Staatspolizeistelle<br />
Potsdam wurden am heutigen<br />
Tage die Juden Eheleute Freundlich<br />
und die Familie Gerson zwecks Evakuierung<br />
um 12.13 Uhr durch den Meister<br />
der Inspection H<strong>ein</strong>emann mittels Eisenbahn<br />
der Sammelstelle Berlin zugeführt.<br />
Die Wohnungen wurden versiegelt und<br />
die Schlüssel verwahrt.“<br />
Von der Sammelstelle Berlin aus wurde<br />
die Familie direkt ins Warschauer Ghetto<br />
transportiert.<br />
70 Jahre ist das nun her, fast <strong>ein</strong> Menschenleben.<br />
Margret Sperling erarbeitete<br />
<strong>ein</strong>e Ausstellung für das von ihr geleitete<br />
Handwerker der Stadt umfassen die Stolperst<strong>ein</strong>en mit dem gehwegüblichen Pflaster.<br />
Archiv, die diese Schicksale thematisierte.<br />
Und sie setzte sich dafür <strong>ein</strong>, dass<br />
die von Günter Demnig ins Leben gerufene<br />
Stolperst<strong>ein</strong>e-Aktion auch nach Angermünde<br />
kommen konnte. Die Mitglieder<br />
der Familie Gerson wurden nun als<br />
erste jüdische Angermünder auf diese<br />
Art gewürdigt.<br />
Eine gute Viertelstunde, bevor der feierliche<br />
Akt erfolgte, begann es, in Strömen<br />
zu regnen. „Der H<strong>im</strong>mel w<strong>ein</strong>t“, <strong>wie</strong> die<br />
stellvertretende Bürgermeisterin Birgit<br />
Ritter nachdenklich sagte. Und dennoch<br />
füllte sich der Platz in der Jägerstraße<br />
zwischen Europaschule und Seniorenwohnhe<strong>im</strong>.<br />
Rund 50 Angermünder wandten sich<br />
so gegen jede Form des Antisemitismus.<br />
Der Einst<strong>ein</strong>-Schüler Ben Schneider<br />
spielte auf der Geige jiddische Lieder,<br />
Birgit Ritter begrüßte die Angermünder<br />
und weit angereisten Gäste zu diesem<br />
Ereignis, Margret Sperling schaute in die<br />
Geschichte zurück. Herbert Pöppel erläuterte<br />
s<strong>ein</strong>e Beweggründe für den ersten<br />
gespendeten Stolperst<strong>ein</strong> von Angermünde.<br />
Währenddessen macht sich Günter<br />
Demnig bereits daran, die sechs Stolperst<strong>ein</strong>e<br />
zu setzen. Für jedes Gerson-Familienmitglied<br />
<strong>ein</strong>en eigenen. Und als die<br />
sechs St<strong>ein</strong>e <strong>im</strong> Straßenbett lagen, übernahmen<br />
Mitarbeiter des Bauhofs die Kelle,<br />
um Granitst<strong>ein</strong>e rund um die Stolperst<strong>ein</strong>e<br />
<strong>ein</strong>zupassen. Unterdessen hörte<br />
der Regen fast ganz auf. Die Tränen<br />
trockneten.<br />
Text/Foto: Michael-Peter Jachmann<br />
Angermünder Nachrichten Ausgabe 10/2012 7