Zerfall und Verfall: Die deutsche Demokratiekrise
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lismus verdächtigt. Aus dem Munde von Haltungsjournalisten, die
mit Säuberungsmethoden die Einöde ihres Berufsstandes verwalten.
Gesellschaftskritische Kollegen werden ihrer vorgeblichen
Rechtslastigkeit geziehen und ins Abseits zu befördert. Der ehemalige
Focus-Korrespondent in Moskau und ausgewiesene Putin-Kritiker Boris
Reitschuster stand auf verlorenem Posten, als er in der Bundespressekonferenz
Regierungsvertretern mit bohrenden
Nachfragen zur Coronapolitik zusetzte.
Reitschuster war der einzige deutsche Journalist unter den dort versammelten
Standeskollegen, der die mannigfaltigen Widersprüche, Falschbehauptungen,
Kurz- und Fehlschlüsse im politischen Umgang mit der
Pandemie ansprach. Dafür war vor der Ära Merkel und zu anderen
Themen die Mehrzahl der Mitglieder der Bundespressekonferenz
gefürchtet worden. Getreu dem besonderen Gründungsmotiv
der Bundespressekonferenz als eingetragener Verein von vornherein
der Gefahr vorzubeugen, dass die Bundesregierungen missliebige
Korrespondenten kaltstellen. Die BPK lädt Regierungsvertreter selbst
ein: Zu Pressekonferenzen mit Vereinsmitgliedern, die für deutsche Medien
berichten.
Die institutionell abgesicherte Distanz zu offiziellen, politisch
hochgradig eingefärbten Stellungnahmen der Regierung ging in
der BPK völlig unter, als dort Sprecher der Bundesregierung und der
Ministerien, die Kanzlerin, der Gesundheitsminister, der RKI-Chef und
der Virologe Drosten zu Corona befragt wurde. Unisono – Reitschuster
ausgenommen – stieß die „Systempresse“ am Schiffbauer Damm
in das Horn der Verfechter rigoroser Maßnahmen, ja trieben
Bund und Länder mit Forderungen nach harten lockdowns und Schuldzuweisungen
an Ungeimpfte noch vor sich her. Die Einwürfe eines
unabhängigen Außenseiters waren für die politisch-mediale
Corona-Allianz mehr als ein Ärgernis. Sie gefährdeten das öffent-