Die Bündner Kulturbahn 2022
18. Jahrgang, 2021 | 2022
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Das grosse Vorbild: Die zwischen 1965 und 1967 von den SBB
für den Vorortsverkehr zwischen Zürich und Rapperswil
beschafften RABDe 12/12 alias «Goldküstenexpress».
Mit diesen Zügen begann 1968 auch bei den Bundesbahnen
das Zeitalter der S-Bahn.
Sammlung Christoph Benz
Ein zeitgemässes Design
Als 1960 die ersten Entwürfe eines Pendelzugs für den
Churer Vorortsverkehr auf Papier gebracht wurden, entsprach
das Design der Front von Trieb- und Steuerwagen
noch dem damals üblichen, klassischen Bild eines solchen
Zuges in der Schweiz: Eine senkrechte Stirnseite mit drei
Frontscheiben, mittiger Fronttüre und aufgesetztem Faltenbalg;
in etwa wie bei den 1939 beschafften Triebwagen
des «Fliegenden Rhätiers». Zweckmässig zwar, aber
völlig unspektakulär. Damit konnte sich Franz Skvor nicht
recht anfreunden, wie er der Direktion in einem Schreiben
kundtat: «Aussen aufgesetzte Faltenbälge an den Triebwagen-Frontseiten
wirken unästhetisch; sie behindern
die Sicht des Lokführers und begünstigen die Ablagerung
von Schnee und Staub. Versenkbare Faltenbälge à la SBB
müssen wir ablehnen, Gründe: Nischen behindern die
Sicht des Lokführers, Faltenbalg-Aufhängung ist kompliziert
und störungsanfällig, Faltenbälge könnten im Winter
kaum in die Versenkungen hineingebracht werden (Eis).»
Ausserdem sei auf die Fronttüre zu verzichten; gerade
bei höheren Geschwindigkeiten sorgen diese für Zugluft
im Führerstand, so Skvor. Damit traf er den Nerv der Zeit,
denn selbst der Präsident des Verwaltungsratsausschusses
legte grossen Wert auf Ästhetik. So wünschte er, dass
die Frontpartien der neuen Züge möglichst elegant zu gestalten
seien, nicht so nüchtern wie etwa bei den Triebwagen
des «Fliegenden Rhätiers». Sein Wunsch diesbezüglich
war, dass leicht geneigte und elegant gerundete Stirnfronten
zur Ausführung gelangen sollten, etwa so wie beim
«Goldküstenexpress» der SBB.
Da bei den neuen Vorortszügen der RhB jedoch vorgesehen
war, dass innerhalb einer Pendelzugseinheit Passagiere
und Personal durchgehend durch alle Fahrzeuge
zirkulieren können, musste die mit dem Rest des Zuges gekuppelte
Seite des Triebwagens gezwungenermassen eine
gerade Front mit Faltenbalgübergang aufweisen. «Dies ist
nicht schön, kann aber, da die Triebwagen selten alleine
verkehren werden, in Kauf genommen werden», schrieb
Skvor in einer Aktennotiz. Damit war auch die Designfrage
geklärt.
Das grosse Vorbild
Als es um die Beschaffung der neuen Vorortszüge ging,
liebäugelte Franz Skvor mit einem konkreten Vorbild: Dem
«Goldküstenexpress». Die ab 1966 von den SBB für den
Vorortsverkehr auf der Strecke Zürich–Meilen–Rapperswil
entlang des rechten Zürichseeufers – der sogenannten
Goldküste – eingesetzten Triebzüge mit der technischen
Bezeichnung RABDe 12/12 faszinierten ihn. Einerseits,
weil diese Züge dank ihres Allachsantriebs eine enorme Beschleunigung
auf die Schienen brachten – rund 0,9 m/s 2 –
andererseits, weil diese als Novum mit einer automatischen
Geschwindigkeitssteuerung – also einer Art Tempomat –
ausgerüstet waren. «Im Vorortsverkehr mit einem Fahrplan,
in dem jede Sekunde wertvoll ist, ist es wichtig, die
installierte Leistung voll auszunützen», begründeten zwei
Ingenieure der SBB in der Schweizerischen Bauzeitung vom
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