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Die Bündner Kulturbahn 2022

18. Jahrgang, 2021 | 2022

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Werbeflyer der Genfer Firma

Sécheron für die neuen, elektronisch

gesteuerten Züge.

Sammlung Franz Skvor

Eine Zangengeburt

Obwohl der 23. Mai 1971 – Tag eins der Bündner S-Bahn

– als Meilenstein in die Geschichte der RhB einging, gab

es weder eine feierliche Rede, eine Zugstaufe oder gar

ein Volksfest. «Wir waren nicht in Festlaune; es knallten

keine Korken», erinnert sich Skvor. Im Gegenteil: Der Start

war für alle Beteiligten eine Zitterpartie. «Die katastrophal

verzögerte Ablieferung der neuen Fahrzeuge hatte zur

Folge, dass wir mit ungenügend erprobten Zügen und ungenügend

geschultem Fahrpersonal ‹in den Kampf ziehen›

mussten», erzählt er. Um im Falle einer Störung oder gar

eines plötzlichen Ausfalls der Elektronik sofort reagieren

zu können, wurde während den ersten Tagen jede Fahrt

von einem Techniker der Firma Sécheron begleitet; einem

Bordmechaniker quasi. Oder besser gesagt Bordelektriker.

«Dieser hatte eine Tasche voll mit Ersatzprintplatten dabei.

So musste bei einer Störung nicht lange gefackelt werden;

stattdessen wechselte der Techniker einfach die betroffene

Printplatte», so Skvor. Und das

sei öfters vorgekommen, als

ihm lieb war, litt doch die elektronische

Steuerung anfänglich

an einer hohen Störungsanfälligkeit.

«Praktisch jeden Tag

hatten die neuen Pendelzüge

mit Motorabschaltungen, Ausfällen

der elektrischen Bremse,

Hauptschalter-Einschaltschwierigkeiten

und weiteren Problemen

zu kämpfen.»

Ein in diesem Zusammenhang

von ihm an die Firma Sécheron

gerichteter Brief unterstrich in

deutlichen Worten die angespannte

Situation: «Wir müssen

nochmals wiederholen, dass

die RhB durch die massiv verspätete

Ablieferung der Züge

in eine sehr unangenehme und

sehr kritische Situation geraten

ist! Das Prestige der Bahn wird

durch jeden Zugsausfall strapaziert.

Man darf nicht vergessen, dass im Einzugsgebiet des

neuen Nahverkehrs die Hälfte der Bevölkerung des Kantons

Graubünden wohnt. Abonnenten, Pendler und Kurzstreckenfahrer

reagieren sofort sehr sauer auf Verspätungen,

Zugsausfälle usw. Wir bitten Sie daher sehr dringend, uns

nicht im Stiche zu lassen!» Und gleichzeitig forderte er von

Sécheron: «Solange die Störungsanfälligkeit der Steuerung

nicht erheblich reduziert werden kann (während mindestens

einer Woche dürfen keine ernsthaften, den Einsatz

gefährdende Störungen mehr auftreten), müssen wir darauf

bestehen, dass Sie uns weiterhin qualifizierte Leute als

Mitfahrer und zur Störungssuche und -behebung in den

Zugspausen zur Verfügung stellen. Wir haben zu wenig eigenes

Personal um hier mehr als spontan mitwirken zu können.

Den jetzigen personellen Aufwand können wir nicht

durchhalten!» Tatsächlich leisteten die Techniker der RhB –

unterstützt von den nach Landquart delegierten Leuten der

Firma Sécheron – beinahe Übermenschliches zur Aufrechterhaltung

des Schnellverkehrs; Überstunden bis weit in die

Nacht waren an der Tagesordnung, und das während Monaten.

Es dauerte rund ein Jahr, bis die Kinderkrankheiten

überwunden waren.

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