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Lesen 02/2022

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12<br />

INTERVIEW<br />

Ohne jede Planung?<br />

Jaja, weil ich diese Leute kenne. Man muss sich<br />

hinsetzen und sich konzentrieren, und dann geht es.<br />

Ich kann so etwas allein machen, mich hineindenken<br />

in die Figuren, aber ich führte auch schon mit<br />

einem Freund von mir solche Gespräche aus dem<br />

Stegreif, aus dem Nichts heraus – mit dem grossartigen<br />

Tiroler Humoristen Otto Grünmandl, der leider<br />

schon lang verstorben ist. Wenn man sich konzentriert<br />

und eine gute Stimmung hat – und ich habe mir<br />

natürlich schon ein Glas Rotwein dazu geholt –, dann<br />

steigert man sich hinein.<br />

Sind denn die Youtube-Filme, die man auf Ihrer Website<br />

geniessen kann, auch so entstanden – einfach drauflos?<br />

Könnte man sagen. Ich sehe darin aber nichts<br />

Besonderes. Schreibt der Stofferl Well ein neues Musikstück,<br />

dann schreibt er es ja auch einfach hin. Das<br />

muss er auch irgendwo schon vorher im Kopf haben.<br />

Man könnte ewig weiterlesen, und man hat auch nicht<br />

den Eindruck, es könnte nicht noch ewig weitergehen.<br />

Mit weniger als 150 Seiten ist das Buch aber eher<br />

schmal. Sagten Sie irgendwann: So, jetzt ist Schluss, ich<br />

mache etwas anderes?<br />

Ja, man könnte das tatsächlich beliebig fortsetzen.<br />

Ich könnte auch sagen, jetzt kommt «Dr. Arnulf<br />

Schmitz-Zceisczyk 2». Aber es war dann gut so, wie<br />

es war.<br />

Beim <strong>Lesen</strong> des Buchs dachte ich: Ja, lustig ist das auf<br />

jeden Fall – aber was ist eigentlich lustig daran? Kennen<br />

Sie das Geheimnis Ihres Humors? Wie würden Sie<br />

einem Menschen, der unsere Sprache nicht spricht,<br />

erläutern, worüber die Leute bei Ihnen lachen?<br />

Ich glaube nicht, dass ich das erklären kann.<br />

Aber ich kann dazu etwas sagen: In München gibt<br />

es die ehemalige Viehbank, ein Haus, das der Stadt<br />

München gehört. Es steht seit dem Krieg leer, es wurde<br />

damals getroffen und nur notdürftig wieder hergerichtet.<br />

Meine Mitinitiatoren und ich versuchen<br />

seit mittlerweile fast fünf Jahren, in diesem Haus<br />

eine Institution einzurichten, die wir Forum Humor<br />

nennen. Dort will ich meine Fragen behandeln:<br />

Was ist Humor, was ist schlechter Humor, wo hört<br />

Humor auf, warum hört er überhaupt auf, warum<br />

gibt es Menschen, die einen Draht zu Humor haben,<br />

was ist Blasphemie, warum werden Leute verfolgt,<br />

weil sie ironisch sind? Diese Themen reichen in die<br />

Soziologie, in die Psychologie, in die Geschichte – wir<br />

haben ja auch historischen Humor. In Pompeji steht<br />

an einer Wand der Spruch: Oh Wand, wie bewundere<br />

ich dich, dass du nicht zusammenbrichst, obwohl<br />

ich einen solchen Blödsinn an dir anbringe. Das sind<br />

doch wunderbare Sachen!<br />

Aber noch einmal: Warum lachen Leute bei Ihnen?<br />

Ich bekomme natürlich schon zu hören: Ich habe<br />

bei dir gelacht, weil du das so oder so gemacht hast.<br />

Ich selbst muss das, was ich tue, ja komisch finden,<br />

ich bin der Erzähler, und ich gehe auch das Risiko<br />

DR. ARNULF<br />

SCHMITZ- ZCEISCZYK<br />

Gerhard Polt<br />

144 Seiten, CHF 29.90<br />

Kein & Aber<br />

LUST AUF MEHR<br />

INTERVIEWS MIT<br />

GERHARD POLT?<br />

Die Neuerscheinung<br />

«Ich muss nicht wohin, ich<br />

bin schon da» präsentiert<br />

Ausschnitte aus Gesprächen<br />

aus den letzten<br />

20 Jahren.<br />

ICH MUSS NICHT<br />

WOHIN, ICH BIN<br />

SCHON DA<br />

Gerhard Polt<br />

160 Seiten, CHF 29.90<br />

Kein & Aber<br />

ein, dass der andere sagt: Naja, ganz nett, und wie<br />

geht es sonst? Ich habe das mal so ausgedrückt: Humor<br />

ist immer nur, wenn er stattfindet. Findet er für<br />

bestimmte Leute nicht statt, dann ist er nicht da.<br />

Ist Ihr Humor denn auch Ihr Humor, lachen Sie über<br />

ähnliche Sachen …<br />

Natürlich!<br />

… oder finden Sie auch Otto Waalkes lustig?<br />

Partiell finde ich auch Otto lustig. Doch auch die<br />

grössten Humoristen haben alle stärkere und schwächere<br />

Nummern. Wie die Komponisten auch: Nicht<br />

alles, was Beethoven gemacht hat, wird als gleich gut<br />

betrachtet. Es ist offen, was den Leuten gefällt. Einige<br />

finden von mir den «Nikolausi» am besten, andere<br />

mögen die politischen Sachen. Ich weiss nicht, was<br />

bei wem ankommt. Ich muss einfach wissen, warum<br />

ich eine Geschichte erzähle, ich muss sie erzählenswert<br />

finden.<br />

Hat sich Ihr Humor über die Jahrzehnte verändert?<br />

Das kann ich nicht sagen, auch das weiss ich<br />

nicht. Ich glaube nicht, dass der Humor schlechthin<br />

eine Konstante ist. Humor ist situativ.<br />

Ich war etwas nervös vor diesem Gespräch, weil man<br />

Sie auf der Bühne ja eigentlich nur als grantigen Kerl<br />

kennt – da dachte ich: Eine dumme Frage, und der<br />

schmeisst mich aus der Garderobe! Fällt es Leuten<br />

zuweilen schwer, die Kunstfigur, die Sie auf der Bühne<br />

verkörpern, und Sie persönlich auseinanderzuhalten?<br />

Es kommt schon vor, dass die Leute Respekt haben.<br />

Von einem theatralischen Standpunkt aus muss<br />

ich dann sagen: Das habe ich richtig gemacht!<br />

Der Auftritt von heute Abend wurde wegen der Pandemie<br />

zweimal verschoben. Es dürfte nicht Ihr einziger<br />

Auftritt sein, der nicht planmässig durchgezogen werden<br />

konnte. Hat Ihnen die übliche Kadenz an Auftritten<br />

in den letzten zwei Jahren gefehlt, oder gab es auch<br />

Momente, wo Sie dachten: Auch schön, muss ich nicht<br />

raus! Immerhin sind Sie ja 80.<br />

Ja, dann habe ich eben das Buch gemacht, zum<br />

Beispiel. Die Zeit vergeht so oder so, ich habe auch<br />

sehr viel zu lesen.<br />

Brauchen Sie überhaupt Publikum? Man hat den Eindruck:<br />

Sie kommen auf die Bühne und ziehen Ihr Ding<br />

durch, egal, wer vor Ihnen sitzt.<br />

Na, Publikum zu haben, ist schon etwas, das mir<br />

überhaupt nicht gleichgültig ist. Da kommen Leute<br />

zu dir, die wollen dich sehen, die wollen dich hören,<br />

das ist eine Ehre.<br />

Aber gehen Sie jemals auf Ihr Publikum ein – insofern,<br />

dass Sie zum Beispiel den Programmablauf der Stimmung<br />

anpassen?<br />

Wir machen das so, dass wir in etwa absprechen,<br />

was die Well-Brüder spielen wollen und was ich<br />

erzählen möchte. Bei uns ist im Lauf der Zeit ja ein<br />

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