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INTERVIEW<br />
Ohne jede Planung?<br />
Jaja, weil ich diese Leute kenne. Man muss sich<br />
hinsetzen und sich konzentrieren, und dann geht es.<br />
Ich kann so etwas allein machen, mich hineindenken<br />
in die Figuren, aber ich führte auch schon mit<br />
einem Freund von mir solche Gespräche aus dem<br />
Stegreif, aus dem Nichts heraus – mit dem grossartigen<br />
Tiroler Humoristen Otto Grünmandl, der leider<br />
schon lang verstorben ist. Wenn man sich konzentriert<br />
und eine gute Stimmung hat – und ich habe mir<br />
natürlich schon ein Glas Rotwein dazu geholt –, dann<br />
steigert man sich hinein.<br />
Sind denn die Youtube-Filme, die man auf Ihrer Website<br />
geniessen kann, auch so entstanden – einfach drauflos?<br />
Könnte man sagen. Ich sehe darin aber nichts<br />
Besonderes. Schreibt der Stofferl Well ein neues Musikstück,<br />
dann schreibt er es ja auch einfach hin. Das<br />
muss er auch irgendwo schon vorher im Kopf haben.<br />
Man könnte ewig weiterlesen, und man hat auch nicht<br />
den Eindruck, es könnte nicht noch ewig weitergehen.<br />
Mit weniger als 150 Seiten ist das Buch aber eher<br />
schmal. Sagten Sie irgendwann: So, jetzt ist Schluss, ich<br />
mache etwas anderes?<br />
Ja, man könnte das tatsächlich beliebig fortsetzen.<br />
Ich könnte auch sagen, jetzt kommt «Dr. Arnulf<br />
Schmitz-Zceisczyk 2». Aber es war dann gut so, wie<br />
es war.<br />
Beim <strong>Lesen</strong> des Buchs dachte ich: Ja, lustig ist das auf<br />
jeden Fall – aber was ist eigentlich lustig daran? Kennen<br />
Sie das Geheimnis Ihres Humors? Wie würden Sie<br />
einem Menschen, der unsere Sprache nicht spricht,<br />
erläutern, worüber die Leute bei Ihnen lachen?<br />
Ich glaube nicht, dass ich das erklären kann.<br />
Aber ich kann dazu etwas sagen: In München gibt<br />
es die ehemalige Viehbank, ein Haus, das der Stadt<br />
München gehört. Es steht seit dem Krieg leer, es wurde<br />
damals getroffen und nur notdürftig wieder hergerichtet.<br />
Meine Mitinitiatoren und ich versuchen<br />
seit mittlerweile fast fünf Jahren, in diesem Haus<br />
eine Institution einzurichten, die wir Forum Humor<br />
nennen. Dort will ich meine Fragen behandeln:<br />
Was ist Humor, was ist schlechter Humor, wo hört<br />
Humor auf, warum hört er überhaupt auf, warum<br />
gibt es Menschen, die einen Draht zu Humor haben,<br />
was ist Blasphemie, warum werden Leute verfolgt,<br />
weil sie ironisch sind? Diese Themen reichen in die<br />
Soziologie, in die Psychologie, in die Geschichte – wir<br />
haben ja auch historischen Humor. In Pompeji steht<br />
an einer Wand der Spruch: Oh Wand, wie bewundere<br />
ich dich, dass du nicht zusammenbrichst, obwohl<br />
ich einen solchen Blödsinn an dir anbringe. Das sind<br />
doch wunderbare Sachen!<br />
Aber noch einmal: Warum lachen Leute bei Ihnen?<br />
Ich bekomme natürlich schon zu hören: Ich habe<br />
bei dir gelacht, weil du das so oder so gemacht hast.<br />
Ich selbst muss das, was ich tue, ja komisch finden,<br />
ich bin der Erzähler, und ich gehe auch das Risiko<br />
DR. ARNULF<br />
SCHMITZ- ZCEISCZYK<br />
Gerhard Polt<br />
144 Seiten, CHF 29.90<br />
Kein & Aber<br />
LUST AUF MEHR<br />
INTERVIEWS MIT<br />
GERHARD POLT?<br />
Die Neuerscheinung<br />
«Ich muss nicht wohin, ich<br />
bin schon da» präsentiert<br />
Ausschnitte aus Gesprächen<br />
aus den letzten<br />
20 Jahren.<br />
ICH MUSS NICHT<br />
WOHIN, ICH BIN<br />
SCHON DA<br />
Gerhard Polt<br />
160 Seiten, CHF 29.90<br />
Kein & Aber<br />
ein, dass der andere sagt: Naja, ganz nett, und wie<br />
geht es sonst? Ich habe das mal so ausgedrückt: Humor<br />
ist immer nur, wenn er stattfindet. Findet er für<br />
bestimmte Leute nicht statt, dann ist er nicht da.<br />
Ist Ihr Humor denn auch Ihr Humor, lachen Sie über<br />
ähnliche Sachen …<br />
Natürlich!<br />
… oder finden Sie auch Otto Waalkes lustig?<br />
Partiell finde ich auch Otto lustig. Doch auch die<br />
grössten Humoristen haben alle stärkere und schwächere<br />
Nummern. Wie die Komponisten auch: Nicht<br />
alles, was Beethoven gemacht hat, wird als gleich gut<br />
betrachtet. Es ist offen, was den Leuten gefällt. Einige<br />
finden von mir den «Nikolausi» am besten, andere<br />
mögen die politischen Sachen. Ich weiss nicht, was<br />
bei wem ankommt. Ich muss einfach wissen, warum<br />
ich eine Geschichte erzähle, ich muss sie erzählenswert<br />
finden.<br />
Hat sich Ihr Humor über die Jahrzehnte verändert?<br />
Das kann ich nicht sagen, auch das weiss ich<br />
nicht. Ich glaube nicht, dass der Humor schlechthin<br />
eine Konstante ist. Humor ist situativ.<br />
Ich war etwas nervös vor diesem Gespräch, weil man<br />
Sie auf der Bühne ja eigentlich nur als grantigen Kerl<br />
kennt – da dachte ich: Eine dumme Frage, und der<br />
schmeisst mich aus der Garderobe! Fällt es Leuten<br />
zuweilen schwer, die Kunstfigur, die Sie auf der Bühne<br />
verkörpern, und Sie persönlich auseinanderzuhalten?<br />
Es kommt schon vor, dass die Leute Respekt haben.<br />
Von einem theatralischen Standpunkt aus muss<br />
ich dann sagen: Das habe ich richtig gemacht!<br />
Der Auftritt von heute Abend wurde wegen der Pandemie<br />
zweimal verschoben. Es dürfte nicht Ihr einziger<br />
Auftritt sein, der nicht planmässig durchgezogen werden<br />
konnte. Hat Ihnen die übliche Kadenz an Auftritten<br />
in den letzten zwei Jahren gefehlt, oder gab es auch<br />
Momente, wo Sie dachten: Auch schön, muss ich nicht<br />
raus! Immerhin sind Sie ja 80.<br />
Ja, dann habe ich eben das Buch gemacht, zum<br />
Beispiel. Die Zeit vergeht so oder so, ich habe auch<br />
sehr viel zu lesen.<br />
Brauchen Sie überhaupt Publikum? Man hat den Eindruck:<br />
Sie kommen auf die Bühne und ziehen Ihr Ding<br />
durch, egal, wer vor Ihnen sitzt.<br />
Na, Publikum zu haben, ist schon etwas, das mir<br />
überhaupt nicht gleichgültig ist. Da kommen Leute<br />
zu dir, die wollen dich sehen, die wollen dich hören,<br />
das ist eine Ehre.<br />
Aber gehen Sie jemals auf Ihr Publikum ein – insofern,<br />
dass Sie zum Beispiel den Programmablauf der Stimmung<br />
anpassen?<br />
Wir machen das so, dass wir in etwa absprechen,<br />
was die Well-Brüder spielen wollen und was ich<br />
erzählen möchte. Bei uns ist im Lauf der Zeit ja ein<br />
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