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Vorstudie - Sozialhilfe

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Soziale Arbeit<br />

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Evaluation des Case Management-Verfahrens<br />

der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel<br />

<strong>Vorstudie</strong><br />

Dieter Haller<br />

Im Auftrag der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel<br />

9. November 2006


Inhalt<br />

1. Ausgangslage, Zielsetzungen und Fragestellungen.................................................3<br />

2. Methodik und theoretische Fundierung .....................................................................3<br />

3. Ergebnisse ....................................................................................................................5<br />

3.1. Eckdaten der KlientInnen im Case Management ...........................................................5<br />

3.2. Die Situation der KlientInnen bei Eintritt ins Case Management ....................................7<br />

Überblick zu den 20 analysierten Fällen.......................................................................7<br />

KlientInnen mit Ressourcenschwächen........................................................................8<br />

KlientInnen mit längerfristig geringen Eigenressourcen ...............................................9<br />

3.3. Die Leistungen des Case Managements......................................................................11<br />

3.4. Wirkungen ....................................................................................................................12<br />

Strukturierung der KlientInnensituation ......................................................................13<br />

Entwickelte Handlungsfähigkeit..................................................................................13<br />

Gefestigte neue und wiedererlangte Handlungsmuster .............................................14<br />

Statusänderungen als Wirkungen des Case Managements ......................................15<br />

Quantifizierende Zusammenfassung der Wirkungen .................................................15<br />

Grenzen des Wirkungsmodells auf dem aktuellen Bearbeitungsstand ......................17<br />

4. Zusammenfassung der Ergebnisse..........................................................................17<br />

5. Fazit und Empfehlungen............................................................................................19<br />

Literatur.................................................................................................................................21<br />

Dank<br />

Ich danke der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel, insbesondere dem Vorsteher Rolf Maegli, für<br />

das entgegengebrachte grosse Vertrauen, das die Basis für die Erarbeitung dieser <strong>Vorstudie</strong><br />

bildete. Ein grosses Dankeschön geht an Annette Elbert, Samuel Bertschi und das<br />

ganze Team Case Management für den Einblick in ihre Arbeit und die intensive fachliche<br />

Auseinandersetzung.<br />

Dieter Haller, Dr. phil.<br />

2


1. Ausgangslage, Zielsetzungen und Fragestellungen<br />

Die <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel unterscheidet fünf Dienstleistungen, nämlich die wirtschaftliche<br />

Hilfe, die Sozialberatung, Leistungen der Subsidiarität, die berufliche Integration und das<br />

Case Management. Das Case Management besteht in der aktuellen Form seit Februar 2005.<br />

Bis Ende August 2006 wurden 438 Dossiers bearbeitet.<br />

Bezüglich des Case Managements bestehen gewisse Legitimationsdefizite, insbesondere<br />

stellen sich die Beteiligten die Frage, was das Case Management bewirkt – ob in der Arbeit<br />

mit den KlientInnen die in Strategien und Konzepten formulierten Zielsetzungen erreicht werden.<br />

Diese <strong>Vorstudie</strong> fokussiert ausschliesslich die Wirkungen des Case Managements auf<br />

der Seite der KlientInnen. Es geht darum herauszuarbeiten, was Wirkung überhaupt ist<br />

– in welchen Kategorien sie beschrieben werden kann. Andere Aspekte wie Kosten-Nutzen-<br />

Analysen oder die Koordination des Case Managements mit den anderen Angeboten der<br />

<strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel sind nicht Gegenstand der Untersuchung.<br />

Die Zielsetzungen dieser <strong>Vorstudie</strong> lauten:<br />

- Darstellung der Eckdaten des Case Managements<br />

- Analyse und Beschreibung typischer Fälle<br />

- Beschreiben zentraler Wirkungsindikatoren des Case Managements aufgrund der Fallbeschreibungen<br />

- Kurzvergleich der auf dem Hintergrund der Punkte 1 – 3 erarbeiteten Ergebnisse mit den<br />

Zielen des Case Management.<br />

Die Ergebnisse sollen Antworten auf die folgenden Fragestellungen ermöglichen:<br />

- Lohnt sich Sozialberatung im Setting und nach den Methoden des Case Management?<br />

- Wie rechtfertigt sich die Spezialisierung Case Management in Abgrenzung zu den anderen<br />

Dienstleistungen?<br />

- Welches sind die Vorteile des Case Management-Verfahrens?<br />

- Wie kann das Case Management politisch erfolgreich positioniert werden?<br />

2. Methodik und theoretische Fundierung<br />

Diese <strong>Vorstudie</strong> basiert auf zwei Datenquellen: Zur Beschreibung der Grundgesamtheit der<br />

KlientInnen des Case Managements wird auf Daten des Fallführungssystems ‚tutoris’, das<br />

die <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel einsetzt, abgestützt. Als Datenbasis für die Untersuchung der<br />

Fallverläufe und Wirkungen dienen die Dossiers der KlientInnen, die von den MitarbeiterInnen<br />

der <strong>Sozialhilfe</strong> geführt werden. Die Dossiers enthalten umfangreiche Angaben zur Situation<br />

der KlientInnen und zum Verlauf des Unterstützungsprozesses. Sie repräsentieren primär<br />

den fachlichen Blick der fallführenden MitarbeiterInnen auf das Geschehen sowie die<br />

Verfahrenslogik des Case Managements, z.B. die Unterteilung des Prozesses in das<br />

Assessment, die Zielfindung usw. Die Protokolle der einzelnen Gespräche werden jedoch<br />

jeweils mit den KlientInnen besprochen. Die KlientInnen können auf ihre Akte Einfluss nehmen,<br />

so dass sich diese Dokumente inhaltlich nicht unkontrolliert von der Klientenperspektive<br />

weg bewegen.<br />

Zur Beschreibung typischer Fälle wird mit Methoden der qualitativen Sozialforschung zur<br />

Generierung von Typologien gearbeitet. Die Grundlage bildet der Grounded Theory-<br />

3


Approach, der aufgrund seiner induktiv-qualitativen Ausrichtung ein geeignetes Forschungsvorgehen<br />

für das Entwickeln von Konzepten, Typologien und Theorien darstellt (Strauss and<br />

Corbin 1990; Glaser and Strauss 1998; Haller 2000a). Nach dem Ansatz der Grounded<br />

Theory führen Forschende im Untersuchungsfeld mehrere Sequenzen der Datenerhebung<br />

durch. Parallel dazu arbeiten sie an der Analyse und Konzeptualisierung der Daten bis<br />

validierte Ergebnisse erreicht sind.<br />

Wegen der begrenzten zeitlichen Ressourcen werden die Arbeitsschritte der Grounded Theory<br />

in dieser <strong>Vorstudie</strong> in einer Minimalform eingesetzt. Die Auswahl der ersten sechs Fälle<br />

berücksichtigt die Kriterien Geschlecht und Alter (junge Erwachsene bis 25-jährig vs. Erwachsene).<br />

In den nachfolgenden zwei weiteren Untersuchungssequenzen werden die weiteren<br />

14 Untersuchungsfälle aufgrund von Auswahlkriterien wie Dauer des Case Managements,<br />

Verantwortung für Kindererziehung sowie Ressourcen- und Problemlage des<br />

Klientensystems gewählt. Die Analyse der Daten der insgesamt 20 Fälle erfolgt in einem<br />

stark verkürzten Kodierverfahren, das zu den in den Ergebnissen beschriebenen Kategorisierungen<br />

von Fallverläufen und Wirkungen führt. Zu den erarbeiten provisorischen Erkenntnissen<br />

und Ergebnissen wurde im Laufe des Analyseprozesses drei Mal eine Einschätzung<br />

der MitarbeiterInnen des Case Managements eingeholt. Dies entspricht einer gängigen<br />

Strategie der qualitativen Sozialforschung zur Validierung von Ergebnissen (vgl. Haller,<br />

2000). Insgesamt ist in diesem Prozess eine provisorische, teils rudimentäre Typologie der<br />

Fallverläufe und Wirkungen des Case Managements der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel<br />

entstanden.<br />

Das Case Management wird in diesem Projekt als prozessuales Geschehen verstanden:<br />

Interventionen der Fachpersonen lösen Handlungen seitens der KlientInnen aus; in einer Art<br />

Handlungsgemeinschaft erfolgt eine Interaktionskette, die insgesamt alltagssprachlich als<br />

Fallverlauf oder soziologisch als Patienten- bzw. Klientenkarriere beschrieben werden kann<br />

(Gerhardt 1986). Als weitere theoretische Basis zur Konzeptualisierung von Case Management-Prozessen<br />

dienen in dieser <strong>Vorstudie</strong> Konzepte der Interaktionistischen Soziologie,<br />

insbesondere die ‚Trajectory’-Theorie, die international in der Medizinsoziologie, Pflege- und<br />

Suchtforschung eingesetzt wird (Strauss, Fagerhaugh et al. 1991; Haller 2005). Mit den<br />

Begriffen des Trajectory-Modells lässt sich der Handlungsprozess von Akteuren, die in bezug<br />

auf eine fokussierte Aufgabe agieren und reagieren, analytisch beschreiben und<br />

konzeptualisieren (Soeffner 1991; Strauss 1993).<br />

4


3. Ergebnisse<br />

3.1. Eckdaten der KlientInnen im Case Management<br />

Während der 19 Monate von Februar 2005 bis August 2006 wurden insgesamt 438 Fälle im<br />

Case Management bearbeitet. Davon sind 256 Männer (58.4%) und 182 Frauen (41.6%).<br />

Wie Tabelle 1 zeigt, sind fast die Hälfte der KlientInnen junge Erwachsene (bis 25 Jahre alt).<br />

Tabelle 1: Altersstruktur der KlientInnen<br />

Altersgruppe Anzahl KlientInnen<br />

18 bis 25 Jahre 213 48.6%<br />

26 bis 35 Jahre 105 24.0%<br />

36 bis 50 Jahre 118 27.0%<br />

ab 51 Jahre 1 0.2%<br />

über 65 1 0.2%<br />

Total KlientInnen 438<br />

Gegen drei Viertel der KlientInnen beziehen die Leistungen der <strong>Sozialhilfe</strong> ausschliesslich für<br />

sich selbst (Tabelle 2). Alleinerziehende und Paare mit Kindern machen 22.9% der Fälle aus.<br />

Tabelle 2: Fallstruktur<br />

Fallstruktur Anzahl Fälle<br />

Eine Person 319 72.8%<br />

Alleinerziehende mit Kind/ern 58 13.3%<br />

Paare 19 4.3%<br />

Paare mit Kind/ern 42 9.6%<br />

Total Fälle 438<br />

Wie erwähnt bezogen während der Beobachtungsperiode 438 Fälle Leistungen des Case<br />

Managements. Am Stichtag 31. August 2006 waren 155 Fälle aktuell in Bearbeitung. Die<br />

übrigen 283 Fälle waren vorher abgeschlossen worden. Die Dauer des Case Managements<br />

der abgeschlossenen verteilt sich wie folgt:<br />

- bis 4 Monate: 196 Fälle (69.2%)<br />

- 5 bis 8 Monate: 58 Fälle (20.5%)<br />

- 9 bis 12 Monate: 16 Fälle (5.7%)<br />

- mehr als 12 Monate: 13 Fälle (4.6%)<br />

Es ist davon auszugehen, dass bei einer Dauer von bis vier Monaten ausschliesslich ein<br />

Clearing-Gespräch stattgefunden hat.<br />

5


Der Anteil Ausländer beträgt 44.1%. Die grösste Gruppe stammt aus der Türkei, gefolgt von<br />

MigrantInnen aus Italien und Serbien-Montenegro (5.0%) (vgl.<br />

Tabelle 3)<br />

Tabelle 3: Nationalität<br />

Nationalität Anzahl KlientInnen<br />

Schweiz 245 55.9%<br />

Türkei 51 11.7%<br />

Italien 31 7.1%<br />

Serbien und Montenegro 22 5.0%<br />

Mazedonien 10 2.3%<br />

Spanien 9 2.1%<br />

Deutschland 8 1.9%<br />

Österreich 5 1.1%<br />

Sri Lanka 5 1.1%<br />

Dominikanische Republik 5 1.1%<br />

Frankreich 4 0.9%<br />

Übrige 43 9.8%<br />

Total 438<br />

6


3.2. Die Situation der KlientInnen bei Eintritt ins Case Management<br />

Überblick zu den 20 analysierten Fällen<br />

Die KlientInnen kennen bezüglich ihrer Ressourcen, Probleme, Selbsthilfeversuche und<br />

Erfahrungen mit institutioneller Unterstützung je eine eigene Geschichte. In dieser <strong>Vorstudie</strong><br />

betrachten wir ausschliesslich einen Ausschnitt dieser teils langen ‚KlientInnenkarrieren’,<br />

nämlich die Situation und die Entwicklung der KlientInnen nach ihrem Eintritt in den Case<br />

Management Prozess der <strong>Sozialhilfe</strong>. Die Herausforderungen und Probleme, die die KlientInnen<br />

zu diesem Zeitpunkt nicht aus eigener Kraft bewältigen können, betreffen mehrere<br />

Erfahrungsbereiche. Zur Beschreibung der Situation der KlientInnen ist eine Darstellung<br />

sinnvoll, die der Komplexität mehrdimensionaler Problemlagen gerecht wird. Abbildung 1<br />

zeigt die Bereiche, denen die im Case Management bearbeiteten Problemstellungen, zugeordnet<br />

werden können:<br />

- Materielles<br />

- Arbeit: Ausbildung und Erfahrung in Beruf und/oder Haushalt<br />

- soziale und kulturelle Vernetzung und Verwurzelung<br />

- Lebensentwurf<br />

- psychische und somatische Gesundheit<br />

Abbildung 1: Schema zur Benennung der Problemlagen der KlientInnen<br />

Materielle<br />

Situation<br />

Decken von<br />

Einkommenslücken<br />

Phase mit Ersatzeinkommen<br />

Langfristig<br />

Ersatzeinkommen,<br />

Rente<br />

Ausbildung &<br />

Erfahrung in<br />

Arbeitsfeldern<br />

Passende Ausbildung,<br />

Berufs-,<br />

Arbeitserfahrung<br />

Ausbildungs-,<br />

Erfahrungslücken<br />

Passende Ausbildung<br />

und Erfahrungen<br />

fehlen<br />

Soziale &<br />

kulturelle<br />

Vernetzung<br />

Teilhabe an<br />

sozialen Netzen<br />

Lebensentwurf<br />

Intakter Entwurf<br />

KlientInnen mit Ressourcenschwächen<br />

Partielle<br />

Abkoppelung<br />

Bruchstellen im<br />

Entwurf<br />

KlientInnen mit langfristig geringen<br />

Ressourcen<br />

Abkoppelung,<br />

Entwurzelung,<br />

Kriegstraumas<br />

Entleerter,<br />

zirkulärer<br />

Entwurf<br />

Psychische &<br />

somatische<br />

Gesundheit<br />

Psychisch<br />

somatisch<br />

gesund<br />

Krankheitssymptome<br />

Psychische<br />

und/oder<br />

somatische<br />

Krankheiten<br />

7


Die Terminologie des Schemas (Abbildung 1) eignet sich auch zur Beschreibung der<br />

Ressourcen der KlientInnen. So kann von materiellen, arbeitsbezogenen, sozialen, kognitiven<br />

usw. Ressourcen gesprochen werden. Gemäss dem Schema ist beispielsweise eine<br />

Partnerschaft dem Bereich soziale und kulturelle Vernetzung zuzuorten. Einerseits können<br />

KlientInnen in Partnerbeziehungen gestützt werden, so dass diese eine Ressource darstellen;<br />

andererseits bilden Partnerschaften auch Konfliktfelder und verschärfen Problemlagen,<br />

die im Case Management bearbeitet werden.<br />

In Abbildung 1 wird eine vereinfachende Kategorisierung der 20 KlientInnen der <strong>Sozialhilfe</strong><br />

vorgenommen. Zum einen wird von KlientInnen mit vergleichsweise hohen Eigenressourcen<br />

gesprochen. Ihre Lage wird mit den Worten ‚KlientInnen mit Ressourcenschwächen’ umschrieben.<br />

Der andere Teil der KlientInnen verfügt längerfristig über geringe Ressourcen. Sie<br />

fallen in die Kategorie ‚KlientInnen mit längerfristig geringen Ressourcen’.<br />

KlientInnen mit Ressourcenschwächen<br />

KlientInnen mit Ressourcenschwächen können in verschiedenen Erfahrungsbereichen auf<br />

ihre Ressourcen und Stärken abstützen. Im materiellen Bereich und oftmals in weiteren<br />

Bereichen sind jedoch Probleme aufgetreten, die sich auf die gesamte Lebenssituation<br />

hindernd auswirken. Die KlientInnen sind auf finanzielle Unterstützung der <strong>Sozialhilfe</strong> angewiesen.<br />

Fälle, die eine derartige Entwicklung veranschaulichen, sind zum Beispiel:<br />

Ein 28-jähriger Klient mit einer psychischen Krankheit, die durch Behandlung kontrollierbar<br />

ist, schafft nach Ausbildungsabschluss während 18 Monaten den Einstieg ins<br />

Erwerbsleben nicht. Er verfügt jedoch über klare Zukunftsvorstellungen (Lebensentwurf)<br />

und ist in sozialen Beziehungen gut verankert.<br />

Eine 48-jährige Klientin verliert ihren selbständigen Erwerb nach vielen erfolgreichen<br />

Jahren und gerät in eine länger dauernde Lebenskrise. Parallel dazu verliert sie ihr<br />

langjähriges familiäres und berufliches Beziehungsnetz. Die Frau verfügt über Ressourcen<br />

in allen Erfahrungsbereichen. Besonderen Halt findet sie nach einigen Monaten<br />

in einer neuen Partnerbeziehung.<br />

Trotz der vielen Variationen in den Problemlagen ist folgendes Muster erkennbar: Die KlientInnen<br />

sind weitgehend in der Lage, ein selbständiges Leben zu führen. In einer besonderen<br />

biografischen Herausforderung, d.h. während eines biografischen Übergangs, wie ihn z.B.<br />

der Eintritt ins Erwerbsleben darstellt, reichen die bio-psychosozialen Kapazitäten zur Bewältigung<br />

der Situation nicht aus. Nach Monaten, teils nach ein zwei Jahren der Selbsthilfe<br />

oder Unterstützung durch andere Institutionen löst die materielle Notlage den Soziahilfebezug<br />

aus.<br />

8


Tabelle 4: Überblick KlientInnen in temporärer problematischer Lebenslage (9 Fälle)<br />

Zu bewältigender biografischer Übergang Bereiche mit kritischer Ressourcenlage<br />

Erwachsene: Eintritt ins Erwerbsleben<br />

(Festanstellung)<br />

Erwachsene: Verlust der Erwerbsarbeit,<br />

Stellensuche<br />

Erwachsene: Ausbildungsbeginn mit<br />

entsprechender Vorbildung<br />

Junge Erwachsene (bis 25-jährig):<br />

Ausbildungsbeginn<br />

KlientInnen mit längerfristig geringen Eigenressourcen<br />

Wird erschwert durch<br />

- psychische Krankheit (weitgehend<br />

kontrollierbar)<br />

- somatische und psychische, kontrollierbare<br />

Symptome<br />

Werden erschwert durch<br />

- schwere Krise im privaten und beruflichen<br />

Beziehungsnetz<br />

- leichte Körperbehinderung, Probleme mit der<br />

kulturellen Identität und dem Status des<br />

Fremden<br />

Wird erschwert durch<br />

- Beschwerden einer chronischen<br />

Gelenkkrankheit (weitgehend kontrollierbar)<br />

- psychische Krankheit (weitgehend kontrollierbar)<br />

Die Phase des Findens eines Ausbildungsplatzes<br />

und die Motivation und Kapazität für den Ausbildungsbeginn<br />

werden erschwert durch<br />

- Zugehörigkeit zu einer Randgruppenszene<br />

- Herausforderungen einer Mutterschaft als<br />

Alleinerziehende<br />

- schwere Essstörungen<br />

- Motivationsprobleme in Kombination mit<br />

exzessivem Cannabiskonsum<br />

Abbildung 1 benennt im unteren Bereich der Grafik die Mangelsituationen in den zentralen<br />

existenziellen Erfahrungsbereichen. Mangelnde Ressourcen im Bereich Arbeit bedeuten,<br />

dass KlientInnen nicht ausgebildet sind bzw. dass es ihnen an Berufserfahrung fehlt. Die<br />

Stichwörter zu Mangelsituationen im Bereich soziale Vernetzung lauten Abkoppelung, Entwurzelung<br />

und Vereinsamung. An der Stelle eines intakten Lebensentwurfs zeigt sich Orientierungslosigkeit<br />

und die gesundheitliche Dimension ist geprägt von psychischen und somatischen<br />

Leiden.<br />

Die untersuchten KlientInnen sind in einem, oft in mehreren Bereichen langfristig von ausgeprägtem<br />

Ressourcenmangel betroffen. Diese Bedingungen bewirken eine längerfristige<br />

Erwerbsarbeitsunfähigkeit. Die <strong>Sozialhilfe</strong> deckt die Existenzkosten.<br />

Eine Klientin, um die 30 Jahre alt, alleinerziehend, ohne abgeschlossene Schulausbildung,<br />

nicht erwerbstätig, leidet unter der allgemeinen Überforderung der Bewältigung<br />

9


der Erziehungs- und Haushaltaufgaben. Psychische Symptome beeinträchtigen das<br />

Alltagsleben. Im Vordergrund stehen die Lösung von Erziehungsfragen, die Verbesserung<br />

der Haushaltführung und die geeignete soziale Vernetzung der Kleinfamilie. Abklärungen<br />

durch die Invalidenversicherung sind in Gang. Die Themen Erlernen und<br />

Ausüben eines Berufs sollen erst später Gegenstand der Beratungen werden.<br />

Im Unterschied zur Gruppe der KlientInnen, die aufgrund einer aktuellen problematischen<br />

Lebenslage (biografische Herausforderung oder Übergang) <strong>Sozialhilfe</strong>leistungen beziehen,<br />

ist bei dieser Gruppe davon auszugehen, dass die Erwerbsfähigkeit längerfristig nicht gegeben<br />

ist. Tabelle 5 zeigt zusammengefasst auf, wie sich die Problemlagen dieser KlientInnengruppe<br />

manifestieren (linke Spalte) und benennt die gravierenden Mängel an Ressourcen<br />

(rechte Spalte).<br />

Tabelle 5: Überblick KlientInnen mit längerfristiger Problemlage (11 Fälle)<br />

Längerfristige Anlassprobleme Formen des Ressourcenmangels<br />

- Erwerbsarbeitsunfähigkeit und damit zusammenhängende<br />

materielle Probleme/teils<br />

Armutssymptome<br />

- Allgemeine Überforderung in der<br />

Alltagsbewältigung und Tagesstrukturierung<br />

- Schwierigkeiten und Überforderung mit der<br />

Erziehung von Kindern<br />

- Mangelnde Ausbildung bzw. Qualifikation,<br />

10<br />

- Psychische Erkrankungen, die den<br />

Handlungsradius stark beeinträchtigen<br />

- Teils chronische somatische Gebrechen, z.B.<br />

chronische Schmerzen nach einem Unfall bei<br />

gleichzeitig hoher Arbeitsmotivation<br />

- Sinnkrisen, Defizite des Lebensentwurfs in<br />

Kombination mit psychischer Erkrankung<br />

- Spezifische psychische Erkrankungen von<br />

KlientInnen mit Kriegstraumas; teils keine<br />

Diagnose möglich (Erlebnisse während der<br />

Balkankriege)<br />

- Spezifische Situation von KlientInnen, die<br />

aktuell substanzabhängig sind; teils wird eine<br />

Doppeldiagnose (psychische Erkrankung)<br />

vermutet<br />

- Spezifische Situation von KlientInnen, die<br />

während einer früheren Lebensphase langzeitig<br />

substanzabhängig waren und aktuell<br />

über geringe Ressourcen in mehreren Erfahrungsbereichen<br />

verfügen


3.3. Die Leistungen des Case Managements<br />

Bei Eintritt ins Case Management hat sich ein grosser Teil der KlientInnen bereits längere<br />

Zeit mit den beschriebenen Problemlagen auseinandergesetzt. Es ist davon auszugehen,<br />

dass die KlientInnen, die Situation im Rahmen von Selbsthilfe und evt. mit Unterstützung<br />

ihres sozialen Umfeldes mehr oder weniger lang selbst zu verbessern versuchten. Teils<br />

wurde auch die Unterstützung von spezifischen Institutionen der psychosozialen Hilfe beansprucht.<br />

Zu einem bestimmten Zeitpunkt verschärfte sich die materielle Situation, so dass die<br />

KlientInnen die Unterstützung der <strong>Sozialhilfe</strong> suchen mussten.<br />

Die bisherige KlientInnengeschichte sowie der detaillierte Verlauf des Case Managements<br />

werden im Rahmen dieser <strong>Vorstudie</strong> nicht untersucht, so dass zum direkten Zusammenhang<br />

zwischen Interventionen der fallführenden und übrigen involvierten Fachpersonen und den<br />

erzielten Wirkungen keine Aussagen gemacht werden können. Im Folgenden wird lediglich<br />

die direkte KlientInnenarbeit der Case Manager summarisch beschrieben.<br />

Steuerungsarbeit<br />

Die Case Manager gliedern den Prozess in die einzelnen Phasen des Case Managements –<br />

das Assessment, die Zielformulierung, die Durchführungsphase und die Evaluation. Sie<br />

gestalten den Prozess abgestimmt auf die Ressourcen der KlientInnen in einer Form, dass<br />

er für die Betroffenen verständlich, nachvollziehbar und handhabbar ist.<br />

Informieren, Erklären, Anleiten<br />

Viele KlientInnen benötigen Information und Anleitung – etwa Information über ihre<br />

Anspruchsberechtigungen, über andere Unterstützungsangebote oder den Umgang mit<br />

Institutionen und Behörden.<br />

Abklären<br />

Eine umfangreiche Arbeit der Case Manager besteht in klientenbezogenen Abklärungen,<br />

z.B. über Unterstützungsmöglichkeiten, Aufnahmebedingungen von Institutionen, Finanzierungen<br />

von Angeboten und Dienstleistungen.<br />

Aktivieren<br />

Im Beratungsgespräch motivieren die Case Manager die KlientInnen zur Reflektion der eigenen<br />

Situation. Sie sollen lernen, ihre Stärken und Schwächen, ihre bio-psychosozialen Ressourcen<br />

sowie die Ursachen von Problemen besser zu erkennen. Es geht darum, die KlientInnen<br />

zur Gestaltung der Zukunft zu motivieren – ihnen aufzuzeigen, wie sie Schritt für<br />

Schritt Veränderungen erreichen können.<br />

Aufbauen des Unterstützungsnetzes<br />

Die Case Manager motivieren die KlientInnen bei entsprechendem Bedarf, die Leistungen<br />

anderer Unterstützungsangebote zu nutzen. Weiter koordinieren und evaluieren sie im<br />

Hinblick auf die ausgehandelten Ziele die Leistungen der verschiedenen Angebote.<br />

Die Case Manager unterstützen KlientInnen, wenn diese den Kontakt zu Institutionen und<br />

Behörden nicht mit eigenen Mitteln herstellen können.<br />

Allgemeine KlientInnen bezogene Case Management-Tätigkeiten<br />

Dazu gehören eine Vielzahl administrative Aufgaben oder beispielsweise die Abklärung, für<br />

welche KlientInnen der <strong>Sozialhilfe</strong> ein Case Management angezeigt ist.<br />

11


3.4. Wirkungen<br />

Die Wirkungen von Case Management-Prozessen bewegen sich inhaltlich und bezüglich<br />

ihrer Reichweite und Nachhaltigkeit in einem breiten Spektrum. Trotz dieser Variationsbreite<br />

können aufgrund der Analyse der 20 Fälle zwei grundlegende Wirkungskategorien auseinandergehalten<br />

werden. Auf der einen Seite ist in den Daten eine Vielzahl von Wirkungen,<br />

die sich im Alltagshandeln der KlientInnen niederschlagen und sich in ihrem Umfeld entfalten,<br />

dokumentiert. Es handelt sich um unmittelbare Wirkungen des Case Managements. Wie<br />

Abbildung 2 schematisch aufzeigt, ist diese Kategorie in drei Wirkungsarten unterteilt, die mit<br />

den Begriffen Strukturierung der Situation, entwickelte Handlungsfähigkeit sowie gefestigte<br />

neue/wiedererlangte Handlungsmuster bezeichnet sind. Andererseits mündet das Case Management<br />

bei einigen der untersuchten KlientInnen in eine Statusänderung, namentlich die<br />

Aufnahme einer Erwerbsarbeit oder einer Ausbildung. Die zweite, auf Abbildung 2 erwähnte<br />

Möglichkeit der Statusänderung ist die Eingliederung durch die Invalidenversicherung mit<br />

einer arbeits- oder ausbildungsbezogenen Massnahme oder als RentnerIn.<br />

Abbildung 2: Wirkungsmodell Case Management<br />

Wirkungen von Case Management-Prozessen Statusänderungen<br />

Entwickelte Handlungsfähigkeit<br />

Verbesserung, Reaktivierung des<br />

Handlungsmöglichkeiten,<br />

Gesteigerte Lebensqualität<br />

Strukturierung der Situation<br />

Beruhigung, weniger Druck;<br />

mentale Stärkung,<br />

Standortbestimmung<br />

Gefestigte, neue/wiedererlangte<br />

Handlungsmuster<br />

Festigung der Tagesstruktur,<br />

Beschäftigung, Beziehungen, des<br />

Umgangs mit Geld usw.<br />

Aufnahme einer<br />

Erwerbsarbeit/Ausbildung<br />

(gesellschaftliche<br />

Integration)<br />

Massnahme bzw.<br />

Rente der IV<br />

(gesellschaftliche<br />

Eingliederung)<br />

12


Strukturierung der KlientInnensituation<br />

Eine Folge des Case Management-Prozesses ist in allen Fällen eine Strukturierung der<br />

KlientInnensituation, das heisst die oft komplexen und dynamischen Problemlagen beruhigen<br />

sich und werden fassbarer und überblickbar.<br />

Ein 28-jähriger Klient erkennt im Assessment, wie Motivationsschwierigkeiten, Depressionssymptome<br />

und Erwerbsarbeitslosigkeit zusammenhängen. Parallel dazu nimmt er<br />

auch seine Ressourcen wieder bewusster wahr. Diese Prozesse bilden eine Voraussetzung,<br />

um wieder eine Tagesstruktur zu entwickeln, die Termine beim Therapeuten<br />

regelmässig wahrzunehmen und Ziele im Bereich Arbeit anzugehen.<br />

Die Strukturierung der Situation während des Assessments verläuft unterschiedlich. KlientInnen,<br />

die über gute Fähigkeiten zur Selbstreflexion verfügen und Erkenntnisse leicht in Handeln<br />

umsetzen können, erreichen die Strukturierung rascher als KlientInnen, die über wenig<br />

derartige Ressourcen verfügen. So beteiligt sich ein Teil der KlientInnen betont aktiv an der<br />

Situationsanalyse, indem sie Aufgaben erledigen und inhaltliche Schwerpunkte und das<br />

Tempo der Beratung mitsteuern. Eine Nebenwirkung dieses Prozesses ist eine Stärkung des<br />

Selbstwertgefühles der KlientInnen. Bei einer Mehrzahl der KlientInnen fördert das Assessment<br />

insgesamt die Selbsthilfefähigkeiten. Andere KlientInnen können aus dieser Strukturierung<br />

weniger oder keinen direkten Nutzen ziehen. Am auffälligsten ist dies bei KlientInnen,<br />

deren Selbständigkeit und Fähigkeit zu Verhaltensänderungen aufgrund ihrer Substanzabhängigkeit<br />

aktuell eingeschränkt ist.<br />

Entwickelte Handlungsfähigkeit<br />

Ein Teil der in den 20 analysierten Ausschnitten aus Fallverläufen beobachteten Wirkungen<br />

fällt in die Kategorie entwickelte Handlungsfähigkeit. Aufgrund der Reflektion im Case Management<br />

und daraus gewonnener Erkenntnisse realisieren die KlientInnen Handlungen, die<br />

neu sind oder während der Zuspitzung der Probleme misslangen und jetzt reaktiviert werden.<br />

Ein 20-jähriger Klient erkennt im Case Management-Prozess, dass er die Unterstützung<br />

spezialisierter Stellen benötigt. Er nimmt regelmässig die Termine des Arbeits-<br />

und Ausbildungscoachings wahr und beabsichtigt, eine psychologische Beratung zu<br />

beginnen. Ein Budget wird erstellt, um die Finanzen in den Griff zu bekommen. Der<br />

Klient überdenkt die Kontakte zu den KollegInnen seiner Clique, die das soziale Umfeld<br />

seiner Problemsituation bildet. Insgesamt bewegt er sich auf neuem Terrain; die veränderte<br />

Situation ist aber noch labil.<br />

Die entwickelte Handlungsfähigkeit ist eine Wirkungsdimension des Case Managements mit<br />

Ausstrahlung: In vielen Fällen ermöglicht sie den KlientInnen das Durchhalten und Verbessern<br />

des Alltagslebens. Die Spitze der Problemlage ist gebrochen. Dokumentiert ist beispielsweise<br />

die Situation von vier Müttern mit Kindern unter 10 Jahren. Die verbesserte<br />

Handlungsfähigkeit ermöglicht es ihnen, Erziehungsfunktionen, die allenfalls Institutionen<br />

übertragen werden müssten, wahrzunehmen.<br />

Verbesserte Handlungskompetenzen gehen einher mit mentalen Prozessen: Die KlientInnen<br />

setzen sich im Case Management mit ihrer Situation auseinander, reflektieren Vergangenheit<br />

und Zukunft, formulieren Anliegen, später Ziele und langfristige Entwürfe. Diese mentalen<br />

13


Festlegungen bilden eine Voraussetzung für die kontinuierliche Behandlung durch das<br />

Unterstützungssystem.<br />

Die Entwicklung der Handlungsfähigkeit verläuft in vielen Fällen nicht linear. Es kommt zu<br />

Rückschlägen, ausgelöst beispielsweise durch gesundheitliche Krisen oder wenn Aussichten<br />

auf einen Ausbildungsplatz oder eine feste Anstellung zerrinnen. Die Phase, während der<br />

KlientInnen Handlungskompetenzen entwickeln, dauert unterschiedlich lange. Ein Teil der 20<br />

Untersuchungsfälle ist in der Lage, früher angeeignete Handlungsmuster zu reaktivieren und<br />

dadurch die Situation zu normalisieren (vgl. unten). Bei einigen gelingt danach der Eintritt ins<br />

Erwerbsleben. Bei anderen mit geringen Ressourcen dauert diese Phase sehr lange. Der<br />

Prozess gleicht hier einem Vorwärtstasten in kleinen Schritten.<br />

Tabelle 6: Weitere Beispiele von Wirkungen der Kategorie 'Entwickelte Handlungsfähigkeit’<br />

- Etliche KlientInnen erweitern ihre Handlungsfähigkeit in alltäglichen Routinearbeiten (Aufräumen<br />

und Sauber-Halten der Wohnung, Kochen oder Rechnungen rechtzeitig bezahlen). Oft geht es<br />

darum, den Tagesablauf zu strukturieren. Diese Lernprozesse werden direkt im Case Management<br />

gefördert; oft wird den KlientInnen, koordiniert durch das Case Management, eine Wohnbegleitung<br />

zur Seite gestellt.<br />

- Die Zuspitzung von Problemlagen geht oft einher mit dem Rückzug in die eigenen vier Wände.<br />

Unter anderem dadurch bedingt, leidet ein Teil der KlientInnen unter Bewegungsarmut und Gewichtsproblemen.<br />

In drei Fällen ist dokumentiert, wie KlientInnen aufgrund von Case Management-Prozessen<br />

wieder nach aussen treten und regelmässig ein Hallenbad oder Fitnesscenter<br />

besuchen. Die Verbesserung des Körpergefühls wirkt sich positiv auf den Gesamtverlauf aus.<br />

- In diese Wirkungskategorie fällt auch die wachsende Bereitschaft von KlientInnen Unterstützung<br />

anzunehmen. Oft erkennen sie im Assessment, dass die eigenen Ressourcen nicht ausreichen,<br />

um anstehende Probleme zu lösen. Wenn sie bereit sind, ihre Situation koordiniert mit den passenden<br />

Stellen des Unterstützungsnetzes zu bearbeiten, kommt das Case Management richtig<br />

zum Tragen.<br />

Gefestigte neue und wiedererlangte Handlungsmuster<br />

Gestützt durch das Case Management und die weiteren unterstützenden Institutionen, führt<br />

ein Teil der KlientInnen ein weitgehend selbständiges und normalisiertes Alltagsleben. Sie<br />

verfügen über einen kohärenten Lebensentwurf für die nähere Zukunft. Die Ablösung von der<br />

<strong>Sozialhilfe</strong> ist noch nicht gelungen. In einem gewissen Sinn stehen die KlientInnen in einer<br />

Wartephase für einen Statuswechsel (Aufnahme einer Erwerbsarbeit/Ausbildung oder Eingliederung<br />

dank Leistungen einer Sozialversicherung).<br />

Eine Klientin, 22-jährig, erarbeitete sich während des Case Management-Prozesses,<br />

unter anderem dank Tätigkeiten als freiwillige Mitarbeiterin, eine Tagesstruktur und absolvierte<br />

erfolgreich verschiedene Praktika. Mittlerweile ist das Ausbildungsziel geklärt.<br />

Da kein Ausbildungsplatz gefunden werden konnte, absolviert die Frau nochmals ein<br />

Praktikum im Betrieb von Verwandten.<br />

Trotz der Stabilisierung ist die Situation der KlientInnen unsicher. Wenn die anvisierten Ziele<br />

– oft handelt es sich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder einer Ausbildung – lange<br />

Zeit nicht gelingen, wirkt dies demotivierend. Die entworfene Zukunft und damit der Sinn des<br />

14


aktuellen Lebenszusammenhangs sind gefährdet.<br />

Tabelle 7: Weitere Beispiele von Wirkungen der Kategorie 'Gefestigte neue/wiedererlangte<br />

Handlungsmuster'<br />

- Durch im Case Management induzierte, geförderte und koordinierte Lernprozesse kann eine<br />

Klientin die Auswirkungen ihrer chronischen Krankheit auf das Alltagsleben richtig einschätzen<br />

und sich passend verhalten, so dass es weniger zu psychischen Krisen kommt und der Plan, in<br />

eine weiterführende Ausbildung einzutreten, nun realistisch ist.<br />

- Unterstützt durch Fachstellen, die durch das Case Management vermittelt und koordiniert werden,<br />

erarbeitet ein erwerbsarbeitsloser Erwachsener die Voraussetzungen für die Normalisierung. U.a.<br />

sind die Wohnsituation und die Schuldentilgung geregelt sowie die Instrumente für Stellenbewerbungen<br />

erarbeitet. Die Chancen für Erfolge bei der Stellensuche haben sich stark verbessert.<br />

Statusänderungen als Wirkungen des Case Managements<br />

In den 20 untersuchten Dossiers, die je eine Zeitspanne von 5 bis 17 Monaten abdecken,<br />

sind die Verläufe von zwei erwachsenen KlientInnen, die eine Erwerbsarbeit finden, dokumentiert.<br />

Die beiden Frauen beteiligten sich intensiv am Assessment und erreichten vergleichsweise<br />

rasch eine Stabilisierung ihrer Situation, die sich in gefestigten Handlungsmustern<br />

manifestierte. Die Aufnahme der Erwerbsarbeit ermöglichte die finanzielle Selbständigkeit<br />

und die Ablösung von der <strong>Sozialhilfe</strong>.<br />

Zwei junge Erwachsene realisierten ebenfalls ihre Hauptzielsetzung, indem sie eine Berufslehre<br />

antreten konnten. Auch sie erreichten den neuen Status ‚Lehrling’. In diesen Fällen ist<br />

das Case Management noch nicht abgeschlossen, da die Klienten verschiedene Leistungen<br />

noch eine Zeit lang beanspruchen.<br />

Quantifizierende Zusammenfassung der Wirkungen<br />

In Tabelle 8 werden die 20 Untersuchungsfälle zusammengefasst einer Wirkungskategorie<br />

zugeordnet. Diese Zuordnung stellt eine Momentaufnahme dar. Ein Fall, der aufzeigt, wie<br />

sich die Wirkungsentfaltung in Auf- und Abwärtsbewegungen entwickelt, konnte über 16 Monate<br />

untersucht werden. Nach einer langen Phase mit ‚entwickelter Handlungsfähigkeit’ bewegt<br />

sich die Klientin nach einer durchstandenen Krisen aktuell wieder in einer Phase, in der<br />

die Strukturierung der Situation angestrebt wird. Zum Beobachtungszeitpunkt waren drei<br />

Fälle abgeschlossen. Für die übrigen Fälle ist die Entwicklung des Case Management-<br />

Prozesses offen.<br />

15


Tabelle 8: Wirkungen von Case Management-Prozessen; Zuordnung der 20 Fälle zu<br />

Wirkungskategorien zum Beobachtungszeitpunkt<br />

Wirkungskategorie Anzahl Fälle Aufwand CM pro Fall<br />

(Durchschnitt)<br />

Strukturierung der<br />

Situation<br />

Entwickelte<br />

Handlungsfähigkeit<br />

Gefestigte<br />

Handlungsmuster<br />

2 11.0 Std.<br />

9<br />

16<br />

Beobachtete Verlaufsdauer<br />

pro Fall (Durchschnitt)<br />

8.0 Monate<br />

27.5 Std. 10.5 Monate<br />

5 27.0 Std. 11.2 Monate<br />

Statusänderung 4 21.5 Std. 9.5 Monate<br />

Obschon Tabelle 8 demnach nur eine Momentaufnahme darstellt, werfen die Zahlen einige<br />

Fragen auf. So fällt auf, dass die Verlaufsdauer des Case Managements und der Zeitaufwand<br />

der fallführenden Fachperson mit Bezug auf die Wirkungskategorien Entwickelte<br />

Handlungsfähigkeit, Gefestigte Handlungsmuster und Statusänderung kaum variieren. Dies<br />

gibt Anlass zu folgenden Hypothesen:<br />

- Was Dauer und Aufwand anbelangt, ist das Case Management ein vergleichsweise<br />

stabiler Prozess: Ein im Durchschnitt während 10 Monaten geführter Fall erfordert von<br />

den fallführenden MitarbeiterInnen durchschnittlich einen Zeitaufwand von 25 Stunden.<br />

- Die erreichten Wirkungen hangen weniger von der Verlaufsdauer und vom Zeitaufwand<br />

als von KlientInnenmerkmalen – nämlich von der Ressourcenlage der KlientInnen – ab.<br />

So ist dokumentiert, dass die vier KlientInnen, die einen Statuswechsel erreichen, über<br />

vergleichsweise umfassende Ressourcen verfügen.<br />

Die beiden KlientInnen, die in einem annähernd durchschnittlich lange dauernden Case<br />

Management-Prozess von acht Monaten erst Wirkungen der Kategorie Strukturierung der<br />

Situation erreichen‚ widersprechen den Hypothesen auf den ersten Blick. Doch handelt es<br />

sich um zwei Klienten mit geringen Ressourcen, die ausserdem substanzabhängig sind. Es<br />

stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Case Management der <strong>Sozialhilfe</strong>, das<br />

eine verbindliche Planung und die Delegation von Verantwortung an die KlientInnen beinhaltet,<br />

in diesen Fällen gegeben sind. Die vorsichtige Antwort aufgrund der 20 analysierten<br />

Fälle lautet: Bei einer Kombination von geringen Ressourcen und Substanzabhängigkeit ist<br />

das Case Management eine Überforderung. In einem ersten Schritt müsste die Abhängigkeit<br />

behandelt werden. Verfügen Abhängige jedoch über weitgehend intakte Ressourcen, wie<br />

dies oft bei Cannabismissbrauch durch junge Erwachsene der Fall ist, kann ein Case Management<br />

durchgeführt werden.


Grenzen des Wirkungsmodells auf dem aktuellen Bearbeitungsstand<br />

Das hier entwickelte Wirkungsmodell stellt ein inhaltliches Modell dar. Aufgrund von 20 Fällen<br />

wurden verschiedene Wirkungsarten des Case Managements herausgearbeitet. Obschon<br />

bei der Auswahl der Fälle darauf geachtet wurde, anhand inhaltlicher Kriterien ein<br />

breites Spektrum von KlientInnen auszuwählen, muss das Modell als ‚Hypothese’, die in<br />

analytischer Arbeit weiter inhaltlich verdichtet werden sollte, gesehen werden. Besonders die<br />

folgenden Grenzen sollen nochmals betont werden:<br />

- Die Analysen basieren ausschliesslich auf Daten der KlientInnendossiers. Die Perspektive<br />

der KlientInnen ist damit nicht direkt berücksichtigt. Ebenso konnten keine Stellungnahmen<br />

anderer Fachpersonen, die am Unterstützungsprozess der KlientInnen beteiligt<br />

sind, verwertet werden. Dies ist ein Grund dafür, dass es schwierig ist, Schwächen des<br />

Case Managements – und eventuelle negative Wirkungen – zu benennen.<br />

- Da das Case Management der Mehrzahl der Fälle noch nicht abgeschlossen ist, kann<br />

die Wirkung des Prozesses noch nicht abschliessend beurteilt werden. Der analytische<br />

Blick auf die laufenden Fallverläufe lässt ausschliesslich die im vorangehenden Abschnitt<br />

formulierten Hypothesen zu Wirkung, Aufwand und Prozessdauer zu.<br />

- Weiter konnten im Rahmen dieser <strong>Vorstudie</strong> die Analysen zu wenig umfassend gestaltet<br />

werden, so dass Ursachen und Wirkungen nicht detailliert untersucht worden sind. Die<br />

Wirkung einzelner spezifischer Interventionen des Case Managements ist mit dem Modell<br />

nicht abgebildet. Auch der Einfluss der KlientInnenbiografie und anderer Wirkungsfaktoren<br />

ist nur summarisch berücksichtigt. Der Stellenwert der Ressourcen der KlientInnen<br />

ist erkannt; aber natürlicherweise beeinflussen weitere Ereignisse, die sich ausserhalb<br />

des direkten Einflusses der KlientInnen und des Case Managements abspielen,<br />

oftmals stark den Fallverlauf. Darüber macht diese Untersuchung keine Aussagen.<br />

- Schliesslich haben alle Zahlen dieser Untersuchung bloss einen informativen Charakter.<br />

Die in der zusammenfassenden Tabelle 8 aufgeführten Zahlenverhältnisse dürfen<br />

keinesfalls als repräsentativ für die Gesamtheit der Klientel im Case Management der<br />

<strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel interpretiert werden. Sie bilden aber eine ausgezeichnete<br />

Grundlage zur Formulierung von Fragestellungen für Fachdiskussionen und die weitere<br />

wissenschaftliche Klärung.<br />

4. Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Diese <strong>Vorstudie</strong> unterscheidet aufgrund von 20 Fällen zwischen KlientInnen mit Ressourcenschwächen<br />

in einer temporären Problemlage (Gruppe 1) und KlientInnen mit längerfristig<br />

geringen Ressourcen in einer längerfristigen Problemlage (Gruppe 2).<br />

Die KlientInnen von Gruppe 1 erreichen in Case Management-Prozessen ein stabilisiertes<br />

Alltagsleben. Dass die Veränderungen gefestigt sind, dass bei einem Teil der Statuswechsel<br />

in eine Erwerbsarbeit bzw. Ausbildung gelingt, sind Hinweise auf eine gewisse Nachhaltigkeit<br />

der Wirkungen des Case Managements. KlientInnen, die aufgrund ihrer Ressourcen und der<br />

erarbeiteten Stabilität die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit erfüllten,<br />

jedoch diesen Übergang nicht erreichen, laufen Gefahr, dass der erreichte Aufbau wieder<br />

zerfällt. Damit ist auch ein Risiko, dass die KlientInnen trotz vergleichsweise intakter Ressourcenlage<br />

zu Langzeitfällen des Unterstützungssystems werden, verbunden.<br />

17


KlientInnen der Gruppe 2 (längerfristige Problemlagen) erreichen im Case Management<br />

nach einigen Monaten typischerweise die Strukturierung der Situation und erweiterte Handlungsfähigkeiten.<br />

Die Stabilisierung dieser positiven Veränderungen benötigt im Durchschnitt<br />

viel Zeit. Die Ausstrahlung dieser Wirkungen ist hoch einzuschätzen: Beispielsweise sind<br />

dank der erweiterten oder wiedererlangten Kapazitäten Eltern besser in der Lage, ihre Erziehungsaufgaben<br />

wahrzunehmen; KlientInnen, die zu gewalttätigen Handlungen in ihrem Umfeld<br />

neigen, erkennen alternative Möglichkeiten, Auseinandersetzungen zu führen; usw.<br />

Zumindest ein Teil dieser KlientInnen, kann längerfristig kaum in die Erwerbsarbeit integriert<br />

werden. Teils sind die Abklärungen der Invalidenversicherung im Gange. Keiner der 11 Fälle<br />

von Gruppe 2 erreicht jedoch während der untersuchten Periode eine Eingliederung, das<br />

heisst den Statuswechsel zum Rentner/zur Rentnerin oder den Eintritt in ein langzeitiges<br />

geschütztes Arbeitsverhältnis.<br />

Die Kriterien zur Abgrenzung der beiden KlientInnengruppen sind aufgrund der Ausführungen<br />

dieser <strong>Vorstudie</strong> noch zu wenig detailliert ausgearbeitet, so dass auch der eine oder<br />

andere Fall nur provisorisch einer der beiden Gruppen zugeordnet werden konnte. Dennoch<br />

zeichnet sich für beide Gruppen je ein Muster ab:<br />

• Gruppe 1: Hohe Ressourcen – Case Management bringt rasch eine Stabilisierung – (vermutlich)<br />

temporäre Problemlage – realistisches Ziel ist die Integration in die Erwerbsarbeit<br />

bzw. in eine Ausbildung.<br />

• Gruppe 2: Geringe Ressourcen – Case Management bringt Schritt für Schritt die<br />

Stabilisierung – längerfristige Problemlage – realistisches Ziel ist die Eingliederung als<br />

RentnerIn oder in einen geschützten Arbeits- oder Ausbildungsplatz.<br />

Diese beiden, hier vermuteten Muster von KlientInnen können weiter inhaltlich verdichtet<br />

werden. Darauf abstützend kann herausgearbeitet werden, ob und wie das Case Management<br />

mit Bezug auf die beiden Gruppenprofile methodisch verfeinert werden könnte.<br />

Eine Folgerung zur Methodik lässt sich bereits jetzt formulieren: Eine klientenorientierte Organisation<br />

des Case Managements muss sich in einer gesunden Balance zwischen Regulierung<br />

und Flexibilität bewegen. Beispielsweise entschloss sich in einem Fall die Case Managerin,<br />

einen jungen Erwachsenen sehr direktiv anzuleiten und zu kontrollieren, was kurzfristig<br />

gegen das Prinzip der Selbstverantwortung der Klientel verstiess. Diese Intervention entfaltete<br />

aber eine sehr positive Wirkung. In einem anderen Fall wurde eine Klientin vom Case<br />

Management ausgeschlossen, nachdem ihre Substanzabhängigkeit offensichtlich wurde,<br />

und damit klar wurde, dass sie die Zulassungsbestimmungen nicht erfüllte. Die Klientin hatte<br />

dank guter Ressourcenlage im Prozess gut Fuss gefasst und ihre Handlungsfähigkeit entwickelt.<br />

Aus der Aussenperspektive beurteilt, hätte sich in diesem Fall eine flexible Handhabung,<br />

eine Nichtanwendung des Ausschlusskriteriums Substanzabhängigkeit wohl gelohnt.<br />

An dieser Stelle soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Datenbasis dieser <strong>Vorstudie</strong><br />

einseitig gewählt ist. Zusätzlich zu KlientInnendossiers, die stark die Logik der fachlichen<br />

Seite und der Verwaltung widerspiegeln, sollten auch KlientInnen um ihre Definition<br />

und Einschätzung von Wirkungen gefragt werden. Die Perspektive der KlientInnen kann zur<br />

Entwicklung der Fachlichkeit, der Wirkungen und der Effizienz massgebend beitragen (vgl.<br />

Haller & Rezny 2006).<br />

18


5. Fazit und Empfehlungen<br />

Diese <strong>Vorstudie</strong> verfolgte die Zielsetzung, die Wirkungen des Case Managements inhaltlich<br />

zu erforschen und zu beschreiben. Das Wirkungsmodell von Seite 12ff fasst das Ergebnis<br />

zusammen. Das Modell und die zugehörigen Erklärungen und Beispiele zeigen, dass das<br />

Case Management der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel ohne Zweifel positive Wirkungen erzeugt.<br />

Diese entfalten sich nicht erst dann, wenn KlientInnen die Integration ins Erwerbsleben erreichen<br />

oder dank langfristigen Leistungen von Versicherungen von der <strong>Sozialhilfe</strong> abgelöst<br />

werden können. Vielmehr ist das Case Management ein wirkungsvoller Ansatz zur Strukturierung<br />

und Beruhigung von Problemsituationen sowie zur Erweiterung und Stabilisierung<br />

der Handlungskapazitäten der KlientInnen, was die Normalisierung des Alltags mit vielen<br />

weiteren positiven Nebeneffekten ermöglicht.<br />

Gleichzeitig verdeutlicht diese <strong>Vorstudie</strong>, dass bezüglich zentraler Aspekte der <strong>Sozialhilfe</strong>praxis<br />

und insbesondere des Case Managements ein Wissensbedarf besteht, nämlich<br />

bezüglich der Themen<br />

- Nachhaltigkeit: Wie verlaufen die ‚Karrieren’ der KlientInnen mittel- und langfristig? Wie<br />

nachhaltig sind die mit Case Management erreichten Wirkungen?<br />

- Quantifizierung: Wie viele KlientInnen der Gesamtpopulation sind den einzelnen Kategorien<br />

zuzurechnen? Wie viele KlientInnen sind den einzelnen Verlaufsmustern zuzuordnen?<br />

- Evaluation des Verfahrens und der Methoden: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen<br />

bestimmten Verfahrensregelungen sowie Interventionen des Case Managements<br />

und dem Erreichen von Zielen und Wirkungen?<br />

- Perspektive der KundInnen: Welches sind die Wirkungen des Case Managements aus<br />

der Perspektive der KlientInnen sowie der am Case Management beteiligten anderen<br />

Institutionen des Sozial- und Gesundheitswesens?<br />

- Case Management im Kontext weiterer Dienstleistungen der <strong>Sozialhilfe</strong>: Sind die Kriterien<br />

zur Aufnahme von KlientInnen ins Case Management im Kontext des Gesamtangebotes<br />

der <strong>Sozialhilfe</strong> angemessen? Werden die KlientInnen zum richtigen Zeitpunkt ins<br />

Case Management aufgenommen?<br />

Wir empfehlen der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel, diese Themen und Fragestellungen weiter zu<br />

bearbeiten. Die eine Möglichkeit dazu besteht in einem datengestützten Monitoring: Über<br />

eine Dauer von mindestens drei Jahren werden periodisch Betriebsdaten erhoben und analysiert.<br />

Die Datenerhebungen und Analysen betreffen die zu bearbeitenden Problemsituationen<br />

der KlientInnen, Merkmale der KlientInnenkarrieren (Eintritt, Austritt und Wiedereintritt),<br />

Leistungen und Aufwand der <strong>Sozialhilfe</strong>, Leistungen weiterer beteiligter Institutionen, Einschätzungen<br />

der KlientInnen sowie die Zielerreichung und die Wirkungen. Aufgrund der<br />

Analysen erfolgt eine periodische Berichterstattung an die Steuerungsgremien der <strong>Sozialhilfe</strong><br />

der Stadt Basel. Ein Monitoring ist ein flexibles Instrumentarium, das die Beteiligten in die<br />

Reflexion erbrachter Leistungen einbezieht und während der Implementierung mit neuen<br />

Fragestellungen erweitert werden kann.<br />

Als Alternative können die oben skizzierten Fragestellungen auf der Basis dieser <strong>Vorstudie</strong> in<br />

Folgestudien weiter untersucht werden. Dabei steht eine Evaluationsstudie mit Datenerhebungen<br />

bei einer repräsentativen Stichprobe im Vordergrund. Um den Fragen der Nachhaltigkeit<br />

des Case Managements gerecht zu werden, muss auch hier mit mehreren zeitlich<br />

gestaffelten Datenerhebungen gearbeitet werden.<br />

19


Bei Bedarf unterbreitet die Berner Fachhochschule der <strong>Sozialhilfe</strong> der Stadt Basel gerne<br />

einen ausgearbeiteten Vorschlag zur Implementierung der einen oder der anderen Variante.<br />

Die Kosten für die ‚Monitoring-Variante’ sind stark von den Möglichkeiten der Institution,<br />

Eigenleistungen zu erbringen abhängig. Wenn die Berner Fachhochschule ausschliesslich in<br />

beratender Funktion auftritt und Erhebungen und Analysen in der Institution ausgeführt werden,<br />

schätzen wir die Kosten im Jahresdurchschnitt auf ca. Fr. 12'000.-- pro Jahr. Wenn<br />

Erhebungen und Datenanalysen vollständig durch die Fachhochschule bearbeitet werden,<br />

liegen die Kosten bei ca. Fr. 40'000.-- pro Jahr. Zwischenvarianten wären zu prüfen.<br />

Aufgrund von Erfahrungswerten veranschlagen wir die Kosten für eine Evaluationsstudie auf<br />

Fr. 50'000.-- bis Fr. 80'000.--.<br />

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Literatur<br />

Gerhardt, U. (1986), Patientenkarrieren, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag.<br />

Glaser, B.G. and Strauss, A.L. (1998), Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung.<br />

(Deutsche Ausgabe von Glaser und Strauss 1967), Bern, Verlag Hans Huber.<br />

Haller, D. (2000a), 'Einführung zum Grounded Theory-Approach', in Haller, D. (ed.),<br />

Grounded Theory in der Pflegeforschung und anderen Anwendungsfeldern, Bern, Verlag<br />

Hans Huber.<br />

Haller, D. (2005), 'Illegaler Substanzkonsum, Abhängigkeit und Therapie im gesellschaftlichen<br />

Kontext: Das Beispiel Methadon. Fakten und Grundlagen zur Weiterentwicklung der<br />

Suchtbehandlung', Dissertation, Soziologisches Institut der Universität Zürich.<br />

Haller, D. und Rezny L. (2006), Behandlungszufriedenheit von Klientinnen und Patienten.<br />

Grundlagen, Methoden, Ergebnisse und Nutzen von Befragungen von Klientinnen und<br />

Klienten am Beispiel der Suchthilfe, in abhängigkeiten, 2/2006.<br />

Soeffner, H.-G. (1991), 'Trajectory" as Intended Fragment: The Critique of Empirical Reason<br />

According to Anselm Strauss', in Maines, D.R. (ed.), Social Organization and Social Process,<br />

Essays in Honor of Anselm Strauss, New York, Aldine der Gruyter.<br />

Strauss, A. (1993), Continual Permutations of Action, New York, Aldine de Gruyter.<br />

Strauss, A. und Corbin, J. (1990), Basics of Qualitative Research, Grounded Theory<br />

Procedures and Techniques, Newbury Park, Sage.<br />

Strauss, A., Fagerhaugh, S., Suczek, B. and Wiener, C.L. (1991), 'Illness Trajectories', in<br />

Strauss, A. (ed.), Creating Sociological Awareness, New Brunswick, Transaction Publisher.<br />

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