Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt
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JAHRBUCH<br />
<strong>2008</strong><br />
SOZIALHILFE<br />
DER<br />
STADT BASEL
INHALTSVERZEICHNIS<br />
15 Eine Erwerbsausfallversicherung für die Schweiz<br />
Dr. Carlo Knöpfel<br />
14 Harmonisierung der kantonalen Sozialleistungen<br />
Sarah Thönen<br />
17 Weniger <strong>Sozialhilfe</strong>fälle<br />
Lea Schär-Sibler<br />
21 Eingliederung der <strong>Sozialhilfe</strong> in den <strong>Kanton</strong><br />
Anne Burri<br />
24 GAP, Case-Management Berufsbildung<br />
Benedikt Arnold<br />
31 Das Arbeitsintegrationszentrum (AIZ)<br />
Andreas Bammatter, André Hägler, Martin Keller, Ina Pohorely<br />
36 Arbeitsintegration Langzeitarbeitsloser im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Marianne Dubach, Markus Spillmann<br />
39 Die <strong>Stadt</strong>helfer: Eine erste Evaluation und Ausblick in die Zukunft<br />
Anette Stade<br />
45 Anforderungsprofil für Case-Manager/innen<br />
Annette Elbert<br />
48 Paradigmawechsel: Integration von vorläufig aufgenommenen Personen aus dem Asylbereich<br />
Renata Gäumann<br />
51 Die Aufgaben der Abteilung Migration<br />
Thomas Mainx<br />
55 <strong>Sozialhilfe</strong> im Paradigmawechsel<br />
Rolf Maegli, Anne Burri<br />
59 Resultate der Kundenbefragung 2007<br />
Christine Nagel<br />
65 Mit wenig Geld leben<br />
Rolf Maegli<br />
69 Anhang zum <strong>Jahrbuch</strong><br />
Auszug aus dem Verwaltungsbericht 2007
EDITORIAL<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> befindet sich in der gesamten Schweiz in einer Umbruchsituation.<br />
Die Richtlinienrevision der SKOS im Jahr 2005 hat eine Entwicklung in Gang<br />
gesetzt, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Die bisherige hauptsächliche Versorgung<br />
der Hilfebedürftigen mit wirtschaftlichen Mitteln wird zunehmend<br />
ergänzt mit Massnahmen zur Integration und Prävention. Wir zeigen in diesem<br />
<strong>Jahrbuch</strong> auf, wie in <strong>Basel</strong> mit den neuen Herausforderungen umgegangen wird.<br />
Die Verantwortlichen der <strong>Sozialhilfe</strong> haben insbesondere die Grundzüge einer<br />
künftigen Strategie der Aktivierung erarbeitet. Teile dieser Aktivierungsstrategie<br />
bilden die Massnahmen zur Integration von Langzeitarbeitslosen und zur sozialen<br />
Integration. Weitere Beiträge befassen sich mit der Frage, wie die kantonalen<br />
Massnahmen im Sozialbereich besser koordiniert werden können. Neben einem<br />
neuen Gesetz zur Harmonisierung der Sozialleistungen sind in diesem Zusammenhang<br />
insbesondere die erfolgreichen Massnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
zu erwähnen.<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> ist Teil eines Netzwerkes, das immer mehr ausgebaut und verbessert<br />
werden muss. Im Bereich Migration stellt sich die <strong>Sozialhilfe</strong> den neuen Anforderungen<br />
aus den Gesetzgebungen von Bund und <strong>Kanton</strong>. Einen wesentlichen Bestandteil<br />
des Netzwerkes bilden natürlich die betroffenen Menschen selber, welche<br />
nicht einfach als Objekte der Verwaltungstätigkeit verstanden werden dürfen. In<br />
diesem Sinne ist auch der Beitrag zur Kundenbefragung zu verstehen.<br />
Bei allen Bemühungen zur Koordination und Abstimmung mit Partnern verbleiben<br />
gesetzliche und strukturelle Abgrenzungsprobleme zu den anderen Sozialversicherungen.<br />
Wir danken daher ganz besonders unserem Gastautor Carlo Knöpfel für<br />
seinen Beitrag, der für eine gemeinsame Erwerbsausfallversicherung in der Schweiz<br />
einsteht.<br />
<strong>Basel</strong>, im Juni <strong>2008</strong><br />
Rolf Maegli, Vorsteher <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong>
5<br />
EINE ERWERBSAUSFALLVERSICHERUNG<br />
FÜR DIE SCHWEIZ<br />
Nachdenken über den Sozialstaat und eine radikale Idee zur Diskussion<br />
Dr. rer. pol. Carlo Knöpfel, Leiter des Bereichs Grundlagen und Mitglied der Geschäftsleitung von<br />
Caritas Schweiz, Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizerischen Konferenz für <strong>Sozialhilfe</strong> SKOS,<br />
Berater der sozialpolitischen Kommission von Caritas Europa, Dozent an den Fachhochschulen Nordwestschweiz,<br />
Zürich und Luzern<br />
1 NZZ vom 6. August 2007, S.11<br />
2 Vgl. Knöpfel, <strong>2008</strong>, S. 7–79<br />
3 Rossier, 2005<br />
4 Knöpfel, <strong>2008</strong>, S. xx<br />
Werden Menschen in der Schweiz nach ihrer Meinung zur wirtschaftlichen Globalisierung und sozialen<br />
Sicherheit gefragt, geben sie überraschende Antworten. Die Mehrheit glaubt, dem Tempo des<br />
wirtschaftlichen Wandels gut folgen zu können. Aber immerhin ein gutes Viertel hat Angst vor den<br />
Folgen der Globalisierung. Allerdings erwarten die Leute als Ausgleich für ihre Anpassungsbereitschaft<br />
eine gute soziale Absicherung, wie die gleiche Umfrage auch zeigt. Die Hälfte der Befragten<br />
will die Sozialwerke so belassen wie sie sind. Fast zwei Fünftel möchten sie sogar noch ausbauen. Nur<br />
jede zwölfte Person gab in der Umfrage an, die Sozialversicherungen beschneiden zu wollen. 1 Mit<br />
dieser Grundhaltung folgt der grösste Teil der schweizerischen Bevölkerung dem aktuellen wettbewerbspolitischen<br />
Schlagwort ‹flexicurity›. Die grössere Flexibilität der Arbeitskräfte, die der internationale<br />
Standortwettbewerb den Erwerbstätigen abfordert, soll mit einem hohen Mass an sozialer<br />
Sicherheit kompensiert werden. 2<br />
Diese Haltung der schweizerischen Bevölkerung steht im krassen Gegensatz zur tatsächlichen<br />
Entwicklung in der Sozialpolitik. Diese ist von harten Auseinandersetzungen um Begrenzungen<br />
der sozialen Sicherheit geprägt. Die steigende Soziallastquote liefert zu dieser Feststellung keinen<br />
Gegenbeweis. Die wachsenden Ausgaben für die soziale Sicherheit suggerieren nämlich ein falsches<br />
Bild. Sie stehen nicht für einen Ausbau des Sozialstaates, sondern spiegeln nur die grösser werdende<br />
Zahl von Menschen, die auf materielle Unterstützung angewiesen sind. Angesichts der damit einhergehenden<br />
Finanzierungsprobleme ist vielmehr ein subtiler Abbau des Schutzes durch die verschiedenen<br />
Sozialversicherungen zu beobachten. Kaum eine Sozialversicherung steht nicht in einem<br />
Revisionsprozess oder kurz davor. Der Sozialstaat in der Schweiz wird denn auch oft als nie fertig<br />
werdende Baustelle beschrieben. 3 Denn diese Revisionen erzeugen selber wieder Anpassungen an<br />
anderen Orten im Sozialstaat. Der evolutionäre Prozess nicht abbrechender Revisionen scheint zu<br />
einer sozialpolitischen Sisyphusarbeit zu werden, die nur noch Probleme zu lösen vermag, indem sie<br />
andere verursacht. Die Komplexität und Intransparenz nimmt dabei ein Ausmass an, das die Betroffenen<br />
zu hilflosen Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern macht, die selbst nicht mehr<br />
überprüfen können, ob sie das bekommen, was ihnen auch zusteht.<br />
Einer Neuordnung des über viele Jahre entstandenen Systems sozialer Sicherheit wird denn auch<br />
immer wieder mal das Wort geredet. In diesem Kontext wird hier ein neuer radikaler Vorschlag<br />
formuliert: die Einführung einer einzigen Erwerbsausfallversicherung.<br />
Im ersten Teil zeichnen wir die aktuellen Reformbemühungen im schweizerischen Sozialstaat nach.<br />
Im zweiten Kapitel diskutieren wir Vorschläge zur Neuorganisation des Systems sozialer Sicherheit,<br />
die allesamt Ende der Neunzigerjahre publiziert wurden, aber längst in Vergessenheit geraten sind.<br />
Im dritten Abschnitt wird die neue Idee einer allgemeinen Erwerbsausfallversicherung präsentiert<br />
und kritisch kommentiert.<br />
1. SOZIALSTAAT ALS DAUERHAFTE BAUSTELLE<br />
Es gibt kaum eine Sozialversicherung, die nicht revidiert werden soll. 4 Der Handlungsbedarf steht<br />
dabei in einem scharfen Kontrast zur Qualität des sogenannten Kompromisses. Jede Revision zeigt<br />
aufs Neue, dass kaum mehr Lösungen zu finden sind, die im Parlament und an der Urne Mehrheiten<br />
finden. Das Unbehagen im Sozialstaat greift um sich. Dies zeigt ein kurzer kursorischer Blick auf die<br />
laufenden Geschäfte.
6<br />
Zuerst zur Altersvorsorge: Mit der 11. AHV-Revision soll die Finanzierung der ersten Säule mittelfristig<br />
stabilisiert und die Möglichkeiten eines flexiblen Rentenalters verbessert werden. Konkret wird<br />
über eine Vorruhestandsregelung diskutiert, die es auch der unteren Mittelschicht erlauben würde,<br />
vorzeitig in Pension zu gehen. Allerdings sind diese Massnahmen höchst umstritten. Die bürgerliche<br />
Mehrheit möchte bei der Altersvorsorge etwas anderes: stärkere Anreize, damit mehr Leute über das<br />
Pensionsalter hinaus erwerbstätig bleiben. Einzig die Anhebung des Rentenalters für die Frauen auf<br />
65 Jahre scheint kaum mehr umstritten zu sein. Ein erster Anlauf zur 11. Revision scheiterte an der<br />
Urne. Den zweiten Anlauf wollte der zuständige Bundesrat im Parlament gleich selber kassieren. Ob<br />
das Geschäft noch zu retten ist oder ob man die 11. Revision quasi ausfallen lässt und gleich zur 12.<br />
Revision übergeht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.<br />
Die Invalidenversicherung hat nach schwierigen Diskussionen überraschend deutlich in der eben erfolgten<br />
5. Revision ihre Instrumente zur Früherkennung und besseren Integration von Behinderten<br />
bekommen. Ob sie damit die gesteckten Ziele einer markanten Reduktion der Rentenzahlungen erreichen<br />
wird, muss sich allerdings erst noch weisen. Dieser Erfolg wurde aber mit einem schweren Tribut<br />
erreicht. Die materielle Schieflage wurde aus der Vorlage ausgeklammert. Darum bleibt auch die Invalidenversicherung<br />
auf der politischen Agenda. Im Parlament wird um eine Finanzierungslösung hart<br />
gerungen. Die Vorstellungen liegen noch weit auseinander. Bereits wurde aus Kreisen der ‹Oppositionspartei›<br />
eine Referendumsdrohung gegen eine sich abzeichnende Lösung ausgesprochen.<br />
Nicht zu vergessen sind die epischen Diskussionen bei der Krankenversicherung. Eine grosse Revision<br />
scheiterte in der Volksabstimmung. Nun soll in kleinen Paketen die Pflege- und Spitalfinanzierung<br />
neu geordnet werden. Doch selbst diese vergleichsweise bescheidenen Reformvorschläge drohen am<br />
Veto des Volkes zu scheitern, weil sie nicht um eine direkte Mehrbelastung der einzelnen Haushalte<br />
herumkommen.<br />
Schliesslich wird auch über die Revision der Arbeitslosenversicherung verhandelt. Im Zentrum der<br />
Reform steht ein neues Finanzierungsmodell, das davon ausgeht, dass die durchschnittliche Arbeitslosigkeit<br />
über einen Konjunkturzyklus hinweg nicht bei 100 000, sondern bei 125 000 Arbeitslosen<br />
liegt. Dies hat eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Folge. Ebenso soll vorübergehend<br />
wieder ein Solidaritätszuschlag auf hohe Lohneinkommen erhoben werden. Neben diesen Massnahmen<br />
auf der Finanzierungsseite sind Einsparungen auf der Leistungsseite vorgesehen, die vor<br />
allem darauf hinauslaufen, die Rechnung der Arbeitslosenversicherung auf Kosten der Betroffenen<br />
und der <strong>Sozialhilfe</strong> zu entlasten. Auch diese Revision ist in höchstem Masse umstritten. Es droht<br />
sogar eine Rücknahme der Vernehmlassungsvorlage, noch bevor diese an das Parlament weitergereicht<br />
wird.<br />
Natürlich hat jede Revision einer Sozialversicherung ihre Besonderheiten. Trotzdem zeichnet sich in<br />
Konturen seit den neunziger Jahren ein Muster ab, welches die Anpassungen der Sozialwerke prägt:<br />
1 Jede Revision in den letzten zwanzig Jahren erfolgt im Kontext der wirtschaftlichen Globalisierung<br />
und der steigenden Ausgaben für die soziale Sicherheit. Damit wird möglichen Verbesserungen<br />
auf der Leistungsseite mit dem Verweis auf die drohende Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
und den aus dem Ruder laufenden Ausgaben ein Riegel vorgeschoben. Diese<br />
Hürde kann nur noch selten überwunden werden, so etwa bei der Einführung der Mutterschaftsversicherung<br />
oder bei der minimalen Harmonisierung der Familienzulagen. Im Vordergrund<br />
der Revisionen steht stets die Sanierung der Jahresrechnung. Die auflaufenden Defizite<br />
werden dabei selten im gleichen Kontext diskutiert, als ob die finanzielle Schieflage bei der<br />
Arbeitslosen- und bei der Invalidenversicherung nichts mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel<br />
der vergangenen zwei Dekaden und dem radikalen Einbruch auf dem Arbeitsmarkt zu tun<br />
hätte.<br />
2 Die Revisionen finden zunehmend in einem sozialpolitischen Klima der strukturellen Rücksichtslosigkeit<br />
statt. Menschen, die Sozialversicherungsleistungen in Anspruch nehmen, stehen<br />
unter dem Generalverdacht, dass sie diese missbräuchlich beantragen und sich in ungerechtfertigter<br />
Weise Leistungen erschleichen wollen.<br />
3 Der permanente Revisionsdruck spielt die einzelnen sozialen Gruppen von Betroffenen gegeneinander<br />
aus. Immer müssen die einen befürchten, dass für sie keine Mittel mehr vorhanden<br />
sind, wenn sie eine andere Risikogruppe in ihrem Engagement für eine gute Lösung unterstützen.
7<br />
4 Dominantes Stichwort in den vielen Revisionen ist die Stärkung der Eigenverantwortung. Die<br />
Versicherten müssen mehr Risiken selber tragen. In der Krankenversicherung wird dies zum<br />
Beispiel mit einer Erhöhung der Franchise und des Selbstbehaltes erreicht, in der Arbeitslosenversicherung<br />
über die Verlängerung der Karenzfristen, bis Taggeld bezogen werden kann.<br />
5 Der Zugang zu den Versicherungsleistungen wird Schritt für Schritt erschwert. So ist zum Beispiel<br />
in der Arbeitslosenversicherung mehrmals die Wartefrist für junge Erwachsene verlängert<br />
worden, um damit einen frühzeitigen Bezug von Arbeitslosentaggeldern zu vermeiden. Aber<br />
auch in der Invalidenversicherung hat man mit den regionalen ärztlichen Diensten eine Kontrollinstanz<br />
mit dem klaren Auftrag geschaffen, in zweifelhaften Fällen nicht mehr zu Gunsten<br />
der Klientinnen und Klienten zu entscheiden, sondern zum Vorteil der Sozialversicherung.<br />
6 Selbst die Höhe der Leistungen ist längst kein Tabu mehr, vor allem in der Altersvorsorge. In der<br />
ersten Säule wird die Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung diskutiert. Vorgeschlagen<br />
wird, die Renten nur noch der Inflation anzupassen. Längst im Gange sind Leistungskürzungen<br />
bei der zweiten Säule. Die Reduktion des Umwandlungssatzes auf Grund der<br />
gestiegenen Lebenserwartung bedeutet nichts anderes, als dass die längere Bezugsdauer einer<br />
Rente mit der entsprechenden Senkung des Rentenbetrags kompensiert wird. Die bekannte Tatsache,<br />
dass Menschen aus unteren Einkommensschichten nicht die gleiche Lebenserwartung<br />
haben wie Besserverdienende, wird dabei geflissentlich übersehen.<br />
7 Am fragwürdigsten aber ist die schleichende Verschiebung der Zielsetzung für die Sozialversicherungen.<br />
Nicht mehr die Erwerbsausfallentschädigung und Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit,<br />
Krankheit, Unfall oder Invalidität stehen im Zentrum, sondern die möglichst rasche<br />
Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Eine Versicherung hat aber den primären Zweck, im<br />
Schadensfall Schutz zu gewähren. Dieser Grundgedanke droht aus dem Blickfeld zu rutschen.<br />
Die Sozialversicherungen werden systematisch zu Anreizsystemen umgebaut, das Anrecht auf<br />
eine Versicherungsleistung damit relativiert. Wer sich rasch um eine berufliche Integration<br />
bemüht, wird belohnt, den anderen drohen Sanktionen. Die verstärkten Bemühungen zur sozialen<br />
und beruflichen Integration sollen hier nicht in Bausch und Bogen verurteilt werden.<br />
Problematisch wird das Ganze, wenn damit Augenwischerei bei den Betroffenen über ihre tatsächlichen<br />
Chancen auf dem Arbeitsmarkt betrieben wird.<br />
5 Economiesuisse, 2005, S. 5<br />
Der Versicherungsschutz bei den Sozialwerken bröckelt. Auf einen weiteren Ausbau wird verzichtet,<br />
obwohl neue soziale Risiken in grossem Ausmass auftreten. Zu denken ist an die Erwerbsarmut<br />
(working poor), die Langzeitarbeitslosigkeit und die Folgen von Trennung und Scheidung für alleinerziehende<br />
Eltern und ihre Kinder. Beide Entwicklungen führen unweigerlich zu einer Mehrbelastung<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong>.<br />
Dieser Reformismus hat unterschiedliche Gründe. Anlass zur Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen<br />
sind aber in aller Regel die anfallenden Defizite bei den einzelnen Sozialversicherungen. In<br />
diesem Zusammenhang ist dann auch von Sanierungsfällen die Rede. Und obwohl in den Revisionsarbeiten<br />
der Hinweis auf die Wirkungszusammenhänge im System der sozialen Sicherheit in den parlamentarischen<br />
Beratungen nie fehlt, konzentriert sich die gesetzgeberische Arbeit am Ende doch<br />
vor allem auf die Bewältigung der Probleme, die sich bei der gerade zu behandelnden Sozialversicherung<br />
stellen. Nebenwirkungen auf andere Bereiche des Sozialstaats werden in Kauf genommen<br />
und der entsprechende Koordinationsbedarf steigt weiter an. Dabei geht es auf der Baustelle ‹Sozialstaat<br />
Schweiz› kaum mehr um Neu- oder Erweiterungsbauten, sondern vielmehr um Renovationen<br />
und Rückbau. Immer öfter wird eine Begrenzung der Leistungen gefordert und die Eigenverantwortung<br />
der Versicherten propagiert. Economiesuisse 5 bringt es in ihrem wirtschaftspolitischen<br />
<strong>Jahrbuch</strong> 2005 auf den Punkt: «Eigenverantwortung statt Vollkasko-Mentalität. Integration statt<br />
Sozialtransfers und eine grössere Gewichtung der Erwerbstätigkeit sind die Gebote der Stunde.»<br />
Dieser Um- und Abbau des Sozialstaats vermag nicht zu überzeugen. Zu sehr ist er von finanzpolitischen<br />
Argumenten dominiert, zu oft kommt es zu Reformen auf Kosten anderer Sozialversicherungen<br />
oder der <strong>Sozialhilfe</strong>. Diesem Trend ist etwas entgegenzuhalten, das über die sozialpolitische<br />
Tagesaktualität hinausreicht. Dabei muss man nicht gleich einer fundamentalen Neugestaltung des<br />
Sozialstaates das Wort reden. Hier wird vorgeschlagen, einige Wände aus dem Sozialstaatsgebäude<br />
zu entfernen, um so mehr Übersicht und gestaltbaren Raum zu gewinnen.
8<br />
16 Kehrli, Knöpfel, 2006<br />
17 Prodolliet et al., 2001<br />
18 Flückiger, 2005<br />
19 vgl. Wyss, 2005<br />
10 Schmid, 2005<br />
11 Knöpfel, 2005, S. 42 – 45<br />
12 Staatssekretariat für Wirtschaft,<br />
2004<br />
2. ALTERNATIVEN ZUM SOZIALPOLITISCHEN MUDDLING THROUGH<br />
Der Sozialstaat Schweiz ist nicht aus einem Guss entstanden. Jede obligatorische Sozialversicherung<br />
war umstritten und musste in politischen Auseinandersetzungen errungen werden. Manchmal<br />
brauchte es dazu mehrere Anläufe, bis sich demokratische Mehrheiten an der Urne ergaben. So<br />
musste sich fast zwangsläufig eine grosse Heterogenität einstellen. Die verschiedenen Sozialversicherungsleistungen<br />
unterscheiden sich im Kreis der Versicherten, im Umfang des Versicherungsschutzes<br />
und bei den Versicherungsleistungen 6 . Abgrenzungsprobleme, etwa die Unterscheidung<br />
zwischen Krankheit und Unfall als Ursache einer Erwerbsunfähigkeit, oder Divergenzen zwischen<br />
Arbeitsvermittlungsfähigkeit und Restarbeitsfähigkeit beschäftigen die Gerichte seit Jahren. Das<br />
Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechtes (ATSG) hat hier zwar<br />
einige Verbesserungen gebracht, seine Wirkung kann es aber nur sehr begrenzt entfalten.<br />
Lange Zeit hatten die verschiedenen Sozialversicherungen, welche aus den unterschiedlichsten Gründen<br />
Schutz gegen einen Lohnausfall gewähren, kaum ein anderes Ziel, als mit den Versicherungsleistungen<br />
vorübergehend die soziale Existenzsicherung und die Fortführung des gewohnten<br />
Lebensstandards in angemessener Weise zu finanzieren. Im Vordergrund standen die Bewältigung<br />
individueller Notlagen und konjunktureller Schwankungen. Diese Ausrichtung war solange auch<br />
sinnvoll, wie der Arbeitsmarkt Chancen für alle bot und sich die Schweiz im Bereich der Vollbeschäftigung<br />
bewegte.<br />
In der zehnjährigen Wirtschaftskrise der Neunzigerjahre wird deutlich, dass nun auch die Schweiz<br />
mit strukturellen Brüchen zu kämpfen hat. Die hohen Defizite bei der Invalidenversicherung und der<br />
Arbeitslosenversicherung haben ihre Ursachen nicht mehr nur im konjunkturellen Verlauf, sondern<br />
vor allem in einem selektiver wirkenden Arbeitsmarkt, in der wachsenden psychischen Belastung der<br />
Erwerbstätigen an ihrem Arbeitsplatz und in der schleichenden Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse<br />
7 . Erwerbsfähige mit wenig beruflicher Qualifikation, gesundheitlichen Einschränkungen oder<br />
einem Migrationshintergrund haben es schwer, überhaupt in den Arbeitsmarkt hineinzukommen,<br />
sich dort in einem stabilen Anstellungsverhältnis zu halten, genügend zu verdienen, um sich und der<br />
Familie einen anständigen Lebensstandard zu finanzieren und nicht gleich wieder bei den kleinsten<br />
betrieblichen Umstrukturierungen die Stelle zu verlieren. Der Druck auf die Erwerbstätigen steigt,<br />
sie müssen flexibler werden. Die Produktivitätssteigerungen verlangen immer höhere Arbeitsrhythmen,<br />
die Zahl jener, die über zu viel Stress am Arbeitsplatz klagen, wird grösser. 8<br />
Diese Entwicklung spiegelt sich in den Reformen der Sozialversicherungen und der <strong>Sozialhilfe</strong>. Es<br />
kann darum kaum überraschen, dass das Stichwort ‹Integration› in der Sozialpolitik seit einigen<br />
Jahren zu einem zentralen Schlüsselbegriff avanciert. In der Arbeitslosenversicherung gewinnt die<br />
Integration schon in den Neunzigerjahren mit der Einführung der aktiven Arbeitsmarktmassnahmen<br />
an Bedeutung. Die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen zahlen nicht mehr nur Taggelder aus, sondern<br />
verknüpfen diese Versicherungsleistung mit der Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen,<br />
Weiterbildungskursen, Praktika und ähnlichem mehr. In der <strong>Sozialhilfe</strong> werden seit der Revision der<br />
SKOS-Richtlinien Integrationszulagen ausgerichtet (SKOS 2005). Auch hier muss die vollständige<br />
Unterstützungsleistung mit einem aktiven Bemühen um berufliche Reintegration erworben werden.<br />
9 Und die 5. IV-Revision verhilft dem alten Slogan ‹Integration vor Rente› zu einem neuen<br />
Inhalt. 10 Eine Invalidenrente bekommt nur, wer vorher in der Zeit des Taggeldbezugs alles unternommen<br />
hat, wieder arbeitsfähig zu werden und dies ihm nachweislich nicht möglich ist. 11 Je mehr<br />
die Aussichten auf Erwerbstätigkeit für Menschen mit geringer beruflicher Qualifikation oder<br />
gesundheitlichen Einschränkungen schwinden, desto grösser wird der Druck des Sozialstaates auf die<br />
Betroffenen, alles zu unternehmen (!), um sich beruflich zu integrieren.<br />
Die gemeinsame Ausrichtung auf die berufliche Integration der Arbeitslosen- und der Invalidenversicherung<br />
sowie der <strong>Sozialhilfe</strong> führte aber rasch auch zur Erkenntnis, dass sich hier wenig effiziente<br />
Doppelspurigkeiten einstellen. Jede dieser Institutionen baut eigene Integrationsangebote<br />
auf, sucht sich einen eigenen Kreis von Unternehmen, die bereit sind, der jeweiligen Klientel eine<br />
‹Chance› zu geben. Das Bundesamt für Sozialversicherungen und das Staatssekretariat für Wirtschaft<br />
12 lancierte darum die Idee der interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ). ALV, IV und <strong>Sozialhilfe</strong><br />
sollen im Bereich der Integration besser zusammenarbeiten und die verschiedenen Angebote<br />
für ihre Klientel nutzen können. In der Praxis stellen sich aber mannigfaltige Probleme. Nur mühsam<br />
können diese in verschiedenen Pilotprojekten ansatzweise überwunden werden. Es bleibt der
9<br />
13 Knöpfel, 2006, S. 51– 60<br />
14 vgl. Wüthrich, 2005, S. 131<br />
Eindruck, dass über die interinstitutionelle Zusammenarbeit mehr geschrieben und geredet wird, als<br />
dass sie in der Realität gelebt würde.<br />
Der Grund dafür ist schnell gefunden. Die Sozialversicherungen und die <strong>Sozialhilfe</strong> stehen in der<br />
politischen Arena am Pranger und werden zum Sparen angehalten. In den verschiedenen Sanierungsbemühungen<br />
wird deutlich, dass die Politik immer wieder der Versuchung erliegt, die Zahlen<br />
der einen sozialen Institution auf Kosten der jeweils nicht anwesenden Dritten zu verbessern. Die<br />
Fachwelt spricht vom Drehtüreneffekt, die Klientinnen und Klienten erfahren dies als ein Hin- und<br />
Hergeschobenwerden zwischen den verschiedenen sozialen Einrichtungen. Die Anreize zu einer<br />
selbstbezogenen Sicht der Dinge sind in den gesetzlichen Vorgaben deutlich stärker als jene, die zu<br />
einer ganzheitlichen Perspektive und einem Blick über den Tellerrand hinaus anhalten würden. Statt<br />
Kooperation ist also eher Konkurrenz angesagt, statt einem Miteinander ein Gegeneinander.<br />
Diese Beobachtungen führen zur Frage nach Alternativen. Wer sich auf die Suche nach neuen Entwürfen<br />
für den Sozialstaat Schweiz macht, kann sich auf keinen aktuellen Beitrag abstützen, sondern<br />
muss sich an drei Publikationen orientieren, die fast zeitgleich vor zehn Jahren veröffentlicht<br />
wurden. 13 Sie tragen programmatische Titel und Untertitel. ‹Soziale Sicherung von morgen. Ein Vorschlag<br />
für die Schweiz› heisst das Buch von Peter Zweifel, Dario Bonato und Christoph Zaborowski<br />
(1996). Es ist einer liberalen, an den marktwirtschaftlichen Prinzipien von Eigenverantwortung und<br />
Wettbewerb orientierten Sozialpolitik verpflichtet. ‹Visionen einer sozialen Schweiz. Zum Umbau<br />
der Sozialpolitik› stammt aus der Feder von Peter Füglistaler-Wasmer und Maurice Pedergnana-Fehr<br />
(1996) und steht für eine sozialdemokratische Denkrichtung, welche die gesellschaftliche Solidarität<br />
der Mittelschicht betont. ‹Solidarität neu denken. Wirtschaftliche Veränderungen, Krise der sozialen<br />
Sicherheit und Reformmodelle› schliesslich heisst die Publikation von Martino Rossi und Elena Sartoris<br />
(1996). Ihr kann eine christlich-soziale Ausrichtung zugesprochen werden, in der vor allem jenen<br />
Menschen Aufmerksamkeit geschenkt wird, die eines besonderen sozialen Schutzes bedürfen. 14<br />
‹SOLIDARITÄT NEU DENKEN›<br />
Rossi und Sartoris entwerfen ein neues Kreismodell für den Schweizer Sozialstaat. Im Zentrum steht<br />
die Sicherung des sozialen Existenzminimums. Diese Basisdeckung wird allen Menschen in der<br />
Schweiz zugesichert, die aus überprüfbaren Gründen nicht in der Lage sind, ein Erwerbseinkommen<br />
zu erzielen. Im zweiten Kreis finden sich zwei obligatorische Sozialversicherungen, die über die Existenzsicherung<br />
hinaus einen dem Einkommen proportionalen Versicherungsschutz gewähren: die<br />
Arbeitslosenversicherung und ein obligatorischer Erwerbsersatz bei Krankheit, Unfall und Invalidität.<br />
Der dritte Kreis dient der individuellen Vorsorge. Den ersten Kreis kann man als ‹Kreis der sozialen<br />
Solidarität› bezeichnen, den zweiten als den ‹Kreis der versicherungstechnischen Solidarität›,<br />
den dritten als den ‹Kreis der individuellen Vorsorge›.<br />
‹VISION EINER SOZIALEN SCHWEIZ›<br />
Auch Füglistaler-Wasmer und Pedergnana-Fehr betonen den Primat der sozialen Existenzsicherung,<br />
der einem weiteren Ausbau der sozialen Sicherung der weitgehend gut situierten Erwerbstätigen<br />
voranzugehen hat. Diese soll allerdings weiterhin auf den kausalen Sozialversicherungswerken wie<br />
die Arbeitslosen- und Unfallversicherung oder die Krankenkasse aufbauen. Die Autoren lehnen<br />
Grundsicherungssysteme ab und plädieren für einen kontinuierlichen Ausbau der Sozialversicherungen<br />
überall dort, wo neue soziale Armutsrisiken noch nicht in genügendem Ausmass abgedeckt sind.<br />
In zweiter Linie gilt es dann nach Ansicht der Autoren, Voraussetzungen zu schaffen, damit möglichst<br />
viele Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Hier rückt vor allem die Bildungsund<br />
Berufsbildungspolitik ins Blickfeld. Erst an dritter Stelle folgt die Forderung nach Fortführung<br />
des gewohnten Lebensstandards. Auch hier wird aber die Eigenverantwortung betont, etwa in der<br />
Altersvorsorge, wo über die AHV hinaus nur noch der obligatorische Teil der 2. Säule für notwendig<br />
gehalten wird, und darüber hinaus Lösungen im privatwirtschaftlichen Versicherungswesen gesucht<br />
werden.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Erneuerung des Sozialstaates sehen die Autoren in der Arbeitsmarktpolitik.<br />
Die Arbeitslosenversicherung muss um die Aufgabe der Prävention erweitert werden.<br />
Sie soll sich stärker darauf konzentrieren, Arbeitslosigkeit zu verhindern, statt bei schon eingetretener<br />
Arbeitslosigkeit mit Integrationsmassnahmen die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zu
10<br />
15 Füglistaler-Wasmer, Pedergnana-<br />
Fehr, 1996, 168<br />
16 Eidgenössisches Finanzdepartement,<br />
2007<br />
fördern. Zugleich erkennen Füglistaler-Wasmer und Pedergnana-Fehr aber auch, dass nicht mehr<br />
alle Erwerbstätigen wieder eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt finden werden. Sie fordern darum<br />
auch Massnahmen zur sozialen Integration: «Je nach Grad der Motivation und der Arbeitsfähigkeit<br />
sind niederschwellige Angebote mit stunden- und tageweisen Tätigkeiten bis hin zu verbindlichen<br />
Angeboten mit Daueranstellungen nötig.» 15<br />
‹SOZIALE SICHERUNG VON MORGEN›<br />
Die neoliberale Variante eines zukünftigen Sozialstaates entwerfen Zweifel, Bonato und Zaborowski.<br />
Sie kritisieren den Sozialstaat von heute als ineffizientes Instrument, um soziale Risiken wie<br />
Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Alter aufzufangen. Wesentliche Ursache dieser ungenügenden Leistung<br />
ist die Vermischung von Versicherung und Umverteilung in den verschiedenen Sozialversicherungszweigen.<br />
Zweifel und seine Mitarbeiter entwerfen darum ein neues, ebenfalls dreistufiges<br />
Modell der sozialen Sicherung. Auf der untersten Sicherungsstufe geht es um die Gewährung eines<br />
Existenzminimums für alle. Diese <strong>Sozialhilfe</strong> wird in das Steuersystem als so genannte ‹negative<br />
income tax› eingefügt, und demnach auch über das Steuersystem finanziert.<br />
Auf der zweiten Sicherungsstufe wird eine finalorientierte obligatorische Grundsicherung vorgeschlagen,<br />
die alle bestehenden kausal orientierten Sozialversicherungszweige ablösen soll. Es wird<br />
also nach Zweifel und seinen Mitarbeitern keine Arbeitslosen, Kranken- oder Unfallversicherung<br />
mehr geben und auch keine AHV oder zweite Säule mehr, sondern nur noch ein Grundeinkommen,<br />
das dann zum Tragen kommt, wenn die Individuen aus eigener Kraft kein genügendes Einkommen<br />
mehr erzielen können. Auf der dritten Sicherungsstufe sehen Zweifel, Bonato und Zaborowski freiwillige<br />
Zusatzversicherungen vor, die alle Individuen selber auf dem privaten Versicherungsmarkt<br />
gemäss ihren Präferenzen eingehen können. Jede Person kann dann selber abwägen, in welcher<br />
Weise er oder sie sich über die Grundsicherung hinaus gegen die verschiedenen Risiken (Krankheit,<br />
Unfall, Arbeitslosigkeit, Alter) versichern will.<br />
Was können wir aus diesen Studien für die aktuelle Sozialpolitik lernen?<br />
• Das System der sozialen Sicherheit muss einfacher und transparenter werden. Das über viele<br />
Jahre entwickelte System weist inzwischen so viele Detailregelungen, Ausnahmen und Sonderaspekte<br />
auf, dass nicht einmal mehr ausgewiesene Fachleute den vollen Überblick bewahren<br />
können, von den direkt Betroffenen ganz zu schweigen. Damit wächst aber die Gefahr von<br />
Ungerechtigkeiten, die sich aus nichts anderem ergeben als aus Mangel an Wissen über die<br />
bestehenden Anrechte auf soziale Sicherheit.<br />
• Die soziale Existenzsicherung ist in das Zentrum der Architektur der sozialen Sicherheit zu rücken.<br />
Angesichts des gesellschaftlichen Wandels kann sie nicht mehr als ‹letztes Auffangnetz›<br />
interpretiert werden, sondern ist neu als Ausgangspunkt der sozialen Sicherheit zu sehen, wann<br />
immer ein eigenes Erwerbseinkommen auf Dauer fehlt. In allen drei Studien kommt zum Ausdruck,<br />
dass hier eine nationale Lösung gefunden und der aktuelle föderale Ansatz überwunden<br />
werden muss, um die vorhandenen Ungleichheiten und Diskriminierungen zu überwinden.<br />
• Eine solche auf nationaler Ebene angesiedelte Grundsicherung ist dann auch Voraussetzung für<br />
die verstärkte Förderung der Eigenverantwortung im System der sozialen Sicherheit, sei dies in<br />
Bezug auf mögliche privatwirtschaftlich organisierte Zusatzversicherungen, sei dies in Bezug<br />
auf ein verstärktes Engagement zu Gunsten einer solidarischen Gesellschaft, etwa in Form eines<br />
wie auch immer gestalteten Gemeinschaftsdienstes.<br />
Blickt man auf die aktuelle sozialpolitische Debatte und vergleicht man diese Entwicklung mit den<br />
Überlegungen aus diesen drei Studien, so ist das Ergebnis von grosser Ambivalenz. Die Revisionen<br />
weisen ein hohes Mass an Komplexität auf. Es werden weitere neue Instrumente geschaffen, ohne<br />
allzu sehr darauf zu achten, ob Bestehendes an anderem Ort nicht ebenfalls genutzt werden könnte.<br />
Die Grundsicherung in Form einer Steuergutschrift für ‹working poor› wurde von einer Expertengruppe<br />
im Auftrag des Bundesrates geprüft, aber abgelehnt. 16 Für grosse Würfe ist gegenwärtig<br />
offenbar nicht die richtige Zeit in der Sozialpolitik, doch das Beispiel des Neuen Finanzausgleichs<br />
könnte durchaus Mut machen für ein Unterfangen ‹mittlerer Reichweite›. Ein solcher Vorschlag soll<br />
hier nun präsentiert werden.
11<br />
3. EINE NEUE SOZIALVERSICHERUNG:<br />
DIE ALLGEMEINE ERWERBSAUSFALLVERSICHERUNG EAV<br />
Im Zentrum des Vorschlags steht eine neue Sozialversicherung, die als ‹allgemeine Erwerbsausfallversicherung<br />
EAV» bezeichnet wird. Die allgemeine Erwerbsausfallversicherung ist eine nationale,<br />
obligatorische Sozialversicherung. Sie ersetzt alle Sozialversicherungen, die in irgendeiner Weise<br />
Lohnausfälle versichern. Dazu gehören die Arbeitslosenversicherung, die Unfallversicherung, die<br />
Invalidenversicherung, die Krankentaggeldversicherung, die Mutterschaftsversicherung und die<br />
Erwerbsersatzordnung. In dieser Liste ist einzig die Krankentaggeldversicherung keine Pflichtversicherung.<br />
Mit diesem Vorschlag wird aber auch sie indirekt einem Obligatorium unterworfen.<br />
Diese neue Sozialversicherung gegen Erwerbsausfall wird durch eine Ergänzungsleistung für alle,<br />
deren Versicherungsschutz nicht existenzsichernd ist, ergänzt. Diese Ausweitung des Geltungsbereichs<br />
der Ergänzungsleistungen löst insbesondere die Zuständigkeit der <strong>Sozialhilfe</strong> in der Arbeitslosenversicherung<br />
ab.<br />
Einige zentrale Elemente dieser neuen Sozialversicherung gegen Erwerbsausfall sind bereits im Rahmen<br />
dieser Ideenskizze beschreibbar.<br />
• Diese neue allgemeine Erwerbsausfallversicherung schützt alle Menschen im erwerbsfähigen<br />
Alter vor dem Verlust an Erwerbseinkommen. Dabei richtet sich der Schutz nicht mehr nach dem<br />
Grund für den Erwerbsausfall. Die allgemeine Erwerbsausfallversicherung wird final orientiert.<br />
• Die Einkommenssicherung orientiert sich am erreichten Erwerbslohn. Die allgemeine Erwerbsausfallversicherung<br />
erbringt eine einheitliche Versicherungsleistung unabhängig davon, warum<br />
jemand – zumindest vorübergehend – nicht mehr erwerbstätig sein kann. Die unterschiedlichen<br />
Leistungshöhen der heutigen Sozialversicherungen müssen einem einzigen Prozentsatz weichen.<br />
Damit wird das ‹interne Ranking›, wie es in der Höhe der verschiedenen Sozialversicherungen<br />
gegeben ist, überwunden.<br />
• Solange die Möglichkeit besteht, dass die betroffenen Versicherten wieder in den Arbeitsmarkt<br />
zurückkehren können, beziehen sie ein Taggeld. Sollte sich eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit<br />
abzeichnen, wird eine Rente fällig.<br />
• Die allgemeine Erwerbsausfallversicherung wird durch Lohnprozente und Steuermittel finanziert.<br />
• Die neue Sozialversicherung betont die Zuständigkeit des Bundes. Eine allgemeine Erwerbsausfallversicherung<br />
wird aber strukturelle Konsequenzen in den <strong>Kanton</strong>en haben. Die vielfältigen<br />
Einrichtungen der verschiedenen Sozialversicherungen können unter einer allgemeinen<br />
Erwerbsausfallversicherung zu gemeinsamen regionalen Sozialzentren zusammengeführt<br />
werden.<br />
17 Dörre, 2005<br />
Die allgemeine Erwerbsausfallversicherung hat einen dreifachen Auftrag. Sie hat im Schadensfall<br />
den gewohnten Lebensstandard in angemessener Weise zu finanzieren, sie hat im Sinne der Prävention<br />
Massnahmen zu ergreifen, damit möglichst wenig Menschen einen Erwerbsausfall erleiden<br />
und sie hat einen Integrationsauftrag, um möglichst vielen Menschen den Weg zurück in die<br />
Erwerbsarbeit zu ebnen.<br />
Im Zentrum einer Präventionsstrategie muss das gemeinsame Bemühen um den Erhalt und die Förderung<br />
der ‹employability›, der Beschäftigungsfähigkeit aller stehen. Wer von Arbeitslosigkeit bedroht<br />
ist, hat mit einem breiten Fähigkeitsportfolio deutlich mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt,<br />
wer sich weiterbildet, hat mehr Möglichkeiten auf ein steigendes Erwerbseinkommen, wer beraten<br />
und betreut wird, kann trotz gesundheitlicher Einschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit weiterhin<br />
nachgehen. Der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit ist aber nicht nur eine Frage der beruflichen<br />
Fähigkeiten. ‹Employability› hat auch etwas mit der sozialen und gesundheitlichen Situation der<br />
Erwerbstätigen zu tun. Wen Schulden plagen, wer sich mit chronischen Schmerzen herumschlagen<br />
muss, wer sich in der fremden Kultur kaum zurechtfindet, dessen Beschäftigungsfähigkeit wird<br />
untergraben. 17<br />
Die Aufgabe der Integration beginnt mit einer Abklärung der Problemlage. In einem interdisziplinären<br />
‹assessment› wird die multiple Deprivation, mit der heute viele Hilfesuchenden zu kämpfen<br />
haben, zum Thema. Fragen der beruflichen Qualifikation werden gleichermassen zu diskutieren sein
12<br />
18 Strohmeier, Knöpfel, 2005<br />
19 Vgl. Dummermuth, <strong>2008</strong><br />
wie gesundheitliche Einschränkungen, Fragen der finanziellen Situation gleichermassen wie Spannungen<br />
im familiären und häuslichen Umfeld. Der Auftrag zur Reintegration der Betroffenen meint<br />
darum mehr als die möglichst rasche Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Reintegration kann ein zeitlich<br />
langer Prozess der Rehabilitation, der sozialen Integration und schliesslich auch der beruflichen Integration<br />
bedeuten. 18 Eine dauerhafte Reintegration wird nur gelingen, wenn die Betroffenen im<br />
Sinne der Partizipation in die Planung der zu ergreifenden Massnahmen einbezogen werden. Diese<br />
Orientierung verlangt ein Case- und Prozessmanagement, in dem die Hilfesuchenden über die ganze<br />
Dauer der Reintegration begleitet werden. Sichtbarer Ausdruck eines solchen Prozessmanagements<br />
ist die Einrichtung eines ‹Sozialschalters› oder ‹guichet unique›, an dem die Hilfesuchenden ihre<br />
Anliegen und Anträge vorbringen können.<br />
Eine solche allgemeine Erwerbsausfallversicherung kann auf zermürbende Streitereien über Zuständigkeiten<br />
der einzelnen Sozialversicherungen verzichten, muss nicht mehr klären, ob jemand wegen<br />
Krankheit oder Unfall nicht erwerbstätig sein kann, kann Menschen mit Behinderung besser helfen,<br />
wieder eine Teilerwerbstätigkeit zu finden, kann sich stärker auf die berufliche Weiterqualifizierung<br />
von Langzeitarbeitslosen konzentrieren. Aber auch eine allgemeine Erwerbsausfallversicherung<br />
wird nicht darum herumkommen, nach Bezug einer bestimmten Zahl von Taggeldern entscheiden<br />
zu müssen, ob jemand eine Rente bekommt oder zur <strong>Sozialhilfe</strong> gehen muss.<br />
In dieser Skizze werden bewusst keine Zahlen genannt. Offen bleiben der Finanzierungsschlüssel, die<br />
Leistungshöhe und die Bezugsdauer. Der Vorschlag zielt im Moment mehr auf eine grundsätzliche<br />
Debatte darüber, ob das höchst komplizierte, zersplitterte und oft ineffiziente Sozialversicherungssystem<br />
und die zermürbenden Revisionsbemühungen nicht durch eine radikale, aber einfache und<br />
wirksame allgemeine Erwerbsausfallversicherung ersetzt werden könnte und sollte. 19<br />
Andreas Dummermuth hat erst vor kurzem eine ähnliche Idee formuliert. Er fordert eine Neugestaltung<br />
der Finanzen und der Aufgabenverteilung zwischen Bund und den <strong>Kanton</strong>en für das soziale<br />
Sicherungssystem. Der NFA-SoSi soll die verschiedenen Sicherungssysteme entlang den drei Grundfragen<br />
Heilbehandlung, Eingliederung und Existenzsicherung bündeln. Dabei soll die <strong>Sozialhilfe</strong>,<br />
und da geht Dummermuth einen entscheidenden Schritt weiter als der hier präsentierte Ansatz, in<br />
einem ‹Bundesrahmengesetz über die <strong>Sozialhilfe</strong>› so geregelt werden, dass verbindliche Schnittstellen<br />
zu den Sozialversicherungen entstehen. Die <strong>Kanton</strong>e sollen die Gemeinden von der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
entlasten, gemeinsam mit der Arbeitslosen- und der Invalidenversicherung regionale Kompetenzstellen<br />
schaffen und entsprechende finanzielle Verantwortung im Bereich der Existenzsicherung<br />
und Integration übernehmen.<br />
Darin sind sich die EAV und der NFA-SoSi gleich: Auch Dummermuth will mit seinem Vorschlag den<br />
bundespolitischen Reformstau im Sozialstaat mit einem radikalen Schritt überwinden. In der bisherigen<br />
Diskussion wurde der Vorschlag einer allgemeinen Erwerbsausfallversicherung mit der Büchse<br />
der Pandora verglichen. Mit diesem mythologischen Hinweis wird die berechtigte Angst zum Ausdruck<br />
gebracht, dass ein solcher Vorschlag Anstoss zu einem gravierenden Sozialabbau geben<br />
könnte. Allerdings könnte man diesen Befürchtungen entgegenhalten, dass die aktuellen Reformvorhaben<br />
schon einem schleichenden Sozialabbau gleichkommen und dass einer solchen allgemeinen<br />
Erwerbsausfallversicherung nur zugestimmt würde, wenn sie keine oder nur wenige Verliererinnen<br />
und Verlierer zu verzeichnen hätte. Gerade dieses Argument dient anderen dafür, dieser Idee<br />
keinerlei Kredit zu geben. Zu teuer würde die konkrete Ausgestaltung der allgemeinen Erwerbsausfallversicherung,<br />
wenn sie dem Kriterium der Besitzstandwahrung in weitreichender Weise<br />
gerecht werden müsste. Wo der Vorschlag zwischen diesen beiden Positionen zu liegen kommt,<br />
müsste mit Modellrechnungen geklärt werden. Dabei sind die zu erwarteten Effizienzgewinne in<br />
Rechnung zu stellen.<br />
FAZIT<br />
Hier kann nur eine Idee skizziert werden. Eine neue Sozialversicherung gegen Erwerbsausfall bietet<br />
eine Alternative zum vielräumigen und unübersichtlichen Gebäude des heutigen Sozialstaates. Sie<br />
schafft mehr Transparenz und Berechenbarkeit für die Betroffenen, ermöglicht Synergien und steigert<br />
so die Effektivität des Sozialstaates. Der Vorschlag für eine allgemeine Erwerbsausfallversicherung<br />
in der Schweiz geht nicht so weit wie die hier ebenfalls kurz präsentierten Entwürfe für ein<br />
neues System der sozialen Sicherheit. Er beschränkt sich auf die Ebene des Bundes und verzichtet
13<br />
darauf, die kantonalen Sozialtransfers sowie die kommunale <strong>Sozialhilfe</strong> einzubeziehen. In pragmatischer<br />
Weise orientiert sich diese Idee am schon Bestehenden, berücksichtigt also das Argument der<br />
Pfadabhängigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen. Eine allgemeine Erwerbsausfallversicherung<br />
fusst klar auf dem Fundament einer sich noch immer als Arbeitsgesellschaft verstehenden Schweiz.<br />
Es muss gelingen, wieder mehr Menschen mit geringer beruflicher Qualifikation oder gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen zu einer Erwerbsarbeit zu verhelfen. Wenn dies nicht geht, stellt sich die<br />
Frage nach einer Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Existenzsicherung und einem garantierten<br />
Grundeinkommen für alle wie von selbst.<br />
LITERATUR<br />
Dörre Klaus: Entsicherte Arbeitsgesellschaft. Politik der Entprekarisierung. In: Widerspruch, Heft 49. Zürich 2005<br />
Dummermuth Andreas: Die NFA-SoSi ist angesagt. In: Schweizer Personalvorsorge, Heft 3, S. 64, <strong>2008</strong><br />
Economiesuisse: Wirtschaftspolitik in der Schweiz 2005. Zürich 2005<br />
Flückiger Yves: Macht Arbeit krank? Eine Analyse der Gründe für den Anstieg der Fälle psychischer Invalidität in der<br />
Schweiz. In: Caritas Schweiz: Sozialalmanach 2006. Schwerpunkt: Psychische Invalidisierung. Luzern 2005, S. 69 – 81<br />
Füglistaler-Wasmer Peter, Pedergnana-Fehr Maurice: Visionen einer sozialen Schweiz. Zum Umbau der Sozialpolitik.<br />
Bern 1996<br />
Kehrli Christin, Knöpfel Carlo: Handbuch Armut in der Schweiz. Soziale Sicherheit für alle. Luzern 2006<br />
Knöpfel Carlo: Bericht über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Schweiz 2006/2007. In: Caritas Schweiz:<br />
Sozialalmanach <strong>2008</strong>. Schwerpunkt: Bedrängte Solidarität. Luzern <strong>2008</strong>, S. 15 – 83<br />
Knöpfel Carlo: Bericht über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Schweiz 2004/2005. In: Caritas Schweiz,<br />
2006: Sozialalmanach 2006. Schwerpunkt: Psychische Invalidisierung. Luzern 2006, S. 15 – 65<br />
Knöpfel Carlo: <strong>Sozialhilfe</strong> zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung. Gedanken zu einer sozialen Zentrifuge.<br />
In: Schiavi Rita, Schwank Alex (Hrsg.): Invalidenversicherung und Behinderte unter Druck. Analysen, Diskussionen<br />
und Strategien für die Zukunft. Zürich 2005, S. 53 – 69<br />
Eidgenössisches Finanzdepartement (Hrsg.): Erwerbsabhängige Steuergutschriften. Möglichkeiten und Auswirkungen<br />
einer Einführung in der Schweiz. Bern 2007<br />
Prodolliet Simone, Knöpfel Carlo, Wälchli Martin: Prekäre Arbeitsverhältnisse in der Schweiz. Ein Positionspapier von<br />
Caritas Schweiz. Luzern 2001<br />
Rossi Martino, Sartoris Elena: Solidarität neu denken. Wirtschaftliche Veränderungen, Krise der sozialen Sicherheit und<br />
Reformmodelle. Zürich 1996<br />
Rossier Yves: «Die soziale Sicherheit ist zu einer permanenten Baustelle geworden.» Interview in: Zeitschrift für <strong>Sozialhilfe</strong>,<br />
Heft 2, 2005<br />
Schmid Walter: Der sekundäre Arbeitsmarkt als Instrument zur beruflichen und sozialen Integration? In: Caritas Schweiz:<br />
Sozialalmanach 2006. Schwerpunkt: Psychische Invalidisierung. Luzern 2005, S. 155 –169<br />
Staatssekretariat für Wirtschaft: Handbuch zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ). Bern 2004<br />
SKOS Schweizerische Konferenz für <strong>Sozialhilfe</strong> (Hrsg.): Richtlinien. Bern 2005<br />
Strohmeier Rahel, Knöpfel Carlo: Was heisst soziale Integration? Öffentliche <strong>Sozialhilfe</strong> zwischen Anspruch und Realität.<br />
Luzern 2005<br />
Wüthrich Therese: Für eine gewerkschaftliche Debatte zum Grundeinkommen. In: Widerspruch, Heft 49. Zürich 2005<br />
Wyss Kurt: Workfare in der <strong>Sozialhilfe</strong>reform. Die Revision der SKOS-Richtlinien in der Schweiz. In: Widerspruch, Heft 49.<br />
Zürich 2005<br />
Zweifel Peter, Bonato Dario, Zaborowski Christoph: Soziale Sicherung von morgen. Ein Vorschlag für die Schweiz.<br />
Bern 1996
14<br />
HARMONISIERUNG<br />
DER KANTONALEN SOZIALLEISTUNGEN<br />
Gesetzgebung<br />
Die kantonalen Sozialleistungen sind nicht genügend aufeinander abgestimmt. Ein neues Harmonisierungsgesetz<br />
will das ändern. Auch negative Arbeitsanreize sollen damit entschärft werden.<br />
Sarah Thönen, Projektleiterin, Wirtschafts- und Sozialdepartement <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Der <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> hat als erster Deutschschweizer <strong>Kanton</strong> die Harmonisierung und Koordination<br />
der bedarfsabhängigen Sozialleistungen an die Hand genommen. Auslöser war die im Jahr 2003<br />
veröffentlichte Studie der SKOS ‹Existenzsicherung im Föderalismus›. Diese zeigte verschiedene<br />
Widersprüche im Netzwerk von Einkommen, Sozialtransfers und Steuern auf. So lohnt es sich zum<br />
Beispiel in gewissen Fällen nicht, ein höheres Einkommen zu erwirtschaften, da dies letztlich nur zu<br />
geringfügig mehr oder sogar zu weniger verfügbarem Einkommen führt (siehe Beispiel Kasten 1).<br />
Die Leistungen wurden nie hinsichtlich ihrer Wirkung auf das letztlich verfügbare Einkommen aufeinander<br />
abgestimmt.<br />
Im Herbst 2007 hat der Regierungsrat <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> dem Parlament ein neues Gesetz über die Harmonisierung<br />
und Koordination der bedarfsabhängigen Sozialleistungen vorgelegt. Angestrebt werden<br />
eine effektive Steuerbarkeit der staatlichen Transferleistungen, mehr Gerechtigkeit, einfachere Abläufe<br />
sowie mehr Transparenz für die Bevölkerung. Ziel ist weder ein Leistungsabbau noch ein Leistungsausbau,<br />
sondern eine im Rahmen des bestehenden Budgets verbesserte Steuerung des Gesamtsystems.<br />
Das Gesetz, welches noch dieses Jahr im Grossen Rat behandelt wird, bildet die Basis für<br />
eine Harmonisierung per 1. Januar 2009 und soll sicherstellen, dass sich die harmonisierten Sozialleistungssysteme<br />
nicht im Laufe der Zeit wieder auseinander bewegen.<br />
Dem neuen Gesetz unterstellt werden die kantonalen, der <strong>Sozialhilfe</strong> vorgelagerten, bedarfsabhängigen<br />
Sozialleistungen (siehe Kasten 2). All diesen Systemen ist gemeinsam, dass für den Bezug der<br />
Leistung auf das Einkommen des Haushalts abgestellt wird. Je höher das Einkommen, desto tiefer<br />
die Leistung. Jedoch unterscheidet sich die Bedarfsberechnung von System zu System. Das soll sich<br />
ändern:<br />
In Zukunft wird einheitlich festgelegt, welche Personen einem Haushalt zugerechnet werden.<br />
Dies ist nötig, da der Haushalt die Basis der Einkommensberechnung ist und die Einkommen aller<br />
Haushaltsmitglieder zusammengezählt werden. Im Grundsatz setzt sich der Haushalt zusammen aus<br />
einer alleinstehenden Person respektive einem verheirateten, in registrierter Partnerschaft oder faktischer<br />
Lebensgemeinschaft lebenden Paar sowie allfälligen minderjährigen Kindern oder Kindern<br />
bis 25 Jahre in Erstausbildung.<br />
In einem weiteren Schritt wird die Berechnung des Einkommens dieses Haushalts vereinheitlicht.<br />
Dabei geht es um die einheitliche Bestimmung der zu berücksichtigenden Einkünfte, die Anrechnung<br />
von Vermögen sowie um mögliche Abzüge. Als Basis gelten ausgewählte Positionen der letzten<br />
Steuerveranlagung. Ist diese nicht mehr aktuell, erfolgt eine Berechnung aufgrund von aktuellen<br />
Unterlagen.<br />
Mit der neuen Regelung wird zudem die gegenseitige Anrechnung der ausbezahlten Sozialleistungen<br />
untereinander geregelt. Heute gibt es Lücken in der Anrechnung, wenn ausbezahlte Sozialleistungen<br />
bei anderen Leistungen nicht als Einkommensbestandteil berücksichtigt werden. Zudem<br />
kommt es zu Zirkelberechnungen, wenn erhaltene Leistungen gegenseitig angerechnet werden. Das<br />
neue Gesetz legt für die Einkommensberechnung eine feste Reihenfolge der Sozialleistungen fest.<br />
Die bezogenen Sozialleistungen werden jeweils bei der Berechnung der in der Reihenfolge nachfolgenden<br />
Leistungen als Einkommen berücksichtigt (siehe Kasten 2). Dies entspricht dem Prinzip<br />
‹ein Franken = ein Franken›. Alle Einkommen werden gleich behandelt, egal ob es sich um Einkommen<br />
aus Erwerbsarbeit oder um Sozialleistungen handelt.
15<br />
Kasten 1:<br />
BEISPIEL EINER ARMUTSFALLE<br />
Eine alleinerziehende Mutter erhält für sich und ihre Kinder Mietzinsbeiträge,<br />
Prämienverbilligung und Alimentenbevorschussung. Sie bezahlt von ihrem Einkommen<br />
Steuern sowie einen einkommensabhängigen Beitrag an die familienexterne<br />
Kinderbetreuung. Eine Einkommenserhöhung hat eine Reduktion der<br />
Alimentenbevorschussung, der Mietzinsbeiträge sowie der Prämienverbilligung<br />
zur Folge. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Steuern und Tagesbetreuung.<br />
Da diese Systeme nicht koordiniert sind, kann es geschehen, dass es trotz Einkommenssteigerung<br />
zu einer Reduktion des verfügbaren Einkommens kommt.<br />
Kasten 2<br />
* AHV: Alters- und Hinterlassenenversicherung<br />
IV: Invalidenversicherung<br />
BV: Berufliche Vorsorge<br />
KV: Krankenversicherung<br />
UV: Unfallversicherung<br />
ALV: Arbeitslosenversicherung<br />
** Die Ergänzungsleistungen (EL) zur<br />
AHV/IV sind dem neuen Gesetz<br />
nicht unterstellt, weil es sich um<br />
eine Bundesleistung handelt. Da<br />
sich die kantonalen Beihilfen an<br />
die EL anlehnen, werden sie gleich<br />
wie diese behandelt. Die EL sind<br />
jedoch in die Reihenfolge integriert,<br />
da die Alimentenbevorschussung<br />
von Gesetzes wegen bei<br />
den EL als Einkommen berücksichtigt<br />
wird.<br />
SOZIALVERSICHERUNGEN<br />
(AHV, IV, BV, KV, UV, ALV* u.a.)<br />
BEDARFSABHÄNGIGE SOZIALLEISTUNGEN<br />
1. Alimentenbevorschussung<br />
2. Ergänzungsleistungen und Beihilfen zur AHV/IV**<br />
3. Ausbildungsbeiträge<br />
4. Mietzinsbeiträge<br />
5. Prämienverbilligung<br />
6. Tagesbetreuung/Unterbringung von Kindern<br />
und Jugendlichen in Heimen und Pflegefamilien<br />
SOZIALHILFE<br />
Reihenfolge der Anrechnungen
16<br />
Dank dieser Massnahmen wird es in Zukunft möglich sein, Auswirkungen von Änderungen in Teilsystemen<br />
für das Gesamtsystem abzuschätzen. Dies erlaubt eine Wirkungssteuerung der Sozialleistungen.<br />
Die Höhe der Leistungen sowie die Einkommensgrenzen bleiben weiterhin in den Verordnungen zu<br />
den einzelnen Sozialleistungen geregelt, sind jedoch neu der Logik der Harmonisierung unterworfen.<br />
Durch die Vereinheitlichung der Einkommensberechnung lassen sich in Zukunft die verschiedenen<br />
Einkommensgrenzen miteinander vergleichen und aufeinander abstimmen. Die Harmonisierung<br />
ist auch ein Anlass, negative Arbeitsanreize innerhalb der einzelnen Systeme zu entschärfen.<br />
Zum Beispiel ist vorgesehen, bei der Alimentenbevorschussung einen Anreiz zu vermehrter Erwerbsarbeit<br />
einzuführen, indem bei zusätzlichem Erwerbseinkommen nicht jeder Franken durch die sinkende<br />
Bevorschussung voll kompensiert wird.<br />
Im Rahmen der Koordination und Harmonisierung der Sozialleistungen soll auch der Datenaustausch<br />
zwischen den Dienststellen geregelt und verbessert werden. Es macht weder aus Sicht der Kundschaft<br />
noch aus administrativer Perspektive Sinn, dass jede Dienststelle alle notwendigen Unterlagen<br />
einfordert und eine identische Einkommensberechnung vornimmt. Eine neue Datenaustauschplattform<br />
soll die Durchführungsstellen unterstützen, indem dort die Informationen zur Haushaltszusammensetzung,<br />
zum Einkommen des Haushalts sowie zu den erhaltenen Sozialleistungen einheitlich<br />
und aktuell erfasst werden. Verändert sich das Einkommen, muss dies zukünftig nur noch bei einer<br />
Durchführungsstelle gemeldet werden. Die Meldepflicht der Bezügerinnen und Bezüger wird zudem<br />
weiter reduziert durch die Anbindung der Datenplattform an das kantonale Ereignismeldesystem.<br />
Dieses gibt Auskunft über Wegzug, Heirat, Geburt und weitere haushaltsbezogene Ereignisse.<br />
Durch all diese Massnahmen soll nach den <strong>Kanton</strong>en Tessin, Genf und Neuenburg nun auch in <strong>Basel</strong>-<br />
<strong>Stadt</strong> ein zusammenhängendes, verständliches System der bedarfsabhängigen Sozialleistungen entstehen.<br />
Diese <strong>Kanton</strong>e stehen jedoch nicht alleine da, bereits überlegen sich auch andere <strong>Kanton</strong>e,<br />
ihre bedarfsabhängigen Sozialleistungen zu harmonisieren.<br />
Weitere Informationen:<br />
http://www.wsd.bs.ch<br />
(Politikdossiers/Sozialleistungen)<br />
Kasten 3<br />
VERHÄLTNIS DER HARMONISIERTEN SOZIALLEISTUNGEN ZUR SOZIALHILFE<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> wird dem Harmonisierungsgesetz Sozialleistungen nicht unterstellt. Jedoch wurde<br />
bei der Erarbeitung des Gesetzes speziell auf die Kompatibilität mit der <strong>Sozialhilfe</strong> geachtet.<br />
Ebenso ist die <strong>Sozialhilfe</strong> in den Datenaustausch miteinbezogen. Die <strong>Sozialhilfe</strong> unterscheidet sich<br />
als letztes Auffangnetz der sozialen Sicherung von den vorgelagerten Leistungen. Diese unterstützen<br />
finanzschwache Haushalte in spezifischen Lebensbereichen (z. B. Wohnen, Gesundheit,<br />
Ausbildung). In letzter Konsequenz geht es dabei um die Verhinderung von <strong>Sozialhilfe</strong>abhängigkeit.<br />
Wird die <strong>Sozialhilfe</strong>schwelle unter Anrechnung aller Einkommensquellen dennoch unterschritten,<br />
wird auf Antrag <strong>Sozialhilfe</strong> ausgerichtet. Anders als bei den vorgelagerten Leistungen<br />
wird bei der <strong>Sozialhilfe</strong> die wirtschaftliche Situation genauer und beständiger überprüft. Jede<br />
kleinste Änderung der Einkommens- und Ausgabensituation wird sofort berücksichtigt.
17<br />
WENIGER SOZIALHILFEFÄLLE<br />
Trends in der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
Zur besseren Lesbarkeit enthält der Text die männliche Form<br />
Die allgemein gute Wirtschaftslage zeigt sich in abnehmenden Zahlen von <strong>Sozialhilfe</strong>bedürftigkeit.<br />
Besonders ausgeprägt ist der Rückgang bei den jungen Erwachsenen. Kein Zeichen für Entwarnung,<br />
denn nach wie vor bestehen schwere strukturelle Probleme, die zur Armut führen.<br />
Lea Schär-Sibler, Assistentin des Vorstehers/QM-Koordinatorin<br />
Das günstige gesamtwirtschaftliche Umfeld bewirkte auch bei der <strong>Sozialhilfe</strong> eine Entspannung.<br />
Die Fallzahlen sind mit annähernd 10 Prozent markant gesunken (Dezember 2007: 5204 Fälle, Dezember<br />
2006: 5777 Fälle). Am deutlichsten entspannte sich die Situation für die jungen Erwachsenen.<br />
Der Fallrückgang ist hier mit 20,1 Prozent besonders markant (Dezember 2007: 947 Personen, Dezember<br />
2006: 1185 Personen). Im Jahr 2007 mussten gegen 1000 Personen weniger durch die <strong>Sozialhilfe</strong><br />
unterstützt werden als noch im Vorjahr (Dezember 2007: 8382, Dezember 2006: 9379). Kumuliert<br />
gesehen auf das ganze Jahr, ging der Fallbestand von 13 024 auf 11 988 Personen zurück. Die<br />
ab März 2006 (Höhepunkt mit 6091 Fällen) einsetzende Trendwende bei den Fallzahlen setzte sich<br />
im Berichtsjahr also fort.<br />
Die Konjunktur war im Jahr 2007 sehr günstig, was sich positiv auf den Arbeitsmarkt und auf die<br />
Arbeitslosenrate auswirkte. Arbeitslosigkeit ist aber mit durchschnittlich 49 Prozent weiterhin der<br />
wichtigste Unterstützungsgrund: Jeder zweite Unterstützungsfall hat Arbeitslosigkeit als Ursache.<br />
Dies trotz der günstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt. Das ist ein deutlicher Hinweis auf strukturelle<br />
9000<br />
8000<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
Grafik 1:<br />
2000<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> und Arbeitslose<br />
seit 1990<br />
1000<br />
Neue Fälle <strong>Sozialhilfe</strong><br />
Arbeitslose<br />
Fälle <strong>Sozialhilfe</strong><br />
0<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007
18<br />
Probleme. Es zeigt sich, dass die <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> sehr stark auf konjunkturelle Schwankungen reagiert.<br />
Als in den Jahren ab 2003 schweizweit starke Fallzunahmen in der <strong>Sozialhilfe</strong> verzeichnet wurden,<br />
hatte <strong>Basel</strong> im Vergleich mit anderen Städten eine stärkere Zunahme zu verzeichnen. Der Rückgang<br />
der Fallzahlen ist nun hingegen in <strong>Basel</strong> im Vergleich mit anderen Städten ebenfalls ausgeprägter.<br />
Es ist zu vermuten, dass diese starken Reaktionen auf die spezifischen demografischen und ökonomischen<br />
Strukturen der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> zurückzuführen sind. Derzeit untersucht das Statistische Amt des<br />
<strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> diese Zusammenhänge.<br />
KLIENTENSTATISTIK 2007<br />
Im Folgenden werden besondere Merkmale und markante Veränderungen in der Klientenstatistik<br />
des Berichtjahres gegenüber dem Vorjahr erläutert. Weitere statistische Angaben sind dem Auszug<br />
aus dem Verwaltungsbericht 2007 im Anhang des <strong>Jahrbuch</strong>s zu entnehmen.<br />
KLIENTENSTRUKTUR NACH ALTERSGRUPPEN<br />
Es zeigt sich, dass die Gruppe der 51- bis 65-Jährigen am wenigsten von der günstigen konjunkturellen<br />
Lage profitieren konnte. Sie verzeichnet die kleinste Abnahme mit lediglich 0,7 Prozent. Die<br />
grösste Abnahme ist bei der Gruppe der jungen Erwachsenen mit 20,1 Prozent feststellbar. Während<br />
im Laufe des Jahres 2006 kumuliert 2021 junge Erwachsene in Unterstützung waren, belief sich ihre<br />
Zahl im Jahr 2007 auf 1765. Diese Zahlen unterstreichen die Annahme der Arbeitslosenversicherung,<br />
dass jüngere Arbeitnehmer viel stärker auf Konjunkturschwankungen reagieren.<br />
SCHWEIZER UND AUSLÄNDER<br />
Im Jahr 2007 lag der Anteil der Schweizer, die <strong>Sozialhilfe</strong> beziehen, mit 51,67 Prozent leicht höher<br />
als der Anteil der Ausländer. Im Laufe des Jahres 2007 waren total 6194 Schweizer und 5794 Ausländer<br />
in Unterstützung (2006: 6472 beziehungsweise 6552). Insbesondere bei der Altersgruppe der<br />
jungen Erwachsenen (18- bis 25-Jährige) und bei der Gruppe der 51- bis 65-Jährigen waren mehr<br />
Schweizer als Ausländer in Unterstützung.<br />
Die Zahl der ausländischen <strong>Sozialhilfe</strong>bezieher hat sich im Berichtsjahr mit 11,6 Prozent deutlich stärker<br />
reduziert als die Zahl der Personen mit Schweizer Pass (– 4,3 Prozent).<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
95<br />
Grafik 2:<br />
Altersgruppen<br />
Januar 2005 =100 %<br />
90<br />
85<br />
neue SKOS-Richtlinien<br />
80<br />
18 – 17<br />
18 – 25<br />
26 – 35<br />
36 – 50<br />
51 – 65<br />
75<br />
70<br />
Jan 05<br />
Mrz 05<br />
Mai 05<br />
Jul 05<br />
Sep 05<br />
Nov 05<br />
Jan 06<br />
Mrz 06<br />
Mai 06<br />
Jul 06<br />
Sep 06<br />
Nov 06<br />
Jan 07<br />
Mrz 07<br />
Mai 07<br />
Jul 07<br />
Sep 07<br />
Nov 07
19<br />
GESCHLECHTERVERTEILUNG<br />
Der Männeranteil ist im Berichtsjahr mit annähernd 53 Prozent wiederum leicht höher als der<br />
Frauenanteil (kumuliert 6347 gegenüber 5641). Insbesondere bei der Gruppe der 51- bis 65-Jährigen<br />
überwiegt der Männeranteil mit 63,63 Prozent deutlich.<br />
HAUSHALTSSTRUKTUR<br />
Der Trend zu mehr Einpersonenhaushalten setzte sich im Berichtsjahr fort. Seit Jahren überwiegen<br />
bei der Haushaltstruktur der <strong>Sozialhilfe</strong>empfänger die Einpersonenhaushalte.<br />
UNTERSTÜTZUNGSGRÜNDE<br />
Der Unterstützungsgrund Arbeitslosigkeit überwiegt seit Jahren, so auch im Berichtsjahr mit durchschnittlich<br />
49 Prozent. In der Grafik 3 ist deutlich zu sehen, dass der Unterstützungsgrund Arbeitslosigkeit<br />
seit April 2006 analog mit den Fallzahlen abnimmt. Die Fallzahlen bei den übrigen Unterstützungsgründen<br />
(ungenügendes Einkommen, Alleinerziehende, gesundheitliche Gründe, Sucht,<br />
ungenügende Rente, Ausbildung usw.) sind in diesem Zeitraum praktisch konstant geblieben.<br />
BEZUGSDAUER<br />
Die Fälle, die länger als drei Jahre von der <strong>Sozialhilfe</strong> unterstützt werden müssen, haben wiederum<br />
zugenommen. Während im Dezember 2006 2239 Fälle länger als drei Jahre unterstützt wurden,<br />
waren es im Dezember 2007 2352. Die Fälle, die weniger als drei Jahre unterstützt werden müssen,<br />
haben hingegen abgenommen (2007: 2852, 2006: 3539). Das Intake (wirtschaftliche Unterstützung<br />
bis längstens vier Monate) konnte die bisher niedrigste Überweisungsquote an die Abteilung Integration<br />
(wirtschaftliche Hilfe für Langzeitfälle) aus dem Vorjahr im Jahr 2007 nochmals um 2,5 Prozent<br />
unterbieten (2007: 32,2 Prozent, 2006: 34,7 Prozent). Auch die Zahlen bei den Neuaufnahmen<br />
zeugen von einem erfolgreichen Jahr 2007: Während im Jahr 2007 kumuliert 2042 Neuaufnahmen<br />
verzeichnet wurden, waren es im Jahr 2006 noch 2371. Dies entspricht einem Rückgang von 13,88<br />
Prozent.<br />
250<br />
230<br />
210<br />
190<br />
170<br />
Grafik 3:<br />
Entwicklung der Unterstützungsgründe<br />
100% (Juni 2002)<br />
Arbeitslosigkeit<br />
ungenügendes Einkommen<br />
Alleinerziehende<br />
gesundheitliche Gründe, Sucht<br />
Ausbildung<br />
150<br />
130<br />
110<br />
90<br />
70<br />
Juni 02<br />
Sept. 02<br />
Dez. 02<br />
März 03<br />
Juni 03<br />
Sept. 03<br />
Dez. 03<br />
März 04<br />
Juni 04<br />
Sept. 04<br />
Dez.04<br />
März 05<br />
Juni 05<br />
Sept. 05<br />
Dez. 05<br />
März 06<br />
Juni 06<br />
Sept. 06<br />
Dez. 06<br />
März 07<br />
Juni 07<br />
Sept. 07<br />
Dez. 07
20<br />
AUSTRITTSGRÜNDE<br />
Im Laufe des Jahres 2007 konnten 11,01 Prozent mehr Klienten abgelöst werden als im Vorjahr<br />
(2007: 2561, 2006: 2307). Bemerkenswert ist die grosse Zunahme bei den Ablösungen in Arbeit um<br />
28,62 Prozent (2007: 791, 2006: 615). Die meisten der unterstützten Personen schaffen die Ablösung<br />
von der <strong>Sozialhilfe</strong> durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder durch eine subsidiäre Finanzierung.<br />
Die positiven Entwicklungen sowohl bei den Fallzahlen wie im Übrigen auch bei den Kosten können<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass die <strong>Sozialhilfe</strong>zahlen weiterhin auf einem zu hohen Niveau<br />
sind. Ebenfall nicht zu vergessen ist, dass sich hinter diesen Zahlen Einzelschicksale und oft grosse<br />
Notlagen verbergen. Auch bei bester Konjunktur bleiben soziale Problemlagen bestehen, die strukturell<br />
und nicht konjunkturell bedingt sind.
21<br />
EINGLIEDERUNG DER SOZIALHILFE<br />
IN DEN KANTON<br />
Organisation<br />
Im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsreform soll die <strong>Sozialhilfe</strong> in die kantonale Verwaltung<br />
integriert werden. Dagegen regt sich Widerstand seitens der Bürgergemeinde. Der Grosse Rat hat<br />
eine Integration bejaht; die Gegner haben das Referendum ergriffen. Ein Blick auf die künftigen<br />
Anforderungen zeigt aber, dass eine ‹<strong>Kanton</strong>alisierung› der <strong>Sozialhilfe</strong> Sinn macht.<br />
Anne Burri, Büro für soziale Arbeit<br />
Der in den letzten Jahrzehnten vollzogene grundsätzliche Strukturwandel unserer Wirtschaft sowie<br />
die daraus resultierenden sozialpolitischen Auswirkungen haben die Funktion und die Aufgabenbereiche<br />
der öffentlichen Fürsorge wesentlich mitgeprägt. War die <strong>Sozialhilfe</strong> in früheren Jahren<br />
noch zur Hauptsache mit der materiellen Existenzsicherung für randständige oder vorübergehend in<br />
Not geratene Personen zuständig, hat sie heute ein breites, komplexes Spektrum an Aufgaben zu<br />
erfüllen. Eine differenzierte Palette von Hilfeleistungen und Beratung für unterschiedliche Bedarfssituationen<br />
steht inzwischen zur Verfügung, wobei nicht nur kurzfristige, finanzielle, sondern auch<br />
längerdauernde Unterstützung, verbunden mit individuell vereinbarten Zielsetzungen der Aktivierung<br />
und fokussierter Beratung eingesetzt wird. Der damit verbundene Aufwand an sozialarbeiterischen<br />
und juristischen Abklärungen sowie die unabdingbare klientenzentrierte Koordination der<br />
Zusammenarbeit mit anderen kantonalen oder privaten Stellen im Sozialbereich hat in den letzten<br />
Jahren massiv zugenommen. Damit verbunden sind auch die teilweise aufwändigen Überprüfungen<br />
zur Vermeidung von <strong>Sozialhilfe</strong>missbrauch.<br />
Insbesondere mit Amtstellen, wie dem Amt für Sozialbeiträge (ab 2009 Sozialversicherungsanstalt<br />
SVA), steht die <strong>Sozialhilfe</strong> im Bereich der Abklärung von Ergänzungsleistungen, Prämienverbilligungen,<br />
Mietzinsbeiträgen oder bei der Nutzung von Notunterkünften und Notwohnungen in direkter<br />
Verbindung, ebenso mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) bei Fragen der Planung von<br />
Arbeitsintegration, Zuweisung in Förderungsmassnahmen wie Motivationssemester oder Beschäftigungs-<br />
und Ausbildungsprogramme, oder mit der IV-Stelle <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> zwecks Abstimmung der<br />
Gestaltung von Eingliederungsprozessen. Auch mit der Vormundschaftsbehörde besteht ein hoher<br />
Bedarf an Koordination und Regelung der Zusammenarbeit in Fragen der Gefährdung von Kindern<br />
und Jugendlichen oder im Bereich der Begleitung von Personen, welche ihre juristische Selbstbestimmung<br />
nicht mehr selber wahrnehmen können. Mit weiteren kantonalen Stellen sind wichtige<br />
Schnittstellen verbunden wie zum Beispiel mit der Steuerverwaltung bei Verschuldungssituationen,<br />
mit der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartementes in Fragen des betreuten Wohnens von Menschen<br />
mit Suchtproblemen oder zur Abklärung therapeutischer Massnahmen wie auch mit dem Amt<br />
für Ausbildungsbeiträge bei Stipendien- und Ausbildungsangelegenheiten oder mit dem SID in<br />
Fragen der Aufenthaltsregelung, der Überprüfung von Schwarzarbeit oder der Koordination bei den<br />
vielschichtigen Problemsituationen von Migrantinnen und Migranten.<br />
KURZER HISTORISCHER RÜCKBLICK<br />
Seit 1960 oblag die Zuständigkeit für die <strong>Sozialhilfe</strong> der Bürgergemeinde, was sich aufgrund der<br />
besonderen Verhältnisse der baslerischen Politik auch nach der im Jahr 2000 erfolgten Revision des<br />
Fürsorgegesetzes nicht verändert hatte: Mangels Vorhandensein einer – wie in anderen <strong>Kanton</strong>en<br />
üblichen – Einwohnergemeinde wurde die Aufgabe der <strong>Sozialhilfe</strong> vom verfassungsgemäss zuständigen<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> weiterhin an die Bürgergemeinde delegiert. Die Anliegen des <strong>Kanton</strong>s<br />
wurden verbindlich in Leistungsvereinbarungen geregelt. Die seit Juli 2006 massgebende neue<br />
<strong>Kanton</strong>sverfassung bezeichnet zwar die spezifischen Aufgaben der Bürgergemeinde umfassend,<br />
ordnet ihr aber nicht explizit die Aufgabe der <strong>Sozialhilfe</strong> zu. Es besteht daher kein verfassungs-
22<br />
rechtlich relevanter Hintergrund zur Delegation der <strong>Sozialhilfe</strong>aufgaben vom <strong>Kanton</strong> an die Bürgergemeinde.<br />
Vor dem Hintergrund der vom Regierungsrat beschlossenen umfassenden Verwaltungsreform (als<br />
Folge der neuen <strong>Kanton</strong>sverfassung) ist neben der Schaffung eines Präsidialdepartementes auch<br />
eine Neuverteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten der einzelnen Departemente des <strong>Kanton</strong>s<br />
<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> beschlossen worden. In diesem Zusammenhang soll die <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> als<br />
Dienststelle in das neue Departement WSU (Wirtschaft, Soziales, Umwelt) integriert werden.<br />
Der Grosse Rat hat Anfang April <strong>2008</strong> mit knapper Mehrheit dem Antrag der Regierung und damit<br />
dem Transfer der <strong>Sozialhilfe</strong> aus der Obhut der Bürgergemeinde in die alleinige Führungsverantwortung<br />
des <strong>Kanton</strong>s zugestimmt. Die Bürgergemeinde war aus verschiedenen Gründen gegen die<br />
Abgabe der <strong>Sozialhilfe</strong> an den <strong>Kanton</strong>; sie ist überzeugt, dass die <strong>Sozialhilfe</strong> auch zukünftigen<br />
Anforderungen mit den bisherigen Organisationsstrukturen begegnen und ihre komplexen Aufgaben<br />
weiterhin effektiv und zielgerichtet erfüllen kann (unter dem Motto: never change a winning<br />
team). Der Wechsel sei mit Mehrkosten und jährlich wiederkehrenden Zusatzaufwendungen zu<br />
Lasten des <strong>Kanton</strong>s verbunden. Die angeblichen Synergieeffekte könnten angesichts der Grösse des<br />
kantonalen Verwaltungsapparates zu Ineffizienz führen. Dieser Argumentation schlossen sich auch<br />
Minderheiten aus der vorberatenden Gesundheits- und Sozialkommission des Grossen Rates an.<br />
NEUE PERSPEKTIVEN<br />
Die sozial- und finanzpolitische Bedeutung der <strong>Sozialhilfe</strong> hat sich in den letzten Jahren massgeblich<br />
verschoben. Ihre Leistungen werden praktisch vollständig vom <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> finanziert. Die<br />
Fallzahlen haben stetig in beträchtlichem Ausmass zugenommen, der Zuständigkeitsbereich hat sich<br />
entsprechend der vielseitig komplexen Problematik grundlegend erweitert (besonders im Bereich<br />
der Jugendarbeitslosigkeit, der Langzeitarbeitslosigkeit, der Familienhilfe und der Migration). Der<br />
stetigen Optimierung und Qualitätssicherung ihrer verschiedenen Dienstleistungen sowie der Verstärkung<br />
ihrer Vernetzung im Sozialbereich wird aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungen hohe<br />
Bedeutung zugemessen. Im Rahmen der Verwaltungsreform stellt deshalb der Wechsel der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
in die Führungs- und Steuerungsverantwortung des <strong>Kanton</strong>s eine wichtige Investition in die<br />
Zukunft dar. Der Regierungsrat möchte damit die strategische, finanzielle und operative Führung im<br />
neuen Departement WSU einbinden. Damit kann ein direkter verwaltungsinterner Bezug zur neuen<br />
Sozialversicherungsanstalt (SVA) hergestellt werden, welche als Verbindungsstelle zum Bund (AHV,<br />
IV, Ergänzungsleistungen) ebenfalls eine bedeutende Schaltstelle zur Existenzsicherung Einzelner<br />
darstellt. Die zukünftige, direkte Weisungsbefugnis durch das Departement WSU gegenüber der<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> kann mit dem Auftrag zur Übernahme notwendiger neuer Funktionen wie der Gesamtverantwortung<br />
für den Bereich Wohnen mit der Vermittlung von Notunterkunft, von Notwohnungen<br />
und der Zusammenarbeit zur sozialen Wohnungsvermittlung mit der IG Wohnen, oder mit der<br />
Übertragung der Verantwortung für die Asylkoordination wesentlich zur Vereinfachung in komplexen<br />
Problemlösungsstrategien beitragen. Die in Zukunft direkte Unterstellung des Amtsleiters<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> unter die Vorsteherin oder den Vorsteher des Departementes WSU hat deutlich einfachere<br />
Steuerungsprozesse zur Folge. Bisher war die Unterstellung des Amtsleiters der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
unter das Präsidium des Verwaltungsrates der <strong>Sozialhilfe</strong> (verbunden mit einem Vetorecht des Regierungsrats<br />
bei der Wahl des Amtsvorstehers) die Regel. Die Führungskompetenz ist in diesem Modell<br />
dem paritätisch zusammengesetzten Verwaltungsrat zugeordnet, wobei die Bürgergemeinde aber<br />
ausschliesslich nur über ihre Vertretung in die kantonsfinanzierten Leistungsbereiche steuernd einzugreifen<br />
vermag. Diese aufwändige Organisationsstruktur brachte es mit sich, dass einige sehr<br />
dringliche, mit Finanzierungsfragen verbundene Geschäfte über längere Zeiträume hinaus nicht zu<br />
verbindlichen Entscheidungen geführt werden konnten.<br />
VORTEILE DER KANTONALISIERUNG<br />
Der Transfer der <strong>Sozialhilfe</strong> in die kantonale Verwaltung bringt deshalb auf verschiedenen Ebenen<br />
Vorteile mit sich; einerseits wird das Personal nach kantonalen Richtlinien entlöhnt werden, was in<br />
den mittleren und unteren Lohnklassen zu einer leichten Verbesserung führt. Auch die Leistungen<br />
der kantonalen Pensionskasse wirken sich durchschnittlich etwas besser aus als diejenigen der privaten<br />
Pensionskasse der Bürgergemeinde. Zudem kann das Personal im Bereich des Kündigungs-
23<br />
schutzes und der Lohnentwicklung zukünftig minimal verbesserte Anstellungsbedingungen erwarten.<br />
Für die Klientinnen und Klienten der <strong>Sozialhilfe</strong> wird die veränderte verwaltungstechnische Zugehörigkeit<br />
nicht direkt spürbar werden, denn die ihnen zustehenden Leistungen basieren wie bisher<br />
auf den massgeblichen rechtlichen Grundlagen und werden individuell bemessen und überprüft.<br />
Im Bereich der projektbezogenen Zusammenarbeit auf der generellen Ebene sowie in der Gestaltung<br />
des vernetzten kantonalen Zusammenarbeitens kann sich allerdings die grundsätzliche<br />
Gleichstellung der <strong>Sozialhilfe</strong> im Kontext anderer Dienststellen positiv auf den Einzelfall auswirken.<br />
Möglicherweise sind Aspekte des Datenaustauschs, der Akteneinsicht oder der Kommunikation<br />
wichtiger relevanter Details im Einzelfall effektiver und unkomplizierter zu regeln als bisher.<br />
Zudem wird die Regelung der kantonalen Vertretung der <strong>Sozialhilfe</strong> in überregionalen Gremien<br />
durch die neu entstehenden Synergien effizienter zu praktizieren sein als bisher.<br />
AUSBLICK<br />
Die knappe Mehrheit des Grossratsbeschlusses zeigt, dass das Thema der organisatorischen Zuordnung<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> eine gewichtige politische Bedeutung hat. Das von den verschiedenen Seiten<br />
beanspruchte Argument des Sparens (ob durch den Verbleib bei der Bürgergemeinde oder im<br />
Gegenteil, längerfristig durch die Angliederung beim <strong>Kanton</strong>) ist dabei nur ein Faktor unter mehreren.<br />
Ein weiteres Argument betrifft die bisherige, in der Leistungsvereinbarung zwischen <strong>Kanton</strong><br />
und Bürgergemeinde verordnete Führungsstruktur, welche von den Gegnern der Reform als adäquat<br />
und mit ausreichender unternehmerischer Freiheit ausgestattet beschrieben wird, von den<br />
Befürwortern der <strong>Kanton</strong>alisierung aber als schwerfällig, unzeitgemäss und langfristig kontraproduktiv.<br />
Aufgrund des Referendums wird nun an der Urne über die zukünftige definitive strukturelle Einbindung<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> entschieden werden.<br />
Sachlich unbestritten bleibt die Tatsache, dass die <strong>Sozialhilfe</strong> ihrer immer komplexer werdenden Aufgaben<br />
nur mit hoher Professionalität und in bester Koordination mit anderen massgeblichen kantonalen<br />
Behördenstellen begegnen kann. Dazu gehört auch die Möglichkeit, schnell und effektiv<br />
gesellschaftliche Veränderungsprozesse wahrzunehmen und auf wirtschaftliche oder sozialpolitische<br />
Trends entsprechend reagieren zu können. Die ihr verordnete Führungs- und Organisationsstruktur<br />
sollte dabei das operative Tagesgeschäft weitgehend und bestmöglich unterstützen. Mit der Zuordnung<br />
in das neue Departement WSU wäre der <strong>Sozialhilfe</strong> für die Zukunft wohl besser gedient.
24<br />
GAP*,<br />
CASE-MANAGEMENT BERUFSBILDUNG<br />
Unterstützung für Jugendliche im Übergang Schule – Berufsbildung – Berufseinstieg<br />
*GAP = englisch: Lücke<br />
<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> hat eine <strong>Sozialhilfe</strong>quote von jungen Erwachsenen von etwa 10 bis 12 Prozent, rund<br />
60 Prozent davon haben keinen Berufsabschluss Sekundarstufe II. Der Regierungsrat des <strong>Kanton</strong>s<br />
<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> setzte im Jahre 2006 eine interdepartementale Strategiegruppe Jugendarbeitslosigkeit<br />
ein mit dem Auftrag, Strategie und Massnahmen zur Verminderung von Jugendarbeitslosigkeit zu<br />
erarbeiten. In drei Handlungsfeldern, ‹Schul- und Vorschulbereich›, ‹Übergänge Schule – Berufsbildung<br />
– Berufseinstieg› sowie ‹Soziale Desintegration›, wurde ein Gesamtkonzept mit Wirkungsund<br />
Leistungszielen sowie über fünfzig Massnahmen definiert.<br />
www.jugendarbeitslosigkeit.bs.ch/<br />
Benedikt Arnold<br />
Erziehungsdepartement <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>, Leiter GAP, Case Management Berufsbildung<br />
Die Problemstellungen an den Übergängen Schule – Berufsbildung – Berufseinstieg wurden im Konzept<br />
als Schwerpunkt definiert: Die Strategiegruppe Jugendarbeitslosigkeit wurde beauftragt:<br />
• ein standardisiertes Verfahren zur Erkennung und Erfassung gefährdeter Jugendlicher<br />
und deren Zuweisung an die spezialisierten Stellen zu entwickeln,<br />
• die dazu nötigen Kriterien ‹gefährdeter Jugendlicher› zu definieren,<br />
• die Prozesse zur Identifikation und Erfassung der Risikogruppen zu beschreiben,<br />
• die angewandte Methodik zur laufenden Beobachtung und Begleitung der spezialisierten<br />
Stellen zu beschreiben,<br />
• die zu erwartenden Schnittmengen und notwendigen Ressourcen zu berechnen,<br />
• die Aufbau- und Ablaufstruktur inklusive der zu erwartenden Kosten für den <strong>Kanton</strong><br />
zu definieren<br />
• und die dazu (allenfalls) notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu prüfen.<br />
Die Strategiegruppe legte dem Regierungsrat im Herbst 2007 ein entsprechendes Konzept ‹GAP,<br />
Case-Management Berufsbildung› vor. Dieser beschloss im Dezember 2007, das Projekt zu starten,<br />
und beauftragte das Erziehungsdepartement, die operative Umsetzung an die Hand zu nehmen.<br />
Finanziert wird GAP mit kantonalen Geldern des Fonds zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und<br />
vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT).<br />
AUSGANGSLAGE<br />
GAP, Case-Management Berufsbildung wurde nicht isoliert, sondern in einem gesamtgesellschaftlichen<br />
Kontext entwickelt.<br />
Gemäss Schulabgangstatistik 2007 verfügen nur 24 Schülerinnen und Schüler nach der obligatorischen<br />
Schule über keine Anschlusslösung. Trotzdem ist die <strong>Sozialhilfe</strong>quote bei jungen Erwachsenen<br />
in der Alterskohorte der 18- bis 25-Jährigen mit 10,2 Prozent im vergangenen Jahr immer noch überdurchschnittlich<br />
hoch, verglichen mit der gesamten <strong>Sozialhilfe</strong>quote von 4,9 Prozent (Stichmonat<br />
Dezember 2007) und verglichen mit der Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent derselben Alterskohorte.
25<br />
1 Siehe auch: ‹Case Management<br />
Berufsbildung, Grundsätze und<br />
Umsetzung in den <strong>Kanton</strong>en›,<br />
Bundesamt für Berufsbildung und<br />
Technologie, 6. Januar 2007<br />
Von den <strong>Sozialhilfe</strong>beziehenden werden etwa zwei Drittel als arbeitsfähig eingestuft. 60 Prozent der<br />
Betroffenen verfügen über keinen Berufsabschluss Sekundarstufe II. Es handelt sich um junge Erwachsene<br />
in prekären Lehrstellen- und Arbeitssituationen, die nur beschränkt vom konjunkturellen<br />
Aufschwung profitieren. Der gesellschaftliche Wandel von der Produktions- in die Dienstleistungsgesellschaft<br />
bietet diesen Jugendlichen nur begrenzt Möglichkeiten, ihre Ressourcen im Arbeitsmarkt<br />
zur Geltung zu bringen. Sie werden schon in jungen Jahren mit Frustrationserlebnissen und<br />
Enttäuschungen bei der Lehrstellensuche und im Arbeitsmarkt konfrontiert, die oft in einer resignierten<br />
Haltung und dem Vorsprechen in der <strong>Sozialhilfe</strong> – noch vor Erreichen des 20. Lebensjahres –<br />
enden. Die Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen. Zusätzlich wird eine Zuspitzung der Probleme im<br />
medizinischen und psychosozialen Bereich und folglich eine soziale Isolation beobachtet, deren<br />
Genese in den Biografien der jungen Menschen zu suchen ist. Die <strong>Sozialhilfe</strong> versucht mit hohem<br />
Aufwand und teuren Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen die oft blockierten Situationen<br />
mittels Aktivierungsmassnahmen in Gang zu bringen.<br />
Die Problemanalyse hat ergeben, dass der Erfolg eines beruflichen Integrationsprozesses von gefährdeten<br />
Jugendlichen wesentlich von einer stabilen durchgehenden Bezugsperson abhängt. Diese<br />
Funktion einer stabilen Bezugsperson ergänzt – und in den meisten Fällen ersetzt – die frühere Rolle<br />
der Erziehungsberechtigten, die aus vielschichtigen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen<br />
nicht mehr in der Lage sind, diese Stabilität zu bieten. In diesem Zusammenhang wurde auch die<br />
Metapher vom Aufspulen des ‹roten Fadens› verwendet.<br />
Des Weiteren stellen die Fachleute fest, dass sehr viele unterstützende Hilfsangebote im Übergang<br />
Schule – Berufsbildung – Arbeitseinstieg existieren, diese jedoch konzeptionell per se unterschiedlich<br />
ausgerichtet und folglich Zielkonflikte vorhanden sind.<br />
Nebst der kantonalen Projektentwicklung unterstützt das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie<br />
(BBT) die <strong>Kanton</strong>e bei der Projektentwicklung ideell und finanziell. Gestützt auf die Leitlinien<br />
der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zur Optimierung<br />
der Nahtstelle von der obligatorischen Schule zur Sekundarstufe II, vom 27. Oktober 2007, erliess es<br />
Grundsätze eines ‹Case-Managements Berufsbildung› zu Handen der <strong>Kanton</strong>e. 1 Das BBT definiert<br />
dazu mit dem ‹Case-Management in der Berufsbildung› ein klar differenziertes und strukturiertes<br />
Verfahren, welches die individuelle Begleitung der hilfebrauchenden Jugendlichen sicherstellt und<br />
die beteiligten Institutionen koordiniert. Es spielt sich hauptsächlich auf zwei Ebenen ab: auf der<br />
Kooperation mit den beteiligten Jugendlichen und auf der Steuerung des Zusammenwirkens aller<br />
beteiligten Institutionen.<br />
ABSICHT<br />
Das strategische Ziel des Verfahrens besteht darin, ein Abtauchen von Jugendlichen in die Subkultur<br />
und in die Privatstrukturen zu verhindern, um letztlich die Zahl Jugendlicher, die bei der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
als finales Auffangbecken Jahre später erscheinen, zu dezimieren. Die Dis-Funktionalität des Helfersystems<br />
zwischen der obligatorischen Schule und der Berufsbildung soll funktionaler gestaltet wer-
26<br />
den, um die ‹Lücke› zwischen Schule und Arbeitsmarkt zu schliessen. Dazu wird ein Case-Management-Verfahren<br />
für Gefährdete an der Schnittstelle Schule–Berufsbildung installiert.<br />
Wirkungsziele<br />
• Die Abschlussquote auf Stufe Sekundar II für Jugendliche aus dem <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
zu erhöhen und die <strong>Sozialhilfe</strong>quote junger Erwachsener zu senken.<br />
• Die Jugendlichen mittels einer durchgehenden Begleitung und Beobachtung für eine selbstständige<br />
Lebensführung zu befähigen.<br />
Leistungsziele<br />
• 85 Prozent der gefährdeten Jugendlichen im achten Schuljahr sind erfasst und dem CM-Verfahren<br />
zugewiesen.<br />
• 90 Prozent der gefährdeten Jugendlichen im Sekundar-II-Bereich sind erfasst und dem CM-<br />
Verfahren zugewiesen.<br />
• 95 Prozent der Jugendlichen im CM-Verfahren verfügen über einen qualifizierenden<br />
Berufsabschluss oder zumindest die Voraussetzungen zur Befähigung einer selbstständigen<br />
Lebensführung.<br />
Qualitative Ziele<br />
GAP entfaltet unterstützende Wirkungen auf zwei Ebenen:<br />
Versorgerebene<br />
• GAP Case-Manager unterstützen und beraten die Klassenlehrpersonen an Schulen<br />
und die Beutreuungspersonen in anderen Institutionen bei der Identifikation<br />
gefährdeter Jugendlicher.<br />
• Sie übernehmen die Massnahmenplanung und Massnahmenvereinbarung<br />
mit dem Jugendlichen sowie die Begleitung bis zur erfolgreichen Integration.<br />
Ebene der Jugendlichen<br />
• GAP Case-Manager bauen eine produktive Beziehung zum Jugendlichen auf,<br />
so dass am Ende des Prozesses eine erfolgreiche Integration gewährleistet ist.<br />
Zielgruppe<br />
• Gefährdete Schüler/innen im achten Schuljahr Sekundarstufe I<br />
• Gefährdete Jugendliche der Sekundarstufe II<br />
• Gefährdete Jugendliche bei der Arbeitslosenversicherung, der Lehraufsicht, der Berufsberatung<br />
• So genannte ‹Floater› (Jugendliche, die ohne Aufgaben und regelmässiger Tagesstruktur<br />
‹herumhängen›).<br />
Mengengerüst<br />
GAP geht von einem Mengengerüst von 100 bis 150 Fällen pro Jahrgang aus. Kumuliert auf fünf<br />
Erfassungsjahre ergibt das eine Klientenzahl von etwa 500 Personen. Wir nehmen an, dass sich die<br />
Abgänge im Sekundarstufe-I-Bereich nach erfolgter Intervention des Case-Managements mit den<br />
Zugängen aus dem Sekundarstufe-II-Bereich (Gefährdete, die durch die Lehraufsicht, das Arbeitsamt<br />
und die Brückenangebote zugewiesen werden) in etwa aufheben.<br />
Partner-Organisationen<br />
Auf der institutionellen Ebene wird die Zusammenarbeit mit der Volksschule sehr eng sein. Hinzu<br />
kommen die Brückenangebote, die Motivationssemester, die Berufsberatung und die Lehraufsicht.<br />
Anzumerken ist, dass mit den bestehenden Versorgern, Eltern, Peer Groups, offene Jugendarbeit,<br />
Mentoringprojekte, Jugendberatungsstellen usw. Kooperationen im Sinne des Ressourcenansatzes<br />
gesucht werden.
27<br />
Das System<br />
Kennzeichen des GAP ist das durchgehende Case-Management. Damit sich keine Lücken zwischen<br />
Sekundarstufe I und Sekundarstufe II öffnen und keine risikobehafteten Wechsel der Betreuungspersonen<br />
stattfinden, wird mit GAP ein durchgehendes Case-Management-Verfahren (CM) eingerichtet.<br />
Auf keinen Fall wird GAP Funktionen und Aufgaben, welche Lehrpersonen und andere Betreuende<br />
auf der Ebene der öffentlichen und privaten Bildungs- und Sozialinstitutionen seit jeher wahrnehmen,<br />
ersetzen oder duplizieren. Das CM-Verfahren ist als Prozesssteuerung von gefährdeten<br />
Jugendlichen von der achten Klasse bis zum erfolgten Berufseinstieg zu verstehen.<br />
Das Verfahren beginnt mit der Erfassung der Risikogruppe am Ende des achten Schuljahres und kann<br />
bei Bedarf bis zum erfolgten Berufseinstieg erfolgen. Eine Zuweisung auf der Stufe Sekundar II<br />
(Lehrabbrechende, Schülerinnen und Schüler von Brückenangeboten, Jugendliche der Arbeitslosenversicherung)<br />
muss jederzeit gewährleistet sein. Das Ziel von GAP besteht jedoch darin, dass die<br />
Jugendlichen schon zu 85 Prozent an der obligatorischen Schule erfasst sind und eine entsprechende<br />
Unterstützung erhalten.<br />
GRAFIK SYSTEM<br />
Durchgehende Begleitung, Beobachtung:<br />
Koordination der unterstützenden Angebote (Prozesshüter),<br />
Gestaltung einer tragfähigen Beziehung bis zu erfolgreichen<br />
beruflichen Integration<br />
Ziel: Identifizierung der<br />
Risikogruppen<br />
Gefährdete Jugendliche<br />
sind erkannt, erfasst und<br />
der durchgehenden Begleitung<br />
zugewiesen<br />
(CM)<br />
Ziel: Identifizierung der<br />
Risikogruppen<br />
Gefährdete Jugendliche<br />
sind erkannt, erfasst und<br />
der durchgehenden Begleitung<br />
zugewiesen<br />
(CM)<br />
Ziel: Berufsintegration<br />
Abschluss der beruflichen<br />
Integration mit einem<br />
ersten nachobligatorischen<br />
Ausbildungsweg<br />
Sekundarstufe 1<br />
8. Schuljahr<br />
(Berufswahlprozess)<br />
Sekundarstufe 2<br />
Lehrabbrechende,<br />
Brückenangebote, <strong>Sozialhilfe</strong>beziehende,<br />
ALV,<br />
‹Floater›, spez. Projekte<br />
usw.<br />
Berufslehre, Arbeitsintegrationsprozesse
28<br />
ORGANISATION<br />
Das GAP-Case Management wurde im Schulbereich angesiedelt. Für diese Lösung sprachen folgende<br />
Gründe:<br />
• Der grösste Teil gefährdeter Jugendlicher wird an den Schulen (WBS, SBA, Berufsfachschulen)<br />
identifiziert und erfasst.<br />
• Innerhalb der dem kantonalen Schulgesetz unterstellten Schulen (WBS, SBA) stellt<br />
die Anordnung zur obligatorischen Teilnahme am Case Management kein rechtliches Problem<br />
dar.<br />
ORGANIGRAMM<br />
Strategiegruppe<br />
Jugendarbeitslosigkeit<br />
Steuergruppe GAP:<br />
Hans Georg Signer (Vorsitz)<br />
Erziehungsdepartement: Rektorat Schule für Brückenangebote,<br />
Martin Schneider; Rektorat Weiterbildungsschule,<br />
Sigi Jäeckle; Leiter Amt für Berufsbildung und Berufsberatung,<br />
Christoph Marbach; Leiter Amt für Wirtschaft und<br />
Arbeit, Hansjörg Dolder; Leiter GAP, Benedikt Arnold<br />
ED/Ressort Schulen (federführend)<br />
Hans Georg Signer, Leiter<br />
GAP-Leitung<br />
Benedikt Arnold<br />
GAP-Zentrum<br />
Case-Manager/innen
29<br />
UMSETZUNG<br />
Im kommenden Mai/Juni <strong>2008</strong> wird die Erfassung an den Schulen durch die Lehrkräfte erstmals<br />
durchgeführt.<br />
Nach der Erkennung durch die Lehrkräfte (Erfassung der Risikogruppe an der Weiterbildungsschule,<br />
WBS) führt der Case-Manager ein Clearing-Verfahren durch und entscheidet definitiv über die Aufnahme<br />
in das Projekt GAP. In einem weiteren Schritt werden Aufgabenstellungen (Assessment) mit<br />
dem Jugendlichen vorgenommen und die dazu nötigen Versorgersysteme (Eltern, Berufsberatung,<br />
Lehrkräfte usw.) für den Jugendlichen zugänglich gemacht. In einer gemeinsamen Koordinationskonferenz<br />
(Helferkonferenz) in Anwesenheit des Jugendlichen und der zur Problemlösung definierten<br />
Versorger (Planning) wird ein Behandlungsplan erstellt. Darin werden Ziele fixiert, die dazu<br />
notwendige Zeit und das Controlling vereinbart. Die Versorger berichten dem Case-Manager in<br />
regelmässigen Abständen über den Verlauf des Problemlösungsprozesses (Intervention). Aufgrund<br />
dieser Berichte steuert, koordiniert und korrigiert der Case-Manager die Massnahmen (Monitoring).<br />
An regelmässig abgehaltenen Standortbestimmungen mit dem Jugendlichen und dem Versorgersystem<br />
wird der Problemlösungsprozess beurteilt. Die Ziele werden überprüft und bei Bedarf neue<br />
Massnahmen festgelegt. Bei erfolgter Problemlösung wird das Verfahren abgeschlossen und evaluiert.<br />
GRAFIK UMSETZUNG<br />
GAP: Organisation einer zielgerichteten Zusammenarbeit<br />
Berufslehre<br />
SBA<br />
Weiterführende Schulen<br />
8. Schuljahr 9. Schuljahr
30<br />
AUSBLICK<br />
Der Pesonalrekrutierungsprozess von drei Case Managerinnen wurde im April <strong>2008</strong> abgeschlossen.<br />
Am Claramattweg 8 wird in diesen Tagen ein idealer Standort bezogen. An den sechs Standorten der<br />
Weiterbildungsschule wird im Mai/Juni <strong>2008</strong> erstmals eine gemeinsame Einschätzung mit den Lehrpersonen<br />
vorgenommen, wer vom Angebot profitieren kann. Die jeweiligen Lehrkräfte werden<br />
intensiv an GAP herangeführt. Das Clearingverfahren findet ab August an den Schulen statt. Parallel<br />
wird Schritt für Schritt ein Ausführungskonzept, spezifisch angepasst auf die Zielgruppe von<br />
Jugendlichen, entwickelt. Ab September <strong>2008</strong> finden die ersten Zuweisungen statt und Jugendliche<br />
profitieren erstmals vom neuen Angebot.<br />
EVALUATION<br />
Die Evaluation von GAP ist auf verschiedenen Ebenen vorgesehen: Im Rahmen der Massnahmen zur<br />
Senkung der Jugendarbeitslosigkeit wird GAP im Gesamtkontext auf seine Wirkung hin evaluiert.<br />
GAP als Angebot wird in einer Selbstevaluation im Sinne eines Controllings bezüglich Leistungsdaten<br />
laufend evaluiert und bewertet. Die dazu notwendigen Schritte sind im Ausführungskonzept zu<br />
beschreiben.<br />
Hinsichtlich einer Wirkungsevaluation des Case-Managements Berufsbildung möchten wir eine<br />
unter der Federführung des BBT breit angelegte Evaluation anregen. Fragestellungen, sei es zur<br />
Erhöhung der Bildungsabschlüsse auf der Sekundarstufe II, sei es zu den <strong>Sozialhilfe</strong>quoten junger<br />
Erwachsener oder zu den verschiedenen Vorgehensweisen und deren Erfolgen innerhalb der <strong>Kanton</strong>e,<br />
könnten im nationalen Kontext wichtige und interessante Fakten ergeben und zu einer vertieften<br />
Diskussion über ‹Best practice›-Massnahmen im Case-Management Berufsbildung beitragen.<br />
POLITISCHER PROZESS<br />
Gelder für das neue Verfahren wurden vom Regierungsrat in einer ersten Tranche für die Jahre <strong>2008</strong><br />
bis 2010 bewilligt. Im Jahr 2010 werden erste Ergebnisse über die Wirksamkeit von GAP durch die<br />
externe Evaluation erwartet. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Evaluation wird der Regierungsrat<br />
des <strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> über die Fortführung und Integration von GAP in die entsprechende Dienststelle<br />
im ED ab dem Jahre 2012 entscheiden.
31<br />
DAS ARBEITSINTEGRATIONS-<br />
ZENTRUM (AIZ)<br />
Integration in Arbeit<br />
Andreas Bammatter, André Hägler, Martin Keller, Ina Pohorely – Abteilungsleitung AIZ<br />
TEIL 1 – SCHRITTE AUF DEM WEG INS AIZ<br />
Ausgangslage<br />
Im Auftrag des Regierungsrates bildet und betreibt das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) seit<br />
1. Juli 2007 das Arbeitsintegrationszentrum (AIZ) für Klientinnen und Klienten der <strong>Sozialhilfe</strong> der<br />
<strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong>, der IV-Stelle <strong>Basel</strong> <strong>Stadt</strong> und des AWA bzw. der Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen<br />
(RAV) mit Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt oder der sozialen Integration durch<br />
arbeitsmarktliche Massnahmen. Das Pilotprojekt MAMAC des Bundes wird in dieser zentralen Integrationsstelle<br />
durchgeführt.<br />
Zielsetzung des AIZ<br />
Das Hauptziel des Arbeitsintegrationszentrums (AIZ) ist die (Re-)Integration der von der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> (SHB), der IV-Stelle <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> sowie der baselstädtischen RAV-Stellen zugewiesenen<br />
Klientinnen und Klienten in den ersten Arbeitsmarkt.<br />
Das AIZ klärt das Potenzial und die Fähigkeiten der Klientinnen und Klienten hinsichtlich eines<br />
Wiedereintritts in den ersten Arbeitsmarkt ab. Wo sinnvoll und notwendig werden unterstützende<br />
Massnahmen eingeleitet. Diese werden mit Ausnahme von Coachings von externen Anbietern<br />
durchgeführt. Bei medizinischen Fragestellungen wird der regionale ärztliche Dienst (RAD) in die<br />
Abklärung einbezogen. Ist eine berufliche Wiedereingliederung trotz allen Anstrengungen bei <strong>Sozialhilfe</strong>beziehenden<br />
nicht möglich, so rückt die soziale Integration in den Vordergrund, sofern diese<br />
mit arbeitsmarktähnlichen Massnahmen zu erreichen ist.<br />
Die Sozialberatung AWA (SB) ist ins AIZ integriert. Die SB berät Klientinnen und Klienten bei persönlichen<br />
Problemen, welche die Vermittelbarkeit beeinträchtigen. Sie unterstützt auch Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter anderer AWA-Abteilungen bei schwierigen Situationen im Kundenkontakt.<br />
Die Entscheide des AIZ über Arbeits- und Marktfähigkeit sind gegenüber den zuweisenden Stellen<br />
verbindlich, für Klientinnen und Klienten haben die Entscheide den Status von Expertenberichten.<br />
Die Einrichtung von Arbeitsintegrationszentren erfolgt auf Anregung des Bundes. <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> ist<br />
einer von fünfzehn Pilot-<strong>Kanton</strong>en, welche ein AIZ gründen und damit praktische Erfahrungen sammeln.<br />
Zielgruppen<br />
Von der <strong>Sozialhilfe</strong> werden alle (teil-)arbeitsfähigen Personen überwiesen mit Ausnahme jener,<br />
die aus familiären Verpflichtungen oder aufgrund der gesundheitlichen Situation nicht arbeiten<br />
können. Zielgruppen sind Personen mit Mehrfachproblematik (gesundheitliche, psychosoziale,<br />
Sucht-Probleme etc.) und unklaren Wiedereingliederungsmassnahmen in den ersten Arbeitsmarkt.
32<br />
Produkte<br />
Das AIZ stellt zur Erfüllung seines Auftrages für die zuweisenden Stellen folgende Produkte bereit:<br />
Kurz-Assessment, Vertiefungs-Assessment und Coaching (Fallführung und Sozialberatung des AWA).<br />
Die Ausgestaltung der Produkte richtet sich grundsätzlich nach dem Bedarf der zuweisenden Stellen<br />
(vgl. Detailkonzept AIZ – Fassung Dezember 06).<br />
TEIL 2 – AIZ STAND HEUTE<br />
Gegenwärtig arbeiten total 27 Personen (2040 Stellenprozent) im AIZ. Diese setzen sich aus den Ursprungsorganisationen<br />
AWA, SHB und IV zusammen. Weiter sind die Sozialberatung und die Arbeitslosenhilfe<br />
des AWA Teil des AIZ. Neben den Kernprodukten werden die Spezial-Pilot-Projekte der<br />
Strategie Jugendarbeitslosigkeit ‹Gegenleistungsmodell›, Teillohn und AMIE durch das AIZ operativ<br />
geleitet und mit Partnern durchgeführt.<br />
Operative Einbettung im AWA<br />
Das AIZ ist eine Abteilung im AVIG-Bereich des AWA. Örtlich ist das AIZ eine selbstständige Adresse.<br />
Die Dienstleistungen werden durch zwei Teams mit entsprechenden Fachgruppen angeboten. Durch<br />
Leistungsvereinbarungen innerhalb des AWA und mit den zuweisenden Stellen wird das AIZ als Profitzentrum<br />
geführt.<br />
DIE PROZESSE DES AIZ<br />
Zuweisende Ämter<br />
Geplant ist, dass Klienten von der SHB, des AWA und der IV überwiesen werden. In der Startphase<br />
sind noch keine Zuweisungen der IV ins AIZ erfolgt. Ein wichtiger Grund liegt in der noch nicht definitiv<br />
operativen Ausgestaltung der 5. IV-Revision bei der IV BS. Wir sind jedoch täglich im engen Austausch<br />
mit der IV, um die im AIZ geplanten Integrationsmassnahmen aufeinander abzustimmen.<br />
Dazu gehören Datentransfer in Absprache mit den Klienten und auch die Kontakte zum regionalen<br />
ärztlichen Dienst (RAD) via IV BS.<br />
Intake<br />
Alle standardisierten Überweisungen ans AIZ werden im Intake-Team administrativ erfasst und gemäss<br />
den Zuweisungskriterien geprüft und weiterbearbeitet. Bei zutreffendem Setting werden die<br />
Klientinnen und Klienten in die entsprechenden Assessments eingeladen. Durchschnittlich werden<br />
115 Assessments (Kurz- und Vertiefungsassessment) monatlich durchgeführt. Dazu kommen noch<br />
die weiteren Abklärungen im MAMAC-Prozess und in der Sozialberatung des AWA. Bedarfsorientiert<br />
werden monatlich laufend gegen 100 Personen gecoacht. Das Intake überwacht via Datenbank<br />
Ein- und Ausgänge und erstellt entsprechende statistische Angaben.<br />
Kurz-Assessment<br />
Das Kurz-Assessmentteam führt im Teamteaching Abklärungen in modularisierter Form durch.<br />
Die Abklärung erfolgt in den beiden Varianten ‹gut Deutsch sprechende› und ‹fremdsprachige›<br />
Klientinnen und Klienten. Die Unterteilung in die zwei Varianten erfolgt im Intake über die dem<br />
AIZ übermittelten Daten auf dem Überweisungsformular. Das Kurz-Assessment besteht aus einem<br />
Gruppentageskurs, welcher aus verschiedenen Themen besteht, und einem anschliessenden ein- bis<br />
zweistündigen Einzelgespräch. Das Ziel ist mittels der zusammengetragenen Daten ein möglichst<br />
umfassendes Bild des Klienten/der Klientin zu erfassen. Anhand dieser Daten wird ein möglichst<br />
präziser Integrationsplan erstellt, welcher die Bedürfnisse des Klienten/der Klientin wie auch die<br />
Möglichkeiten des AIZ weitestgehend abdecken soll.<br />
Vertiefungs-Assessment<br />
Besteht ein grösserer Abklärungsbedarf, so erfolgt die Zuweisung ins Vertiefungs-Assessment. Auch<br />
das Vertiefungs-Assessment kennt die Unterteilung der Klientinnen und Klienten in zwei Assessmenttypen<br />
(gut Deutsch sprechende und Fremdsprachige). In einer festen Gruppengrösse von zwölf<br />
Personen finden intensive Abklärungen halbtags während dreier Wochen statt. Mit zugezogen<br />
werden je nach Bedarf Berufsberater, IV-Spezialisten, Deutschfachkräfte und Arbeitsrechtler.
33<br />
Ziel ist es hier, tiefer auf eine mögliche Mehrfachproblematik zu schauen, dies im Integrationsplan<br />
mittels entsprechenden Massnahmen konkret anzugehen und den Klienten/die Klientin möglicherweise<br />
mittels Coaching während maximal zwölf Monaten zu begleiten.<br />
Assessmentthemen<br />
Folgende Aspekte werden in jedem Assessment situationsbedingt und in entsprechender Tiefe beurteilt:<br />
• Bildung, Arbeit Beruf<br />
• Bewilligungsstatus<br />
• Gesundheitliche Situation – Abklärungen Arztzeugnisse<br />
• Finanzielle Situation<br />
• Familiäre Situation<br />
• Biografie – Kindheit, soziale Herkunft<br />
• Wohnen – Wohnungswechsel, Haustiere, Nachbarschaftsverhältnis(se)<br />
• Freizeitgestaltung<br />
• Soziales Beziehungsnetz<br />
• Selbsteinschätzung – Fremdeinschätzung<br />
• Stärken und Lernfelder – Handlungskompetenzen, Wünsche – Pläne<br />
• Sprachkompetenz (Deutsch)<br />
• Motivation<br />
• Bereits laufende Hilfeprozesse in anderen Institutionen – Stand der verschiedenen Verfahren<br />
ALV, SoHi, IV<br />
• Berufliche Chancen<br />
MAMAC<br />
Das MAMAC ist die interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) durch ‹medizinischarbeitsmarktliche<br />
Assessments im Rahmen des Case-Managements› (MAMAC) und will Menschen mit komplexen Mehrfachproblematiken<br />
rasch erfassen, kompetent begleiten und durch zielgerichtete Massnahmen<br />
wieder in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Dazu arbeiten Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung,<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> und weitere Behörden eng zusammen. MAMAC bietet den betroffenen<br />
Personen klare Ansprechstellen und legt ein einheitliches, für alle Beteiligten verbindliches Vorgehen<br />
fest. Durch raschere Integration verkürzt es die Leistungsdauer und soll damit die Ausgaben<br />
der sozialen Sicherungssysteme reduzieren.<br />
Das Wichtigste in Kürze:<br />
• MAMAC ist ein besonderes Vorgehen für Personen mit komplexer Mehrfachproblematik.<br />
• Diese Personen werden einem besonderen, von der Arbeitslosenversicherung, der Invalidenversicherung<br />
und der <strong>Sozialhilfe</strong> gemeinsam organisierten MAMAC-Prozess zugewiesen.<br />
Integrationsplan<br />
Aufbauend auf den Assessments legt das Assessment-Team den Integrationsplan fest. Der Integrationsplan<br />
zeigt vorhandene und fehlende Ressourcen auf, formuliert Ziele und Teilziele sowie<br />
Indikatoren zu deren Kontrolle und legt schliesslich die zur Reintegration in den Arbeitsmarkt notwendigen<br />
Massnahmen fest.<br />
Fallbegleitung<br />
Ist aus dem Integrationsplan ein Kurs oder eine Massnahme definiert, in welcher die Betreuung der<br />
Klienten innerhalb des bewilligten Kurses oder der zugewiesenen Massnahme abgedeckt ist, so<br />
beschränken wir uns im AIZ auf die administrative Fallbegleitung. Dies beinhaltet die Überprüfung<br />
der dem Kurs-/Massnahmenanbieter in Form einer Zielvereinbarung formulierten Klienten-/Klientinnenziele<br />
sowie Zwischen- und Schlussberichte, Mailverkehr und Telefonate. In einzelnen Fällen<br />
werden zusätzliche Massnahmen aus den Kursen und Massnahmen beantragt, welche in der Vier-<br />
Augen-Qualitätskontrolle besprochen und je nachdem bewilligt oder abgelehnt werden. Die Fallbegleitung<br />
ist in der Regel auf maximal zwölf Monate beschränkt.
34<br />
Coaching<br />
Ist aus dem Integrationsplan nicht eine eindeutige Zuweisung in eine Massnahme oder in einen Kurs<br />
möglich, so ist ein Coaching angesagt. Innerhalb des Coachings werden weitere Abklärungen der<br />
Arbeitsfähigkeit und Motivation vorgenommen und ausgewertet. Neben regelmässigen Coachinggesprächen<br />
geht es darum, Arbeitseinsätze, Praktika im ersten Arbeitsmarkt oder Kurse zu ermöglichen,<br />
damit Schlüsselqualifikationen gestärkt werden und durch neue Arbeitsmarktreferenzen eine<br />
Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert und realisiert wird. Im Coachingprozess ist das<br />
Ziel, dass die Klientin/der Klient eine nachhaltige und feste Anstellung findet. Die Coachingbegleitung<br />
ist auf zwölf Monate beschränkt. Auf begründeten Antrag kann eine Verlängerung um drei<br />
oder maximal sechs Monate bewilligt werden.<br />
Reassessment<br />
Ein Reassessment erfolgt aus einer veränderten Klienten-/Klientinnensituation entweder in der Fallbegleitung<br />
oder im Coaching. Damit wird eine neu eingetretene Situation im Kontext neu beurteilt<br />
(zum Beispiel gesundheitliche Veränderungen oder abgeschlossene Sprachschulen, welche eine Neubeurteilung<br />
des Integrationsplanes nötig machen). Nach Erstellung des ‹neuen› Integrationsplans<br />
erfolgt gleiches Vorgehen wie vorgängig beschrieben.<br />
Soziale Integration<br />
Ist mittelfristig keine Integration in den ersten Arbeitsmarkt möglich, kann die soziale Integration<br />
gestärkt werden. Sie kann als Arbeitsmassnahme ohne direkte Hinführung in den ersten Arbeitsmarkt<br />
angeboten werden, kann auch eine Vernetzung in sozialem Kontext sein. Hier können wir<br />
Möglichkeiten in der Kirche, in Sport- und Freizeitvereinen und natürlich in Institutionen wie Benevol,<br />
<strong>Stadt</strong>helfer usw. prüfen und anbieten. Bei Erfolg werden die Klientinnen und Klienten wieder<br />
via Integrationsplan in den ersten Arbeitsmarkt geführt.<br />
Arbeitslosenhilfe<br />
Die kantonale Arbeitslosenhilfe (ALH) fördert die Integration arbeitsloser Personen in den Arbeitsmarkt.<br />
Von dieser Förderung profitieren in erster Linie bedürftige, erwerbsfähige Personen mit<br />
guten Erfolgsaussichten, die keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung mehr<br />
haben.<br />
Zu diesem Personenkreis gehören:<br />
• Versicherte, die nach Ausschöpfung ihres Anspruchs auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung<br />
eine offene Rahmenfrist gemäss Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />
(AVIG) aufweisen.<br />
• Personen, die sich innerhalb von zwei Jahren nach der Aufgabe einer ehemaligen selbstständigen<br />
und der Aufnahme der Suche einer unselbstständigen Tätigkeit anmelden.<br />
• Personen, die innerhalb der letzten zwei Jahre keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung<br />
bezogen und mindestens sechs Monate gearbeitet haben.<br />
Die ALH erbringt Leistungen in Form von entlöhnter Beschäftigung im <strong>Kanton</strong> oder finanziell unterstützter<br />
Bildung. Bei Bedarf kann zusätzlich ein Coaching angeboten werden, das die Stellensuche<br />
unterstützt.<br />
Sozialberatung<br />
Arbeitslose Menschen, die in ihrer Vermittelbarkeit durch persönliche Probleme beeinträchtigt<br />
sind (z.B. durch psychische/körperliche Behinderungen, Suchtmittelabhängigkeit, Schulden, Obdachlosigkeit,<br />
Krankheit/Unfall, Trennung/Scheidung usw.), werden durch Fachleute informiert, beraten,<br />
begleitet und in ihrer Gesamtsituation unterstützt. Das Ziel ist es, die Vermittelbarkeit zu<br />
verbessern. Falls das nicht möglich ist, werden existenzsichernde Anschlusslösungen in die Wege<br />
geleitet und der Weg in die soziale Integration vorbereitet. Voraussetzungen für eine Beratung sind<br />
die Bereitschaft zum Gespräch mit der Sozialberatung sowie die Motivation, an den eigenen Problemen<br />
zu arbeiten
35<br />
Schlusswort<br />
Das AIZ ist auf dem Weg, es wird jedoch noch Zeit und weitere Taten brauchen, bis die Idee der interinstitutionellen<br />
Zusammenarbeit (IIZ) überall greift und so eine Optimierung der Schnittstellen zum<br />
Wohle aller Betroffenen geschaffen werden kann.<br />
AIZ PRODUKTE <strong>2008</strong><br />
Zuweisende Ämter<br />
Intake<br />
Kurz-Assessment<br />
SB<br />
AIZ<br />
Vertiefungs-<br />
Assessment<br />
MAMAC<br />
RAD<br />
Integrationsplan<br />
Fallbegleitung<br />
Coaching<br />
Soziale Integration<br />
Arbeitsmarktliche<br />
Massnahmen<br />
1. Arbeitsmarkt
36<br />
ARBEITSINTEGRATION LANGZEITARBEITS-<br />
LOSER IM KANTON BASEL-STADT<br />
Langzeitarbeitslose im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>: Eine Situationsanalyse<br />
Die Wirtschaft sucht Arbeitskräfte, und ein Tiefstand der Arbeitslosenzahlen lässt auf eine Entspannung<br />
im Arbeitslosenmarkt schliessen. Doch nicht alle profitieren vom aktuellen wirtschaftlichen<br />
Aufschwung. Im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> existiert eine Personengruppe von mindestens 1300<br />
Menschen, deren Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt aufgrund ihrer persönlichen Situation<br />
deutlich erschwert bleibt. Fehlende Ausbildung, lang andauernde Arbeitslosigkeit und mögliche<br />
Leistungsbeeinträchtigungen erschwert dieser Gruppe das Finden einer passenden Arbeitsstelle.<br />
Die Wirtschaft hat zudem nur begrenzten Bedarf für Personen, die über ein erhöhtes Gefahrenpotenzial,<br />
von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen zu sein, verfügen. Es stellt sich die Frage, ob die<br />
bestehenden Integrationsprogramme den zukünftigen Anforderungen genügen.<br />
Marianne Dubach, Markus Spillmann<br />
In der heutigen Gesellschaft nimmt Arbeit nach wie vor eine zentrale Stellung ein. Die Angst vor<br />
Arbeitslosigkeit bewegt neben den Themen Gesundheit und Sicherheit einen Grossteil der Bevölkerung.<br />
Dem gegenüber bietet der aktuelle Stellenmarkt aber nicht mehr für alle Menschen genügend<br />
Arbeit. In den letzten Jahren wurden vor allem Stellen mit geringerem Anforderungs- und Qualifikationsprofil<br />
massiv abgebaut. In der Regel wurden diese Bereiche in Billigproduktionsländer verlagert,<br />
durch neue Techniken teilweise oder durch Maschinen ganz ersetzt.<br />
Für viele Menschen beginnt mit dem Verlust der Arbeitsstelle eine Spirale weiterer Probleme. Nicht<br />
nur wird der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt laufend schwieriger. Finanzielle Einbussen, Auswirkungen<br />
auf die Beziehungs- und Wohnsituation und nicht zuletzt auf die Gesundheit fördern oder<br />
verstärken, parallel zur Arbeitslosigkeit, die gesellschaftliche Desintegration.<br />
Aus wirtschaftlicher Sicht gehört der Wunsch nach Vollbeschäftigung der Vergangenheit an. Ein<br />
zunehmender Teil der Bevölkerung ist zudem nicht mehr in der Lage, die Anforderungen und Kriterien<br />
der Leistungsgesellschaft zu erfüllen. Es wächst das Bewusstsein, dass es neue Ideen und Lösungen<br />
braucht, die Arbeitsplätze und Perspektiven für betroffene Personen schaffen und gleichzeitig<br />
mit kostenneutralen Rechnungsmodellen die öffentliche Hand nicht noch mehr belasten. Ein zurzeit<br />
intensiv diskutierter Ansatz sind so genannte Sozialfirmen mit Dauerarbeitsplätzen.<br />
DIE SITUATION IM KANTON BASEL-STADT<br />
Dieser Thematik geht eine Marktanalyse mit Datenmaterial des Verlaufsjahres 2006 nach. Sie führt<br />
erstmals die konkreten Zahlenwerte der drei wichtigsten sozialen Sicherungssysteme im <strong>Kanton</strong><br />
zusammen, gibt Anhaltspunkte zum Mengengerüst und erfasst Aussagen von Schlüsselpersonen im<br />
Bereich der Arbeitsintegration zur Situation Langzeitarbeitsloser. Parallel dazu ermittelt die Marktanalyse<br />
die Inhalte bestehender Integrationsmassnahmen und fasst die Angebotssituation zusammen.<br />
Mit dieser Gegenüberstellung bietet sie erstmals Grundlageninformationen zur aktuellen<br />
Situation im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>.
37<br />
11 <strong>Jahrbuch</strong> 2007 der <strong>Sozialhilfe</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> sowie Jahresbericht<br />
2006 und interne Dokumente<br />
12 Im 2006 sind durchschnittlich 29 % der Klienten im<br />
nichterwerbsfähigen Alter (< 17 Jahre oder > 65 Jahre<br />
alt)<br />
13 Beurteilt und erfasst wird die fallbestimmende Person.<br />
In der Tabelle entspricht die Fallzahl der Anzahl<br />
arbeitsloser Personen, auch wenn ein Fall durchschnittlich<br />
1,66 Personen umfasst (zumeist Kinder).<br />
14 C. Kehrli, gibt im Diskussionspapier zu Sozialfirmen an,<br />
dass für 4,3 % der <strong>Sozialhilfe</strong>empfangenden die Leistungen<br />
der ALV nicht zur Grundsicherung ausreichen.<br />
Die Doppelzählungen werden hier abgezogen.<br />
15 Zu 20,8 % der in der FfA erfassten Klienten kann eine<br />
Aussage zum Bildungsstand gemacht werden. 45,6 %<br />
von ihnen haben eine Erstausbildung oder eine höhere<br />
Schule abgeschlossen. Gut 54 % weisen nur die obligatorische<br />
Schulzeit oder weniger auf (eigene Berechnungen).<br />
16 WSD <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>, AWA Monatsbericht März 2007 und<br />
Jahresüberblick 2006<br />
17 76 % der ungelernten Personen, die länger als ein Jahr<br />
arbeitslos sind, haben als höchste Schulbildung die obligatorische<br />
Schulzeit abgeschlossen.<br />
18 AWA, 2007, Arbeitsmarkt <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> – Jahresüberblick<br />
2006 und AWA, 2007, Arbeitsmarkt <strong>Kanton</strong><br />
<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> – Monatsbericht März 2007<br />
19 Daniel Aeppli, 2004, Seiten 17/18. Total 40 % der ausgesteuerten<br />
Personen verfügen über keine Arbeit. 11 %<br />
sind ohne staatliche Unterstützung, der Rest ist bei IV,<br />
ALV oder <strong>Sozialhilfe</strong> angehängt.<br />
10 AWA, internes Dokument<br />
11 BSV, IV-Statistik 2006, S. 82, und IV-Stelle <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>,<br />
2006, S. 23–27. Ausgehend von Tabelle 6.7.1 wird für<br />
Rentenbeziehende von <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> im Januar 2006 der<br />
Invaliditätsgrad in vier Stufen angegeben.<br />
12 IV-Stelle <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>, 2007, S 23–27. 744 Personen<br />
gelten als erledigte Eingliederungsfälle oder konnten<br />
in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden (= 6.8 %<br />
der Rentenbezüger)<br />
13 Fachpersonen von IV-Anbieterorganisationen schätzen<br />
den Anteil an Teilrentenbeziehenden in ihren Angeboten<br />
auf maximal 5 %.<br />
14 Weder das BSV noch kantonale IV-Stellen noch Invalidenverbände<br />
können Auskunft darüber geben, wie<br />
viele der Personen mit Teilrente der IV ihre so genannte<br />
Resterwerbsfähigkeit (100 % minus Invaliditätsgrad)<br />
umsetzen können. Frau Kehrli schätzt in ihrer Studie,<br />
dass die Hälfte der Teilinvaliden, welche nicht an einem<br />
Programm teilnehmen, keine Arbeitsstelle finden<br />
(Christin Kehrli, 2007).<br />
ÜBERSICHT DER RISIKO- UND ZIELGRUPPE IM KANTON BASEL-STADT<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> 1 Jahr 2006<br />
<strong>Sozialhilfe</strong>beziehende 13 024<br />
davon Personen im arbeitsfähigen Alter 18–65 Jahre 2 3 795<br />
davon Personen von Arbeitslosigkeit betroffen 3 3 649<br />
Abzüglich Personen, die gleichzeitig Taggelder der ALV beziehen 4 – 160<br />
Ausgesteuerte unterstützte Personen im arbeitsfähigen Alter = 3 489<br />
davon Personen mit Arbeitsfähigkeit in der FfA gemeldet 1 531<br />
davon Personen die länger als 1 Jahr arbeitslos sind 301<br />
davon Personen mit höchstens oblig. Schulzeit 5 164<br />
Total Personen der Zielgruppe = 164<br />
Arbeitslosenversicherung 6 Jahr 2006<br />
Stellensuchende Personen 9 959<br />
Abzüglich Personen in Beschäftigungsprogrammen – 448<br />
Abzüglich Personen in Umschulung oder Weiterbildung – 391<br />
Abzüglich Personen im Zwischenverdienst – 1 726<br />
Abzüglich übrige Personen (Krankheit, Militär usw.) – 611<br />
Registrierte arbeitslose Personen = 6 783<br />
davon Personen die länger als 1 Jahr arbeitslos sind 1’255<br />
davon Personen ohne Berufsbildung (ungelernt) 511<br />
davon Personen mit höchstens obligatorischer Schulzeit 7 389<br />
Total Personen der Zielgruppe = 389<br />
Ausgesteuerte 8 Jahr 2006<br />
Anzahl ausgesteuerte Personen 1 137<br />
Abzüglich Personen in Arbeit 2 Monate später – 143<br />
Personen die weiterhin ohne Arbeit sind 994<br />
Personen ohne Arbeit und ohne staatliche Unterstützung 9 110<br />
Total Personen der Zielgruppe = 110<br />
Flüchtlinge und Asylbewerber 10 Jahr 2006<br />
Vorläufig aufgenommene Personen und Asylbewerber 358<br />
Abzüglich Personen in Erwerbsarbeit – 245<br />
Anzahl Personen ohne Beschäftigung oder Arbeit 113<br />
Total Personen der Zielgruppe = 113<br />
Invalidenversicherung 11 Januar 2006<br />
IV-Rentenbeziehende in <strong>Basel</strong> Januar 2006 10 911<br />
Abzüglich Personen mit abgeschlossener beruflicher Eingliederung 12 – 744<br />
Abzüglich Personen mit Invaliditätsgrad >60 Prozent – 8 941<br />
Anzahl Personen mit Resterwerbsfähigkeit 41 bis 60 Prozent = 1 226<br />
Abzüglich Teilrentenbeziehende in Werk- und Beschäftigungsstätten gem. Art. 73 IVG 13 –99<br />
Abzüglich Personen, die ihre Resterwerbsfähigkeit nicht nutzen 14 –613<br />
Total Personen der Zielgruppe = 514<br />
Endtotal aller Personen = 1 290<br />
Quelle: Dubach und Spillmann (2007) eigene Bearbeitung
38<br />
Die Aussage ist deutlich: Im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> existiert eine zwar kleine, dafür umso brisantere Personengruppe<br />
von rund 1300 Menschen, die stark gefährdet ist, nicht nur dauerhaft an die Systeme<br />
der sozialen Sicherheit angebunden zu bleiben, sondern zudem ein erhöhtes Risiko aufweist, auf<br />
dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt zu werden (bleiben) und in die gesellschaftliche und soziale Desintegration<br />
zu rutschen. Bei der erfassten Personengruppe handelt es sich um Menschen mit tiefem<br />
schulischem Bildungsniveau, ohne abgeschlossene Erstausbildung, die schon länger als ein Jahr erfolglos<br />
versucht haben, eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt zu finden. Teilweise beziehen diese<br />
Personen Teilrenten, sind aber trotz Leistungsbeeinträchtigungen gewillt und in der Lage, einen<br />
Arbeitsalltag ohne nennenswerte Unterstützung zu bewältigen.<br />
AUSSAGEN UND RESULTATE<br />
Sowohl von der Arbeitslosenversicherung (ALV) wie auch von der <strong>Sozialhilfe</strong> lösen sich 80 Prozent<br />
der Personen innerhalb eines Jahres wieder ab. Von effektiver Langzeitarbeitslosigkeit ist somit nur<br />
ein geringer Teil der Wohnbevölkerung im <strong>Kanton</strong> betroffen. Wirft man aber einen genaueren Blick<br />
auf diese Gruppe, so wird der Zusammenhang von Bildung, Arbeitsplatzsicherheit und finanzieller<br />
Unabhängigkeit deutlich. Nur 47 Prozent der Arbeitslosen in der ALV geben an, eine Erstausbildung<br />
abgeschlossen zu haben. Mehr als die Hälfte gilt somit als ungelernte Arbeitskraft. Im nächsten<br />
Gefäss der sozialen Sicherung, der <strong>Sozialhilfe</strong>, liegt diese Zahl mit 65 Prozent schon deutlich höher<br />
und zeigt, dass sich die Problematik langsam kumuliert.<br />
Arbeit und Bildung ist ein Thema der sozialen Grundversorgung geworden, das alle Sicherungssysteme<br />
betrifft. Von der Idee der schnellen Integration speziell von Menschen mit Mehrfachhandicaps<br />
hat man sich gedanklich in der Zwischenzeit verabschiedet. In der Praxis müssen nun die einzelnen<br />
Angebote im Bereich der Arbeitsintegration nochmals unter die Lupe genommen werden.<br />
Die bestehende Ausrichtung auf kurzfristige Einsätze und Programme steht im Gegensatz zu den<br />
Erfahrungen mit Mehrfachproblematiken. Dauerarbeitsplätze mit Langzeitperspektiven, deren Finanzierbarkeit<br />
zum Beispiel mit neuen Modellen wie Sozialfirmen abgedeckt wird, können für den<br />
<strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> interessant sein.<br />
Obwohl die Palette der bestehenden Arbeitsintegrationsprogramme breit und die Vielfalt der<br />
Dienstleistungen im <strong>Kanton</strong> gross ist, fehlen Langzeitarbeitplätze, bei denen der Leistungsdruck den<br />
Mitarbeitenden angepasst werden kann. Zwei von drei Anbietern auf dem Platz <strong>Basel</strong> sehen aktuell<br />
keine Möglichkeit, ein solches Angebot in ihren bestehenden Strukturen zu schaffen.<br />
Mit dem Ziel, weitere Defizite für die betroffenen Menschen zu verhindern, Lebensqualität zu erhalten<br />
und nicht zuletzt Folgkosten zu sparen, tut die Regierung gut daran, strategisch eine solche<br />
Ausrichtung vorzugeben. Im Bereich der Arbeitsintegration herrscht auf <strong>Kanton</strong>sgebiet immer noch<br />
eine Einkäufer- und Anbietermentalität. Handlungskonzepte existieren in Teilbereichen wie der<br />
Jugendarbeitslosigkeit, gesamthaft sind Strategie oder Bedarfsplanung jedoch nicht ausformuliert<br />
oder zumindest den Marktteilnehmern nicht bekannt. Wirkungs- statt Angebotsorientierung als<br />
Steuerelement wird neben dem vermehrten Bedürfnis nach Kommunikation und klarer Koordination<br />
von allen Fachpersonen im Bereich Arbeitsintegration erwartet. Nicht nur um den gestiegenen<br />
Ansprüchen nach Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden, sondern auch um das sektorielle Denken mit<br />
den Kassensystemen aufzulösen, Wirtschaft und Politik mit in die gesellschaftliche Verantwortung<br />
zu nehmen und nicht zuletzt für die betroffenen Menschen optimalere und sinnvollere Möglichkeiten<br />
der Lebensgestaltung zu bieten. In der Praxis werden Betroffene immer noch in den Gefässen<br />
weitergereicht, was zum Beispiel die hohe Zahl der ausgesteuerten Personen in der <strong>Sozialhilfe</strong> aufzeigt.<br />
Von den fast 4000 Personen im Jahr 2006, die bei der <strong>Sozialhilfe</strong> und gleichzeitig bei der<br />
Arbeitslosenkasse gemeldet sind, ist jede dritte schon ausgesteuert. Diese Personen lösen sich später<br />
auch nur schwer aus der <strong>Sozialhilfe</strong> ab und bleiben dort meist mehrere Jahre angebunden.<br />
Die beschriebene Marktanalyse zeigt interessante Details auf und macht Aussagen zu weiteren Personengruppen.<br />
Eine Zusammenfassung der Resultate ist bei den Autoren unter den folgenden<br />
E-Mailadressen erhältlich:<br />
marianne.dubach@bluewin.ch<br />
markus.spillmann@bluemail.ch
39<br />
DIE STADTHELFER:<br />
EINE ERSTE EVALUATION UND AUSBLICK<br />
IN DIE ZUKUNFT<br />
Soziale Integration<br />
Nach gut zwei Jahren hat sich das Pilotprojekt etabliert, und es zeigen sich neue Anforderungen in<br />
der weiteren Begleitung der <strong>Stadt</strong>helfer. Ein ‹Verein der <strong>Stadt</strong>helfer› und ein ‹<strong>Stadt</strong>helfer-Zentrum›<br />
sind die Herausforderung der nächsten Monate und des nächsten Jahres.<br />
Anette Stade, Projektleiterin <strong>Stadt</strong>helfer<br />
DIE WICHTIGSTEN HINWEISE UND ERKENNTNISSE AUS DER EVALUATION<br />
Im letzten <strong>Jahrbuch</strong> der <strong>Sozialhilfe</strong> konnte der detaillierte Ablauf des <strong>Stadt</strong>helferprojektes ausführlich<br />
dargestellt werden. Im zweiten Projektjahr haben wir nun eine erste, interne Projektauswertung<br />
vorgenommen, über deren Ergebnisse wir nachfolgend berichten möchten. Dabei zeigt es sich, dass<br />
der Gedanke der Aktivierung nicht nur positiv umgesetzt werden, sondern zusätzlich nicht vorhersehbare<br />
Aktivitäten auslösen kann.<br />
DIE SELEKTION UND ZUWEISUNG DER STADTHELFER INS PROJEKT<br />
Die effektivste Methode, um neue <strong>Stadt</strong>helfer zu vermitteln, ist die direkte Information über die einzelnen<br />
Mitarbeiter an ihre Klienten. Die offene Ausschreibung des Projekts und der Einsatzplätze für<br />
alle <strong>Sozialhilfe</strong>beziehenden erwies sich als nicht realisierbar, da dadurch keine sorgfältige Prüfung<br />
der Eignung im Bezug auf die Selbst- und Sozialkompetenz der Teilnehmenden stattfinden konnte.<br />
In der Praxis hat sich die Liste der Aufnahmekriterien für einige Mitarbeiter als nützlich erwiesen.<br />
Erfolgreicher für die richtige Vorselektion ist jedoch das regelmässige Feedback der Projektleitung<br />
an die Mitarbeitenden zu den internen Anmeldungen. Bei Mitarbeitenden, deren Klienten sich<br />
regelmässig bei den <strong>Stadt</strong>helfern anmelden, müssen praktisch keine Klienten als ungeeignet zurückgewiesen<br />
werden. Das Erstellen von Klientenprofilen hat sich auf Grund des hohen Arbeitsdrucks der<br />
Mitarbeitenden als nicht geeignet erwiesen.<br />
DIE INFORMATIONSVERANSTALTUNG<br />
Neben den gegebenen Informationen zum Projekt sind besonders Fragen rund um die möglichen<br />
Einsatzbereiche von Interesse. Viele Interessenten scheinen vor der Veranstaltung der Meinung zu<br />
sein, dass Freiwilligenarbeit hauptsächlich in Altersheimen oder im Forst passiert. Auch die Möglichkeit,<br />
ohne eine Teilnahme bei den <strong>Stadt</strong>helfern Freiwilligenarbeit leisten zu können und dafür eine<br />
Integrationszulage (IZU) zu erhalten, interessiert an jeder Veranstaltung.<br />
DAS COACHING<br />
Die als Vorbereitung der Teilnehmenden durchgeführten fünf Gruppenseminartage sind auf vier<br />
Wochen verteilt. Ziel des Seminars ist es, dass die Teilnehmenden gegenüber der Freiwilligenarbeit<br />
eine Haltung einnehmen können, die wertschöpfendes Handeln in diesem Kontext und Wertschätzungserfahrungen<br />
erst möglich machen. Das Seminar, wie all seine Teilnehmer, wie das gesamte Projekt,<br />
befindet sich dabei ständig in verschiedenen, gesellschaftlichen Spannungsfeldern:
40<br />
Freiwilligenarbeit ist Erwerbsarbeit ohne Lohn<br />
<br />
Freiwilligenarbeit ermöglicht freieres Tätigsein<br />
nach eigener Wahl<br />
Freiwilligenarbeit ist weniger wichtig als Erwerbsarbeit<br />
<br />
Ohne Freiwilligenarbeit würde die Zivilgesellschaft<br />
nicht funktionieren<br />
Monetärer Lohn bestimmt den Wert der Arbeit<br />
<br />
Sinnhaftigkeit, Dankbarkeit und inneres Engagement<br />
bestimmen den Wert der Arbeit<br />
Freiwilligenarbeit als karitative Tradition einer Elite<br />
gegenüber Randgruppen<br />
<br />
Freiwilligenarbeit als Handlungskonzept gegen polarisierende,<br />
entsolidarisierende Gesellschaftsentwicklungen<br />
Auch auf der persönlichen, individuellen Ebene der einzelnen <strong>Stadt</strong>helfer sind die Spannungsfelder<br />
klar erkennbar:<br />
Wenn ich nicht bei der <strong>Sozialhilfe</strong> wäre, würde ich nie<br />
Freiwilligenarbeit machen<br />
<br />
In der Freiwilligenarbeit haben Fähigkeiten Platz,<br />
die in der Erwerbsarbeit wenig gefragt waren/sind<br />
Ich bin ein Opfer widriger Umstände<br />
<br />
Ich bin Mitgestalter meines Lebens<br />
Gebt mir heute eine Arbeit<br />
und alles ist wieder beim Alten<br />
<br />
Ich bin den Anforderungen des heutigen Arbeitsmarkts<br />
nicht (mehr) gewachsen<br />
Mich will niemand<br />
<br />
Ich brauche niemanden<br />
Diese Spannungsfelder machen sich für alle <strong>Stadt</strong>helfer, wie auch für das Projekt und die Einsatzorganisationen<br />
stets bemerkbar. In der direkten Arbeit mit den Projektbeteiligten gilt es, darin<br />
immer wieder einen gangbaren Weg auszuhandeln und zu erproben.<br />
TEILZIELE DES COACHING-PROZESSES<br />
Das Coaching verfügt weder über die Zeit noch den Auftrag, die nachstehend genannten Ziele<br />
abschliessend umzusetzen. Es geht vielmehr darum, den zukünftigen <strong>Stadt</strong>helfern ein konstruktives<br />
Rollenbild zur Verfügung zu stellen, das eine Eigenbewegung und aktivere Gestaltung der eigenen<br />
Biografie (wieder) zulässt.<br />
• Einen langen Lebensabschnitt der chronischen Krise zu beenden;<br />
• Eigenaktivität statt Hilflosigkeit und soziale Begehrlichkeit zu entwickeln: das Leben wieder<br />
selbst in die Hand nehmen;<br />
• Identitätswandel: Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, statt Versager-,<br />
Verlierer-, Aussenseiter-Rolle;<br />
• Wecken neuer Leidenschaft, reaktivieren brachliegender Fähigkeiten, statt Hilflosigkeit,<br />
Resignation, Auflehnung, Blockierung;<br />
• Einbindung in einer Selbsthilfe-Gruppe, in ein soziales Netz, statt soziale Isolation;<br />
• Aufbau einer neuen Identität als Helfer: Lebenswert statt Geldwert schaffen;<br />
• Klärung des zukünftigen Einsatzbereichs als <strong>Stadt</strong>helfer.<br />
DIE GRUPPENTREFFEN UND DER MARKTPLATZ DER EINSATZPLÄTZE<br />
Der Markplatz hat sich im Projektverlauf sowohl für die Projektleitung wie auch für die <strong>Stadt</strong>helfer<br />
als einer der unumstritten positiven Fixpunkte herausgestellt: Im Coaching ist bei vielen noch ein<br />
spürbares Misstrauen vorhanden, dass ja auch ‹dieses Kürsli› wohl am Schluss wieder nichts bringe;<br />
oder ob man denn auch wirklich in dem gewünschten Bereich tätig sein kann oder nur ‹irgendwohin›<br />
geschickt werde.
41<br />
Beim Marktplatz erleben die <strong>Stadt</strong>helfer, dass<br />
• es wirklich genügend Einsatzplätze für alle gibt;<br />
• es mehr Einsatzbereiche gibt, als sie sich vorstellen konnten;<br />
• diese Institutionen wirklich mit ihnen als <strong>Stadt</strong>helfer arbeiten wollen.<br />
Die <strong>Stadt</strong>helfer arbeiten bereits im Coaching intensiv an ihren Einsatzwünschen und Fähigkeiten, da<br />
es wichtig ist, dass die verbreitete Haltung: «Schickt mich irgendwo hin, ich mache alles» durch ein<br />
aktiveres und spezifischeres Engagement ersetzt wird. Am Marktplatz der Einsatzplätze kann dann<br />
aber trotzdem oft erlebt werden, dass die <strong>Stadt</strong>helfer auf Grund der vielen Angebote noch auf ganz<br />
neue Ideen kommen, wo sie sich engagieren wollen. <strong>Stadt</strong>helfer, die länger dabei sind, entwickeln<br />
in der Auswahl weiterer Einsatzplätze ausserdem spezifischere Erwartungen und auch Ansprüche.<br />
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH MIT DEN STADTHELFERN IM EINSATZ<br />
In der Vermittlungsphase der <strong>Stadt</strong>helfer erweist sich das Berichten in der Gruppe auch gruppendynamisch<br />
als hilfreich: Die Mutigen und Schnellentschlossenen können schon sehr bald den Anderen<br />
erzählen, dass es «gar nicht so schlimm gewesen sei, sich vorzustellen», dass «die Kontaktpersonen<br />
nett seien», oder auch, dass «man sich total vertan habe». Den Ängstlicheren machen<br />
diese Berichte meistens etwas Mut, und die Zögerlichen fühlen sich nach ein paar Wochen durch die<br />
Gruppendynamik aufgefordert, konkret zu werden. Sind die <strong>Stadt</strong>helfer erst einmal in ihren Einsatz<br />
hineingewachsen, sind sie erstaunlich rege, weitere <strong>Stadt</strong>helfer aus den eigenen Reihen für zusätzliche<br />
Einsätze in ihrer Institution zu rekrutieren. Wie die Projektleitung immer wieder feststellen<br />
kann, tun sie dies oft auch ausserhalb der Treffen, und so ist es auch für die Leitung immer wieder<br />
eine Überraschung, wer alles wo noch mithilft.<br />
DER ÜBERGANG VOM STADTHELFER ZUM FREIWILLIGEN HELFER<br />
Die <strong>Stadt</strong>helfer haben jederzeit die Möglichkeit, aus dem Projekt auszutreten, aber weiterhin als<br />
Freiwillige Helfer an ihrem Einsatzort zu bleiben. Die Kontrolle der geleisteten Einsatzstunden, zur<br />
Auszahlung der Integrationszulage, läuft ab diesem Zeitpunkt dann nicht mehr über die Projektleitung,<br />
sondern direkt über die zuständigen Mitarbeitenden der <strong>Sozialhilfe</strong>. Die Annahme, dass sich<br />
der Übergang vom <strong>Stadt</strong>helfer zum ‹normalen Freiwilligen› im Projektverlauf für die Teilnehmenden<br />
selbstverständlich nach sechs bis neun Monaten ergeben würde, war wohl eine der relevantesten<br />
Fehleinschätzungen der Projekt- und Teilnehmerdynamik. Die Erfahrung zeigt, dass nur ein sehr kleiner<br />
Prozentsatz von <strong>Stadt</strong>helfern den Schritt aus dem Projekt tut und weiterhin in der Freiwilligenarbeit<br />
bleibt. Es scheint trotz aller Kritik, welche die <strong>Stadt</strong>helfer an ihrer eigenen Gruppe, an der Projektleitung,<br />
den Methoden usw. haben können, ein grosses Bedürfnis zu sein, über längere Zeit und<br />
‹auf Nummer Sicher› zu dieser Gruppe gehören zu können. Einige <strong>Stadt</strong>helfer begründen dies auch<br />
rein sachlich, indem sie die Gruppentreffen als hilfreiche Drehscheibe für gute, neue Einsatzplätze<br />
und gegenseitige Hilfestellungen und Informationen sehen.<br />
DIE EINSATZPLÄTZE<br />
Die Akquirierung der Einsatzorganisationen findet grundsätzlich über drei verschiedene Kanäle<br />
statt:<br />
a) die Projektleitung geht aktiv auf Organisationen zu und klärt das Interesse und die Einsatzmöglichkeiten<br />
ab. Die Eignungskriterien sind die bereits im Grobkonzept beschrieben.<br />
b) Organisationen kommen auf Grund von Medienberichten oder Informationen anderer Organisationen<br />
auf die Projektleitung zu und bitten um die Vermittlung von <strong>Stadt</strong>helfern.<br />
c) <strong>Stadt</strong>helfer im Einsatz werden direkt von Organisationen oder Mitarbeitenden (Freiwillige<br />
oder bezahltes Personal) für Einsätze angesprochen. Dies kann dann sowohl eine Anfrage an<br />
diese Person sein, oft aber auch eine generelle Anfrage für weitere Helfer.<br />
Am besten läuft die Akquirierung von Einsatzplätzen über die <strong>Stadt</strong>helfer selber. Es scheint, dass das<br />
Erleben von ‹realen <strong>Stadt</strong>helfern im Einsatz› die beste Werbung für diese ist. So können gewisse Vorurteile,<br />
wie unengagiert, unzuverlässig usw. gar nicht erst aufkommen, da das Engagement ja direkt<br />
erlebt wird. Ein <strong>Stadt</strong>helfer konnte bereits in eine bezahlte Teilzeitarbeit vermittelt werden, weil die
42<br />
Organisation aus Überzeugung eine neue Stelle mit einem <strong>Stadt</strong>helfer besetzen wollte (dies nachdem<br />
<strong>Stadt</strong>helfer an einem Festival dieser Organisation tätig gewesen waren). Auch zufriedene Organisationen,<br />
die einen oder mehrere <strong>Stadt</strong>helfer im Einsatz haben, sind gute Vermittler für neue<br />
Organisationen.<br />
Schwieriger ist es, Organisationen für den offenen Marktplatz der Einsatzplätze zu gewinnen und<br />
zu behalten, da eine Aufnahme des Einsatzplatzes in den Vermittlungspool der <strong>Stadt</strong>helfer noch<br />
keinen Helfer garantiert; was bei Organisationen, die lange keinen Helfer erhalten, zu einer gewissen<br />
Enttäuschung führen kann.<br />
Die Wünsche der <strong>Stadt</strong>helfer nach interessanten, verschiedenen Einsatzplätzen und der Anspruch<br />
der Projektleitung, sich möglichst nicht konkurrenzierend zu Lohnarbeitsplätzen zu positionieren,<br />
stellt eine ständige Gratwanderung dar, die nie zur Zufriedenheit aller Seiten gelöst werden kann.<br />
Trotz des Festhaltens an den Standards der Freiwilligenarbeit von Benevol Schweiz passieren immer<br />
wieder Vermischungen. Dies besonders, wenn einzelne Institutionen merken, dass ‹ihr <strong>Stadt</strong>helfer›<br />
gerne noch mehr als vier bis sechs Stunden in der Woche helfen möchte, und man dann auf die Idee<br />
kommt, ihn einfach an Stelle von Stundenarbeitern einzusetzen, ihm aber weiterhin dafür keinen<br />
Stundenlohn zahlt. Schwierig wird es dann, wenn der <strong>Stadt</strong>helfer diesen Einsatz gerne macht und<br />
die Projektleitung einen guten Weg für alle Beteiligten finden muss.<br />
BEISPIELE VON STADTHELFEREINSÄTZEN<br />
Die Bahnhofpaten Liestal absolvieren immer zu zweit Präsenzdienst auf dem Bahnhofsgelände. Sie<br />
stehen den Reisenden mit Rat zur Seite und sollen besonders abends und nachts der Angst der Reisenden,<br />
alleine auf dem unbemannten Bahnhof zu sein, vorbeugen. Die Bahnhofpaten werden in<br />
einem speziellen Kurs von der SBB, in Zusammenarbeit mit der <strong>Stadt</strong>polizei, geschult und erhalten<br />
für ihre Einsätze als kleine Anerkennung Tageskarten für das Bahnnetz. Das Projekt gibt es in Liestal<br />
und Biel und steht allen Freiwilligen offen.<br />
In der Offenen Kirche Elisabethen leisten die <strong>Stadt</strong>helfer mit anderen Freiwilligen Präsenzdienst<br />
für die Kirchenbesucher. Sie sind Auskunftsperson, Ratgeber, Postkarten- und Kerzenverkäufer und<br />
haben auch immer wieder ein offenes Ohr für die trost- und ratsuchenden Kirchengäste.<br />
Im Alters- und Pflegeheim Johanniter sind <strong>Stadt</strong>helfer im Besuchs- und Fahrdienst tätig. Sie gehen<br />
mit Heimbewohnern im Park spazieren, einkaufen oder auch nur zum hausinternen Gottesdienst.<br />
Die Fahrdienstleistenden bringen einzelne Heimbewohner zum Arzt, zur Therapie oder fahren mit<br />
einer ganzen Gruppe auch mal ein paar Tage an den Thunersee.<br />
Naturranger bei der Pro Natura erstellen und pflegen Naturschutzreservate in der Region <strong>Basel</strong>. Sie<br />
werden bei ihrer Arbeit von einem Biologen angeleitet und lernen in der praktischen Arbeit viel<br />
über die heimischen oder zugewanderten Pflanzen- und Tierarten. Bei der Pro Natura arbeiten die<br />
<strong>Stadt</strong>helfer immer in Gruppen, was von diesen sehr geschätzt wird. Der Wunsch der <strong>Stadt</strong>helfer nach<br />
Einsätzen in der Natur und explizit auch im Naturschutz ist sehr gross und sollte ausgebaut werden.<br />
Beim Tageshaus für Obdachlose leisten <strong>Stadt</strong>helfer Tageseinsätze als Gastgeber und Mittagsköche.<br />
Sie achten darauf, dass sich die Besucher an die Regeln halten, verkaufen einzelne Zigaretten und<br />
bereiten ein einfaches Mittagessen zu. Die <strong>Stadt</strong>helfer im Einsatz müssen Zigarettenrauch aushalten,<br />
sozial kompetent sein und selber keine Suchtproblematik aufweisen.<br />
Beim Mittagstisch und der Aufgabenhilfe der Robi-Spiel-Aktionen betreuen <strong>Stadt</strong>helfer zusammen<br />
mit dem Mittagsteam die Kinder beim Mittagessen und unterstützen sie nachher beim Erledigen der<br />
Hausaufgaben. Sie lesen aber auch eine Nachmittagsgeschichte vor, schlichten Streit und beantworten<br />
hunderte von Fragen der bis zu dreissig Kinder.<br />
Auf dem Sportplatz Rankhof unterstützen die <strong>Stadt</strong>helfer das Gastroteam bei Sportanlässen und<br />
den Fussballspielen. Hier sind besonders die im Einsatz, die das runde Leder und die dazugehörigen<br />
Vereine lieben, gerne am Grill stehen und auch in hektischen Zeiten immer noch wissen, wer zuerst<br />
seinen Hot Dog bekommt.<br />
Im Katzenhaus gehören Putzen und Streicheln zum Alltag der <strong>Stadt</strong>helfer. Aber auch Besuche beim<br />
Tierarzt, das Füllen all der Futternäpfe oder das Reparieren des Kletterbaums sind Teil der Aufgaben.<br />
Hier fühlen sich besonders <strong>Stadt</strong>helferinnen wohl, die auch schon mal eine Ferienkatze mit nach<br />
Hause nehmen.
43<br />
DIE PROJEKTLEITUNG<br />
Die Aufgaben der Projektleitung entsprechen auch in der Projektumsetzung den definierten Bereichen<br />
im Grobkonzept. Hinzugekommen ist die regelmässige Leitung der Gruppensitzungen.<br />
Als die wichtigste und auch zeitintensivste Aufgabe der Projektleitung hat sich die Auswahl des<br />
richtigen Einsatzplatzes für den richtigen <strong>Stadt</strong>helfer erwiesen. Die Organisationen legen viel Gewicht<br />
darauf, dass der <strong>Stadt</strong>helfer ‹zu ihnen passt› und sich mit den Zielen der Organisation identifiziert.<br />
Offener wird in der Regel damit umgegangen, dass ein Helfer sich gewisse Fertigkeiten für<br />
seinen Einsatz aneignen muss und dass <strong>Stadt</strong>helfer dafür vielleicht noch etwas mehr Zeit benötigen<br />
als andere.<br />
Die meisten <strong>Stadt</strong>helfer steigen mit einem völlig anderen Bild von den Einsatzplätzen ins Projekt ein.<br />
Geprägt von der Erfahrung eines Arbeitsmarkts, der immer mehr Leistung mit immer mehr Zeugnissen<br />
in immer weniger Zeit verlangt, fällt es vielen schwer, die andere Haltung der Freiwilligenarbeit<br />
von Beginn an zu verstehen oder auch nur wahrzunehmen. Hier ist die Projektleitung immer wieder<br />
gefordert, die Erfahrungen der <strong>Stadt</strong>helfer abzuholen und mit diesen zu hinterfragen und in den<br />
Kontext der Freiwilligenarbeit zu stellen.<br />
AUSBLICK IN DIE ZUKUNFT<br />
<strong>Stadt</strong>helfer brauchen eine Gemeinschaft<br />
Waren die regelmässigen Treffen mit den <strong>Stadt</strong>helfern in Gruppen im Konzept vorrangig als Vermittlungs-<br />
und Kontaktplattform mit der Projektleitung geplant, hat sich schnell gezeigt, dass die<br />
Treffen weit über diese Funktionen hinaus für die Teilnehmenden als sozialer Bezugspunkt von<br />
Bedeutung sind. Es ist für die Teilnehmenden wichtig, sich als ‹<strong>Stadt</strong>helfer› zu treffen, sich über die<br />
Einsätze und alltägliche Begebenheiten und Krisen auszutauschen oder Ideen zur Lebensgestaltung<br />
zu entwickeln. Auch bei guter Einbettung und Integration in die Einsatzorganisationen bleibt bei<br />
den meisten Teilnehmenden das Bedürfnis der regelmässigen Treffen bestehen.<br />
Eine wie im Konzept vorgesehene Auskoppelung der Teilnehmenden aus den Gruppentreffen nach<br />
neun bis zwölf Monaten wird von diesen in der Regel nicht gewünscht, respektive eher gefürchtet.<br />
So tritt nur eine kleine Anzahl von <strong>Stadt</strong>helfern regulär aus dem Projekt aus und verbleibt am Einsatzort.<br />
Die zeitlich unbeschränkte ‹Teilhabe› am <strong>Stadt</strong>helfer-Projekt wird von vielen als willkommene<br />
Stabilisierung der Lebensgestaltung empfunden, auf deren Basis Herausforderungen der individuellen<br />
Lebensgestaltung besser angegangen werden können. Die längerfristige Begleitung der<br />
Teilnehmenden führt dabei zu einem zwar sinnvollen, aber zwangsläufig auch personell aufwändigeren<br />
Arbeiten.<br />
Kulturelle Teilhabe<br />
Dank grosszügigen Sachspenden des Theater <strong>Basel</strong> und der Fondation Beyeler (32 Theater-Freibillets<br />
und 10 Museumspässe), können interessierte <strong>Stadt</strong>helfer mal wieder ins Theater oder ins Museum.<br />
Für die <strong>Stadt</strong>helfer waren diese Beiträge wichtige Anerkennungssignale ihrer Einsätze. In den Gruppentreffen<br />
konnte eingeführt werden, dass sich jemand konkret um das Theaterprogramm kümmert<br />
und man sich für den Theater- oder Museumsbesuch organisiert. Auch hier können in der sozialen<br />
Gemeinschaft Schwellenängste zum Kulturangebot abgebaut werden, da für viele der letzte Theaterbesuch<br />
oft mehr als zehn Jahre zurückliegt. Die Teilhabe am kulturellen Leben stellt für die <strong>Stadt</strong>helfer<br />
somit ein erstrebenswertes Ziel dar, dessen Zugangsschwelle aber erst sozial (und finanziell)<br />
überwunden werden muss.<br />
Ausblick <strong>Stadt</strong>helferzentrum<br />
Dank der zugesprochenen finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung wird es<br />
den <strong>Stadt</strong>helfern möglich sein, die nächsten achtzehn Monate (mit Option auf Verlängerung) einen<br />
eigenen <strong>Stadt</strong>helfertreffpunkt einzurichten und zu betreiben. Ziel des Treffpunktes ist es, einerseits<br />
den <strong>Stadt</strong>helfern für eigene Initiativen und Ideen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen und<br />
andererseits die <strong>Stadt</strong>helfer als städtisches Hilfsangebot im öffentlichen Raum sichtbarer zu positionieren<br />
und erreichbar zu machen.<br />
Der Treffpunkt wird von einem gemeinnützigen Verein getragen, der in geeigneter und vereinbarter<br />
Form mit der <strong>Sozialhilfe</strong>, respektive dem Projekt <strong>Stadt</strong>helfer zusammenarbeiten wird. Mittel-
44<br />
bis längerfristig sollte eine Übernahme von Vermittlungs- und Begleitungsaufgaben durch den<br />
Verein angestrebt werden. Die Vorbereitungsarbeiten zur Vereinsgründung und Programmation<br />
des Treffpunkts durch interessierte <strong>Stadt</strong>helfer sollen wenn immer möglich durch externe Fachleute<br />
begleitet werden, um die gewünschte Eigenständigkeit des Vereins zu gewährleisten.<br />
Erweiterung des Angebots an Einsatzplätzen<br />
Anzahlmässig fehlt es dem Projekt nicht an Einsatzplätzen. Trotzdem müssen im nächsten Jahr<br />
weiterführende Anstrengungen unternommen werden, um die thematische Breite der Einsatzmöglichkeiten<br />
auszubauen. So hat es sich gezeigt, dass es vor allem Institutionen im Altersbereich sind,<br />
die von sich aus auf das Projekt zugehen und Helfer anfordern. Von den Teilnehmenden zeigt jedoch<br />
nur eine kleine Zahl ein Interesse, sich in diesem Bereich zu engagieren. Ziel muss es daher sein, in<br />
den Bereichen Natur und Umwelt sowie Gastro und Events weitere Einsatzplätze zu schaffen. Es geht<br />
dabei nicht um das Schaffen eines Bedarfs, sondern um die Kontaktaufnahme und gute Positionierung<br />
des Projekts <strong>Stadt</strong>helfer bei den zuständigen Institutionen.
45<br />
ANFORDERUNGSPROFIL<br />
FÜR CASE-MANAGER/INNEN<br />
Professionalität in der Sozialarbeit<br />
Zur besseren Lesbarkeit enthält der Text die männliche Form.<br />
Annette Elbert, Teamleiterin Case-Management-Beratung<br />
Im Kontext des Case-Management-Verfahrens der <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> ergibt sich für die Case-<br />
ManagerInnen ein Anforderungsprofil, welches, bezüglich der beruflichen Voraussetzungen, auf die<br />
Sozialarbeit zugeschnitten ist. Case-Management in der <strong>Sozialhilfe</strong> ist somit eine Erweiterung und<br />
Vertiefung des methodischen Handlungsrepertoires und als Weiterentwicklung der beruflichen<br />
Kompetenzen der sozialen Arbeit zu verstehen, jedoch kein eigenständiger Beruf.<br />
Professionalisierung im Case-Management bedeutet demnach, dass sich Fachkräfte auf der Basis<br />
ihrer bereits erworbenen beruflichen Kompetenzen weiterqualifizieren, um ein klar erkennbares<br />
Kompetenzprofil zu erfüllen.<br />
DIE BERATUNG IM CASE-MANAGEMENT-VERFAHREN<br />
Die Beratung stellt zum einen das Kerngeschäft sozialer Arbeit dar und ist zum andern eine Grundvoraussetzung,<br />
um das Case-Management-Verfahren überhaupt durchführen zu können. Die Case-<br />
Management-Beratung in der <strong>Sozialhilfe</strong> wird unabhängig von der parallel laufenden wirtschaftlichen<br />
Hilfe geführt.<br />
Zu Beginn des Unterstützungsprozesses wird vom Case-Manager eine intensive Klärungshilfe gefordert,<br />
in welcher er die Funktion eines Beraters einnimmt. Das Gelingen des Case-Management-Konzepts<br />
hängt davon ab, inwieweit der Case-Manager ein Vertrauensverhältnis herstellen kann, um<br />
den Klienten in den Unterstützungsprozess aktiv einbinden zu können. Die professionelle Beziehung<br />
zwischen Case-Manager und Klient ist entscheidend für den Prozess. Umfassende Fallverantwortung<br />
erfordert unter anderem Beziehungsarbeit, so dass der Prozess emotional und inhaltlich reflektiert<br />
werden kann, Eigenkräfte (Empowerment) entwickelt werden können und eine verantwortliche<br />
Ansprechperson ohne Hemmschwelle konsultiert werden kann.<br />
Die Klienten der <strong>Sozialhilfe</strong> befinden sich in Situationen des Mangels, der Benachteiligung und der<br />
gesellschaftlichen Ausgrenzung. Daher ist es unabdingbar dass diese Menschen in ihrem Bestreben<br />
unterstützt werden, ihre Angelegenheiten wieder selbst in die Hand zu nehmen, sich ihren Fähigkeiten<br />
bewusst werden und ihre Ressourcen zu einer selbstbestimmten Lebensführung nutzen lernen.<br />
Die professionelle Beziehung und das methodische Verfahren müssen so gehandhabt werden, dass<br />
die Hilfe für die Klienten in ihrer individuellen und sozialen Belastungssituation wirksam werden<br />
kann. Grundsätzlich hat der Ratsuchende das Entscheidungsrecht über die Umsetzung der Beratungsinhalte.<br />
Dies bildet die motivationale Basis für den Beratungsprozess. Der bewusste Entscheid<br />
ist somit eine notwendige Fiktion, die beiderseitige Einwilligung, in den Beratungsprozess einzusteigen.<br />
Die Case-Management-Beratung in der <strong>Sozialhilfe</strong> ist jedoch nur im Kontext der gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen zu verstehen, indem der Klient mehrere Angebote bekommt, bei denen<br />
er auswählen kann, mit allen Konsequenzen, die eine Entscheidung mit sich bringt.
46<br />
Folgende Grundannahmen und -prinzipien sind bei der Beratung zu beachten:<br />
• Der Klient wird in seinem Mensch-Sein akzeptiert. Zu unterscheiden ist dabei zwischen ihm als<br />
Mensch und seinem Verhalten und seinen Handlungen, die nicht unbedingt gebilligt werden<br />
müssen, insbesondere dann, wenn diese Verhaltensweisen andere schädigen.<br />
• Die Beratung erfolgt immer mit der grundlegenden Einstellung, dass sich der Klient ändern<br />
kann, möglicherweise muss (ihm) dafür ein anderer Rahmen geschaffen werden.<br />
• Der Klient deutet und interpretiert seinen Alltag und die darin liegenden Handlungen nach<br />
eigenen Kriterien.<br />
• Der Klient ist auch in Bezug auf seine belastenden Situationen und Problemlagen sein eigener<br />
Experte. Er weiss am besten, was in seiner Situation wirkt.<br />
DIE ROLLE DES CASE-MANAGERS<br />
Die Rolle des Case-Managers verlangt kooperative, proaktive und klientenzentrierte Beziehungen,<br />
in denen sich für den Klienten der Ertrag der Versorgung fördern und maximieren lässt. Im Case-<br />
Management-Verfahren hat der Case-Manager eine Schlüsselfunktion. Er ist für den Klienten<br />
Ansprechs- und Bezugsperson. Er setzt sich unabhängig und anwaltschaftlich für die Klärung des<br />
Bedarfs und der Planung sowie die Umsetzung der Hilfen ein. Als Koordinator organisiert und<br />
steuert der Case-Manager den Hilfeprozess mit den Akteuren. In welchem Umfang der Case-Manager<br />
Unterstützung in alltäglichen Lebensaufgaben selbst anbietet oder diese koordiniert, ist von der<br />
jeweiligen Situation des Klienten und den personellen Möglichkeiten abhängig. Demnach können<br />
dem Case-Manager drei Grundfunktionen zugeteilt werden:<br />
1) Systemagent<br />
2) Kundenanwalt<br />
3) Versorgungsmanager<br />
Systemagent:<br />
Er sorgt beim Leistungsanbieter dafür, dass die mit dem Klienten vertraglich übernommene Aufgaben<br />
zielwirksam ausgeführt werden. Er ist Ansprechpartner des Klienten, koordiniert den dienstlichen<br />
Einsatz und ist in den Fällen, die er betreut, für die Qualtitätssicherung zuständig. Er vertritt<br />
die Einrichtung in allen den Klienten betreffenden Angelegenheiten. In einer Variante übernimmt<br />
der Case-Manager vor allem Informations- und Vermittlungsaufgaben. In einer andern Variante<br />
begleitet er den Leistungsnehmer auf seinem Weg durch die Stationen seiner Versorgung.<br />
Kundenanwalt:<br />
In dieser Funktion steht der Case-Manager den Klienten zur Verfügung, klärt mit ihnen den Unterstützungs-<br />
oder Versorgungsbedarf ab und steht ihnen bei der Beantragung von Leistungen zur<br />
Seite. Er kennt die Anspruchskriterien und weiss, wie an Behörden oder Versicherungen heranzutreten<br />
ist. Der Case-Manager begleitet die Klienten gegebenenfalls als Sachverwalter während der<br />
Zeit, in der sie unterstützt werden. Dies kann auch bedeuten, dass der Case-Manager Beschwerden<br />
des Klienten nachgeht oder seine (berechtigen) Wünsche weitergibt. Andererseits hat der Case-<br />
Manager Interessen anderer Parteien zu vertreten.<br />
Versorgungsmanager:<br />
Hier ist der Case-Manager zuständig für eine ordnungsgemässe und erfolgreiche Leistungserbringung.<br />
Entweder ist er Agent des Leistungsträgers und von ihm dazu angestellt, die Angemessenheit<br />
des Versorgungsangebots zu beobachten, die zweckmässige und kostengünstige Erbringung der<br />
Dienstleistungen zu kontrollieren und Beschwerden der Klienten nachzugehen. Oder er ist mit diesen<br />
Aufgaben in einem Dienstleistungsbetrieb betraut, fungiert also in ihm als Qualitätsmanager.
47<br />
VORAUSSETZUNGEN FÜR EINEN CASE-MANAGER<br />
SIND FOLGENDE SPEZIFISCHE QUALIFIKATIONEN<br />
• Fähigkeit, komplexe und intransparente Situationen zu erkennen, zu erfassen<br />
und zu analysieren und daraus adäquate Schlüsse zu ziehen<br />
• Fähigkeit zum systematischen und zielorientierten Denken und Handeln<br />
(Festlegen von Prioritäten, Erstellen der Hilfepläne usw.)<br />
• Differenzierte Kenntnisse über das Verfahren Case-Management und die institutionellen<br />
Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Verfahrensschritte<br />
• Gute Kenntnisse über das soziale und sozialversicherungsrechtliche Dienstleistungssystem<br />
• Ausgeprägte Kommunikationskompetenz und gutes Verhandlungsgeschick<br />
• Erfahrung in professioneller Beratung<br />
• Fähigkeit, Ressourcen zu erkennen und nutzbringend einzusetzen<br />
• Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit<br />
• Fähigkeit, interdisziplinäre Kooperationen zu planen und zu gestalten<br />
• Sozialadministrative Kompetenzen für die Bewältigung des Leistungserbringsprozesses<br />
und für die Falldokumentation<br />
• Kompetenz in Projektmanagement (Planung und Steuerung von Prozessen)<br />
• Durchsetzungsvermögen (verhandeln, anwaltschaftliches Mandat)<br />
FAZIT<br />
Die aufgezeigten Kompetenzen sind erforderlich, um die generalistische Case-Management-Funktion<br />
wahrnehmen zu können.<br />
In der <strong>Sozialhilfe</strong> <strong>Basel</strong> arbeiten derzeit Case-ManagerInnen mit einem abgeschlossenen Sozialarbeiterstudium,<br />
mit einem Case-Managment-Diplom und Zusatzausbildungen unter anderem in Mediation,<br />
Systemischer Beratung, Gemeinwesenarbeit, Projekt- und Betriebsmanagement sowie Supervision.<br />
Darüber hinaus verfügen alle MitarbeiterInnen über langjährige Berufserfahrungen in der<br />
Beratungsarbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen.<br />
Mit dieser hohen Professionalität ist es der <strong>Sozialhilfe</strong> <strong>Basel</strong> gelungen ein Case-Management zu<br />
implementieren, welches sich aktuell einem längerfristigen Monitoring durch die Fachhochschule<br />
Bern unterzieht, mit dem Ziel, die Wirkung des Case-Managements wissenschaftlich darlegen zu<br />
können.<br />
LITERATUR<br />
Roland Woodtly, Managed Care Nr. 2, 2005, S. 8ff.<br />
Löcherbach, Klug, Remmel-Fassbender, Wendt ( Hg.), München, 2005<br />
Wendt Rolf Rainer, Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen, Freiburg im Breisgau, 2001
48<br />
PARADIGMAWECHSEL: INTEGRATION<br />
VON VORLÄUFIG AUFGENOMMENEN<br />
PERSONEN AUS DEM ASYLBEREICH<br />
Neues Ausländergesetz, revidiertes Asylgesetz<br />
Renata Gäumann, Koordination Asyl- und Flüchtlingswesen <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
1 NEUE GESETZLICHE GRUNDLAGEN<br />
Im Bereich der Integration von ausländischen Personen wurden per 1. Januar <strong>2008</strong> mit Inkraftsetzung<br />
neuer gesetzlicher Grundlagen auf nationaler Ebene zeitgemässe Akzente gesetzt. Das neue<br />
Ausländergesetz (AuG) legt dabei die Grundsätze und Rahmenbedingungen der schweizerischen<br />
Integrationspolitik im Wesentlichen fest. Schwerpunkte sind die begrenzte Zulassung von Arbeitskräften<br />
aus Drittstaaten, Änderungen im Bereich des Familiennachzugs, eine verschärfte Missbrauchbekämpfung<br />
und zentral: die verstärkte Integrationsförderung. Hier stehen Sprachförderung<br />
und Massnahmen in den Bereichen Berufsbildung und Arbeit im Vordergrund. In diesem Punkt verleiht<br />
in <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> das kantonale Integrationsgesetz, ebenfalls in Kraft seit dem 1. Januar <strong>2008</strong>, den<br />
Bundesgesetzen weiteren Nachdruck.<br />
Mit der Annahme der beiden Gesetze haben Volk und Stände ihre Zustimmung gegeben, dass wer<br />
dauerhaft in der Schweiz lebt, so gut wie möglich integriert sein soll. Unter Integration wird nichts<br />
anderes als die Herstellung von Chancengleichheit und Partizipation verstanden: Ausländerinnen<br />
und Ausländer, welche sich rechtmässig und dauerhaft in der Schweiz befinden, sollen einen chancengleichen<br />
Zugang zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Leben in der Schweiz<br />
erhalten. Unter Integration wird ein gegenseitiger Prozess verstanden, an dem sowohl die schweizerische<br />
als auch die ausländische Bevölkerung beteiligt ist. Integration setzt einerseits Offenheit<br />
und Toleranz der Schweizer Bevölkerung voraus. Andererseits wird von den Zugewanderten verlangt,<br />
dass sie sich um ihre Integration bemühen und unsere Regeln und Gesetze einhalten. Ziel ist<br />
schliesslich das friedliche Zusammenleben aller auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung<br />
und in gegenseitigem Respekt.<br />
Mit der Inkraftsetzung der revidierten Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und<br />
Ausländern (VIntA) werden nun die integrationsrelevanten Bestimmungen des neuen Ausländergesetzes<br />
(AuG) und des revidierten Asylgesetzes (AsylG) zusammengeführt. Integrationsprozesse sollen<br />
weiterhin innerhalb der Regelstrukturen (Schule, Berufsbildung, Arbeit, Gesundheitswesen usw.)<br />
gefördert werden. Im Bereich der ergänzenden, spezifischen Integrationsförderung werden neu alle<br />
Personen mit Migrationshintergrund und geregeltem Aufenthalt gleichermassen unterstützt.<br />
2 INTEGRATION VON VORLÄUFIG AUFGENOMMENEN –<br />
EIN LÄNGST FÄLLIGER SYSTEMWECHSEL<br />
Konkret bedeutet dies, dass aus dem Asylbereich nicht wie bis anhin nur anerkannte Flüchtlinge,<br />
sondern neu auch vorläufig aufgenommene Personen den gleichen Zugang zu Erwerbstätigkeit<br />
haben wie Ausländerinnen und Ausländer mit Ausweis B (AuG, Art. 85, Abs. 6).<br />
Die Integration vorläufig Aufgenommener wurde in zahlreichen <strong>Kanton</strong>en aus asylpolitischen<br />
Gründen und entgegen dem Rat aller Fachkreise während Jahren behindert. Die sozialen Kosten<br />
der realitätsfremden Politik waren seit langem bekannt und wurden bewusst in Kauf genommen.
49<br />
Mit den neuen gesetzlichen Grundlagen hat nun ein längst notwendiger Paradigmawechsel stattgefunden.<br />
Die berufliche und soziale Integration von vorläufig Aufgenommenen hat tief greifende<br />
inhaltliche, strukturelle und auch beträchtliche finanzielle Folgen für die <strong>Kanton</strong>e.<br />
Die <strong>Kanton</strong>e sehen sich ab <strong>2008</strong> mit der neuen Aufgabe konfrontiert, Personen aus dem Asylbereich<br />
mit einer vorläufigen Aufnahme rasch und nachhaltig zu integrieren (AuG Art. 87, Abs. 1, Lit. a). Bis<br />
anhin wurden vorläufig Aufgenommene auf Zusehen geduldet, immer hinsichtlich einer mitgedachten,<br />
letztlich aber unwahrscheinlichen Rückreise in die Herkunftsländer. Die Erfahrung über die<br />
letzten Jahre hat gezeigt, dass vorläufige Aufnahmen vom Bundesamt für Migration faktisch nur selten<br />
widerrufen werden und die allermeisten vorläufig Aufgenommenen dauerhaft in der Schweiz<br />
verbleiben. Für sie ist eine Rückkehr rechtlich nicht zulässig, nicht zumutbar oder in seltenen Fällen<br />
technisch (Papierbeschaffung) nicht möglich. Zur Zeit leben rund 24 000 vorläufig Aufgenommene in<br />
der Schweiz, rund die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche.<br />
3 UMSETZUNG IN BASEL-STADT<br />
Vorläufig Aufgenommene in <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
In <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> wurde der Integration von vorläufig Aufgenommene schon vor den Gesetzesänderungen<br />
Gewicht beigemessen. Konnten die Betroffenen selbstständig Arbeit finden, wurde ihnen<br />
diese meist bewilligt. Die pro-aktive Praxis der zuständigen Stellen im Sicherheitsdepartement<br />
im Erteilen von Arbeitsbewilligungen hatte zur Folge, dass in <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> weniger vorläufig Aufgenommene<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> beziehen mussten als in <strong>Kanton</strong>en mit einem generellen Arbeitsverbot für<br />
Personen mit vorläufiger Aufnahme.<br />
Dem neuen Bundesauftrag wird nun mit einem Regierungsratsbeschluss Rechnung getragen, der<br />
auch dem Zugang zu Integrationsmassnahmen für vorläufig Aufgenommene zustimmt. Die Betroffenen<br />
werden je nach individuellem Bedarf in bestehende Massnahmen und Programme vermittelt<br />
und haben somit Teil am kantonalen Angebot an Integrationsmassnahmen, das für seine Vielseitigkeit<br />
und Effizienz bekannt und gesamtschweizerisch richtungsweisend ist.<br />
Der Regierungsrat hat zusätzlich beschlossen, vorläufig Aufgenommene auch unterstützungsrechtlich<br />
ausländischen Personen mit dauerhaftem Verbleib in der Schweiz gleichzustellen. Der Anreiz zu<br />
arbeiten wird durch eine Unterstützung nach SKOS-Ansätzen nicht geschmälert oder gar aufgehoben.<br />
Das Ziel aller vorläufig Aufgenommenen bleibt unverändert bestehen, möglichst schnell in eine<br />
finanzielle Selbstständigkeit zu finden und den Aufenthaltsstatus B zu erreichen. Die finanzielle Unabhängigkeit<br />
ist Bedingung dafür, dass ein Familiennachzug geprüft werden kann. Weiter ist der<br />
Status B Bedingung dafür, dass der zehnprozentige Lohnabzug an den Bund entfällt, den alle arbeitenden<br />
Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen zu entrichten haben. Und vor allem ermöglicht<br />
der Statuswechsel den Betroffenen, ihren Aufenthalt aus der oft schwer zu ertragenden Vorläufigkeit<br />
zu lösen.<br />
Aktuell leben rund 330 vorläufig Aufgenommene im <strong>Kanton</strong>, wovon rund ein Drittel Kinder und<br />
Jugendliche sind. Rund 150 Personen können als grundsätzlich arbeitsfähig bezeichnet werden. <strong>Sozialhilfe</strong><br />
beziehen zur Zeit rund 160 Personen. Abzüglich all jener, welche jetzt bereits arbeiten<br />
beziehungsweise Kinder betreuen oder aus medizinischen Gründen nicht arbeitsfähig sind, handelt<br />
es sich um rund 60 Personen, die seit Jahresbeginn hinsichtlich einer Arbeitsintegration gezielt<br />
gefördert werden und/oder eine Arbeitsstelle suchen.<br />
Vorläufig Aufgenommene mit <strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung werden im Rahmen des Case-Managements<br />
mit spezifischen Integrationsmassnahmen gefördert, damit sie sich kurz- bis mittelfristig aus der<br />
<strong>Sozialhilfe</strong>abhängigkeit befreien können. Die Betroffenen werden über das Arbeitsintegrationszentrum<br />
(AIZ) bedarfsorientiert abgeklärt und in angemessene bestehende Angebote vermittelt. Bei<br />
mangelhafter Kooperation werden die üblichen und strengen Sanktionsregeln der <strong>Sozialhilfe</strong> angewandt.<br />
Bis anhin konnten vorläufig Aufgenommene aufgrund ihres befristeten Aufenthaltsstatus auch nur<br />
befristete Arbeiten finden, die allermeisten im Niedriglohnsegment. Ihr Status war für viele Arbeitgeber<br />
das Signal, Anfragen abzulehnen und ‹sicherere› Arbeitskräfte zu suchen. Schulabgänger<br />
mit F-Ausweis auf der Suche nach einer Lehrstelle hatten es ebenfalls sehr schwer. Eine Chancengleichheit<br />
war mit einem F-Ausweis in keiner Weise gegeben und vom Gesetzgeber auch nicht<br />
gewollt. Arbeitgeber und Ausbildungsstätten werden nun wiederholt darüber informiert, dass
50<br />
Arbeitsbemühungen oder Lehrstellenbewerbungen von vorläufig Aufgenommenen gleichberechtigt<br />
geprüft werden können wie diejenigen von B-Aufenthaltern.<br />
Koordination Integrationsförderung <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Damit für die unterschiedlichen Zielgruppen ein übersichtliches, koordiniertes Programmangebot<br />
entwickelt werden kann, wurde das Gremium ‹<strong>Kanton</strong>ale Integrationsförderung <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>› (KIF BS)<br />
als Kerngruppe des bereits bestehenden Gremiums ‹Interdepartementales Netzwerk Integration›<br />
(INI) gebildet. In diesem Gremium sind alle wichtigen kantonalen Akteure im Bereich Integration<br />
vertreten und legen gemeinsam Leitlinien, Schwerpunkte und Wirksamkeitsprüfung fest. Das<br />
Gremium setzt sich zusammen aus Vertretungen des Erziehungsdepartements (Sprachförderung,<br />
Frühförderung), des Wirtschafts- und Sozialdepartements (Amt für Wirtschaft und Arbeit sowie<br />
Asyl- und Flüchtlingskoordination), der <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong>, der Kontaktstelle für Quartierarbeit,<br />
der Ausländerberatung der GGG sowie der Integrationsstelle des Sicherheitsdepartements.<br />
Federführend in Sachen Berichtwesen gegenüber Regierung und Bund ist die Integrationsstelle des<br />
Sicherheitsdepartements, welche die Sitzungen der KIF <strong>Basel</strong> einberuft und leitet. Mit diesen Abläufen<br />
wird der Forderung des Bundes, bezüglich Integration nur noch eine Ansprechstelle in den<br />
<strong>Kanton</strong>en zu haben, Rechnung getragen.<br />
Mit einer engen Zusammenarbeit der Fachstellen Asyl und Integration wird sichergestellt, dass vorläufig<br />
Aufgenommenen der Zugang zu allen Integrationsprogrammen möglicht ist.
51<br />
DIE AUFGABEN<br />
DER ABTEILUNG MIGRATION<br />
Neue Ausländergesetze<br />
Die neue Ausländergesetzgebung des Bundes hat zu einem Anpassungsbedarf in der Organisation<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> geführt. Die Arbeiten konnten planmässig abgeschlossen werden.<br />
Thomas Mainx, Bereichsleiter Integration, Abteilung Migration<br />
1. KERNINHALTE DER NEUEN AUSLÄNDER- UND ASYLGESETZGEBUNG<br />
Kurz zusammengefasst hat die neue Gesetzgebung folgende Inhalte:<br />
1. Abgewiesene Asylsuchende erhalten seit dem 1. Januar <strong>2008</strong> nach Ende des Verfahrens an<br />
Stelle von <strong>Sozialhilfe</strong> nur noch Nothilfe und verlieren die Wohnung, bei nachgewiesener<br />
Vulnerabilität durch Alter, Kindererziehung oder Krankheit weiterhin reguläre Asylunterstützung<br />
und Wohnen.<br />
2. Vorläufig Aufgenommene (VA) erhalten im <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> SKOS-Unterstützung,<br />
verknüpft mit dem erleichterten Zugang und der Verpflichtung zum Spracherwerb<br />
und zur Arbeitsintegration.<br />
3. Die Neuordnung des Finanzsystems in Gestalt einer Kostenverschiebung vom Bund zu den<br />
<strong>Kanton</strong>en fördert unter anderem ein engeres, synergetisches Zusammenwirken aller Akteure<br />
des Migrationsbereiches mit Integrationsauftrag.<br />
Ein Hauptziel der Neuerungen ist es, alle betroffenen Personengruppen aus der Sonderzone der<br />
Vorläufigkeit zu transportieren. Asylsuchende gelten als geduldet, also stehen ihnen ‹nur› Beschäftigungsprogramme,<br />
eine wirtschaftliche Hilfe nach Asyl-Unterstützungsrichtlinien, Unterbringung<br />
und medizinische Basisversorgung zur Verfügung. Für vorläufig Aufgenommene werden hohe kantonale<br />
sowie geringere Bundesinvestitionen für Integrationsprogramme zur Verfügung gestellt.<br />
Diese werden bei einer zentralen Stelle des <strong>Kanton</strong>s gebündelt. Die Integrationspauschalen werden<br />
zweckgebunden über das WSD an die SHB ausgerichtet. Der Gesetzesinhalt hat bezogen auf die<br />
vorläufig Aufgenommenen ein klares Ziel der Integration nach dem Grundsatz: Gleichbehandlung<br />
von vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen mit Ausländern und Schweizern.<br />
Der Regierungsrat entschied sich, diese Personengruppen nach SKOS zu unterstützen und die Effekte<br />
durch ein nachgelagertes, wissenschaftlich begleitetes dreijähriges Monitoring zu überprüfen.<br />
Der <strong>Kanton</strong> beauftragte eine neu zu schaffende Abteilung Migration, die sich aus der Abteilung Asyl<br />
weiterentwickeln soll, diese Menschen rasch und nachhaltig zu integrieren. Beachtenswert ist dabei<br />
der Fakt, dass fünfzig Prozent der vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlinge Kinder und Jugendliche<br />
sind.<br />
Die Dienstleistungen für alle benannten Personengruppen sollten effektiv und bedarfsgerecht ausgestaltet<br />
werden. Ein angepasstes Berichtswesen, das Monitoring im direkten Vergleich mit dem<br />
<strong>Kanton</strong> Luzern und ein Reporting an den Regierungsrat <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> über den Integrationserfolg im<br />
‹Soziallabor <strong>Basel</strong>› sollen als Leistungsausweis und Ergebniskontrolle dienen.
52<br />
2. ÜBERBLICK ÜBER DIE VERÄNDERUNGEN VON 2007 AUF <strong>2008</strong><br />
BEZOGEN AUF DIE SOZIALHILFE<br />
Kliententyp Dossierzahl Unterstützung Unterstützung Massnahmen<br />
2007 <strong>2008</strong> <strong>2008</strong><br />
Flüchtlinge (mit Anerkennung) ca. 65 SKOS SKOS gezielte individuelle Integrationsmassnahmen<br />
Vorläufig Aufgenommene (VA) ca. 90 Asyl VA 7+ <strong>2008</strong> bestehende und neue Förderangebote<br />
VA 7+ über und VA 7– unter (240 Pers.) VA 7– 2009<br />
sieben Jahre Aufenthalt in CH 180 VA 7+<br />
60 VA 7–<br />
Im laufenden Asylverfahren ca. 125 Asyl Asyl grundlegende allg. Integrationsmassnahmen<br />
(ca. 160 Pers.)<br />
Negativentscheid (SH-Stöppler) ca. 25 Asyl<br />
(40 Pers.) Nothilfe keine Integrationsmassnahmen<br />
NEE 8 Nothilfe<br />
AUG (ex-ANAG) ca. 30 Ø Nothilfe<br />
3. WIE PASSTE SICH DIE ORGANISATION SEIT MITTE 2007 AN?<br />
Ab April 2007 begannen die organisatorischen Vorarbeiten, die kurze Zeit später in die amtsweite<br />
Reorganisation im Projekt OPAL unter dem Titel ‹Teilprojekt Migration› unter Beteiligung aller involvierter<br />
Abteilungen der SHB eingebunden wurden. Erstes Ergebnis war ein zeitliches Grobraster von<br />
Mitte 2007 bis Mitte <strong>2008</strong> unter der Federführung der zu diesem Zweck eingerichteten Steuerungsgruppe.<br />
Unter dem Projektbegriff IADUK wurden verdankenswerterweise von der hausinternen IT-Abteilung<br />
unter höchstem Zeitdruck und mit Hunderten von Extraarbeitsstunden fünf neue Dossierarten aus<br />
dem Boden gestampft, um im Rechnungswesen für den <strong>Kanton</strong> Unterschiede in den Aufwendungen<br />
differenziert nach den neuen Personengruppen sichtbar zu machen sowie das frühere Asylbudget in<br />
das Gesamtbudget der SHB zu integrieren. Schnittstellenabsprachen auf mittlerer Kaderebene klärten<br />
den zukünftigen Klientenzufluss nach den Aufenthaltskategorien und die damit verknüpften<br />
Verantwortlichkeiten. Ab Mitte 2007 hatten dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Migrationsklienten<br />
soweit wie möglich nach dem künftigen Dienstleistungsbedarf und den Dienstleistungsnotwendigkeiten<br />
segmentiert. Während der Sommermonate wurden in Sitzungen mit den<br />
zuständigen Sozialberatern, den Kollegen beim Sicherheitsdepartement (SiD) und den betroffenen<br />
Migranten (Familien) die in Einzelfällen harten gesetzlichen Realitäten bei etwa vierzig Personen mit<br />
letztinstanzlichem Negativentscheid erklärt und vorbereitet.<br />
In einer ersten Welle konnten vom <strong>Kanton</strong> 56 Personen über ein Härtefallgesuch an das BFM dauerhaft<br />
geregelt werden. Einige wenige Teilfamilien und Einzelpersonen warten auch ein halbes Jahr<br />
später noch auf eine Antwort. Einige tauchten unter, und nach einer Vorbesprechung mit der Securitas<br />
mussten effektiv noch fünf Einzelpersonen aus den Horburgliegenschaften ausgewiesen werden.<br />
Ab September 2007 begannen die Schulungen für alle MitarbeiterInnen der neuen Abteilung: BFS-<br />
Felder, SKOS-Richtlinien, flüchtlingsspezifisches Anwenderwissen, junge Erwachsene, Coaching und<br />
Fallbesprechungen teamintern durch SKOS-erfahrene MitarbeiterInnen waren die zu beackernden<br />
Themengebiete. Der Einsitz und eine Mitarbeit dieser Abteilung mit erweitertem Auftrag in die AG<br />
<strong>Sozialhilfe</strong>praxis (AG SOPRA) wurde notwendig und realisiert. Eine Mitarbeiterin (70%) mit flüchtlingsspezifischem<br />
Spezialistenwissen wechselte auf den 1. Dezember 2007 in die Migration. Eine<br />
supervidierte Retraite im April <strong>2008</strong> wird zeigen, wo das hauptsächlich von den vielen Anpassungen<br />
betroffene Integrationsteam derzeit steht und was in Zukunft noch optimiert werden muss.
53<br />
4. HERAUSFORDERUNGEN UND NEUE AUFGABENFELDER IM JAHR <strong>2008</strong><br />
Wir erarbeiten eine Aktualisierung des Abteilungskonzeptes unter Einbezug aller Teams. Das Gerüst<br />
der neuen Abteilung steht, jetzt sammeln wir Erfahrungen, lernen täglich aus den Fehlern und im<br />
Neuland der komplexen und vielfältigen SKOS-Anwendungen. Nach dem inhaltlichen Füllen des<br />
Gerüstes hoffen wir, innert der nächsten ein bis zwei Jahre belastbare Erfolgszahlen für eine weitere<br />
Professionalisierung in der wirtschaftlichen Unterstützung, der Sozialberatung und Integration von<br />
MigrantenInnen vorlegen zu können.<br />
Eine Problematik zeigte sich sehr schnell in der Anwendung eines statischen, unflexiblen Modells<br />
bezüglich eines abgestuften Einsatzes von Personalressourcen (KSB/SB-Segmentierungsmodell) unterschieden<br />
nach Aufenthalts- und Personengruppen: Bei den meisten Asylsuchenden ist der endgültige<br />
Verbleib in der Schweiz nicht abschätzbar, und aus der Fachliteratur ist hinlänglich bekannt,<br />
dass die erste Zeit nach der Einreise prägend für den weiteren Integrationserfolg ist.<br />
Ob die Weichen beim Spracherwerb, der Arbeitsintegration, in Hinsicht auf einen Schul- und Ausbildungserfolg<br />
von Kindern und Jugendlichen positiv gestellt oder negativ verstärkt werden, was<br />
eine Chronifizierung einer <strong>Sozialhilfe</strong>abhängigkeit, Verharren in Krankheit und Traumatisierungen,<br />
Resignation und Motivationsverlust zur Folge haben könnte, hängt in entscheidendem Masse von<br />
einem «integrationsorientierten, fordernden und fördernden, sozialarbeiterischen» sowie sorgfältig<br />
geplanten und zielorientierten Engagement der Fachpersonen der Abteilung Migration und einer<br />
gewollten Anstrengung der MigrantInnen vom ersten Tag der Zuweisung zum <strong>Kanton</strong> ab. Daraus<br />
folgert für uns zwingend, dass für alle Personengruppen ausser denjenigen im Nothilfebereich je<br />
nach individuellem, prozesshaft beobachtbarem, tatsächlichem Integrationsverlauf die gesamte<br />
Palette des administrativen und sozialarbeiterischen Settings variabel weiterhin zur Verfügung stehen<br />
sollte.<br />
Der <strong>Kanton</strong> ist bereits dabei, mit allen wichtigen Akteuren auf dem Platz <strong>Basel</strong> (WSD, AIZ, Integration<br />
<strong>Basel</strong>, SHB, Bildungsträger für Integrationsprogramme) auf die verschiedenen Personengruppen<br />
und Lebenssituationen zugeschnittene Massnahmen zum Spracherwerb und zur begleiteten Beschäftigung<br />
Assessmentstrukturen und Coachingmodule für die Arbeitsintegration zu planen, Gelder<br />
zu sprechen und Klienten dafür zu motivieren und zuzuweisen.<br />
Um die Zielerreichung zu unterstützen, hat die Ausbildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen<br />
und Migranten (ABSM) ein spezifisches zehnwöchiges Vorbereitungsprogramm zur beruflichen Integration,<br />
bestehend aus den Modulen Einzelassessment, Spracherwerb, Zielvereinbarung, PC-Schulung,<br />
Arbeitstraining und einer durch Overall gecoachten Suche nach einer Anschlusslösung, als<br />
Pilotprojekt gestartet. Das selbst gesteckte Ziel, dass fünfzig Prozent der TeilnehmerInnen nach<br />
Durchlaufen der drei Module eine Anschlusslösung gefunden haben, ist ambitioniert und wird von<br />
den Projektpartnern gemeinsam ausgewertet werden.<br />
Die Ergebnisse aus den Tertialmonitorings und aus den von den Mitarbeitern erstmals im Oktober<br />
<strong>2008</strong> durchgeführten Einzelinterviews im Stile einer Erstellung eines Tiefenprofils des Integrationserfolges<br />
oder -misserfolges können als aussagekräftiger Indikator für das Basler Integrationsmodell<br />
und als Leistungsausweis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der neuen Abteilung Migration herangezogen<br />
werden.<br />
Die Zunahme des externen Controllings und die höhere Komplexität der SKOS-Unterstützung, die<br />
erhebliche Zunahme der administrativen und statistischen Arbeitsaufträge verkleinerten die für<br />
beraterische und integrative Sozialarbeit verfügbaren Zeitressourcen der Mitarbeiter. Diese Effekte<br />
werden wir in den nächsten Monaten sehr aufmerksam beobachten und analysieren und wo nötig<br />
versuchen, Gegensteuer zu geben.<br />
Ohne genügend Ressourcen für unser Kerngeschäft – motivierende, begleitende Sozialarbeit mit<br />
dem vernetzten Denken und Handeln des Case-Managements – könnten viele der anspruchsvollen<br />
Ziele dieser Reorganisation lediglich schwer erreichbare Ideale und damit kontraproduktiv, nämlich<br />
frustrierend und demotivierend für Klienten und Mitarbeiter, bleiben.<br />
Wir beobachten eine hohe Anspruchshaltung eines Teiles der vorläufig Aufgenommenen und anerkannten<br />
Flüchtlinge, eine gewisse Versorgungsmentalität – der erforderliche Druck in Bezug auf<br />
verstärkte Bemühungen der Klientschaft in Hinsicht auf Ablösung und Arbeitsintegration führt<br />
vermehrt zu Auseinandersetzungen, die von den MitarbeiterInnen Klarheit und Standfestigkeit verlangen.
54<br />
Auch andere Teams in der Migration befinden sich im steten Fluss der Veränderung: Das Team Rückkehrberatung<br />
und Rückkehrhilfe erfährt eine Stellen- und Aufgabenerweiterung durch das Pilotprojekt<br />
‹Pendenzenabbau problematischer Ausländer in der <strong>Sozialhilfe</strong>›, in dem Menschen, die<br />
pflichtgemäss ausreisen müssen oder für die einsichtig wird, dass nach vielen Jahren in der Schweiz<br />
eine Integration nicht gelingen will beziehungsweise kann, oder die keine Perspektiven mehr in<br />
einer Dauersozialhilfeabhängigkeit sehen, beraten, gecoacht und temporär unterstützt werden.<br />
Das Team Intake und die Vulnerablenbetreuung sind in den letzten Monaten zunehmend durch eine<br />
erhöhte Zahl von Zuweisungen Dauerkranker und Hochvulnerabler gefordert, was prognostizieren<br />
lässt, dass mit kostensteigernden Massnahmen im Unterbringungs- und Wohnheimbereich reagiert<br />
werden muss.
55<br />
SOZIALHILFE<br />
IM PARADIGMAWECHSEL<br />
Aktivieren statt Versorgen<br />
Rolf Maegli, Vorsteher <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong>, Anne Burri, Büro für soziale Arbeit<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> steht in einem gesellschaftlich bedingten Umbruchprozess. Die Folgen<br />
von Rationalisierung und Globalisierung, das stetige Verschwinden von Arbeitsplätzen für wenig<br />
ausgebildete Arbeitskräfte sowie die soziale Individualisierung und die Veränderung der familiären<br />
Beziehungen bedingen eine hohe Komplexität ihrer Aufgaben. Die an die <strong>Sozialhilfe</strong> gerichteten<br />
Erwartungen werden immer differenzierter und anspruchsvoller, ihr Adressatenkreis entsprechend<br />
vielschichtiger. Zudem hat sie sich mit dem auf unterschiedlichen Faktoren gründenden Interesse der<br />
Politik und der Medien auseinanderzusetzen.<br />
Notwendig sind deshalb grundsätzlich neue Leitgedanken, welche die aktuelle Problematik aufnehmen<br />
und lösungsorientierte Handlungsansätze widerspiegeln. Frühere, damals ebenfalls vom Zeitgeist<br />
inspirierte, theoretische Leitlinien werden den Anforderungen unserer Zeit nicht mehr gerecht:<br />
• Die paternalistische Fürsorge sah den hilfsbedürftigen Menschen als einen Empfänger fürsorglicher<br />
Zuwendung und Hilfeleistungen, welche vor dem Hintergrund eines christlich-humanistisch<br />
geprägten Welt- und Menschenbildes gewährt wurden. Damit verbunden war die Überzeugung,<br />
dass Armut unverschuldet, aber auch selbstverschuldet entstanden sein könnte. Die<br />
‹Fürsorge› basierte in der Regel auf einer sehr beziehungsorientierten Einzelfallarbeit, welche<br />
oft von grosser Empathie für die Betroffenen geprägt war. Die ‹Hilfsperson› stand in einem sehr<br />
engen Verhältnis zu ‹ihrem Schützling›.<br />
• Später entstand daraus aufgrund gesellschaftspolitischer Veränderungen die Theorie einer <strong>Sozialhilfe</strong><br />
(oder sozialen Arbeit) nach anwaltschaftlichem Modell. Die Klientschaft der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
wurde als Opfer einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung definiert; die <strong>Sozialhilfe</strong> interpretierte<br />
demnach ihre Aufgabe als Interessensvertretung ihrer Klientinnen und Klienten im Kampf<br />
gegen strukturelle Gewalt und in der Verteidigung ihrer Bürgerrechte. Geleitet von der Idee<br />
einer ‹gerechten› Verteilung gesellschaftlich erwirtschafteter Güter wurde der Fokus auf eine<br />
möglichst umfassende materielle Unterstützung gerichtet.<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> geht heutzutage vom systemischen Ansatz aus. Im Zentrum steht dabei die Erkenntnis,<br />
dass Eigenressourcen der Klientinnen und Klienten in ihrem persönlichen Bezugsumfeld zu<br />
erkennen und zu fördern seien. Dabei versteht sich die <strong>Sozialhilfe</strong> als eine Managerin der verschiedenen<br />
‹Systeme›; sie hat im Netzwerk von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft soziale Zusammenhänge<br />
zu analysieren und darauf basierende Massnahmen für möglichst pragmatische, nachhaltige<br />
Problemlösungen zu entwickeln.<br />
AKTIVIERUNG DER INDIVIDUELLEN RESSOURCEN<br />
Im Fokus des Selbstverständnisses einer zeitgemässen <strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung steht deshalb die<br />
Aktivierung ihrer Klientschaft. Die ausschliesslich finanzielle Sicherung des Existenzbedarfs reicht zur<br />
nachhaltigen Lösung der Problemsituationen der Betroffenen nicht aus; der Gefahr der Chronifizie-
56<br />
rung von Armut muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegengewirkt werden.<br />
Die Schweizerische Konferenz für <strong>Sozialhilfe</strong> (SKOS) hat diesen Beratungsansatz bereits in ihre Richtlinien<br />
aufgenommen, und auch in der Bundesverfassung ist neben dem Rechtsanspruch auf Hilfe in<br />
Notlagen eine Pflicht zur Selbstverantwortung festgeschrieben – grundsätzliche Rahmenbedingungen<br />
also, auf welche sich die zukunftsgerichteten Strategien der <strong>Sozialhilfe</strong> beziehen. Es müssen<br />
daher neue Konzepte, Methoden und Instrumente der Beratung und Begleitung entwickelt und eingesetzt<br />
werden, welche eine Veränderung und Verbesserung der individuellen Problemsituationen<br />
der Betroffenen unterstützen und fördern. Die sozial bedürftigen Menschen sollten ihre eigenen<br />
Ressourcen und Fähigkeiten erkennen lernen, ihre Eigenverantwortung sollte herausgefordert und<br />
begleitet, ihr Wille zur Veränderung und zur Lösung von Problemen geweckt werden, notfalls sogar<br />
mit dafür geeigneten angepassten Zwangsmassnahmen.<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> bezeichnet sich nicht mehr als ‹Versorgerin von Bedürftigen›. Sie will vielmehr ihre<br />
Klientinnen und Klienten dazu motivieren, Problemsituationen zu erkennen und zu verändern. Sie<br />
will individuell angepasste, bedarfsgerechte Auswege aus der <strong>Sozialhilfe</strong>abhängigkeit zusammen<br />
mit ihrer Klientschaft ausfindig machen und dafür sorgen, dass Selbstverantwortung und Eigenständigkeit<br />
gefördert werden. Aktivierung soll eine Bewusstseinsveränderung bewirken und Denkprozesse<br />
in Gang setzen, ohne jedoch die Wertschätzung und Akzeptanz der Persönlichkeit der Einzelnen<br />
zu missachten, im Bewusstsein, dass angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Bedingungen nicht in allen Fällen nachhaltige Problemlösungen ohne langdauernden <strong>Sozialhilfe</strong>bezug<br />
zu realisieren sind.<br />
Die massgeblichen Ziele sind deshalb:<br />
• Integration oder Reintegration in einen Arbeits- oder Ausbildungsprozess<br />
• Integration in sozial tragfähige Beziehungen<br />
• nachhaltige Lösung von akuten Problemsituationen<br />
• Verhinderung von Missbrauch beim Bezug von <strong>Sozialhilfe</strong><br />
DAS PRINZIP: MITWIRKUNG<br />
Basierend auf der Strategie der Aktivierung wird der Mitwirkungspflicht der Klientinnen und Klienten<br />
höchste Bedeutung zugemessen. Die <strong>Sozialhilfe</strong> hat mit entsprechenden Interventionen und<br />
Massnahmen dafür zu sorgen, dass eine persönliche Gegenleistung zur materiellen, finanziellen<br />
Unterstützung erbracht wird. Welches Mass an Eigenverantwortung und welche Möglichkeiten zum<br />
selbstständigen Handeln den Einzelnen zugemutet werden können, ist im Einzelfall angepasst und<br />
differenziert abzuklären. Aufgrund des Prinzips der Mitwirkungspflicht lässt sich die Palette der verschiedenen<br />
Massnahmen und Vorgehensweisen im Einzelfall begründen, wobei jedoch immer die<br />
übergeordneten Zielsetzungen der Aktivierung und der sozialen Integration beachtet werden müssen.<br />
Durch das Prinzip der Mitwirkungspflicht bekräftigt die <strong>Sozialhilfe</strong> zukünftig ihr neues Selbstverständnis:<br />
Sie ist nicht mehr ‹Rentenanstalt für Bedürftige›, sondern Partnerin bei der Suche und<br />
der Erschliessung von bedarfsgerechten Auswegen aus der Abhängigkeit, welche sich individuell<br />
sehr unterschiedlich gestalten können.<br />
Aktivierung im Rahmen der Mitwirkungspflicht ist also keine frei wählbare Option, sondern direkt<br />
an die finanzielle Unterstützung gekoppelt, wobei unter den gegebenen wirtschaftlichen und<br />
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einzugestehen ist, dass eine nachhaltige Ablösung von<br />
<strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung nicht in allen Fällen in absehbarer Zeit zu realisieren ist.<br />
MASSNAHMEN UND INSTRUMENTE ZUR UMSETZUNG<br />
DER AKTIVIERUNGSSTRATEGIE<br />
Damit die zur Verfügung stehenden Mittel effizient und bedarfsgerecht eingesetzt werden können,<br />
sind eine klientenbezogene Situationsanalyse sowie eine entsprechende Kontrolle im Prozessverlauf<br />
einer jeden Fallführung unerlässlich.<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> muss in der Lage sein, gerade auch bei Menschen mit schwieriger Mehrfachproblematik<br />
und ohne erkennbare Eigeninitiative, die Motivation zur Veränderung zu wecken und<br />
zu fördern. Sie muss mit geeignetem, differenziertem Instrumentarium die individuell angepassten,<br />
notwendigen Entwicklungsschritte einleiten und begleiten können. Die Klientinnen und Klienten
57<br />
sollten eine akzeptierende, transparente und konsequente Haltung in der Zusammenarbeit mit ihrer<br />
Kontaktperson erfahren. Grundsätzlich muss geklärt werden, ob ein ‹Nicht-Wollen› oder ein ‹Nicht-<br />
Können› die individuelle Entwicklung zur Selbstständigkeit verhindert.<br />
In der Fallführung muss in jedem Einzelfall definiert werden, welches Ziel (oder welche Ziele) im<br />
Prozess der <strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung erreicht werden sollen. Nach einer umfassenden Anamnese<br />
der Problemsituation der Betroffenen werden (nach Bedarf mit zusätzlichen Assessments) weiterführende<br />
Erkenntnisse gemeinsam mit den Klientinnen oder Klienten in angepasste Handlungsstrategien<br />
umgesetzt und regelmässig begleitend überprüft. Das Entwickeln von Alternativen zu<br />
scheinbar gefestigten Handlungsmustern und das Aufzeigen und Üben kleiner Schritte zu erfolgversprechenden<br />
Perspektiven sind wesentliche Themen im Aktivierungs- und Mitwirkungsprozess.<br />
Neben dem konsequenten professionellen methodischen Handeln und der Verfolgung der allgemein<br />
anerkannten übergeordneten Zielsetzungen erfordert das Aktivierungsprinzip auch weiterführende<br />
generelle Projekte und Ideen auf verschiedenen Handlungsebenen. Zudem sind die kontinuierliche,<br />
periodische Überprüfung von Zielsetzungen und Massnahmen (Monitoring) sowie die<br />
systematische Analyse von Erfahrungswerten als Grundlage zu einer generellen Bedarfsplanung<br />
unumgänglich. Der gezielten, verbindlichen Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistern im sozialen<br />
<strong>Basel</strong> und der optimalen Nutzung interner und externer Synergien muss zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit<br />
gewidmet werden.<br />
Trotz der unumgänglichen Individualisierung sind aber gewisse Kategorisierungen für den Gesamtbetrieb<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> von Vorteil. Zu diesen zu differenzierenden Gruppen gehören insbesondere:<br />
• Menschen in gesundheitlich schwierigen Problemsituationen (psychisch, physisch)<br />
• Menschen mit Suchtproblematik<br />
• junge Erwachsene<br />
• Menschen mit Migrationsproblematik und besonderen kulturellen Bezugsfeldern<br />
• alleinerziehende Eltern<br />
• Menschen mit fehlender Wohnkompetenz<br />
• Menschen ohne soziale Beziehungen mit drohender sozialer Desintegration<br />
• Menschen mit diversen altersbedingten Problemsituationen<br />
• Menschen ohne Arbeit mit besonderen Bildungsdefiziten<br />
• Familiensysteme ohne Arbeitsleistungen<br />
• Menschen mit unklarer Arbeitsfähigkeit<br />
Die Analyse der Problemlagen im Einzelnen erfordert eine Entscheidung zu bestimmten Fallführungsstrategien.<br />
In jedem Einzelfall muss eine solche Strategie nachweisbar und nachvollziehbar<br />
sein, wobei individuell gleichzeitig auch mehrere Strategien verfolgt werden können. Auch Strategiewechsel<br />
aufgrund spezieller Vorkommnisse und Veränderungen sind je nach Bedarf angebracht.<br />
Basis dieser Fallstrategien ist in jedem Fall die konsequente Einforderung der Mitwirkung (Gegenleistung)<br />
der Klientinnen und Klienten. So umfassen einzelne Fallführungsstrategien beispielsweise:<br />
a) Bekämpfung von <strong>Sozialhilfe</strong>missbrauch (Hausbesuche, Präsenzkontrollen, Sanktionen,<br />
Leistungseinstellung)<br />
b) Rückkehrhilfe und Beratung<br />
c) Stabilisierung sozialer Situationen, Verhinderung von Desintegration (Vermittlung von Tagesstruktur,<br />
Vermittlung von gesundheitlichen Massnahmen, betreutes Wohnen, therapeutische<br />
externe Begleitung)<br />
d) Integration in den ersten Arbeitsmarkt (Arbeitsintegrationsmassnahmen, Bewerbungstraining,<br />
Sprachkurse, Weiterbildung)<br />
e) soziale und gesellschaftliche Integration (Beschäftigungsprogramme, Integrationskurse,<br />
Freizeitprogramme, Zugang zu Selbsthilfeorganisationen)<br />
f) Sicherung der Wohnsituation (Wohnbegleitung, soziale Wohnungsvermittlung)<br />
g) Sozialrente als Überbrückungshilfe<br />
h) Gesundheitliche Abklärungsmassnahmen (Therapievermittlung, Arztvermittlung,<br />
IV-Anmeldung)
58<br />
AKTIVIERUNG ALS GRATWANDERUNG<br />
Der bedarfsorientierte Beratungsansatz und die zielgerichtete Aktivierung auf der Grundlage der<br />
geforderten Mitwirkung bedeuten in vielen Fällen eine Gratwanderung zwischen Achtung von Persönlichkeitsrechten,<br />
Datenschutz, Selbstbestimmung und Zwang. Es ist oft schwierig festzustellen,<br />
ob hilfebedürftige und hilfeabhängige Menschen berechnend, wissentlich unrechtmässig oder aus<br />
Bequemlichkeitsgründen Unterstützungsmassnahmen fordern oder ob sie aufgrund ihrer Biografie,<br />
ihrer besonderen psychischen oder physischen Gesundheit oder wegen der kulturellen Entwurzelung<br />
nicht in der Lage sind, ohne Druck und weitere entsprechende Begleitungs- oder Zwangsmassnahmen<br />
ihre Selbstverantwortung und Motivation zur Problemlösung oder zumindest Problemveränderung<br />
aktiv wahrzunehmen. In diesem von Widersprüchen und komplexen Erwartungen geprägten<br />
Alltag hat sich die <strong>Sozialhilfe</strong> zu bewähren. Allen Interessen dabei gleichwertig gerecht zu werden<br />
ist ein Ziel, das nur bedingt zu erreichen ist.
59<br />
RESULTATE<br />
DER KUNDENBEFRAGUNG 2007<br />
Qualitätssicherung in der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
Zur besseren Lesbarkeit enthält der Text meistens die männliche Form.<br />
Die Kundenbefragung 2007 beweist, dass eine solche Befragung generell aufschlussreich ist und<br />
zeigt erst noch auf, wo sich die <strong>Sozialhilfe</strong> verbessern kann.<br />
Christine Nagel, kfm. Mitarbeiterin Amtsleitung<br />
WIESO KUNDENBEFRAGUNG?<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> hat als erste derartige Stelle in der Schweiz ein Qualitätssicherungs-<br />
System eingeführt und dafür die ISO-Zertifizierung (9001:2000) erhalten. Sie ist gemäss den Normanforderungen<br />
verpflichtet, die Kundenzufriedenheit systematisch zu erheben, zu beurteilen und<br />
allenfalls daraus abgeleitete Massnahmen zur Verbesserung ihrer Prozesse zu ergreifen.<br />
Um ein Instrument zur Erhebung der Kundenzufriedenheit zu entwickeln, hat die <strong>Sozialhilfe</strong> der<br />
<strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> im Jahr 2005 einen Projektauftrag an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule<br />
für Wirtschaft, ausgeschrieben. Vier Studierende wurden im Rahmen einer Projektarbeit mit der Ausarbeitung<br />
dieses Instrumentes betraut. Anforderungen an das fertige Produkt waren, dass es in Zukunft<br />
wiederholbar, einfach in der Handhabung und mit geringem Aufwand und Kosten einsatzfähig<br />
sein soll.<br />
Als Kunden der <strong>Sozialhilfe</strong> versteht man per Definition die Klientinnen und Klienten, Alimentenschuldner<br />
oder Verwandte, Mitarbeitende, den <strong>Kanton</strong> und die Bürgergemeine als Auftraggeber<br />
sowie Partnerorganisationen. Wir haben uns 2007 bei den Befragungen bewusst auf unsere Klienten<br />
und Klientinnen fokussiert, um keine Qualitätseinbusse oder Oberflächlichkeit der Resultate zu<br />
riskieren. Mittels objektiv zu beantwortenden Fragestellungen soll festgestellt werden, ob die Leistungen<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> als Betrieb fachgerecht erbracht wurden. Daraus können wichtige Informationen<br />
für die Leitung und Planung gewonnen werden.<br />
REPRÄSENTATIVE BEFRAGUNG MIT METHODE<br />
Im August und September 2007 haben Studierende während drei Wochen insgesamt 644 Klienten<br />
befragt. Dies entspricht mehr als zehn Prozent des Fallbestandes auf Dossierebene (Grundlage: Zahlen<br />
Juni 2007 mit 5484 Zahlfällen. Unter dem Begriff Zahlfälle versteht man eine Unterstützungseinheit,<br />
die sowohl aus einer Person als auch aus einer Familie mit Kindern bestehen kann). Um eine<br />
höhere Repräsentativität zu gewährleisten als bei einer zufälligen Stichprobe, wurde darauf geachtet,<br />
dass in jeder Abteilung und in jedem befragten Bereich eine zu ihrem Anteil an der Grundgesamtheit<br />
proportionale Anzahl Klienten befragt wurde (geschichtete Stichprobe). Aufgrund<br />
dieser grossen geschichteten Stichprobe, können wir davon ausgehen, dass die Resultate in den<br />
zahlenmässig grossen Klientenbereichen normalverteilt zur Grundgesamtheit stehen und ein dementsprechend<br />
aussagekräftiges Ergebnis liefern. In kleineren Klientenbereichen haben wir nahezu<br />
eine Vollerhebung durchgeführt, was ebenfalls eine stichhaltige Aussage zulässt. Es war die erste
60<br />
Die Zufriedenheits-Befragungen wurden dieses Jahr in den folgenden Abteilungen durchgeführt:<br />
Abteilung Intake + Grundlagen<br />
(inkl. Erstkontakt und Case-<br />
Management-Beratung, CM)<br />
Abteilung Integration<br />
Abteilung Asyl<br />
betreut Klienten bis zu drei Monaten intensiv<br />
und nimmt Abklärungen zum Recht auf Unterstützung vor<br />
betreut Langzeitfälle mit einer Unterstützungsdauer<br />
von mehr als vier Monaten<br />
betreut Asylsuchende<br />
Die Befragungen fanden am Sitz der <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> sowie in drei Asylunterkünften statt.<br />
Je nach Abteilung und Bereich wurde mit einem Fragebogen gearbeitet, der zwischen fünf und<br />
fünfzehn geschlossene Fragen in Umgangssprache und die Möglichkeit eines offenen Feedbacks<br />
am Ende enthielt. Zur Beantwortung war meistens eine Vierer-Auswahl mit folgender Abstufung<br />
gegeben: Trifft sehr zu, trifft zu, trifft eher nicht zu, trifft nicht zu, womit eine relativ klare Abgrenzung<br />
zwischen positiver und negativer Beantwortung gemacht werden kann.<br />
repräsentative Erhebung im Vergleich zu 2006, wo nur ein Pilot mit Total 183 Befragungen durchgeführt<br />
wurde.<br />
ANZAHL AUSGEFÜLLTE FRAGEBOGEN<br />
Die Vorgabe, in jeder Abteilung zehn Prozent der Klienten zu befragen, wurde – ausser in der Abteilung<br />
Integration und im Bereich Freier Wohnraum der Abteilung Asyl – überall übertroffen.<br />
* Basis: Tutoris-Fallbestand Juni 2007.<br />
Beinhaltet Doppelnennungen und<br />
zusätzliche Asylzahlen.<br />
Fragebogen Fallbestand* Soll Ist in Prozent<br />
Erstkontakt 86 9 36 400<br />
Intake 743 74 87 118<br />
CM 140 14 35 250<br />
Integration 4 712 471 418 89<br />
Asyl WUMA 15 2 8 400<br />
Asyl Intake und Vulnerable 55 6 13 260<br />
Asyl Integration 107 11 33 300<br />
Asyl freier Wohnraum 205 21 14 67<br />
Total 607 644<br />
Anzahl vorgegebener und tatsächlich ausgefüllter Fragebogen<br />
In der Abteilung Integration war man zufrieden mit den erreichen 418 Befragungen (entspricht<br />
89 Prozent), da bereits diese grosse Anzahl – die als einzige dreistellig ist und wo von einer Normalverteilung<br />
ausgegangen werden kann – eine gute Repräsentativität zulässt.<br />
Im freien Wohnraum der Abteilung Asyl hat es sich als schwierig erwiesen, die Vorgabe zu erreichen,<br />
da die Befrager darauf angewiesen waren, die vergleichsweise wenigen Klienten vor oder nach einer<br />
Vorsprache im Amt für die Befragung zu gewinnen. Eine Befragung an deren Privatadresse stand<br />
ausser Frage. Um genügend Klienten aus diesem Bereich zu erreichen, haben die Sozialberater vom<br />
Bereich freier Wohnraum bereits einen Monat vor den offiziellen Befragungen im Amt ihren Klienten<br />
einen Fragebogen mit einem Rückantwortbriefumschlag abgegeben und sie gebeten, sich an<br />
unserer Umfrage zu beteiligen.<br />
RESULTATE AUS DEN EINZELNEN ABTEILUNGEN UND BEREICHEN<br />
Grosse Zufriedenheit bei Erstkontakten<br />
Eine erfreuliche Entwicklung konnte bei den Klienten festgestellt werden, die sich den ersten Tag<br />
in <strong>Sozialhilfe</strong> befinden und eben ihr Erstgespräch hatten: 100 Prozent der befragten Klienten gaben<br />
an, respektvoll oder sehr respektvoll behandelt worden zu sein. Dies entspricht einer Steigerung<br />
von 5,6 Prozent seit 2006. Das spricht für die jahrelangen Anstrengungen in <strong>Basel</strong>, das Aufnahme-
61<br />
verfahren (Intake) in die <strong>Sozialhilfe</strong> zu systematisieren. Unter anderem konnte mit diesem Verfahren<br />
erreicht werden, dass ein grosser Teil von Fällen bereits in den ersten vier Unterstützungsmonaten<br />
abgeschlossen werden kann.<br />
Im Vergleich zum Vorjahr fällt auf, dass sich die Hilfesuchenden schneller an die <strong>Sozialhilfe</strong> wenden<br />
als früher. Waren es im Vorjahr nur rund ein Drittel, die nur ein paar Wochen gewartet haben, so<br />
sind es 2007 drei Viertel, die innert ein paar Wochen bereits bei der <strong>Sozialhilfe</strong> vorstellig werden.<br />
Mehr Klientengespräche dank besserer Personalsituation<br />
In der Abteilung Integration zeigen die getroffenen Massnahmen betreffend dem Vorsprachen-<br />
Intervall Wirkung: Das Vorsprache-Intervall ist im Vergleich zu 2006 kürzer geworden. Neu treffen<br />
32 Prozent der Klienten mehrmals oder einmal im Monat Ihre Sachbearbeiterin oder ihren Sachbearbeiter.<br />
Im 2006 waren dies nur 13 Prozent. Daraus wird ersichtlich, dass sich die Personalsituation<br />
deutlich verbessert hat: die Fallbelastung pro Mitarbeiter konnte dank neu bewilligten Stellen<br />
und dem Fallrückgang deutlich verbessert werden.<br />
WIE OFT SEHEN SIE IHRE BERATERIN, IHREN BERATER?<br />
Abteilung Integration<br />
2006 2007<br />
29%<br />
27%<br />
13%<br />
58%<br />
5%<br />
13%<br />
55%<br />
mehrmals pro Monat<br />
einmal pro Monat<br />
alle zwei bis drei Monate<br />
seltener<br />
Telefonische Erreichbarkeit bleibt ein Problem<br />
Die Zufriedenheit mir der telefonischen Erreichbarkeit ist aber im Vergleich zum Vorjahr generell gesunken<br />
(–29% im Intake runter auf 56% der Befragten, –9% im CM auf neu 69% der Befragten und<br />
–6% auf 55% der Befragten in der Integration). Gleichentags zurückgerufen wird bei: 50% im Intake,<br />
54% im CM und 44% in der Integration, was im Intake einer Verschlechterung von 19%, im<br />
CM –1% und in der Integration –7% entspricht. Weiter wurde festgestellt, dass rund ein Viertel der<br />
Befragten entweder Ihre Sachbearbeiterin/ihren Sachbearbeiter immer erreichen oder das Telefon<br />
als Kommunikationsmittel nicht nützen und deshalb keine Meinung zum Thema haben. Diese Frage<br />
wurde von den Befragten mit Abstand am meisten leer gelassen. Dies hat uns gezeigt, dass wir in<br />
Zukunft noch differenzierter nach dem Kommunikationsverhalten fragen müssen und auch E-Mails<br />
und Briefe, die direkt auf dem Amt abgegeben werden, in den Fragebogen einfliessen lassen müssen.<br />
Diese Ergebnisse der Kundenbefragung decken sich auch mit Rückmeldungen aus dem amtlichen<br />
Geschäftsverkehr. Es müssen Massnahmen für eine bessere telefonische Erreichbarkeit ergriffen<br />
werden.
62<br />
Case-Management-Beratung (CM) auf hohem Niveau zeigt Wirkung<br />
Im CM werden Klienten geführt, die einen besonderen Bedarf an Betreuung benötigen oder die<br />
gute Erfolgschancen aufweisen, wieder in den Arbeitsmarkt vermittelt werden zu können. In der<br />
Befragung hat sich gezeigt, dass im CM niemand angibt, das Merkblatt für <strong>Sozialhilfe</strong>bezüger nicht<br />
verstanden zu haben. Es gilt aber auch zu beachten, dass dieses Merkblatt im CM nicht speziell<br />
behandelt wird. Dieses Merkblatt für <strong>Sozialhilfe</strong>bezüger müssen die Klienten bei Unterstützungsbeginn<br />
als Zeichen ihrer vollständigen und wahrheitsgetreuen Angaben unterzeichen und verpflichten<br />
sich somit, jegliche Veränderungen im persönlichen Umfeld umgehend und unaufgefordert<br />
zu melden. Im Intake haben 85 Prozent das Merkblatt verstanden (selbstständig oder mit fremder<br />
Hilfe), in der Integration 77 Prozent der befragten Personen.<br />
Weniger Zufriedenheit wegen härterer Gangart der <strong>Sozialhilfe</strong>?<br />
Bei zwei Fragestellungen ist aufgefallen, dass trotz einer Zunahme von sehr zufriedenen Klienten<br />
die positive Bewertung insgesamt etwas schlechter ausfällt als im Jahr 2006. Dies war einerseits<br />
festzustellen bei der Frage, ob den Klienten das Budget erklärt wurde (Intake 86% Zustimmung entsprechen<br />
–9% und Integration 85% Zustimmung entsprechen –7% der Befragten; keine CM-relevante<br />
Frage), und andererseits bei der Frage, ob sich die Klienten von ihrem Berater ernst genommen<br />
fühlen (Intake 87% Zustimmung entsprechen –8%, CM 89% entspricht –11% und Integration<br />
85% entspricht –2% der Befragten). Diese Resultate sind möglicherweise darauf zurückzuführen,<br />
dass mit besserem Personalbestand die Fälle intensiver geführt werden, was im Ergebnis nicht immer<br />
zur Zufriedenheit der Klienten führt, weil daraus auch Leistungseinschränkungen folgen können.<br />
Mehr Zielvereinbarungen abgeschlossen und weniger Beraterwechsel<br />
Die Frage nach den persönlichen Zielen, welche die Klienten mit ihren Beratern abgemacht haben,<br />
zeigt unterschiedliche Tendenzen: Verglichen mit 2006 ist im Intake der Anteil positiver Antworten<br />
um 10 auf 64 Prozent, in der Integration um 9 auf 63 Prozent gestiegen, aber im CM um 17 auf 83<br />
Prozent der befragten Personen gefallen.<br />
Weiter wurde erhoben, ob die Klienten immer wieder mit einer anderen oder neuen Beratungsperson<br />
zu tun haben. In der Integration sind es nur noch 29 Prozent der Befragten, welche die Frage<br />
nach dem häufigen Berater-Wechsel bejahten, was einem Rückgang um 15 Prozent entspricht. Diese<br />
Entwicklung wurde angestrebt und zeigt, dass die getroffenen Massnahmen greifen.<br />
HABEN SIE IMMER WIEDER MIT EINER ANDEREN,<br />
NEUEN BERATUNGSPERSON ZU TUN?<br />
Abteilung Integration<br />
2006 2007<br />
29%<br />
56% 44%<br />
71%<br />
ja<br />
nein
63<br />
Zudem wurde festgestellt, dass in der Integration die Akzeptanz der Klienten in Bezug auf wechselnde<br />
Berater verglichen mit 2006 um 12 auf 39 Prozent der Befragten gesunken ist. Dies signalisiert,<br />
dass es ein Bedürfnis der Klienten ist, jeweils bei einer Person vorzusprechen, zu welcher<br />
sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Im CM scheint dies der Fall zu sein, denn dort liegt<br />
die Akzeptanz bei 100 Prozent.<br />
Im Intake sind die nächsten Schritte erfreulicherweise 30 Prozent besser bekannt als im Vorjahr. Neu<br />
wissen 69 Prozent der Klienten, was sie als nächstes tun werden. In der Integration hingegen wissen<br />
dies 50 Prozent der Klienten, was einem Rückgang um 9 Prozent entspricht. Auch im CM ist im Vergleich<br />
zu 2006 ein Minus von 15 auf 58 Prozent zu verzeichnen.<br />
Integrationszulagen zu wenig bekannt<br />
Die Integrationszulage kennen trotz Zunahme des Bekanntheitsgrades um durchschnittlich 25 Prozent<br />
erst um die 50 Prozent der Befragten. Im Intake sind es genau 38 Prozent der Befragten, was<br />
einer Zunahme von 33 Prozent entspricht. Im CM wissen 57 Prozent Bescheid, was einem Plus von<br />
13 Prozent entspricht und in der Abteilung Integration sind es 28 Prozent mehr, also 49 Prozent<br />
der Befragten. Auf eine Integrationszulage von monatlich CHF 100.– hat Anrecht, wer zum Beispiel<br />
Kurse an der Migros Clubschule belegt, einer ehrenamtlichen Arbeit (bei einem Verein) nachgeht, an<br />
einem Beschäftigungsprogramm teilnimmt oder aus gesundheitlichen Gründen bei keinem Programm<br />
mitmachen kann. Diese Resultate zeigen einerseits, dass mehr über die Möglichkeiten informiert<br />
werden könnte, andererseits aber auch, dass das differenzierte System der <strong>Sozialhilfe</strong> zum Teil<br />
schwer verständlich ist.<br />
Gute Betreuung im Bereich Asyl<br />
Aus dem WUMA (Wohnheim für unbegleitete, minderjährige Asylbewerber) kann Lobenswertes<br />
berichtet werden in Bezug auf den Umgang mit Asylsuchenden: 100 Prozent der Befragten fühlen<br />
sich freundlich behandelt von ihrer Sozialberaterin/ihrem Sozialberater. Nur gerade eine Person<br />
empfindet die ihr zugeteilte Beratungszeit als zu knapp. Und 100 Prozent der Befragten meinen,<br />
dass ihre Anliegen ernst genommen und sie dabei unterstützt werden.<br />
Mit der Unterbringung sind in der Abteilung Intake und Vulnerable 60 Prozent der Befragten zufrieden,<br />
in der Abteilung Integration 73 und im WUMA sogar 100 Prozent der Befragten. Nur muss<br />
SIND SIE MIT IHRER AKTUELLEN UNTERBRINGUNG ZUFRIEDEN?<br />
Abteilung Asyl<br />
31%<br />
38%<br />
13%<br />
15%<br />
9%<br />
3%<br />
49%<br />
31%<br />
87%<br />
24%<br />
Intake<br />
trifft sehr zu<br />
trifft zu<br />
trifft nicht zu<br />
WUMA<br />
trifft sehr zu<br />
trifft zu<br />
Integration<br />
trifft sehr zu<br />
trifft zu<br />
trifft eher nicht zu<br />
trifft nicht zu<br />
leere Antwort
64<br />
angemerkt werden, dass sich in der Abteilung Integration jeder Fünfte wie im Gefängnis fühlt. Dies<br />
wird auf die Ausweiskontrolle der Besucher zurückgeführt und die Securitas, welche in einer Asylunterkunft<br />
diese Aufgabe übernimmt.<br />
Weiter wurde festgestellt, dass die Beschwerdemöglichkeit generell nicht gut bekannt ist. In der<br />
Abteilung Intake wissen 31 Prozent der befragten Asylsuchenden, wo sie sich beschweren können,<br />
in der Abteilung Integration wissen dies 36 Prozent und von denjenigen, die nicht in einer Asylunterkunft<br />
untergebracht sind (Bereich freier Wohnraum) sind es sogar nur 14 Prozent, die wissen,<br />
wo sie sich beschweren können.<br />
In der Abteilung Asyl liegen zu den obigen Fragen keine Vorjahreswerte zum Vergleich vor, da der<br />
Fragebogen grundlegend überarbeitet wurde. Weiter ist aufgefallen, dass vor allem im Intake grosse<br />
sprachliche Verständigungsprobleme bestehen, viele getrauen sich nicht, an der Befragung teilzunehmen,<br />
teilgenommen haben vorwiegend Männer.<br />
Kundenbefragung lohnt sich<br />
Insgesamt hat sich bestätigt, dass eine Kundenbefragung in der <strong>Sozialhilfe</strong> durchaus Sinn macht und<br />
wertvolle Führungsinformationen liefert. Weiter kann aufgrund der guten Vorbereitung durch die<br />
Wirtschaftstudierenden der FH nun die jährliche Befragung sozialhilfeintern durchgeführt werden,<br />
womit der Aufwand in einem überschaubaren Rahmen gehalten werden kann.
65<br />
MIT WENIG GELD LEBEN<br />
Bild der Armut<br />
Wie kann man mit wenig Geld von der <strong>Sozialhilfe</strong> leben? Reicht der Grundbedarf überhaupt für<br />
eine menschenwürdige Existenz? Anhand von Beispielen aus der Praxis wird aufgezeigt, wie <strong>Sozialhilfe</strong>empfänger<br />
mit knappen Mitteln umgehen.<br />
Rolf Maegli, Vorsteher <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong><br />
Das System der <strong>Sozialhilfe</strong>-Unterstützungen orientiert sich an den Richtlinien der schweizerischen<br />
Konferenz für <strong>Sozialhilfe</strong> SKOS. Abgesehen von den Kosten für Wohnung und Gesundheit werden<br />
die existenziellen Bedürfnisse durch den so genannten Grundbedarf abgedeckt. Dieser Grundbedarf<br />
beträgt für eine Einzelperson CHF 960.– im Monat. Damit sollen die Auslagen für Nahrung, Kleidung,<br />
Transport und Kultur bestritten werden, kurzum: alle Kosten, die nicht mit Wohnen oder<br />
Gesundheit zusammenhängen. Dieser Pauschalbetrag wurde im damaligen Fürsorgeamt der <strong>Stadt</strong><br />
<strong>Basel</strong> im Jahr 1994 anstelle von bisherigen Einzelposten für die jeweiligen Ausgaben-Positionen eingeführt.<br />
Die Höhe des Grundbedarfes ist sehr umstritten. Er wurde von der SKOS im Jahr 2005 für eine Einzelperson<br />
von CHF 1030.– auf CHF 960.– reduziert, ebenso wurde die bis dahin in der Regel ausbezahlte<br />
Zulage von CHF 100.– neu an Bedingungen geknüpft. Diese Reduktionen haben zu Protesten<br />
der Betroffenen und zu Gerichtsverfahren bis vor Bundesgericht geführt. Das Bundesgericht hat in<br />
mehreren Entscheiden für den <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> festgestellt, dass diese Reduktionen rechtmässig<br />
seien. Von den Betroffenen wird argumentiert, dass die Höhe des Grundbedarfs von lebenswichtiger<br />
Bedeutung und dass die Festlegung des Betrages willkürlich erfolgt sei. Andere Kreise wiederum<br />
behaupten, dass der <strong>Sozialhilfe</strong>grundbedarf wie auch die übrigen Leistungen viel zu hoch angesetzt<br />
seien. Insbesondere von Ökonomen wird immer wieder moniert, dass bei – ihres Erachtens – derart<br />
hohen Ansätzen kein Anreiz bestehe, Arbeit aufzunehmen. Dieser Argumentation kann relativ<br />
leicht begegnet werden mit dem Hinweis auf die Realität des Arbeitsmarktes, wo immer mehr<br />
gering qualifizierte Stellen wegfallen, sowie mit den Erfahrungen sämtlicher Sozialämter und<br />
Arbeitsämter zum Thema Arbeitsmarktfähigkeit der Klienten. Anlässlich dieser politischen Diskussionen<br />
um die <strong>Sozialhilfe</strong> haben unter anderem auch ‹Selbstversuche› stattgefunden: Ein Journalist<br />
hat den Versuch unternommen, einen Monat lang nach SKOS-Ansätzen zu leben und darüber zu<br />
schreiben (Weltwoche Ausgabe 3/2005). Der ‹Sozionaut› hat das Experiment unbeschadet überstanden<br />
und konnte berichten, dass sich davon leben lasse, verbunden mit der Botschaft, dass das<br />
System der <strong>Sozialhilfe</strong> zu grosszügig ausgestattet sei. Es sei hier nicht bestritten, dass man mit einem<br />
Betrag von CHF 960.– leben kann, insbesondere wenn rundherum und für die Zukunft alles schön<br />
organisiert ist: Einfamilienhaus, ein Auto, das man zum Zwecke des Selbstversuches zwar in der Garage<br />
stehen lässt, und schöne Anwartschaften auf Pensionsversicherungen, die man im Versuchs-Leben<br />
des Grundbedarfs ja noch nicht braucht. Ganz zu schweigen von den stabilen beruflichen Aussichten<br />
und den vielen Projektideen, die man nach einem überstandenen Selbstversuch wieder anpacken<br />
kann, zum Beispiel Reisen, Anschaffungen, Weiterbildung, Konzertbesuche und vieles mehr…
66<br />
Die Definition des Grundbedarfs hat die SKOS aufgrund einer ökonomischen Analyse vorgenommen:<br />
Zugrunde gelegt wird der Aufwand, den die untersten zehn Prozent der Einkommensschichten<br />
für den definierten Warenkorb ausgeben, und das gibt eben die genannten CHF 960.– für eine<br />
Einzelperson.<br />
Aufteilung des Grundbedarfs für einen Einpersonen-Haushalt im Monat<br />
Warengruppe in Prozent Franken<br />
Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren 39,8 382<br />
Bekleidung, Schuhe 11,1 107<br />
Energieverbrauch (Elektrizität, Gas usw.), ohne Wohnnebenkosten 4,8 46<br />
Laufende Haushaltsführung (Reinigung/Instandhaltung<br />
von Kleidern und Wohnung), inkl. Kehrichtgebühren 4,8 46<br />
Gesundheitspflege ohne Selbstbehalte und Franchisen<br />
(zum Beispiel selbst gekaufte Medikamente) 3,2 31<br />
Verkehrsauslagen inkl. Halbtaxabo (öffentlicher Nahverkehr,<br />
Unterhalt Velo/Mofa) 6,4 61<br />
Nachrichtenübermittlung (Post, Telefon, Internet etc.) 6,4 61<br />
Unterhaltung und Bildung (z.B. Konzessionen für Radio/TV,<br />
Sport, Spielsachen, Zeitungen, Bücher, Schulkosten, Kino,<br />
Haustierhaltung) 12,7 122<br />
Körperpflege (z.B. Toilettenartikel, Coiffeur) 6,4 61<br />
persönliche Ausstattung (z.B. Schreibmaterial) 1,6 15<br />
Auswärts eingenommene Getränke 1,2 12<br />
Übriges (z.B. Vereinsbeiträge, kleine Geschenke) 1,6 15<br />
Total 100,0 960<br />
Man wird mit Recht feststellen, dass es neben den <strong>Sozialhilfe</strong>empfängern auch Arme gibt, welche<br />
keine Hilfe in Anspruch nehmen. Tatsächlich gibt es immer noch eine hohe Nichtbezugs-Quote für<br />
Ergänzungs-Leistungen, viele Betagte leben in äusserster Bescheidenheit. Auch Studierende und<br />
Jugendliche in Ausbildung kommen mit wenig Geld aus. Aber sie haben in der Regel eine Perspektive.<br />
Gerade das ist es, was vielen <strong>Sozialhilfe</strong>beziehenden fehlt. Wenn sie in die <strong>Sozialhilfe</strong> kommen,<br />
stecken sie oft in einer aussichtslosen Situation, in der sich Probleme über Probleme türmen: Arbeitslosigkeit,<br />
Beziehungsprobleme, Betreibungen, Schulden, Verlust sozialer Kontakte usw. Bei länger<br />
dauernder Arbeitslosigkeit tritt so etwas wie ein Verlust an Projektfähigkeit ein: Die Tage werden<br />
damit verbracht, das Überleben sicherzustellen, um sich durchzuschlagen ohne grössere Aussichten<br />
auf Veränderung, geschweige denn Perspektiven. Eine Sozialberaterin drückte ihre Erfahrungen so<br />
aus: Die Menschen haben mit ihrer Situation und ihren Problemen so etwas wie eine ‹Problemheimat›,<br />
in der sie vertraut sind und sich bei allen Unannehmlichkeiten zurechtfinden. Für viele ist<br />
der Gang auf die <strong>Sozialhilfe</strong> etwas Vertrautes, es gehört quasi zu den Ritualen. Sogar die Konflikte<br />
mit den Sozialberatern und der Institution <strong>Sozialhilfe</strong> wie auch mit der übrigen Bürokratie bilden<br />
einen festen Bestandteil dieser vertrauten Problemheimat. Es formen sich in dieser Welt Erklärungsmuster<br />
und Verhaltensweisen, die schwer zu verändern sind. Viele tragen einen Traum mit sich, dass<br />
sich schon morgen alles zum Guten wenden könnte und dass sie wieder eine Arbeit finden. Kommt<br />
tatsächlich eine Chance infolge von Integrations- oder Arbeitsmöglichkeiten, überschätzen sich nicht<br />
wenige in ihren persönlichen Möglichkeiten und scheitern. Dies ist oft eine Wiederholungserfahrung<br />
aus vorgängigen Misserfolgen.<br />
Die Möglichkeiten des Staates zur Organisation von Vermittlungen und Integrationsprogrammen<br />
sind bei aller Kreativität begrenzt. Die Erfolgsquoten sind schweizweit unter fünfzig Prozent. Das<br />
heisst nicht, dass man es sein lassen sollte, sondern es sollte Ansporn dafür sein, neue Wege zu<br />
suchen, beispielsweise durch Modelle der Selbstorganisation und Selbstverwaltung. Ansätze in diese<br />
Richtung sind in <strong>Basel</strong> entstanden, indem sich die Betroffenen selber organisieren, beispielsweise die<br />
Initiative Planet13 oder koop. Die <strong>Sozialhilfe</strong> hat mit dem Modell <strong>Stadt</strong>helfer einen Prototypen
67<br />
geschaffen, der versucht, die Möglichkeiten der Selbstorganisation durch die Betroffenen zu begleiten<br />
und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.<br />
Wie sieht es für die Menschen konkret aus, die auf Dauer von der <strong>Sozialhilfe</strong> leben? Lassen wir die<br />
Betroffenen selber zu Wort kommen! Die folgenden Zitate oder Darstellungen sind aus Beschwerdebriefen<br />
von <strong>Sozialhilfe</strong>beziehenden entnommen:<br />
«Morgens um 8.45 Uhr verkauft die Denner AG alles vom Vortag für 50 %. Gemüse, Salat, Joghurt,<br />
Käse etc. Abends ab 17 Uhr macht die Migros genau dasselbe. Mein Hund und meine Katze erhalten<br />
seit Jahren kein Fleisch. Die erhalten von der Migros M-Budget Trockenfutter. Ich gehe in kein<br />
Restaurant und trinke meinen Kaffee zu Hause. Mein Wohlstand ist mein Zuhause, und um das<br />
kämpfe ich.»<br />
Eine Frau schreibt, sie habe drei Kinder unter erschwerten Bedingungen ins Leben begleitet.<br />
Dadurch und durch eigene gesundheitliche Einschränkungen über Jahre habe sie keinen Berufseinstieg<br />
mehr geschafft und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten. Sie stehe zwei Jahre<br />
vor der Pensionierung und komme mit dem Geld der <strong>Sozialhilfe</strong> knapp über die Runden, allerdings<br />
ohne Natel und Internet, ohne Ferien und andere Annehmlichkeiten, die zu einem normalen Leben<br />
in diesem Lande gehörten.<br />
Einem 55-jährigen Mieter, der bisher in einer Wohnung unterhalb des Grenzwertes lebte, wurde der<br />
Mietzins massiv erhöht. Die Zwei-Zimmer-Wohnung mit 60 m 2 kann vom <strong>Sozialhilfe</strong>bezieher nicht<br />
mehr bezahlt werden. Er schreibt:<br />
«Eine entsprechende angenehme Wohnsituation ist für Erwerbslose als auch für so genannte normale<br />
Bürger und Erwerbstätige das A und O. Kino, Theater, Konzerte, Aktivitäten wie Sportverein<br />
oder SAC sind unbezahlbar, man kann nicht mehr mithalten. Die sozialen Kontakte zu guten Bekannten,<br />
guten Freunden sind im Restaurant zu teuer und können in den eigenen vier Wänden<br />
stattfinden. Geben Sie mir die Möglichkeit, ein Zubrot in der <strong>Stadt</strong>gärtnerei oder im Sportamt zu<br />
verdienen, jede Arbeit wird mit Handkuss angenommen…».<br />
Ein 56-jähriger Mann stellt fest, dass es mit einer neuen Anstellung auf dem Arbeitsmarkt schlecht<br />
aussehe. Er habe sich nun bei der Freiwilligenarbeit angemeldet und bittet darum, die einschränkende<br />
Verfügung sei aufzuheben. Er wohne seit über vierzehn Jahren in dieser Wohnung und habe<br />
dort sein ganzes Herzblut investiert. Gegenüber wohne seine 79-jährige Mutter, die er tagsüber<br />
betreue. Grössere Auslagen, wie zum Beispiel Fleisch, kaufe er einmal im Monat für sich und die<br />
Mutter im Grenzgebiet von <strong>Basel</strong> ein, wobei ihm auch seine frühere Erfahrung als Mitarbeiter einer<br />
Grossküche zugute komme.<br />
Eine 40-jährige Frau, der eine Verfügung zum Bezug einer billigeren Wohnung erlassen wurde,<br />
schreibt:<br />
«Eigentlich wünsche ich mir, dass jemand von der <strong>Sozialhilfe</strong> einmal eine Woche bei mir lebt, um mitzubekommen,<br />
wie belastend die finanzielle Lage für mich ist. Nachfolgend möchte ich Ihnen verdeutlichen,<br />
mit welchen Mitteln ich versuche, mit dem knappen Geld auszukommen: Ich kaufe seit<br />
langer Zeit keine Kleider. Ich gehe nie auswärts etwas konsumieren. Ich habe meinen Festnetzanschluss<br />
gesperrt, so dass ich keine Gesprächskosten habe. Ich nutze den Caritasladen und auch sonst<br />
die günstigsten Einkaufsmöglichkeiten. Ich habe kein Geld, um meinem Sohn neue und grössere<br />
Schuhe zu kaufen. Ich wasche mein Geschirr mit Waschpulver. Ich kann meinem Sohn kein Taschengeld<br />
geben. Für mich selbst verwende ich zeitweise Zeitungspapier statt WC-Papier. Ich habe in der<br />
Vergangenheit immer wieder Arztrechnungen nicht bezahlen können. Immer wieder bitte ich<br />
Freunde und Bekannte darum, mir Geld zu leihen. Am Ende vom Monat kann ich manche meiner<br />
Rechnungen nicht bezahlen. Von der Frauenberatung habe ich einmalig Gutscheine in der Höhe von<br />
CHF 70.– erhalten, als ich keine Lebensmittel mehr hatte.»<br />
Und sie schliesst mit der Feststellung, dass sie aufgrund von laufenden Betreibungen bisher keine<br />
günstigere Wohnung finden konnte.<br />
Eine andere Frau mit Jahrgang 1953 ist vor vier Jahren arbeitslos geworden, nachdem sie über dreissig<br />
Jahre zu hundert Prozent gearbeitet hatte. Sie schreibt, dass sie auf neue Kleidung, Schuhe, Kosmetik,<br />
Rauchen oder Alkohol sowie andere Luxusartikel verzichte, Restaurantbesuche vermeide, wie<br />
auch Ausgang und Kino. Sie sei schon immer ihren Verpflichtungen nachgekommen und habe noch<br />
nie Betreibungen erhalten und die Rechnungen immer fristgerecht beglichen. Die Stellensuche sei<br />
ständig erfolglos, ebenso die Suche nach einer billigeren Wohnung.
68<br />
Ein Mann der innerhalb eines Jahres 120 Bewerbungen geschrieben hatte, führt aus:<br />
«Ich lebe seit einiger Zeit unter dem Existenzminimum. Ich habe kein Auto, leiste mir keine Ferien,<br />
sondern lebe ausschliesslich von meinen Reserven in Bezug auf Kleidung etc. Restaurantbesuche sind<br />
sowieso tabu. Aber es ist auch interessant, festzustellen, dass Konsumverzicht gar nicht so dramatisch<br />
ist. Meine Grundnahrungsmittel beziehe ich aus dem Caritas-Laden. Freunde, die meine Situation<br />
kennen, bringen mir regelmässig Unterstützung durch Naturalien, zum Beispiel Getränke, Brot,<br />
Büchsen etc. Nach aussen muss ich das Gesicht wahren, das heisst, wenn bekannt würde, dass ich von<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> lebe, bin ich inakzeptabel. Mein Bruder bezahlt mir ab und zu eine Rechnung, wie Telefon<br />
oder auch mal eine Miete. Meine Wohnung benutze ich zum Teil als Büro, ich brauche ein Minimum<br />
an Infrastruktur, also Telefon, Fax und Internet. Meine Wohnung ist der einzige ‹Luxus›, den<br />
ich mir gönne. Ich bemühe mich regelmässig ernsthaft um Jobs. Ich habe sogar mein CV altersmässig<br />
etwas korrigiert, um meine Chancen zu erhöhen. Ich brauche, mindestens vorläufig, die <strong>Sozialhilfe</strong>.<br />
Ich möchte mich lieber heute als morgen daraus verabschieden.»<br />
Eine Grossmutter hütet gelegentlich das Enkelkind und schreibt, dass sie von seinen Eltern zu Weihnachten<br />
und Geburtstagen Geldbeträge als Geschenk erhalten habe. Anstatt damit persönliche<br />
Wünsche zu erfüllen, habe sie damit Lebenshaltungskosten bestritten. Sie gehe nie zum Coiffeur,<br />
verzichte auf Ausgang, Radio, Zeitungen. Besitze kein Tramabonnement oder Auto und mache keine<br />
Einladungen. Neue Kleider würden nur gekauft, wenn unbedingt nötig. Sie besitze nur die absolut<br />
notwendigsten Geräte, kaufe oft herabgesetzte Lebensmittel und:<br />
«den Moment, von <strong>Sozialhilfe</strong> abhängig zu sein, versuchte ich lange hinauszuschieben und Glauben<br />
Sie mir, ich wäre noch so froh unabhängig zu sein und noch so gerne würde ich meinen Enkel hüten,<br />
ohne Geld dafür zu erhalten…»<br />
Eine allein erziehende Mutter schreibt:<br />
«Ich kann begründen, weshalb ich trotz der hohen Miete noch knapp haushalten kann. Fast jedes<br />
Wochenende nimmt mein in Trennung lebender Ehemann den sechsjährigen Sohn zu sich und entlastet<br />
damit mein Budget. Eine weitere Entlastung bedeutet auch, dass mein Sohn am Dienstag und<br />
am Freitag im Tagesheim ist und dabei auch verpflegt wird. Auch verbringt der Sohn manchmal<br />
einen ganzen Tag bei der Grossmutter. Zudem muss ich fast keine Kleider für das Kind kaufen, weil<br />
ich von Freundinnen Kleider erhalte, die für ihre Kinder zu klein geworden sind. Theater und Kinobesuche<br />
sind für mich Fremdwörter, und oft liegt auch kein Fleisch auf dem Teller. Fazit: Wie Sie den<br />
Zeilen entnehmen können, bedeutet ein Leben mit der <strong>Sozialhilfe</strong> auch ein ständiges Sparen und<br />
Überlegen, wo und wie etwas billig erstanden oder gar auf etwas verzichtet werden kann. Je fantasievoller<br />
eine Person ist, desto mehr kann sie auch mit den vorhandenen finanziellen Mitteln<br />
machen. Ich weiss und bin mir sicher, dass eine solche Denk- und Lebensweise wahrscheinlich nur<br />
Leute, die stets mit wenig Geld leben müssen, sich aneignen können.»<br />
Diese Zitate verschaffen einen Einblick in die Lebenswelt von Armutsbetroffenen: Ihr Blickwinkel<br />
und ihre Kreativität beim Umgang mit wenig Geld werden in diesen Zitaten sichtbar.
69<br />
AUSZUG AUS DEM VERWALTUNGS-<br />
BERICHT 2007<br />
Anhang zum <strong>Jahrbuch</strong><br />
1 VORWORT DES PRÄSIDENTEN<br />
1984 wurde die Allgemeine <strong>Sozialhilfe</strong> <strong>Basel</strong> der Bürgergemeinde angegliedert und mit dem Bürgerlichen<br />
Fürsorgeamt der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> fusioniert. Unter der Leitung der Bürgergemeinde hat die <strong>Sozialhilfe</strong><br />
seither eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht.<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> ist heute ein moderner Dienstleister für ein soziales <strong>Basel</strong>. Der bewusst<br />
breit gestaltete unternehmerische Handlungsspielraum konnte in den letzten Jahren geschickt<br />
für innovative Lösungen genutzt werden, die weitherum beachtet werden.<br />
Im Gegensatz zu anderen grossen Schweizer Städten hatten wir in <strong>Basel</strong> Ruhe vor politischen Angriffen<br />
auf die <strong>Sozialhilfe</strong>. Die <strong>Sozialhilfe</strong> wird heute von der Bürgergemeinde betrieben, und das für<br />
die tägliche Arbeit so wichtige Vertrauen war stets da.<br />
Aus der Sicht der Bürgergemeinde hat das Jahr 2007 dennoch eine unerfreuliche Entwicklung erbracht,<br />
indem der <strong>Kanton</strong> seinen Anspruch auf Übernahme und Integration der <strong>Sozialhilfe</strong> in die<br />
kantonalen Verwaltungsstrukturen geltend machte. Die Bürgergemeinde kann den Übernahmewunsch<br />
des <strong>Kanton</strong>s als Anerkennung der 23-jährigen Aufbauarbeit verstehen. Gleichwohl ist die<br />
damit verbundene Trennung für die Bürgergemeinde ein Verlust.<br />
Aus staatspolitischer Sicht ist es sehr zu bedauern, wenn mit diesem Schritt die Bürgernähe verloren<br />
geht, denn es ist allseits unbestritten: Die <strong>Sozialhilfe</strong> ist dank der Einbettung in die Bürgergemeinde<br />
über alle politischen Interessengruppen durch einen breiten Rückhalt getragen.<br />
Ich hoffe, dass dieser politische Rückhalt auch ausserhalb der Bürgergemeinde Bestand haben wird.<br />
Und ich hoffe, dass die erwarteten Synergien einer Einbindung in die <strong>Kanton</strong>ale Verwaltung die<br />
Weiterentwicklung der <strong>Sozialhilfe</strong> begünstigen werden.<br />
Ungeachtet dieser Entwicklungen kann die <strong>Sozialhilfe</strong> auf ein überaus erfolgreiches Jahr zurückblicken.<br />
Die Fallzahlen sind markant gesunken und die Leistungen konnten verbessert werden.<br />
Dr. Felix Eymann, Präsident des Verwaltungsrats, Bürgerrat<br />
2 ÜBERBLICK<br />
Die Konjunktur war 2007 sehr günstig. Dies wirkte sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus, und<br />
die Arbeitslosenrate konnte weiter reduziert werden. Bei der <strong>Sozialhilfe</strong> hat sich der Fallrückgang<br />
weiterhin fortgesetzt. Einerseits konnten mehr Klienten abgelöst werden – die Integration in Arbeit<br />
hat eine noch nie gekannte Höhe erreicht – und andererseits waren deutlich weniger Fallaufnahmen<br />
zu verzeichnen. Am deutlichsten entspannte sich die Situation für die jungen Erwachsenen. Der Fallrückgang<br />
ist hier besonders markant. Die erfreuliche Entwicklung spiegelt sich auch auf der Kostenseite.<br />
Zum Zeitpunkt der Budgetierung für das Jahr 2007 (Juli 2006) waren die Trends noch nicht eindeutig<br />
sichtbar.<br />
Doch nicht alle Klientengruppen konnten die positive Arbeitsmarktentwicklung im gleichen Mass für<br />
eine Verbesserung der eigenen Situation nutzen. Arbeitslosigkeit ist mit 49,2 Prozent weiterhin der<br />
wichtigste Unterstützungsgrund. Diese strukturelle Arbeitslosigkeit war und ist deshalb eine besondere<br />
Herausforderung für die <strong>Sozialhilfe</strong>.<br />
Der seit März 2006 anhaltende Fallrückgang schaffte Freiräume für wichtige Anpassungen. So konnten<br />
Fluktuationen genutzt und personelle Ressourcen für neue Aufgaben eingesetzt werden. Dies<br />
ermöglichte eine Verstärkung der Sozialarbeit für junge Erwachsene. Im Berichtsjahr konnten denn<br />
auch vielversprechende Projekte umgesetzt werden. Neben dem Teillohnmodell und dem Gegenleistungsmodell<br />
konnte das Projekt AMIE (Alleinerziehende Mütter in Erstausbildung) unter Federführung<br />
des Gewerbeverbandes und zusammen mit dem Frauenverein am Heuberg gestartet<br />
werden. Innerhalb der <strong>Sozialhilfe</strong> wurde das Verfahren für junge Erwachsene verfeinert und mit<br />
sozialarbeiterischer Kompetenz erweitert.
70<br />
Mitte Jahr nahm im Amt für Wirtschaft und Arbeit das Arbeitsintegrationszentrum den Betrieb auf.<br />
Die bisher in der erfolgreichen Fachstelle für Arbeit tätigen Mitarbeitenden wurden in diese Stelle<br />
integriert, und die Abläufe können nach der Anlaufphase im bisherigen Rahmen weitergeführt<br />
werden.<br />
In der Missbrauchsbekämpfung zeichnen sich grossen Fortschritte ab. Bis Ende Jahr konnten seit der<br />
Einführung auf Anfang 2006 über 300 Leistungsabklärungen durch unangemeldete Hausbesuche<br />
gemacht werden. Das Konzept, aus den Wahrnehmungen in der Fallführung heraus zu operieren<br />
(anstatt durch Stichproben von aussen), hat sich bewährt.<br />
Die Basler Case-Management-Beratung stösst im In- und Ausland auf grosses Interesse. In Zusammenarbeit<br />
mit der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit wurde eine Langzeitanalyse zur Wirksamkeit<br />
gestartet.<br />
Die neue Ausländergesetzgebung in Bund und <strong>Kanton</strong> erfordert eine Anpassung der Vollzugsorganisation,<br />
welche 2007 vorbereitet und ab <strong>2008</strong> umgesetzt wird. Hauptmerkmal ist die Anwendung<br />
der SKOS-Richtlinien auch für Asylsuchende und damit verbunden der Integrationsauftrag. Insbesondere<br />
für die Integration in Arbeit können damit neue Möglichkeiten geschaffen werden.<br />
<strong>Basel</strong> hat wiederum am Kennzahlenvergleich 2006 der Schweizer Städte teilgenommen, wobei keine<br />
wesentlich neuen Erkenntnisse zu verzeichnen waren: Im Vergleich zu den teilnehmenden Städten<br />
hat <strong>Basel</strong> eine hohe <strong>Sozialhilfe</strong>quote, welche aber durch demografische, ökonomische und soziale<br />
Faktoren erklärbar ist. Hervorzuheben ist, dass die Zuwanderung im Quervergleich einen eher geringen<br />
Anteil ausmacht.<br />
Im Berichtsjahr wurde erstmals die <strong>Sozialhilfe</strong>statistik des Bundes publiziert, welche aber auf noch<br />
älteren Daten basiert. Mittelfristig ist vorgesehen, dass die Vergleiche vollständig auf einer aktualisierten<br />
Datenbasis des Bundes vorgenommen werden. Der Aufwand zur Datenerhebung für die<br />
Bundessozialhilfestatistik ist erheblich.<br />
Das im Dezember 2004 erstmals ausgestellte ISO-Zertifikat wurde nach einem umfassenden Audit erneuert.<br />
Nach einem Testlauf im Jahr 2006 wurde im Jahr 2007 zum ersten Mal eine umfassende Kundenbefragung<br />
durchgeführt. Ebenso wurden Vorabklärungen für eine Zusatz-Zertifizierung für den<br />
Bereich Privacy und Datenschutz getroffen.<br />
Die Fragen rund um die <strong>Kanton</strong>alisierung der <strong>Sozialhilfe</strong> haben auf operativer Ebene viele Ressourcen<br />
beansprucht. Wenn der unternehmerische Handlungsspielraum nicht durch zentralistische<br />
Abläufe zu stark eingeengt wird, können die geplante Zusammenfassung der sozialen Dienststellen<br />
in einem Departement und die Übertragung von neuen Aufgaben zu Synergieeffekten führen, welche<br />
im Hinblick auf künftige Aufgabenstellungen wichtig sind.<br />
3 SOZIALHILFE<br />
Intake<br />
Das Intake befasste sich mit 5335 Erstkontakten (Vorjahr: 6255). Damit reduzierten sich die Erstkontakte<br />
gegenüber dem Vorjahr um 920 (–14,71%). Mit einem Informationsgespräch (Schalterkontakte)<br />
konnten 2402 Fälle ohne <strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung abgeklärt werden. In der Erstaufnahme<br />
(Gespräche mit Sozialberater/innen) wurden 2933 Fälle eingehend beraten und weitere 891 Ablösungen<br />
ohne <strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung ermöglicht. Insgesamt konnten durch die Informationsgespräche<br />
und durch die Erstaufnahme bei 3293 Fällen ohne <strong>Sozialhilfe</strong>leistung unabhängige Lösungen<br />
vermittelt werden (61,7%).<br />
In die Unterstützung mussten 2042 Fälle aufgenommen werden (38,3%). Mit der intensiven Klärung<br />
von Drittansprüchen erfolgten in der Intakephase (in den ersten vier Monaten) 1099 Ablösungen<br />
von der <strong>Sozialhilfe</strong>. Zur weiteren Begleitung wurden der Abteilung Integration 943 Fälle übertragen.<br />
Damit betrug die im Vergleich mit den Erstkontakten erreichte Ablösequote 82%. Nur noch 18%<br />
(19%) aller Erstkontakte führten zu längerfristigen Unterstützungen.<br />
Das Ziel der Abteilung Intake, maximal 39% der Erstaufnahmen als Langzeitunterstützungen der<br />
Abteilung Integration zuzuweisen, wurde mit 32,2% (34,7%) weiter verbessert (Erstaufnahme 2933<br />
Fälle/Übergabe 943 Fälle).<br />
Begünstigt durch die verbesserten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, mussten weniger Menschen<br />
die <strong>Sozialhilfe</strong> ansprechen und in Unterstützung aufgenommen werden. Die Optimierung der internen<br />
Prozesse und die Erweiterung des Fachwissens haben dieses gute Resultat zusätzlich gefördert.
71<br />
Integration<br />
In der Abteilung Integration hat im Jahr 2007 ein substanzieller Fallrückgang stattgefunden (–493<br />
Fälle/–10%). Die Fallzahlen pro Fallführende konnten sich bei rund 120 Fällen pro 100 Stellenprozent<br />
stabilisieren. Personelle Abgänge von Fallführenden wurden in der Regel im Basisverfahren<br />
nicht ersetzt. Dafür wurden andere Bereiche (Beratung junge Erwachsene, Klärung Subsidiarität)<br />
personell ausgebaut. Das Verfahren zur Ausrichtung wirtschaftlicher Unterstützung wurde weiter<br />
standardisiert. Die durchschnittliche Ablösequote betrug im 2007 rund 2,9 Prozent.<br />
Am stärksten war der Fallrückgang bei den jungen Erwachsenen (–18,5%). Massnahmen im Bereich<br />
der Jugendarbeitslosigkeit scheinen zu greifen. Junge Erwachsene finden vermehrt Anschluss an den<br />
Arbeitsmarkt. Dazu beigetragen hat das neue Beratungssetting junge Erwachsene, das sich sehr gut<br />
in das Basisverfahren integriert hat. Durch eine nahe und ganz niederschwellige Zusammenarbeit<br />
zwischen Sozialberatung und den kaufmännisch Fallführenden werden die jungen Erwachsenen eng<br />
begleitet und aktiviert.<br />
Mit dem Beratungssetting wurden seit April 2007 129 junge Erwachsene begleitet, 80 Männer und<br />
49 Frauen. Die meisten Beratungen erfolgten aufgrund eines festgestellten Sozialisationsdefizits (66)<br />
oder gesundheitlicher Probleme (52). Von den 74 im Jahr 2007 abgeschlossenen Beratungen resultierten<br />
14 Teilnahmen am Gegenleistungsmodell und neun Triagen in andere Beratungsmodelle. 29<br />
Teilnehmende (39,2%) wurden eingestellt, respektive erfolgten aus verschiedenen Gründen keine<br />
weiteren Zahlungen (zum Beispiel nicht mehr erschienen, Wegzug usw.). Bei zehn Teilnehmenden<br />
(13,5%) konnte eine Reduktion der <strong>Sozialhilfe</strong> durch (Teil-)Einkommen erreicht werden. Das Team<br />
Spezialisten bearbeitete in 631 Fällen subsidiäre Fragestellungen, 67 Fälle wurden sozialarbeiterisch<br />
begleitet. Im Rahmen der Abklärung von möglicher Restarbeitsfähigkeit überprüfte das Team 285<br />
detaillierte Arztzeugnisse.<br />
Die Zuweisung ins CM-Verfahren erfolgt über das Intake und die Integration. Aus der Abteilung<br />
Integration konnte durch eine Erhöhung der Eintrittschwelle (keine KlientInnen, die länger als zwei<br />
Jahre <strong>Sozialhilfe</strong> beziehen) weniger KlientInnen zugewiesen werden. Im CM-Verfahren sind jeweils<br />
zwischen 120 und 170 Personen in Beratung. 63 Beratungen konnten im Jahr 2007 abgeschlossen<br />
werden.<br />
Integration in Arbeit<br />
Per 1. Juli 2007 wurde die ehemalige Fachstelle für Arbeit (FfA) und die Projektleitung des Gegenleistungsmodells<br />
der <strong>Sozialhilfe</strong> in das Amt für Wirtschaft und Arbeit AWA überführt und gleichzeitig<br />
als eigene Abteilung Arbeitsintegrationszentrum (AIZ) aufgebaut. Das AIZ besteht aus den<br />
AWA-Bereichen Arbeitslosenhilfe, Sozialdienst AWA, Kooperation und einer Person der IV.<br />
Vom Intake erfolgten 637 Überweisungen, dies sind 31 Prozent (2006: 703 Überweisungen; 30%) .<br />
Bedingt durch den Wechsel ins AWA und die damit verbundenen Neustrukturierungen (operative<br />
und personelle Veränderungen) wurde das Ziel Anzahl Abklärungen nicht voll erreicht. Es erfolgten<br />
aus den beiden Abteilungen Intake und Integration total 1394 Überweisungen (2006: 1626). Insgesamt<br />
konnten 1529 Abklärungen durchgeführt werden (2006: 1740).<br />
918 Personen wurden in Massnahmen vermittelt (2006: 906). Auch dank der weiter anhaltend guten<br />
Konjunktur konnten 451 zugewiesene Personen ganz oder teilweise aus dem AIZ-Verfahren heraus<br />
abgelöst werden (2006: 421). Mehrheitlich handelt es sich um Teilablösungen, begründet durch die<br />
erreichbaren Angebote des Arbeitsmarktes (temporäre, saisonale Angebote).<br />
Im Projekt Teillohn – speziell für die Gruppe junge Erwachsene – haben sich 37 Personen informiert.<br />
Davon haben zehn eine temporäre Teillohn-Stelle angenommen. Sieben konnten dadurch von der<br />
<strong>Sozialhilfe</strong> abgelöst werden.<br />
Ein weiteres Spezialprojekt – AMIE (Alleinerziehende Mütter in Erstausbildung) – läuft als Co-Projekt<br />
mit dem Gewerbeverband <strong>Basel</strong>. Ziel des Projekts ist es, die jungen Mütter in eine Lehrstelle zu führen<br />
und sie während der Lehre zu begleiten. Das Projekt hat mit zwölf Teilnehmerinnen begonnen,<br />
nach zwei Austritten sind per Ende Dezember zehn Teilnehmerinnen weiterhin im Projekt.<br />
Das Projekt Gegenleistungsmodell, für die Zielgruppe renitente junge Erwachsene, hat 145 Personen<br />
überprüft. Dabei wurden 60 Personen nicht ins Programm aufgenommen und somit regulär ins AIZ<br />
überwiesen. 33 Personen sind heute von der <strong>Sozialhilfe</strong> abgelöst (Wegzug, nicht mehr gemeldet,<br />
temporäre Arbeit). Bei 25 Personen wurden die Zahlungen zeitweise eingestellt (Mitwirkungspflicht
72<br />
verletzt). Zehn davon wurden per Einstellungsverfügung von der <strong>Sozialhilfe</strong> ausgeschlossen. 27 Personen<br />
haben ganz oder teilweise (viele Absenzen: Krankheit, ‹sonstiges Wegbleiben›) das drei- bis<br />
sechsmonatige Programm absolviert. Bei fünf davon steht die soziale Integration im Vordergrund.<br />
Fünf weitere junge Erwachsene haben eine weiterführende Massnahme oder ein Praktikum als<br />
Anschlusslösung. Die restlichen Personen sind aufgefordert, sich aktiv zu bewerben und sich beim<br />
Taglohnprojekt SAGA anzumelden.<br />
4 ASYL<br />
Intake Asyl<br />
Das Intake war in der ersten Jahreshälfte fast immer nahezu voll belegt. Das führte zu Engpässen,<br />
wenn Familien eintrafen. Die Familien mussten dann in Notwohnungen untergebracht werden.<br />
Insgesamt gab es 50 Neuaufnahmen ab Empfangsstelle, das sind 26 weniger als im Vorjahr, was dem<br />
gesamtschweizerischen Trend entspricht.<br />
Hinsichtlich der Gestaltung von Tagesstrukturen besuchten 85 Prozent der Bewohner einen Deutschkurs;<br />
23 Prozent konnten intern beschäftigt werden; 23 Prozent wurden in externe Beschäftigungsprogramme<br />
vermittelt. 23 Prozent sind beim BP angemeldet und auf der Warteliste; 15 Prozent<br />
betreuten Kleinkinder und 15 Prozent konnten aufgrund von Vulnerabilität nicht beschäftigt werden.<br />
Nebst der Rückkehrberatung für Asylsuchende wurden die Dienstleistungen an Personen aus dem<br />
Ausländerbereich angeboten. Weiterhin informierte die Rückkehrberatungsstelle die Partnerorganisationen<br />
im <strong>Kanton</strong> über das bestehende Angebot der RKB mittels Infoveranstaltungen und durch<br />
das Versenden des rückkehrrelevanten Infomaterials. Die Zahl der durch die RKB erfolgten Ausreisen<br />
belegt eine stark abnehmende Tendenz im Asylbereich: 37 Personen gegenüber 94 im Vorjahr sind<br />
beraten worden, 13 Ausreisen fanden statt (21 im Vorjahr), 86 Beratungen sind durchgeführt worden<br />
(150 im Vorjahr).<br />
Im Ausländerbereich hingegen zeichnete sich eine starke Zunahme der Inanspruchnahme des Beratungsangebots<br />
bei einer stabil bleibenden Zahl der Ausgereisten ab: 100 Personen gegenüber<br />
58 im Vorjahr wurden beraten, 29 Ausreisen fanden statt (29 im Vorjahr), 117 Beratungen wurden<br />
durchgeführt (161 im Vorjahr).<br />
Die Ausgereisten würden <strong>2008</strong> circa CHF 500000.– Unterstützungskosten verursachen.<br />
Integration Asyl<br />
Korrekte wirtschaftliche Hilfe:<br />
Alle Asyldossiers werden innerhalb von zwei Jahren auf Berechnungsfehler kontrolliert. Die Fehlerquote<br />
war im 2007 wieder sehr niedrig. Sehr viel fachliche und zeitliche Energie floss im zweiten<br />
Halbjahr 2007 in den Aufbau der neuen Abteilungsstruktur. Die Abteilung Migration entsteht als<br />
neue, professionelle Organisationseinheit mit den entsprechenden Anpassungen im Tutoris, den<br />
inhaltlichen Schulungen nach SKOS und im Flüchtlingsbereich. Personell und in der Optimierung der<br />
Schnittstellen werden sich diese Veränderungen auf Grund ihrer hohen Komplexität bis weit ins <strong>2008</strong><br />
hinziehen und bis Sommer/Herbst <strong>2008</strong> abgeschlossen sein.<br />
Förderung und Erhalt der Wohnkompetenz:<br />
Der Einsatz der <strong>Stadt</strong>helferin hat sich sehr gut bewährt. In den Horburgliegenschaften ist der Sauberkeitsstandard<br />
mittlerweile konstant gut. Aus dem Umfeld der Wohnliegenschaften Integration<br />
kamen keine Klagen von Anliegern.<br />
Ausser während des Jahreswechsels 2007/<strong>2008</strong> auf Grund der Wegweisungen im Rahmen des neues<br />
Asylgesetzes musste die Securitas nur sehr selten ordnend und vermittelnd einschreiten.<br />
Äusserst erfreulich hat sich die Zusammenarbeit mit dem SRK, Sektion <strong>Basel</strong> Jugendrotkreuz und<br />
Freiwilligenarbeit, entwickelt. Es findet wöchentlich in der Horburg- und Theodor-Herzl-Strasse ein<br />
Spiel- und Hausaufgabenhilfeprogramm für 5- bis 14-Jährige statt.<br />
Betreuung Vulnerable:<br />
Die räumliche Situation in der Dornacherstrasse 43 ist nach wie vor unbefriedigend. Es ist zu eng für<br />
gezielte Gruppenangebote, ausserdem müssen durch die wieder steigenden Gesuchsstellerzahlen
73<br />
regelmässig Wohnungen des Vulnerablen- für den Intakebereich zur Verfügung gestellt werden. Die<br />
inhaltliche Arbeit hat sich bewährt und ist auch in Zukunft unabdingbar, denn in schwierigsten<br />
Belastungssituationen von Einzelpersonen und Teilfamilien wurden und werden durch fundierte<br />
und kontinuierliche psychosoziale Betreuung deutlich kostenintensivere Platzierungen extern vermieden.<br />
Ablösung:<br />
Es wird weiterhin ein konstanter Sockel an Working Poor im Niedriglohnbereich unterstützt, die<br />
Anzahl der durch Arbeit vollständig von Unterstützung abgelösten Einzelpersonen oder Familien ist<br />
niedrig, neu hat sich die Anzahl der Personen, die auf Grund eines letztinstanzlich beendeten Asylverfahrens<br />
ihre Arbeitsbewilligung verlieren, vergrössert. Der grösste Anteil von Ablösungen kommt<br />
durch subsidiäre Sozialversicherungen, in erster Linie durch Ergänzungsleistungen, zustande.<br />
Betrieb Liegenschaften:<br />
Durch die unbürokratische, kostenminimierte Anmietungsmöglichkeit grosser Wohnungen über<br />
das ASB (Abt. Notwohnungen) konnten etliche Wohnraumverluste grosser Familien abgefangen<br />
werden.<br />
Tagesstruktur/Beschäftigung:<br />
Kontinuierlich sind über 60 Personen in den internen und externen Beschäftigungsprogrammen<br />
(<strong>Stadt</strong>reinigung, Diakonissenhaus Riehen mit Küche, Wäscherei und Gärtnerei, Rehovot, Nähstübli,<br />
Renovationsprogramm, Portendienst). Damit konnte eine weitere Steigerung der tagesstrukturierenden<br />
Beschäftigung um 21 Prozent erreicht werden.<br />
Unterbringung Asyl<br />
Die Unterbringungsstrukturen der Abteilung Asyl waren das ganze Jahr über praktisch voll belegt<br />
und es mussten weiter Notwohnungen angemietet werden. Dies gestaltete sich jedoch unproblematisch.<br />
Die Suche nach geeignetem zusätzlichem Wohnraum erwies sich als erfolglos. Die Sonderstrukturen<br />
für Vulnerable und Minderjährige waren ebenfalls ständig ausgelastet, letztere durch<br />
eine neue Zuweisungspraxis des BFM, welche gesamtschweizerisch Sonderstrukturen berücksichtigt.<br />
Eine wichtige Rolle spielte die Vorbereitung der betroffenen Klientel auf die Umsetzung der Asylgesetzrevision.<br />
Es gab deshalb intensive mündliche und schriftliche Informationen, so dass am Jahreswechsel nur<br />
noch neun Personen von einer Ausweisung aus der Wohnung betroffen waren. Drei davon wurden<br />
schon vorgängig in Ausschaffungshaft genommen.<br />
Die Wegweisung aus den Wohnungen wurde mit der Securitas minutiös geplant und durchgeführt,<br />
diese heikle Situation konnte so relativ reibungslos bewältigt werden. Alle Betroffenen beantragten<br />
Nothilfe.<br />
5 SUBSIDIARITÄT<br />
Versicherungen<br />
Die Geltendmachung von Sozialversicherungsleistungen und Krankentaggeldern nach VVG wird im<br />
Intake durch die Fachgruppe Subsidiarität (FGS) gewährleistet. Das Verfahren ist konsolidiert und<br />
es können viele Fälle im Intake bearbeitet und abgelöst werden. Konkret hat die FGS im Jahr 2007<br />
80 Fälle (2006: 107) erledigt. 53 Personen (2006: 92) konnten mit Versicherungsleistungen abgelöst<br />
werden. Für 34 Personen (2006: 16) konnten Versicherungsleistungen geltend gemacht werden;<br />
diese KlientInnen blieben jedoch weiterhin bedürftig beziehungsweise mussten ergänzend unterstützt<br />
werden. In 5 Fällen (2006: 13) wurden keine Versicherungsleistungen gewährt.<br />
39 Fälle (2006: 66) konnten die Sozialarbeitenden der FGS selber bearbeiten, in 28 Fällen (2006: 29)<br />
wurde die Bearbeitung an den Rechtsdienst zugewiesen und in 13 Fällen (2006: 12) waren die Klientinnen<br />
und Klienten durch externe Anwälte oder Anwältinnen vertreten.<br />
Problematischer ist die Situation in der Integration mit den Langzeitfällen. Zwar hat sich im Basisverfahren<br />
das Erkennen und Handeln bei möglichen Versicherungsansprüchen verbessert. So werden<br />
Vorbescheide und IV-Verfügungen häufiger zur Vorprüfung an die Spezialisten weiter gereicht. Aber
74<br />
die Abläufe sind noch nicht voll integriert. Zudem besteht weiterhin ein Ressourcendefizit in der Fallbearbeitung<br />
durch Fachleute. Im Jahr 2007 wurden 916 Fälle den Spezialisten zur Prüfung vorgelegt.<br />
Der Rechtsdienst hat in 34 Fällen Klientinnen oder Klienten in strittigen Sozialversicherungsverfahren<br />
vertreten. Das Fachwissen und die Abläufe im Bereich Sozialversicherungsrecht sind in der Abteilung<br />
Integration noch nicht gesichert. Probleme bereiten weiterhin auch die teilweise aufwändigen<br />
Abklärungen über allfällige BVG-Guthaben bzw. Rentenansprüche. Hier müssten die Informationen<br />
der involvierten Stellen besser genutzt werden können. Im Rahmen einer IIZ-Arbeitsgruppe (Interinstitutionelle<br />
Zusammenarbeit) werden Massnahmen geprüft, wie diese Abklärungen schneller<br />
geführt werden können. Im Rahmen eines laufenden Projektes ‹Subsidiarität› soll im Jahr <strong>2008</strong> hier<br />
ein entscheidender Schritt zur effizienten und effektiven Fallbearbeitung gemacht werden, sei es<br />
durch Schulung, durch eine entsprechende Schwerpunktbildung bei den Personalressourcen, sei es<br />
durch weitere Massnahmen.<br />
Alimente<br />
Die laufenden Inkassofälle (Stichtag 31 Dezember 2007) sind in der Berichtsperiode wiederum leicht<br />
gestiegen (von 1514 auf 1563 Fälle). Da sich aber auch die Zahl der Fälle mit uneinbringlichen Forderungen<br />
(zweijährlich geprüfte Fälle) parallel dazu erhöht hat (von 605 auf 648), bleibt die Zahl der<br />
Inkassofälle mit laufenden Einnahmen konstant. Positiv zu vermerken ist, dass sich der Anteil derjenigen<br />
Unterhaltsschuldner, die selber von der <strong>Sozialhilfe</strong> unterstützt werden müssen, von 15,9 Prozent<br />
auf 8,6 Prozent reduziert hat. Ebenfalls positiv ist zu vermerken, dass – trotz sich weiter verschlechternder<br />
Zahlungsmoral (in fast zwei Dritteln der Fälle musste gemahnt oder betrieben<br />
werden; Vorjahr 52,5%) – weniger uneinbringliche Forderungen zu verzeichnen sind. 2006 mussten<br />
Verlustscheine und Schuldanerkennungen von CHF 2,91 Millionen hingenommen werden, 2007 von<br />
CHF 2,31 Millionen. Die Bilanz ist allerdings weiterhin schlecht.<br />
Rückforderungen<br />
Die Rückerstattung verzeichnet im Jahr 2007 eine grosse Zunahme von Inkassofällen (2006: 864;<br />
2007: 1062). Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass 2007 wiederum viele Fälle von zu<br />
unrecht bezogenen Leistungen aufgedeckt wurden. Die verfügten Rückforderungen erhöhten sich<br />
von 125 auf 195 Fälle. Diese Zahlen lassen eine Erhöhung der Einnahmen aus Rückerstattungen<br />
vermuten. Dies ist allerdings nicht der Fall. Die Erträge sind rückläufig (2006: CHF 1,798 Mio.; 2007:<br />
CHF 1,34 Mio.). Erklären lässt sich diese gegenläufige Entwicklung im Jahr 2007 damit, dass die starke<br />
Zunahme der Fälle mit den bestehenden Ressourcen das Inkasso nicht mehr aufgefangen werden<br />
konnte und die Fälle nicht in der üblichen Regelmässigkeit überprüft wurden. Aus diesem Grund<br />
wurde per 1. April <strong>2008</strong> eine Personalaufstockung beschlossen.<br />
Positiv entwickelt hat sich die Situation bei der Verwandtenunterstützung. Die Sachbearbeitung<br />
erfolgt auf hohem Niveau und die Abklärungen und Verfahren werden konsequent geführt. Viele<br />
Pendenzen konnten dank einer befristeten Ausweitung der Ressourcen abgebaut werden. Die Zahl<br />
der bearbeiteten Fälle erhöhte sich von 145 auf 256 Fälle. Die Zahl der Leistungspflichtigen hat sich<br />
zwar nicht im gleichen Ausmass erhöht (2006: 65; 2007: 83). Dennoch verdoppelten sich die Erträge<br />
beinahe (2006 CHF 0,447 Mio.; 2007: CHF 0,851 Mio.). Die Verfahren in der Verwandtenunterstützung<br />
sind aufwändiger geworden, da sich die betroffenen Verwandten häufiger anwaltlich vertreten<br />
lassen.
75<br />
6 RECHNUNG SOZIALHILFE<br />
Erfolgsrechnung <strong>Sozialhilfe</strong><br />
Ohne Aktivierung und Wertberichtigung der nicht realisierten Alimenteneinforderungen<br />
Ohne Asyl<br />
Rechnung Budget Rechnung Abweichung<br />
CHF 2007 2007 2006 Rechnung 07 zu Budget 07<br />
Unterstützungsrechnung<br />
Aufwand<br />
Unterstützungen 177 799 280 205 827 000 191 916 964 –28 027 720 – 13,6 %<br />
Alimente nicht bevorschusst 1 093 310 1 000 000 1 131 075 93 310 9,3 %<br />
Rückzahlungen an Heimat/Bund 1 966 801 2 500 000 2 304 494 –533 199 – 21,3 %<br />
Alimentenbevorschussung 3 812 846 4 104 000 3 757 811 –291 154 –7,1 %<br />
Nothilfe NEE 65 474 60 000 73 210 5 474 9,1 %<br />
Total Aufwand 184 737 711 213 491 000 199 183 554 –28 753 289 – 13,5 %<br />
Ertrag<br />
Sozialversicherungen – 33 777 721 – 37 797 000 – 35 674 942 4 019 279 – 10,6 %<br />
Rückerstattungen i.e.S. – 5 395 186 – 5 734 000 – 5 646 797 338 814 – 5,9 %<br />
Vergütungen von Heimat/Bund<br />
1<br />
– 6 043 354 – 9 000 000 – 7 697 988 2 956 647 – 32,9 %<br />
Rückvergütungen Drogentherapie – 4 182 375 – 6 000 000 – 5 876 473 1 817 625 – 30,3 %<br />
Anrechenbares Einkommen – 15 847 892 – 17 000 000 – 16 219 175 1 152 108 – 6,8 %<br />
Alimentenertrag – 4 664 372 – 4 900 000 – 4 748 817 235 628 – 4,8 %<br />
Alimentenbevorschussung –1 614 470 – 1 600 000 –1 574 483 –14 470 0,9 %<br />
Nothilfe NEE Vergütung Bund – 79 128 – 60 000 – 60 645 – 19 128 31,9 %<br />
Diverse Unterstützungserträge – 1 006 610 – 1 000 000 – 1 044 323 – 6 610 0,7 %<br />
Total Ertrag – 72 611 109 – 83 091 000 – 78 543 643 10 479 891 – 12,6 %<br />
Nettounterstützung 112 126 602 130 400 000 120 639 911 –18 273 398 –14,0 %<br />
Verwaltungsrechnung<br />
Personalaufwand 18 257 759 18 999 000 18 414 333 –741 241 –3,9 %<br />
Sachaufwand 4 160 906 3 871 000 3 842 750 289 906 7,5 %<br />
Verwaltungsertrag – 561 450 – 120 000 – 384 409 – 441 450 368 %<br />
Verwaltungsaufwand<br />
2<br />
21 857 215 22 750 000 21 872 674 – 892 785 –3,9 %<br />
Liegenschaftsrechnung<br />
Liegenschaftsaufwand 6 423 105 000 54 401 – 98 577 – 93,9 %<br />
Liegenschaftsertrag – 265 156 – 255 000 – 265 156 – 10 156 4,0 %<br />
Liegenschaftserfolg – 258 733 – 150 000 – 210 755 – 108 733 72,5 %<br />
Aufwandüberschuss 133 725 084 153 000 000 142 301 830 –19 274 916 –12,6 %<br />
Zusammenfassung der Aufwände und Erträge<br />
Aufwand Total 207 162 799 236 466 000 221 495 038 – 29 303 201 – 12,4 %<br />
Ertrag Total – 73 437 715 – 83 466 000 – 79 193 208 10 028 285 – 12,0 %<br />
1 In dieser Position ist die Bereinigung der Debitorenbestände (Abschreibungen) in Höhe von CHF 97 386 (als Ertragsminderung) dargestellt.<br />
Ausserdem ist ein ausserordentlicher Ertrag (Heimatgutschriften aus Vorjahresperioden) in Höhe von CHF 40 093 enthalten.<br />
2 Im Ergebnis des Verwaltungsaufwands ist eine Rücklage in den Reservefonds in Höhe von CHF 77 685 enthalten.
76<br />
7 RECHNUNG ASYL<br />
Erfolgsrechnung Asyl Rechnung Budget Rechnung Abweichung<br />
CHF 2007 2007 2006 Rechnung 07 zu Budget 07<br />
Personalkosten 2 102 354 2 220 000 2 151 099 – 117 646 – 5,3 %<br />
Betriebsaufwand 649 546 750 000 697 467 – 100 454 – 13,4 %<br />
Wohnkosten 1 478 280 1 780 000 1 737 280 – 301 720 – 17,0 %<br />
<strong>Sozialhilfe</strong>leistungen 1 462 915 1 780 000 1 770 347 – 317 085 – 17,8 %<br />
Beschäftigungsprogramm 142 973 175 000 157 378 – 32 027 – 18,3 %<br />
Gesundheitskosten 1 542 302 1 750 000 1 682 662 – 207 698 – 11,9 %<br />
Aufwandüberschuss 7 378 370 8 455 000 8 196 233 – 1 076 630 – 12,7 %<br />
Pauschalabgeltung WSD/Bund – 7 511 555 – 8 196 233<br />
Zuweisung an Reservefonds 133 185 0<br />
Ergebnis Asyl 0 0<br />
In der Darstellung ist der Nettoaufwand (Ergebnis von Aufwand und Ertrag) ausgewiesen.<br />
Der Aufwandüberschuss Asyl liegt CHF 817 863 (ca. 9,9%) unter dem Vorjahreswert. Der Budgetwert wurde um 12,7% (CHF 1076 630)<br />
unterschritten.<br />
Weniger Neuaufnahmen und der Abbau von Kapazitäten (Werkstatt/Verwaltungsgebäude) wirkten sich positiv auf der Kostenseite<br />
aus. Die an die SHB weitergeleiteten Bundespauschalen sind höher als der tatsächliche Aufwandüberschuss. Somit konnte eine Reserve<br />
(in Höhe der Überzahlung) von CHF 133 185 gebildet werden.<br />
Bilanz Asyl 31.12.2007 31.12.2006<br />
CHF<br />
Aktiven<br />
Flüssige Mittel 99 636 74 428<br />
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 1 770 497 4 267 825<br />
Delkredere Debitoren – 8 500 0<br />
Transitorische Aktiven 40 541 22 112<br />
Total Aktiven 1 902 173 4 364 365<br />
Passiven<br />
Kreditoren 514 53 258<br />
Kreditor Verrechnungskonto SHB 1 666 629 4 212 423<br />
Rückstellungen 46 000 57 899<br />
Transitorische Passiven 55 845 40 786<br />
Reservefonds (Überzahlung gem. Jahreskontrakt) 133 185 0<br />
Total Passiven 1 902 173 4 364 365
77<br />
8 STATISTIK<br />
8.1 Entwicklung der Fallzahlen ab Januar 2001<br />
Fälle<br />
6 000<br />
Quote<br />
10 %<br />
5 000<br />
8%<br />
4 000<br />
6%<br />
3 000<br />
4%<br />
2 000<br />
1 000<br />
2%<br />
0<br />
0%<br />
Jan 01<br />
Jun 01<br />
Nov 01<br />
Apr 02<br />
Sep 02<br />
Feb 03<br />
Jul 03<br />
Dez 03<br />
Mai 04<br />
Okt 04<br />
Mrz 05<br />
Aug 05<br />
Jan 06<br />
Jun 06<br />
Nov 06<br />
Apr 07<br />
Sept 07<br />
Zahlfälle <strong>Sozialhilfe</strong><br />
Zugangsquote<br />
Abgangsquote
78<br />
8.2 Unterstützungsgründe<br />
Unterstützungsgrund Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl in % in % in % in %<br />
(nur eine Nennung möglich) 2004 2005 2006 2007 2004 2005 2006 2007<br />
Arbeitslosigkeit 3 524 4 130 4 241 3 951 46,8 48,1 49,2 49,2<br />
ungenügendes Einkommen 966 1 002 1 029 1 014 12,8 11,7 11,9 12,6<br />
Alleinerziehende 957 958 926 878 12,7 11,2 10,7 10,9<br />
gesundheitliche Gründe 1 195 1 262 1 222 1 150 15,9 14,7 14,2 14,3<br />
Drogen 349 328 305 266 4,6 3,8 3,5 3,3<br />
Alkohol 77 72 55 52 1,0 0,8 0,6 0,6<br />
ungenügende Rente 204 224 175 135 2,7 2,6 2,0 1,7<br />
Alimentenfälle 0 0 1 0 0,0 0,0 0,0 0,0<br />
Ausbildung 396 378 337 323 5,3 4,4 3,9 4,0<br />
andere Gründe 242 229 333 266 3,2 2,7 3,9 3,3<br />
Total der kumulierten Zahlfälle in einem Jahr 7 524 8 172 8 021 8 035 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
8.3 Austrittsgründe<br />
Austrittsgrund Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl<br />
(nur eine Nennung möglich) 2004 2005 2006 2007<br />
in Arbeit 394 505 615 791<br />
Arbeitslosengelder 268 255 257 227<br />
IV-Taggeld / Renten / Ergänzungsleistungen / Beihilfe 237 291 281 268<br />
Krankentaggelder 22 17 20 22<br />
Wegzug aus dem <strong>Kanton</strong> 135 166 184 224<br />
Rückkehr Heimatland 26 26 44 66<br />
Höhere Eigenmittel 160 174 154 193<br />
Hinschied 37 39 28 43<br />
SUVA und andere Renten /Pensionen 13 12 16 15<br />
AHV-Rente /Ergänzungsleistungen /Beihilfe 185 154 165 171<br />
Direkte Verwandtenunterstützung 6 16 25 29<br />
Stipendien /Ausbildungsbeiträge 22 35 55 58<br />
Beschäftigungsprogramme 6 7 2 2<br />
Stiftungen /andere Sozialdienste 8 16 12 8<br />
Heirat 31 47 41 46<br />
Strafvollzug / Untersuchungshaft / Massnahme 2 1 0 0<br />
Anrechnung Haushaltsentschädigung 3 1 4 10<br />
Landesverweis 4 9 14 25<br />
Einstellungsverfügung <strong>Sozialhilfe</strong> 5 4 19 38<br />
Erbschaft / Lotteriegewinn 6 6 10 17<br />
Mietzinsbeiträge 0 1 2 1<br />
keine Gründe bekannt / erkennbar 340 359 359 307<br />
Summe 1 910 2 141 2 307 2 561
79<br />
8.4 Klientenstatistik 2004 – 2006<br />
(Anzahl Personen, die im Laufe des jeweiligen Jahres in Unterstützung waren)<br />
Altersgruppe bis 17 18 bis 25 26 bis 35 36 bis 50 51 bis 65 über 65<br />
Schweizer / -innen<br />
2005 2006 2007 2005 2006 2007 2005 2006 2007 2005 2006 2007 2005 2006 2007 2005 2006 2007<br />
Mädchen / Frauen 771 758 782 599 582 548 500 506 463 849 843 793 289 323 318 42 36 30<br />
Knaben / Männer 872 853 833 571 534 469 610 584 536 900 909 885 492 526 519 22 18 18<br />
Total Schweizer / -innen 1 643 1 611 1 615 1170 1 116 1 017 1 110 1 090 999 1 749 1 752 1 678 781 849 837 64 54 48<br />
Ausländer / -innen<br />
Mädchen / Frauen 870 890 801 451 450 367 748 721 662 694 727 674 212 211 193 15 18 10<br />
Knaben / Männer 965 1 025 880 489 455 381 702 677 599 945 975 843 393 390 375 10 13 9<br />
Total Ausländer / -innen 1 835 1 915 1 681 940 905 748 1 450 1 398 1 261 1 639 1 702 1 517 605 601 568 25 31 19<br />
Total Mädchen / Frauen 1 641 1 648 1 583 1 050 1 032 915 1 248 1 261 1 125 1 543 1 570 1 467 501 534 511 57 54 40<br />
Total Knaben / Männer 1 837 1 878 1 713 1 060 989 850 1 312 1 227 1 135 1 845 1 884 1 728 885 916 894 32 31 27<br />
Gesamttotal 3 478 3 526 3 296 2 110 2 021 1 765 2 560 2 488 2 260 3 388 3 454 3 195 1 386 1 450 1 405 89 85 67<br />
Alle Altersgruppen Total<br />
Schweizer / -innen<br />
2005 2006 2007<br />
Mädchen / Frauen 3 050 3 048 2 934<br />
Knaben / Männer 3 467 3 424 3 260<br />
Total Schweizer / -innen 6 517 6 472 6 194<br />
Ausländer / -innen<br />
Mädchen / Frauen 2 990 3 017 2 707<br />
Knaben / Männer 3 504 3 535 3 087<br />
Total Ausländer / -innen 6 494 6 552 5 794<br />
Total Mädchen / Frauen 6 040 6 065 5 641<br />
Total Knaben / Männer 6 971 6 959 6 347<br />
Gesamttotal 13 011 13 024 11 988
80<br />
8.5 Personalien<br />
Verwaltungsrat<br />
Dr. Felix Eymann<br />
Dr. Ralph Lewin<br />
Anita Joss<br />
Gabriela Matefi<br />
Helen Schai<br />
Rolf Schürmann<br />
Präsident, Bürgerrat<br />
Vizepräsident, Regierungsrat,<br />
Vorsteher des Wirtschafts- und Sozialdepartements<br />
des <strong>Kanton</strong>s <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Erziehungsdepartement, Leiterin Ressort Dienste<br />
Bürgerrätin<br />
Bürgergemeinderätin<br />
Amt für Sozialbeiträge, Leiter Abteilung Existenzsicherung<br />
<strong>Sozialhilfe</strong><br />
Geschäftsleitung<br />
Rolf Maegli<br />
Alfred Trechslin<br />
Dieter Stark<br />
Markus Spillmann<br />
Birgitta Zimmermann<br />
Barbara Kunz<br />
Elisabeth Braun<br />
Lea Schär-Sibler<br />
Vorsteher<br />
Leiter Abteilung Intake und Grundlagen, Stellvertreter des Vorstehers<br />
Leiter Abteilung Betriebswirtschaftliche Dienste<br />
Leiter Abteilung Integration<br />
Leiterin Abteilung Migration<br />
Leiterin Personaldienst<br />
Leiterin Abteilung Rechtsdienst und Rückerstattung<br />
Assistentin Vorsteher und QM-Koordinatorin<br />
Kader<br />
Abteilung Migration<br />
Hans-Rudolf Zurfluh<br />
Leiter Bereich Intake<br />
Thomas Mainx<br />
Leiter Bereich Integration<br />
Jens Jörn Jenrich<br />
Teamleiter WUMA<br />
Abteilung Betriebswirtschaftliche Dienste<br />
Peter Grässlin<br />
Leiter Bereich Informatik<br />
Michael Wemans<br />
Teamleiter Zahlungsverkehr<br />
Helmuth Schrader<br />
Leiter Bereich Technische Dienste<br />
Abteilung Intake und Grundlagen<br />
Werner Gisske Teamleiter Intake 1<br />
Thomas Möller Teamleiter Intake 3<br />
Doris Egloff<br />
Teamleiterin Intake 5 Aufnahme<br />
Annette Elbert<br />
Teamleiterin Case Management<br />
Abteilung Integration<br />
Thomas Bonda Teamleiter 6<br />
Anselmo Portale Teamleiter 8<br />
Marianne Dubach Teamleiterin 10<br />
Nicola Schmid Teamleiter 12<br />
Yvonne Adler Marshall Teamleiterin 14<br />
Monika Wirthner Altermatt Teamleiterin 16<br />
Christoph Huber<br />
Teamleiter SpezialistInnen<br />
Gerd Misenta<br />
Teamleiter Back Office<br />
Abteilung Rechtsdient und Rückerstattung<br />
Brigitta Weltner<br />
Teamleiterin Alimenteninkasso<br />
Guenevere Marx<br />
Teamleiterin Rückerstattung/VU