13.08.2022 Aufrufe

Kunstbulletin September 2022

Unsere September Ausgabe für 2022 mit Beiträgen zu Georg Aerni, Marc-Antoine Fehr, Angela Anzi, Kunst und Klima, uvm.

Unsere September Ausgabe für 2022 mit Beiträgen zu Georg Aerni, Marc-Antoine Fehr, Angela Anzi, Kunst und Klima, uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Editorial — Resonanz statt Verzicht<br />

Dieses Gestrüpp ächzte schon unter manchem Sturm. Georg Aerni<br />

entdeckte das kahl gefegte, verwirbelte Gebilde beim Umherstreifen<br />

durch die weglose Landschaft im hinteren Maggiatal und<br />

richtete im Frühling nach einer Regennacht seine Kamera darauf.<br />

Auf dem Abzug erscheinen die Äste dunkel gesättigt, als hätte der<br />

Fotograf ihre Konturen nachträglich geschärft. Obwohl das Motiv<br />

frontal, fast ohne Umraum porträtiert wurde, entwickelt es eine erstaunliche<br />

Tiefenwirkung. Und mit der räumlichen evoziert es eine<br />

zeitliche Perspektive. Georg Aerni, der oft als Spazier- und Berggänger<br />

unterwegs ist, beschreibt es als «eine anonyme Plastik,<br />

geformt von Wasserkräften, ein Objekt, das bei genauerem Hinsehen<br />

von der jüngeren Geschichte, von einem Hochwasser ein halbes<br />

Jahr zuvor erzählt». Die Fotografie gehört zu einer zwölfteiligen<br />

Serie, deren Titel ‹Ordine temporaneo› eine Ordnung auf Zeit<br />

verheisst. Ja, so wird es sein. Die 2021 im Laufe von zwei Wochen<br />

fotografierten Sträucher sind längst zerzaust und weitergetragen<br />

worden. Was bleibt, sind diese Aufnahmen, die mehr sind als eine<br />

fotografische Dokumentation. Jede einzelne schildert detailreich<br />

eine Begegnung und verleiht dieser einen visuellen Nachhall.<br />

Von Resonanz spricht auch der Klimawissenschaftler Raphael<br />

Portmann in seinem Text zu einem Werk im Rahmen der Biennale<br />

im Safiental. Er plädiert dafür, die unliebsame Verzichtsdebatte<br />

durch die Frage nach Resonanzräumen zu ersetzen. Je mehr es uns<br />

gelingt, mit Menschen und mit der Natur in unserer näheren Umgebung<br />

in einen Austausch zu treten, desto eher verlieren Konsum<br />

und globaler Tourismus an Anziehungskraft. Damit tun wir etwas<br />

für unser Lebensglück und für einen nachhaltigen Umgang mit der<br />

Welt. Claudia Jolles<br />

TITELBILD · Georg Aerni · Nr. 238, 2021, aus der Serie: Ordine temporaneo, Pigment-Inkjet-Print,<br />

114 x 86 cm<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!