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<strong>HTpraxis</strong>_0522.qxp_HTprax.qxd 28.08.22 12:20 Seite 16<br />

INSTALLATION & TECHNIK<br />

Trinkwasserhygiene:<br />

Wachstumsanalyse<br />

von Legionellen<br />

Barbara Borer ist Expertin für<br />

Hygiene and Mikrobiologie bei<br />

Geberit International AG,<br />

Schweiz.<br />

Die Ergebnisse von Zürcher Wissenschaftlern<br />

liefern Impulse für den sicheren Betrieb von<br />

Trinkwasserinstallationen: Grenzwerte und<br />

Empfehlungen zur Wassertemperatur,<br />

Rohrdämmungen und Stagnationszeit lassen sich<br />

neu beurteilen. Einsparungen von Energie und<br />

Wasser könnten die Folge sein.<br />

Trinkwasser ist ein natürliches Lebensmittel. Stagniert es zu<br />

lange, kann es ungenießbar werden. Die wenigen Nährstoffe, die<br />

nach der Aufbereitung des Trinkwassers vorhanden bleiben,<br />

können von Mikroorganismen genutzt werden und diese können<br />

sich vermehren. Die allermeisten dieser Mikroorganismen<br />

beeinträchtigen die Trinkwasserqualität jedoch nicht und sind für<br />

den Menschen unschädlich. Einige wenige aber können<br />

Krankheiten auslösen – insbesondere die Legionellen. Sie sind<br />

die Ursache der Legionärskrankheit, an der allein in Europa jedes<br />

Jahr mehrere Tausend Menschen erkranken.<br />

Wissenschaftler haben nun systematisch untersucht, mit<br />

welcher Geschwindigkeit sich Legionellen bei unterschiedlichen<br />

Temperaturen vermehren. Die Ergebnisse könnten sich für künftige<br />

Einsparungen von Energie und Wasser nutzen lassen. Dies<br />

ist einer Studie von Prof. Dr. Hubert Hilbis Forschungsgruppe1<br />

zu entnehmen.<br />

ERSTE DETAILLIERTE STUDIE<br />

ZU LEGIONELLENWACHSTUM<br />

Legionellen brauchen dreierlei, damit sie sich in<br />

Trinkwasseranlagen vermehren können: die richtigen<br />

Nährstoffe, die richtige Temperatur und Zeit. Bewährte<br />

Empfehlungen zur Betreibung der Trinkwasserinstallationen leiten<br />

sich heute oft aus Praxiserfahrungen ab. Die Messungen des<br />

Teams um Prof. Dr. Hilbi zeichnen sich durch ihre Genauigkeit<br />

und ihren Umfang aus.<br />

Die Grafik zeigt, wie sich die Legionellenzahl pro Tag verdoppelt.<br />

Ablesebeispiel: Bei knapp 40 °C verdoppelt sich die Anzahl sechsmal an<br />

einem Tag, also alle 4 Stunden. Aus einer Legionelle werden binnen 24<br />

Stunden stattliche 64 Legionellen. Die Messungen wurden in einer im<br />

Vergleich zu normalem Trinkwasser nährstoffreichen Umgebung durchgeführt.<br />

Das Team von Wissenschaftlern an der Universität Zürich<br />

hat das Wachstum der Bakterien bei unterschiedlichem<br />

Nährstoffangebot und unterschiedlichen Temperaturen im<br />

Labor gemessen. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Hubert<br />

Hilbi beschäftigt sich seit vielen Jahren eingehend mit<br />

Legionellen.<br />

AB 50 °C BEOBACHTEN DIE FORSCHER<br />

KEIN WACHSTUM MEHR<br />

Legionellen mögen es gerne warm. Bei 18 °C konnte nur<br />

langsames Wachstum beobachtet werden. Wohl fühlen sie sich<br />

um 40 °C. Hier kann sich die Anzahl Legionellen in einer<br />

nährstoffreichen Umgebung innerhalb vier Stunden verdoppeln.<br />

Die Vorliebe der Legionellen für Wärme hat aber eine klare<br />

Grenze, wie die Forscher der Universität Zürich herausgefunden<br />

haben. Steigt die Temperatur auf 50 °C, stoppt das<br />

Legionellenwachstum abrupt – und das unabhängig vom<br />

Nährstoffangebot.<br />

Warmwasser wird heute auf eine Temperatur von über 55 -<br />

60 °C erhitzt, um zu verhindern, dass sich Legionellen vermehren<br />

können. Dies braucht viel Energie – und zwar womöglich<br />

mehr als nötig. Gemäß der Studie aus Zürich könnte ein<br />

Warmwassersystem mit konstanter Temperatur von 50 °C der<br />

Vermehrung von Legionellen ebenso gut Einhalt gebieten wie die<br />

heute deutlich höheren Warmwassertemperaturen.<br />

WASSERAUSTAUSCH:<br />

JE NACH TEMPERATUR<br />

Ungedämmt, 24 °C Ungedämmt, 25 °C Gedämmt, 24 °C<br />

Legionellen [KBE/l] 44 73 54<br />

Tabelle 1: Die Tabelle zeigt berechnete Legionellenkonzentrationen, beruhend auf den gemessenen Wachstumsraten. Dabei<br />

wurde angenommen, dass sich Legionellen während 72 h vermehren können, ausgehend von einer Anfangskonzentration von 1<br />

KBE/l. Die Werte sind sehr hoch, da sie für ein nährstoffreiches Labormedium berechnet wurden. Eine wesentliche Erkenntnis<br />

lässt sich aber auf die Praxis übertragen: Eine Erhöhung der Umgebungstemperatur um 1 °C (73 statt 44 KBE/l) hat einen<br />

größeren Einfluss als die Dämmung (54 statt 44 KBE/l).<br />

In der Praxis wissen Betreiber<br />

von Trinkwasseranlagen nicht, wie<br />

viele Legionellen im Trinkwasser<br />

vorhanden sind oder welche<br />

Lebensbedingungen sie vorfinden.<br />

Dies hängt von der lokalen Qualität<br />

des Trinkwassers und der Nutzung<br />

der Installation ab. Basierend auf<br />

16 HAUSTEC praxis 5|22

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