31.08.2022 Aufrufe

das_gerberhaus_in_bretten_0

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Museum im Gerberhaus<br />

Das Gerberhaus ist <strong>das</strong> älteste, aus<br />

dem Jahre 1585 stammende Wohnund<br />

Wirtschaftsgebäude der Stadt,<br />

<strong>das</strong> als e<strong>in</strong>es von nur wenigen Häusern<br />

auch den großen Stadtbrand von<br />

1689 überstand. Mitte der 1980er<br />

Jahre sah alles danach aus, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Gerberhaus der Spitzhacke zum Opfer<br />

fallen und e<strong>in</strong>em Parkplatz weichen<br />

sollte. Der Initiative des damaligen<br />

Oberbürgermeisters Paul Metzger<br />

und traditionsbewussten Brettener<br />

Bürgern*<strong>in</strong>nen war es schließlich zu<br />

verdanken, <strong>das</strong>s die Abrisspläne nicht<br />

verwirklicht und <strong>das</strong> Gebäude stattdessen<br />

<strong>in</strong> den Jahren 1991 bis 1994<br />

durch ehrenamtliches, bürgerschaftliches<br />

Engagement saniert wurde. Im<br />

Zuge der Sanierung und begleitenden<br />

Recherchen stellte sich heraus, <strong>das</strong>s<br />

sich mehrere stadt- und sozialgeschichtliche<br />

Faktoren am Gerberhaus<br />

ablesen ließen. Die noch vorhandene<br />

historische Substanz und die Raumaufteilung<br />

dokumentieren die typische<br />

Arbeitssituation des Brettener Gerberhandwerks,<br />

<strong>das</strong> sich <strong>in</strong> den Gassen des südöstlichen Altstadtbereichs konzentrierte. Zusätzlich<br />

Foto: C. Traut<br />

konnten Informationen zur Baugeschichte der Brettener Stadtbefestigung sowie zu sozialgeschichtlichen<br />

Faktoren der städtischen Gesellschaft vergangener Jahrhunderte gewonnen werden.<br />

Das Gerbermuseum be<strong>in</strong>haltet Exponate zur Wohnkultur, zur Geschichte des Gerberhandwerks<br />

sowie der Lederverarbeitung. Ferner werden zeitlich begrenzte Sonderausstellungen oder Aktionstage<br />

angeboten.<br />

Museum im Gerberhaus<br />

Gerbergasse 10<br />

75015 Bretten<br />

Mail: schweizerhof@<strong>bretten</strong>.de<br />

Tel.: 07252/972800<br />

Öffnungszeiten:<br />

März bis Dezember<br />

1. und 3. Sonntag im Monat, 15–18 Uhr.<br />

Der E<strong>in</strong>tritt ist frei.<br />

Anbei f<strong>in</strong>den Sie Beschreibungen der Räume des Gerberhauses sowie Informationen zu deren<br />

früherer Nutzung durch <strong>das</strong> ortsansässige Handwerk.


Das Gerberhandwerk <strong>in</strong> Bretten<br />

Das Gerben von Häuten und Fellen – also deren Umwandlung zu Leder – ist e<strong>in</strong>e der ältesten<br />

Künste der Menschheit. Die Aufgabe der Gerber war es, tierische Häute so zu konservieren, <strong>das</strong>s<br />

ihre natürlichen Eigenschaften (Geschmeidigkeit, Undurchlässigkeit für Wasser) erhalten blieben.<br />

Handwerkliche Gerberei-Betriebe lassen sich <strong>in</strong> Bretten archivalisch seit dem 15. Jahrhundert<br />

nachweisen. Als ledererzeugende Handwerker belieferten die Gerber mit ihren Produkten die lederverarbeitenden<br />

Handwerker, wie z. B. Schuhmacher und Sattler. Die natürlichen Voraussetzungen<br />

für <strong>das</strong> Gerberhandwerk – Lohe von den Eichenbeständen der umliegenden Wälder,<br />

Wasser von den Bächen Weißach und Salzach – waren <strong>in</strong> Bretten ebenso vorhanden, wie Absatzmöglichkeiten<br />

durch die rege Markttätigkeit und die Funktion der Stadt als Zentrum e<strong>in</strong>es kurpfälzischen<br />

Oberamtes.<br />

Das Gerberhandwerk setzte sich aus zwei Gruppen zusammen: den Rotgerbern und den Weißgerbern.<br />

Während die Rotgerber vornehmlich R<strong>in</strong>der- und Schwe<strong>in</strong>ehäute zu festen und widerstandsfähigen<br />

Lederarbeiten für Schuhe, Riemen, Zaumzeug, Sättel und dergleichen verarbeiteten,<br />

erzeugten die Weißgerber fe<strong>in</strong>ere Lederarten (z. B. für Handschuhe und Handtaschen) unter<br />

anderem aus den Häuten von Ziegen und Hasen. In Bretten überwogen die Rotgerber. Die wenigen<br />

Weißgerber bildeten mit ihnen e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Zunft. Bis 1745 bestand noch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Zunft der Gerber und der Schuhmacher, aus der im gleichen Jahr die eigenständige Gerberzunft<br />

hervorg<strong>in</strong>g. Diese bestand bis zur Aufhebung der Zünfte durch <strong>das</strong> badische Gewerbegesetz<br />

im Jahre 1862. Im Jahre 1786 wurden <strong>in</strong> Bretten acht Rotgerber und drei Weißgerber gezählt.<br />

Im Jahre 1810 waren es noch sechs Rotgerber und e<strong>in</strong> Weißgerber.<br />

Wie <strong>in</strong> den meisten Städten führten die von den Gerbereien ausgehenden Geruchsbelästigungen<br />

auch <strong>in</strong> Bretten zur Konzentration der Werkstätten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Viertel am Rande der<br />

Stadt. Auf die Lage des e<strong>in</strong>stigen Brettener Gerberviertels im Südosten der Altstadt verweisen<br />

noch heute drei Straßennamen: Lohgasse, Gerbergase und Am Leyertor (von „Lewer-Tor“, abgeleitet<br />

von „Löher“ = Gerber)<br />

Durch die Nähe zum Saalbach und zu dem vor der Stadtmauer gelegenen „Leyerthörle<strong>in</strong>-See“<br />

bot die Lage des Viertels ideale Voraussetzungen für die Gerbertätigkeit, die auf Wasser angewiesen<br />

war. Der Zugang der Gerber aus der Stadtmauer heraus zum Wasser führte dabei durch <strong>das</strong><br />

Leyertor.<br />

Stockwerks-Eigentum: E<strong>in</strong>e Besonderheit im Gerberhaus<br />

Seit 1733 ist die Aufteilung des Gerberhauses <strong>in</strong> sogenannte Stockwerks-Eigentum archivalisch<br />

nachweisbar. Dabei gehörten e<strong>in</strong>zelne Räume unterschiedlichen Eigentümern und konnten auch<br />

unabhängig von den anderen Teilen des Hauses verkauft oder vererbt werden. Durch <strong>das</strong> hier<br />

vorherrschende Realteilungs-Erbrecht wurden Nachlässe nicht geschlossen vererbt, sondern unter<br />

den Erben aufgeteilt. Dies führte häufig zu e<strong>in</strong>er ständigen Verkle<strong>in</strong>erung des jeweiligen Familienbesitzes.<br />

Während sich im Erdgeschoß e<strong>in</strong>e Querteilung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en östlichen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en westlichen Bereich<br />

feststellen lässt, lag im ersten Obergeschoß e<strong>in</strong>e Längsteilung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nördlichen und e<strong>in</strong>en südlichen<br />

Bereich vor. Die Aufteilung im Stockwerks-Eigentum hatte Konsequenzen für die baulichen<br />

Umgestaltungen im Haus. Resultate waren unter anderem die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er zweiten Küche <strong>in</strong><br />

diesem Raum, die Anlage e<strong>in</strong>es zusätzlichen Aufgangs vom ersten <strong>in</strong> <strong>das</strong> zweite Obergeschoß<br />

und die Vermauerung von Türöffnungen aus der Erbauungszeit <strong>in</strong> späteren Jahrhunderten. Die<br />

Teilung des Hauses dauerte bis kurz vor Beg<strong>in</strong>n der Sanierungsarbeiten im Jahre 1988 an.


Erdgeschoss<br />

Tenne und Zurichtraum (Vorratskeller)<br />

Das Erdgeschoss des im Jahre 1585 errichteten Gerberhauses gliedert sich heute <strong>in</strong> 5 Räume.<br />

Der älteste landwirtschaftlich genutzte Raum im Gerberhaus ist die sogenannte Tenne im Westen<br />

des Gebäudes. Sie kann durch <strong>das</strong> Haus oder durch e<strong>in</strong> großes Tor betreten werden. Bereits <strong>in</strong><br />

der Erbauungszeit um 1585 war hier e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Viehstall angelegt, der e<strong>in</strong>en eigenen Zugang auf<br />

der Nordseite des Hauses hatte. Von diesem Stall aus dehnte sich die landwirtschaftliche Nutzung<br />

des Erdgeschosses im Laufe der Zeit Raum für Raum <strong>in</strong> östlicher Richtung aus.<br />

Prägend für Bretten war lange Zeit der Sozialtypus des „Ackerbürgers“, der <strong>in</strong> der Stadt wohnte<br />

und vom städtischen Anwesen aus – teils im Voll-, teils im Nebenerwerb – Landwirtschaft betrieb.<br />

Dies galt auch für die meisten Brettener Handwerker. Ackerbürgerliche Betriebe gab es vor allem<br />

<strong>in</strong> der südöstlichen Altstadt vere<strong>in</strong>zelt noch bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg. Als im 18.<br />

Jahrhundert die Bedeutung der Gerberei im Haus nach und nach zugunsten e<strong>in</strong>er landwirtschaftlichen<br />

Nutzung zurücktrat, wurde hier e<strong>in</strong> Heuaufzug angelegt, der durch alle Stockwerke des<br />

Hauses reicht und unter dem Dach im 3. OG endet.<br />

Im h<strong>in</strong>teren Bereich der Tenne bef<strong>in</strong>det sich heute e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Vorratskeller. Zur Erbauungszeit befand<br />

sich hier vermutlich e<strong>in</strong> Zurichtraum des Gerbers, <strong>in</strong> dem die fertig gegerbten Häute nachgearbeitet<br />

wurden. Im Zuge der Aufteilung des Hauses <strong>in</strong> Stockwerkseigentum wurde der Raum<br />

von dem östlich daran angrenzenden Teil des Hauses abgetrennt und später als Vorratsraum für<br />

landwirtschaftliche Produkte verwendet. E<strong>in</strong> Zugang war von nun an nur noch von der westlichen<br />

Seite des Erdgeschosses möglich. Das Fenster <strong>in</strong> der Trennwand diente dabei zur Luftzirkulation.<br />

In der Tenne zeigt sich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gerberhaus direkt an die südliche Stadtmauer angebaut wurde.<br />

Das aus Kalkste<strong>in</strong> gemauerte Fundament der ehemaligen Stadtmauer geht auf <strong>das</strong> 13. Jahrhundert<br />

zurück, als man dem Bau des die gesamte Stadt umschließenden Mauerr<strong>in</strong>gs begann.<br />

Brettens Stadtmauer wird 1348 erstmals urkundlich erwähnt.<br />

Gerber-Werkstatt und Lohgruben<br />

Im Erdgeschoss befanden sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts unterschiedliche Werkstatträume<br />

der hier ehemals ansässigen Gerber; diese s<strong>in</strong>d über e<strong>in</strong>en externen Zugang neben dem<br />

Leyertor zugänglich. Die östliche Seitentür führte schon zur Erbauungszeit des Hauses direkt zum<br />

Leyertor und somit zu e<strong>in</strong>em der Zugänge durch die Stadtmauer, von wo aus der zur Gerberei<br />

notwendige Zugriff auf Wasser garantiert war.<br />

Die im Zuge der Sanierungsarbeiten rekonstruierte Feuerstelle an der Ostseite diente zum Erhitzen<br />

des Wassers für die Lohgruben, diese befanden sich e<strong>in</strong>st direkt nebenan. Hier wurden die<br />

Häute über mehrere Monate <strong>in</strong> Eichenlohe und Wasser gegerbt. Bei der Lohgerbung, die auch<br />

große R<strong>in</strong>derhäute verarbeitete, genügten für diesen Vorgang Zuber oder Bottiche nicht mehr.<br />

Daher war es notwendig, bis zu 2 m tiefe Gruben <strong>in</strong> den Boden der Werkstatt e<strong>in</strong>zulassen, die<br />

dann mit Eichenbohlen ausgekleidet wurden. Außen wurden die Gruben mit Lehm abgedichtet,<br />

um e<strong>in</strong> Versickern des Wassers zu verh<strong>in</strong>dern.<br />

Auch die sognannte Schwitzkammer <strong>in</strong> der ehemaligen Stadtmauer konnte von diesem Bereich<br />

der Werkstatt betreten werden. Dort wurden die Häute an Haken aufgehängt und durch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />

Feuer erwärmt, bis durch den e<strong>in</strong>tretenden Verwesungsprozess die Haare gelockert waren.<br />

Zum Abzug des Rauches und des entstehenden Geruches waren kle<strong>in</strong>e Abzugsöffnungen im Gewölbe<br />

angebracht. Für die Anlage der Schwitzkammer konnte der Gerber <strong>das</strong> Fundament der<br />

Stadtmauer nutzen.


1. OG: Wohnbereiche der Eigentümerfamilien<br />

Im ersten Obergeschoss befanden sich e<strong>in</strong>st die Wohnräume der Familien. Die Aufteilung der<br />

Räumlichkeiten durch <strong>das</strong> geltende Erbrecht mit dem Stockwerks-Eigentum zeigt sich hier besonders<br />

deutlich durch e<strong>in</strong>en nachträglich geschaffenen Treppenaufgang (Raum im äußersten<br />

Westen), heute wieder geöffnete, aber ehemals verschlossene Zugänge zu Räumlichkeiten sowie<br />

durch die E<strong>in</strong>richtung zweier gegenüberliegender Küchen.<br />

Im Rahmen des nördlichen Anbaus an <strong>das</strong> Gerberhaus im 17.<br />

Jahrhundert, wurde die Küche der Wohnpartei im Norden (Ost-<br />

West-Trennung der Räumlichkeiten) – zusätzlich zu der bereits<br />

vorhandenen Herdstelle – um e<strong>in</strong>en aus Lehm gefertigten Außenbackofen<br />

erweitert. In Kaufverträgen und Grundbuche<strong>in</strong>tragungen<br />

des 18. und 19. Jahrhunderts ist jedoch stets von e<strong>in</strong>er<br />

geme<strong>in</strong>samen Nutzung des Backofens durch beide Eigentümerparteien<br />

die Rede. Selbst der Abort am Ende des Flurs<br />

wurde von beiden Parteien gleichermaßen genutzt.<br />

Im östlichen Bereich des Stockwerks bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e Schlafkammer<br />

sowie die ehemalige Stube der Gerberfamilien. Sie<br />

stellte bereits <strong>in</strong> der Erbauungszeit den größten Raum des ersten<br />

Obergeschosses dar. Als Wohnstube war sie der familiäre<br />

und soziale Mittelpunkt des Gerberhaushaltes. Der hellblaue<br />

Anstrich des Raumes orientiert sich an der ältesten hier vorgefundenen<br />

Farbschicht. Auch wenn der Gerberhaushalt nicht besonders wohlhabend war, so<br />

gönnte man sich für die „gute Stube“ doch e<strong>in</strong>e besondere Farbgebung.<br />

Foto: L. Obhof<br />

Nach der Teilung des Hauses <strong>in</strong> Stockwerkseigentum und der E<strong>in</strong>beziehung des Wehrgangs <strong>in</strong><br />

den Wohnbereich des ersten Obergeschosses wurde die Tür zur angrenzenden Wohnstube zugemauert,<br />

der südliche Raum zu e<strong>in</strong>er weiteren Wohnstube umgenutzt und e<strong>in</strong>e neue Tür zur<br />

westlich anstoßenden zweiten Küche geschaffen. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurde der<br />

Raum auf se<strong>in</strong>e ursprüngliche Größe aus der Erbauungszeit verkle<strong>in</strong>ert und der früher angrenzende<br />

Wehrgang wieder rekonstruiert.<br />

2. OG: ehemaliger Trockenboden und Dienstbotenkammern<br />

Im 2. Obergeschoss wurden die fertig gegerbten Häute zum Trocknen aufgehängt. Deckenbalken<br />

sowie Teile der Außen- und der Innenwände stammen noch aus der Erbauungszeit (1585). Charakteristisch<br />

für Gerberhäuser s<strong>in</strong>d die (heute verglasten) Lüftungsöffnungen an den Außenwänden.<br />

Nach dem allmählichen Rückgang der Gerberei im Haus und dem E<strong>in</strong>setzen e<strong>in</strong>er überwiegend<br />

landwirtschaftlichen Nutzung diente der Raum als Heuboden.<br />

Bei der Teilung des Hauses <strong>in</strong> Stockwerkseigentum wurde e<strong>in</strong>e Tür zum südlich angrenzenden<br />

Raum mit e<strong>in</strong>er Fachwerkausfachung geschlossen und verputzt: Sie trat erst im Zuge der Sanierungsarbeiten<br />

wieder <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung. Um dem Eigentümer weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zugang zu ermöglichen,<br />

wurde e<strong>in</strong> zweiter, jetzt nicht mehr sichtbarer Treppenaufgang vom ersten <strong>in</strong> <strong>das</strong> zweite<br />

Obergeschoss geschaffen. Auf diesem Stockwerk befand sich <strong>in</strong> Richtung des Leyertors e<strong>in</strong>e<br />

große Schlafkammer, sie diente vermutlich der Unterbr<strong>in</strong>gung der Gerbergesellen und Knechte.<br />

Nach der Teilung des Hauses <strong>in</strong> Stockwerkseigentum wurde hier e<strong>in</strong>e Zwischenwand e<strong>in</strong>gezogen;<br />

die Kammer wurde <strong>in</strong> zwei etwa gleich große Räume aufgeteilt. Die beiden Räume gehörten<br />

nun jedoch unterschiedlichen Eigentümern und erhielten jeweils e<strong>in</strong>en separaten Zugang.


3. OG (Dachgeschoss)<br />

Das Dachgeschoss des Gerberhauses besteht aus drei übere<strong>in</strong>ander gelagerten Ebenen, die<br />

nach oben h<strong>in</strong> immer niedriger werden. Anfänglich diente dieser hohe, für Gerberhäuser charakteristische<br />

Dachstuhl, der Trocknung von Häuten. Später, nach der Zunahme der ackerbürgerlichen<br />

Nutzung des Hauses, erfüllte er Funktionen der Lagerhaltung und Trocknung von landwirtschaftlichen<br />

Produkten. Erhalten s<strong>in</strong>d dazu zum Beispiel noch Haken, an denen im 19. und 20. Jahrhundert<br />

Tabak getrocknet wurde.<br />

Deutlich zu erkennen ist die Konstruktion des Dachstuhls. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden<br />

schadhafte Elemente ausgewechselt, die Konstruktion als solche aber unverändert gelassen.<br />

Die ältesten, im Verbund erhaltenen Balken aus Nadelholz stammen noch aus der Erbauungszeit.<br />

Durch dendrochronologische<br />

Untersuchungen konnte <strong>das</strong><br />

Alter des Gebäudes auf e<strong>in</strong><br />

Fälldatum der Hölzer im Jahre<br />

1585 datiert werden. Betrachtet<br />

man jedoch <strong>das</strong> Fachwerk<br />

im Erdgeschoss (Nordseite)<br />

näher, fällt auf, <strong>das</strong>s sich hier<br />

Reste von Verblattungen<br />

nachweisen lassen. Diese <strong>in</strong>e<strong>in</strong>andergreifende<br />

Variante des<br />

Fachwerks war <strong>in</strong> der Region<br />

die typische Fachwerkbauweise<br />

des 15. Jahrhunderts.<br />

Bei der Sanierung des Hauses<br />

begann man mit dem Dachstuhl, um <strong>das</strong> darunter liegende Fachwerkgefüge zu entlasten und <strong>das</strong><br />

Haus mit se<strong>in</strong>en vielen Holz- und Lehmbauelementen möglichst rasch wieder mit e<strong>in</strong>em schützenden<br />

Dach zu versehen. Während der Öffnung und Sanierung des Dachstuhls wurde <strong>das</strong> Gerberhaus<br />

mit e<strong>in</strong>em „Zeltdach“ (Stahlgerüstkonstruktion mit 15 m Höhe und Dachb<strong>in</strong>dern von 16<br />

m Spannweite) überdeckt: e<strong>in</strong> „Haus“ über dem Haus entstand. Bei der neuerlichen Dache<strong>in</strong>deckung<br />

wurden die historischen Biberschwanzziegel wiederverwendet, schadhafte Ziegel durch<br />

zugekaufte handgeformte Biberschwänze ersetzt.<br />

Foto: M. Brunner

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!