Ggbg Heft 03_2022_Herbst
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ungen“, soweit diese nicht um Weihnachten<br />
den Empfängern durch einen<br />
Klosterboten überbracht wurden. Die<br />
Pfarren, die erst in der Früh mit dem<br />
Kreuz auf dem hl. Berg eintrafen, hatten<br />
jedenfalls alles am Vormittag, und<br />
es mag besonders in späterer Zeit, als<br />
die Zahl der Priester im Kloster mitunter<br />
äußerst gering war, für die Mönche<br />
ziemlich anstrengend gewesen sein. Sicherlich<br />
haben die Wallfahrer, wenigstens<br />
sofern sie das erste Mal die Pilgerfahrt<br />
mitmachten, die Kirche mit ihren<br />
schönen Bildern und Altären eingehend<br />
bewundert und die verschiedenen Kapellen<br />
besichtigt, die damals außerhalb<br />
der Klostermauern lagen. Sie sind wohl<br />
auch ins „Heiltumgewölbe“ (die Reliquienkapelle<br />
in der Unterkirche) hinabgestiegen,<br />
um die Schreine, Kreuze<br />
und Monstranzen anzustaunen, die der<br />
fromme Sinn edler Wohltäter für die<br />
zahlreichen Reliquien hatte anfertigen<br />
lassen, und sie haben mit Sicherheit<br />
auch bei „U. L. Frau unter der Linde“<br />
einen andächtigen Besuch gemacht, um<br />
dann wieder – körperlich erquickt und<br />
seelisch gestärkt – den Heimweg anzutreten.<br />
5. DER GEORGENBERGER<br />
RELIQUIENSCHATZ<br />
Das Kloster St. Georgenberg war bestrebt,<br />
nicht nur zur Förderung der<br />
Wallfahrt, sondern auch zur Hebung<br />
des Ansehens seine Reliquienschätze<br />
ständig zu mehren und deren „Echtheit“<br />
durch die Autorität großer Persönlichkeiten<br />
beglaubigen zu lassen. Nicht nur<br />
Päpste und Bischöfe, auch Kaiser und<br />
Könige bürgten für die Authentizität<br />
der Gebeine und Heiligenandenken;<br />
wir müssen nämlich unterscheiden zwischen<br />
den eigentlichen Reliquien und<br />
den Erinnerungszeichen an heilige Personen<br />
und Orte. In den Knochensplittern,<br />
Haaren, Textilien und Gebrauchsgegenständen<br />
heiliger Personen, die in<br />
Tafeln, Kreuzen, Kästchen und Gläsern<br />
eingearbeitet waren, sah der mittelalterliche<br />
Mensch immer die Person dessen,<br />
denen sie zu Lebzeiten gehört hatten,<br />
und stellte deshalb kaum die Frage nach<br />
der Echtheit der Reliquie.<br />
Schwer ist, die Gesamtzahl der Heiligenreliquien,<br />
die während des Mittelalters<br />
auf St. Georgenberg verehrt wurden, anzugeben.<br />
Das Heiltumverzeichnis (auch<br />
Chronik genannt) von 1480 gibt über<br />
130 Heilige an, von denen das Kloster<br />
Reliquien und Andenken besaß. Da von<br />
einigen Heiligen mehrere Partikel aufbewahrt<br />
wurden, beträgt die Anzahl der<br />
Reliquien natürlich ein Mehrfaches davon.<br />
Allein eine nicht mehr vorhandene<br />
Weihetafel von 1204, die einst angeblich<br />
über dem Hochaltar angebracht gewesen<br />
war, gab 109 Reliquien an.<br />
Das Heiltumverzeichnis von 1480 verrät<br />
weiters, dass nach Verlängerung des<br />
Chors der Abteikirche 1386 allein im<br />
Hochaltar folgende Reliquien untergebracht<br />
waren: das Öl der Jungfrau Maria<br />
von Sardinal, der Arm und ein halber<br />
Schenkel des hl. Georg, die Armröhre<br />
der Ursula, die Schultern Maria Magdalenas,<br />
Stoffstücke aus dem Kleid Mariens,<br />
ein Teil vom Gewand des hl. Christophorus,<br />
Knochenteile der Heiligen<br />
Agatha, Cäcilia und Agnes, das Schul-<br />
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