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ALfA e.V. Magazin - LebensForum / 143 / 3/2022

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Nr. <strong>143</strong> | 3. Quartal <strong>2022</strong> | ISSN 0945-4586 | Einzelpreis 5,– E B 42890<br />

Interview<br />

Shawn Carney über<br />

die neuen USA<br />

Essay<br />

Es gibt kein Recht<br />

auf Abtreibung<br />

Gesellschaft<br />

Warten auf ein<br />

Machtwort<br />

EU VS. USA<br />

Kampf um<br />

den Lebensschutz<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

In Kooperation mit Ärzte für das Leben e.V.<br />

1<br />

www.alfa-ev.de


INHALT<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

TITELTHEMA POLITIK ZWISCHENRUF<br />

Zeitenwende<br />

im Lebensschutz<br />

4<br />

Nach dem Fall von »Roe vs.<br />

Wade« entscheiden in den USA<br />

wieder die Parlamente über die rechtliche<br />

Regelung von Abtreibungen. Eine<br />

entscheidende Weichenstellung kommt<br />

im November.<br />

Von Maximilian Lutz<br />

Von Menschwürde<br />

keine Spur<br />

14<br />

Das EU-Parlament spricht<br />

sich für ein »Recht auf Abtreibung«<br />

aus und fordert gar dessen<br />

Aufnahme in die Grundrechtecharta der<br />

Europäischen Union.<br />

Von Tim Bioly<br />

Auf der Seite des Lebens<br />

24<br />

Gott kann heilen, was im<br />

Leben von Menschen zerbrochen<br />

wurde. Das gilt sogar für die<br />

Selbsttötung. Aber die Würde verpflichtet<br />

uns auch zu einem entsprechenden<br />

Umgang mit uns selbst.<br />

Von Bischof em. Heinz Josef Algermissen<br />

Amerika konnte nicht<br />

mehr schlafen<br />

8<br />

Interview mit Shawn Carney,<br />

Gründer und Präsident von »40<br />

Days for Life«, einer amerikanischen<br />

Lebensrechtsorganisation, die weltweit<br />

Gebetsaktionen vor Abtreibungseinrichtungen<br />

durchführt.<br />

Von Cornelia Kaminski<br />

ESSAY<br />

»Recht auf Abtreibung«?<br />

20<br />

Wer meint, entscheiden<br />

zu dürfen, ob ein anderer<br />

weiterleben darf, bestreitet die Unverfügbarkeit<br />

des Lebens von Menschen<br />

durch ihresgleichen und erklärt auch<br />

das Leben aller anderen de facto für<br />

antastbar.<br />

Von Stefan Rehder<br />

GESELLSCHAFT<br />

Warten auf<br />

ein Machtwort<br />

26<br />

ZdK-Präsidentin Irme Stetter-<br />

Karp steht unter Druck.<br />

Tausende Katholiken fordern öffentlich<br />

ihren Rücktritt. Und das aus gutem<br />

Grund.<br />

Von Cornelia Kaminski<br />

2 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


EDITORIAL<br />

Nur Wahrheit überdauert<br />

WEITERE THEMEN<br />

12 Bioethik-Splitter<br />

30 Bücherforum<br />

32 Kurz vor Schluss<br />

35 Impressum<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

worauf Lebensrechtler weltweit gehofft<br />

hatten, ist nun eingetreten: Das<br />

Grundsatzurteil »Roe vs. Wade«, das<br />

in den USA die vorgeburtliche Kindstötung<br />

zu einem verbrieften Verfassungsrecht<br />

gemacht hatte, wurde mit deutlicher<br />

Stimmenmehrheit aufgehoben.<br />

Nun entscheiden also wieder die einzelnen<br />

Bundesstaaten darüber, wie Abtreibungen<br />

dort geregelt werden sollen.<br />

Eins ist schon jetzt klar: Die USA sind<br />

in dieser Frage tief gespalten (S. 4 ff.).<br />

Während in immer mehr Staaten Regierungen<br />

Gesetze erlassen, die dem<br />

Lebensschutz dienen, werden in anderen<br />

jegliche Schutzzäune für das vorgeburtliche<br />

Kind geschliffen. In Kalifornien<br />

wurde mit AB 2223 ein Gesetz<br />

verabschiedet, das von Lebensrechtlern<br />

scharf kritisiert wird. Es sieht vor,<br />

dass niemand bestraft wird, der gegen<br />

die Gesundheits- und Sicherheitsstandards<br />

für Abtreibungen verstößt. Abtreibungen<br />

bis zur Geburt durch nicht<br />

zugelassene Abtreiber könnten selbst<br />

dann nicht bestraft werden, wenn diese<br />

über keinerlei entsprechende Ausbildung<br />

verfügen. Wie soll das die Gesundheit<br />

und Sicherheit von Frauen<br />

schützen?<br />

Wir wollten aber auch wissen, welche<br />

Auswirkungen das Urteil auf die<br />

Lebensrechtsbewegung in den USA<br />

hat – und haben dazu ein Interview<br />

mit Shawn Carney geführt, dem Gründer<br />

von »40 Days for Life«. Er erzählt<br />

uns, welchen Beitrag Lebensrechtler in<br />

den USA geleistet haben, um »Roe vs.<br />

Wade« zu kippen (S. 8 ff.).<br />

In Europa hat man hoch empfindlich<br />

reagiert. Das Europäische Parlament<br />

hat in einem einzigartigen Vorgang den<br />

Obersten Gerichtshof der USA kritisiert<br />

und die Regierung Biden aufgefordert,<br />

ein »Recht auf Abtreibung« auf nationaler<br />

Ebene zu gewährleisten – und<br />

fordert für Europa, es in die EU-Grundrechtecharta<br />

aufzunehmen. Wir berichten<br />

ab S. 14.<br />

Aus den USA lernen wir,<br />

wie mit solchen Forderungen<br />

umzugehen ist. Abtreibungen<br />

müssen unzweideutig<br />

als das bezeichnet<br />

werden, was sie sind: Die<br />

Tötung eines wehrlosen,<br />

unschuldigen Menschen<br />

(S. 20 ff.). Katholische Laien<br />

in Führungspositionen,<br />

die stattdessen das Narrativ<br />

der Abtreibungslobby<br />

unhinterfragt nachbeten,<br />

verdunkeln diese Botschaft (S. 26 ff.).<br />

Insofern sind wir sehr dankbar für den<br />

Zwischenruf von Bischof em. Heinz Josef<br />

Algermissen, der einen Blick auf<br />

das Lebensende wirft. Auch hier droht<br />

uns mit der Neuregelung des assistierten<br />

Suizids nach der Sommerpause<br />

ein Gesetz, das es ermöglicht, »auf<br />

eine tödliche Verzweiflung mit der Tötung<br />

des Verzweifelten« zu reagieren<br />

(S. 24 f.).<br />

Das Leben ist positiv besetzt, der Tod<br />

ist es nicht, und erst recht nicht eine<br />

Tötungshandlung. Nicht umsonst umgehen<br />

die Abtreibungsbefürworter die<br />

Tatsachen und sprechen lieber von<br />

»Gesundheitsvorsorge« und »Selbstbestimmung«.<br />

Gleiches gilt für das Lebensende.<br />

Unsere Aufgabe ist es dagegen, unablässig<br />

die Wahrheit zu wiederholen. Sie<br />

wird sich durchsetzen: Lügen, weiß der<br />

Volksmund, haben kurze Beine. Anders<br />

als die Wahrheit sind sie nicht von Dauer.<br />

Ihre<br />

Cornelia Kaminski<br />

Bundesvorsitzende der <strong>ALfA</strong> e.V.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

3


TITELTHEMA<br />

Zeitenwende<br />

im Lebensschutz<br />

»Roe vs. Wade« ist Geschichte, die Parlamente entscheiden wieder über die Abtreibungsgesetze.<br />

Während einzelne Staaten bereits zur Tat geschritten sind, suchen die Demokraten<br />

fieberhaft nach einem Weg, das neue Gerichtsurteil zu umgehen. Eine entscheidende<br />

Weichenstellung kommt im November.<br />

Von Maximilian Lutz<br />

Wer in den letzten Wochen<br />

durch Kalifornien fuhr, hatte<br />

gute Chancen, am Straßenrand<br />

auf eine überdimensionale Reklametafel<br />

in knallig-bunten Farben zu<br />

stoßen. Werbung für ein Wellness-Resort?<br />

Den nächsten Burger-Grill? Weit<br />

gefehlt. »Willkommen in Kalifornien,<br />

wo Abtreibung sicher und weiterhin<br />

legal ist«, steht auf den »Billboards«<br />

zu lesen, die gleich in mehreren Städten<br />

des US-Westküstenstaats ins Auge<br />

springen. Finanziert hat sie die Organisation<br />

»Planned Parenthood« – und<br />

damit vor allem im Netz eine kontrovers<br />

geführte Debatte losgetreten. Während<br />

die einen von der »coolsten Aktion«<br />

sprechen, die sie je gesehen haben,<br />

kündigen andere an, den Staat nun verlassen<br />

zu wollen.<br />

Dabei ist die Werbekampagne von<br />

Planned Parenthood im Wortsinn nur<br />

eine symbolische Maßnahme. Der größte<br />

Anbieter von Abtreibungen in Ame-<br />

4 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


TITELTHEMA<br />

JUDITHANNE/STOCK.ADOBE.COM<br />

rika ist seit einigen Wochen spürbar unter<br />

Zugzwang. Genauer gesagt, seit dem<br />

24. Juni. An jenem Tag veröffentlichte<br />

der Oberste Gerichtshof der USA<br />

sein lange erwartetes Urteil im Fall<br />

»Dobbs vs. Jackson Women’s Health<br />

Organization«. Darin stimmten fünf<br />

der neun Obersten Richter dafür, das<br />

fast 50 Jahre alte, umstrittene Grundsatzurteil<br />

»Roe vs. Wade« zu kippen,<br />

das die amerikanische Abtreibungsgesetzgebung<br />

bis dato bestimmt hatte.<br />

In der Urteilsbegründung heißt es,<br />

die amerikanische Verfassung enthalte<br />

kein »Recht« auf Abtreibung. In »Roe<br />

vs. Wade« war das Oberste Gericht<br />

1973 zu dem Schluss gekommen, dass<br />

sich ein solches Recht aus dem durch<br />

den 14. Verfassungszusatz garantierten<br />

»Recht auf Privatsphäre« ableiten lasse.<br />

Die Entscheidung in einem weiteren<br />

Fall, »Planned Parenthood vs. Casey«,<br />

bekräftigte »Roe« 1992. Die damalige<br />

Auffassung teilen die Obersten<br />

Richter nun nicht mehr. Sowohl »Roe«<br />

als auch »Casey« hätten die Frage ignoriert,<br />

ob die Verfassung ein »Recht«<br />

auf Abtreibung enthalte. Stattdessen sei<br />

»Casey« ausschließlich mit dem juristischen<br />

Prinzip des »stare decisis« entschieden<br />

worden – also auf Grundlage<br />

des vorangegangenen Präzedenzfalles.<br />

Nun liegt es wieder in den Händen<br />

der einzelnen Bundesstaaten, über ihre<br />

Abtreibungsgesetze zu entscheiden.<br />

Und da Amerika in Sachen Abtreibung,<br />

wie in so vielen gesellschaftspolitischen<br />

Fragen, gespalten ist, wird die Rechtslage<br />

auf absehbare Zeit einem Flickenteppich<br />

gleichen. Auch die Reaktionen<br />

auf das Urteil spiegeln die tiefen Gräben<br />

wider. Die US-Bischöfe sprachen<br />

von einem »historischen Tag« in der<br />

Geschichte der USA. »Fast 50 Jahre<br />

lang hat Amerika ein ungerechtes Gesetz<br />

durchgesetzt, das einigen darüber<br />

zu entscheiden erlaubt hat, ob andere<br />

leben können oder sterben müssen«,<br />

schrieben sie in einer Stellungnahme.<br />

»Wir danken Gott, dass der Oberste<br />

Gerichtshof diese Entscheidung rückgängig<br />

gemacht hat.«<br />

Gleichzeitig betonten die US-Bischöfe,<br />

dass nun begonnen werden müsse,<br />

»ein Amerika nach Roe« aufzubauen.<br />

Es brauche »vernünftige Reflexion«<br />

und zivilisierten Dialog, »um eine Gesellschaft<br />

zu formen, die Ehe und Familie<br />

unterstützt, und in der jeder Frau<br />

die Unterstützung und Ressourcen zur<br />

Verfügung stehen, um ihr Kind in Liebe<br />

in diese Welt zu bringen«. Ähnlich<br />

äußerte sich auch der langjährige Vorsitzende<br />

des Lebensschutzkomitees der<br />

Bischöfe, Erzbischof Joseph Naumann.<br />

Gegenüber der in Würzburg erscheinenden<br />

katholischen Wochenzeitung<br />

»Die Tagespost« begrüßte er das Urteil<br />

und wies darauf hin, dass selbst Juristen,<br />

die Abtreibung grundsätzlich<br />

befürworteten, eingeräumt hätten, im<br />

Fall »Roe vs. Wade« sei keine plausibel<br />

begründete Entscheidung getroffen<br />

worden. Naumann, auch Oberhirte<br />

von Kansas City, betonte, nun müsse<br />

man die »Bemühungen hochfahren,<br />

allen Frauen, die schwierige Schwangerschaften<br />

erleben, die größtmögliche<br />

Unterstützung anzubieten«. Dabei gehe<br />

es eben nicht nur um das Kind, sondern<br />

auch um die Mutter.<br />

Von welcher Tragweite das Urteil<br />

des Obersten Gerichtshofs ist, sieht<br />

man daran, dass selbst Papst Franziskus<br />

dazu Stellung nahm. Er respektiere<br />

die Entscheidung, so der Papst im Interview<br />

mit der US-Nachrichtenagentur<br />

»Reuters«. Jedoch verfüge er nicht<br />

über ausreichend Informationen, um<br />

das neue Urteil aus juristischer Perspektive<br />

zu kommentieren.<br />

1. November 2021: Während die Höchstrichter eine Anhörung veranstalten, versammeln<br />

sich Aktivisten und Pressevertreter vor dem Gebäude des Supreme Courts<br />

Abtreibungsbefürworter hingegen liefen<br />

Sturm gegen den Richterspruch. Die<br />

Präsidentin von Planned Parenthood,<br />

Alexis McGill Johnson, nannte das Gerichtsurteil<br />

»schrecklich« und betonte,<br />

dass Minderheiten und Menschen mit<br />

niedrigem Einkommen davon am stärksten<br />

betroffen seien. Der Oberste Gerichtshof<br />

habe nun offiziell Politikern<br />

die Erlaubnis erteilt, zu kontrollieren,<br />

»was wir mit unseren Körpern tun«.<br />

Gleichzeitig betonte sie: »Wir werden<br />

uns diese Freiheit, die uns gehört, wieder<br />

zurückholen. Wir werden nicht einknicken.«<br />

Die Vorsitzende der Abtreibungs-Lobbyorganisation<br />

»Center for<br />

Reproductive Rights«, Nancy Northup,<br />

verglich die Gerichtsentscheidung mit<br />

einer »Abrissbirne«, die »über das Verfassungsrecht<br />

auf Abtreibung« hinweggefegt<br />

sei. Der Gerichtshof habe einen<br />

»neuen Tiefpunkt« erreicht, indem er<br />

Frauen »zum ersten Mal überhaupt eine<br />

von der Verfassung garantierte persönliche<br />

Freiheit entzogen« habe.<br />

Die linksliberale US-Presse haben<br />

McGill Johnson, Northup und Co. auf<br />

ihrer Seite. Auffallend deutlich nahmen<br />

Zeitschriften wie der »Atlantic«,<br />

der »New Yorker« oder auch die »New<br />

York Times« in ihrer Berichterstattung<br />

eine Haltung des Widerstands ein. Oft<br />

zeichneten sie ein für das eigene Publi-<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

5


TITELTHEMA<br />

kum düsteres, ja fast schon dystopisches<br />

Zukunftsbild. Dabei kamen renommierte<br />

Schriftsteller, Rechtsgelehrte und Verfassungsjuristen<br />

zu Wort, die etwa behaupteten,<br />

die härtesten Abtreibungseinschränkungen<br />

stünden erst noch bevor<br />

– und Amerika befinde sich auf dem<br />

Weg zurück ins 17. Jahrhundert.<br />

Doch nicht alle Gegner des neuen<br />

Gerichtsurteils beschränkten sich auf<br />

Widerstand mit Druckerpresse und Füllfederhalter:<br />

Bundesweit kam es in den<br />

Wochen nach der Entscheidung in zahlreichen<br />

Städten zu massiven Protesten,<br />

teilweise auch zu Ausschreitungen und<br />

Vandalismus. Manche im Pro-Choice-<br />

Lager schreckten vor vulgären Graffiti,<br />

Sachbeschädigung und sogar Brandstiftung<br />

nicht zurück. Oft hinterließen<br />

die Täter Sätze wie »Wenn Abtreibungen<br />

nicht sicher sind, seid ihr es auch<br />

nicht«, »Treibt die Kirche ab« oder einfach<br />

nur das Wort »Rache«. Am häufigsten<br />

gerieten Kirchen sowie Beratungszentren<br />

für Schwangerschaftskonflikte<br />

ins Fadenkreuz der Randalierer. Jene<br />

Gewaltbereitschaft überrascht jedoch<br />

kaum: Bereits im Mai nahmen ähnliche<br />

Übergriffe zu, nachdem ein Entwurf<br />

der vom Obersten Richter Samuel Alito<br />

verfassten Mehrheitsmeinung vorab<br />

Nach dem Urteil des US-Supreme-Courts: Abtreibungsbefürworter in Los Angeles<br />

an die Medien durchgestochen worden<br />

war. Die »Catholic News Agency«, die<br />

alle Vorfälle minutiös auflistet, zählt seit<br />

Mai insgesamt 82 Übergriffe.<br />

Wie aufgeheizt die Stimmung ist, illustriert<br />

der Fall einer Zehnjährigen aus<br />

Ohio, der auch international für Schlagzeilen<br />

sorgte: Nach einer Vergewaltigung<br />

wurde das Mädchen schwanger,<br />

konnte ihr Kind in dem Bundesstaat jedoch<br />

nicht abtreiben, da dort seit dem<br />

neuen Urteil Abtreibungen nach der<br />

sechsten Schwangerschaftswoche verboten<br />

sind – ohne Ausnahmen im Falle<br />

von Vergewaltigung oder Inzest. Daraufhin<br />

reiste sie in den Nachbarstaat<br />

Indiana, wo sie ihr Kind am 30. Juni abtrieb.<br />

Die Demokraten instrumentalisierten<br />

den tragischen Einzelfall, um die<br />

in ihren Augen fatalen Konsequenzen<br />

der neuen Rechtslage aufzuzeigen. Die<br />

Republikaner wiederum wiesen die Berichte<br />

lange als »Fake News« zurück,<br />

bis schließlich ein 27-Jähriger des Verbrechens<br />

angeklagt wurde. Als Beigeschmack<br />

blieb zurück: Beiden Seiten<br />

ging es weniger um das Schicksal der<br />

Betroffenen als darum, aus dem Vorfall<br />

politisch Kapital zu schlagen.<br />

Auf die »Arbeit« der Abtreibungskliniken<br />

im Land wirken sich die Gesetze<br />

DEREK FRENCH/PEXELS.COM<br />

offenbar bereits aus: Wie eine Erhebung<br />

des von der Abtreibungslobby finanzierten<br />

Guttmacher Institute zeigt, hatten<br />

bis Ende Juli 43 Kliniken in insgesamt<br />

elf Bundesstaaten ihren Betrieb eingestellt.<br />

Zahlreiche Bundesstaaten haben<br />

schnell auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs<br />

reagiert – und ihre Abtreibungsgesetze<br />

verschärft. Neben Ohio<br />

haben auch Georgia und South Carolina<br />

ein Abtreibungsverbot nach der sechsten<br />

Schwangerschaftswoche erlassen.<br />

In insgesamt acht Staaten gilt derzeit<br />

sogar ein komplettes Abtreibungsverbot,<br />

darunter Alabama, Texas und Arkansas.<br />

In vier Staaten werden neue,<br />

restriktive Gesetze bald in Kraft treten:<br />

Idaho, North Dakota, Tennessee<br />

und Wyoming. Und in einigen weiteren,<br />

mehrheitlich konservativ regierten<br />

Staaten wurden strikte Abtreibungsgesetze<br />

zwar vorbereitet; allerdings werden<br />

sie derzeit noch von Gerichten blockiert.<br />

Eine Sonderrolle nimmt Florida<br />

ein: Hier unterzeichnete der republikanische<br />

Gouverneur Ron DeSantis<br />

jüngst ein Gesetz, das Abtreibungen<br />

verbietet – allerdings erst nach der 15.<br />

Schwangerschaftswoche. Vielen Lebensschützern<br />

geht das nicht weit genug.<br />

DeSantis sieht sich seit Wochen massivem<br />

Druck ausgesetzt, die Gesetzgebung<br />

weiter zu verschärfen. Allerdings<br />

kämpft der Gouverneur im November<br />

um seine Wiederwahl. Und einige sagen<br />

ihm auch Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur<br />

2024 nach. Gut<br />

möglich, dass er einem strikteren Gesetz<br />

skeptisch gegenübersteht, um potenzielle<br />

Wechselwähler nicht zu verschrecken.<br />

Während in einigen Bundesstaaten<br />

vereinzelt noch juristische Hürden zu<br />

überwinden sind, lässt sich dennoch sagen:<br />

Langfristig werden auch die Gerichte<br />

restriktive Abtreibungsgesetze<br />

kaum blockieren können, wenn die<br />

Parlamente der Bundesstaaten diese<br />

beschließen. Und auch dem amtierenden<br />

US-Präsidenten Joe Biden sind die<br />

Hände gebunden. Zwar unterzeichnete<br />

er Anfang Juli einen Präsidialerlass<br />

zum »Schutz reproduktiver Rechte«. Jedoch<br />

handelt es sich dabei eher um eine<br />

symbolische Maßnahme, die die eigenen<br />

Anhänger zufriedenstellen soll.<br />

Der Erlass des Demokraten erleichtert<br />

lediglich den Zugang zu chemischen Ab-<br />

6 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


TITELTHEMA<br />

treibungspräparaten und Verhütungsmitteln.<br />

Und stellt sicher, dass die persönlichen<br />

Daten von Frauen, die sich<br />

online über Abtreibung informieren,<br />

besser geschützt sind. Verbal griff Biden,<br />

nach John F. Kennedy der zweite<br />

Katholik im Weißen Haus, dafür zu<br />

umso größeren Geschützen: Das Urteil<br />

des Obersten Gerichts nannte er mehrmals<br />

eine »extreme« Entscheidung, das<br />

Gericht selbst bezeichnete er als »extremistisch«.<br />

Auch hier tritt wieder ein Phänomen<br />

zutage, das sich schon seit Längerem<br />

beobachten lässt: Biden und seine<br />

Partei geben sich nach außen selbstbewusst<br />

und kämpferisch, versuchen damit<br />

allerdings lediglich ihre Machtlosigkeit<br />

zu überspielen. Wenn es eines weiteren<br />

Beweises bedurfte, erbrachten ihn die<br />

Demokraten im Repräsentantenhaus. Da<br />

Bidens Erlass zum »Schutz reproduktiver<br />

Rechte« von künftigen Präsidenten<br />

mit einem Federstrich abgeschafft<br />

werden kann, brachten sie nochmals einen<br />

entsprechenden Gesetzentwurf ein.<br />

Und auch ihr »Lieblingsprojekt«, den<br />

»Women’s Health Protection Act«, der<br />

ein bundesweites »Recht« auf Abtreibung<br />

gesetzlich verankern würde, stellten<br />

sie zur Abstimmung – bereits zum<br />

dritten Mal. Beide Gesetzentwürfe haben<br />

angesichts der Mehrheitsverhältnisse<br />

im Oberhaus, dem Senat, jedoch<br />

nicht die geringste Aussicht auf Erfolg.<br />

Doch die Demokraten sind nervös.<br />

Und fürchten, dass der Oberste<br />

Gerichtshof in Zukunft noch weitere<br />

Rechte annullieren könnte, denen bislang<br />

Verfassungsrang zukommt. In einer<br />

persönlichen Ergänzung zur Urteilsbegründung<br />

hatte der konservative<br />

Richter Clarence Thomas eben dies<br />

angedeutet: Gemäß einer wörtlichen<br />

Auslegung der Verfassung müsse man<br />

andere, bislang geltende Präzedenzfälle<br />

eigentlich noch einmal prüfen, so<br />

Thomas. Insbesondere das Recht auf<br />

Verhütungsmittel sowie auf gleichgeschlechtliche<br />

Eheschließungen gelten<br />

als Wackelkandidaten.<br />

Es ist allerdings keinesfalls erwiesen,<br />

dass es sich bei den Äußerungen<br />

des Obersten Richters Thomas um<br />

mehr als nur eine Einzelmeinung handelt.<br />

Die konservativen Richterkollegen<br />

Brett Kavanaugh, Amy Coney Barrett<br />

oder auch der Vorsitzende des Gerichtshofs,<br />

John Roberts, ließen nichts<br />

dergleichen verlauten. Vor allem Roberts<br />

stimmte in der Vergangenheit<br />

auch immer wieder mit dem eher linksliberalen<br />

Richterblock. Schon im Fall<br />

»Dobbs« ging er einen Sonderweg. Eigentlich<br />

behandelte der Fall folgende<br />

Frage: Sind alle Verbote von Abtreibungen<br />

vor der Lebensfähigkeit des<br />

Kindes außerhalb des Mutterleibs verfassungswidrig?<br />

Der Aufhänger dafür<br />

war ein Gesetz des Bundesstaates Mississippi,<br />

das Abtreibungen nach der 15.<br />

Schwangerschaftswoche mit Ausnahme<br />

weniger Fälle verboten hätte.<br />

Roberts pflichtet den fünf konservativen<br />

Amtskollegen in ihrer Beurteilung<br />

des Falles zwar bei – das Urteil im<br />

Fall »Dobbs«, wonach eben nicht alle<br />

Verbote vor der Lebensfähigkeit verfassungswidrig<br />

sind, erging somit mit<br />

sechs zu drei Stimmen. »Roe vs. Wade«<br />

wollte der 67-Jährige jedoch nicht<br />

kippen. Vielmehr hält er ein grundsätzliches<br />

»Recht« einer Frau, ihre Schwangerschaft<br />

zu beenden, für verfassungskonform.<br />

Jenes »Recht«, betonte er in<br />

seiner Urteilsbegründung, »sollte so<br />

weit gehen, dass sich ihr eine vernünftige<br />

Möglichkeit bietet, diese Entscheidung<br />

zu treffen«. Es müsse jedoch »sicher<br />

nicht bis zum Punkt der Lebensfähigkeit<br />

bestehen«. Eine Frist von 15<br />

Wochen, wie sie das Gesetz von Mississippi<br />

vorsah, hält der Vorsitzende<br />

des Obersten Gerichts demnach für<br />

ausreichend.<br />

Trotz allem wollen die Demokraten<br />

im Kongress offenbar allen Eventualitäten<br />

vorbeugen. Sie verabschiedeten<br />

zwei Gesetzentwürfe, um das Recht<br />

auf Verhütungsmittel sowie auf gleichgeschlechtliche<br />

Eheschließung, bislang<br />

nur durch Entscheidungen des Obersten<br />

Gerichtshofs garantiert, gesetzlich zu sichern.<br />

Im Repräsentantenhaus stimmten<br />

sogar einige Republikaner mit den<br />

Demokraten dafür. Die wohl unüberwindbare<br />

Hürde stellt allerdings wieder<br />

die Abstimmung im Senat dar.<br />

Daher richten sich schon jetzt alle<br />

Augen auf die »Midterms«, die Kongresswahlen<br />

im November. Sowohl die<br />

Demokraten wie auch die Republikaner<br />

erwarten sich vom neuen Grundsatzurteil<br />

des Obersten Gerichtshofs<br />

einen Mobilisierungsschub für die eigene<br />

Wählerschaft. Die Wahlen könnten<br />

durchaus neue Mehrheitsverhältnisse<br />

hervorbringen und dafür sorgen,<br />

dass die Demokraten die Kontrolle über<br />

zumindest eine der beiden Parlamentskammern<br />

verlieren. Für den Nordamerika-Experten<br />

Michael Hochgeschwender<br />

ist dies jedenfalls denkbar. Gegenüber<br />

der »Tagespost« meinte er kürzlich,<br />

er halte es für fraglich, dass sich das<br />

Abtreibungsurteil für die Demokraten<br />

so mobilisierend auswirkt, wie viele in<br />

der Partei sich das erhoffen.<br />

Sollte das Pendel deutlich in Richtung<br />

der Republikaner schwingen und<br />

sie erobern sogar beide Kammern zurück,<br />

dürften sämtliche Pläne der Demokraten,<br />

ein bundesweites »Recht«<br />

auf Abtreibung gesetzlich festzuschreiben,<br />

für lange Zeit vereitelt sein. Dann<br />

könnten die Republikaner sogar einen<br />

Anlauf starten, ein landesweit geltendes<br />

Abtreibungsverbot zu erlassen – und die<br />

US-Abtreibungslobby endgültig in die<br />

Knie zwingen. Planned Parenthood hätte<br />

dann eine neue Aufgabe: die knalligbunte<br />

Abtreibungsreklame in Kalifornien<br />

wieder abzuschrauben.<br />

Im Portrait<br />

Maximilian Lutz<br />

Maximilian Lutz (geb. 1993) ist<br />

Chef vom Dienst Online der in<br />

Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz erscheinenden katholischen<br />

Wochenzeitung »Die Tagespost«.<br />

Nach seinem Studium des<br />

Übersetzens und Dolmetschens<br />

in Würzburg und München absolvierte<br />

er eine journalistische Ausbildung<br />

in Form eines Volontariats<br />

bei der »Tagespost«. Bis Sommer<br />

2019 berichtete er für die Zeitung<br />

aus Frankreich. 2021 erschien im<br />

Benno-Verlag seine Biden-Biografie:<br />

»Joe Biden. Ein Katholik im<br />

Weißen Haus«.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

7


TITELTHEMA<br />

WWW.40DAYSFORLIFE.COM<br />

Amerika konnte<br />

nicht mehr schlafen<br />

Shawn Carney ist Gründer und Präsident von »40 Days for Life«, einer amerikanischen Lebensrechtsorganisation,<br />

die mittlerweile weltweit Gebetsaktionen vor Abtreibungseinrichtungen durchführt.<br />

Bekannt wurde Shawn durch die Rolle, die er bei der Konversion von Abby Johnson spielte,<br />

deren Geschichte der Film »Unplanned« erzählt. Carney war derjenige, den Johnson aufsuchte, als<br />

sie sich entschloss, der Abtreibungsklinik den Rücken zu kehren. Mit Shawn Carney sprach Cornelia<br />

Kaminski darüber, wie es zur Rücknahme von »Roe vs. Wade« kam, und über das Amerika danach.<br />

<strong>LebensForum</strong>: Shawn, vielen unserer<br />

Leser ist die Szene aus dem Film »Unplanned«<br />

bekannt, in der Abby Johnson<br />

im Büro eines jungen Abtreibungsgegners<br />

landet – kurz nachdem sie beschlossen<br />

hat, ihren Posten als Leiterin<br />

der Planned-Parenthood-Abtreibungsklinik<br />

zu räumen.<br />

Shawn Carney: Ja, Abby ist in mein<br />

Büro hereinspaziert im Oktober 2009.<br />

Sie war die Leiterin der lokalen Abtreibungsklinik.<br />

Das ist eine sehr schöne<br />

Geschichte, die übrigens auch immer<br />

typischer wird. Denn es ist einfach so:<br />

Menschen denken zunächst, sie helfen<br />

Frauen, und dann stellen sie fest, dass<br />

sie Babys töten. Und dann haben sie<br />

8 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


TITELTHEMA<br />

die Demut, dies zuzugeben und auszusteigen.<br />

Was in der Filmszene besonders beeindruckt,<br />

ist die Tatsache, dass von dir<br />

nicht ein Wort des Vorwurfs, der Verurteilung<br />

oder der Skepsis zu hören war.<br />

Du hast ihr einfach ein Gespräch und einen<br />

Kaffee angeboten.<br />

Alle in meinem Team waren sehr überrascht<br />

darüber, wie wenig skeptisch ich<br />

war. Das liegt aber daran, dass ich Abby<br />

kannte. Ich wusste, dass sie ihre Gefühle<br />

einfach nicht verbergen kann. Ich habe<br />

ihr also gleich geglaubt. Ich dachte,<br />

sie ist sehr authentisch. Unsere Beziehung<br />

war auch so – sie kam ja oft raus<br />

zu mir an den Zaun, manchmal hat sie<br />

mich angeschrien und mir<br />

den Mittelfinger gezeigt.<br />

Das hätte sie eigentlich<br />

nicht gedurft, das Training<br />

bei Planned Parenthood<br />

sieht vor, dass die Mitarbeiter<br />

die Beter einfach<br />

nicht wahrnehmen. Diese<br />

Regel hat Abby aber dauernd<br />

missachtet und mir<br />

immer wieder erklärt, sie<br />

sei ein guter Mensch. Ich<br />

habe ihr stets geantwortet,<br />

sie brauche sich mir gegenüber<br />

nicht zu verteidigen.<br />

Und es ist doch toll, dass sie<br />

uns damals geglaubt hat, als<br />

wir gesagt haben, wir sind<br />

da, um dir zu helfen. Es ist<br />

eine sehr schöne Geschichte.<br />

Und das passiert nicht<br />

in die Gegenrichtung: Es<br />

gibt keine Menschen wie<br />

dich, oder Frauen mit fünf<br />

Kindern, die ein Schwangerenhilfszentrum<br />

in Florida leiten, die plötzlich aufwachen<br />

und sagen: »Oh Mann, ich hätte<br />

eigentlich eine Abtreibungsklinik leiten<br />

sollen! Ich hätte Abtreibungsarzt werden<br />

sollen!« Das passiert einfach nicht.<br />

Das hier ist ein Pendel, das in eine Richtung<br />

ausschwingt.<br />

Mittlerweile gibt es viele Staaten in den<br />

USA, in denen es strikte Abtreibungsregelungen<br />

gibt, die mit der Entscheidung<br />

des Supreme Courts, »Roe vs.<br />

Wade« zu kippen, auch in Kraft treten.<br />

Offensichtlicht macht ihr gute Arbeit.<br />

Danke – ja, wir haben ein sehr gutes<br />

Team. Wir hatten schon einen Plan dafür,<br />

dass »Roe vs. Wade« gekippt würde.<br />

Wir waren also in den Startlöchern<br />

und werden jetzt unseren Plan umsetzen.<br />

Und da wir eine Graswurzelbewegung<br />

sind, sind wir in der besten Position<br />

für das »Post-Roe-vs.-Wade-Amerika«.<br />

Es ist ziemlich aufregend!<br />

Wie konnte es in den USA gelingen,<br />

eine Atmosphäre zu schaffen, in der ein<br />

Verfassungsrecht auf Abtreibung gekippt<br />

wird?<br />

Zuerst muss man sagen, es war schon rein<br />

technisch gesehen einfach ein schlechtes<br />

Gesetz. Es basierte auf der Vorstellung,<br />

dass das Recht auf Privatleben in<br />

Die Homepage der US-Lebensschutzorganisation »40 Days for Life«<br />

unserer Verfassung verankert sei, und<br />

selbst Pro-Choice-Richter wie Ruth Bader<br />

Ginsburg sagten, es ist ein schlechtes<br />

Gesetz. Hinzu kommt, dass »Roe vs.<br />

Wade« deswegen bedroht war, weil die<br />

Generation, die uns Abtreibungen gebracht<br />

hat, die Baby Boomers waren.<br />

Viele von ihnen sind, als sie älter wurden,<br />

Lebensrechtler geworden. Aber<br />

auch viele junge Menschen sind pro<br />

life. Die Pro-Life-Bewegung hat also<br />

in den Graswurzeln angefangen, dort,<br />

wo man die Herzen und den Verstand<br />

der Menschen erreicht. In den 80er und<br />

90er Jahren wurden Ultraschallbilder<br />

sehr beliebt, auf denen das ungeborene<br />

kleine Kind zu sehen ist. Jetzt hatten<br />

also die Menschen solche Ultraschallfotos<br />

von ihren kleinen Geschwistern,<br />

Enkeln, Nichten oder Neffen am Kühlschrank<br />

hängen. Ein weiterer Punkt<br />

ist die medizinische Entwicklung: Wir<br />

können ungeborene Kinder im Mutterleib<br />

operieren – oder wir können sie<br />

bis zur 25. Woche töten. Am Ende war<br />

es, glaube ich, so, dass Amerika einfach<br />

nachts nicht mehr schlafen konnte. Abtreibung<br />

war ein Thema in jeder Präsidentschaftswahl,<br />

bei jeder Nominierung<br />

von Richtern.<br />

Die Abtreibungsindustrie hat zudem<br />

selbst zugegeben, dass sie es schwer hat,<br />

junge Leute zu finden, die Abtreibung<br />

verteidigen wollen – denn das ist einfach<br />

eine negative Sache. Pro life zu<br />

sein ist dagegen positiv. Du setzt dich<br />

für etwas ein, um es zu schützen – das<br />

ist positiv. Wir setzen uns für die Umwelt<br />

ein, um sie zu schützen. Jede erfolgreiche<br />

Bewegung bindet sich an ein<br />

solches Positivum. Die Abtreibungsbewegung<br />

kann das nicht. Sie wird niemals<br />

einfach rundheraus sagen können, was<br />

Abtreibung wirklich ist. Sie hat zwar<br />

Abtreibungen als Gesundheitsvorsorge<br />

deklariert, aber sie spricht nicht so<br />

darüber, wie man über Gesundheitsvorsorge<br />

spricht. Wenn man etwa eine<br />

Operation hatte, spricht man darü-<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

9


TITELTHEMA<br />

ber sehr offen: Wir erzählen im Detail<br />

von der ärztlichen Versorgung, davon,<br />

wie der Chirurg vorgegangen ist, welche<br />

Operationsmethode er angewandt<br />

hat. Dabei erwähnen wir auch Details,<br />

selbst wenn es blutig ist, und das ist in<br />

Ordnung. Wir erzählen davon, weil da<br />

Gewebe zerrissen und entfernt wird, um<br />

zu heilen. Abtreibungen sind die einzige<br />

Operation, bei der Gewebe nicht<br />

zerrissen und entfernt wird, um zu heilen,<br />

sondern um zu töten. Das ist in den<br />

Herzen und im Verstand der Menschen<br />

angekommen.<br />

Das andere, was Amerika so besonders<br />

macht, ist die Art, wie Behandlungen<br />

an Menschen in den USA geregelt<br />

werden. Friseure, Nagelstudios, alle<br />

werden durch Gesetze der Bundesstaaten<br />

reguliert. Nur bei Abtreibungseinrichtungen<br />

ging das aufgrund des Urteils<br />

»Roe vs. Wade« nicht. Also hat<br />

die Pro-Life-Bewegung den Supreme<br />

Court mit Verfahren überzogen. Das<br />

war der Oberste Gerichtshof irgendwann<br />

leid und hat festgestellt: Wir sollten<br />

das nicht auf Bundesebene regeln.<br />

Wir sollten es an die Staaten zurückgeben,<br />

damit sie es selbst regeln können.<br />

Richter Samuel Alito hat in seinem<br />

brillanten Statement festgehalten,<br />

dass die Regelung der Abtreibung<br />

nun wieder an alle Frauen zurückgegeben<br />

wird. Denn es war ein ausschließlich<br />

mit Männern besetzter Gerichtshof,<br />

der »Roe vs. Wade« entschieden<br />

hatte. Es sollte aber von den Frauen<br />

entschieden werden können.<br />

Ist es in den USA einfacher als bei uns,<br />

die Medien für sich zu gewinnen und<br />

die Pro-Life-Botschaft zu senden?<br />

Nicht wirklich. Ich glaube, Europäer<br />

überschätzen Amerika da ein wenig. Es<br />

gibt so eine falsche Vorstellung davon,<br />

dass Amerika puritanisch ist, die Medien<br />

sind fair und alle sind sehr religiös.<br />

Aber was unsere Abtreibungsregelungen<br />

betrifft, sind wir auf dem gleichen<br />

Niveau wie China und Nordkorea: bis<br />

zur 40. Schwangerschaftswoche. Nach<br />

dem neuen Gesetz in New York von 2019<br />

muss eine Abtreibung nicht mal von einem<br />

Arzt durchgeführt werden, und das<br />

nennt sich dann Gesundheitsvorsorge.<br />

Ganz Amerika ist sehr säkular, und unsere<br />

säkularen Menschen sind aggressiver<br />

als in Europa. Es gibt jedoch auch<br />

viele religiöse Menschen hier, und die<br />

Lebensrechtsbewegung gewinnt, denn<br />

für uns geht es um Leben oder Tod. Die<br />

Medien denken zwar, dass wir verrückt<br />

sind, aber sie zeigen, dass die Pro-Life-<br />

Bewegung wirklich Schwung hat. Abtreibungsbefürworter<br />

sind eher passiv.<br />

WWW.40DAYSFORLIFE.COM<br />

Richter Samuel Alito<br />

Auch junge Hollywood-Schauspieler wie Jared Lotz oder Emma Elle Roberts engagieren<br />

sich für die Aktion »40 Days for Life«<br />

Die vielen Jahre, die wir jetzt schon<br />

Abtreibungen haben, haben nichts genutzt.<br />

Wir sind einfach nie damit klargekommen,<br />

und deswegen ist es noch<br />

immer keine ganz normale Operation,<br />

an die man sich gewöhnt hat. Stattdessen<br />

sind Abtreibungen nun in 16 Bundesstaaten<br />

verboten. Und diese Zahl<br />

wird noch steigen. Was man also tun<br />

muss, ist, darüber zu reden und Abtreibung<br />

immer wieder in Frage zu stellen.<br />

Das Leben braucht keine Verteidigung.<br />

Abtreibung aber braucht permanente<br />

Verteidigung: durch die, die eine wollen,<br />

die eine hatten, die sie durchführen.<br />

Deswegen ist die Pro-Life-Bewegung<br />

in den USA eine Bewegung der<br />

Konvertiten. Sie wird geleitet von denjenigen,<br />

die früher Abtreibungen hatten.<br />

Frauen, die eine Abtreibung hatten,<br />

führen jedes Jahr den »March for Life«<br />

an. Eine Bewegung von Konvertiten ist<br />

immer eine Bewegung der Hoffnung.<br />

Zudem haben wir in den USA zum<br />

zweiten Mal Mitbürger entmenschlicht.<br />

Wir haben es mit den Farbigen getan,<br />

und wir haben es mit den Ungeborenen<br />

gemacht. Nicht wegen ihrer Hautfarbe,<br />

aber wegen ihrer Größe und ihres<br />

Aufenthaltsorts. Der Supreme Court<br />

10 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


TITELTHEMA<br />

hat sich befreit aus der Entmenschlichung,<br />

die eine Abtreibung bedeutet –<br />

denn du musst einem ungeborenen Kind<br />

seine Menschlichkeit absprechen, um es<br />

töten zu können. Wir sollten das auch<br />

genauso aussprechen. Wir müssen zur<br />

Sprache bringen, dass die Entmenschlichung<br />

eines gesamten Teils der Bevölkerung<br />

die Voraussetzung dafür ist,<br />

dass man diesen Teil der Bevölkerung<br />

entsorgen kann.<br />

Wir sollten daher als junge Generation<br />

nicht verächtlich auf die vorangegangenen<br />

Generationen zurückschauen,<br />

nach dem Motto: »Die Sklavenhalter<br />

waren furchtbar, die Nazis waren<br />

furchtbar, aber unsere Generation<br />

ist fortschrittlich.« Das ist einfach eine<br />

totale Lüge. Die Mentalität, auf der<br />

die Abtreibung überlebt, ist die Eugenik.<br />

Das sieht man jetzt auch sehr genau<br />

in den USA: Hier kommen die inneren<br />

Eugeniker raus. Das Erste, was wir hören,<br />

ist: »Oh, wo kriegen denn jetzt die<br />

armen farbigen Frauen ihre Abtreibung<br />

her? Wir können doch nicht arme Farbige<br />

hier haben, das wäre doch schrecklich?<br />

Was ist denn mit behinderten Kindern?<br />

Wollt ihr wirklich diese ganzen<br />

unerwünschten Menschen haben?« Das<br />

sagte neulich ein Mann zu mir: »Da<br />

werdet ihr euch noch umgucken, in 20<br />

Jahren werden wir diese ganzen unerwünschten<br />

Kriminellen hier rumlaufen<br />

haben!« Grundsätzlich wäre demnach<br />

unsere Gesellschaft besser, wenn<br />

wir bestimmte Menschen umbringen<br />

würden. Abtreibung hat schon immer<br />

auf diesem Gedanken basiert: Ist unser<br />

Kind es wert, unter uns zu leben? Das<br />

muss klar und deutlich benannt werden.<br />

Das wird dann ungemütlich für<br />

die Menschen. Wir als Lebensrechtler<br />

müssen daher weitermachen, unsere<br />

Arbeit fängt jetzt erst an. Das sage<br />

ich, um Deutschland Mut zu machen:<br />

Die wenigsten Menschen, die für Abtreibung<br />

sind, wollen darüber reden<br />

oder sich öffentlich dafür starkmachen.<br />

Es gibt viele Menschen, die Abtreibungen<br />

verteidigen, weil sie selbst beteiligt<br />

sind oder waren. Es gibt ein gewisses<br />

Schuldbewusstsein, das aber<br />

weniger gravierend ist, wenn man mit<br />

der Schuld nicht allein dasteht – wenn<br />

es viele andere auch machen, ist man<br />

selber nicht mehr so schlecht.<br />

UNPLANNED MOVIE LLC<br />

Das ist aber die Mentalität, die hinter<br />

jeder Sünde steckt. Wenn alle das<br />

machen, ist es ja vielleicht gar nicht so<br />

schlecht. So ist der Mensch. Abtreibungen<br />

wurden einfach als Verhütungsmittel<br />

genutzt. Die wahren Gewinner<br />

der Abtreibung sind schlechte Männer.<br />

Frauen müssen Abtreibungen über sich<br />

ergehen lassen, Männer nicht. Es sind<br />

schlechte Männer, die von Abtreibungen<br />

profitieren.<br />

Nochmal zurück zu der Situation nach<br />

»Roe vs. Wade«. Die Medienberichterstattung<br />

ließ vermuten, dass es aufgrund<br />

der großen Unterstützung für<br />

»Roe vs. Wade« in den USA zu sehr vielen<br />

Protesten kommen würde.<br />

Ich war etwas unbeeindruckt von der<br />

Gewalt. Ein paar Zentren wurden attackiert<br />

– aber wenn wir in den USA Proteste<br />

haben, dann ist jede Stadt betroffen,<br />

nicht nur die großen Städte, sondern<br />

auch kleinere. Das war diesmal<br />

nicht der Fall. Ich hatte vorhergesagt,<br />

dass es einen Anstieg an Gewalt geben<br />

würde, wir hatten auch eine Cyberattacke,<br />

ein paar Kirchen wurden besprüht,<br />

ein Webinar von uns wurde gestört. Aber<br />

es war dankenswerterweise nicht sehr<br />

viel. Nicht mal eine Woche, nachdem<br />

das Urteil gefällt wurde, ist die Aufregung<br />

schon wieder sehr viel geringer.<br />

Dann gibt es vielleicht gar nicht so viele<br />

Menschen, die für Abtreibung sind?<br />

Nein, das Gegenteil ist der Fall. So viele<br />

gibt es nicht. Es gibt keine lokale Pro-<br />

Szene aus dem Film »Unplanned«: Abby Johnson (Ashley Bratcher) sucht Shawn<br />

Carney (Jared Lotz) in dessen Büro auf<br />

Abtreibungsbewegung. Das ist eine sehr<br />

von oben gesteuerte, kopflastige Bewegung,<br />

aber keine Graswurzelbewegung.<br />

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LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

11


BIOETHIK-SPLITTER<br />

Statistiker melden<br />

deutliche Zunahme<br />

bei Geburten<br />

Wiesbaden (<strong>ALfA</strong>). Im Jahr 2021 wurden<br />

mit 795.492 Neugeborenen rund<br />

22.000 Babys mehr geboren als 2020.<br />

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis)<br />

Anfang August in Wiesbaden mitteilte,<br />

ist die zusammengefasste Geburtenziffer<br />

erstmals seit 2017 wieder gestiegen,<br />

und zwar von 1,53 Kindern je<br />

Frau im Jahr 2020 auf 1,58 Kinder je<br />

Frau 2021. Am stärksten war der Anstieg<br />

in Baden-Württemberg (+ 5 %), gefolgt<br />

von Bayern und Hessen (jeweils + 4 %).<br />

Erfreulich: Zahl der Geburten steigt<br />

In den ostdeutschen Bundesländern waren<br />

dagegen nur geringe Zuwächse von<br />

ein bis zwei Prozent zu verzeichnen.<br />

In Thüringen und Sachsen nahm die<br />

Geburtenziffer sogar leicht ab (jeweils<br />

–1 %). Die höchste Geburtenziffer wurde<br />

2021 in Niedersachsen mit 1,66 Kindern<br />

je Frau gemessen. Am niedrigsten<br />

war sie in Berlin mit 1,39. reh<br />

Abgeordnete gründen<br />

Arbeitsgruppe zur<br />

Pränataldiagnostik<br />

SZASZ-FABIAN JOZSEF/STOCK.ADOBE.COM<br />

Berlin (<strong>ALfA</strong>). Abgeordnete des Deutschen<br />

Bundestags haben eine interfraktionelle<br />

Arbeitsgruppe zur Pränataldiagnostik<br />

ins Leben gerufen. Das teilte die<br />

Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer<br />

(Bündnis 90/Die Grünen) Ende Juli<br />

der Presse mit. Neben Rüffer gehören<br />

der Arbeitsgruppe auch die Unionspolitiker<br />

Michael Brand, Hubert Hüppe,<br />

Sabine Weiss (alle CDU), Stephan<br />

Pilsinger (CSU) sowie die SPD-Politikerin<br />

Dagmar Schmidt, der FDP-Abgeordnete<br />

Pascal Kober und der Linken-Politiker<br />

Sören Pellmann an. Ziel<br />

sei es, Gesetzesänderungen zu erarbeiten<br />

und im Bundestag zur Abstimmung<br />

zu bringen, die eine auf Selektion ausgerichtete<br />

Pränataldiagnostik zur Ausnahme<br />

statt zur Regel machten.<br />

Wie Rüffer schreibt, eine die Abgeordneten<br />

»die Überzeugung, dass das<br />

pränatale Screening auf Trisomie 21, 18<br />

und 13 und andere auf keinen Fall zur<br />

Routine in der Schwangerschaft werden<br />

darf«. »Mit großer Sorge« betrachteten<br />

die Parlamentarier, »dass der Trisomie-<br />

Bluttest seit dem 1. Juli <strong>2022</strong> von den<br />

gesetzlichen Krankenkassen erstattet<br />

wird. Manche meinen, die Debatte um<br />

Zulassung und Nutzung solcher Screenings<br />

sei damit beendet. Das stimmt<br />

nicht. Im Gegenteil ist das Thema genauso<br />

virulent wie zuvor.« In Wirklichkeit<br />

stehe man »erst am Beginn einer<br />

besorgniserregenden Entwicklung, weil<br />

weitere Tests auf genetische Dispositionen<br />

in der Entwicklung sind und vor<br />

der Zulassung« stünden.<br />

Wenn als Grund für die Kostenübernahme<br />

allein die Besorgnis ausreiche,<br />

ein Kind mit Trisomie zur Welt zu bringen,<br />

werde das auf eine flächenmäßige<br />

Anwendung der Tests hinauslaufen.<br />

»Zumal die leichte Verfügbarkeit des<br />

Tests diese Sorge befeuern wird – mit<br />

einer klaren Botschaft: Ein Leben mit<br />

einer Trisomie ist weniger wert, gesellschaftlich<br />

weniger erwünscht und Kinder<br />

mit Behinderung lassen sich vermeiden«,<br />

so Rüffer.<br />

Ein Blick nach Dänemark, wo ein<br />

Screening auf Trisomien seit 2004 allen<br />

Schwangeren als reguläre Vorsorge<br />

angeboten wird, zeige die drastischen<br />

Folgen. Binnen nur eines Jahres habe<br />

sich dort die Anzahl der neugeborenen<br />

Kinder mit Trisomie halbiert.<br />

Die interfraktionelle Arbeitsgruppe<br />

sei der Meinung, »dass die Antwort auf<br />

diese ethisch hochbrisanten Fragen, die<br />

mit der Pränataldiagnostik verbunden<br />

sind, nicht einem Verwaltungsgremium<br />

wie dem G-BA überlassen werden<br />

darf«. Darauf habe auch der G-BA-Vorsitzende<br />

Josef Hecken wiederholt hingewiesen<br />

und angemahnt, dass Entwicklung,<br />

Verfügung und Zulassung molekulargenetischer<br />

Testverfahren fundamentale<br />

ethische Grundfragen unserer<br />

OKSANA KUZMINA/STOCK.ADOBE.COM<br />

Oft bedenklich: Pränatales Screening<br />

Werteordnung berühren, denen sich das<br />

Parlament stellen müsse.<br />

Auch der Deutsche Ethikrat habe<br />

sich im Februar dieses Jahres im Rahmen<br />

des »Forums Bioethik« »sehr kritisch<br />

zu nichtinvasiven Pränataltests<br />

positioniert, da zentrale ethische Prinzipien<br />

betroffen seien: Selbstbestimmung<br />

und Recht auf Nichtwissen, gesellschaftliche<br />

Prägung und Entscheidungsdruck,<br />

unser Verständnis von und<br />

der Umgang mit Gesundheit, Krankheit<br />

und Behinderung sowie die Akzeptanz<br />

von Anderssein.«<br />

Rüffer: »Wir wollen diese Fragen<br />

endlich dorthin holen, wo sie zu verhandeln<br />

sind: in den Deutschen Bundestag<br />

als dem gesetzgebenden und damit<br />

normsetzenden Organ unseres politischen<br />

demokratischen Systems. Nur<br />

dort lässt sich einer Debatte gerecht<br />

werden, die den Kern unserer gesellschaftlichen<br />

Werte berührt. Wir wollen<br />

konkrete rechtliche Änderungen bewirken.<br />

Insofern sehen wir uns als gesetzgeberischen<br />

Aktionskreis und nicht nur<br />

als parlamentarischen Gesprächskreis.<br />

Ziel der gesetzgeberischen Maßnahmen<br />

soll es sein, dass pränatale Screenings,<br />

die ausschließlich mit einer selektiven<br />

Praxis verbunden sind, nicht<br />

zu Standarduntersuchungen während<br />

der Schwangerschaft werden, sondern<br />

die Ausnahme bleiben. Daneben wollen<br />

wir die Zulassungsverfahren regulieren.<br />

Diese dürfen nicht einem rein<br />

von Angebot und Nachfrage getriebenen<br />

Mechanismus folgen.«<br />

Um diese Zielsetzung »fundiert umsetzen<br />

zu können«, wolle die Arbeitsgruppe<br />

»regelmäßig externe Fachexpertise<br />

einbeziehen«. Und weiter: »Hand<br />

12 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


BIOETHIK-SPLITTER<br />

in Hand mit den Fachleuten aus Praxis<br />

und Wissenschaft werden wir Gesetzesänderungen<br />

zur Abstimmung bringen,<br />

die eine auf Selektion ausgerichtete<br />

Pränataldiagnostik zur Ausnahme, nicht<br />

zur Regel machen.«<br />

reh<br />

Lebensrechtler verlieren<br />

Referendum im<br />

Bundesstaat Kansas<br />

KWEST/STOCK.ADOBE.COM<br />

Topeka (<strong>ALfA</strong>). Im US-Bundesstaat<br />

Kansas haben Lebensrechtler eine Niederlage<br />

erlitten. Sie scheiterten Anfang<br />

August bei einem Referendum mit dem<br />

Versuch, in einem Verfassungszusatz<br />

festzuschreiben, dass die Verfassung<br />

kein »Recht auf Abtreibung« enthalte.<br />

Hochrechnungen zufolge stimmten rund<br />

60 Prozent gegen den Verfassungszusatz.<br />

Für einen Erfolg hätte die Initiative<br />

eine einfache Mehrheit benötigt. In<br />

dem im Mittleren Westen der USA gelegenen<br />

Bundesstaat gelten vorgeburtliche<br />

Kindstötungen derzeit bis zur 22.<br />

Schwangerschaftswoche als legal.<br />

Wie die katholische Wochenzeitung<br />

»Die Tagespost« schreibt, zeigten sich<br />

US-Lebensrechtler enttäuscht über<br />

das Ergebnis: »Die Niederlage heute<br />

Abend ist eine große Enttäuschung<br />

für Lebensschützer in Kansas und im<br />

ganzen Land«, zitiert das Blatt Mallory<br />

Carroll, Sprecherin der Organisation<br />

»Susan B. Anthony Pro-Life America«.<br />

Demnach beklagte Carroll, dass die Botschaft<br />

der Abtreibungslobby über den<br />

Verfassungszusatz »voll mit Lügen« gewesen<br />

sei, die »schließlich die Wahrheit<br />

überdeckt« hätten. Kansas könne nun<br />

schon bald zu einem Staat werden, in<br />

dem »Abtreibungen auf Wunsch« quasi<br />

ohne Einschränkungen möglich seien.<br />

Lebensrechtler hatten bereits im Vorfeld<br />

der Abstimmung beklagt, dass die<br />

Seite der Abtreibungsbefürworter versuche,<br />

die Abstimmung als Referendum<br />

über ein »Recht« auf Abtreibung darzustellen,<br />

was sie gar nicht sei. Hätte<br />

die Verfassungsergänzung, die den Titel<br />

»Value them both« trug, eine Mehrheit<br />

gefunden, wäre folgender Satz in<br />

die Verfassung aufgenommen worden:<br />

»Da Kansas sowohl Frauen wie Kinder<br />

wertschätzt, schreibt die Verfassung<br />

des Staates Kansas keine staatliche<br />

Finanzierung von Abtreibung fest<br />

und schafft oder sichert kein Recht auf<br />

Abtreibung.«.<br />

reh<br />

Experten fordern<br />

Suizidprävention<br />

gesetzlich zu verankern<br />

Berlin (<strong>ALfA</strong>). Der Deutsche Hospizund<br />

Palliativverband (DHPV) und die<br />

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention<br />

(DGS) fordern die Suizidprävention<br />

gesetzlich zu verankern, bevor<br />

der Deutsche Bundestag eine gesetzliche<br />

Neuregelung der Suizidbeihilfe<br />

beschließt.<br />

Suizidalität ist heilbar<br />

»Bevor wir eine staatlich geförderte<br />

Suizidbeihilfe oder bundesweite Beratungsstellen<br />

zur Umsetzung der Suizidbeihilfe<br />

in Betracht ziehen, geschweige<br />

denn gesetzlich verankern, muss dringend<br />

die Suizidprävention gestärkt werden«,<br />

erklärte der Vorsitzende des DH-<br />

PV, Professor Winfried Hardinghaus,<br />

im Vorfeld der ersten Lesung dreier<br />

Gruppenanträge, mit denen Abgeordnete<br />

des Deutschen Bundestags die<br />

Beihilfe zum Suizid neu regeln wollen.<br />

Nötig geworden ist das, weil der<br />

Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts<br />

am Aschermittwoch 2020 das<br />

Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe<br />

zum Suizid, das der Deutsche Bundestag<br />

im November 2015 mit großer<br />

Mehrheit beschlossen hatte, für verfassungswidrig<br />

erklärte.<br />

»Die Debatte um ein entsprechendes<br />

Gesetz muss zeitnah im Bundestag geführt<br />

und ein Suizidpräventionsgesetz<br />

noch vor einer gesetzlichen Regelung<br />

zur Beihilfe zum Suizid verabschiedet<br />

werden«, erklärte auch die Vorsitzende<br />

der DGS und Fachärztin für Psychiatrie<br />

und Psychotherapie, Dr. Ute Lewitzka.<br />

Und der stellvertretende Vorsitzende<br />

der DGS, der Diplomgerontologe<br />

Dr. Uwe Sperling, ergänzte, dass<br />

Suizide und Suizidversuche meist in großer<br />

seelischer Not erfolgten. »Unterstützung<br />

in dieser seelischen Not hilft!<br />

Suizidprävention ist möglich! Diese gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe benötigt<br />

ein verlässliches Fundament. Deshalb<br />

fordern wir den Gesetzgeber auf, Suizidprävention<br />

in Deutschland jetzt gesetzlich<br />

zu verankern.«<br />

»Auch wenn die Entwicklung der<br />

Hospizarbeit und der Palliativversorgung<br />

durch das Hospiz- und Palliativgesetz<br />

von 2015 und die entsprechenden<br />

gesetzlichen Regelungen bereits zu einer<br />

Verbesserung in der hospizlichen Begleitung<br />

und palliativen Versorgung der Betroffenen<br />

beigetragen haben, bleibt gerade<br />

auch vor dem Hintergrund der drohenden<br />

Normalisierung der Suizidbeihilfe<br />

viel zu tun«, erklärte der Geschäftsführer<br />

des DHPV, Benno Bolze. reh<br />

Bundesrat billigt<br />

Streichung des<br />

§ 219a StGB<br />

Berlin (<strong>ALfA</strong>). Der Bundesrat hat die<br />

vom Deutschen Bundestag Ende Juni<br />

beschlossene Aufhebung des Werbeverbots<br />

für Schwangerschaftsabbrüche am<br />

Abtreibung darf nun beworben werden<br />

8. Juli gebilligt. Der nun aus dem Strafgesetzbuch<br />

gestrichene § 219a hatte Ärzten,<br />

Praxen und Einrichtungen verboten,<br />

Abtreibung zu bewerben. Mit dem<br />

vom Bundestag beschlossenen Gesetz<br />

wurden außerdem die Ärzte, die in der<br />

Vergangenheit absichtlich gegen das<br />

Werbeverbot verstoßen haben, »rehabilitiert«<br />

und die Urteile aufgehoben. reh<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

13


POLITIK<br />

IFEELSTOCK/STOCK.ADOBE.COM<br />

Von Menschwürde<br />

keine Spur<br />

Das Europäische Parlament spricht sich mehrheitlich für ein »Recht auf Abtreibung« aus und fordert,<br />

damit nicht genug, sogar dessen Aufnahme in die Grundrechtecharta der Europäischen Union<br />

Von Tom Bioly<br />

Mit großer Mehrheit stimmte<br />

das EU-Parlament am 7.<br />

Juli für eine Entschließung<br />

mit dem Titel: »Die Entscheidung des<br />

Obersten Gerichtshofs der USA, das<br />

Recht auf Abtreibung in den Vereinigten<br />

Staaten zu kippen, und die Notwendigkeit,<br />

das Recht auf Abtreibung<br />

zu bewahren und die Gesundheit der<br />

Frauen in der EU zu schützen«. Den<br />

Anlass für die Debatte hatte das Urteil<br />

»Dobbs vs. Jackson Women’s Health<br />

Organization« des Obersten Gerichtshofs<br />

der USA (kurz: Dobbs) geliefert,<br />

mit dem das Grundsatzurteil »Roe vs.<br />

Wade« aus dem Jahr 1973 für ungültig<br />

erklärt wurde. Damit befand das Gericht,<br />

dass die Verfassung der Vereinigten<br />

Staaten kein allgemeines »Recht auf<br />

Abtreibung« vorsehe.<br />

Kurz gesagt handelt es sich bei der<br />

Entschließung um eine Sammlung von<br />

Ansichten der Bewegung gegen den<br />

Lebensschutz. Wesentliche Bestandteile<br />

sind:<br />

• Die Verurteilung des Gerichtsurteils<br />

und die Aufforderung an die US-Behörden,<br />

seiner ungeachtet ein »Recht<br />

auf Abtreibung« zu gewährleisten,<br />

14 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


POLITIK<br />

• die Forderung, die EU-Grundrechtecharta<br />

um ein »Recht auf sichere<br />

und legale Abtreibung« zu erweitern,<br />

• die Warnung vor der Lebensschutzbewegung<br />

und die Forderung nach<br />

mehr Unterstützung für deren Gegner.<br />

Nach Menschenwürde sucht man<br />

in dem Papier vergeblich. Zwar taucht<br />

das Wort ein einziges Mal auf, allerdings<br />

keineswegs in seinem eigentlichen,<br />

universellen Sinne.<br />

Der Vorlauf<br />

Der Vorstoß, den Zugang zu Abtreibungen<br />

zu einem Grundrecht der Europäischen<br />

Union zu erklären, ist nicht neu.<br />

Ein wichtiger Etappensieg für die Lebensschutzgegner<br />

war bereits die Annahme<br />

des Matić-Berichts im Juni 2021,<br />

Emmanuel Macron<br />

SOAZIG DE LA MOISSONNIÈRE / DILA-LA DOCUMENTATION FRANÇAISE<br />

WWW.MARGARITAPISA.ES<br />

Margarita de la Pisa Carrión<br />

der in dasselbe Horn stieß. Rückenwind<br />

gab es außerdem im Februar <strong>2022</strong> vom<br />

französischen Präsidenten Emmanuel<br />

Macron. Der forderte, dass die EU-<br />

Charta unter anderem durch ein »Recht<br />

auf Abtreibung« (droit à l’avortement)<br />

»aktualisiert wird«, damit »wir am Ende<br />

einen neuen Rechtssockel kreieren, der<br />

sich auf unsere Werte stützt«. Bemerkenswert<br />

ist dabei, dass selbst das Oberhaupt<br />

eines großen europäischen Staates<br />

nicht von der »Schaffung«, sondern<br />

der »Anerkennung« (reconnaissance) jenes<br />

vermeintlichen Rechts spricht. Damit<br />

setzt er, genauso wie die entsprechenden<br />

Aktivisten, seine Existenz als<br />

gegeben voraus.<br />

Umfangreiche Gestalt im EU-Parlament<br />

erhielt die Bestrebung dann<br />

bereits am 9. Juni dieses Jahres in der<br />

Entschließung »Weltweite Bedrohungen<br />

des Rechts auf Abtreibung – etwaige<br />

Abschaffung des Rechts auf Abtreibung<br />

in den USA durch den Obersten<br />

Gerichtshof«, nachdem eine Vorbereitung<br />

des US-Urteils an die Öffentlichkeit<br />

durchgesteckt worden war.<br />

Dass die EU-Grundrechtecharta derartig<br />

im Mittelpunkt steht, hat vor allem<br />

einen Grund: Sie ist seit ihrem Inkrafttreten<br />

2009 in der gesamten Europäischen<br />

Union rechtsverbindlich.<br />

Die Debatte<br />

Zu Beginn der Debatte im EU-Parlament<br />

am 4. Juli (wohlgemerkt dem Unabhängigkeitstag<br />

der USA) betonte Katharina<br />

Barley (SPD), die als Vizepräsidentin<br />

die Leitung innehatte, es gehe<br />

um ein »emotionales Thema«. Das ist<br />

wohl wahr, wenngleich sie dabei eher<br />

nicht das Leben unzähliger ungeborener<br />

Kinder im Sinn gehabt haben dürfte.<br />

Es wurden bekannte Argumente ausgetauscht:<br />

Dabei durfte seitens der Lebensschutzgegner<br />

die Schelte gegen<br />

die »alten weißen Männer« ebenso<br />

wenig fehlen wie allgemeine Verweise<br />

auf die Gleichstellung der Frau oder<br />

das Paradigma der Vergewaltigung.<br />

Daneben bezeichneten die Befürworter<br />

eines »Rechts auf Abtreibung« das<br />

Dobbs-Urteil als »furchtbaren Schlag<br />

gegen die Menschenrechte«. Dabei verbreiteten<br />

sie das Missverständnis – oder<br />

eher die Desinformation –, dass damit,<br />

wie es auch im Text der Entschließung<br />

lautet, »das in der Bundesverfassung<br />

verankerte Recht auf Abtreibung abgeschafft<br />

wurde«. Richtig ist, dass die<br />

Richter festgestellt haben: Es war eben<br />

nicht in der Verfassung verankert. Darum<br />

haben die Bundesstaaten das Recht,<br />

selbst demokratisch über die Frage der<br />

Abtreibung zu entscheiden.<br />

Aufseiten der Lebensschützer im Parlament<br />

trat unter anderem die Spanierin<br />

Margarita de la Pisa Carrión (Vox) hervor.<br />

Sie betonte in ihrer Rede die Schönheit<br />

der Schwangerschaft, deren transzendente<br />

Dimension und demgegenüber<br />

die Instrumentalisierung menschlichen<br />

Lebens im anderen Lager. Weitere<br />

Abgeordnete forderten einen besseren<br />

Schutz für die verletzlichsten, nämlich<br />

die ungeborenen Menschen, sowie mehr<br />

Hilfe für Schwangere und Familien. Einige<br />

mahnten an, in Zukunft überhaupt<br />

noch gehört zu werden. Das stellt angesichts<br />

der Schärfe der zahlenmäßig<br />

überlegenen Gegenseite eine durchaus<br />

berechtigte Forderung dar.<br />

Am darauffolgenden Donnerstag,<br />

dem 7. Juli, wurde über die Entschließung<br />

abgestimmt. 324 Abgeordnete<br />

stimmten mit Ja, 155 mit Nein, 38<br />

enthielten sich. Dabei fällt auf, dass<br />

die Fraktionen der europäischen Linken<br />

und Grünen geschlossen auftraten,<br />

selbstverständlich zugunsten der Entschließung.<br />

In allen anderen Fraktionen<br />

gab es zumindest »Abweichler«.<br />

Am wenigsten einheitlich votierte die<br />

Fraktion der Europäischen Volksparteien<br />

(EVP): Zwar lehnte die Mehrheit ihrer<br />

Abgeordneten den Text ab, über 30<br />

aber stimmten ihm zu.<br />

Die Entschließung<br />

Der Entschließungstext vom 7. Juli<br />

bekräftigt ausdrücklich den umfangreicheren<br />

(u.a. wurden die damaligen<br />

32 Forderungen auf 15 eingeschmolzen)<br />

vom 9. Juni. Er wiederholt dementsprechend<br />

manche Auszüge daraus<br />

wörtlich und verallgemeinert weitere.<br />

Die entscheidende Präzisierung besteht<br />

im konkreten Satz, der in Artikel 7 der<br />

EU-Grundrechtecharta aufgenommen<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

15


POLITIK<br />

werden soll: »Jeder hat das Recht auf<br />

sichere und legale Abtreibung«. Damit<br />

wäre – auch, wenn so manchem das generische<br />

Maskulinum missfallen dürfte<br />

– auch schon vorsorglich das Wort<br />

»Frau« vom Tisch.<br />

Erneut wird das Dobbs-Urteil seinerseits<br />

verurteilt. Nachdem der Versuch<br />

der US-Demokraten zu diesem<br />

Zeitpunkt bereits gescheitert war, ein<br />

entsprechendes Bundesgesetz zu verabschieden,<br />

entfällt diese Forderung im<br />

Unterschied zur Entschließung vom 9.<br />

Juni. Hinzugekommen ist allerdings der<br />

Appell, »nichtstaatliche Frauenrechtsorganisationen<br />

und Pro-Choice-Bewegungen<br />

im Land [d.h. in den USA] zu<br />

unterstützen«.<br />

Die »Erwägung«, »dass sexuelle<br />

und reproduktive Rechte, einschließlich<br />

sicherer und legaler Betreuung<br />

bei Schwangerschaftsabbrüchen, ein<br />

Grundrecht darstellen«, entspricht bester<br />

Orwell’scher Manier. Nichts daran<br />

ist wahr: Es geht nicht um Reproduktion,<br />

sondern um deren brachiale Verhinderung.<br />

Es geht nicht um Gesundheit.<br />

Das heißt, für das Kind geht es in<br />

der Tat um Leben und Tod. Um die<br />

Gesundheit der Mutter aber, auf die allein<br />

diese Formulierung projiziert wird,<br />

nur in den seltensten Fällen. Und es<br />

Sommerlicher Blick auf das EU-Parlamentsgebäude in Straßburg<br />

geht auch nicht um ein Recht, gar ein<br />

Grund- bzw. Menschenrecht – zumindest,<br />

solange sich die EU-Staaten nicht<br />

darauf einlassen. Doch, so offenbar das<br />

Kalkül: Wird eine Behauptung nur oft<br />

genug wiederholt, glaubt sie am Ende<br />

eine Mehrheit. Im EU-Parlament hat<br />

es bereits funktioniert.<br />

Ein weiteres Mantra stellt das der »sicheren<br />

und legalen Abtreibungen« dar,<br />

gelegentlich gepaart mit »erschwinglich«<br />

oder »kostenlos«. Hierin spiegelt<br />

sich die Entwicklung des US-Diskurses<br />

der letzten Jahre wider. Während<br />

Abtreibungsbefürworter dort noch bis<br />

vor einigen Jahren für »sichere, legale<br />

und seltene« (safe, legal and rare) Abtreibungen<br />

eintraten, ist der letzte Teil<br />

der Aufzählung inzwischen meist einem<br />

»free« gewichen. Gewissermaßen ist das<br />

konsequent: Wenn es legal ist, Kinder<br />

vor ihrer Geburt zu töten, warum sollte<br />

das dann nur selten geschehen?<br />

Zynisch erscheint in diesem Zusammenhang<br />

die Feststellung, »dass<br />

der Schutz eines sicheren und legalen<br />

Schwangerschaftsabbruchs unmittelbare<br />

Auswirkungen auf die wirksame Ausübung<br />

der in der Charta anerkannten<br />

Rechte wie Menschenwürde, persönliche<br />

Autonomie, Gleichheit und körperliche<br />

Unversehrtheit hat«. Da jedoch anscheinend<br />

nicht »erwogen« wurde, dass<br />

eins und eins gelegentlich zusammengezählt<br />

werden müssen, fiel den Parlamentariern<br />

wohl der Widerspruch mit<br />

Blick auf Würde und Rechte der ungeborenen<br />

Kinder nicht ins Auge.<br />

Ebenfalls als kurzsichtig muss der<br />

Einwand gelten, dass besonders Frauen,<br />

die von Armut und anderer sozialer Benachteiligung,<br />

etwa Rassismus, betroffen<br />

sind, unter einem erschwerten Zugang<br />

zu Abtreibungen litten. Dabei ist<br />

die Beobachtung erst einmal korrekt: In<br />

den USA etwa gibt es mit Abstand die<br />

meisten Abtreibungen unter schwarzen<br />

Frauen und Familien. Absurd aber erscheint<br />

es, dass die Lebensschutzgegner<br />

hier nicht etwa energisch für die Verbesserung<br />

der sozioökonomischen Lage<br />

der Betroffenen eintreten, sondern<br />

für die »Beseitigung« von deren Folgen.<br />

Weiterhin wird vor Macht, Geld und<br />

Einfluss von »Anti-Choice-Gruppen«<br />

europa- und weltweit gewarnt. Zumindest<br />

werden diese nun nicht mehr, wie<br />

noch in der Entschließung vom 9. Juni,<br />

in einem Atemzug mit dem »Aufstieg<br />

der extremen Rechten« genannt,<br />

was allerdings auch schlicht redaktionelle<br />

Gründe haben könnte. Man lasse<br />

sich das einmal auf der Zunge zergehen:<br />

Hilfe für Schwangere und Familien<br />

in Not als Schreckgespenst! Ein<br />

Beispiel allerdings sollten sich Lebensschützer<br />

an der vorliegenden sprachlichen<br />

Konsequenz nehmen. Warum z.B.<br />

immer noch von »Pro-Choicern« &<br />

Co. sprechen, wenn doch Alternativen<br />

wie »Lebensschutzgegner« oder »Anti-Lifer«<br />

auf der Hand liegen?<br />

Nach den bisherigen Ausführungen<br />

mag es kaum überraschen, dass die Menschenwürde<br />

und das damit verbundene<br />

Lebensrecht des ungeborenen Kindes<br />

in den Entschließungen des EU-Parlaments<br />

mit keiner Silbe erwähnt werden.<br />

Mehr noch: Der Begriff »ungeborenes<br />

Kind« findet sich in derjenigen<br />

vom 9. Juni bloß in einem Zitat, in der<br />

jüngeren gar nicht. Umgekehrt verhält<br />

es sich mit der »Menschenwürde«, die<br />

im Text vom 7. Juli nur ein einziges Mal<br />

auftaucht (wie oben zitiert). Zum Vergleich:<br />

Die bereits erwähnte Formulierung<br />

»reproduktive Gesundheit« bzw.<br />

»reproduktive Rechte« hat es um einiges<br />

häufiger in die Texte geschafft, nämlich<br />

32- (9. Juni) bzw. 17-mal (7. Juli).<br />

16 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


POLITIK<br />

Somit scheint es der »Menschenwürde«<br />

anders zu ergehen als etwa<br />

den »Menschenrechten«. Während der<br />

zweite Begriff von den Lebensschutzgegnern<br />

korrumpiert wird, haben sie<br />

sich offenbar darauf verständigt, ersteren<br />

– und damit auch das Konzept –<br />

einfach fallenzulassen.<br />

Die Reaktionen<br />

Die Vertretung der katholischen Bischöfe<br />

bei der EU (COMECE) bekräftigte<br />

ihre Ansicht, das Vorhaben sei ungerecht,<br />

ohne ethische Grundlage und<br />

werde zu ständigen Konflikten zwischen<br />

den Bürgern der EU führen. Auch die<br />

Deutsche Bischofskonferenz positionierte<br />

sich in diesem Sinne. Ihr Sprecher<br />

Matthias Kopp betonte, die Gesundheit<br />

und Rechte von Frauen zu schützen, sei<br />

»ohne Zweifel ein herausragendes Anliegen«.<br />

Ein Recht auf Abtreibung lasse<br />

jedoch den Schutz des ungeborenen<br />

Lebens »völlig unberücksichtigt und<br />

wird der Komplexität der Situation in<br />

keiner Weise gerecht«. Inwiefern allerdings,<br />

wie Kopp fordert, eine »Polarisierung<br />

der Debatte« noch zu vermeiden<br />

ist, erscheint fraglich. Schließlich<br />

setzt sich ein Extrempol gerade wieder<br />

und wieder politisch durch.<br />

Alexandra Linder nennt als Vorsitzende<br />

des Bundesverbands Lebensrecht die<br />

Entschließung eine »Grundrechtsverwirrung«<br />

und »bizarr«, denn: »Unmittelbar<br />

nach dem Verweis auf die Menschenwürde,<br />

auf das Recht jeder Person<br />

auf Leben und Unversehrtheit, nach<br />

dem Verbot eugenischer Praktiken und<br />

dem Recht auf Freiheit und Sicherheit<br />

würden in dieser Charta einer ganzen<br />

Gruppe von Menschen alle Rechte mit<br />

einem Satz wieder genommen.«<br />

Aus dem politischen Spektrum kommentiert<br />

unter (insgesamt wenigen) anderen<br />

Hessens Europaministerin Lucia<br />

Puttrich (CDU) die Entwicklung in der<br />

»FAZ«. Darin geht sie über moralische<br />

Abwägungen zum Thema Abtreibung<br />

hinaus und kritisiert erstens die Anmaßung<br />

der EU gegenüber den USA, »gegen<br />

die man sich im umgekehrten Fall<br />

vermutlich lautstark verwahren würde«.<br />

Zweitens stört sie sich am Vorhaben<br />

des EU-Parlaments, »neue gesamteuropäische<br />

Werte zu definieren«, was als<br />

übergriffig empfunden werden könne.<br />

Unter den Befürwortern der Entschließung<br />

sei die grüne Europa-Abgeordnete<br />

Terry Reintke erwähnt. Neben<br />

einem Jubel-Tweet äußerte sie sich<br />

auch grundsätzlich: Man habe ihr gesagt,<br />

sie solle sich in der Politik auf die<br />

»großen Themen« konzentrieren. Darauf<br />

antwortet sie, dass an erster Stelle<br />

»das Recht auf unsere eigenen Körper«<br />

(womit im Wesentlichen Abtreibung<br />

gemeint ist) eben so ein großes<br />

Thema sei. Das gilt es, sich einzuprägen:<br />

Für Lebensschutzgegner hat ihre<br />

radikale Agenda absolute Priorität.<br />

Und solange das Thema Lebensschutz<br />

für Kirchen, Konservative und sonstige<br />

Unterstützer nicht dieselbe Priorität<br />

bekommt, werden ausschließlich weitere<br />

Parlamentsentscheidungen wie am 7.<br />

Juli in Straßburg folgen.<br />

Die Perspektive<br />

Zu den wenigen erfreulichen Nachrichten<br />

zu diesem Thema gehört, dass<br />

allein mit dem Votum des EU-Parlaments<br />

noch kein EU-Grundrecht auf<br />

Abtreibung geschaffen wurde. Hierfür<br />

bräuchte es einen einstimmigen<br />

Beschluss des Rates der Europäischen<br />

Homepage der Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union<br />

Union. Und dort könne ein Nein unter<br />

anderem von Polen, Ungarn und Malta<br />

als sicher gelten, betonte der Journalist<br />

David Wengenroth am 9. Juli<br />

bei »IDEA«. Doch dieser Trost bleibe<br />

schwach, denn die Resolution zeige,<br />

»wie in Europa ein blindwütiger Linkspopulismus<br />

um sich greift, dem Recht<br />

und Realität gleichermaßen gleichgültig<br />

sind.« Trauriger Vorreiter: die Ampelkoalition<br />

in Deutschland. Nach der<br />

Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen<br />

(§ 219a StGB) gebe die Entschließung<br />

den Plänen der Ampel weiteren<br />

Rückenwind. Dementsprechend<br />

resümiert Wengenroth: »Was für eine<br />

bittere Ironie: Die europäische Einigung<br />

wurde von überzeugten Christen<br />

als Friedensprojekt begonnen – gerade<br />

weil sie Ehrfurcht vor dem menschlichen<br />

Leben hatten. 65 Jahre später liefert<br />

sie ein europäisches Gütesiegel für<br />

eine Politik, die auf eben diese Ehrfurcht<br />

pfeift.«<br />

Womit einmal mehr unterstrichen<br />

wird: Etwas Entscheidendes fehlt sowohl<br />

dem Text der Entschließung als<br />

auch einer Mehrheit im EU-Parlament.<br />

Und das ist ein universelles Verständnis<br />

von Menschenwürde.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

17


PRO-LIFE<br />

Congress<br />

16. – 18. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />

BERLIN<br />

FR.,16. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />

SO.,18. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />

18.00 Uhr → Ankunft und Anmeldung der<br />

Teilnehmer<br />

19.30 Uhr → Abendessen<br />

Anschließend → Get connect:<br />

Vernetzung im Lebensschutz<br />

SA.,17. SEPTEMBER <strong>2022</strong><br />

bis 9:00 Uhr → Frühstück<br />

9.00 Uhr → Vortrag (Special Guest)<br />

10.00 Uhr → Workshops<br />

1. Argumentieren im Lebensschutz<br />

2. Schwangerschaftskonflikt:<br />

Was sind Gründe für Abtreibung?<br />

Was brauchen Frauen?<br />

3. Kirche, Politik und Lebensschutz<br />

4. Pro Life Bewegung im Ausland<br />

11.30 Uhr → Ansage und Pause<br />

12.00 Uhr → Kick-off<br />

13.00 Uhr → Kundgebung und Marsch für das<br />

Leben<br />

18.00 Uhr → Abendessen<br />

19.15 Uhr → Input- Was DU jetzt tun kannst<br />

19.30 Uhr → Pro Life Party<br />

bis 9:30 Uhr → Frühstück und Abreise<br />

95 € für Schüler, Studenten, Auszubildende<br />

125 € für junge Berufstätige<br />

In den Kosten inbegriffen sind:<br />

Übernachtungen, Vollpension, Kaffeepause,<br />

Lunchpaket, Kongressgebühr und Material.<br />

Eine Kooperation der CDL<br />

und der Jugend für das Leben<br />

→ Anmeldung unter:<br />

kontakt@jugendfuerdasleben.de<br />

Jugend für das Leben<br />

Kitzenmarkt 20-22 | 86150 Augsburg<br />

www.jugend.alfa-ev.de<br />

oder QR-Code 18 scannen →<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

www.eventbrite.com/e/pro-life-congress-<strong>2022</strong>-tickets-348749016697<br />

www.marsch-fuer-das-leben.de


GEH DU<br />

FÜR MICH<br />

MARSCH FÜR DAS LEBEN<br />

17. September <strong>2022</strong><br />

Der Marsch für das Leben<br />

in Berlin ist Ihnen wichtig –<br />

aber Sie können nicht selbst mitgehen?<br />

Wir vertreten Sie!<br />

Unterstützen Sie unsere Aktion<br />

„Geh Du für mich“<br />

mit Ihrer Spende und ermöglichen Sie<br />

so einem Jugendlichen die Teilnahme.<br />

Vielen<br />

Dank!<br />

Spendenkonto:<br />

VR-Bank Augsburg-Ostallgäu<br />

DE85 7209 0000 0005 0409 90<br />

BIC: GENODEF1AUB<br />

Kennwort: Geh Du für mich <strong>2022</strong><br />

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LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />

Kitzenmarkt 20-22 | 86150 Augsburg<br />

www.alfa-ev.de<br />

19<br />

www.marsch-fuer-das-leben.de


ESSAY<br />

NOEL POWELL/STOCK.ADOBE.COM<br />

»Recht auf<br />

Abtreibung«?<br />

Die Tötung eines Menschen im Mutterleib ist keine private, sondern eine ganz und gar öffentliche<br />

Angelegenheit. Denn wer meint, entscheiden zu dürfen, ob ein anderer weiterleben darf,<br />

bestreitet die Unverfügbarkeit des Lebens von Menschen durch ihresgleichen und erklärt<br />

damit zugleich auch das Leben aller anderen de facto für antastbar.<br />

Von Stefan Rehder<br />

Manchmal ist es ratsam, sich<br />

einfach mal zurückzulehnen.<br />

Das entspannt nicht nur,<br />

es schafft auch Distanz. Distanz führt,<br />

schon rein physisch, zu einer Erweiterung<br />

des Sichtfeldes und ermöglicht es<br />

so, Beobachtbares aus einer erweiterten<br />

Perspektive zu betrachten. Nirgendwo<br />

ist ein solches Zurücklehnen derart angebracht<br />

wie dort, wo diametral entgegengesetzte<br />

Überzeugungen unversöhnlich<br />

aufeinanderprallen. Und nirgendwo<br />

scheint dies gegenwärtig so ratsam<br />

wie dort, wo es um die Frage geht, ob es<br />

ein »Recht auf Abtreibung« gibt. Dass<br />

es ein solches gebe, wird nicht nur von<br />

einer Mehrheit des Europäischen Parlaments<br />

behauptet. In den USA sucht<br />

Präsident Joe Biden nach Möglichkeiten,<br />

ein solches Recht in einem Bundesgesetz<br />

zu verankern. Und Frankreichs<br />

Präsident, Emmanuel Macron, will es<br />

gar in die Verfassung der »Grand Nation«<br />

aufnehmen lassen.<br />

Ein Recht auf etwas zu haben, meint,<br />

einen berechtigten Anspruch auf ein Gut<br />

oder eine Leistung zu besitzen. Dabei<br />

20 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


ESSAY<br />

kommt es entscheidend auf das Adjektiv<br />

»berechtigt« an. Denn beanspruchen<br />

lässt sich selbstverständlich alles<br />

und jedes. Angefangen bei kostenloser<br />

Logis und Verpflegung über die Bereitstellung<br />

eines Fuhrparks oder eines Privatjets<br />

bis hin zur Herrschaft als König<br />

oder Verehrung als Gott.<br />

Ansprüche erwerben kann. Es ist daher<br />

auch ungenau, von einem »Recht<br />

auf Leben« zu sprechen. In Wirklichkeit<br />

meint das »Recht auf Leben«, dass<br />

Menschen einen berechtigten Anspruch<br />

darauf haben, nicht von anderen Menschen<br />

getötet zu werden. Ob dieser Anspruch,<br />

der Menschen »qua Natur«<br />

zukommt, verwirkt werden kann, ist,<br />

wie die Diskussion um die Todesstrafe<br />

zeigt, durchaus umstritten. Völlig unbestritten<br />

ist jedoch, dass kein Mensch<br />

das Recht hat, einen unschuldigen und<br />

wehrlosen Menschen zu töten.<br />

nur, weil auch die Existenz der Befürworter<br />

eines »Rechts auf Abtreibung«<br />

einmal genauso begonnen hat und ein<br />

»Recht auf Abtreibung« überdies nur<br />

der fordern kann, bei dem von diesem<br />

kein Gebrauch gemacht wurde. Sondern<br />

vor allem, weil bis auf den heutigen<br />

Tag noch niemand zu zeigen vermochte,<br />

wie und wodurch aus einem »Etwas«<br />

ein »Jemand« und aus einem »Nochnicht-Mensch«<br />

ein »Mensch« wurde.<br />

Warum ist das so? Die Frage ist alles<br />

andere als trivial. Schließlich hat es<br />

Abtreibungen, genauso wie Mord und<br />

LIFE ISSUES INSTITUTE<br />

US-Präsident Joe Biden<br />

Bei der Prüfung, ob ein erhobener<br />

Anspruch zu Recht besteht, lassen sich<br />

für gewöhnlich zwei Modi unterscheiden.<br />

Der erste betrifft Ansprüche, die<br />

erworben werden können, der zweite<br />

solche, die Menschen »qua Natur« zukommen.<br />

Unterzeichnet etwa jemand<br />

einen Mietvertrag für eine Wohnung<br />

oder ein Haus, so erwirbt er, unter der<br />

Voraussetzung, dass er selbst nicht vertragsbrüchig<br />

wird, nach allgemeinem<br />

Dafürhalten damit das Recht auf eine<br />

entsprechende Nutzung der Immobilie.<br />

Anders verhält es sich beim »Recht<br />

auf Leben«. Ein berechtigter Anspruch<br />

auf Leben muss und kann nicht erworben<br />

werden, sondern kommt nach allgemeinem<br />

Dafürhalten jedem Menschen<br />

»qua Natur« zu; einzig und allein, weil<br />

er Mensch ist.<br />

Könnte oder müsste ein Anspruch<br />

auf Leben erworben werden, stellte sich<br />

natürlich die Frage: wodurch? Den Anspruch<br />

auf Nutzung einer Immobilie etwa<br />

erwirbt, wer den im Mietvertrag vereinbarten<br />

Mietzins fristgerecht entrichtet.<br />

Vergleichbares ist beim »Recht auf<br />

Leben« undenkbar. Einen Anspruch auf<br />

Leben kann schon deshalb niemand erwerben,<br />

weil das Leben Voraussetzung<br />

dafür ist, dass jemand Rechte haben und<br />

Sieht so etwa ein »Zellhaufen« oder »Schwangerschaftsgewebe« aus?<br />

Nicht einmal die Befürworter eines<br />

»Rechts auf Abtreibung« behaupten,<br />

Frauen hätten das Recht, einen Arzt<br />

mit der Tötung eines unschuldigen und<br />

wehrlosen Menschen zu beauftragen. Sie<br />

tun stattdessen so, als wäre das ungeborene<br />

Kind im Mutterleib noch kein<br />

Mensch. Statt von einem Menschen im<br />

Frühstadium seiner Existenz sprechen<br />

sie von »menschlichem Leben« oder einem<br />

»Zellhaufen«, als handele es sich<br />

dabei um Entitäten, die keine Rechte<br />

haben könnten.<br />

Eine solche »Entmenschlichung«<br />

ist jedoch wissenschaftlich unhaltbar<br />

und daher zutiefst unredlich. Nicht<br />

Totschlag, immer gegeben. Und offensichtlich<br />

haben sich Frauen, die sich mit<br />

einem solchen Ansinnen trugen, mit diesem<br />

auch früh an Ärzte gewandt. Der<br />

griechische Arzt Hippokrates von Kós<br />

etwa, der um 460 bis 370 vor Christus<br />

lebte, ließ seine Schüler gar einen<br />

Eid sprechen. Mit ihm riefen die jungen<br />

Ärzte die Heilgötter Apollon, Asklepios,<br />

Hygieia und Panakeia an und<br />

schworen, sie zu Zeugen nehmend, die<br />

von ihrem Lehrer erlernte Kunst ausschließlich<br />

zum Erhalt des Lebens einzusetzen.<br />

Die in diesem Kontext relevante<br />

Passage lautet: »Nie werde ich jemandem,<br />

auch auf Verlangen nicht, ein<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

21


ESSAY<br />

tödlich wirkendes Gift geben und auch<br />

keinen Rat dazu erteilen; gleicherweise<br />

werde ich keiner Frau ein fruchtabtreibendes<br />

Mittel geben.« Dabei hätten<br />

Hippokrates und seine Schüler vor<br />

rund 2.400 Jahren vermutlich allen<br />

Grund gehabt, in der »Frucht« vieles,<br />

nur eben keinen Menschen zu erblicken.<br />

Aber auch sie wussten bereits,<br />

dass diese nie eine andere Gestalt ausbildet<br />

als die eines Menschen. Heute<br />

wissen wir weit mehr.<br />

Wir wissen, dass während des Befruchtungsvorgangs,<br />

der etwa 24 Stunden<br />

dauert, aus den mütterlichen und<br />

väterlichen Chromosomen ein neuer<br />

Chromosomensatz hergestellt wird,<br />

der das einmalige, individuelle genetische<br />

Entwicklungsprogramm eines neuen<br />

und einzigartigen Menschen – einschließlich<br />

seines Geschlechts – beinhaltet.<br />

Wir wissen, dass die befruchtete<br />

Eizelle, obgleich für das bloße Auge<br />

noch unsichtbar, schon vor ihrer Einnistung<br />

in die Gebärmutter eine ganze<br />

Reihe komplexer Vorgänge steuert.<br />

Dazu gehören neben der koordinierten<br />

Zellteilung und der Zellspezialisierung<br />

auch die Wanderung durch den Eileiter<br />

sowie ein Selbstheilungsprogramm,<br />

welches der befruchteten Eizelle das Erkennen<br />

und Abstoßen sich abnorm entwickelnder<br />

Zellen ermöglicht.<br />

Wir wissen, dass der neu entstandene<br />

winzige Organismus bereits zwischen<br />

dem Vier- und Acht-Zellstadium biochemische<br />

Signale an den Organismus<br />

der Mutter sendet, die den embryo-maternalen<br />

Dialog, auch »crosstalk« genannt,<br />

einleiten und zu einer Umstellung<br />

des mütterlichen Organismus führen.<br />

Lange bevor eine Frau überhaupt<br />

weiß, dass sie schwanger ist, sorgen diese<br />

Signale dafür, dass sich ihr Organismus<br />

umstellt. Auf diese Weise schafft<br />

sich die befruchtete Eizelle selbst die<br />

Voraussetzungen für ihre erfolgreiche<br />

Einnistung. Mit ihr verschafft sie sich<br />

Zugang zum mütterlichen Gefäßsystem,<br />

das ihn für die weitere Entwicklung mit<br />

Nährstoffen versorgt. Das erste Organsystem,<br />

das der Organismus bildet, ist<br />

Kann dieser Mensch keinen Anspruch darauf besitzen, nicht getötet zu werden?<br />

der aus Herz und Blutgefäßen bestehende<br />

Blutkreislauf. Es wird zur Verteilung<br />

der Nährstoffe benötigt. Bereits in der<br />

3. Woche nach der Befruchtung besitzt<br />

der Embryo ein s-förmiges Herz, dessen<br />

Schlagen heute um die 6. Woche<br />

nachgewiesen werden kann.<br />

Wir wissen heute, dass parallel dazu<br />

die Ausbildung des Zentralnervensystems<br />

erfolgt und der Embryo über<br />

die Ausbildung der Gliedmaßen, die ab<br />

Mitte der 5. Woche sichtbar werden,<br />

beginnt, seine Umgebung zu erkunden.<br />

Wir wissen, dass in der 7. Woche<br />

LIFE ISSUES INSTITUTE<br />

nach der Befruchtung die Entwicklung<br />

des Herzens abgeschlossen ist, dass das<br />

Herz des Kindes mit bis zu 180 Schlägen<br />

pro Minute rund doppelt so schnell<br />

schlägt wie das seiner Mutter und es mit<br />

seinem eigenen »Motor« die Blutzirkulation<br />

vorantreibt. Oft erfährt die Mutter<br />

durch Ausbleiben der Regelblutung<br />

erst jetzt, dass sie schwanger ist.<br />

Kurz: Wir wissen längst, dass Menschen<br />

»biologische Wunder« sind, die<br />

sich nicht »zu«, sondern »als« Menschen<br />

entwickeln, und die Bezeichnung<br />

»Zellhaufen« eine unzulässige Unterbestimmung<br />

eines Wesens darstellt, das<br />

jeder im ausgewachsenen Zustand als<br />

Mensch bezeichnet. Wir wissen, dass es<br />

die »Menschwerdung« im eigentlichen<br />

Sinne in der Geschichte der Menschheit<br />

daher maximal ein einziges Mal gab,<br />

nämlich als Gott, wie Christen glauben,<br />

in Jesus Christus Mensch wurde.<br />

Wenn der Mensch einen berechtigten<br />

Anspruch darauf besitzt, von anderen<br />

Menschen nicht getötet zu werden,<br />

und ihm dieser »qua Natur« zukommt,<br />

dann muss dieses Recht auch<br />

den unschuldigsten und wehrlosesten<br />

Exemplaren der Gattung zukommen.<br />

Oder aber es gilt für niemanden. Alles<br />

andere wäre eine beispiellose Diskriminierung.<br />

Denn welche Diskriminierung<br />

könnte schlimmer und entsetzlicher<br />

sein, als unschuldig und wehrlos<br />

von den eigenen Eltern zum Tode verurteilt<br />

zu werden?<br />

Die Forderung nach einem »Recht<br />

auf Abtreibung« und der Versuch, dieses<br />

mit einem »Recht auf Privatheit« zu<br />

begründen, ist daher in Wahrheit der<br />

Versuch der Eröffnung bzw. Verteidigung<br />

eines rechtsfreien Raumes, in dem<br />

Staaten das Gewaltmonopol privatisieren<br />

und Ärzte auf Wunsch der Eltern<br />

vom Tötungsverbot suspendieren. Im<br />

Grunde müsste Ärzten, die sich dafür<br />

hergeben, auf der Stelle die Approbation<br />

entzogen werden. Denn eine Abtreibung<br />

ist die einzige Operation, die<br />

statt der Heilung des Patienten die Tötung<br />

eines Wehrlosen zum Ziel hat und<br />

dabei auch noch die mögliche Traumatisierung<br />

seiner Mutter in Kauf nimmt.<br />

Besonders erbärmlich aber ist es, das<br />

vermeintliche »Recht auf Abtreibung«<br />

mit dem »Recht auf körperliche Selbstbestimmung«<br />

begründen zu wollen. Das<br />

heißt natürlich nicht, dass es ein sol-<br />

22 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


ESSAY<br />

durch den jeweils anderen nicht zum<br />

Vater oder zur Mutter gemacht zu werden,<br />

der kann genauso meinen, wer im<br />

Auto einen Sicherheitsgurt anlegt, erwerbe<br />

damit auch zugleich das Recht<br />

auf eine unfallfreie Fahrt.<br />

NOEL POWELL/STOCK.ADOBE.COM<br />

Auch dass es Lebensumstände gibt,<br />

unter denen die Zeugung eines Kindes<br />

unverantwortlich erscheinen mag, lässt<br />

sich nicht bestreiten. Und es ist nicht<br />

schwer zu verstehen, dass Menschen<br />

dies in solchen Fällen gerne »korrigieren«<br />

würden. Aber die vorgeburtliche<br />

Tötung eines Kindes ist eben nicht die<br />

Korrektur einer unverantwortlichen Tat,<br />

sondern die Hinzufügung einer noch<br />

weitaus unverantwortlicheren. Denn die<br />

Tötung eines wehrlosen und unschuldigen<br />

Menschen lässt sich niemals und<br />

von niemandem verantworten.<br />

Christen wissen, dass Gott auch das<br />

Unverantwortbare (im Grunde ist jede<br />

Sünde unverantwortbar) zu verzeihen<br />

vermag. Dies auch noch gern zu tun, gehört<br />

gewissermaßen zu seinem Kerngeschäft.<br />

Der Staat aber, zu dessen Kerngeschäft<br />

die Wahrung der äußeren und<br />

inneren Sicherheit gehört, muss Menschen<br />

davor schützen, von ihresgleichen<br />

getötet zu werden. Tut er es nicht, so<br />

versagt er auf ganzer Linie. Die Tötung<br />

eines Exemplars der Spezies Mensch im<br />

Mutterleib ist daher auch keine private<br />

Angelegenheit, sondern eine ganz und<br />

gar öffentliche. Denn wer einen unschuldigen<br />

und wehrlosen Menschen tötet,<br />

tötet auf symbolische Weise auch alle<br />

anderen. Ein Mensch, der meint, entscheiden<br />

zu dürfen, ob ein anderer weiterleben<br />

darf, bestreitet nämlich die Unverfügbarkeit<br />

des Lebens an sich und erklärt<br />

damit zugleich auch das Leben aller<br />

anderen de facto für antastbar. Und<br />

weil das Recht, nicht getötet zu werden,<br />

das Fundament ist, auf dem alle anderen<br />

Rechte fußen, ruft, wer ein »Recht<br />

auf Abtreibung« deklamiert, in Wahrheit<br />

die Anarchie aus.<br />

Im Portrait<br />

Stefan Rehder<br />

Abtreibung = Tötung eines wehrlosen und unschuldigen Kindes im Mutterleib<br />

ches Recht nicht gäbe. Selbstverständlich<br />

gibt es ein »Recht auf körperliche<br />

Selbstbestimmung«. Nur setzt dieses<br />

eben bereits ein, wenn sich ein Paar<br />

zum Geschlechtsverkehr entscheidet,<br />

und nicht erst, wenn ein Schwangerschaftstest<br />

positiv ausfällt. Ein »Recht<br />

auf Abtreibung« würde bedeuten, dass<br />

der Staat Menschen ermächtigt, die von<br />

ihnen gezeugten Kinder als »zu töten«<br />

zu deklarieren, die sie als »unerwünscht«<br />

oder »ungelegen« betrachten.<br />

Mit der eigenen Sexualität verantwortungsvoll<br />

umzugehen, ist keine kleine<br />

oder leichte Aufgabe, sondern etwas,<br />

das erst und oft mühsam erlernt<br />

werden muss. Dazu zählt auch die Anerkennung<br />

der Tatsache, dass der heute<br />

weit verbreitete Gebrauch von Kontrazeptiva<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

bei einem Geschlechtsverkehr ein neuer<br />

Mensch gezeugt wird, lediglich minimieren,<br />

aber niemals restlos ausschließen<br />

kann. Wer meint, er erwerbe durch<br />

ihren Gebrauch einen Anspruch darauf,<br />

Stefan Rehder, geboren 1967 in<br />

Hilden, ist Journalist und Sachbuchautor.<br />

Der Bioethik-Experte<br />

ist Chefredakteur von »Lebens-<br />

Forum« und Korrespondent der in<br />

Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz erscheinenden katholischen<br />

Wochenzeitung »Die Tagespost«.<br />

Dort verantwortet er auch<br />

die Seite »Glaube & Wissen«. Rehder<br />

studierte Geschichte, Philosophie<br />

und Germanistik in Köln und<br />

München. Nach dem Examen arbeitete<br />

er zunächst als Redakteur<br />

der »Passauer Neuen Presse«<br />

sowie als Pressereferent des<br />

Bundesministeriums für Bildung,<br />

Wissenschaft, Forschung und<br />

Technologie. Der Katholik ist verheiratet<br />

und Vater dreier Kinder.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

23


ZWISCHENRUF<br />

Auf der Seite<br />

des Lebens<br />

Gott kann heilen, was im Leben von Menschen zerbrochen wurde. Das gilt sogar für die Selbsttötung.<br />

Aber die Würde verpflichtet uns auch zu einem entsprechenden Umgang mit uns selbst. Wir<br />

sind mehr, als wir sehen; zumal dann, wenn wir nur Krankheit, Lebensüberdruss und Angst wahrnehmen.<br />

Wer sich aus Krankheit, Lebensüberdruss oder Angst das Leben nimmt, engt sich auf die<br />

Verzweiflung ein, die er spürt. Und wer jemandem dabei hilft, folgt dessen verzweifelter Selbstwahrnehmung,<br />

statt ihm eine erweiterte Perspektive zu ermöglichen.<br />

Von Bischof em. Heinz Josef Algermissen, Fulda<br />

In den letzten Jahren nahm die Aktivität<br />

von Vereinen und Einzelpersonen<br />

zu, den Sterbewilligen<br />

Hilfsdienste beim Suizid anzubieten.<br />

Sie besorgen tödliche Substanzen, geben<br />

Hinweise zur Einnahme und bleiben<br />

gelegentlich auch bei der Selbsttötung<br />

zugegen. Manche stellen dafür<br />

Rechnungen wie für jede andere Dienstleistung,<br />

andere legen Wert darauf, ehrenamtlich<br />

zu handeln. Ob sie gegen das<br />

Recht verstoßen, war bislang nicht klar.<br />

Wenn ich mich in diesem Kontext<br />

kritisch in die Debatte einbringe, so<br />

hat das auch zwei Gründe:<br />

• Einerseits scheint mir die Würde des<br />

Sterbenden noch immer nicht klar<br />

genug herausgestellt zu werden.<br />

• Andererseits glaube ich, die Diskussion<br />

braucht mehr Weite. Ob Menschen<br />

bei nachlassenden Kräften den<br />

Wunsch haben, sich das Leben zu<br />

nehmen oder nicht, hängt wesentlich<br />

davon ab, ob sie überhaupt ein<br />

Verhältnis dazu gefunden haben, dass<br />

wir endliche und zerbrechliche Wesen<br />

sind. Eine Gesellschaft, die nur<br />

auf Aktivität und Leistung setzt, wird<br />

unmenschlich. Es bedarf einer neuen<br />

Kultur des Geschehenlassens.<br />

Um diese beiden Aspekte soll es im Folgenden<br />

gehen.<br />

Zunächst zur Würde des Sterbenden:<br />

Was ist Würde? Unser Grundgesetz<br />

spricht zwar von der »Würde des Menschen«<br />

(Art. 1, Abs. 1 GG), sagt aber<br />

nicht, was es darunter versteht. Viele von<br />

uns füllen daher den Begriff je nach Situation<br />

anders. Und tatsächlich bedeutet<br />

es Grundverschiedenes, wenn man zum<br />

Beispiel von einem »würdevollen Requiem«,<br />

einer »Würde des Amtes« oder<br />

der »Menschenwürde« spricht. Diese<br />

Begriffsunschärfe ist problematisch. Ich<br />

glaube, wir kommen nicht umhin, klar<br />

zur Sprache zu bringen, was wir unter<br />

Würde verstehen wollen. In Übereinstimmung<br />

mit einer großen abendländischen<br />

Tradition sage ich daher:<br />

Würde zu besitzen heißt, man darf<br />

niemals zu einem »Objekt, zu einem<br />

bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe<br />

herabgewürdigt« werden [Dürig, Günter<br />

(1956), Der Grundrechtssatz von der<br />

Menschenwürde. In: Archiv für öffentliches<br />

Recht, 81. Jg., 118-157].<br />

Als Arbeitnehmer oder Konsumenten<br />

sind wir durch andere vertretbar. Wir<br />

sind aber grundsätzlich mehr als nur<br />

Arbeitnehmer oder nur Konsumenten.<br />

Erst recht sind wir mehr als nur Patienten,<br />

die durch ihre Krankheit definiert<br />

sind. Deshalb liegt ein Verstoß gegen die<br />

Würde vor, wenn man vom »Hautkrebs<br />

auf Zimmer 12« spricht und den Mitmenschen<br />

meint, der an dieser Krankheit<br />

leidet. Aber es liegt kein Verstoß<br />

gegen die Menschenwürde vor, wenn<br />

man etwa auf der Intensivstation ein<br />

Flügelhemd tragen muss. Würde ist<br />

kein anderes Wort für gepflegtes Äußeres<br />

oder Schönheit. Auch Leid und<br />

Traurigkeit sind als solche noch kein Anschlag<br />

auf unsere Würde. Nur wo wir<br />

nicht als wir selbst behandelt werden,<br />

sondern wie eine Sache, eine Funktion<br />

oder ein Krankheitsbild, steht unsere<br />

Würde auf dem Spiel.<br />

Meine Würde verpflichtet mich freilich<br />

auch zu einem entsprechenden<br />

Umgang mit mir selbst. Ich bin mehr,<br />

als auch ich von mir sehe; zumal dann,<br />

wenn ich in mir nur Lebensüberdruss<br />

und Angst wahrnehme. Wer sich aus<br />

Krankheit, Lebensüberdruss und Angst<br />

das Leben nimmt, engt sich ein auf die<br />

Verzweiflung, die er spürt. Und wer<br />

ihm hilft sich umzubringen, folgt dessen<br />

verzweifelter Selbstwahrnehmung,<br />

statt ihm eine Öffnung der verengten<br />

Perspektive zu ermöglichen.<br />

Es kränkt die Menschenwürde massiv,<br />

wenn auf eine tödliche Verzweiflung<br />

mit der Tötung des Verzweifelten reagiert<br />

wird. Das gilt auch für die Selbsttötung,<br />

ob assistiert oder ohne fremde<br />

Hilfe vollzogen.<br />

Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich<br />

sage das nicht, um Suizidenten zu ver-<br />

24 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


ZWISCHENRUF<br />

urteilen. Sie seien unserem liebenden<br />

Gott anempfohlen, der heilen kann,<br />

was in ihrem Leben zerbrochen wurde<br />

– von anderen oder ihnen selbst (vgl.<br />

Katechismus der Katholischen Kirche,<br />

Nr. 2283).<br />

Es geht mir auch nicht darum, den<br />

Suizid oder seinen Versuch unter Strafe<br />

zu stellen. Das Strafrecht wird keinen<br />

Verzweifelten zur Achtung der eigenen<br />

Würde bringen. Dass unser Gesetz<br />

Suizide nicht ahndet, heißt aber nicht,<br />

dass uns Selbsttötungen egal sein dürften.<br />

Wäre dem so, befänden wir uns bereits<br />

im kalten Reich der Gleichgültigkeit<br />

und Indifferenz. Eine Gesellschaft,<br />

die achselzuckend auf das Selbstbestimmungsrecht<br />

verweist, wenn sich jemand<br />

umbringt, ist nicht frei. Sie ist zynisch.<br />

Wir brauchen dagegen Signale, die uns<br />

vergewissern: Wir als Gesellschaft<br />

stehen auf der Seite des<br />

Lebens. Das umfassende Verbot<br />

jeder Suizidförderung wäre<br />

ein solches Signal.<br />

So fordere ich im Namen der<br />

Menschenwürde und der Lebensfreundlichkeit<br />

vom Gesetzgeber<br />

eine klare Absage an jede Suizidunterstützung.<br />

Es darf keinerlei<br />

Zweifel an ihrer Rechtswidrigkeit<br />

geben.<br />

Suizidwunsch und Suizidhilfe<br />

sind indes keine Themen, die sich<br />

aus heiterem Himmel ergeben.<br />

Sie erwuchsen aus dem Gesamtzusammenhang<br />

unseres Selbstbildes<br />

und Freiheitsverständnisses,<br />

unserer Träume und Ängste.<br />

Darauf will ich kurz eingehen.<br />

Wir können niemals ganz verhindern,<br />

dass Alter und Krankheit<br />

unsere Schaffenskraft beeinträchtigen<br />

und unsere Freiheitsräume<br />

verengen. Und ist es<br />

nicht naheliegend, dass jemand,<br />

der sich ein Leben lang über seine<br />

Aktivitäten definiert hat, lieber<br />

den schnellen Tod sucht, als<br />

dabei zuzuschauen, wie Krankheit<br />

und Alter nach und nach seine<br />

Tatkraft stilllegen?<br />

Die Wahrheit aber ist: Niemand verliert<br />

seine Würde, weil er mit 80 Jahren<br />

nicht mehr das vermag, was ihm<br />

mit 40 noch leichtfiel. Es ist vielmehr<br />

so, dass uns unsere Würde verbietet,<br />

uns mit dem gleichzusetzen, was wir<br />

können und leisten. Auch hier gilt: Wir<br />

sind stets mehr, als wir sehen – und erst<br />

recht, als wir tun. Ich glaube daher, es<br />

ist höchste Zeit, dass wir den einseitigen<br />

Kult des tätigen Lebens aufgeben.<br />

• Wenn es uns nicht gelingt, aus dem<br />

verengten Selbstbild der stets Aktiven,<br />

Mobilen und Unabhängigen<br />

auszubrechen,<br />

• wenn wir dem Geschehenlassen und<br />

der Bedürftigkeit nicht den Platz geben,<br />

der ihnen gebührt,<br />

• wenn wir keinen Weg finden, mit<br />

naturnotwendigen Freiheitsverlusten<br />

gelassen umzugehen,<br />

wird der Wunsch, dem Kontrollverlust<br />

bei schwerer Krankheit, beim Altern und<br />

Sterben durch Selbsttötung zu entkommen,<br />

kein Einzelphänomen bleiben.<br />

Bischof em. Heinz Josef Algermissen<br />

Der evangelische Theologe Eberhard<br />

Jüngel schreibt: »Es gibt eine Passivität,<br />

ohne die der Mensch nicht menschlich<br />

wäre. Dazu gehört, dass man geboren<br />

wird. Dazu gehört, dass man<br />

geliebt wird. Dazu gehört, dass man<br />

stirbt« [Jüngel, Eberhard (1985), Tod.<br />

Gütersloh (3. Aufl.)].<br />

Eine Kultur des Geschehenlassens<br />

verlangt aber nicht nur den ehrlicheren<br />

Blick auf uns selbst in unserer Bedürftigkeit.<br />

Sie erfordert auch strukturelle<br />

Veränderungen in der Gesellschaft.<br />

Es bleibt zwar richtig und wichtig, dass<br />

wir auf die Aktivierung alter Menschen<br />

setzen und sie in ihrer Selbständigkeit<br />

unterstützen. Darüber hinaus müssen<br />

wir aber auch Strukturen schaffen, die<br />

es erlauben, die eigene Hinfälligkeit<br />

zu bejahen. Vielleicht haben wir dafür<br />

bisher nicht genug getan. Pflegeheime<br />

und Pflegestationen beispielsweise<br />

dürfen uns nicht wie Auffanglager erscheinen.<br />

Sie müssen »Heiligtümer der<br />

Humanität« sein, wie Papst Franziskus<br />

sagt, Orte ganzen und guten Menschseins;<br />

Orte, an denen noch Entscheidendes<br />

passieren kann. Das<br />

haben gerade auch die Seelsorgerinnen<br />

und Seelsorger wahrzunehmen<br />

und zu unterstützen.<br />

Zugegeben: Gute Pflege ist<br />

teuer. Aber wenn wir an ihr sparen,<br />

müssen wir uns nicht wundern,<br />

wenn die Kultur des Todes<br />

weiter um sich greift.<br />

Wer, wenn nicht wir, sollte<br />

die Letztverfügung des Menschen<br />

über sich selbst eindeutig<br />

zurückweisen und sich klar<br />

auf die Seite des Lebens stellen?<br />

Wer, wenn nicht wir, sollte den<br />

ganzen Menschen bejahen, auch<br />

seine Begrenztheit?<br />

Weil das Leben ein Geschenk<br />

Gottes ist, hat kein Mensch das<br />

Recht, über seinen eigenen Tod<br />

zu verfügen. Das geschenkte Leben<br />

bis zu seinem Ende zu leben<br />

und auch das Sterben, ist<br />

Ausdruck der wahren Selbstbestimmung<br />

des Menschen. Lassen<br />

Sie uns unter allen Umständen<br />

dafür eintreten. Und für eine<br />

neue Kultur des Geschehenlassens.<br />

Wir glauben nämlich,<br />

dass wir nicht ver-enden werden,<br />

nur weil unsere Kraft zur<br />

Selbstbestimmung endet. Wir glauben,<br />

wir müssen nicht alles selbst vollbringen,<br />

was uns ausmacht. Und wir glauben,<br />

das letzte Wort über uns sprechen<br />

nicht wir. Es spricht die Liebe<br />

Gottes.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

25


GESELLSCHAFT<br />

JULIA STEINBRECHT/KNA<br />

Warten auf ein<br />

Machtwort<br />

Die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken in Deutschland steht unter Druck.<br />

In den katholischen Verbänden grummelt es, Stetter-Karp selbst sieht sich »Beleidigungen<br />

und Beschuldigungen« ausgesetzt, per Unterschriftenkampagne wird<br />

ihr Rücktritt gefordert. Und das aus gutem Grund.<br />

Von Cornelia Kaminski<br />

In einem Beitrag für »Christ und<br />

Welt«, der in der Wochenzeitung<br />

»Die Zeit« erschienen ist – immerhin<br />

eine der auflagenstärksten und<br />

einflussreichsten deutschen Zeitungen<br />

–, hat Irme Stetter-Karp betont, es<br />

sei »sicherzustellen, dass der medizinische<br />

Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs<br />

flächendeckend ermöglicht<br />

wird«. Diese flächendeckende Verfügbarkeit<br />

von Abtreibungen gebe es derzeit<br />

nicht, weil insbesondere im ländlichen<br />

Raum – unabhängig von seiner<br />

konfessionellen Prägung – die gynäkologische<br />

Versorgung fehle, weswegen<br />

ein Nachdenken darüber nötig sei, wie<br />

man dieses Angebot sicherstellen könne.<br />

Das umfasse auch die Schulung von<br />

Ärzten in der Ausbildung. Das sind ein<br />

paar steile Aussagen von der Präsidentin<br />

eines Komitees, das für sich in An-<br />

26 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


GESELLSCHAFT<br />

spruch nimmt, die Anliegen der Katholiken<br />

in der Öffentlichkeit zu vertreten.<br />

Schauen wir zunächst auf das, was<br />

an ihren Aussagen stimmt. Tatsache<br />

ist: In Deutschland herrscht tatsächlich<br />

ein Mangel an Fachärzten für Frauenheilkunde.<br />

Das zeigt sich insbesondere<br />

an der Zahl der geburtshilflichen<br />

Einrichtungen. In Deutschland gibt es<br />

noch knapp 650 Geburtshilfen – das ist<br />

ein Rückgang um über 40 Prozent seit<br />

1991. Die Zahl der Geburten ging im<br />

selben Zeitraum jedoch lediglich um<br />

fünf Prozent zurück und lag 2021 bei<br />

795.000. Dem stehen ca. 95.000 Abtreibungen<br />

gegenüber, die in über 1.000 Abtreibungseinrichtungen<br />

in Deutschland<br />

durchgeführt werden können.<br />

Wo besteht also wirklich ein Mangel?<br />

Geburten lassen sich nicht terminieren,<br />

Abtreibungen schon. Für eine<br />

hochschwangere Frau und ihr ungeborenes<br />

Kind ist es ein erhebliches Risiko,<br />

weite Wege zum Kreißsaal zurücklegen<br />

zu müssen. Ist eine Fahrt von 100 Kilometern<br />

in die nächste Abtreibungseinrichtung<br />

wirklich eine Zumutung für eine<br />

Frau, die ohnehin vermutlich lieber<br />

nicht beim Frauenarzt um die Ecke abtreibt?<br />

Wer Familienpolitik betreiben<br />

und sich für Frauengesundheit starkmachen<br />

möchte, der stärkt die Geburtshilfe.<br />

Wie kommt also Frau Stetter-Karp,<br />

promovierte Sozialwissenschaftlerin, deren<br />

Mutter zwölf Kinder geboren hat,<br />

dazu, diese Fakten zu ignorieren und<br />

stattdessen lieber das Narrativ der Abtreibungslobby<br />

zu bedienen?<br />

Auch an anderer Stelle betet Stetter-<br />

Karp unreflektiert Aussagen der Abtreibungsbefürworter<br />

nach, die keiner Überprüfung<br />

standhalten. Etwa die Behauptung,<br />

in Ländern mit restriktiver Abtreibungsgesetzgebung<br />

gäbe es besonders<br />

viele illegale Abtreibungen. Dabei<br />

wissen wir, dass das Gegenteil der Fall<br />

ist. Beispiel USA: Hier verdoppelten<br />

sich nach dem Grundsatzurteil »Roe vs.<br />

Wade«, das Abtreibungen erlaubte, die<br />

Zahlen innerhalb von sieben Jahren. In<br />

allen Ländern, in denen Abtreibungen<br />

legalisiert wurden, führte dies zu einer<br />

Zunahme der Abtreibungen, und nicht<br />

zu einer Abnahme. Was ja auch völlig<br />

logisch ist. Wäre es anders, so wäre der<br />

Gesetzgeber gut beraten, Steuerhinterziehungen<br />

zu erlauben, um deren Häufigkeit<br />

einzudämmen.<br />

Besonders absurd ist jedoch Frau<br />

Dr. Stetter-Karps Forderung, zur Sicherung<br />

der Versorgung mit flächendeckenden<br />

Abtreibungseinrichtungen<br />

sei es notwendig, dass Ärzte im Rahmen<br />

ihrer Ausbildung das Handwerk<br />

der vorgeburtlichen Kindstötung erlernen<br />

sollten.<br />

Eine solche Forderung ließe sich nur<br />

umsetzen, wenn gleichzeitig für diese<br />

Ärzte die Gewissens- und Religionsfreiheit<br />

nicht mehr gelten würde. Wir<br />

sehen: Wenn das Grundrecht auf Leben<br />

einem Teil der Bevölkerung aberkannt<br />

wird, dann büßen eben andere<br />

Menschen ebenfalls ihre Grundrechte<br />

ein. Auch das ist nur folgerichtig: Das<br />

Recht auf Leben ist das erste und grundlegendste<br />

aller Menschenrechte. Wenn<br />

dies einzelnen Bevölkerungsgruppen<br />

abgesprochen werden kann – und zwar<br />

einzig und allein, weil es anderen Menschen<br />

einen Vorteil verschafft –, stehen<br />

alle anderen Menschenrechte ebenfalls<br />

zur Disposition.<br />

Dass dies zum Plan gehört, erkennen<br />

wir an den Vorhaben der Ampelkoalition,<br />

deren Koalitionsvertrag explizit<br />

vorsieht, Gebetswachen vor Abtreibungskliniken<br />

zu verbieten – das ist<br />

nicht nur das Ende der Religionsfreiheit,<br />

sondern auch der Meinungsfreiheit und<br />

der Demonstrationsfreiheit im öffentlichen<br />

Raum. Glaube nur niemand, dass<br />

er von diesen Grundrechtseinschränkungen<br />

unbetroffen bleiben wird!<br />

Sah eine Grenze überschritten und wandte sich mit einen Offenen Brief an die<br />

Deutsche Bischofskonferenz: Die Initiative Maria 1.0<br />

Was es in dieser Situation in Deutschland<br />

gebraucht hätte, wäre eine starke,<br />

katholische Stimme, die diese Menschenrechte<br />

gegenüber einer übergriffigen<br />

Regierung mutig verteidigt. Was<br />

es überhaupt nicht braucht, ist eine Präsidentin<br />

des Zentralkomitees deutscher<br />

Katholiken, die sich vor dieser Regierung<br />

in den Staub wirft und nicht bereit<br />

ist, sich aus diesem wieder zu erheben<br />

– trotz eindeutiger und, wie aus einer<br />

Stellungnahme des Generalsekretärs<br />

des ZdK auch bekannt ist, zahlreicher<br />

entsprechender Aufforderungen.<br />

Wie konnte es dazu kommen, dass die<br />

oberste deutsche Laienkatholikin sich<br />

dermaßen auf die schiefe Bahn begeben<br />

hat? Stetter-Karp war ebenso wie Rita<br />

Süßmuth 1999 Mitgründerin von »Donum<br />

Vitae«. Dieser Verein, so Stetter-<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

27


GESELLSCHAFT<br />

Karp, habe damals dafür sorgen wollen,<br />

»das katholische Profil im System<br />

der staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungen<br />

zu erhalten«.<br />

Donum Vitae hat damit vor über<br />

20 Jahren einen Weg beschritten, von<br />

dem viele Lebensrechtler damals sagten,<br />

dass er in die Irre führen werde.<br />

Heute zeigt sich, wie Recht sie damit<br />

hatten. Wer meint, er könne an einem<br />

System mitwirken, das millionenfache<br />

vorgeburtliche Kindstötungen ermöglicht,<br />

macht sich nicht nur die Hände<br />

schmutzig. Er wird schließlich Teil dieses<br />

Systems und übernimmt seine Sprache,<br />

sein Narrativ, seine Ideologie. Anders<br />

geht es nicht. Und so haben wir heute<br />

mit Prof. Rita Süßmuth eine ehemalige<br />

Vizepräsidentin des Familienbundes<br />

deutscher Katholiken, die eine Laudatio<br />

auf Deutschlands bekannteste Abtreibungsärztin<br />

Kristina Hänel hält,<br />

und mit Dr. Stetter-Karp eine oberste<br />

deutsche Laienkatholikin, die die Lügen<br />

der Abtreibungslobby nachbetet:<br />

Es gebe eine unzureichende Versorgung<br />

mit Abtreibungseinrichtungen,<br />

das Werbeverbot für Abtreibung habe<br />

mit dem Schutz des ungeborenen<br />

Lebens nichts zu tun, und wenn Ärzte<br />

erst allesamt schon in der Ausbildung<br />

lernten, wie man vorgeburtlich Kinder<br />

tötet, könnten Frauen in Deutschland<br />

endlich selbstbestimmt über ihre Körper<br />

verfügen.<br />

Weit über 4.000 Unterschriften: Petition fordert den Rücktritt von Stetter-Karp<br />

Wie schizophren man dabei werden<br />

kann, wenn man sich von diesem Lügennetz<br />

einfangen lässt, zeigen Behauptungen<br />

wie diese: »Auch wenn das ein<br />

Widerspruch zu sein scheint: Zielorientierung<br />

und Ergebnisoffenheit zu berücksichtigen<br />

trägt dazu bei, das Recht<br />

auf Leben und das Recht auf Selbstbestimmung<br />

gleichermaßen zu garantieren.«<br />

Das scheint nicht nur ein Widerspruch<br />

zu sein, das ist einer, wie jeder,<br />

der des logischen Denkens fähig ist,<br />

unschwer erkennt. Denn das Recht auf<br />

Leben wird durch diese Regelung keinesfalls<br />

garantiert, sondern ausdrücklich<br />

zur Disposition gestellt und einem<br />

vermeintlichen Recht auf Selbstbestimmung<br />

der Mutter geopfert, das<br />

allemal Vorrang hat. Das Leben eines<br />

Kindes ließe sich ja nur schützen, wenn<br />

die Mutter selbstbestimmt »Ja« zu ihrem<br />

Kind sagen könne, so die Präsidentin<br />

weiter. Dass tausendfach Mütter<br />

keinesfalls selbstbestimmt »Ja« zu<br />

einer Abtreibung sagen, sondern dazu<br />

gedrängt werden, ignoriert sie. Dass das<br />

vermeintliche Recht auf Selbstbestimmung<br />

eine totale Lüge ist, die sich an<br />

keiner Stelle deutlicher zeigt als bei einer<br />

ungeplanten Schwangerschaft, ignoriert<br />

sie ebenfalls – gäbe es diese Selbstbestimmung<br />

über den eigenen Körper,<br />

wären die Frauen gar nicht erst schwanger<br />

geworden. Das Recht auf Selbstbestimmung<br />

ist also vielmehr das Recht<br />

auf Tötung eines anderen, ungeplanten,<br />

unerwünschten Menschen. Abtreibungen<br />

sind genau aus diesem Grund,<br />

wie das II. Vatikanum treffend formuliert,<br />

ein abscheuliches Verbrechen. Sie<br />

sind, wie Mutter Teresa bei der Verleihung<br />

des Friedensnobelpreises sagte,<br />

der größte Zerstörer des Friedens in<br />

unserer Welt.<br />

Abtreibungen zerstören das Leben<br />

der Kinder und das Gewissen der Eltern.<br />

Sie zerstören aber auch das Verantwortungsbewusstsein<br />

in unserer Gesellschaft.<br />

Mit dem Etikett der »selbstbestimmten<br />

Entscheidung« erhalten Abtreibungen<br />

quasi ein Gütesiegel. Sie sind<br />

nicht mehr der letzte Ausweg in höchster<br />

Not, sondern werden geadelt als<br />

selbstbewusster Ausdruck der autonomen<br />

Entscheidungsfähigkeit der Frau.<br />

Damit befreien Abtreibungen und alle,<br />

die dieses Narrativ nachbeten, die Gesellschaft<br />

von ihrer Verantwortung gegenüber<br />

beiden: der ungewollt Schwangeren<br />

und ihrem Kind. Der Frau wird<br />

vorgehalten, sie möge sich doch bitte<br />

selbstbestimmt und autonom verhalten,<br />

das Kind wird entmenschlicht und sämtlicher<br />

Rechte beraubt, und schon sind<br />

alle aus dem Schneider, denen man eigentlich<br />

zurufen müsste: Du bist der Vater!<br />

Kümmere dich! Ihr seid die Großeltern!<br />

Bringt euch ein!<br />

Im Falle einer Konfliktschwangerschaft<br />

müsse die letzte Entscheidung<br />

bei der Frau liegen, so Stetter-Karp.<br />

Ja, die letzte Entscheidung sollte bei<br />

der Frau liegen – allerdings deutlich<br />

vor dem Eintreten einer ungeplanten<br />

Schwangerschaft. Autonom und selbstbestimmt<br />

sollten Frauen entscheiden, ob<br />

Folge des Geschlechtsakts zum gegebe-<br />

28 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


GESELLSCHAFT<br />

nen Zeitpunkt eventuell eine Schwangerschaft<br />

sein könnte, ob in dem Fall<br />

ihr Sexualpartner auch als Kindsvater<br />

taugt, ob die Beziehung tragfähig ist<br />

und Kinder darin willkommen sind,<br />

ob sie mit der Konsequenz einer ungeplanten<br />

oder unerwünschten Schwangerschaft<br />

auf verantwortungsvolle, lebensbejahende<br />

Weise umgehen könnte.<br />

Es ist, um es einmal ganz deutlich zu<br />

sagen, erbärmlich, was für ein Frauenbild<br />

sich in den Einlassungen Stetter-<br />

Karps zeigt: nämlich genau das Gegenteil<br />

einer selbstbestimmten, sich ihres<br />

eigenen Wertes bewussten Frau. Zum<br />

Narrativ des Rechts auf reproduktive<br />

Selbstbestimmung gehört eben auch,<br />

dass die gesamte Entstehungsgeschichte<br />

der Konfliktschwangerschaft darin nicht<br />

vorkommt. Wären Frauen so selbstbestimmt<br />

und selbstbewusst, wie dieses<br />

Narrativ uns glauben machen möchte,<br />

würden sie ihren Körper schützen, den<br />

Sexualpartnern Grenzen aufzeigen und<br />

deren Verantwortung einfordern. Darin<br />

sollten Frauen bestärkt werden. Für<br />

diese Haltung brauchen Frauen Ermutigung<br />

und Zuspruch. Wer Frauenrechte<br />

dagegen hauptsächlich dann respektiert,<br />

wenn er sich damit seiner eigenen<br />

Verantwortung elegant entledigen kann,<br />

wer dafür dann Leben zerstört und Frauen<br />

traumatisiert, der respektiert Frauen<br />

nicht. Der verachtet sie im Grunde genommen.<br />

Mit Verlaub, von einer Frau<br />

an der Spitze des Zentralkomitees deutscher<br />

Katholiken hätte ich eine solche<br />

Respektlosigkeit nicht erwartet.<br />

Womit wir auch bei der Frage wären,<br />

ob jemand, der sich auf diese Weise<br />

öffentlich positioniert, überhaupt<br />

noch als katholisch bezeichnet werden<br />

kann. Der unbedingte Schutz jeglichen<br />

menschlichen Lebens ist integraler Bestandteil<br />

der katholischen Lehre. Nichts,<br />

aber auch gar nichts an ihr macht Sinn,<br />

wenn dieser Grundsatz fällt: Du darfst<br />

nicht töten. Jede Relativierung dieses<br />

Grundsatzes stößt wie Dominosteine<br />

alle anderen Grundregeln des christlichen<br />

Miteinanders, der Beziehung zwischen<br />

Gott und den Menschen um. Hier<br />

darf es kein »Ja, aber«, keine wie auch<br />

immer geartete Ausnahme geben. Gott<br />

hat jeden Einzelnen von uns ins Leben<br />

gerufen, jeder Einzelne von uns ist Teil<br />

seines Heilsplans. Wer aber meint, ungeborene<br />

Kinder beseitigen zu können,<br />

HARALD OPPITZ/KNA<br />

erhebt sich über diesen Plan und teilt<br />

dem Schöpfer auf unendlich überhebliche<br />

Weise mit: Dieses Kind war unnötig,<br />

passte nicht in den Plan der Eltern,<br />

lass uns das mal anders lösen. Es<br />

interessiert mich nicht, was du mit dem<br />

Kind vorhattest. Jedes Kind, das geboren<br />

wird, sendet die Botschaft Gottes<br />

in die Welt, dass es Hoffnung und Zukunft<br />

für die Menschheit gibt. Mit jedem<br />

Kind, das wir vorgeburtlich töten,<br />

zerstören wir somit auch einen Teil dieser<br />

Zukunftshoffnung für uns selbst.<br />

Katholisch ist es daher vielmehr, diese<br />

Annahme zugrunde zu legen und zu<br />

fragen: Was ist meine Aufgabe in diesem<br />

Plan, und zwar genau jetzt, ganz<br />

konkret, bei der unglücklich-ungewollt<br />

schwangeren Frau? Was soll ich tun,<br />

um den Knoten zu lösen, das Leben des<br />

Kindes zu retten? Zur Abtreibung raten?<br />

Bequemer ist das für die, die nicht<br />

selbst auf den OP-Tisch steigen müssen.<br />

Mit dieser Haltung dient man jedoch<br />

vor allem sich selbst. Die christliche<br />

Haltung hingegen ist die der Nächstenliebe,<br />

die auch das Kind im Mutterleib<br />

miteinschließt.<br />

Erfreulicherweise hat sich die deutsche<br />

Bischofskonferenz geäußert und<br />

mit klaren Worten von Stetter-Karps<br />

Verwirrtheiten distanziert. Es ist, wie<br />

ihr Sprecher festhielt, unsere Aufgabe,<br />

diese Verantwortung gegenüber dem<br />

ungeborenen Menschen zu erkennen<br />

und ihn durch unsere konkrete Unterstützung<br />

und Hilfe für seine Eltern<br />

bestmöglich zu schützen. Es darf niemals<br />

unser Anliegen sein, die Möglichkeiten<br />

für seine Vernichtung noch weiter<br />

auszuweiten. Diese Stellungnahme<br />

Zeigt von Einsicht bislang keine Spur: ZdK-Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp<br />

reicht jedoch nicht. Wer die katholische<br />

Lehre in einem so elementaren Punkt<br />

dermaßen mit Füßen tritt, hat an der<br />

Spitze ihrer Laienorganisation nichts<br />

verloren. Es ist Aufgabe der Bischöfe,<br />

unmissverständliche Orientierung zu<br />

bieten und die Gläubigen vor falschen<br />

Propheten zu schützen. Wir brauchen<br />

gerade jetzt glaubwürdige Menschen in<br />

katholischen Spitzenpositionen, die den<br />

weiteren Grausamkeiten, die der Koalitionsvertrag<br />

noch bereithält, mutig Paroli<br />

bieten. Wir brauchen niemanden,<br />

der sich an die frauen- und familienfeindlichen<br />

Vorhaben der Ampelkoalition<br />

dergestalt anbiedert, wie das ZdK<br />

es zurzeit tut.<br />

Sollte Stetter-Karp im Amt bleiben,<br />

nützt auch die wohlfeile Stellungnahme<br />

der Bischofskonferenz herzlich wenig<br />

– sie degeneriert zum Feigenblatt,<br />

und wie wenig das nützt, wissen wir seit<br />

der Vertreibung aus dem Paradies. Es<br />

ist daher höchste Zeit für ein Machtwort<br />

der deutschen Bischöfe.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

29


BÜCHERFORUM<br />

Genug geschwiegen!<br />

Dieses Buch ist ein Lehr- und<br />

Studienbuch. Richtig genutzt,<br />

rettet es Leben. Nicht eines,<br />

sondern Hunderttausende. Denn es<br />

vermittelt nicht bloß die wichtigsten<br />

Gesprächstechniken und jede Menge<br />

nützliche Informationen, mit denen<br />

Lebensrechtler jede noch so brenzlige<br />

Situation und jedes noch so schwierige<br />

Gespräch über das emotional hochbelastete<br />

Thema Abtreibung meistern<br />

können. Mehr noch: In den richtigen<br />

Händen vermag es die Reihen der Abtreibungsbefürworter<br />

zu lichten und<br />

Menschen veranlassen, ins Pro-Life-<br />

Lager zu wechseln. Dieses Buch hat<br />

also das Zeug, ein echter Gamechanger<br />

zu werden.<br />

Bei all dem liest es sich leicht und<br />

beinah süffig. Mit ihm wendet sich die<br />

Lebensrechtlerin Justina van Manen an<br />

ihresgleichen. Am Canadian Centre for<br />

Bio-Ethical Reform (CCBR) ausgebildet<br />

und in zahllosen Straßeneinsätzen<br />

geschult, versteht sie es, zügig auf den<br />

Punkt zu kommen. Und so beginnt<br />

»Genug geschwiegen!« gleich mit einem<br />

Paukenschlag: »Als ich ein Teenager<br />

war, fragte mich eine Freundin:<br />

›Sam, was würdest du einem Mädchen<br />

raten, das eine Abtreibung in Betracht<br />

zieht?‹ Ich war ehrlich zu ihr. Ich habe<br />

ihr gesagt, ich wisse es nicht. Ich war<br />

damals 18 Jahre alt (…) und Abtreibungen<br />

interessierten mich nicht. Ich dachte,<br />

sie würde eine hypothetische Frage<br />

stellen. Ich habe nicht verstanden, dass<br />

sie mich um Hilfe bat. Ich wusste nicht,<br />

dass sie schwanger war. (…) Ich wusste<br />

nicht, dass ich mit meiner Antwort ein<br />

Leben hätte retten können. Ich wusste<br />

nicht, dass meine Freundin nur wenige<br />

Tage später eine Abtreibung vornehmen<br />

lassen würde.«<br />

Viele Gespräche, die Lebensrechtler<br />

mit vermeintlichen Abtreibungsbefürwortern<br />

führen, enden ergebnislos. Das<br />

muss, wie die Autorin überzeugend darlegt,<br />

aber gar nicht sein, wenn es gelingt,<br />

zunächst die Lücke zu schließen, die aus<br />

den unterschiedlichen Blickwinkeln<br />

resultiert, mit denen Abtreibungsbefürworter<br />

und -gegner auf Abtreibung<br />

schauen. Während sich Lebensrechtler<br />

auf die alles entscheidende Frage fokussierten,<br />

ob der Embryo ein Mensch<br />

sei, konzentrierten sich Gesprächspartner<br />

»häufig beinah vollständig auf die<br />

Angst, die Unsicherheit, ja sogar die<br />

Verzweiflung, die eine Frau empfinden<br />

kann, wenn sie mit einer ungewollten<br />

Schwangerschaft konfrontiert ist«. Die<br />

dadurch entstehende Lücke kann, wie<br />

van Mannen eindrucksvoll zeigt, in<br />

einem Dreischritt (Gemeinsame Basis<br />

finden, Analogien benutzten, Fragen<br />

stellen) geschlossen werden. Gegliedert<br />

ist das beeindruckende Werk in<br />

sieben Teile (Umstände, Menschenrechte,<br />

Person-Sein, Es ist mein Körper,<br />

Härtefälle, Abtreibungsverfahren, Die<br />

richtige Perspektive). Jeder Teil enthält<br />

eine Zusammenfassung, praktische<br />

Übungen und weitergehende Literaturempfehlungen.<br />

Ermöglicht haben die<br />

Herausgabe der deutschen Ausgabe die<br />

»Stiftung Ja zum Leben« und der Verein<br />

»ProLife Europe«. Ein Muss für jeden<br />

Lebensrechtler.<br />

Stefan Rehder<br />

Justina van Manen: Genug geschwiegen!<br />

Schwierigen Abtreibungsfragen<br />

selbstsicher begegnen. Aus dem Englischen<br />

von Bernhard Weiskirch. Bernadus-Verlag,<br />

Aachen <strong>2022</strong>. Kartoniert.<br />

262 Seiten. 15,00 EUR.<br />

Babyschlaf<br />

Die Autorin ist praktizierende Ärztin, seit 30 Jahren<br />

mit der Kinderheilkunde befasst und arbeitet am<br />

Kinderzentrum München in der »Münchner Sprechstunde<br />

für Schreibabys«. Aus ihrer langjährigen Erfahrung<br />

weiß sie, Schlafprobleme betreffen heute<br />

jedes vierte Kind und sind ein heißes Eisen in der Beratung<br />

von Eltern. Übermüdete Eltern wünschen sich<br />

dringend mehr und besseren Schlaf – sowohl für<br />

ihre Kinder als auch für sich selbst. Mit zahlreichen<br />

Fallbeispielen und Dialogen aus ihrer langjährigen<br />

Beratungspraxis veranschaulicht die Autorin typische<br />

Schlafprobleme, beantwortet zahlreiche Fragen<br />

und gibt Tipps für das Überwinden von Umsetzungsschwierigkeiten.<br />

Ein lesenswertes Buch voller<br />

nachvollziehbarer Handlungsempfehlungen. reh<br />

Daniela Dotzauer: Babyschlaf. Fundiertes Wissen<br />

und konkrete Handlungsvorschläge aus der Beratungspraxis.<br />

Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main<br />

<strong>2022</strong>. 209 Seiten. 29,00 EUR.<br />

30 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


BÜCHERFORUM<br />

Entgrenzte Autonomie?<br />

Die »Essener Gespräche zum<br />

Thema Staat und Kirche« haben<br />

sich seit ihren Anfängen<br />

im Jahr 1966 zu einem europaweit viel<br />

beachteten akademischen Klassiker<br />

entwickelt. Interdisziplinär und überkonfessionell<br />

ausgerichtet, erörtert<br />

der Fachkongress stets aktuelle Fragen<br />

zum besonderen Verhältnis von Staat<br />

und Kirche. Im Jahr 2021 hätte dies der<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 26. Februar 2020 gelten<br />

sollen. Mit ihr erklärte bekanntlich<br />

dessen Zweiter Senat das vom Deutschen<br />

Bundestag mit großer Mehrheit<br />

im Herbst 2015 beschlossene »Verbot<br />

der geschäftsmäßigen Förderung der<br />

Selbsttötung« für verfassungswidrig<br />

und den entsprechend gefassten<br />

§ 217 StGB für nichtig. Der vorliegende<br />

Band versammelt nun jene Beiträge,<br />

die angesichts der pandemiebedingten<br />

Einschränkungen im März 2021 nicht<br />

in der gewohnten Weise in Präsenz zur<br />

Kenntnis gegeben werden konnten. In<br />

ihm legen die Autoren, namhafte Juristen,<br />

Philosophen und Theologen, die<br />

Finger in so gut wie jede der an Wunden<br />

wahrlich reichen Entscheidung<br />

des höchsten deutschen Gerichts.<br />

»Entgrenzte Autonomie? Die assistierte<br />

Selbsttötung nach der bundesverfassungsgerichtlichen<br />

Entscheidung<br />

vom 26. Februar 2020« lautet<br />

der Titel des Bandes, der Beiträge von<br />

Theo A. Boer (Groningen), Franz-Josef<br />

Bormann (Tübingen), Gunnar Duttge<br />

(Göttingen), Anna-Bettina Kaiser und<br />

Ines Reiling (Berlin), Thomas Lobinger<br />

(Heidelberg) und Gernot Sydow<br />

(Münster) enthält. Eingeleitet werden<br />

sie mit einem Vorwort des Bischofs<br />

von Essen, Franz-Josef Overbeck, und<br />

einer Einführung des Mitherausgebers<br />

Arnd Uhle (Leipzig).<br />

Grob gesagt, und genauer geht es<br />

angesichts des Umfangs des Dokumentationsbandes<br />

und des hier zur<br />

Verfügung stehenden Platzes auch<br />

nicht, erweisen die Beiträge den Autonomiebegriff<br />

des Bundesverfassungsgerichts<br />

im Ergebnis als defizitär. Das<br />

ist mehr als bloß hochnotpeinlich für<br />

die Mitglieder des Zweiten Senats. Es<br />

ist tragisch. Denn unabhängig von der<br />

Frage des Ideologieverdachts, die sich<br />

hier wie von selbst aufdrängt, muss<br />

der Gesetzgeber bei der anstehenden<br />

rechtlichen Neuregelung der Beihilfe<br />

zum Suizid diesen defizitären Autonomiebegriff<br />

zugrunde legen. Jedenfalls<br />

dann, wenn er eine »verfassungskonforme«<br />

Regelung anstrebt. Dies kommt<br />

aber de facto dem Versuch einer Quadratur<br />

des Kreises gleich.<br />

Eilige Leser werden die »Leitsätze«<br />

am Ende jedes Beitrags zu schätzen<br />

wissen, die sie zuverlässig über die Thesen<br />

und Ergebnisse des Vorangestellten<br />

informieren. Gleichwohl zeigt erst die<br />

Zusammenschau und die in den Fußnoten<br />

zitierte Literatur, wie kritikwürdig<br />

das Urteil des Zweiten Senats in<br />

Wahrheit ist, bei dem, wie der Titel des<br />

Beitrags von Thomas Lobinger »Ein<br />

Recht auf Suizid? – Zur Rechtskreation<br />

des Bundesverfassungsgerichts« nahelegt,<br />

auch gleich die Gewaltenteilung<br />

unter die Räder geriet.<br />

Stefan Rehder<br />

Arnd Uhle / Judith Wolf (Hrsg.): Entgrenzte<br />

Autonomie? Die assistierte<br />

Selbsttötung nach der bundesverfassungsgerichtlichen<br />

Entscheidung vom<br />

26. Februar 2020. Essener Gespräche<br />

zum Thema Staat und Kirche, Bd. 56.<br />

Aschendorff Verlag, Münster 2021. Kartoniert.<br />

244 Seiten. 32,90 EUR.<br />

Besser nicht geboren sein?<br />

Mussten für dieses Buch wirklich Bäume sterben?<br />

Mit rund 60,00 Euro ist das 117 Seiten schwache Plädoyer<br />

eines Geborenen dafür, nicht geboren zu werden,<br />

zumindest ein überaus kostspieliges und jede<br />

Menge Ressourcen verschwendendes Unterfangen.<br />

Dabei beruft der Autor sich auf den südafrikanischen<br />

Philosophen David Benatar, der in seinem Hauptwerk<br />

(»Better Never to Have Been«) die erstaunliche<br />

These verficht, jedes Leben sei so schlecht, dass es<br />

stets besser sei, nicht zu existieren. Das ist natürlich<br />

Unsinn. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Denn Sein ist immer besser als Nichtsein. Oder anders<br />

formuliert: Bewerten, zumal im Sinne von »besser«<br />

oder »schlechter«, lässt sich nur, was ist. Aber<br />

niemals das, was nicht ist. Das vorliegende Buch<br />

darf folglich getrost ignoriert werden.<br />

reh<br />

Oliver Hallich: Besser, nicht geboren zu sein? Eine<br />

Verteidigung des Anti-Natalismus. Verlag J.B. Metzler,<br />

Stuttgart <strong>2022</strong>. 117 Seiten. 59,99 EUR.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

31


KURZ VOR SCHLUSS<br />

Expressis<br />

verbis<br />

Zugleich ist sicherzustellen, dass der<br />

medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs<br />

flächendeckend<br />

ermöglicht wird. Das ist derzeit nicht<br />

der Fall, weil insbesondere im ländlichen<br />

Raum – unabhängig von seiner<br />

konfessionellen Prägung – die gynäkologische<br />

Versorgung fehlt. Eine<br />

Reflexion darüber, wie das Angebot<br />

sichergestellt werden kann, steht an –<br />

was auch die Schulung von Ärzt*innen<br />

in der Ausbildung umfasst.«<br />

Die Präsidentin des Zentralkomitees der<br />

deutschen Katholiken, Dr. Irme Stetter-<br />

Karp, in einem Namensbeitrag für die<br />

Beilage »Christ und Welt« der Wochenzeitung<br />

»Die Zeit« (Ausg. v. 14.07.22)<br />

Tops & Flops<br />

Prof. Dr. med.<br />

Holm Schneider<br />

Der stellvertretende Bundesvorsitzende<br />

der Aktion Lebensrecht für<br />

Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V., Prof. Dr. med. Holm<br />

Schneider, befürchtet, dass die ab 1.<br />

Juli geltende Kostenerstattung für<br />

nicht-invasive Pränataltests (NIPT)<br />

schon bald zu einer »moralischen<br />

Verpflichtung« werden könnte: »Eine<br />

STEPHAN RÖHL/CC BY SA 4.0<br />

Kristina Hänel<br />

Nach der Streichung des Werbeverbots<br />

für Abtreibungen aus dem<br />

Strafgesetzbuch hat die Ikone der<br />

Abtreibungslobby, die Gießener Abtreibungsärztin<br />

Kristina Hänel, der<br />

»Rhein-Main-Zeitung«, dem Lokalteil<br />

der »Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung«, ein ausführliches Interview<br />

Die von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-<br />

Karp vorgetragene Position zur Notwendigkeit<br />

eines flächendeckenden<br />

Angebots von Schwangerschaftsabbrüchen<br />

widerspricht der Haltung der<br />

Deutschen Bischofskonferenz. Statt einer<br />

flächendeckenden Möglichkeit für<br />

Abtreibungen brauchen wir ein flächendeckendes<br />

qualifiziertes Beratungsangebot<br />

für Frauen.«<br />

Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Matthias Kopp, auf<br />

eine Anfrage des Internetportals »kath.<br />

net« am selben Tag<br />

Flächendeckend verteilt werden im<br />

ethischen Sinne kann nur ein Gut, das<br />

der Gerechtigkeit entspricht und damit<br />

dem Guten.«<br />

Prof. Dr. Katharina Westerhorstmann,<br />

Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl Falkovitz,<br />

Dorothea Schmidt und Prof. Dr. Marianne<br />

Schlosser in einem gemeinsamen<br />

Beitrag für die Zeitung »Die Welt« (Ausg.<br />

v. 26.07.22)<br />

Prof. Dr. med. Holm Schneider<br />

Kassenziffer für eine medizinische<br />

Leistung gilt als Qualitätsstempel. So<br />

entsteht Druck auf die Schwangere,<br />

diese Leistung auch in Anspruch zu<br />

nehmen, um sich nicht später vor der<br />

Solidargemeinschaft rechtfertigen zu<br />

müssen, wenn sie trotz früher Selektionsmöglichkeit<br />

ein Kind mit Trisomie<br />

21 (Down-Syndrom) zur Welt<br />

bringt.« Inklusionsdebatten, in denen<br />

Politiker ihre Forderung nach Diversität<br />

auch auf Menschen mit Behinderungen<br />

ausweiteten, würden durch<br />

diese Tests »als Nebelkerzen« entlarvt.<br />

»Die systematische Selektion von<br />

Menschen durch vorgeburtliche Bluttests«<br />

werde nur deswegen nicht als<br />

Eugenik gebrandmarkt, »weil sie hinter<br />

den Türen von Laboren und Abtreibungseinrichtungen<br />

geschieht«, so<br />

Schneider.<br />

reh<br />

Kristina Hänel<br />

gegeben. Auf die Frage der Redakteurin:<br />

»Spielen denn die Väter der ungeborenen<br />

Kinder in Ihrer Praxis auch<br />

eine Rolle?«, antwortet Hänel: »Also<br />

ich würde jetzt nicht den Begriff ›ungeborenes<br />

Kind‹ benutzen. Ich denke,<br />

eine Frau kann schon ab dem Moment<br />

der Empfängnis sagen: mein<br />

Kind. Sie kann das fühlen, und sie<br />

kann das auch so sagen. Aber ich finde<br />

nicht, dass es mir als Außenstehender<br />

zusteht, von einem Kind zu sprechen.<br />

Es ist medizinisch ein Embryo<br />

oder ein Fötus. Und die Frau ist noch<br />

keine Mutter, sie ist schwanger. Genauso<br />

ist der Mann noch kein Vater.<br />

Dazu wird er erst, wenn die Frau sich<br />

entscheidet, auszutragen. Andernfalls<br />

wird er nicht Vater.« Ein Niederrheiner<br />

würde das wohl so kommentieren:<br />

»Weisse Bescheid.« reh<br />

32 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


KURZ VOR SCHLUSS<br />

Aus der Bibliothek<br />

»Das moralische Problem der Selbsttötung« (1942)<br />

»(…) Die Selbsttötung ist etwas sehr<br />

Besonderes. Sie ist, wie mir scheint,<br />

eine Flucht, in der der<br />

Mensch versucht, das<br />

verlorene Paradies<br />

wiederzufinden, statt<br />

den Himmel verdienen<br />

zu wollen. Der<br />

Wunsch nach dem<br />

Tod, der dem Willen<br />

entspricht, wenn<br />

die Versuchung der<br />

Selbsttötung über uns<br />

Herr wird, ist psychologisch<br />

gesehen<br />

der Wunsch nach einer<br />

Regression in den<br />

pränatalen Zustand.<br />

Verschwinden: keine<br />

Angriffsfläche mehr<br />

bieten. Stekel und andere<br />

haben uns die<br />

zutreffendste Psychologie<br />

der Selbsttötung<br />

geliefert: Wunsch nach<br />

dem Abgrund, nach der Mutter, nach<br />

der Rückkehr. Der ganze Vorgang wäre<br />

in Freud’schen Termini zu beschreiben.<br />

Theologisch gesehen handelt es<br />

sich in Wahrheit um eine vage Illusion<br />

der Rückkehr ins Paradies. Die rousseauitisch-werthersche<br />

Selbsttötung<br />

geht sogar mit einer Bewusstwerdung<br />

dieser dunklen Motivation einher. In<br />

dieser Hinsicht ließen sich merkwürdige<br />

Texte von Goethe, Sémancourt,<br />

Amiens und anderen<br />

anführen. Christus<br />

leitet uns durch<br />

Mühsal und Leid zu<br />

einem höheren Licht.<br />

Der Gott oder vielmehr<br />

die Göttin der<br />

Selbsttötung stürzt<br />

uns in den finsteren<br />

Schoß der Mutter. In<br />

diesem Sinn ist die<br />

Selbsttötung ein Infantilismus.<br />

Sein regressiver<br />

Charakter<br />

schließt jeden Vergleich<br />

zwischen der<br />

Selbsttötung und dem<br />

normalen Kampf des<br />

Menschen gegen das<br />

Leiden aus. Es ist das<br />

Versagen aller anderen<br />

Mittel, das in den<br />

meisten Fällen zur<br />

Selbsttötung führt, eine universelle Erfahrung<br />

der Ohnmacht. (…)«<br />

Paul Ludwig Landsberg: Das moralische<br />

Problem der Selbsttötung. Aus<br />

dem Französischen von Eva Moldenhauer.<br />

Hrsg. v. Eduard Zwierlein. Verlag<br />

Matthes & Seitz, Berlin 2017. Klappbroschur.<br />

130 Seiten. 14,00 EUR.<br />

»Die Welt. Die von morgen« (56)<br />

NATALIA SINJUSHINA/STOCK.ADOBE.COM<br />

Kurz & bündig<br />

Forscher züchten<br />

Mäuse-Embryonen<br />

aus Stammzellen<br />

Rehovot (<strong>ALfA</strong>). Israelischen Forschern<br />

um Jacob Hanna vom<br />

Weizmann Institute of Science in<br />

Rehovot ist es gelungen, Mäuse-<br />

Embryonen ohne Befruchtung einer<br />

Eizelle aus Stammzellen zu<br />

züchten. Anschließend hätten<br />

sich die Mäuse-Embryonen in einem<br />

Bioreaktor bis ins Stadium<br />

der Organbildung entwickelt. Das<br />

berichten die Forscher in der aktuellen<br />

Ausgabe der Fachzeitschrift<br />

»Cell«. Wie die Forscher schreiben,<br />

wollten sie herausfinden, wie<br />

sich Stammzellen zu verschiedenen<br />

Organen entwickeln. Eines Tages<br />

könne es so möglich werden,<br />

mit künstlichen Embryo-Modellen<br />

des Menschen Organe und Gewebe<br />

für die Transplantationsmedizin<br />

zu züchten.<br />

reh<br />

GLOSSE<br />

In der Welt von morgen gibt es kein<br />

Zentralkomitee der deutschen Katholiken<br />

(ZdK) mehr. Ein Handbuch<br />

für Kirchengeschichte vermerkt als<br />

Grund für das Aus (unter einem Datum<br />

aus der Welt von gestern) dazu<br />

knapp: »Fusion mit ›Bündnis für sexuelle<br />

Selbstbestimmung‹« sowie »letzte<br />

Präsidentin: Dr. Irme Stetter-Karp«.<br />

Unterdessen fordert das »Bündnis<br />

für sexuelle Selbstbestimmung«, Ärzten,<br />

die in der medizinischen Versorgung<br />

von Schwangeren tätig seien,<br />

das Recht auf Gewissensfreiheit abzusprechen.<br />

Nur so lasse sich – unabhängig<br />

von der »konfessionellen<br />

Prägung« ländlicher Räume – eine flächendecke<br />

Versorgung abtreibungswilliger<br />

Schwangerer »sicherstellen«.<br />

Auch sei es nicht länger hinnehmbar,<br />

dass Abtreibungsärzte »sozial ausgegrenzt«<br />

würden. So sei es ein »echter<br />

Skandal«, wenn Ärzte, die Abtreibungen<br />

vornehmen, in Dorfschenken<br />

bisweilen »gar nicht bedient« würden<br />

oder aber ihr Feierabendbier allein<br />

»am Katzentisch« trinken müssten.<br />

Eine Ärztin habe sich sogar von<br />

ihrer eigenen Tochter fragen lassen<br />

müssen: »Ernsthaft, Mama? Du tötest<br />

Babys?« Hier seien Kitas und Schulen<br />

gefordert. Der Weg zu einer »toleranten<br />

Gesellschaft« nach dem Motto<br />

»Leben und leben lassen« sei eben<br />

doch noch sehr weit.<br />

Stefan Rehder<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

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34 LEBENSFORUM <strong>143</strong>


IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

LEBENSFORUM<br />

Ausgabe Nr. <strong>143</strong>, 3. Quartal <strong>2022</strong><br />

ISSN 0945-4586<br />

Verlag<br />

Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />

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Herausgeber<br />

Aktion Lebensrecht für Alle e.V.<br />

Bundesvorsitzende Cornelia Kaminski (V. i. S. d. P.)<br />

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z.H. Dr. med. Karl Renner<br />

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Redaktionsleitung<br />

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Redaktion<br />

Alexandra Maria Linder M. A., Stefan Matthaei,<br />

Prof. Dr. med. Paul Cullen (Ärzte für das Leben e.V.)<br />

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Erscheinungsweise<br />

»<strong>LebensForum</strong>« 144 erscheint am 17. Dezember <strong>2022</strong>.<br />

Redaktionsschluss ist der 4. November <strong>2022</strong>.<br />

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