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ALfA e.V. Magazin - LebensForum / 143 / 3/2022

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POLITIK<br />

Somit scheint es der »Menschenwürde«<br />

anders zu ergehen als etwa<br />

den »Menschenrechten«. Während der<br />

zweite Begriff von den Lebensschutzgegnern<br />

korrumpiert wird, haben sie<br />

sich offenbar darauf verständigt, ersteren<br />

– und damit auch das Konzept –<br />

einfach fallenzulassen.<br />

Die Reaktionen<br />

Die Vertretung der katholischen Bischöfe<br />

bei der EU (COMECE) bekräftigte<br />

ihre Ansicht, das Vorhaben sei ungerecht,<br />

ohne ethische Grundlage und<br />

werde zu ständigen Konflikten zwischen<br />

den Bürgern der EU führen. Auch die<br />

Deutsche Bischofskonferenz positionierte<br />

sich in diesem Sinne. Ihr Sprecher<br />

Matthias Kopp betonte, die Gesundheit<br />

und Rechte von Frauen zu schützen, sei<br />

»ohne Zweifel ein herausragendes Anliegen«.<br />

Ein Recht auf Abtreibung lasse<br />

jedoch den Schutz des ungeborenen<br />

Lebens »völlig unberücksichtigt und<br />

wird der Komplexität der Situation in<br />

keiner Weise gerecht«. Inwiefern allerdings,<br />

wie Kopp fordert, eine »Polarisierung<br />

der Debatte« noch zu vermeiden<br />

ist, erscheint fraglich. Schließlich<br />

setzt sich ein Extrempol gerade wieder<br />

und wieder politisch durch.<br />

Alexandra Linder nennt als Vorsitzende<br />

des Bundesverbands Lebensrecht die<br />

Entschließung eine »Grundrechtsverwirrung«<br />

und »bizarr«, denn: »Unmittelbar<br />

nach dem Verweis auf die Menschenwürde,<br />

auf das Recht jeder Person<br />

auf Leben und Unversehrtheit, nach<br />

dem Verbot eugenischer Praktiken und<br />

dem Recht auf Freiheit und Sicherheit<br />

würden in dieser Charta einer ganzen<br />

Gruppe von Menschen alle Rechte mit<br />

einem Satz wieder genommen.«<br />

Aus dem politischen Spektrum kommentiert<br />

unter (insgesamt wenigen) anderen<br />

Hessens Europaministerin Lucia<br />

Puttrich (CDU) die Entwicklung in der<br />

»FAZ«. Darin geht sie über moralische<br />

Abwägungen zum Thema Abtreibung<br />

hinaus und kritisiert erstens die Anmaßung<br />

der EU gegenüber den USA, »gegen<br />

die man sich im umgekehrten Fall<br />

vermutlich lautstark verwahren würde«.<br />

Zweitens stört sie sich am Vorhaben<br />

des EU-Parlaments, »neue gesamteuropäische<br />

Werte zu definieren«, was als<br />

übergriffig empfunden werden könne.<br />

Unter den Befürwortern der Entschließung<br />

sei die grüne Europa-Abgeordnete<br />

Terry Reintke erwähnt. Neben<br />

einem Jubel-Tweet äußerte sie sich<br />

auch grundsätzlich: Man habe ihr gesagt,<br />

sie solle sich in der Politik auf die<br />

»großen Themen« konzentrieren. Darauf<br />

antwortet sie, dass an erster Stelle<br />

»das Recht auf unsere eigenen Körper«<br />

(womit im Wesentlichen Abtreibung<br />

gemeint ist) eben so ein großes<br />

Thema sei. Das gilt es, sich einzuprägen:<br />

Für Lebensschutzgegner hat ihre<br />

radikale Agenda absolute Priorität.<br />

Und solange das Thema Lebensschutz<br />

für Kirchen, Konservative und sonstige<br />

Unterstützer nicht dieselbe Priorität<br />

bekommt, werden ausschließlich weitere<br />

Parlamentsentscheidungen wie am 7.<br />

Juli in Straßburg folgen.<br />

Die Perspektive<br />

Zu den wenigen erfreulichen Nachrichten<br />

zu diesem Thema gehört, dass<br />

allein mit dem Votum des EU-Parlaments<br />

noch kein EU-Grundrecht auf<br />

Abtreibung geschaffen wurde. Hierfür<br />

bräuchte es einen einstimmigen<br />

Beschluss des Rates der Europäischen<br />

Homepage der Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union<br />

Union. Und dort könne ein Nein unter<br />

anderem von Polen, Ungarn und Malta<br />

als sicher gelten, betonte der Journalist<br />

David Wengenroth am 9. Juli<br />

bei »IDEA«. Doch dieser Trost bleibe<br />

schwach, denn die Resolution zeige,<br />

»wie in Europa ein blindwütiger Linkspopulismus<br />

um sich greift, dem Recht<br />

und Realität gleichermaßen gleichgültig<br />

sind.« Trauriger Vorreiter: die Ampelkoalition<br />

in Deutschland. Nach der<br />

Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen<br />

(§ 219a StGB) gebe die Entschließung<br />

den Plänen der Ampel weiteren<br />

Rückenwind. Dementsprechend<br />

resümiert Wengenroth: »Was für eine<br />

bittere Ironie: Die europäische Einigung<br />

wurde von überzeugten Christen<br />

als Friedensprojekt begonnen – gerade<br />

weil sie Ehrfurcht vor dem menschlichen<br />

Leben hatten. 65 Jahre später liefert<br />

sie ein europäisches Gütesiegel für<br />

eine Politik, die auf eben diese Ehrfurcht<br />

pfeift.«<br />

Womit einmal mehr unterstrichen<br />

wird: Etwas Entscheidendes fehlt sowohl<br />

dem Text der Entschließung als<br />

auch einer Mehrheit im EU-Parlament.<br />

Und das ist ein universelles Verständnis<br />

von Menschenwürde.<br />

LEBENSFORUM <strong>143</strong><br />

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