WIRTSCHAFT+MARKT Herbst/Winter 2022/23
Wirtschaft+Markt ist das Wirtschaftsmagazin des Ostens. Es erscheint als Onlinemagazin unter wirtschaft-markt.de und zweimal jährlich als Printmagazin. Wöchentlich mittwochs erscheint W+M-Weekly
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WIRTSCHAFT+MARKT
MANAGEMENT
„WIR BRAUCHEN EIN
NEUES VERSTÄNDNIS
VON FÜHRUNG“
Digital-Unternehmerin Constanze Buchheim im W+M-Interview über das ostdeutsche Verständnis
von Elite, den Wandel in der Unternehmenskultur und die Führungspersönlichkeiten von morgen.
W+M: Frau Buchheim, was sind Ihrer Einschätzung
nach die wichtigsten Gründe dafür,
dass auch nach 32 Jahren deutscher Einheit
Ostdeutsche in der Wirtschaft unterrepräsentiert
sind?
getroffen, die ihre Herkunft verheimlicht
haben, um nicht in einer Schublade zu landen.
Es ist also mehr denn je an der Zeit, neue Wege
einzuschlagen, damit sich nicht die permanent
gleiche Elite fortlaufend reproduziert.
bindung nach Ostdeutschland öffentlichkeitswirksam
gemacht werden, denn die gibt es. Nur
so können Vorurteile aufgehoben werden, weil
Menschen nun mal durch Vorbilder inspiriert
werden und solche gut nachahmen können.
Constanze Buchheim: Zum einen haben wir
in Deutschland ein offensichtliches Diversity-
Problem. Machtstrukturen und stereotypische
Führungsriegen reproduzieren sich permanent
selbst. Besetzungsentscheidungen werden
auf Basis des Ähnlichkeitsprinzips getroffen
statt durch rationale Besetzungsprozesse.
Gerade in unsicheren Zeiten – das ist wissenschaftlich
belegt – sorgen unbewusste
Vorannahmen dafür, dass Unternehmensentscheider/innen
offene Stellen nach Ähnlichkeit
und damit Bauchgefühl besetzen.
Dies ist umso problematischer, als wir noch
immer eine Stigmatisierung der ostdeutschen
Bevölkerung erleben. Ich habe Menschen
W+M: Welche Schritte sind dafür notwendig?
Constanze Buchheim: Als Allererstes sollten
wir damit aufhören davon zu sprechen, Ostdeutschland
„helfen zu wollen“. Diese Sprache
steht sinnbildlich für eine Haltung der Überlegenheit
bzw. der fehlenden Gleichwertigkeit.
Ja, Strukturschwäche ist ein Problem, aber
diese gibt es auch in anderen Regionen. Es ist
daher vielmehr Aufgabe der politischen und
wirtschaftlichen Entscheider/innen und auch
der Medien, das Bild von Ostdeutschland und
den Menschen in der Region zu verändern und
Arbeitsplätze in strukturschwache Regionen zu
bringen, um das vorhandene Potenzial auszuschöpfen.
Es müssen Vorbilder mit klarer Ver-
W+M: Kann es sein, dass die Zugehörigkeit
zu Eliten nichts Erstrebenswertes mehr ist
und es dabei einen Clash zwischen Ost- und
Westdeutschland gibt?
Constanze Buchheim: Ganz grundsätzlich
streben im Verhältnis zu Westdeutschland weniger
Ostdeutsche nach Führungspositionen,
weil sie den Begriff der Elite per se ablehnen.
Vielerorts gibt es in Ostdeutschland keinen
stark ausgeprägten Wunsch, sich hierarchisch
abzusondern und einem ausgewählten
Kreis anzugehören. Die Werte, die vorrangig
gelebt werden, sind soziale Gemeinschaft und
Zusammenhalt. Der Elitebegriff widerspricht
diesen wichtigen Grundwerten.
W+M – HERBST / WINTER 2022 / 2023