REMINDER-AUSGABE WIR ONLINE MAGAZIN 26. OKTOBER
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Der Hut<br />
Kopfschmuck im Wandel der Zeit<br />
Wer gut behütet durchs Leben<br />
geht, muss nicht zwangsläufig<br />
einen Hut tragen. Aber dass viele<br />
Redensarten im Deutschen, auch<br />
wenn der ursprüngliche Sinn vielleicht<br />
verloren ging, etwas mit<br />
Hüten am Hut haben, spricht für<br />
dessen kulturgeschichtliche<br />
Bedeutung.<br />
Bereits im Altertum unterschieden<br />
Hüte ihre jeweiligen Träger von Krethi<br />
und Plethi: Wenn die Römer einen<br />
Sklaven in die Freiheit entließen,<br />
bedachten sie ihn mit einem Hut. Ob<br />
sich der Glückliche anschließend<br />
selbst noch ein Hütchen aufsetzte –<br />
sprich, die neu gewonnene Unabhängigkeit<br />
feucht-fröhlich feierte – oder<br />
einfach nur seinen Hut nahm, sei mal<br />
dahingestellt. Galt also der Hut<br />
zunächst als äußerliches Zeichen der<br />
Freiheit, kam im Mittelalter noch eine<br />
weitere Symbolik hinzu: Wer etwas<br />
auf sich hielt, ging nicht mehr ohne.<br />
Wer seinem Mitvolk bedeuten wollte,<br />
nicht irgendwer zu sein, sondern<br />
amtlicher Würdenträger, reicher<br />
Kaufmann oder mindestens von Adel,<br />
trug Filzkreationen mit Leinen- oder<br />
Wollflor, geschmückt mit Reiherfedern<br />
und Agraffen. Mit den gesellschaftlichen<br />
Veränderungen im Laufe<br />
der nächsten Epochen fand auch ein<br />
Wechsel in der Kleiderordnung statt.<br />
Der Hut wandelte sich vom reinen<br />
Statussymbol immer mehr zum<br />
stylishen Accessoire. Zwar galt noch<br />
im 19. Jahrhundert die Faustregel: je<br />
größer der Zylinder, desto wichtiger<br />
die Person; doch auch weniger<br />
bedeutende Zeitgenossen fanden<br />
nun zunehmend Gefallen daran, sich<br />
etwas auf den Kopf zu stülpen. Die<br />
Hutformen wurden spezifischer und<br />
individueller, sodass sie als Erkennungsmerkmal<br />
für bestimmte regionale,<br />
berufliche oder religiöse Gruppen<br />
dienen konnten: der<br />
mexikanische Sombrero; der Tiroler<br />
(von manchen nichtalpinen Scherzbolden<br />
auch als „Jodlerdeckel“ verunglimpft);<br />
der waldgrüne Jägerhut;<br />
der breitkrempige Kalabreser der<br />
Zimmermannsgesellen; der bei<br />
orthodoxen Juden beliebte schwarze<br />
Homburger. Gehörte der Hut noch in<br />
den 1950er-Jahren zum unverzichtbaren<br />
Requisit des korrekt gekleideten<br />
Kleinbürgers, erlebte der Handel<br />
mit Kopfbedeckungen Ende der<br />
1960er dann einen regelrechten Niedergang.<br />
Das hatte zwei Gründe: Erstens<br />
erwies sich im Zuge der fortschreitenden<br />
Motorisierung das gute<br />
Stück beim Ein- und Aussteigen in<br />
den eigenen PKW oft als hinderlich,<br />
zweitens suchte die junge 1968er-Generation<br />
den politischen Neuanfang<br />
und wollte sich die „alten Hüte“ ihrer<br />
Väter nicht mehr aufsetzen. Erst seit<br />
den 1980er-Jahren erlebt die Hutmode<br />
einen erneuten Aufschwung,<br />
nicht zuletzt durch schrille Vorbilder<br />
wie die Popikonen Boy George oder,<br />
aktueller, Lady Gaga.<br />
Heutige Hut-Designer orientieren<br />
sich an Comics, Romanen oder Kinofilmen.<br />
– Wobei für Hollywood der<br />
Hut schon immer zur Grundausstattung<br />
kleiner und großer Helden zu<br />
gehören schien. Denn, mal ehrlich:<br />
Was wäre Charlie Chaplin ohne seine<br />
Melone? Was John Wayne ohne seinen<br />
Stetson, Humphrey Bogart ohne<br />
Trenchcoat und Schlapphut und was<br />
Indiana Jones ohne seinen wüstenstaubbraunen<br />
Fedora, der ihm<br />
selbst in den abenteuerlichsten Situationen<br />
auf dem Schädel sitzt wie<br />
festgewachsen?<br />
Maxeiner/DEIKE<br />
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