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Die Weinstraße - November 2022

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FORUM<br />

FLURNAMEN<br />

Einmal umzäunt bitte!<br />

Cäcilia Wegscheider<br />

BILDSTÖCKLN<br />

& KAPELLEN<br />

Gotthard Andergassen<br />

Vor Jahren gab es ein Traminer Weinetikett,<br />

das den Namen Glassien trug.<br />

Der Name des Weißweins ging auf eine<br />

Flurbezeichnung zurück, die in der Neumarkter<br />

Vill gelegen und der wunderbaren<br />

Landvermessung von 1858, der<br />

Vorgängerin unseres heutigen Katasters,<br />

entnommen worden war. Im Normalfall<br />

sind aber Techniker doch keine Sprachwissenschaftler<br />

und wenn die k.u.k-Vermesser<br />

des 19. Jahrhunderts mancherorts<br />

Gutes getan haben, indem sie durch die<br />

Wiedergabe eines dialektalen Flurnamens<br />

denselben der Nachwelt erhalten haben,<br />

haben sie hier wahrscheinlich entweder<br />

nicht genau hingehört oder nicht richtig<br />

gelesen.<br />

Richtigerweise hätte es nämlich Glassier<br />

heißen müssen und der Weinbauer,<br />

der sich mittlerweile selbstständig einen<br />

Namen gemacht hat – und mich übrigens<br />

schon vor zwanzig Jahren auf den kleinen<br />

Buchstabentausch aufmerksam gemacht<br />

hat – vermarktet seinen Wein auch unter<br />

diesem Namen.<br />

VON TERLAN BIS MARGREID<br />

Glassier – oder seinem Ursprung schon<br />

näher Glasir – wird von Kollmann aus dem<br />

Alpenromanischen *clausüra ‘Einschließung,<br />

Umzäunung’ zu lateinisch clausūra<br />

gedeutet. Ortner unterstreicht zudem, dass<br />

es ein „gesondert genutztes Grundstück“<br />

sei. Kleiner Tipp aus dem Ratgeber für<br />

Do-it-Yourself-Bauern: Grundstücke, die<br />

nicht umzäunt sind, bleiben in Zeiten der<br />

gemeinschaftlichen Viehhaltung eben nicht<br />

lange gesondert genutzt.<br />

<strong>Die</strong> Bezeichnung kommt nur vereinzelt<br />

in unserem Bezirk vor, in Terlan die Flur<br />

Lasir (sic!), dort auch Wohnzonenname,<br />

in Auer, Neumarkt und Laag überall in der<br />

Form Glasir. Auch in Margreid trifft man<br />

den Flurnamen an, dort lässt sich dazu<br />

ein wunderbarer Beleg in einem Urbar<br />

von 1317 finden, der die Etymologie klar<br />

heraustreten lässt, nämlich „in claussuris“.<br />

Quelle: IDM/Südtirol Wein/Benjamin Pfitscher<br />

PEINT UND PUITEN<br />

Und weil wir schon in Margreid sind,<br />

hier findet sich auch die „deutsche“ Entsprechung<br />

zu Glasir, ein vermutlich bekannterer<br />

Name, nämlich die Puit. Sie ist<br />

eine jener Riglbezeichnungen, die in der<br />

Gemeindeflur einen besonderen Platz einnahmen.<br />

Für die Puit war geschichtlich<br />

gesehen sicherlich eine später verlorengegangene<br />

Sondernutzung vorgesehen. <strong>Die</strong><br />

Bezeichnung leitet sich von germanisch<br />

*bi-wentia „das ringsum Umwundene“ ab,<br />

althochdeutsch lautet es piunt. In Margreid<br />

lautet der heutige Name zwar Puit, interessanterweise<br />

findet sich in den geschichtlichen<br />

Quellen aber auch Peint. Genauso<br />

– hier von alters her getrennt in heute kaum<br />

mehr geläufige Oubera und Untera Peint<br />

– kennt man die Flur in Montan. Sie wird<br />

ursprünglich wohl gürtelähnlich um den<br />

Ortskern gelegen sein, heute ist sie großteils<br />

verbaut. In Salurn hingegen gleich<br />

wie in Margreid Puiten, hier aber in der<br />

Mehrzahl üblich, das italienische Pendant<br />

dazu sind le Poit. Früher landwirtschaftlicher<br />

Grund, heute ein Dorfviertel mit<br />

eigenem Puitenfest.<br />

Damit wir das Überetsch nicht zu kurz<br />

kommen lassen, die Flur Puiten findet sich<br />

auch in Eppan. Der schönste Flurname aus<br />

dieser Rubrik bleibt dieses Mal aber Truden<br />

vorbehalten. Pragglasir – umzäunte Wiese<br />

– das ist fast schon Poesie.<br />

<strong>Die</strong> Johannes-Nepomuk-Kapelle<br />

in Kaltern<br />

Am Tag von Autos verparkt, des<br />

Abends ohne jeglichen Kerzenschein,<br />

fristet die Johannes-Nepomuk-Kapelle<br />

südwestlich der Katharinenkirche<br />

zu Mitterdorf ihr Dasein. Unmittelbar<br />

an die Nordflanke der Kapelle grenzte,<br />

hinter Holzbrettern verborgen,<br />

der Wasserschacht mit dem großen<br />

Mühlrad. <strong>Die</strong> Kapelle war 1680 direkt<br />

an den Mühlbach gebaut worden.<br />

Damals war der Kult um den Wasserheiligen<br />

und Hüter des Beichtgeheimnisses<br />

Johannes Nepomuk in<br />

neuem Aufschwung begriffen. Erst<br />

1729 folgte die Heiligsprechung. Leo<br />

Andergassen beobachtete während<br />

der Auswertungen der pfarreilichen<br />

Kirchenpropstraitungen eine hohe<br />

Popularität dieses Heiligen auf Kalterer<br />

Pfarrgebiet im 18. Jahrhundert.<br />

Man denke nur an die Lahnen und<br />

noch unverbauten Wildgewässer!<br />

Johannes Nepomuk war böhmischer<br />

Generalvikar des Spätmittelalters,<br />

der selbst auf Bitten des Königs das<br />

Beichtgeheimnis nicht brechen wollte.<br />

Zur Strafe warf man ihn von der<br />

Prager Karlsbrücke in die Moldau.<br />

Quelle: Gotthard Andergassen<br />

41 // DIEWEINSTRASSE.BZ

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