EWKD 22-46
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Interview 19. November 20<strong>22</strong><br />
Rückkauf von bereits privatisierten Wohnungen durch öffentliche Hand<br />
Wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Caren Lay im Interview: „Die Mieten müssen runter“<br />
Die wohnungspolitische<br />
Sprecherin der Linksfraktion<br />
im Bundestag, Caren<br />
Lay, spricht sich neben der<br />
Wohngeldreform für eine<br />
stärkere Mietpreisregulierung<br />
und den Rückkauf von<br />
bereits privatisierten Wohnungen<br />
durch die öffentliche<br />
Hand aus. Das Wohngeld<br />
sei teuer und werde<br />
am Ende an die Aktionäre<br />
von Großkonzernen wie<br />
Vonovia weitergereicht, betonte<br />
Lay im Interview mit<br />
der aktuellen Ausgabe der<br />
Wochenzeitung „Das Parlament“.<br />
Es stehe in einem<br />
völligen Missverhältnis<br />
und es sei haushaltspolitisch<br />
nicht nachhaltig, dass<br />
der Bund zwei Milliarden<br />
Euro im Jahr für den sozialen<br />
Wohnungsbau ausgebe,<br />
aber 16 Milliarden für<br />
Wohngeld und Kosten der<br />
Unterkunft bei Hartz IV.<br />
Statt dauerhaft Millionen<br />
für Transferleistungen auszugeben,<br />
müssten die Mieten<br />
gedämpft werden. „Die<br />
gesamte Welt ist gerade<br />
auf Shoppingtour auf dem<br />
deutschen Mietwohnungsmarkt,<br />
warum machen<br />
da nicht auch die eigenen<br />
Kommunen mit?“, fragte<br />
Lay. Jeder Immobilienkauf<br />
sei eine langfristige Investition<br />
und könne Mieter<br />
vor Verdrängung schützen.<br />
Das Interview im Wortlaut:<br />
Frau Lay, ab dem 1. Januar<br />
2023 haben mehr Men-<br />
?<br />
schen Anspruch auf ein viel<br />
höheres Wohngeld. Vermieter<br />
müssen sich außerdem<br />
am Kohlendioxidpreis für<br />
das Heizen mit Gas und Öl<br />
beteiligen. Sind das die richtigen<br />
Maßnahmen zur richtigen<br />
Zeit?<br />
Nicht unbedingt. Eine Reform<br />
des Wohngeldes for-<br />
!<br />
dern wir als Linke seit langem<br />
und es ist gut, dass sie<br />
nun kommt. Aber im Einzelnen<br />
sehen wir noch Probleme.<br />
Dass der Kohlendioxidpreis<br />
nicht mehr allein<br />
Mietersache ist, ist auch<br />
erstmal gut, aber die Abgabe<br />
an sich ist angesichts<br />
der derzeit hohen Energiepreise<br />
völlig verfehlt, weil<br />
sie die Mieten noch weiter<br />
verteuert.<br />
Nach Ihrem Willen sollen<br />
allein die Vermieter ?<br />
die CO 2<br />
-Kosten bezahlen.<br />
Aber ein Ziel des Gesetzes<br />
ist es, auch für Mieter Anreize<br />
zum Energiesparen zu<br />
setzen.<br />
Sie haben aber keinerlei<br />
! Einfluss auf die Energiebilanz<br />
des Gebäudes. Nur<br />
die Vermieter können die<br />
Heizung sanieren oder die<br />
Wärmedämmung verbessern.<br />
Im Moment ist Energie<br />
außerdem so teuer, dass die<br />
Menschen ohnehin sparen.<br />
Die Lenkungswirkung mit<br />
Blick auf den Klimaschutz<br />
war daher vielleicht vor<br />
zwei Jahren gegeben, aber<br />
heute nicht mehr. Wir fordern<br />
daher die Abschaffung<br />
des CO 2<br />
-Preises.<br />
Beim neuen Wohngeld<br />
? gibt es jetzt Aufschläge für<br />
Heizkosten, und eine Klimakomponente<br />
soll höhere<br />
Mieten bei energetischen<br />
Sanierungen kompensieren.<br />
Was stört Sie daran?<br />
Beides ist gut, aber die<br />
Klimakomponente sollte<br />
!<br />
Caren Lay bezieht klare Positionen<br />
zielgerichtet denjenigen zugutekommen,<br />
die tatsächlich<br />
in einer energetisch<br />
sanierten Wohnung leben.<br />
Auch eine Dynamisierung<br />
der Zuschüsse wäre sinnvoll<br />
gewesen, für den Fall, dass<br />
die Kosten weiter steigen.<br />
Aber eines der größten Probleme<br />
sehe ich bei den neuen<br />
Mietstufen, mit denen die<br />
Mietzuschüsse in den Kommunen<br />
berechnet werden.<br />
Dieses System führte schon<br />
in der Vergangenheit zu vielen<br />
Ungerechtigkeiten, aber<br />
nun werden 187 Kommunen<br />
herabgestuft, was dazu führen<br />
könnte, dass die Menschen<br />
weniger statt mehr<br />
Geld bekommen.<br />
? Mietervertretungen<br />
und auch Sie meinen,<br />
dass eine Verdreifachung<br />
des Empfängerkreises<br />
beim Wohngeld nicht ausreicht.<br />
Statt zwei Millionen<br />
Haushalte sollten vier<br />
Millionen den Zuschuss<br />
bekommen. Warum sollte<br />
der Staat so viele Mieten<br />
subventionieren?<br />
!<br />
Das Wohngeld ist natürlich<br />
sehr teuer für die öffentlichen<br />
Haushalte. Und<br />
am Ende freuen sich die<br />
Aktionäre von Großkonzernen<br />
wie Vonovia, in deren<br />
Wohnungen viele Menschen<br />
Caren Lay bei einer Abstimmung im Bundestag<br />
mit kleinem Einkommen<br />
leben, die das Geld quasi<br />
weiterreichen. Deswegen<br />
kann die Reform nur ein<br />
Baustein sein. Ein anderer,<br />
ganz entscheidender ist die<br />
Mietpreisregulierung.<br />
Die Linke fordert unter<br />
anderem einen Mie-<br />
?<br />
tenstopp in angespannten<br />
Wohnmärkten. Für viele<br />
riecht das schwer nach<br />
Sozialismus.<br />
Ja, das ist interessant. Wenn<br />
! die CDU eine Deckelung<br />
bei den Strom- und Gaspreisen<br />
für alle fordert, ist das<br />
okay, aber wenn ich einen<br />
Mietpreisdeckel fordere,<br />
der einkommensschwachen<br />
Mietern hilft, ist das sozialistisches<br />
Teufelszeug. Fakt<br />
ist, der Mietenanstieg ist ein<br />
Fass ohne Boden, er muss<br />
gedämpft werden. Einige<br />
Menschen in den Großstädten<br />
geben mittlerweile die<br />
Hälfte ihres Einkommens<br />
für das Wohnen aus. Dabei<br />
galt in der Bundesrepublik<br />
lange eine Wohnkostenbelastung<br />
von 30 Prozent als<br />
absolute Obergrenze. Dass<br />
die Bundesregierung sie mit<br />
der Wohngeldreform auf 40<br />
Prozent hochgeschraubt hat<br />
und damit Zugeständnisse<br />
an diese Mietenexplosion<br />
macht, bedaure ich sehr.<br />
Was ist Ihre Lösung?<br />
? Neben Mieten stoppen<br />
große Immobilienkonzerne<br />
enteignen, wie es die Berliner<br />
in einem Volksentscheid<br />
fordern?<br />
Enteignung kann im Ex-<br />
!<br />
tremfall ein Mittel sein.<br />
Aber in erster Linie sollten<br />
die Städte bereits privatisierte<br />
Wohnungen zurückkaufen,<br />
was Berlin und andere<br />
Städte zum Glück wieder<br />
verstärkt tun. Die gesamte<br />
Welt ist gerade auf Shoppingtour<br />
auf dem deutschen<br />
Mietwohnungsmarkt, warum<br />
machen da nicht auch<br />
die eigenen Kommunen<br />
mit? Jeder Immobilienkauf<br />
ist eine langfristige Investition<br />
und kann Mieterinnen<br />
und Mieter vor Verdrängung<br />
schützen.<br />
Aber warum sollte der<br />
? Staat der bessere Vermieter<br />
sein? Die kommunalen<br />
Verwaltungen sind völlig<br />
überfordert, gerade schlagen<br />
die Wohngeldstellen<br />
Alarm, weil sie nicht wissen,<br />
wie sie die vielen Neuanträge<br />
bearbeiten sollen.<br />
Da rächt sich, dass in den<br />
!<br />
vergangenen 20 Jahren<br />
schätzungsweise 10.000<br />
Stellen in den kommunalen<br />
Wohnungsverwaltungen<br />
gestrichen wurden. Das<br />
Foto: Privat<br />
muss sich dringend ändern.<br />
Das Mietniveau bei den<br />
kommunalen Wohnungsbaugesellschaften<br />
ist deutlich<br />
niedriger als auf dem<br />
freien Markt. Und die Kommunen<br />
können politische<br />
Vorgaben machen, so wie<br />
Berlin es gerade mit dem<br />
Kündigungsmoratorium<br />
für private und gewerbliche<br />
Mieter gemacht hat.<br />
In Ihrem gerade erschienenen<br />
Buch „Wohnopo-<br />
?<br />
ly“ machen Sie Finanzinvestoren<br />
und börsennotierte<br />
Wohnungskonzerne für die<br />
Lage verantwortlich. Die<br />
meisten Wohnungen in den<br />
Großstädten gehören aber<br />
privaten Eigentümern, die<br />
damit für das Alter vorsorgen<br />
wollen. Wie sozial<br />
sind mit Blick auf sie die<br />
von Ihnen vorgeschlagenen<br />
Regulierungen?<br />
Eine gerechte Mietpreisregulierung<br />
kann so aus-<br />
!<br />
gestaltet werden, dass sie<br />
nicht zulasten von Kleinvermietern<br />
geht, zum Beispiel<br />
durch die Einführung von<br />
Frei- oder Bagatellgrenzen.<br />
Man muss auch nicht den<br />
ganzen Markt in die Hände<br />
des Staates legen, sondern<br />
nur das schützende Marktsegment<br />
ausweiten. Gerade<br />
in Stadtteilen, in denen<br />
Foto: Kosinsky<br />
Menschen mit wenig Einkommen<br />
leben, haben große<br />
Fonds und Konzerne faktisch<br />
eine Monopolstellung<br />
gewonnen und fungieren<br />
dort als Preistreiber.<br />
Diese investieren aber<br />
? auch in den Neubau. Und<br />
„Bauen, Bauen, Bauen“ gilt<br />
doch als das Rezept zur<br />
Dämpfung der Mietpreise.<br />
Ja, aber wir dürfen den<br />
! privaten Investoren den<br />
Neubau nicht überlassen.<br />
Sie neigen dazu, vor allem<br />
in den hochpreisigen Segmenten<br />
zu bauen, weil sie<br />
dort größere Gewinne machen<br />
können. Aber wir brauchen<br />
mehr Wohnungen für<br />
Durchschnittsverdienende.<br />
Und da sollten die Kommunen,<br />
Genossenschaften und<br />
Bauherrengruppen, also die<br />
lokalen Akteure, Vorrang<br />
haben.<br />
Die Bundesregierung<br />
? will jedes Jahr 100.000<br />
neue Sozialwohnungen<br />
bauen und unterstützt die<br />
Länder dabei mit zwei Milliarden<br />
Euro jährlich, doppelt<br />
so viel wie bisher. Ein<br />
Anfang?<br />
!<br />
Die Regierung müsste<br />
mindestens zehn Milliarden<br />
pro Jahr investieren, um<br />
genug Sozialwohnungen<br />
bauen zu können. Und die<br />
Regelung, wonach eine subventionierte<br />
Sozialwohnung<br />
nach 15 Jahren wieder normal<br />
vermietet werden kann,<br />
muss endlich abgeschafft<br />
werden. Mit ihr fallen jedes<br />
Jahr wieder Sozialwohnungen<br />
aus dem geschützten<br />
Wohnungsmarkt und<br />
der Staat muss wieder neu<br />
investieren. Hamburg will<br />
jetzt durchsetzen, dass diese<br />
Bindungen mindestens<br />
hundert Jahre bestehen<br />
bleiben. Das ist der Weg:<br />
eine neue Gemeinnützigkeit<br />
und das Prinzip einmal<br />
Sozialwohnung, immer<br />
Sozialwohnung.<br />
!<br />
Die Vorschläge der Linken<br />
? würden die öffentliche<br />
Hand Milliarden kosten.<br />
Dafür gibt es momentan<br />
doch kaum Spielräume.<br />
Diese Investitionen würden<br />
sich aber langfristig<br />
auszahlen. Würden mehr<br />
Wohnungen den Städten<br />
gehören, könnten sie die<br />
Mietpreise regulieren und<br />
müssten nicht dauerhaft<br />
Millionen für Transferleistungen<br />
ausgeben. Es steht<br />
doch in einem völligen<br />
Missverhältnis und ist haushaltspolitisch<br />
nicht nachhaltig,<br />
wenn der Bund zwei<br />
Milliarden Euro im Jahr für<br />
den sozialen Wohnungsbau<br />
ausgibt und 16 Milliarden<br />
für Wohngeld und Kosten<br />
der Unterkunft bei Hartz<br />
IV. Dieses Geld ist weg! Da<br />
scheint mir der Rückkauf<br />
von bereits privatisierten<br />
Wohnungen auf lange Sicht<br />
die günstigere Investition<br />
zu sein.<br />
Das Gespräch führte Johanna<br />
Metz.<br />
Caren Lay (Die Linke) sitzt<br />
seit 2009 im Bundestag und<br />
ist dort Sprecherin ihrer<br />
Fraktion für Mieten-, Bauund<br />
Wohnungspolitik sowie<br />
für Clubpolitik.