Bless Magazin 06/22
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Das Sarner Jesuskind<br />
Das Sarner Jesuskind aus dem 14. Jahrhundert.<br />
gibt Hoffnung<br />
Mit Schwester Pia Habermacher<br />
Unzählige Gläubige haben beim Sarner Jesuskind schon<br />
Hilfe erfahren. Das göttliche Kind, das um 1360 geschaffen<br />
wurde und seit dem 17. Jahrhundert einen festen Platz im<br />
Herzen der Wallfahrtskirche des Benediktinerinnenklosters<br />
St. Andreas in Sarnen OW inne hat, schenkt den Menschen,<br />
die es verehren, auch in der heutigen Zeit viel Kraft und<br />
Trost.<br />
Schwester Pia, wie ist Ihre persönliche Beziehung zum Sarner Jesuskind?<br />
Meine Familie hat das Sarner Jesuskind fest verehrt. Als kleines Kind<br />
war ich einmal an einem schweren Keuchhusten erkrankt. Es sah aus,<br />
als ob ich sterben würde. Meine Eltern liessen beim Sarner Jesuskind für<br />
mich beten und ich bekam Hilfe und wurde geheilt. Als Kind pilgerte ich<br />
mit meiner Familie jedes Jahr von meinem Heimatdorf im luzernischen<br />
Dagmersellen zum Sarner Jesuskind. So festigte sich meine persönliche<br />
Beziehung zum Sarner Jesuskind schon seit meiner frühen Kindheit. Es<br />
fällt mir auf, dass die Verehrung des Sarner Jesuskindes auch heute oft<br />
als eine Familientradition von Generation zu Generation weitergegeben<br />
wird. Das Jesuskind ist mir sehr lieb, denn es macht keine Angst, sondern<br />
gibt Hoffnung. Wir können dem Jesuskind alles sagen und das göttliche<br />
Kind begleitet uns im Alltag mit seinem Segen.<br />
Gibt es Gebetserhörungen?<br />
Wir Schwestern tragen täglich die Anliegen, Sorgen und Nöte der Pilgerinnen und Pilger im Gebet vor Gott. Ich bin beeindruckt<br />
von den vielen Gebetserhörungen und Wundern, die hier geschehen. Bei meinen vielfältigen Aufgaben in der<br />
Klosterkirche oder an der Pforte komme ich immer wieder mit Leuten ins Gespräch, die bezeugen, dass sie durch das<br />
Gebet zum Sarner Jesuskind spürbare Hilfe bekommen haben. Es kommen auch junge Leute, deren Kinderwunsch unerfüllt<br />
bleibt. Ich habe schon mehrere Briefe erhalten von Frauen, die mir geschrieben haben, dass sie – nachdem sie<br />
zum Sarner Jesuskind gepilgert sind – guter Hoffnung seien. Für mich ist es jedes Mal ein tiefes Erlebnis, zu sehen, wie<br />
Gott wirkt.<br />
Was möchte das Jesuskind den Menschen von<br />
heute sagen?<br />
Das Kloster St. Andreas in Sarnen ist ein beliebter Wallfahrtsort.<br />
Das göttliche Kind lehrt uns die Demut und das<br />
Schlichte. Gott ist nicht als Herrscher in die Welt<br />
gekommen, sondern als ein Kind. Es gibt Menschen, die aufgrund eines falschen Vaterbildes Angst vor Gott haben. Vor<br />
einem kleinen, wehrlosen Kind muss sich niemand fürchten. Wir haben einen Gott, der uns schwachen Menschenkindern<br />
zur Seite steht und uns von innen her Kraft gibt. Jeder Mensch kommt einmal an eine Grenze, wo er merkt, dass er<br />
auf Gott angewiesen ist. Aus dem Schweren heraus können wir wachsen, gerade auch durch das Jesuskind. Zum göttlichen<br />
Kind dürfen und sollen wir eine persönliche Beziehung aufbauen im Wissen darum, dass es immer für uns da ist<br />
und sich um uns sorgt.<br />
Was können wir dem Jesuskind schenken?<br />
Das Schönste, das wir dem göttlichen Kind schenken können, ist unser Lob, das<br />
wir ihm in unserem täglichen Gebet darbringen. Das Jesuskind freut sich auch,<br />
wenn wir ihm unsere Liebe und unser Vertrauen schenken. Das geschieht im<br />
Glauben, denn Glauben heisst, an dem festzuhalten, was wir nicht sehen können.<br />
Können Sie uns etwas über die aussergewöhnliche Stellung des Sarner Jesuskindes<br />
sagen?<br />
Wenn man das Sarner Jesuskind von der Nähe betrachtet, sieht man, dass es eine<br />
aussergewöhnliche Stellung einnimmt: Ein Beinchen ist angezogen, die rechte<br />
Hand umfasst die Weltkugel und die linke Hand hält es aufs Herz. In einer Heiligen<br />
Nacht im 14. Jahrhundert war eine Schwester des Klosters Engelberg so<br />
krank, dass sie nicht an der Weihnachtsmesse teilnehmen konnte. Sie bat darum,<br />
ihr das Jesuskind in die Zelle zu bringen, um in einer Andacht die grosse Liebe<br />
Gottes betrachten zu können. Die Ordensfrau machte sich bewusst, wie das göttliche<br />
Kind wegen unseren Sünden geweint und vor Kälte gezittert haben musste.<br />
Auf einmal bewegte sich das Jesuskind und zog das rechte Beinchen an sich. Die<br />
kranke Ordensschwester erschrak und bat, man möge das Jesuskind in die Kirche<br />
bringen. Dieses wunderbare visionäre Erlebnis wurde nach einer jahrelangen<br />
mündlichen Überlieferung im 17. Jahrhundert von einer Schwester des Frauenklosters<br />
in Sarnen schriftlich festgehalten.<br />
Wie können wir unsere Beziehung zum Jesuskind<br />
stärken?<br />
Indem wir uns bewusstwerden lassen, dass Jesus<br />
– der Sohn Gottes – so geworden ist, wie wir. Er<br />
kam als ein kleines, armseliges Kind in die Welt, das<br />
auf Hilfe angewiesen war. Auch wir sind auf Hilfe<br />
angewiesen, vor allem dann, wenn wir in Not sind<br />
und leiden. Manchen Leuten fällt es leichter, eine<br />
Beziehung zum Jesuskind aufzubauen als zum erwachsenen<br />
oder leidenden Jesus.<br />
Die Hl. Drei Könige, die dem Sarner Jesuskind<br />
huldigen, symbolisieren unser Lob und unsere<br />
Bitten, die wir ihm darbringen.<br />
Über<br />
Schwester Pia Habermacher ist am<br />
<strong>22</strong>. April 1963 mit 18 Jahren ins Benediktinerinnen-Kloster<br />
St. Andreas in Sarnen<br />
eingetreten. Von 2001-2019 stand sie der<br />
Klostergemeinschaft als Äbtissin vor. Bis<br />
zur Äbtissinnenweihe war ihre Haupt-<br />
tätigkeit das Weben in der klostereigenen<br />
Weberei. Für ein paar Jahre übte sie auch<br />
das Amt der Novizenmeisterin aus. Heute<br />
verrichtet sie mehrere kleinere Arbeiten<br />
im Kloster und ist auch oft im Garten und<br />
an der Klosterpforte anzutreffen.<br />
- 6 -<br />
Wird das Kleidchen des Jesuskindes gewechselt?<br />
Das Jesuskind hat verschiedene Kleidchen, die mit den liturgischen Farben des Kirchenjahres übereinstimmen. In der<br />
Adventszeit ist das Kleidchen des Jesuskindes violett. An Weihnachten trägt das Jesuskind sein kostbarstes Kleidchen,<br />
das auch «Agneskleid» genannt wird. Der rote Samt mit Gold- und Silberapplikationen stammt aus dem 14. Jahrhundert<br />
und war ein Geschenk der Königin Agnes aus Ungarn ans Kloster Engelberg. Im 18. Jahrhundert wurde der edle Stoff von<br />
den Klosterschwestern zu einem Kleid für das Sarner Jesuskind umgearbeitet. In der Weihnachtszeit wird dem Jesuskind<br />
ein weisses oder goldfarbenes Kleidchen angezogen.<br />
- 7 -<br />
Das Interview hat Isabelle Bürgler geführt.