2023-1-Reisemagazin-Karawane
Karawane Reisemagazin 2023-1- Erlebnisse vom Spezialisten
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Namibische Piste<br />
Allrad-Campertour<br />
ab/bis Winhoek<br />
webcode 255<br />
Namibias Vielfalt<br />
Kleingruppenreise<br />
ab/bis Winhoek<br />
webcode 159888<br />
01<br />
Namibia<br />
LOST PLACES<br />
IM WÜSTENSAND<br />
Mittags kommt der Wind. Keine kühlende Brise, die sanft übers Gesicht<br />
streicht. Kein laues Lüftchen, das hin und wieder etwas Staub aufwirbelt.<br />
Der Wind in Kolmanskuppe ist ein stetiger Quälgeist: Er pfeift durch<br />
die glaslosen Fensterrahmen, er summt in den Ecken der leerstehenden<br />
Häuser. Und er bringt neuen Wüstensand mit. Über die Jahrzehnte hat er<br />
jeden Quadratzentimeter im Ort besetzt: Er bildet einen Teppich in den<br />
weiten Hallen und Gängen und verstopft die Zimmer im Erdgeschoss.<br />
Manche Räume sind bis zur Decke gefüllt, in anderen<br />
haben sich kleine Dünen gebildet, deren jungfräuliche<br />
Oberfläche jeden Morgen aufs Neue von den Füßen der<br />
Besucher zerwühlt wird.<br />
Die Geisterstadt Kolmanskuppe im Südwesten Namibias<br />
gehört zu den beliebtesten Attraktionen im Land – und<br />
ist einer von wenigen besuchbaren Orten im streng abgeriegelten<br />
Diamantensperrgebiet, das auf die deutsche<br />
Kolonialzeit zurückgeht. Bislang durfte kaum jemand in<br />
der Gegend unterwegs sein, weil die Bergbaugesellschaft Namdeb dort<br />
schürfte – trotz Gründung des „Tsau IIKhaeb National Park“. In der Sprache<br />
der Nama bedeutet das „weicher Sand”. Doch nun rückt die Öffnung<br />
in greifbare Nähe: Die Regierung hat touristische Konzessionen ausgeschrieben,<br />
mittelfristig sollen Reiseveranstalter vielfältige Aktivitäten wie<br />
Wanderungen und Quadtouren anbieten. Erstmals wird dann auch der<br />
Rote Kamm zugänglich sein, der Einschlagskrater eines Meteoriten.<br />
„TSAU IIKHAEB“ –<br />
IN DER<br />
SPRACHE<br />
DER NAMA<br />
BEDEUTET DAS<br />
„WEICHER SAND”<br />
Wer war so verrückt, in dieser lebensfeindlichen Umgebung eine Stadt zu<br />
gründen? Im April 1908 stieß ein Bahnarbeiter auf einen ungewöhnlich<br />
aussehenden Stein: einen Diamant. Kurz darauf erklärte die Kolonialverwaltung<br />
das Gebiet zwischen dem 26. Breitengrad, nördlich von Lüderitz,<br />
und dem Orange River zum Sperrgebiet. Innerhalb weniger Monate schoss<br />
1908 Kolmanskuppe aus dem Boden: Wohnhäuser und Villen im wilhelminischen<br />
Stil, Schule, Bäckerei, Metzgerei, ein Ballsaal, ein Restaurant und<br />
die erste Bibliothek des Landes. Das Baumaterial wurde<br />
komplett aus Deutschland importiert. Auch ein Röntgengerät<br />
gab es im neu errichteten 250 Betten-Krankenhaus,<br />
damals der einzige Apparat in Afrika, wenn<br />
nicht sogar in der gesamten südlichen Hemisphäre. Man<br />
nutzte ihn vor allem, um gestohlene Diamanten aufzuspüren,<br />
die ein Arbeiter geschluckt haben mochte.<br />
Im Licht der letzten Sonnenstrahlen des Tages wirken<br />
viele Details besonders bizarr: In einigen Räumen stehen<br />
noch rostige Bettgestelle, der Boden ist übersät mit Glasscherben,<br />
Muscheln und zerbrochener Keramik. Die Blütezeit von Kolmanskuppe<br />
währte nicht lange: Im Ersten Weltkrieg kapitulierten die Deutschen 1915<br />
und Südafrika übernahm das Land als Protektorat. Ab 1920 verlagerte sich<br />
der Diamantabbau zunehmend auf Fundorte wie Oranjemund, Pomona<br />
und Elizabeth Bay. Auch diese Städte wurden zu Lost Places im „Wilden<br />
Westen“ Namibias, die man nur mit einer Genehmigung besuchen darf.<br />
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