bunsenmagazin - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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Ein Semester = 30 Kreditpunkte<br />
Beim Bachelor-/Masterstudiengang werden die Studienleistungen<br />
über die gesamte Studienzeit gemessen. Die Vergabe von Kreditpunkten<br />
<strong>für</strong> Vorlesungen, Übungen, Praktika nach dem European<br />
Credit Transfer System, kurz ECTS, ist nicht nur Voraussetzung <strong>für</strong><br />
die Zulassung zu Prüfungen, sondern dient zugleich der Anerkennung<br />
von Studienleistungen zwischen Universitäten, und zwar über<br />
die Grenzen Deutschlands hinaus. Am ECTS nehmen zurzeit etwa<br />
145 Hochschulen in Europa teil. Es trägt zur Transparenz der Lehrpläne<br />
und Studienleistungen bei.<br />
Die Gesamtnote <strong>für</strong> den Bachelor- und Masterabschluss ergibt<br />
sich aus dem Mittelwert der nach Modulen gewichteten Prüfungsleistungen.<br />
Dies soll die Studierenden dazu motivieren, kontinuierlich<br />
gute Leistungen anzustreben. „Es setzt jedoch auch eine stetige<br />
Anwesenheit in den Vorlesungen voraus. Wer nicht im Hörsaal sitzt,<br />
fällt durch“, sagt Prof. Temps.<br />
Internationalisierung des Chemie-Studiums:<br />
Prof. Hans-Heinrich Limbach, Mitglied der Unterrichtskommission:<br />
„Im Gegensatz zu den Diplomstudiengängen gestatten<br />
Bachelor-/Masterstudiengänge eine Internationalisierung des<br />
Studiums, die seit 1997 vom DAAD und der Politik intensiv<br />
gefördert wird um den Anteil an internationalen Studierenden<br />
und deren Mobilität zu erhöhen. Wesentliche Komponente eines<br />
internationalen Masterstudiengangs sind: (1) die Möglichkeit,<br />
das Studium in englischer Sprache durchzuführen, (2) eine<br />
große Freiheit bei der Auswahl der nach ECTS bewerteten<br />
Lehrveranstaltungen und eine persönliche Schwerpunktbildung,<br />
(3) ein hoher Anteil an Forschungspraktika und (4) eine Studienorganisation<br />
mit studienbegleitenden Prüfungen. Dadurch wird<br />
die Verantwortung <strong>für</strong> die eigene berufliche Zukunft gestärkt<br />
und die Vorbereitungszeit <strong>für</strong> eine Promotion verkürzt. Seit dem<br />
Wintersemester 1997/1998 ist an der Freien Universität Berlin<br />
ein Doppelsprachiger Master-Studiengang Chemie erfolgreich<br />
installiert, der seitdem um einen Bachelorstudiengang und ein<br />
DAAD-gefördertes Promotionsprogramm erweitert wurde. Das<br />
Notenspektrum ist bei den Bachelor-/Masterstudiengängen viel<br />
breiter als bei den mündlichen Diplomprüfungen. Daher wird es<br />
unserer Erfahrung nach eine Zeitlang brauchen, bis deutsche<br />
Studierende bei einem parallelen Angebot von Bachelor-/Master<br />
und Diplomstudiengängen die ersteren annehmen. Die besten<br />
Studierenden schließen jedoch mit einem Bachelor ab und beginnen<br />
sofort die Promotion, z. B. in England. Auf Dauer muss<br />
sich eine Institution daher entweder <strong>für</strong> die eine oder die andere<br />
Studienorganisation entscheiden. Der Erfolg eines internationalen<br />
Studiengangs setzt eine sorgfältige Auswahl der ausländischen<br />
Kandidaten voraus. Denn unsere Erfahrungen haben gezeigt,<br />
dass viele von ihnen – auch wenn sie einen Bachelor vorweisen<br />
– nicht immer genügend praktische und theoretische Kenntnisse<br />
aufweisen, um am Masterprogramm erfolgreich teilzunehmen.<br />
In diesem Fall müssen sie diese Kenntnisse nachträglich erwerben,<br />
da die Qualität der Ausbildung Vorrang gegenüber der<br />
Quantität hat.“<br />
Das System der Kreditpunkte führt zu einer breiteren, homogenen<br />
Verteilung im Notenspektrum als die konventionelle Diplomprüfungsordnung,<br />
bei der sich die Prüfungen auf einen kurzen Zeitraum<br />
zum Abschluss des Studiums konzentrieren. Die Notenspektren<br />
sind nicht vergleichbar. Dies kann zu Problemen führen, insbesondere<br />
an Universitäten, welche die Studiengänge parallel anbieten und an<br />
denen die Studierenden zu einem großen Teil die gleichen Vorlesungen<br />
besuchen. Unklar ist auch, wie die späteren Arbeitgeber auf die<br />
unterschiedliche Notengebung der Studiengänge reagieren. Sicher ein<br />
Aspekt, der noch viele Jugendliche vor dem neuen, gestuften Studiengang<br />
abschreckt. In Bochum wurde der Bachelor-/Masterstudiengang<br />
parallel zum Diplomstudiengang angeboten: Zuletzt schrieben sich 60<br />
Studenten <strong>für</strong> das Diplom- und 15 <strong>für</strong> das Bachelorstudium ein.<br />
Wer gibt die Noten?<br />
Unterricht<br />
Das Konzept steht. Doch bezüglich der konkreten Abwicklung<br />
des Bachelor-/Masterstudiengangs müssen noch viele Details geklärt<br />
werden, zum Beispiel die Notengebung.<br />
Im konventionellen Chemiestudium werden viele Leistungsnachweise<br />
wie zum Beispiel praktikumsbegleitende Kolloquien von<br />
Doktoranden oder Akademischen Räten abgenommen. Die Prüfungsergebnisse<br />
gehen nicht oder nur zu geringem Anteil in die spätere<br />
Diplomnote ein.<br />
Anders beim Bachelor-/Masterstudiengang: Hier ist jede Einzelleistung<br />
eine Prüfung, die zur Gesamtnote beiträgt. Laut Prüfungsordnung<br />
müsste daher jede dieser Leistungen vom Hochschullehrer<br />
selbst abgenommen werden. Dies wird sich jedoch aufgrund der<br />
zahlreichen Tests nicht realisieren lassen. Rechtsstreitigkeiten mit<br />
unzufriedenen Studenten sind vorprogrammiert. Dem muss durch<br />
eine Reform der Prüfungsordnung vorgebeugt werden.<br />
Bachelor-/Masterstudiengang –<br />
das Chemiestudium der Zukunft?<br />
Prof. Friedrich Temps von der Universität Kiel, Vorsitzender<br />
Unterrichtskommission der Bunsen-Gesellschaft, sieht dies nicht<br />
ohne Gefahr: „Wir stehen unter dem Druck etwas Bewährtes<br />
aufzugeben, ohne dass wir das Neue ausprobiert haben. In der<br />
Tat gibt es bislang – mit Ausnahmen der ausländischen Studenten<br />
des Masterstudiengangs an der Freien Universität Berlin – noch<br />
keine Absolventen des gestuften Studiengangs. Die Frage nach<br />
der Akzeptanz am Arbeitsmarkt bleibt, nicht nur bezüglich des<br />
Masterabschluss. De Jure ist auch der Bachelor ein berufsbefähigender<br />
Abschluss. Ob er es aber in der Praxis auch sein kann,<br />
daran habe ich große Zweifel. Wenn die Universität in Zukunft<br />
Chemotechniker mit Bachelor-Abschluss ausbilden soll, dann<br />
wird sie das ohne Zweifel tun. Aber dies wird nicht ohne fundamentale<br />
Abstriche an Studieninhalten und an Methodik gehen.<br />
Die Vermittlung grundlagenorientierten Wissens an Studierende,<br />
die eine Promotion anstreben, und die viel stärker praktische<br />
Ausbildung von Chemotechnikern in einem Bachelor-Studiengang<br />
zu kombinieren, käme einer Quadratur des Kreises gleich.<br />
Die Studierenden würden zu unterschiedliche Voraussetzungen<br />
mitbringen.“<br />
Bunsen-Magazin · 4. Jahrgang · 2/2002 31