MÄA-05-23 online
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Münchner Ärztliche Anzeigen TITELTHEMA 5<br />
Frau Dr. Grujic, Herr Dr. Prückner,<br />
um was genau geht es beim Projekt<br />
„München rettet Leben“, und wie<br />
ist es entstanden?<br />
Grujic: Die App „Mobile Retter“ informiert<br />
bei einem Notfall mit Herz-<br />
Kreislaufstillstand mögliche Ersthelfer*innen,<br />
die sich in der Nähe des<br />
Einsatzorts befinden, damit diese<br />
Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen<br />
können. Ziel ist, das therapiefreie<br />
Intervall bis zum Eintreffen des<br />
Rettungsdiensts zu verkürzen. Das<br />
Projekt wurde vom Münchner Stadtrat<br />
ins Leben gerufen. Es basiert auf<br />
einer Kooperation der Landeshauptstadt,<br />
des Rettungszweckverbands,<br />
der integrierten Leitstelle, des Landkreises<br />
München und des Arbeitskreises<br />
Notfallmedizin und Rettungswesen<br />
(ANR) e.V.. Auch der ÄKBV ist<br />
Projektpartner.<br />
Prückner: In der ersten Projektphase<br />
haben wir ausschließlich mit aktiv<br />
im Notarzt- und Rettungsdienst tätigen<br />
Kolleg*innen gearbeitet – also<br />
mit Profis. In der derzeitigen zweiten<br />
Phase beziehen wir andere Menschen<br />
mit medizinischem Vorwissen<br />
ein, etwa medizinisches und zahnmedizinisches<br />
Fachpersonal. Dazu<br />
zählen z.B. nicht notfallmedizinisch<br />
tätige Ärzt*innen, ehrenamtliche<br />
Helfer*innen oder Sanitäter*innen<br />
aus Hilfsorganisationen, privaten<br />
Rettungsdiensten, Feuerwehren,<br />
Bundeswehr, Bergwacht oder Wasserwacht<br />
mit entsprechender<br />
Grundausbildung. Für uns ein ganz<br />
wichtiger Pool sind die Studierenden<br />
der beiden medizinischen Fakultäten.<br />
In der dritten Phase schließlich<br />
wollen wir Laien ohne spezifisches<br />
Vorwissen rekrutieren, sie entsprechend<br />
schulen und dadurch für das<br />
Projekt qualifizieren.<br />
Im Jahr 2021 hatten wir bereits ein<br />
erstes Interview. Damals stand die<br />
erste Projektphase unmittelbar<br />
bevor. Wie ist es seither gelaufen?<br />
Prückner: Die Technik hat gut funktioniert,<br />
und wir konnten mit den<br />
damals erstmals rekrutierten Ersthelfer*innen<br />
bereits einige lebensrettende<br />
Reanimationen durchführen. Insgesamt<br />
hatten wir rund 30 Reanimationen<br />
und um einiges mehr Alarmierungen,<br />
weil sich die gemeldeten<br />
Notfälle nicht immer als Reanimationssituationen<br />
erwiesen haben.<br />
Grujic: In der zweiten Phase haben<br />
wir sehr viel Zeit investiert, die bisherigen<br />
Einsätze zu analysieren. Wir<br />
wollten herausfinden, wo sich die<br />
Einsatzorte befanden und was sehr<br />
häufige Meldebilder sind. Wir möchten<br />
genügend Vorarbeit leisten, um<br />
später gut in die dritte Phase der<br />
Laienreanimation zu starten und die<br />
Laien bestmöglich auf ihren potentiellen<br />
Einsatz vorzubereiten. Die<br />
Stadt München ist aufgrund ihrer<br />
größeren Bevölkerungsdichte natürlich<br />
insgesamt etwas stärker vertreten<br />
als der Landkreis, aber auch im<br />
Landkreis gab es einige Einsätze.<br />
Prückner: Die Menschen bewegen<br />
sich. Daher können wir noch keine<br />
genauen Aussagen über signifikante<br />
Unterschiede zwischen einzelnen<br />
Gebieten in Stadt und Landkreis treffen.<br />
Wie ist die bisherige Resonanz in<br />
der zweiten Projektphase?<br />
Grujic: Sie ist sehr gut. Unter Studierenden<br />
der Humanmedizin konnten<br />
wir einen sehr großen, jungen Kreis an<br />
Helfer*innen aktivieren. Es ist toll zu<br />
hören, wie engagiert viele junge Menschen<br />
sind und wie die Münchner*-<br />
innen insgesamt solche Einsätze<br />
annehmen. Die Nachbarschafts- und<br />
Bürgerhilfe war an vielen Orten wirklich<br />
großartig. Unsere Retter*innen<br />
brauchten im Durchschnitt nur 1<br />
Minute und 19 Sekunden zur Patientin<br />
oder zum Patienten! Aus notärztlicher<br />
Sicht ist das ein herausragendes<br />
Ergebnis. Die für das Überleben so<br />
wichtige No-flow-Zeit wurde wesentlich<br />
verkürzt. Aktuell versuchen wir,<br />
mit allen Leuten in Kontakt zu treten,<br />
die bei den bisherigen Einsätzen<br />
dabei waren, um daraus zu lernen.<br />
Zum Beispiel erforschen wir mit einem<br />
Katalog anhand von fünf Fragen<br />
die Erfahrungen und möglichen Probleme<br />
der bisherigen Retter*innen.<br />
Prückner: Natürlich könnten sich<br />
immer noch mehr Menschen bei uns<br />
melden, aber grundsätzlich läuft es<br />
gut. Wir sind noch in der Anfangsphase,<br />
in der noch einige Anpassungen<br />
stattfinden und „Kinderkrankheiten“<br />
behoben werden. Z.B. tauschen<br />
wir uns mit der Integrierten Leitstelle<br />
darüber aus, ob die verwendeten<br />
Alarmierungsschlag- und Stichwörter<br />
geeignet sind oder ob man sie<br />
noch anpassen muss.<br />
Dr. Katarina Grujic ist Anästhesiologin<br />
und Notfallmedizinerin am<br />
Institut für Notfallmedizin und<br />
Medizinmanagement (INM) am Klinikum<br />
der LMU München.<br />
Foto: Dr. Marc Lazarovici (INM)<br />
Bieten Sie in der zweiten Phase<br />
auch Schulungen an?<br />
Grujic: Aktuell führen wir noch keine<br />
Schulungen durch, da sich derzeit<br />
nur professionelle Kolleg*innen mit<br />
entsprechender Qualifikation registrieren<br />
können. Für Beginn der Phase<br />
3 ist aber ein Schulungskonzept<br />
geplant, das hauptsächlich über die<br />
Hilfsorganisationen und Rettungsdienste<br />
angeboten werden soll.<br />
Dazu zählen z.B. das Bayerische<br />
Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe,<br />
der Malteser Rettungsdienst, der<br />
Arbeiter-Samariter-Bund, die privaten<br />
Rettungsdienste und die Freiwillige<br />
Feuerwehr. Alle Projektpartner<br />
finden Sie auf unserer Website. Über<br />
die Schulungen wollen wir den Laien<br />
nicht nur ein grundsätzliches Wissen<br />
über Wiederbelebungsmaßnahmen<br />
vermitteln, sondern sie auch psychisch<br />
und emotional auf die Einsätze<br />
vorbereiten.<br />
Prückner: Ich erhoffe mir, dass sich<br />
auch durch dieses Interview noch<br />
mehr Menschen entscheiden