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«Ich war ein Grünschnabel, auf<br />
einem Terrain, wo mir jegliche<br />
Vorbilder gefehlt haben.»<br />
Von Anläufen und Enttäuschungen,<br />
vom Finden und Wegwerfen.<br />
Und vom Glück des Gelingens.<br />
Ein Buch voller Lebens- und Strassen<br />
erfahrung, voller Menschenkenntnis,<br />
Liebe und Trauer.<br />
Das Spazieren, das Flanieren samt Beobachten, könnte die<br />
Ursuppe der Inspiration sein, aber in Ihrem Buch steht der<br />
Satz: «Ich schleppte meine Dummheit im Kreis.» Obwohl Sie<br />
nicht nur spazierten, sondern allerlei gefundenes Gedrucktes,<br />
von Tagebüchern bis klinische Protokolle, nach Hause<br />
brachten. Was prägte mehr Ihr Schreiben, das Beobachten<br />
oder der Fundus aus dem Altpapier?<br />
Die Auskunft, dass ich ganz am Anfang meine Dummheit im Kreis<br />
geschleppt habe. Na ja, man darf nicht vergessen, wie jung ich<br />
war, drei-, vierundzwanzig. Ich war ein Grünschnabel, auf einem<br />
Terrain, wo mir jegliche Vorbilder gefehlt haben. Und wie meistens,<br />
wenn ein Mensch sich eine Sache ganz allein erarbeiten muss,<br />
hat es auch bei mir ein Weilchen gedauert, bis ich für mein Metier<br />
ein Näschen entwickelt hatte.<br />
Das glückliche<br />
Geheimnis<br />
Arno Geiger,<br />
Hanser, CHF 34.90<br />
Es ist 1944, der Weltkrieg verloren,<br />
doch wie lang dauert<br />
er noch? Ein herausragender<br />
Roman über den einzelnen<br />
Menschen und die Macht der<br />
Geschichte, über das Persönlichste<br />
und den Krieg, über die<br />
Toten und die Überlebenden.<br />
Unter der<br />
Drachenwand<br />
Arno Geiger,<br />
Hanser, CHF 19.90<br />
Und auf die Dauer wird dann jede Tätigkeit wesentlich für die<br />
Identität und in Ihrem Fall auch für das Schreiben?<br />
Das Leben prägt das Schreiben und umgekehrt, man kann das<br />
tatsächlich schwer «auseinanderheuen». Aber ich bringe natürlich<br />
zunächst die Person mit, die überhaupt in der Lage ist, zu beobachten,<br />
wahrzunehmen, Schlüsse zu ziehen. Das bleibt nicht auf<br />
einen einzelnen Lebensbereich beschränkt. Alles ist Aufgeschnapptes.<br />
Ich bin auf der Strasse oder zu Hause oder im Beruf,<br />
ich bewege mich, ich lebe, ich bin Teil der Welt.<br />
Ein berührendes Buch über die<br />
Beziehung zwischen Arno Geiger<br />
und seinem Vater, der an Alzheimer<br />
erkrankt. Wie das Alter und<br />
die Krankheit trotz allem auch<br />
mit Charme, Witz, Würde und<br />
Selbstbewusstsein einhergehen,<br />
bringt Geiger einem mit wunderbar<br />
poetischen Sätzen näher.<br />
«Lebenskunst ist die Kunst,<br />
sich zu verändern.»<br />
Der alte König in seinem Exil<br />
Arno Geiger,<br />
Hanser, CHF 18.90<br />
© Heribert Corn<br />
Weit hinten im Buch lesen wir, dass es nun ein Geheimnis<br />
weniger in der Welt gibt und ein «dunkler Deckmantel»<br />
Ihres Doppellebens am Boden liege, weil Sie es so wollen.<br />
Warum eigentlich?<br />
Lebenskunst ist die Kunst, sich zu verändern. Indem ich aufhöre,<br />
schaffe ich Freiräume. Ausserdem: Von dem, was im Zusammenhang<br />
mit meinen Streifzügen in die Person übergegangen<br />
ist, zehre ich ein Leben lang als Mensch, davon bin ich überzeugt.<br />
Das geht nicht verloren, nur weil ich aufhöre.<br />
Das Aufhören als Resettaste?<br />
Die Alternative, einfach immer weiterzumachen in der Angst, dass<br />
nichts Besseres nachkommt, hat auch etwas Einengendes. Das<br />
rechtzeitige Aufhören schafft die Möglichkeit, sich neu zu orientie-<br />
ren, die Rahmenbedingungen zu verändern,<br />
neue Perspektiven zu schaffen. Lass<br />
die Hand offen, lass den Vogel fliegen.<br />
Das Buch ist auch eine Liebeserklärung<br />
an Bücher. Sie schreiben, dass das<br />
<strong>Lesen</strong> die Lebenszeit verlängert und<br />
nicht verkürzt.<br />
Weil wir in kurzer Zeit die Erfahrungen<br />
nachvollziehen können, die ein anderer<br />
Mensch in Jahren oder Jahrzehnten<br />
gemacht hat. Wir gewinnen Erfahrung<br />
im Zeitraffer.<br />
Und als Leser stellt man fest, dass es<br />
ein Gewinn sein kann, wenn ein anderer<br />
Mensch sich zu öffnen wagt.<br />
Ich war immer ganz begeistert von<br />
Offenheit, wenn sie mir in Gefundenem<br />
begegnet ist. Und daraus habe ich<br />
meine Schlüsse gezogen. Deshalb auch<br />
meine Offenheit in diesem Buch. Ein<br />
freimütiges Erzählen, das neben allem<br />
Schönen die Härten und Kompliziertheiten<br />
nicht ausklammert, läuft am Ende<br />
doch immer auf das eine hinaus, auf<br />
eine Liebeserklärung an das Leben.<br />
@RAFINIERT<br />
EMPFIEHLT:<br />
«Der alte König in seinem Exil»<br />
von Arno Geiger<br />
Wie ist es, wenn dein Vater sich<br />
nicht mehr an dich erinnert?<br />
Arno Geiger erzählt vom Leben<br />
seines demenzerkrankten<br />
Vaters. Trotz der herzzerreissenden<br />
Thematik werden die<br />
Leser*innen mit einfühlenden<br />
Worten durch das Thema<br />
Alzheimer und dessen soziale<br />
Auswirkungen geführt.<br />
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