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Lesen 01/2023

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«Ich war ein Grünschnabel, auf<br />

einem Terrain, wo mir jegliche<br />

Vorbilder gefehlt haben.»<br />

Von Anläufen und Enttäuschungen,<br />

vom Finden und Wegwerfen.<br />

Und vom Glück des Gelingens.<br />

Ein Buch voller Lebens- und Strassen<br />

erfahrung, voller Menschenkenntnis,<br />

Liebe und Trauer.<br />

Das Spazieren, das Flanieren samt Beobachten, könnte die<br />

Ursuppe der Inspiration sein, aber in Ihrem Buch steht der<br />

Satz: «Ich schleppte meine Dummheit im Kreis.» Obwohl Sie<br />

nicht nur spazierten, sondern allerlei gefundenes Gedrucktes,<br />

von Tagebüchern bis klinische Protokolle, nach Hause<br />

brachten. Was prägte mehr Ihr Schreiben, das Beobachten<br />

oder der Fundus aus dem Altpapier?<br />

Die Auskunft, dass ich ganz am Anfang meine Dummheit im Kreis<br />

geschleppt habe. Na ja, man darf nicht vergessen, wie jung ich<br />

war, drei-, vierundzwanzig. Ich war ein Grünschnabel, auf einem<br />

Terrain, wo mir jegliche Vorbilder gefehlt haben. Und wie meistens,<br />

wenn ein Mensch sich eine Sache ganz allein erarbeiten muss,<br />

hat es auch bei mir ein Weilchen gedauert, bis ich für mein Metier<br />

ein Näschen entwickelt hatte.<br />

Das glückliche<br />

Geheimnis<br />

Arno Geiger,<br />

Hanser, CHF 34.90<br />

Es ist 1944, der Weltkrieg verloren,<br />

doch wie lang dauert<br />

er noch? Ein herausragender<br />

Roman über den einzelnen<br />

Menschen und die Macht der<br />

Geschichte, über das Persönlichste<br />

und den Krieg, über die<br />

Toten und die Überlebenden.<br />

Unter der<br />

Drachenwand<br />

Arno Geiger,<br />

Hanser, CHF 19.90<br />

Und auf die Dauer wird dann jede Tätigkeit wesentlich für die<br />

Identität und in Ihrem Fall auch für das Schreiben?<br />

Das Leben prägt das Schreiben und umgekehrt, man kann das<br />

tatsächlich schwer «auseinanderheuen». Aber ich bringe natürlich<br />

zunächst die Person mit, die überhaupt in der Lage ist, zu beobachten,<br />

wahrzunehmen, Schlüsse zu ziehen. Das bleibt nicht auf<br />

einen einzelnen Lebensbereich beschränkt. Alles ist Aufgeschnapptes.<br />

Ich bin auf der Strasse oder zu Hause oder im Beruf,<br />

ich bewege mich, ich lebe, ich bin Teil der Welt.<br />

Ein berührendes Buch über die<br />

Beziehung zwischen Arno Geiger<br />

und seinem Vater, der an Alzheimer<br />

erkrankt. Wie das Alter und<br />

die Krankheit trotz allem auch<br />

mit Charme, Witz, Würde und<br />

Selbstbewusstsein einhergehen,<br />

bringt Geiger einem mit wunderbar<br />

poetischen Sätzen näher.<br />

«Lebenskunst ist die Kunst,<br />

sich zu verändern.»<br />

Der alte König in seinem Exil<br />

Arno Geiger,<br />

Hanser, CHF 18.90<br />

© Heribert Corn<br />

Weit hinten im Buch lesen wir, dass es nun ein Geheimnis<br />

weniger in der Welt gibt und ein «dunkler Deckmantel»<br />

Ihres Doppellebens am Boden liege, weil Sie es so wollen.<br />

Warum eigentlich?<br />

Lebenskunst ist die Kunst, sich zu verändern. Indem ich aufhöre,<br />

schaffe ich Freiräume. Ausserdem: Von dem, was im Zusammenhang<br />

mit meinen Streifzügen in die Person übergegangen<br />

ist, zehre ich ein Leben lang als Mensch, davon bin ich überzeugt.<br />

Das geht nicht verloren, nur weil ich aufhöre.<br />

Das Aufhören als Resettaste?<br />

Die Alternative, einfach immer weiterzumachen in der Angst, dass<br />

nichts Besseres nachkommt, hat auch etwas Einengendes. Das<br />

rechtzeitige Aufhören schafft die Möglichkeit, sich neu zu orientie-<br />

ren, die Rahmenbedingungen zu verändern,<br />

neue Perspektiven zu schaffen. Lass<br />

die Hand offen, lass den Vogel fliegen.<br />

Das Buch ist auch eine Liebeserklärung<br />

an Bücher. Sie schreiben, dass das<br />

<strong>Lesen</strong> die Lebenszeit verlängert und<br />

nicht verkürzt.<br />

Weil wir in kurzer Zeit die Erfahrungen<br />

nachvollziehen können, die ein anderer<br />

Mensch in Jahren oder Jahrzehnten<br />

gemacht hat. Wir gewinnen Erfahrung<br />

im Zeitraffer.<br />

Und als Leser stellt man fest, dass es<br />

ein Gewinn sein kann, wenn ein anderer<br />

Mensch sich zu öffnen wagt.<br />

Ich war immer ganz begeistert von<br />

Offenheit, wenn sie mir in Gefundenem<br />

begegnet ist. Und daraus habe ich<br />

meine Schlüsse gezogen. Deshalb auch<br />

meine Offenheit in diesem Buch. Ein<br />

freimütiges Erzählen, das neben allem<br />

Schönen die Härten und Kompliziertheiten<br />

nicht ausklammert, läuft am Ende<br />

doch immer auf das eine hinaus, auf<br />

eine Liebeserklärung an das Leben.<br />

@RAFINIERT<br />

EMPFIEHLT:<br />

«Der alte König in seinem Exil»<br />

von Arno Geiger<br />

Wie ist es, wenn dein Vater sich<br />

nicht mehr an dich erinnert?<br />

Arno Geiger erzählt vom Leben<br />

seines demenzerkrankten<br />

Vaters. Trotz der herzzerreissenden<br />

Thematik werden die<br />

Leser*innen mit einfühlenden<br />

Worten durch das Thema<br />

Alzheimer und dessen soziale<br />

Auswirkungen geführt.<br />

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