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Lesen 01/2023

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9<br />

11<br />

Die Hoffnung<br />

lesen.<br />

Kolumne von Milena Moser<br />

10<br />

1986 im Süden Norwegens: Der junge<br />

9<br />

Syvert Løyning kehrt vom Militärdienst<br />

zu seiner Mutter und seinem Bruder<br />

ins Haus der Familie zurück. Syvert weiss<br />

nicht, wohin mit sich. Eines Nachts träumt<br />

er von seinem toten Vater: Ratlos beginnt<br />

er, sich die nachgelassenen Sachen des Vaters<br />

genauer anzuschauen. Autor des soeben<br />

ins Deutsche übersetzten Romans «Die<br />

Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit» ist der<br />

bekannte Norweger Karl Ove Knausgård.<br />

Die «Coming of age»-Geschichte des<br />

jungen Manns Syvert und dessen Selbst<br />

findung überzeugt mit typisch norwegischer<br />

Atmosphäre. Alte und neue Knausgård-Fans<br />

kommen voll auf ihre Kosten:<br />

Auf über 1000 Seiten können sie eintauchen<br />

und mitfühlen!<br />

Die Wölfe aus dem Wald<br />

der Ewigkeit<br />

Karl Ove Knausgård, Luchterhand, CHF 43.90<br />

Sam Raymond tut das, was sich viele<br />

10<br />

Frauen Mitte 50 wünschen: Sie ändert<br />

ihr Leben. Als sie sich in ein heruntegekommenes<br />

Haus in einem Problemviertel<br />

verliebt, kauft sie es kurzerhand. Doch<br />

sie bemerkt erst zwei Atemzüge später,<br />

dass sie somit wohl ihre Familie verlassen<br />

wird. Als Sam in ihrer neuen Nachbarschaft<br />

Zeugin eines Gewaltverbrechens<br />

wird, scheint ihr Traum von einem<br />

selbstbestimmten Leben jäh vorbei. Ist<br />

Sam nun Rebellin oder Egoistin? Dieser<br />

Roman zwingt uns nicht, zwischen diesen<br />

Lesarten zu wählen. Schonungslos aufrichtig<br />

erzählt Dana Spiotta vom Älterwerden,<br />

von Liebe, Zerrissenheit und dem<br />

Mut, den wir aufbringen müssen, um miteinander<br />

in echte Verbindung zu treten.<br />

Unberechenbar<br />

Dana Spiotta, Kjona (Hanser), CHF 36.90<br />

Neun Jahre musste man auf einen<br />

11<br />

neuen Roman des österreichischen<br />

Autors Daniel Glattauer warten, der<br />

mit «Gut gegen Nordwind» bekannt wurde.<br />

Jetzt ist es da – mit starken Dialogen<br />

und Sprachwitz. Glattauer zeichnet ein Bild<br />

von unserer privilegierten Gesellschaft.<br />

Was ist ein Menschenleben wert? Und ist<br />

jedes gleich viel wert? Die Binders und<br />

die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven<br />

Urlaub in der Toskana. Tochter<br />

Sophie, 14, durfte gegen die Langeweile ihre<br />

Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein<br />

Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man<br />

sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune<br />

gechillt, kommt es zur Katastrophe:<br />

Aayana ertrinkt im Pool.<br />

Die spürst du nicht<br />

Daniel Glattauer, Hanser, CHF 36.90<br />

Erscheinungsdatum: 20.3.<strong>2023</strong><br />

12<br />

Barry aus Antigua lebt beschaulich<br />

12<br />

mit seiner Frau in London – zwei<br />

erwachsene Kinder, ein heimeliges Haus,<br />

Ruhestand. Doch Barry führt ein Doppelleben:<br />

Seit Kindertagen liebt er seinen<br />

Freund Morris, der wie er als junger<br />

Mann nach England ausgewandert ist – und<br />

Morris liebt ihn. Nun, mit 74 Jahren,<br />

entscheidet Barry, dass er endlich offen mit<br />

Morris zusammenleben will. Aber wie<br />

ist das möglich nach all den Jahren? Autorin<br />

Bernardine Evaristo – hierzulande<br />

bekannt durch ihren Roman «Mädchen,<br />

Frau etc.» – gibt ihren Charakteren<br />

Raum, sich zu verändern. Wir <strong>Lesen</strong>den<br />

erfahren Barrys Welt und dessen Weltveränderung<br />

durch seine Augen – authentisch,<br />

stimmig und originell mit einer<br />

Prise Humor erzählt.<br />

Mr. Loverman<br />

Bernardine Evaristo, Tropen (Klett-Cotta), CHF 33.90<br />

Stephen Hawkings Theorien über<br />

13<br />

den Urknall, schwarze Löcher<br />

und die Quantenphysik wurden zu Bestsellern.<br />

Sein ganzes Leben lang war er<br />

auf der Suche nach der einen Theorie, die<br />

alles erklärt. «Der Ursprung der Zeit»<br />

ist genau das: eine neue faszinierende Theorie<br />

des Urknalls, der Zeit und der Entstehung<br />

unseres Universums. Die Gesetze der<br />

Physik sind nicht in Stein gemeisselt.<br />

Der Kosmologe Thomas Hertog erklärt das<br />

wissenschaftliche Vermächtnis Stephen<br />

Hawkings und erzählt von seiner Arbeit<br />

13<br />

14<br />

und Freundschaft mit dem berühmten<br />

Physiker. Gleichzeitig zeichnet das Buch ein<br />

persönliches Porträt des Ausnahmephysikers<br />

Hawkings – geschrieben aus der Perspektive<br />

eines seiner engsten Mitarbeiter.<br />

Der Ursprung der Zeit<br />

Thomas Hertog, S. Fischer, CHF 34.90<br />

In «Verlorene Welten. Eine Geschichte<br />

der Indianer Nordamerikas<br />

14<br />

1700–1910» schildert Aram Mattioli<br />

zum ersten Mal den lang anhaltenden Widerstand<br />

der First People im 20. Jahrhundert.<br />

Er ordnet die Ereignisse in einen<br />

grösseren gesellschaftlichen und historischen<br />

Kontext ein, während die gängigen<br />

Darstellungen der US-Geschichte dieses<br />

Kapitel nicht berücksichtigen. Die indigenen<br />

Gesellschaften und Persönlichkeiten<br />

waren dabei nie nur passive Opfer der<br />

amerikanischen Politik. Eindrücklich<br />

schildert Mattioli, wie sie sich dem vermeintlich<br />

übermächtigen Staat sowohl friedlich<br />

als auch militant widersetzten. Eine packend<br />

erzählte Chronik des Widerstands!<br />

Zeiten der Auflehnung<br />

Aram Mattioli, Klett-Cotta, CHF 37.90<br />

© Theresa Cross<br />

Ich bin nicht Albert Camus. Ich<br />

habe keinen unbezwingbaren Sommer<br />

in mir. In mir lebt eher ein<br />

unerschütterlicher, nicht aufzuhaltender<br />

Frühling. Selbst in der<br />

dunkelsten Jahreszeit der Seele, in<br />

den kältesten und einsamsten<br />

Nächten weiss ich, dass die Sonne<br />

wieder scheinen wird. Dass der<br />

gefrorene Boden aufbrechen, dass<br />

es wieder grün und bunt spriessen<br />

und duften und blühen wird.<br />

Die Dunkelheit akzeptiere ich<br />

nur als vorübergehende Prüfung,<br />

als notwendiges Übel, von mir<br />

aus auch als «Lernblätz». Aber nicht<br />

als Zustand.<br />

Diese manchmal fast trotzig zu nennende<br />

Hoffnung wurde mir nicht<br />

in die Wiege gelegt. Ich habe sie mir<br />

angelesen. Denn die Kindheit<br />

war definitiv nicht die einfachste<br />

Zeit meines Lebens. Ich war (wie viele angehende Schriftstellerinnen, nebenbei<br />

bemerkt) ein linkisches, verträumtes, einsames Mädchen und irgendwie immer<br />

fremd hier. Doch in Büchern fand ich mich wieder. In Romanfiguren fand ich<br />

Freunde und Verbündete. Und zwischen den Seiten blätterte ich Hoffnung auf. Aus<br />

Büchern lernte ich, dass die schlimmste Szene einer Geschichte nie ihr Ende<br />

sein kann. Auch wenn ich zitterte und manchmal sogar weinte. Wenn die jungen<br />

Detektive in einer Höhle verschüttet wurden, der Zeitreisende sich in einer<br />

anderen Welt verloren hatte, die neue Schülerin von den beliebten Mädchen im<br />

Klo eingesperrt wurde und die ganze Familie im Dunkeln sass, weil einfach<br />

kein Geld für die Stromrechnung da war. Doch so hörten Bücher nicht auf. Die<br />

Hauptfiguren würden nicht nur überleben, sie würden besser leben als zu<br />

Beginn der Geschichte. Sie würden sich retten, ihre Schwierigkeiten überwinden,<br />

ihre Einsamkeit durchbrechen, den Weg nach Hause finden und einen<br />

verborgenen Schatz dazu.<br />

Je mehr ich las, desto klarer erkannte ich die Dunkelheit als dramaturgische Notwendigkeit.<br />

Ich meine, wenn man immer genug Geld hat, um die Stromrechnung<br />

zu bezahlen, löst das Klicken des Lichtschalters keine Euphorie aus. Wer<br />

nie ausgeschlossen wurde, kennt den inneren Jubel nicht, wenn in der Schulkantine<br />

plötzlich ein Platz freigerückt wird. Und die Detektive hätten den versteckten<br />

Schatz gar nie gefunden, wenn sie nicht einen alternativen Weg aus<br />

der verschütteten Höhle hätten suchen müssen. Und so setzte sich Seite für Seite,<br />

Buch für Buch diese Gewissheit in mir fest: Die Dunkelheit ist vielleicht nötig,<br />

aber sie geht vorbei. Warte nur, gleich wird es wieder heller. Und besser. Und so<br />

war es noch jedes Mal.<br />

Es ist kein Zufall, dass mein erstes und nie veröffentlichtes Buch den Titel «Das<br />

Leben ist kein (Roman von Milena Moser)» hatte. Natürlich weiss ich, dass das Leben,<br />

mein Leben, kein Roman ist. Aber andererseits: Warum eigentlich nicht?<br />

6 <strong>Lesen</strong> Magazin Buchneuheiten<br />

<strong>Lesen</strong> Magazin Kolumne<br />

7

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