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11<br />
Die Hoffnung<br />
lesen.<br />
Kolumne von Milena Moser<br />
10<br />
1986 im Süden Norwegens: Der junge<br />
9<br />
Syvert Løyning kehrt vom Militärdienst<br />
zu seiner Mutter und seinem Bruder<br />
ins Haus der Familie zurück. Syvert weiss<br />
nicht, wohin mit sich. Eines Nachts träumt<br />
er von seinem toten Vater: Ratlos beginnt<br />
er, sich die nachgelassenen Sachen des Vaters<br />
genauer anzuschauen. Autor des soeben<br />
ins Deutsche übersetzten Romans «Die<br />
Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit» ist der<br />
bekannte Norweger Karl Ove Knausgård.<br />
Die «Coming of age»-Geschichte des<br />
jungen Manns Syvert und dessen Selbst<br />
findung überzeugt mit typisch norwegischer<br />
Atmosphäre. Alte und neue Knausgård-Fans<br />
kommen voll auf ihre Kosten:<br />
Auf über 1000 Seiten können sie eintauchen<br />
und mitfühlen!<br />
Die Wölfe aus dem Wald<br />
der Ewigkeit<br />
Karl Ove Knausgård, Luchterhand, CHF 43.90<br />
Sam Raymond tut das, was sich viele<br />
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Frauen Mitte 50 wünschen: Sie ändert<br />
ihr Leben. Als sie sich in ein heruntegekommenes<br />
Haus in einem Problemviertel<br />
verliebt, kauft sie es kurzerhand. Doch<br />
sie bemerkt erst zwei Atemzüge später,<br />
dass sie somit wohl ihre Familie verlassen<br />
wird. Als Sam in ihrer neuen Nachbarschaft<br />
Zeugin eines Gewaltverbrechens<br />
wird, scheint ihr Traum von einem<br />
selbstbestimmten Leben jäh vorbei. Ist<br />
Sam nun Rebellin oder Egoistin? Dieser<br />
Roman zwingt uns nicht, zwischen diesen<br />
Lesarten zu wählen. Schonungslos aufrichtig<br />
erzählt Dana Spiotta vom Älterwerden,<br />
von Liebe, Zerrissenheit und dem<br />
Mut, den wir aufbringen müssen, um miteinander<br />
in echte Verbindung zu treten.<br />
Unberechenbar<br />
Dana Spiotta, Kjona (Hanser), CHF 36.90<br />
Neun Jahre musste man auf einen<br />
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neuen Roman des österreichischen<br />
Autors Daniel Glattauer warten, der<br />
mit «Gut gegen Nordwind» bekannt wurde.<br />
Jetzt ist es da – mit starken Dialogen<br />
und Sprachwitz. Glattauer zeichnet ein Bild<br />
von unserer privilegierten Gesellschaft.<br />
Was ist ein Menschenleben wert? Und ist<br />
jedes gleich viel wert? Die Binders und<br />
die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven<br />
Urlaub in der Toskana. Tochter<br />
Sophie, 14, durfte gegen die Langeweile ihre<br />
Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein<br />
Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man<br />
sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune<br />
gechillt, kommt es zur Katastrophe:<br />
Aayana ertrinkt im Pool.<br />
Die spürst du nicht<br />
Daniel Glattauer, Hanser, CHF 36.90<br />
Erscheinungsdatum: 20.3.<strong>2023</strong><br />
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Barry aus Antigua lebt beschaulich<br />
12<br />
mit seiner Frau in London – zwei<br />
erwachsene Kinder, ein heimeliges Haus,<br />
Ruhestand. Doch Barry führt ein Doppelleben:<br />
Seit Kindertagen liebt er seinen<br />
Freund Morris, der wie er als junger<br />
Mann nach England ausgewandert ist – und<br />
Morris liebt ihn. Nun, mit 74 Jahren,<br />
entscheidet Barry, dass er endlich offen mit<br />
Morris zusammenleben will. Aber wie<br />
ist das möglich nach all den Jahren? Autorin<br />
Bernardine Evaristo – hierzulande<br />
bekannt durch ihren Roman «Mädchen,<br />
Frau etc.» – gibt ihren Charakteren<br />
Raum, sich zu verändern. Wir <strong>Lesen</strong>den<br />
erfahren Barrys Welt und dessen Weltveränderung<br />
durch seine Augen – authentisch,<br />
stimmig und originell mit einer<br />
Prise Humor erzählt.<br />
Mr. Loverman<br />
Bernardine Evaristo, Tropen (Klett-Cotta), CHF 33.90<br />
Stephen Hawkings Theorien über<br />
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den Urknall, schwarze Löcher<br />
und die Quantenphysik wurden zu Bestsellern.<br />
Sein ganzes Leben lang war er<br />
auf der Suche nach der einen Theorie, die<br />
alles erklärt. «Der Ursprung der Zeit»<br />
ist genau das: eine neue faszinierende Theorie<br />
des Urknalls, der Zeit und der Entstehung<br />
unseres Universums. Die Gesetze der<br />
Physik sind nicht in Stein gemeisselt.<br />
Der Kosmologe Thomas Hertog erklärt das<br />
wissenschaftliche Vermächtnis Stephen<br />
Hawkings und erzählt von seiner Arbeit<br />
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und Freundschaft mit dem berühmten<br />
Physiker. Gleichzeitig zeichnet das Buch ein<br />
persönliches Porträt des Ausnahmephysikers<br />
Hawkings – geschrieben aus der Perspektive<br />
eines seiner engsten Mitarbeiter.<br />
Der Ursprung der Zeit<br />
Thomas Hertog, S. Fischer, CHF 34.90<br />
In «Verlorene Welten. Eine Geschichte<br />
der Indianer Nordamerikas<br />
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1700–1910» schildert Aram Mattioli<br />
zum ersten Mal den lang anhaltenden Widerstand<br />
der First People im 20. Jahrhundert.<br />
Er ordnet die Ereignisse in einen<br />
grösseren gesellschaftlichen und historischen<br />
Kontext ein, während die gängigen<br />
Darstellungen der US-Geschichte dieses<br />
Kapitel nicht berücksichtigen. Die indigenen<br />
Gesellschaften und Persönlichkeiten<br />
waren dabei nie nur passive Opfer der<br />
amerikanischen Politik. Eindrücklich<br />
schildert Mattioli, wie sie sich dem vermeintlich<br />
übermächtigen Staat sowohl friedlich<br />
als auch militant widersetzten. Eine packend<br />
erzählte Chronik des Widerstands!<br />
Zeiten der Auflehnung<br />
Aram Mattioli, Klett-Cotta, CHF 37.90<br />
© Theresa Cross<br />
Ich bin nicht Albert Camus. Ich<br />
habe keinen unbezwingbaren Sommer<br />
in mir. In mir lebt eher ein<br />
unerschütterlicher, nicht aufzuhaltender<br />
Frühling. Selbst in der<br />
dunkelsten Jahreszeit der Seele, in<br />
den kältesten und einsamsten<br />
Nächten weiss ich, dass die Sonne<br />
wieder scheinen wird. Dass der<br />
gefrorene Boden aufbrechen, dass<br />
es wieder grün und bunt spriessen<br />
und duften und blühen wird.<br />
Die Dunkelheit akzeptiere ich<br />
nur als vorübergehende Prüfung,<br />
als notwendiges Übel, von mir<br />
aus auch als «Lernblätz». Aber nicht<br />
als Zustand.<br />
Diese manchmal fast trotzig zu nennende<br />
Hoffnung wurde mir nicht<br />
in die Wiege gelegt. Ich habe sie mir<br />
angelesen. Denn die Kindheit<br />
war definitiv nicht die einfachste<br />
Zeit meines Lebens. Ich war (wie viele angehende Schriftstellerinnen, nebenbei<br />
bemerkt) ein linkisches, verträumtes, einsames Mädchen und irgendwie immer<br />
fremd hier. Doch in Büchern fand ich mich wieder. In Romanfiguren fand ich<br />
Freunde und Verbündete. Und zwischen den Seiten blätterte ich Hoffnung auf. Aus<br />
Büchern lernte ich, dass die schlimmste Szene einer Geschichte nie ihr Ende<br />
sein kann. Auch wenn ich zitterte und manchmal sogar weinte. Wenn die jungen<br />
Detektive in einer Höhle verschüttet wurden, der Zeitreisende sich in einer<br />
anderen Welt verloren hatte, die neue Schülerin von den beliebten Mädchen im<br />
Klo eingesperrt wurde und die ganze Familie im Dunkeln sass, weil einfach<br />
kein Geld für die Stromrechnung da war. Doch so hörten Bücher nicht auf. Die<br />
Hauptfiguren würden nicht nur überleben, sie würden besser leben als zu<br />
Beginn der Geschichte. Sie würden sich retten, ihre Schwierigkeiten überwinden,<br />
ihre Einsamkeit durchbrechen, den Weg nach Hause finden und einen<br />
verborgenen Schatz dazu.<br />
Je mehr ich las, desto klarer erkannte ich die Dunkelheit als dramaturgische Notwendigkeit.<br />
Ich meine, wenn man immer genug Geld hat, um die Stromrechnung<br />
zu bezahlen, löst das Klicken des Lichtschalters keine Euphorie aus. Wer<br />
nie ausgeschlossen wurde, kennt den inneren Jubel nicht, wenn in der Schulkantine<br />
plötzlich ein Platz freigerückt wird. Und die Detektive hätten den versteckten<br />
Schatz gar nie gefunden, wenn sie nicht einen alternativen Weg aus<br />
der verschütteten Höhle hätten suchen müssen. Und so setzte sich Seite für Seite,<br />
Buch für Buch diese Gewissheit in mir fest: Die Dunkelheit ist vielleicht nötig,<br />
aber sie geht vorbei. Warte nur, gleich wird es wieder heller. Und besser. Und so<br />
war es noch jedes Mal.<br />
Es ist kein Zufall, dass mein erstes und nie veröffentlichtes Buch den Titel «Das<br />
Leben ist kein (Roman von Milena Moser)» hatte. Natürlich weiss ich, dass das Leben,<br />
mein Leben, kein Roman ist. Aber andererseits: Warum eigentlich nicht?<br />
6 <strong>Lesen</strong> Magazin Buchneuheiten<br />
<strong>Lesen</strong> Magazin Kolumne<br />
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