Wie wir miteinander redenVon Paula Marie DickDer eine spricht von ›kleinen Paschas‹,die andere vom ›alten weißen Mann‹,Dritte wiederum von ›Öko-Terroristen‹.Das Klima, in dem sich gesellschaftlicheDebatten dieser Tage abspielen, ist harschergeworden. Das fällt sogar mir auf,obwohl ich mit 21 Jahren noch gar nichtso lange aktiv die politischen Diskurseverfolge.Es scheint, als sei uns jeglicher Wille, dieArgumente der Gegenseite anzuhörenund in einen Dialog miteinander zu kommen,abhandengekommen. Stattdessendiffamieren und stigmatisieren wir dieGegenseite lieber mit Formulierungen,wie sie eingangs beispielhaft aufgeführtwurden. Erich Fromm beschreibt das inseinem Buch ›Haben oder Sein‹ sehr anschaulich:»Nehmen wir eine typischeUnterhaltung […], in der A die MeinungX hat und B die Meinung Y. […] Beideidentifizieren sich mit ihrer Meinung. Eskommt ihnen darauf an, das bessere, dasheißt treffendere Argument zur Verteidigungihres eigenen Standpunktes vorzubringen.Keiner denkt daran, seine Mei -nung zu ändern, oder erwartetet, dassder Gegner dies tut. Sie fürchten sichdavor, von ihrer Meinung zu lassen, dadiese zu ihren Besitztümern zählt undihre Aufgabe somit einen Verlust darstellenwürde.«Warum haben wir eine Meinung, auf derwir beharren? Warum fühlen wir uns angegriffenund in die Ecke gedrängt, wennwir merken, dass unser:e Gesprächspartner:inuns herausfordert, vielleicht sogardie besseren Argumente verficht?Anstatt aufeinander einzugehen, offen zusein für Neues und die Veränderung deseigenen Standpunktes weniger als eineAufgabe dessen, sondern vielmehr alseine Erweiterung und Weiterentwicklungzu betrachten, schlagen wir lieber verbalaufeinander ein und stecken die Meinungund die Person des anderen beliebig inabwertende Schubladen. So können wirden Argumenten quasi von vornhereindie Legitimation absprechen: »Sowasmuss ja von so einer Öko kommen!«,oder »Kein Wunder bei einem alten weißenMann wie dir!«.Alle Jahre wieder; verbaler Kampfum dieselben ThemenAn einigen, teilweise jedes Jahr aufsNeue aufkommenden Themen, wird dieserUmgang besonders deutlich. Beispiele:Ein Klassiker dieser nicht Dialog-,sondern eher Monologkultur ist die altbekannteBöllerdebatte. Pro- und Kontra-Argumente werden alle Jahre wieder mitgroßer Inbrunst und Leidenschaft herausposaunt:›alles verbietende Miesepeter‹gegen ›Traumata ignorierende und Feinstaubbelastungleugnende Haustierhasser‹.Von Debatte kann hierbei im Grundekeine Rede mehr sein, da beide Seitenlediglich ihren Standpunkt im wahrstenSinne des Wortes verfechten und nurdaran interessiert sind, die Argumenteder Gegenseite lächerlich, unbedeutendoder falsch darzustellen.Ein weiteres Beispiel ist das Tempolimit;wütend und mit hochrotem Kopf kämpft›Freie Fahrt für freie Bürger‹ gegen ›dengesamten CO2-Ausstoß des innerdeutschenFlugverkehrs‹ an.Diese Kämpfe werden sowohl im Kleinenwie auch im Großen ausgetragen – amAbendbrottisch oder in der Kabinettssitzung.Ein Abrücken von der eigenen Positionist, wenn überhaupt, nur mit großenZugeständnissen vorstellbar, beispielsweisedem Einräumen der Spülmaschineoder der Verlängerung der Laufzeiten derAtomkraftwerke.Doch woher kommt diese Aggressivität?Von Twitter? Hat die Kultur des ›Shitstorms‹nun auch auf unseren analogenUmgang übergegriffen, wie es HaraldWälzer und Richard David Precht inihrem Buch ›Die Vierte Gewalt‹ proklamieren?Fest steht jedenfalls, dass die Aggressivitätund der regelrechte Hass, die mitunterin den digitalen wie auch analogenDiskussionsforen um sich greifen, großsind. Sachliche, emotionslose Debattensind kaum noch möglich, da mit der Verkündungder Meinung augenblicklicheine Einsortierung in die bereits skizziertenSchubladen vorgenommen wird. Das,was Erich Fromm in ›Haben oder Sein‹ als»Die Unterhaltung hört auf, ein Austauschvon Waren (Informationen, Wissen,Status) zu sein und wird zu einemDialog, bei dem es keine Rolle mehrspielt, wer recht hat« beschreibt, erlebeich in unseren gesellschaftlichen Diskursenkaum noch.Dabei sollten wir uns daran erinnern: EinGespräch wird nicht nur fruchtvoller undinformativer, wenn man sich eine gewisseOffenheit des eigenen Standpunktesbewahrt und die Möglichkeit zulässt,die Argumente des Gegenübers als sinnvollerals die eigenen einzustufen. Eslässt unser gesellschaftliches Miteinanderauch produktiver und schlichtwegbesser werden, wenn Entscheidungennicht mehr von gemurrten Zugeständnissenund unehrlichen Kompromissen geprägtwerden, sondern von dem Willen,tatsächlich das objektiv Sinnvollste anstelledes eigenen Stolzes durchzusetzen.Paula Marie Dick ist 21 Jahre altund studiert Geschichte und Politikin Frankfurt.8
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