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Im Tal der BroklandSau

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IM TAL DER BROKLANDSAU

Wenn Blaue Feder frei hatte, wie konnte es anders sein als am

Frei-Tag, zog sie ihre Runden durch das Tal der BroklandSau.

Sie fühlte sich eins mit dem Land und hatte große Freude

daran, ihre Eindrücke von ihren Spaziergängen mit anderen zu

teilen. Sie liebte diesen Landstrich, der ihr Zuhause war. Für

sie, war der erste Schritt sich wieder mit der Natur und dem

Land zu verbinden, regelmäßig allein in der Natur zu sein,

einfach dort, wo sie lebte. Im Wald zu sein, auf einer Wiese, an

einem Bach zu verweilen und zu fühlen, wie es war allein in der

Natur zu sein. Anfangs kamen oft Gefühle von Einsamkeit und

Traurigkeit hoch. Sie nahm diese Gefühle in ihr Herz auf. Mit

der Zeit stellte sich Freude ein und eine liebevolle

Verbundenheit.

Manchmal wachte sie am Morgen mit einem Gedanken auf und

ging mit diesem Saat-Gedanken auf ihre Runde. Hin und

wieder hatte sie eine Frage, die sie auf der Schwelle der

Haustür stellte und schaute dann, wie die Natur sie

beantwortete. Sie ließ sich einfach beeindrucken, von dem was

ihr begegnete. Unter der Woche schaute sie dann, wie der

Eindruck seinen Ausdruck fand. Oft vertiefte sich das Erlebte

im Laufe der Wochen noch.

‚Im Tal der BroklandSau‘ ist eine Sammlung von Samen.

Blaue Feder hatte ein Jahr lang ihre Kamera mitgenommen und

ihr Sein in der Natur dokumentiert. Vielleicht waren Dir ihre

Geschichten ja eine Anregung, Dich selbst wieder mehr mit der

Natur zu verbinden und Dich auf Deine eigene Forschungsreise

zu begeben.

Viel Freude wünscht Dir, Blaue Feder


INHALTSVERZEICHNIS

1. Die Hagebuttenfrau_______________________

2. Panta Rhei – alles fließt____________________

3. Am Alten Feuer ___________________________

4. Das Mutterkraut _________________________

5. Ein fließender Übergang ___________________

6. ‚Der Wind in den Weiden‘ ____________________

7. Das Grab der Túatha Dé Danann ___________

8. ‚Die mit den Reihern tanzt‘ _________________

9. Die Menschen haben das Warten verlernt _____

10. Kuhle Nr. 13 ______________________________

11. Trost der Wintergold-Hähnchen _____________

12. Büsumer Wintersonnenwende _______________

13. Kingfishers Secret ________________________

14. Den Rehen auf der Spur ____________________

15. Crazy Speed 13 __________________________

16. Die BroklandSau __________________________

17. Die Quelle im Norderwohld __________________

18. Die ErdApfelSau _________________________

19. Die CocoaSau _____________________________

20. ‚Ophelia‘_________________________________

21. Emma __________________________________

22. Ein Tag am Meer_________________________

23. Die RegenbogenSau _______________________

24. Sew Along________________________________

25. Die KräuterSau ___________________________

26. Der Marienkäfer__________________________

27. Den Frühling begrüßen ____________________

28. Bei den Störchen __________________________

29. Ein irisches Abenteuer ____________________

30. Die Graue vom Großen Mondsee ____________

31. Alles hat seine Zeit _______________________

32. Das Schwalbenkraut_______________________

33. Wilde Tulpen ______________________________

34. Salomonsiegel ____________________________

35. Küstensteine ___________________________

36. Der Urkraft begegnen ____________________

37. Rot wie Mohn und blau wie Kornblumen_______

38. Die Regebogenschlange ____________________

39. ‚Voll das Leben‘ ____________________________

40. ‚In a Summer Garden‘ _____________________

41. Auf den Spuren des Sommermädchens ______

42. Die wilde Sau im Garten ___________________

43. ‚Augenbraue der Venus‘ ____________________

44. ‚Home is where your heart is ‘_______________

45. Der Seerosen-Karpfen _____________________

46. Frei wie ein Kiebitz _______________________

47. Die Braut der Sonne ______________________

48. Ein schottischer Traum ___________________

49. Das Mädchen und der Drache _______________

50. Perlentaucher ____________________________

51. ‚Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm…‘ _______

52. Runde um Runde __________________________


1. DIE HAGEBUTTENFRAU

‚Keiner wusste, woher sie kam und wer sie war.

Sie stand einfach da in den Hagebutten.

Klein war sie und ihr Haar leuchtete rot, wie die

Hagebutten, die sie pflückte.

Durch ihre große, dicke Nickelbrille schaute sie

Blaue Feder an.

Sie sagte nicht viel – nur so etwas wie: ‚Soso…‘


An einem Septembermorgen erwachte Blaue Feder aus ihren

Träumen mit dem Satz:

Leben ist Veränderung

Ayla, die Dorfeiche bekam gerade einen neuen Zaun. Sie

hatte einen Stamm abgeworfen und damit das ganze Dorf

erschüttert. Die Sorge um ‚ihre‘ Dorfeiche war groß. Der

Baumdoktor wurde gerufen. Es war ein trockener Sommer

und sie wurde fleißig gewässert. Dann wurde sie mit

Stahlseilen gesichert. Damit nun nicht jeder über die Seile

stolperte, bekam sie einen Zaun.

Blaue Feder träumte vage von einem neuen Projekt. Der

KunstGriff war vorüber und ging ihr noch nach. Es waren

wenige Besucher in ihrer Ausstellung gewesen. Meist

verbrauchten sie ihren ganzen Urlaub für die Vorbereitung,

machten sie sich immer viel Arbeit. Die wenige Resonanz

enttäuschte sie. Daher entschieden sie, im kommenden Jahr

einfach einmal drei Wochen Urlaub machen.

In Blaue Feder schwang die Frage nach, wie es mit ihrer

Kunst weitergehen würde. Sie fragte sich, ob ihre Kunst nur

für sie gedacht war und sie sich selbst genug sein konnte.

Oder gab es noch unbekannte Wege ihre Kunst an die Frau

und den Mann zu bringen? Wie ging ihre Reise weiter? Was

wollte sie mitnehmen und was ließ sie zurück?

Sie hatte die Idee bekommen, einen ‚Geschichten-Blog‘

einzurichten. War es die Veränderung in ihrem Leben?

Manches Mal hätte sie gerne jemanden gehabt, der sie an die

Hand nahm und ihr sagte, wie es weiter ging. Doch hatte sie

den Eindruck, sie wurde vom Leben selbst an die Hand

genommen und unterrichtet. Manchmal wohnte auch dem,

was sie nicht bekam, eine Entwicklungsmöglichkeit inne. Sie

lebte in der Fülle und hatte alles, was sie brauchte, wenn auch

der Erfolg mit ihrer Kunst sich nicht einstellte.

Vielleicht gab es einen Sinn dahinter? Auf diese Weise

überlegte sie sich immer wieder neue Wege. Sie liebte die

Stille, die ihr half, alles mit Liebe und Hingabe zu

durchdringen. Die Stille gab ihr Kraft.

Einst hatte sie in einem Buch von der ‘Geweihten Feder‘

gelesen. Blaue Feder schrieb gerne und könnte so ihre

Erfahrungen weitergeben.

Sie war etwas verschnupft, nahm ein Rosmarin-Bad und ging

dann eine Runde, weil die Sonne schön schien. Derweil

musste sie draußen gut aufpassen, weil die Bäume gerade

gerne mit ihren Nüssen nach ihr schmissen. Ob Walnuss,

Eichel oder Kastanie, die Bäume waren gerade lustig

unterwegs.

Sie ging die Eichenallee hinauf und sah eine Katze liegen, die

sich ihr Fell leckte. Sie musste grinsen, denn es sah für sie

wenig nach Veränderung aus, oder täuschte sie sich? Ein

Vogel sang ein schönes Lied. Das Lied erzählte vom frischen

Wind, vom Genießen und vom Erholen. Auf dem Weg lagen

zarte Daunenfedern und sie hörte eine zarte Stimme in ihrem

Herzen sagen:

‚Sei sanft mit Dir!‘



Sie schaute in eine Viehtränke, wie in einen heiligen Kessel.

Was sah sie im Kessel? Am Boden lag eine goldene Eichel.

Als Blaue Feder zum Ringreiterplatz kam, sah sie eine Frau

mitten in den Hagebutten stehen. Ihre Haare waren ebenso

rot wie die Hagebutten, die sie pflückte. Sie trug eine dicke,

große Nickelbrille und hatte einen zartrosafarbenen Mantel an

mit einem Rosenmuster. Fasziniert stand Blaue Feder da und

beobachtete die Hagebuttenfrau, die sie hier noch nie

gesehen hatte.

Wer war diese Frau?

Blaue Feder ging weiter ihre Runde und die Hagebutten-Frau

ging ihr in ihren Gedanken nach. Sie schaute sich noch einmal

das Waldstück an, wo ein junger Mann aus dem Dorf die

Weiden gefällt hatte. Er fühlte sich wohl von ihr ertappt und

hatte wie ein Kind zu ihr gesagt, er würde neue Bäume

pflanzen und er hatte sein Wort gehalten und Apfelbäume

gepflanzt. Der Wald war mittlerweile wieder zugewachsen, sie

hatte sich unnötig aufgeregt.

Sie ging bei den Schafen vorbei. Ein Bock sagte: Ei, geh

weiter… und sie ging weiter, denn mit ihm wollte sie sich nicht

anlegen. Sie kam zum Schlangensee und beobachtete die

Wasserläufer und Libellen, die im Sonnenlicht spielten. Sie

schlüpfte auf das abgesperrte Grundstück. Es war gerodet

und sie konnte ohne Mühe zum Teich gelangen. Dort saß die

Graue in Seelenruhe, und Blaue Feder schaute sich die kleine

neue Apfelplantage an. Der Wilde Wald rief sie. Die Birken

sprachen von etwas Neuem. Bewegung kam ins Spiel. Schon

stand sie am Eingang zum Weißdorn-Hain.

Alles war niedergerodet, eine Furt war bis zum Weißdorn

geschlagen. Die Brombeerbüsche, die Jelängerjelieber, alle

Hecken waren weggeschnitten und viele Weiden gefällt. Es

war merkwürdig, ihr geliebter kleiner wilder Wald war gerodet,

aber es störte Blaue Feder nicht so sehr. Sie sah den

Weißdorn unverletzt stehen, umringt von Fliegenpilzen, denen

auch nichts passiert war. Im Weißdorn lag eine Feder von

einem Graureiher.

Verwundert schaute sie sich alles an. Vielleicht würde die Wut

später in ihr aufflammen? Sie fragte sich nur, wofür diese

Veränderung gut war. Würden nun mehr Menschen zum Alten

Weißdorn gehen und sich einen Rat holen? Sich durch die

Brombeeren zu kämpfen, wie der Prinz zu seinem

Dornröschen, traute sich nicht jeder. Vielleicht wurde etwas

Verborgenes sichtbar. Sie ging tiefer in den Wald hinein und

fand dort einen weiteren Weißdorn auf einer kleinen Lichtung

umringt von Lichtnelken, und es schien ihr alles in Ordnung zu

sein. Sie setzte sich noch eine Weile auf die Bank zu der Alten

vom Weißdorn. Die bot ihr eine Pfeife mit Fliegenplilzen an.

Ne, ne, lass mal stecken, sagte sie und lachte. Das war ihr

denn doch eine Nummer zu heftig. Aber sie bat die Alte um

eine neue Medizin und bekam eine kleine Schlange in die

Hände gelegt.

Habe keine Angst vor Deiner Kraft - sagte die Alte.

Als Blaue Feder nach Hause ging, wunderte sie sich noch. Da

spürte sie plötzlich den Faden in ihrer Hand - einen neuen

Faden.



2. PANTA RHEI – ALLES FLIESST

Kurz nach dem September-Vollmond

Blaue Feder schrieb an den Morgenseiten, als der zarte

rosafarbene Himmel sie hinaus lockte. Sie war mit ihrer Venus

im Widder schnell zu begeistern und entflammbar. So

schnappte sie sich ihre Kamera und ging eine Runde. Die

Mondin stand noch am Himmel, groß und schön. Krähen flogen

über das Land. Sie schlug den Weg zum Schlangensee ein. Die

Sonne färbte den Himmel langsam golden. Auf dem Weg lag

ein rotweiß kariertes Tuch. Wer es wohl verloren hatte? Wollte

sie es mitnehmen oder liegen lassen? Sie steckte es ein und

später in die Waschmaschine. Bis heute war es ihr Zauber-Mal-

Tuch und erinnerte sie an diesen Tag.

Am Schlangensee tauchte sie in den Sonnenaufgang. Dieser

spiegelte sich im Wasser. Alles floss ineinander. Oben und

Unten waren ausgeglichen. Als sie so am See stand, bildeten

sich immer wieder Kreise auf dem Wasser. Alles entwickelt sich

in Kreisen, wenn wir durch den Jahreskreis wandern. Die Graue

kam, setzte sich auf einen Baum und begrüßte mit ihr

zusammen den neuen Tag. Reiher und Panta Rhei und Rhea

klangen alle ähnlich. Rhea war der Name, den sie sich selbst

einst gegeben hatte - die Fließende. Vielleicht liebte sie deshalb

die Reiher so, weil sie den gleichen Namen trugen. Da hätte sie

auch eher darauf kommen können - doch hatte wohl alles seine

Zeit.

Blaue Feder war ausgezogen, von den Tieren zu lernen - von

ihren geflügelten Freunden, wie von den Tieren im Wald, in

den Wiesen und die im Wasser nicht zu vergessen. Sie wollte

von den Pflanzen lernen, den großen Bäumen und den

kleinen Kräutern und den bunten Blumen. Sie wollte von den

Steinen lernen und ihrem stillen Lied. Sie wollte in die

Elemente tauchen und ihr Wesen erfahren.

Dabei wollte sie sich Zeit lassen wie die Schnecke, die auch

ans Ziel kamen. Sie wusste, die Brennnessel war scharf darauf,

ihre Bekanntschaft zu machen. Was würde ihre Schwester, die

Taubnessel davon halten? Welche Geschichte würden ihr wohl

die Fetten Hennen erzählen? Sie suchte nach einem neuen

Ausdruck für ihre Erfahrungen. Es würde sich zeigen. Sie

würde zunächst mal die Hagebuttenfrau malen und dem neuen

Faden nachspüren.

Auf dem Weg lag ein Gruß von der Wollsammlerin. Hatte sie

schon einmal die Geschichte von der Wollsammlerin erzählt?

Das Land träumt immer noch seine Geschichten und Blaue

Feder wollte sie gerne erzählen, wie sie es erlebte.

Sie sagte immer, sie hätte die Maus im Dritten Haus. Das

kommende Jahr würde Merkur regieren und sie ging in die

Dritte Runde mit der Progressiven Mondin. Der Herbst hatte

begonnen und ihr Lebensherbst auch.

Zeit, ihre Geschichten zu erzählen



3. AM ALTEN FEUER

Von Zeit zu Zeit hörte Blaue Feder einen Ruf in sich. Dann

wurde der kleine Blaue Koffer gepackt und sie ging auf eine

Reise. Das ‚Alte Feuer‘ rief und es rief alle, die den Ruf hörten.

Von überall her würden sie kommen, um gemeinsam am Alten

Feuer im Kreis zu sitzen. Sie freute sich auf die Reise und die

gemeinsame Zeit am Feuer; sich auszutauschen, zu lachen, zu

weinen und gestärkt wieder heimzukehren. Sonst denkt frau

auch, sie würde vielleicht etwas seltsam. Wenn andere auch

seltsam waren, dann war frau nicht so allein.

Am Tag der Abreise regnete es, sie war erkältet und die lange

Reise stand ihr bevor. So war es oft. Erst freute sie sich und

wenn es dann losging, kamen Widerstände. Warum konnte sie

nicht einfach hierbleiben, war es hier doch auch schön. Kennst

Du das? Auch hatte sie nicht geschaut, wohin der Ruf sie führte.

13 Stunden würde sie in der Bahn hocken. Sie war aufgeregt,

wie Eine eben aufgeregt war, wenn sie eine Reise ins

Unbekannte unternahm. Sie schaute aus dem Fenster. Noch

war ihr die Landschaft vertraut. Sie sah sich selbst im Fenster.

Was hatte sie denn für komische Klamotten an? War sie das?

So ganz in Schwarz. Sie fühlte sich nackig. Schwarz wie ein

Stück Kohle. Unsichtbar – ein Nichts.

‚Soso, hörte sie eine Stimme, ist das so? Dann sei ein Stück

Kohle. Was hast Du zu verlieren? Lass Dich in den Prozess

fallen. Du bist schon nackig, was soll Dir passieren? Lasse Dein

Herz die Worte finden. Folge dem Stern der Freude.

Folge der Leichtigkeit. Die Weiden unterstützen Dich und

zuweilen auch die Gartenzwerge. Manchmal auch Frauen mit

Roten Haaren. Schaffe Dir Räume für die ‚Blaue Feder‘ –

Zeiten zum Schreiben. Trinke ab und zu auch mal ein Bier. –

Soso‘ Wo kam die Stimme her? Doch bevor sie es fassen

konnte, schloss sie schon wieder die Augen. Das monotone

Geräusch der Bahn lullte sie ein, und sie ging auf eine Reise.

Sie fand sich wieder auf einer Hochebene und stand vor einer

Jurte. Die Landschaft war ihr bekannt. Drinnen brannte ein

Feuer. Menschen saßen um das Feuer. Blaue Feder ging

hinein und setzte sich in den Kreis. Ihr gegenüber saß eine Alte

Weise und schaute Blaue Feder tief in die Augen und in ihr

Herz. Dann sprach sie:

‚Schau meine Liebe, wie wunderbar Du bist. Du bist durch so

viele Täler gewandert, auf Berge geklettert, tief ins Meer

getaucht und weit über die Wolken geflogen. Du bist den

Sternen gefolgt, dem Ruf der Göttin und hast tiefe

Seelenlandschaften durchwandert. Manchmal hast Du

gedacht, es ginge nicht weiter. Doch hast Du aus der Kraft

Deines Herzens einen Weg gefunden. Du hast die Liebende

Mutter in Dir entdeckt und den weiten Raum. Du bist durchs

Feuer gegangen und zur Kohle geworden. Schwarz,

schwärzer und noch schwärzer! Langsam ist Vertrauen in Dir

gewachsen. Das Vertrauen, es geht irgendwo immer weiter.

Sei gewiss, ich bin immer bei Dir. Denn Du bist ich und ich bin

Du - immerdar und zu aller Zeit!



Als Blaue Feder die Augen öffnete, saß sie bereits am Alten

Feuer. Alle erzählten ihre Geschichten. Das Feuer brannte

langsam herunter und die Asche erlosch. Aus der Asche nahm

Blaue Feder ein Stück Kohle und malte ihr Bild. Dann war es

an der Zeit zu gehen. Noch einmal versammelten sich alle im

Kreis. Gab es ein Wort, einen Satz, der ihre Erfahrungen

beschrieb, die sie mitnahm? ‚Butter bei die Fische‘ - Es war

eine Redewendung aus ihrer Heimat. Es bedeutete, zum

Wesentlichen zu kommen. Nun wurde sich umarmt, ein paar

Tränen flossen und eine gute Reise wurde gewünscht. Blaue

Feder nahm ihr Bild und stieg wieder in die Bahn. Sie hoffte, sie

könne sich ein bisschen ausruhen. Doch weit gefehlt. An einem

See stieg eine alte Dame zu. Weiß war ihr Haar, ihr Alter

fortgeschritten. Sie hatte wunderbar strahlende blaue Augen.

Blaue Feder sprach sie an und fragte, wie der See hieße, an

dem sie gerade vorbeifuhren. Es war der Ammersee. Blaue

Feder fragte weiter, woher sie käme und wohin sie ging. Sie

kam von einem Seminar, doch würde sie davon erzählen,

würde Blaue Feder sie wohl für verrückt halten. Blaue Feder

erwiderte, auch sie käme von einem solchem Seminar. So

reisten gemeinsam von Sirius bis hin zu Saturn. Blaue Feder

fragte die Alte, wie sie ihr Wissen vermitteln würde. Sie sagte,

sie verstehe sich als Übersetzerin. Den Ansatz fand Blaue

Feder spannend. Das fanden auch zwei Jungen, die ihrem

Gespräch gelauscht hatten, ein junger Philosophiestudent und

sein kleiner Bruder. Nun stellten die Jungen Fragen und die Alte

und Blaue Feder versuchten zu übersetzen. Gemeinsam

reisten sie weiter zur Venus, tauchten in die Liebe, denn darin

waren sich alle einig, die Liebe verbindet.

‚Liebe verbindet‘

In Augsburg trennten sich die Wege. Die Alte gab Blaue Feder

eine Visiten-Karte, auf der ein Graureiher abgebildet war und

sie musste schmunzeln. Ein bisschen schwindelig war ihr

schon von der Sternenreise, hatte am Morgen verschlafen und

noch nicht gefrühstückt. Sie holte sich eine Kleinigkeit zu essen

und stieg in den nächsten Zug. Eine junge Frau setzte sich zu

ihr - bildschön mit langem lockigem Haar - ein zauberhaftes

Wesen. Sie war eine Heilkundige auf dem Weg zu ihrer ersten

festen Anstellung nach dem langen Studium der Medizin. Blaue

Feder ahnte, sie war im Saturn-Return und hatte Angst, ihr

Leben würde nun in festen Bahnen etwas langweilig

weiterlaufen. Blaue Feder konnte sie beruhigen und versprach

ihr, es würde noch vieles geschehen, was sie jetzt noch nicht

ahnte.

‚Leben ist Veränderung‘

Während sich die beiden unterhielten, war Unruhe vor ihnen

aufgekommen. Eine ältere Dame saß auf dem verkehrten Platz

und ein junger Mann beanspruchte den Platz. Blaue Feder, die

sich selten einmischte, sagte ihm, er könne sich doch auf den

Platz der älteren Dame setzen, dann müsse sie nicht mit ihrem

ganzen Gepäck umziehen und er war einverstanden. Nach

einer Weile stieg die junge Frau aus und Blaue Feder holte die

ältere Dame zu sich. Sie lachten viel und waren wie zwei alte

Freundinnen, die sich nach langer Zeit wiedergetroffen haben.

Sie war eine Tänzerin und eine Yoga-Kundige. Tanzen war ihr

Leben. Gemeinsam fuhren sie heim und tauschten ihre

Adressen aus. Auf diese Weise verflog die Rückreise wie im

Fluge.

‚Tanze mein Herz‘



4. DAS MUTTERKRAUT

Blaue Feder war in diesem Jahr viel unterwegs gewesen und

hatte ihren Kräutergarten sehr vernachlässigt. Einige Kräuter

hatte das wohl nicht gestört und so wuchs anstelle des Rasens

der Spitzwegerich. Auch das Mutterkraut hatte sich sehr

ausgebreitet und die Kapuzinerkresse fühlte sich wohl. Sie

räucherte erst einmal ihr Atelier mit Artemisia. Ihr war nach

einem vertrauten Geruch. Während sich der Duft im Raum

ausbreitete, kam ihr die Idee, sich einfach einmal zu den

Kräutern zu setzen, die sie nicht kannte. Sie holte sich ihren

Holzschemel, ging in den Garten, schob ihn neben das

Mutterkraut und schaute, was passierte.

Ein kleiner weißer Pflanzengeist flog in die Höhe mit einem

rotweißen Tuch um den Kopf, so eines wie sie es auf dem Weg

gefunden hatte. Der Pflanzengeist sagte, sie sei die

Putzfrau unter den Blumengeistern. Zuerst putzte sie Blaue

Feder nun mit dem Tuch das Dritte Auge, damit sie besser

sehen konnte. Dann putzte sie ihr die Ohren, damit sie besser

hören konnte. Dann war die Nase dran. Das kitzelte

ordentlich. Dann sollte sie den Mund aufmachen und

offenlassen. Sie putzte den Belag weg und reinigte den

Rachen. ‚Jaja, ganz schön viel Belag‘, stellte sie fest. Dann

öffnete sie noch die Türen zu ihrem Herzstübchen und

murmelte was von: ‚Oh je, ganz schön Durcheinander hier‘ und

räumte auf. Ja, sie sei die Putzfrau unter den Elfen und stets

zu Diensten.

Blaue Feder sollte 9 Blüten mitnehmen und einen Tee

aufbrühen eine Viertelstunde. Ja, Neun sei gut – 3 x 3 – nicht

mehr und nicht weniger.‘

Blaue Feder bedankte sich, pflückte die Blüten ab und spürte,

dass das auch für die Pflanze nicht ganz angenehm war.

‚Reiß doch nicht so‘, hörte sie eine zarte Stimme. Dann machte

sie sich den Tee und trank ihn. Irgendwie hatte sie sehr viel

Respekt vor den Pflanzen. Sie nahm nicht so gerne etwas ein,

was ich nicht kannte. Naja, mal sehen.

‚Liebe Leserin, lieber Leser, alles was Blaue Feder jetzt so

über Pflanzen schrieb, war auf ihrem Mist gewachsen. Es

war ihre Wahrnehmung. Für Dich kann es ganz anders sein.

Der Umgang mit den Pflanzen war wohl sehr individuell. Ihre

Erfahrungen können Dir lediglich eine Anregung sein, Dich

selbst auf die Reise zu begeben -auf Deine eigene Reise in die

Natur.‘

Blaue Feder ging mit den Pflanzen, die ihre Aufmerksamkeit

suchten, so wie an diesem Tag das Mutterkraut und sie machte

ihre Erfahrungen. Viel Erfahrung hatte sie noch nicht, weil sie

so vorsichtig war. Vielleicht konnte sie sich im kommenden Jahr

mehr den Pflanzen zuwenden und malen, was sie erlebte, wie

mit dem Mutterkraut. War es das Mutterkraut, das sie klarer

sehen ließ oder hatte sich in ihrem Herzen etwas sortiert?



5. Ein fließender Übergang

Die zweite Mondprogression

Ab und an erzählte Blaue Feder eine Sternengeschichte und

versuchte sie zu übersetzen, so gut sie es vermochte. In jener

Nacht hatte sie einen spannenden Traum.

Im Traum hatte sie zusammen mit einer anderen Frau Gänse

eingesammelt. Die Gänse setzten sich in die Bäume und

wurden selbst zum Nest für ihre Kinder. Sie lösten sich dann

auf. Ein komisches Bild. Sie wuchsen wie Pilze auf den Bäumen.

Die Frau schützte sie vor sich selbst.

Gab es etwas, wovor sie sich selbst schützen musste, etwas, wo

sie sich selbst aufgab?

Es war dieser besondere Tag und Blaue Feder fühlte sich gar

nicht besonders. Sie hatte von ihrer einstigen Lehrerin geträumt.

Ihre erste Mondprogression mit 27 Jahren war recht dramatisch

verlaufen. Damals hatte sie vieles aufgegeben, ihr Atelier

aufgelöst und war ihrer großen Liebe gefolgt. Doch zerschlug

sich diese Beziehung und sie kehrte wieder heim. Damals

entschied sie sich einen spirituellen Weg zu gehen und schloss

sich einer Meditationsgruppe an. Mittlerweile floss ihr Leben in

ruhigeren Bahnen und doch hatte sie immer Respekt vor solchen

Übergängen und etwas Angst, was nun kommen würde.

Vermutlich war es eine alte Angst, denn schaute sie in den

Spiegel, sah sie eine Frau, die ihr Leben gelebt hatte und der

man nicht mehr so viel vormachen konnte.

Wie der Mond am Himmel in der 11. Mondphase, kurz vorm

Vollmond, so hatte sie ihre Lebensmitte überschritten.

Ein Buntspecht kam in den Garten und Freude stieg in ihr Herz.

Sie wollte ihr So-Sein annehmen, wie es war und ganz in ihre

Herzenskraft eintauchen. Geborgenheit fand sie nur in sich

selbst. Jedes Jahr und jeder Tag waren anders. Dieser Tag

schien ihr ein Rotkehlchen-Tag, sangen sie schon den ganzen

Morgen: Folge Deinem Herzen

Am Eingang zum Moor auf einer Wiese begrüßten sie der Weiße

und der Graue Reiher. Blaue Feder ging zum Großen Mondsee

und tauchte in die Weite. Manchmal löste sie sich in der Natur

einfach auf. So störten sich die Rehe nicht an ihr. Bussarde

zogen ihre Kreise. Es fühlte sich alles lebendig an.

Vogelschwärme waren unterwegs: Gänse, Wacholderdrosseln

und am Ende tauchte sie in einen Schwarm Schwanzmeisen, die

sie sehr mochte. Sie sah auch Plätze, wo ein Vogel gerupft

worden war. Leben und Tod standen oft nahe nebeneinander.

Die Sonne schien warm. Sie fand einen Steinpilz und viele

Fliegenpilze. Einsam fühlte sie sich in der Natur nie. Alles war

belebt. Wenn sie auch die feinen Wesen nicht sehen konnte,

spürte sie ihre Anwesenheit: die Elfen, Feen und was sonst noch

unterwegs war. Sie setze sich auf die Bank unter den tanzenden

Birken und tauchte in die lebendige Stille. Ein paar Libellen und

Schmetterlinge tanzten um sie herum und es blühten noch ein

paar Cosmea.

So war es ein fließender Übergang.



6. ‚DER WIND IN DEN WEIDEN‘

Samhain

Eine Amsel lud Blaue Feder ein, in das unwirtliche Nass draußen

vorzudringen. Sie zog sich warm und regensicher an. Die Amsel

scheint etwas unscheinbar, und doch ist sie eine Vermittlerin

zwischen den Welten.

‚Wässere die Blume der Amsel‘, sagen die Buddhisten und

meinen, fühle Dich ein in die Amsel. Deine Seele weiß, alles

beginnt mit der feinen inneren Stimme, mit dem Lauschen auf

Deine inneren Impulse, die manchmal eigenartig unvertraut

klingen und doch deine innere Wahrheit intuitiv offenbaren.

Blaue Feder freute sich in diesem Jahr über jede Amsel, die nicht

von jenem Virus befallen war. Die Amseln bekamen von ihr

Äpfel, die sie sehr liebten.

Ein Blatt in einer Pfütze sah aus wie ein Jahreskreis mit seinen

vier Jahreszeiten. Als sie auf die freie Flur trat, wehte der Wind

ordentlich in den jungen Weiden. Es erinnerte Blaue Feder an

das Kindertheaterspiel, dessen Bühnenbilder sie im Theater

Wedel gemalt hatte: ‚Der Wind in den Weiden‘. Ein Mädchen

tauchte in die Welt der Tiere und erlebte die Abenteuer von

Ratte, Maulwurf, Dachs und Kröterich. Wie oft hatte sie sich

als junge Frau verbogen, wie die jungen Weiden, nur um zu

gefallen.

Die Krähen riefen sie zum Krähenwald. Blaue Feder ging an den

Sieben Pappelschwestern vorbei und landete auf einer

Brachlandschaft. Sie schaute sich die verdorrten Pflanzen an,

die eine eigene Schönheit entfalteten. Sie fühlte sich wohl auf

dem Brachland. Ein Land, das Sabbat macht – sich eine Auszeit

nahm – sich erholen konnte. Sie spürte Ruhe in sich. Da

entdeckte sie einen alten Korb. Einen alten ausgedienten

Weidenkorb. Ihr Herz hüpfte. Es machte sie fröhlich zu sehen,

wie sie eingebunden war – wie alles miteinander verflochten und

verwoben ist – wie sie selbst eingebunden war.

Sie ging die Stufen zum Fuchsloch hoch und setzte sich auf ihren

Platz unter der Eiche. Sie schaute über das Land und sah die

Kühe auf der Wiese liegen. Bei den Kühen konnte sie sich

entspannen. Sie fühlte sich wie eine alte Nomadin, die ihre Yaks

und das Feuer hütete. Als sie die Graue bei den Kühen sah,

erinnerte sie sich der Worte einer alten Frau:

‚Die Menschen haben das Warten verlernt.‘

Wie recht sie hatte. Immer sollte alles sofort, höher, schneller,

weiter sein. Dabei brauchen manche Dinge ihre Zeit zu reifen. In

der Natur fand Blaue Feder langsam zu ihrem ureigenen

Rhythmus zurück. Vielleicht konnte sie das Warten von den

Kühen lernen. Diese Geduld oder sich an dem zu laben, was

wirklich satt machte.

Welche Milch macht satt?



Blaue Feder ging den Weg der Alten Weiden. Sie dachte bei

sich, es war gut, älter zu werden. Wie die alten Weiden, ließ sie

sich nicht mehr so verbiegen. Was hatte sie alles getan für ein

bisschen Liebe, als sie jung war.

Sie kam zu dem Schlehengang, der wie ein Tor in eine andere

Welt dalag. Es gibt Orte, da stehen Weißdorn und Schwarzdorn

beisammen. In Irland wird gesagt, wo Weißdorn und Schlehe

beieinanderstehen, sei ein heiliger Raum und man könne

hier Feen und Elfen entdecken.

Der Stab der alten Cailleach war aus Schlehenholz. Der Stab,

der nun von der liebenden Mutter Modron weitergereicht wurde

zur alten Cailleach, die ihn wiederum im Frühling der jungen

Brigid überreichte. Wenn die alte Cailleach mit dem Stab gegen

die Erde schlug, erschuf sie den Frost und der Winter zog übers

Land.

‚Wer durch mich geht, kommt nicht mehr zurück.‘

Blaue Feder hörte diesen Satz in sich und erschrak etwas. Sie

hatte ihn auch nicht verstanden. Sie fragte noch einmal nach, wie

es gemeint war. Wer durch das Tor der Schlehen geht,

verwandelt sich und geht zur Winterkönigin. Sie könne ruhig

hindurchgehen, weil sie sich bereits gewandelt hatte. Sie sei

schon eine Winterkönigin.

Wenn wir durch Schlehen und Weißdornhecken gehen, dann

lassen wir immer etwas zurück. An den Dornen bleibt alles Alte

hängen, was wir nicht mehr brauchen. Wir kommen immer

verändert heraus. Es tut gut, ganz bewusst durch eine

Schlehengang zu gehen.

Sie nahm ihren Mut zusammen und ging mit Herzklopfen durch

den Schlehengang. In den Schlehen sah sie eine Amsel sitzen.

Ein Schlehenzweig war abgebrochen und Blaue Feder nahm ihn

auf. Sie würde ihn auf ihren Altar stellen. Achtsam ging sie durch

den Gang. Die Beifuß-Pflanzen auf der angrenzenden Wiese

bezeugten es. Auf der anderen Seite hörte sie Meisen singen

und sie tanzten um sie herum.

Sie war sehr erleichtert. Es war doch etwas unheimlich. Doch

nun fühlte sie sich wie befreit. Als sie aus dem Wald heraustrat

flog der Weiße Reiher direkt auf sie zu. Das Glückgefühl, das in

ihr hochstieg, konnte sie mit Worten nicht beschreiben.

Auf dem Heimweg sah sie wieder eine Amsel. Es war ihr, als

hätten die Amseln sie begleitet und sie bedankte sich bei ihnen.

‚Wässere die Blume der Amsel‘, hörte sie die Stimme in Herzen

sagen. Fühle Dich ein und folge Deinen inneren Impulsen.



7. DAS GRAB DER TÚATHA DÉ DANANN

Anfang November

In der Nacht träumte Blaue Feder vom Grab der Túatha Dé

Danann. Sie stand an ihrem Grab, eine Kerze brannte und sie

sah ein keltisches Symbol. Manchmal träumte sie solche Dinge.

Da wussten dann ihre Seele oder ihre Ahnen mehr als sie. Sie

wusste nicht viel über die Túatha Dé Danann.

‚Dana, Danu oder auch Anu war die Große Göttin der keltischen

Mythologie. Sie galt als Urmutter des Göttergeschlechtes der

Tuatha Dé Danann, dem Volk der Göttin Danu. Dana war

selbst die große Mutter Erde. Brigid - die Jungfrau, Danu - die

Mutter und Anu - die Greisin, bilden die Göttinnen-Trinität. In

der Nähe von Killarney gab es zwei Hügel ‚An Da Chich Annan,‘

die als die ‚Brüste der Dana‘ gelten. Dana erscheint hier als

Landschaftsgöttin, deren Körper das Land formt und an ihren

Brüsten die Menschen nährt.

Blaue Feder fühlte sich mit Irland sehr verbunden, wohl auch,

weil ihr Bruder dort lebte. Schon am Morgen riefen sie ihr Atelier

und ihre Wintergeschichte. Die Nacht war sternenklar und ein

bisschen Sternenstaub war in ihr Atelier gerieselt. Sie malte ein

neues Bild für ihre Wintergeschichte und es gefiel ihr.

Es hörte auf zu regnen und sie hatte den Impuls, den

Weißdornhain aufzusuchen. In Irland wurde und wird der

Weißdorn sehr verehrt und war ein Sinnbild für die Göttin. Das

Wäldchen mit dem alten Weißdorn war verkauft worden und

jemand versuchte es aufzuräumen. Sprich, im Weißdornhain

wurde ordentlich abgeholzt. Normalerweise reagierte Blaue

Feder allergisch auf alle Männer mit Kettensägen. Aber

irgendwie stört es sie nicht so sehr, wie sonst. Sie fand einen

Rehbockschädel und überlegte, was sie mit ihm machen wollte.

Sie mochte den Schädel nicht offen rumliegen lassen.

Mitnehmen mochte sie ihn auch nicht. Knochen gehörten für sie

in die Erde. Also begrub sie ihn am Fuße des Weißdornes bei

einem Fliegenpilz. Damit fühlte sie sich wohler. Manchmal kam

sie sich albern vor, bei solchen Aktionen, aber wie im Traum,

hatte sie den Eindruck, ihre Seele wusste einfach manchmal

mehr als sie. Oft erfuhr sie erst später, warum sie manche Dinge

tat, wie sie sie tat. Wie im Traum stand sie nun an einem Grab.

Sie dachte an den Hirsch, der nun in die Unterwelt ging, bis er

im Frühjahr wieder ans Licht zurückkam. Nun fiel ihr ein, es war

der Todestag ihres Vaters. Vieles war schief gelaufen in ihrer

Beziehung zu Lebzeiten. Mit dem Hirschkopf übergab sie es

Mutter Erde und dem Weißdorn. Sie würden wandeln, was zu

wandeln war. Hinterher saß sie noch eine Weile auf der Bank

und paffte mit der Alten vom Weißdorn eine Pfeife.



8. DIE MIT DEN REIHERN TANZT

November Vollmond

Im Traum fand Blaue Feder große Federn und sammelte sie

ein. Es waren Frauen um sie herum, die fanden das

merkwürdig. Blaue Feder scherte es nicht. Sie fragte sich

nur, von welchem Vogel die Federn wohl waren?

Schon am Eingang des Moores tanzten zwei weiße Reiher. Im

leichten Nebelfeld hörte Blaue Feder die Reiher im Moor

schreien. Überall hörte sie die krächzenden Stimmen. Als wollten

sie ihr etwas sagen – so etwas wie:

‚Noch nicht – hast Du in Ruhe geschaut – hast Du alles

liebevoll bedacht – lass es noch ruhen – gib ihm die richtige

Würze – gehe in die Stille‘

Blaue Feder wollte Ihre Wintergeschichte veröffentlichen. Sie

ging zur Grünen Bank wie in ihrem Buch ‚Die Winterkönigin‘

und kam an neuen Muschelbänken vorbei. Sie setze sich auf die

Bank am kleinen Birkensee, lauschte in die Stille und versuchte

hinein zu tauchen. Ein weißer Reiher setzte sich ein paar Meter

neben sie. Sie schloss die Augen und sah die Weiße neben sich

auf der Bank sitzen. Sie machte erst einen Joke, als wenn sie

Blaue Feder beißen wollte.

Na, hast Du Angst vor mir?

Sie war Jene, die Herzen heilt, die Weiße Frau, die Heilerin.

Was ist, wenn nichts im Außen ist? Wie fühlt sich das an –

unsicher – unruhig? Gar nicht so einfach loszulassen und zu

vertrauen. Was ist, wenn Du Dich im Nichts auflöst?

Blaue Feder öffnete die Augen und versuchte den weißen Reiher

neben sich zu fotografieren, aber sie flog weg. Sie versuchte es

noch einmal und die Kameralinse beschlug.

Was willst Du festhalten?

Sie ging um den See herum und stand an einem alten Feuer. Sie

ging zurück und quetschte sich durch die Birken. Es war ein

schmaler Weg – ein Birkentor. Dann erblickte sie den weißen

Reiher durch das Schilf auf der Wiese zur Gänsekuhle. Sie und

die Weiße waren eins.

Jeder heilt sich selbst



Vielleicht musste sie, was sie schrieb, erst einmal selbst

erfahren. Manchmal schrieb sie von Dingen, die sie selbst noch

gar nicht verstand und lebte. Ihre eigene Reise offenbarte sich,

während sie es malte, webte und schrieb. Auf diese Weise

wurden ihr die Dinge bewusst. So war es mit der Heilung. Sie

geschah, während sie Erfahrungen machte und sie konnte

immer wieder neu etwas probieren, bis es sich stimmig anfühlt.

Blaue Feder ging weiter und fand sich wieder in einem Schwarm

von Schwanzmeisen. Sie freute sich über ihre Lebendigkeit. Eine

Alte kam des Weges mit einem freundlichen Gesicht. Die beiden

Frauen unterhielten sich eine Weile über die Vögel. Die Alte war

besorgt, weil die Vogelzahlen immer weiter zurückgingen. Blaue

Feder dachte, es wird alles gut, aber sie sagte nichts, weil sie es

nicht sicher wusste. Sie wollte es gerne glauben. Sie wollte auch

keine Angst vor dem Tod haben, der ja nur eine Reise in eine

andere Welt war, aber sie hatte Angst. Sie schaute der Alten

hinterher und sie bewunderte sie, wie sie da so sportlich ihre

Runden zog. Eigentlich wollte sich Blaue Feder auch mehr um

ihren Körper kümmern. Sie hatte es sich versprochen. Tat sie

immer, was sie schrieb? Warum wollte sie ihr Buch so schnell

veröffentlichen. Warum so schnell – anstatt sich Zeit zu nehmen

und es in Ruhe fertig zu machen? Sie tauchte in einen Schwarm

Wintergoldhähnchen. Irgendetwas geschah mit ihr.

Sie war nicht mehr die Alte, die alles überspielte.

Sie wollte sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es ging

nicht um ’schön‘, sondern um den Inhalt.

Es ging nicht um ’schnell‘, sondern darum, sich Zeit zu lassen.

Auch, wenn das Buch erst im kommenden Jahr fertig sein würde,

machte es nichts – ihre Kunst war zeitlos.

Sie hörte ihre Schwestern rufen. Die Graugänse kamen und

flogen ein paar Runden um Blaue Feder und luden sie ein zu

einem Flug. Runde um Runde verstehen wir mehr - lassen los

und landen immer mehr im Sein. Sterben tausend Tode, immer

und immer wieder und lachen über unsere kleinen Dramen.

Blaue Feder sah die Alte wieder laufen. Bei ihrem Auto

angekommen, machte sie Leibesübungen. Die beiden Frauen

lachten sich wieder an. Die Alte erzählte, sie hätte einen

Schwarm Gimpel gesehen und Blaue Feder erzählte von den

Wintergoldhähnchen.

Es gibt immer welche, die laufen voraus. Sie sind mutig. Oft

werden sie nicht verstanden und manchmal auch belächelt.

Auf ihrem Heimweg sah sie noch einmal die Weiße fliegen und

bedankte sich. Das alte Jahr hatte mit Schwanzmeisen

begonnen und nun endete es mit Wintergoldhähnchen. Es

begann etwas Neues und achtsam wollte Blaue Feder

weitergehen. Sie selbst war es, die ihre Kunst manchmal nicht

ernst nahm. Sie selbst dachte, es sei doch alles Nichts. Liebevoll

wollte sie noch einmal auf das schauen, was sie geschaffen

hatte, schauen, welche Worte sie in ihr Buch schrieb. Und ein

Rotkehlchen sang:

Höre auf Dein Herz



9. DIE MENSCHEN HABEN DAS WARTEN

VERLERNT

Ende November

Sie waren in diesem Jahr früh dran mit ihrer Weihnachtsfeier in

diesem Jahr. Weihnachtsstimmung wollte nicht aufkommen.

Nach der Weihnachtsfeier saß Blaue Feder bedröppelt in der

Firma und entschied, nach Hause zu fahren. Je älter Blaue Feder

wurde, desto länger brauchte sie, sich von einer Feier zu

erholen, auch wenn diese sehr schön war.

Sie machte sich auf den Heimweg. Der Bus fuhr ihr vor der Nase

weg. Also ging sie zu Fuß zur U-Bahn und wartete auf die Bahn

zur Sternschanze. An der Sternschanze musste sie wieder

warten. Ob sie ihre Bahn kriegen würde? – Nein, sie bekam sie

nicht. Auf der Anzeigetafel sah sie, die nächste Bahn fuhr ab

Elmshorn und so entschied sie sich mit dem Bummelzug nach

Elmshorn zu fahren.

Pinneberg – Prisdorf -Tornesch – Elmshorn

Nun musste sie auf den Zug nach Itzehoe warten. Sie nutzte die

Zeit, um in die Stadt zu gehen. Elmshorn kannte sie nicht. Sie

kaufte sich ein Stück Gebäck, ging zurück und sah dann, dass

der Zug auf einem anderen Gleis abfuhr. Sie stieg dann in den

nächsten Bummelzug nach Itzehoe.

Herzhorn - Glückstadt- Krempe – Kremperheide – Itzehoe

Ihr fielen die schönen Namen der Haltestellen auf. Irgendwann

würde sie wieder einmal mit dem Bummelzug fahren, an jeder

Station aussteigen und die Gegend erkunden. Nun musste sie

auf das stille Örtchen und bezahlte dafür einen Euro im

thailändischen Restaurant. Danach saß sie eine Weile in der

Wartehalle. Auf dem Bahnsteig traf sie eine ältere Dame, die sich

auf dem Weg nach St. Peter-Ording befand. Sie erzählte, ihr Zug

nach Westerland hätte nicht gewartet, weshalb sie auch den Zug

nach Heide nahm. Blaue Feder zog ihr kleines neues Buch ‚Der

Blaue Weg‘ aus dem Rucksack und begann darin zu lesen.

Wilster – Burg - St. Michaelisdonn – Meldorf – Heide

Beim Aussteigen traf sie die ältere Dame wieder. Sie sagte:

„Die Menschen haben das Warten verlernt. Alles schon so früh

– im September gibt es schon Spekulatius und Lebkuchen.

Überall stehen schon geschmückte Weihnachtsbäume. Zu ihrer

Zeit gab es nur ein Buch zu Weihnachten und darauf hatte sie

sich sehr gefreut.“

Die ältere Dame war wohl 20 Jahre älter als sie selbst. Blaue

Feder hatte ein Gefühl, als hätte sie jetzt fünf Wochen frei. Dem

war nicht so, aber die langsame Bahnfahrt hatte etwas mit ihr

gemacht - Ruhe war eingekehrt.


Es störte sie auch nicht mehr, in Heide auf den Bus zu warten.

Fünf Stunden hatte sie für den Heimweg gebraucht, der sonst

zwei Stunden dauerte. Es hatte eine Zeit gegeben, da gingen die

Menschen zu Fuß. Was waren da schon fünf Stunden Bahnfahrt.

Außerdem hatten sie es warm gehabt in den Zügen.

Die alte Frau hatte schon recht, die Menschen hatten verlernt zu

warten. Immer sollte alles schnell, schnell gehen. Dabei

brauchten gute Ding ihre Weile. Blaue Feder hatte sich Zeit

genommen für ihre Wintergeschichte.

Das Warten lernte Blaue Feder nach und nach von den Reihern,

die Meister der Meditation waren. Lange stehen sie still auf

einem Bein bis zu einem geeigneten Moment, in dem sie

blitzschnell ihren Fisch fangen.

Die Adventzeit stand bevor und das große Warten auf die Geburt

des Neuen Lichtes begann. Blaue Feder wartete auch. Sie hatte

eine Nachricht bekommen, ihr Buch sei unterwegs. Sie hatte

eine Winter-Geschichte ‚Das Lied der Winterkönigin‘ gemalt,

geschrieben und drucken lassen. Nun erwartete sie voller

Vorfreude das Eintreffen ihres Buches.


10. KUHLE NR. 13 - Halkyonische Tage

Blaue Feder war auf dem Weg zur Grünen Bank beim Kleinen

Birkensee. Die Birken im Moor waren oft mit Moos bewachsen

und schienen etwas dunkel. Aber auf dem Weg zum Kleinen

Birkensee leuchtete sie Weiß und Schwarz.

Es gab eine Schranke an dem Weg und sie fragte, ob sie

eintreten durfte. Dieses Land gehörte wem. Wenn sie diesen

Weg ging, hörte sie Kinderlachen aus einstigen Tagen. Die

Kinder hatten hier gespielt und ein Floß gebaut, es mit einer

Schnur über den kleinen See gehangelt. Jetzt diente es den

Reihern als Ruheplatz. Überall lagen Teichmuscheln. Woher

kamen bloß die vielen Muscheln, die Blaue Feder im Moor fand?

Mal wieder so eine Frage, die ihr nachging. Es musste schon ein

großer Vogel sein, der sie herbrachte. War es überhaupt ein

Vogel? Sie wusste es nicht, aber vielleicht würde sie es mit der

Zeit ja herausfinden.

Der Weg erzählte nicht nur von Kinderlachen. Er erzählte auch

vom Tod. Blaue Feder fand das Gerippe einer Schlange und

viele Rupf-Plätze. Hier hatte es eine Ente erwischt, dort einen

anderen Vogel. Weiß und Schwarz, Leben und Tod, wie bei den

Birken verband sich die Jugend mit dem Alter. Blaue Feder liebte

seit Kindheitstagen die Birken. Sie erinnerten sie an die endlosen

Wälder in Finnland, in die sie gereist waren. Dort hatte sie sich

einen Löffel aus Birkenholz geschnitzt. Wo der wohl geblieben

war? Als junge Frau besuchte sie einen Birkenbaum in der

Nordheide. Er spendete ihr Trost, wenn sie traurig war.

Sie ging zu ihm, wenn sie Fragen hatte. Oft saß sie an seien

Stamm gelehnt, malte und träumte von den Geschichten, die dort

stattfanden.

Oft stiegen alte Bilder in ihr auf, wenn sie in Heide-Landschaften

unterwegs war. Sie wusste nicht, woher die Bilder kamen. Es

waren wohl Bilder aus vergangen Zeiten. Doch was war mit den

Bildern jetzt? Mutter Erde veränderte sich und vielleicht mit ihr

auch die Geschichten. Was erzählte die Erde jetzt für

Geschichten? Blaue Feder wollte diesen Geschichten lauschen.

Was erzählte ihr das Land? Was erzählten ihr die Birken?

Mit den Birken fing immer etwas Neues an. Blaue Feder spürte,

wie etwas Neues begann. Ihr Herz spürte es. Sie würde

versuchen, die Geschichten ihres Landes zu schreiben. Sie

würde versuchen, was sie empfand in Worte zu fassen. Sie

würde sich nach und nach immer mehr mit Land vertraut machen

und eins werden mit ihm. Vielleicht würde sie ihre Furcht vor dem

Fremden fallen lassen und eintauchen in die Welt dahinter.

Für sie gab es mehrere Welten nebeneinander. Manchmal

erhaschte sie einen Blick in eine andere Welt. Dann ging sie

ganz beseelt nach Hause. Dort, wo die grüne Bank stand,

leuchteten die Birken besonders. Ein Glanz lag hier über dem

kleinen See. Vielleicht, weil die Menschen, denen dieses Stück

Land gehörte, sich um die Tiere sorgten.



Es gab hier Futterstellen. An diesem Ort standen viele

Weißdorne, hübsche kleine Bäume mit roten Früchten. Die

Birken spiegelten sich im Wasser. Blaue Feder sah wieder den

weißen Reiher dort sitzen. Nicht weit von ihr entfernt. Die Reiher

begleiteten sie. Sie kamen jetzt sogar manchmal ins Dorf

geflogen. Flogen über Blaue Feder Haus. Sie tanzte mit den

Reihern.

Sie hatte heute auch einen Beutel mit Vogelfutter dabei. Als sie

wieder auf dem Libellenweg war, sah sie in der Ferne einen

großen Vogel sitzen - einen Bussard vielleicht? Sie kam zum

Schwanensee. Hier hatten die Menschen im Sommer neue

Bäume gepflanzt und ein wenig aufgeräumt. Der Schwanensee

lag leer und verlassen da. Den Weg hierher hatten Möwen Blaue

Feder begleitete. Es waren viele Möwen im Binnenland.

Vielleicht war ein Sturm an der Nordsee. Wenn sie Möwen sah,

hatte sie auch den Eindruck, etwas Neues stand vor der Tür.

Blaue Feder ging zur Gänsekuhle und schon aus der Ferne sah

sie die Vögel auf dem Wasser. Ihr Herz hüpfte. Waren die Gänse

gekommen. Sie ging den kleinen Weg durch alte Baumstümpfe.

Dann sah sie einen ganzen Trupp Gänsesäger in Braun und

Schwarzweiß. Sie freute sich. Sie sah einige weiße Silberreiher

und Graue Reiher. Eine Gänsesäger Dame hatte sie das erste

Mal im vergangenen Jahr auf dem Schlangensee gesehen.

Vielleicht waren die Gänsesäger Wintergäste. Dann beobachtet

sie, wie die weißen Reiher in ein Waldstück links neben der

Gänsekuhle flogen. Ob sie dort ihren Rückzugsplatz hatten?

Währenddessen hörte sie das klopfende Geräusch der alten

Dame, die mit ihren Gehstöcken des Weges kam, wie schon am

vergangenen Freitag. Die beiden Frauen, die sich freitags immer

trafen, lachten sich an und sprachen ein bisschen über Sport.

‚Ja, sie mache viel Sport‘, sagte die Alte und sie schaute sich

das farbverschmierte Shirt von Blaue Feder an. Bei dem Wort

‚Sport‘ hatte sie wieder ein schlechtes Gewissen, weil sie so faul

war.

Sie kam zur Kuhle Nr. 13. An dieser Kuhle wurde es für sie meist

etwas verrückt, glitt sie hinüber in eine andere Welt. Der

Buntspecht und die alte Dame hatten es schon angekündigt.

Blaue Feder hatte Herzklopfen. Sie war noch nie näher an die

Kuhle 13 gegangen. Sie fasste sich ein Herz und ging. Die Sonne

schien warm. Es war heute warm und der Wind hatte sich gelegt.

Ein richtig schöner Tag, wie die beiden Frauen feststellten.

Als Blaue Feder am Seeufer stand erblickte sie rechts einen

Weg, den sie ihn ein Stück entlang ging. Dann lagen Wellbleche

über einen feuchten Abschnitt und sie traute sich nicht

hinüberzugehen. Wenige Meter vor sich erblickte sie die

Silhouette eines weißen Reihers, ja noch ein weiterer schien dort

zu sitzen. Hier hatten sie etwas abgelegen einen Rückzugsort

gefunden. Sie blieb ruhig stehen, sie wollte sie nicht stören, ging

schließlich leise zurück. Sie kam sich vor, wie ein Eindringling.

Auch sie brauchte ihre Rückzugsorte, wo sie ungestört war. Das

kannte sie gut und respektierte es.

Das Klopfen eines Buntspechtes ließ sie weitergehen. Oben in

den Birken saß er und schlug die Trommel.



So setzte sie sich ans Ufer von Kuhle 13 und genoss die Sonne.

Das Moos war nass, aber es störte sie nicht. Es war warm und

lauschig. Wie aus dem Nichts sah sie einen blauen Schatten

über den See fliegen. Ein blauer Eisvogel glitt über das Wasser

und setzte sich gegenüber ans Ufer. Lange hatte sie keinen

Eisvogel mehr gesehen. Im Graben auf ihrer Runde waren die

Eisvögel verschwunden. Vermutlich, weil die Gräben immer

wieder ausgebaggert wurden. Hier hatte auch er einen

Rückzugort gefunden.

Blaue Feder freute sich. Es war ein schöner Tag - ein wahrer

‚Halkyone Tag‘. Als sie wieder zuhause war, recherchierte sie

über den Eisvogel. Dann las sie von der griechischen Sage von

‚Halkyone und Keyx‘ und den ‚Halkyonischen Tagen‘ rund um die

Wintersonnenwende.

Sieben Tag brauchte der Eisvogel, um sich ein Nest zu bauen

und sieben Tage, um sein Ei auszubrüten. In diesen Tagen war

es windstill, damit der Vogel in Ruhe brüten konnte. Wie es so

war, nahm Blaue Feder den Ordner mit dem Kurs von Sharon

aus Irland, einem Kurs zur weisen Frau, zur Hand. Auch hier las

sie über die Halkyone Tage. Sie hatte einen Halkyonischen Tag

erlebt und die Wintersonnenwende stand bevor.

Sie würde diese Tradition fortführen oder ausprobieren, was es

damit auf sich hatte. Sie würde sieben Tage lauschen, wie

Halkyone ihr Nest baute und sieben Tage lauschen, wie sie ein

Ei bebrütete. Was würde herausschlüpfen? Blaue Feder war so

aufgeregt über ihre Entdeckung, dass sie gar nicht einschlafen

konnte den Abend. Sie lag lange wach und ihr Herz hüpfte.

Es wurde erst ruhiger, als sie sich versprach ihre Erfahrungen

aufzuschreiben. Nun hatte sie eine neue Fährte die Halkyone

Tage. Was würde sie erleben? Sie entschied nichts zu planen für

das nächste Jahr bevor nicht die Winterpause vorbei war.

Vielleicht blieb sie das kommende Jahr daheim und schrieb auf,

was sie erlebte, malte Karten vom Moor. Es gab viel zu

entdecken. Das Land wollte Blaue Feder ihre Lieder singen und

sie wollte sie aufschreiben, so gut wie sie halt konnte. Vielleicht

war es von Vorteil, dass sie nichts wusste. So war sie offen und

begegnete allem vorurteilsfrei. Immer wieder stellte sie fest, wie

sie geführt wurde - wie ihre Geisthelfer ihr halfen.

Sie war hier am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und sie ging mit

dem, was sich ihr zeigte. Als sie zurückging, sah sie die Weißen

Reiher, drei an der Zahl. Am Ende sah sie noch einmal den

Bussard, der sie schon den ganzen Tag begleitet hatte. Der ihr

einen groben Überblick gab, was auf sie zu kam. Sie wollte die

Zusammenhänge erfahren. Das konnte sie nur, wenn sie

eintauchte. Eintauchte in die Geschichten ihres Landes. Wenn

sie ihren Forscherinnenhut aufsetzte und losmarschierte. Sie

lernte über die eigenen Erfahrungen und sie hatte Zeit.

Zeit ihr Land zu erkunden

Sie musste noch viel lernen. Das Land würde ihr alles

beibringen. Wichtig war sich gut um die Tiere zu kümmern.

Überall sah sie Meisenknödel im Moor - viele Menschen

kümmerten sich. Das war ein schönes Gefühl. Zuhause

angekommen strich ihr die kleine Tigerin um die Beine. Sie war

noch vorsichtig, aber eine neue Freundschaft nahm ihren

Anfang.



11. TROST DER WINTERGOLD-HÄHNCHEN

Dezember Neumond

Es war Neumond und Blaue Feder hatte Kopfschmerzen. Es

schüttete und windete, sie wartete auf den Heizungsmenschen.

Sie ging ihr Atelier aufräumen und das Jahr ausklingen lassen.

Sie wollte schauen, ob noch etwas abgeschlossen werden

wollte. Dann kam der Monteur war und reparierte die Heizung.

Blaue Feder hatte aufgeräumt und nun ging sie eine kleine

Runde. Die ganzen Abholzungen hoben ihre Stimmung nicht.

Sie dachte, die Knicks würden unter Naturschutz stehen, aber

sie wurden wie wild abgeholzt. In ihrem kleinen Wäldchen kamen

zwei Wintergoldhähnchen geflogen und setzten sich einen

halben Meter von ihr auf die Zweige. Es war ihr, als würden sie

sie trösten: ‚Sei nicht traurig. Mach einfach weiter. Die Natur

holt sich alles wieder zurück.‘ Dieser Vogel war so winzig und

doch ein König. Blaue Feder kam sich manchmal so

bedeutungslos vor. Was konnte sie schon bewirken? Fanden

ihre Geschichten überhaupt einen Anklang?

Im Traum hatte sie kurz einen Blick ins Paradies erhascht.

Sie sah einen Baum mit wunderschönen bunten Vögeln.

Das Paradies war jederzeit da. Auch im abgeholzten Wald waren

diese Wintergoldhähnchen mit ihrer Liebe. Es war alles da! Es

war vielleicht manchmal nicht in ihrem Denken, aber in ihrem

Herzen. Öffne Dein Herz, dann ist das Paradies überall. Was

willst Du noch haben? Du lebst im Paradies. Verbinde Dich mit

der Liebe und lass sie fließen.

Mach aus Scheiße Gold und alles wandelt sich. Es gibt viele

Welten nebeneinander.

Es war eine Frage, wie sie die Dinge betrachtete. Entweder

leuchten die Kerzen am Baum oder sie sind aus. Das Paradies

war immer gegenwärtig. Ob wir uns dafür öffnen, liegt an uns.

Lass Deinen Baum leuchten, egal wo Du bist - ob in der Stadt,

auf dem Land. Wo Du bist, da ist die Liebe und die Liebe heilt

alle Wunden. Sie ist einfach da und fließt. Wer in Liebe geht,

hinterlässt Spuren - Spuren aus Licht. Diesem Licht können

andere folgen. Nichts geht verloren. Manchmal sehen wir nicht,

was wir tun. Fühlen uns klein und unbedeutend, aber einfach

indem wir sind, wie wir sind, hinterlassen wir Spuren. Sei

einfach da und leuchte. Auch der kleinste Vogel kann ein König

sein und Du eine Königin in Deinem Reich. Sei dankbar für all

das, was Du schon entdeckt hast und gehe einfach weiter. Es

gibt noch vieles mehr zu entdecken. Lass die Forscherin Dich

führen. Setze Deinen Forscherinnenhut auf und betrachte die

Welt mit den Augen des Kindes, das den Zauber sieht. Den

Zauber der Weihnacht, wo Wünsche wahr werden, wenn man an

sie glaubt. Es gibt immer Momente, wo wir zweifeln. Dann

stehen wir wieder auf und machen weiter. Wie der Kater auf

der Pirsch. Er hat so viele Misserfolge, fängt eher selten eine

Maus. Aber gibt er auf? Nein, er macht einfach weiter und

Blaue Feder machte auch einfach weiter.




12. BÜSUMER WINTERSONNENWENDE

In der Mütternacht hatte Blaue Feder einen Traum:

Im Traum schnappte sie sich ihr Kind, gab ihm einen Kuss auf die

Nase und dann mussten sie mit einem Schiff über einen Kanal setzen.

Das Schiff war alt und leck. Die Frauen auf dem Schiff eingepfercht

wie Schafe. Aber sie schafften die Überfahrt und Blaue Feder

sammelte ihre Sachen zusammen. Sie hatte einen Kamm für

Dauerwellen dabei. Als sie ihre Haare damit kämmte, vielen die

Dauerwellenhaare aus und darunter kam eine silberne glatte Frisur

zum Vorschein. Noch die Ohren freischneiden und die Frisur war

perfekt.

Interessant war das Bild mit den alten Dauerwellen. Vielleicht

beruhigte sich jetzt die See. Am schönsten war der Kuss auf die

Nase und der Blick des Kindes, das sich freute.

Es ging nach Hause und auf zu neuen Ufern. War das ein

Widerspruch? Es war ihr nicht mehr so wichtig, ob sie verstanden

wurde. Sie wollte es auch nicht mehr allen recht machen. Sie

wollte ihrem wilden Kind folgen, auch auf die Gefahr hin sich mal

zu verlieren oder nicht verstanden zu werden. Oft fiel es ihr

schwer, ‚Nein‘ zu sagen. Aber jedes ‚Nein‘ war ein ‚Ja‘ für sie

selbst.

Brauner Bär überraschte sie mit einem Ausflug nach Büsum.

Lustig wie Beide mit den Automaten für die Fahrscheine nicht

klarkamen. Der erste schluckte das Geld, spuckte aber keine

Fahrkarte raus. Also fuhr Blaue Feder ohne Karte.

Dann standen sie in Büsum vor einem Bilderladen und Blaue

Feder fiel gleich das Meer-Bild mit den Wellen ins Auge. Es

erinnerte sie an ihren Traum. Büsum gefiel Blaue Feder nicht so

wirklich. Das Meer wurde mit großen Häusern zugebaut. Alles

war so zubetoniert und überall englischer Rasen. Der

Spaziergang durch die bunten Krabbenkutter war aber schön. Es

war windstill und das Wasser wie ein Spiegel. Der Moment auf

der Kaimauer mit dem aalglatten Meer und dem Nebel war

überirdisch schön.

Eintauchen in die Weite des Nichts.

Dieser Vollmond hatte sehr viel Liebe im Gepäck – eine

bedingungslose Selbst-Liebe.

Selbstliebe kann eine Seelenaufgabe sein.

Das hatte Blaue Feder irgendwo gelesen – wie spannend. Wenn

es in uns ruhig wird, sich die Wellen legen, dann werden wir

selbst zu einem Spiegel. Als es anfing zu regnen, suchten sich

die Beiden ein Café und fuhren dann mit dem Bummelzug

zurück. Auch die Automaten in der Bahn funktionierten bei ihnen

nicht. Blaue Feder zog eine Karte für 1,35 € von Heide nach

Heide. Blauer Bär bekam keine Karte aus dem Automaten. Sie

lachten. Diesmal fuhr Brauner Bär schwarz. Sie setzten sich in

die Nähe des Automaten, falls ein Schaffner kam. Junge Leute

stiegen ein und hatten keine Probleme mit den Automaten. – Ja,

ja, sie wurden wohl älter. Am Abend saßen sie zusammen am

Feuer, naschten Pfefferkuchen und freuten sich über den

schönen Tag.



13. KINGFISHERS SECRET

Ein Freitag im Januar

Die Begegnung mit dem Eisvogel erinnerte sie an die Sage von

‚Halkyone und Keyx‘. Einer Geschichte aus dem alten

Griechenland. Einer Geschichte über die Wandlung durch Liebe.

Einer Geschichte aus den Metamorphosen von Ovid.

Blaue Feder fing an, ein Bild zu gestalten und es war ein längerer

Prozess. Mit Perlen in den Farben Griechenlands wollte es

bestickt werden. Sie fand eine alte Kette mit Kaurischnecken und

unbekannten Samen. Auch die wollten ins Bild gewebt werden

wie auch ein paar Muscheln von der Nordsee und ein paar grüne

Glassteine mit Libellen darauf. Sie schnitt einige Schablonen zu,

um einen Stoff zu bedrucken.

Aus den Schablonen-Resten formte sich ein kleines Märchenbild

und sie sah darin den Blauen Vogel fliegen. Immer mal wieder

gibt es diese schönen halkyonischen Momente. Momente der

Stille und Glückseligkeit. Dann fängt der Wind wieder an zu

wehen. Mal aus dem Osten, mal aus dem Süden, dem Westen

oder dem Norden.

Der Ostwind erzählt vom Neubeginn. Denn dort geht die Sonne

auf und werden die Träume geboren.

Der Südwind öffnet das Herz für die Welt des Kindes. Er

erzählt vom Vertrauen in das Unbekannte.

Der Westwind bringt die Leichtigkeit. Mit ihm wird alles

abgelegt, was für die Reise hinderlich ist. Er schaut tief nach

Innen.

Mit dem Nordwind weht das Lied der alten Weisen herüber und

der Mut, weiter den eigenen Weg zu gehen.

Ab und zu gibt es auch mal einen richtigen Sturm.

Davon singt die Sturmmöwe ein Lied.

Blaue Feder ist ihr im Sommer begegnet und sie hat ihr ein paar

Federn mit auf den Weg gegeben.

‚Wie die Sturmmöwe im Wind

die Flügel ausbreiten

und sich tragen lassen‘

Was der kleine Blaue Vogel in seinem Goldenen Ei ausbrütet,

wird sich wohl mit der Zeit zeigen. Welche unbekannten Samen

sie wohl ins Bild gewebt hat?

Blaue Feder hatte längst nicht alle Facetten dieser Geschichte

erforscht. Sie würde weiter dem Wind lauschen und all den

Federn, die sie im letzten Jahr gesammelt hat. Nach und nach

lernte sie vielleicht die Federn zu lesen.



14. DEN REHEN AUF DER SPUR

Kurz vor dem Vollmond im Januar

Schon seit einiger Zeit hatte Blaue Feder ein kleines Loch in ihrer

Manteltasche. Aber der Schlüsselbund war zu dick, als dass er

durch das Loch fallen konnten. Blaue Feder war schon in der

Früh aufgebrochen, um den Sonnenaufgang im Moor zu

genießen. Sie musste vorsichtig gehen. Es hatte in der Nacht

geschneit, gefroren und ihre Schuhe waren rutschig. Sie machte

sich manchmal Stress, am richtigen Ort zu sein, um ein schönes

Foto zu machen. Dabei kam alles zu ihr, wenn sie so weit war.

Sie versuchte loszulassen und achtsam den Weg zu gehen. Sie

ging zum Großen Mondsee und folgte dann den Rehspuren im

Schnee. Sie führten zum See der Reiher. Ab und an brach sich

die aufgehende Sonne ihre Bahnen. Sie ging über die kleine

Brücke, glitt aus und landete auf ihrem Po. Hier, wo sie auf ihrem

Allerwertesten gefallen war, stand ein Schild, das ein wenig über

das Ostroher Moor erzählte. Es stand dort geschrieben, wie das

Moor mit dem Wasser der Broklandsau gespeist wurde. Blaue

Feder fragte sich, ob dieser kleine Fluss wohl die BroklandSau

war. Sie folgte dem fließenden Gewässer. Doch der Weg endete

bald. Blaue Feder hatte auf dem Schild statt Broklands-Au –

Brokland-Sau gelesen - so war die Idee von der Brokland-Sau

geboren.

Sie wollte noch einmal zur Gänsekuhle gehen und schauen, ob

sie noch offen war. Dort angekommen, sah sie einen weißen

Reiher sitzen - ein weißer Reiher im weißen Schnee, welch ein

schönes Bild. Als sie näherkam, entdeckte sie die drei Schwäne

auf dem See. Im weißen Schnee konnte sie die Schwäne von

Weitem nicht sehen. Sie war mal wieder verzaubert. Auf dem

Rückweg begegneten sie wieder den Rehen und folgte ihnen auf

ihrem Weg, den sie schon am Morgen gegangen war. In der

Tasche klimperten ihre Schlüssel. Sie dachte bei sich, sie mache

viel zu viel Lärm. Als sie nach Hause kam, merkte sie, sie hatte

den Schlüssel verloren. Es gab zum Glück einen

Ersatzschlüssel, und so frühstückte sie erst und ging dann noch

einmal los.

Dreimal ging sie dann den ‚Weg der Rehe‘. So hatte sie den Weg

nun getauft. Sie folgte ihren eigenen Spuren im Schnee. Am

Anfang war sie noch voller Zuversicht, weil sie ein Bild in sich

hatte, wo sie den Schlüssel wohl verloren hatte. Aber sie fand

ihn dort nicht. In der zweiten Runde meldete sich die

Verzweiflung bei ihr. Sie machte sich Vorwürfe. Sie strengte sich

immer so an, alles richtig zu machen, anderen gerecht zu

werden. In der dritten Runde kriegte sie sich wieder ein. Sie

setzte sich an den Großen Mondsee, weinte eine Weile und

entschied, es waren einfach nur drei Schlüssel und sie konnte

sie nachmachen lassen. Ihr kam die Geschichte ‚Die drei

Schlüssel‘ in den Sinn. Jene Geschichte handelt von Drei

Schlüsseln zum Himmelreich. Sie erzählt vom Mitgefühl, vom

Mitgefühl mit den Menschen, vom Mitgefühl mit den Tieren und

vom Mitgefühl mit den Pflanzen. Innerlich nahm sie sich selbst in

den Arm und dachte. ‚Entspanne Dich! Erfreue Dich einfach an

der Natur. ‘

Da brach der Himmel auf und spiegelte sich Blau im Wasser des

Großen Mondsees. Auf dem Heimweg flogen drei Schwäne an

ihr vorbei und das Herz von Blaue Feder war wieder leicht.



15. Crazy Speed 13

Mond in der Waage im Januar

Es war kalt im Tal der BroklandSau. Die Temperaturen lagen um

den Gefrierpunkt, aber gefühlt war es kälter. Es wehte ein leicht

böiger Wind aus Südwest. Blaue Feder heizte am Morgen erst

einmal die Küche ein. Dann begrüßte sie ihre neue Freundin, die

kleine Tigerin von nebenan. Sie war genauso ängstlich wie Blaue

Feder. Aber sie kam schon ins Haus und untersuchte alles

vorsichtig. Bei jeder Bewegung schreckte sie zusammen. Sie

waren jetzt schon gute Freunde und hatten wohl ähnliche

Themen.

Blaue Feder sann darüber nach, was für sie eigentlich

Freundschaft war. Sie hatte eine enge Freundin und sie hatte in

Brauner Bär den besten Freund. Freundschaft hatte für sie viel

mit Freiheit zu tun. So wie die kleine Tigerin nicht eingesperrt

sein mochte, mochte auch Blaue Feder nicht eingesperrt ein. Sie

brauchte ihre Freiräume. Zum Beispiel ihre Frei-Tage, wo sie tun

und lassen konnte, was sie wollte. Sie fühlte sich auch innerlich

mit einigen Frauen verbunden, die alle ihren eigenen Weg

gingen. Blaue Feder hatte viele Freunde in der Natur: die Vögel,

die Tiere, die Bäume, die Pflanzen und das Land war ihr eine

Freundin geworden. Hier fühlte sie sich nie allein. Es gab so viele

Wesen, die sie zwar nicht sehen konnte, und doch sprach die

Natur mit ihr auf ihre Weise.

Am Morgen war der Eichelhäher im Garten, auch ein lieber

Freund. Die Amsel sprach davon, nach innen zu gehen.

Wenn Blaue Feder zu sehr nach Außen ging, dann verlor sie sich

manchmal und hatte dann das Gefühl ihr fehle etwas. Wenn sie

so mit sich hier war, dann hatte sie alles. Sie ging los. Die kleine

Tigerin strich ihr um die Beine. Der Ostroher Tannenbaum stand

noch, als wäre die Zeit stehen geblieben. Auf den Wiesen

entdeckte Blaue Feder zwei Kormorane. Die großen Vögel

suchten wohl die Gräben auf, die noch nicht zugefroren waren.

Als Blaue Feder die beiden beobachte, machte von hinten ein

weißer Reiher lautstark auf sich aufmerksam. Er war mittlerweile

auch ein guter Freund von Blaue Feder. Sie begrüßte das Land

und die Schafe in ihrem dicken Fell.

Der Fuchsloch rief sie. Es war ein kleiner Berg, wo es neun

Stufen hochging. Berge gab es hier nicht so viele. Auch dieser

war mehr ein kleiner Hügel. Doch hatte sie von dort einen

schönen Blick auf das Land. Wieder waren Männer mit

Kettensägen unterwegs gewesen und überall auf den Wegen

lagen die die abgesägten Bäume.

Schon von Weitem sah Blaue Feder, dass es auch die Sieben

Pappelschwestern erwischt hatte. Es standen nur noch Fünfe

von den Schwestern. Sie war traurig und wütend. Wenn man sich

so mit dem Land anfreundete, wie sie, dann fühlte sie auch mit

dem Land und den Bäumen, die da abgeholzt wurden. Sie ging

zur alten Eiche und setzte sich auf ihren Platz am Stamm. Die

alte Eiche tröstete sie und erzählte ihr von dem Kreislauf des

Lebens und dass nichts verloren geht, wenn es stirbt.

Wenn das Holz verbrannt wird, gibt es seine Liebe ab und die

Menschen wärmen sich daran und die Asche kehrt zurück zu

Mutter Erde. Auch wenn wir sterben, geht nichts verloren.



Was bleibt, war die Dankbarkeit für dieses Leben, das wir leben

durften. Wandel alles in Liebe. Liebe erzeugt Liebe. Wut

erzeugt Wut.

Als Blaue Feder diesen Kreislauf sah, war sie etwas

ausgesöhnter. Auch sie freute sich bei diesen eisigen

Temperaturen, wenn sie nach Hause kehrte und ein Feuer im

Ofen brannte. Auch sie verbrannte Holz und freute sich daran.

Was sie machen konnte, war dankbar zu sein für das Holz, das

ihr seine Liebe gab. Sie nahm wahr, wie eine goldene Energie

sich in ihr ausbreitete und sie ließ die Energie einfach durch sich

fließen, und sie breitete sich über das Land aus. Als sie die

Augen öffnete entdeckte sie ein kaputtes Rennauto. Vielleicht

hatte ein Kind die Nr. 13 Speed liegen gelassen. Blaue Feder

verstand, wenn sie ihr Leben entschleunigte und sich Zeit nahm,

dann verstand sie besser, wie die Dinge verwoben waren. Es war

wichtig sich Zeit zu nehmen und genau hinzulauschen.

Sie ging weiter und besuchte noch die alten Weiden, ging an der

Beifuß-Weide mit den alten Pferden vorbei und wurde dabei von

einem Rotkehlchen begleitet, das sang:

Wandel in Liebe

In den Büschen saß eine Amsel und war es zufrieden. Blaue

Feder ging zurück und traf einen alten Mann, den sie öfters traf.

Einer, der wie sie die Natur liebte. Er sah aus wie ein alter Tibeter

mit vielen Lachfalten im Gesicht. Er erklärte ihr, dass die Bauern

die Bäume fällen mussten, weil die Mähdrescher immer größer

werden und nicht mehr durch die Wege passen. Der Alte erklärte

ihr, wie sie die Wege umgehen konnte und wünschte ihr eine

gute Fahrt und lachte.

‚Eine gute Fahrt‘ – Blaue Feder wunderte sich etwas.

Dann kam sie in ihr altes Wäldchen. Es war nicht

wiederzuerkennen. Es glomm noch die Glut von drei Feuern. Der

neue Besitzer hatte wohl drei Feuer gemacht und das Unterholz

verbrannt. Wieder kochte die Wut hoch. Doch Dinge verändern

sich. Vielleicht nicht immer so, wie sie es sich wünschte, aber es

war wichtiger in Liebe hier ihren Weg zu gehen, als wütend durch

die Gegend zu stampfen. Sie konnte vieles, was hier geschah

nicht verändern. Sie musste es so annehmen, wie es war. Die

sieben Pappelschwestern lebten in ihrer Geschichte von der

Winterkönigin weiter. Leben ist Veränderung. Auf dem Rückweg

traf Blaue Feder noch einmal den Weißen Reiher, sah die

Kormorane und ein Rotkehlchen. Während Blaue Feder ihre

Geschichte aufschrieb, saß die ganze Zeit eine kleine Freundin

vor ihrem Fenster, ein Rotkehlchen, und lachte ihr zu.

Höre auf Dein Herz und wandle in Liebe.

Es ging wohl darum, alles, was ihr begegnete, was ihr widerfuhr,

in Liebe zu wandeln.

Mach aus Scheiße Gold!

Der Tod ist immer gegenwärtig, aber nichts geht verloren, es

wandelt sich nur.



16. Die BroklandSau

Wo Kraniche fliegen

Es war die Zeit um Lichtmess oder Imbolc herum und der

Neumond stand bevor. Am Morgen hatte Blaue Feder das

Gefühl, etwas Neues, nehme seinen Anfang. Sie hatte gerade

einen großen Berg Schulden abgetragen und es fühlte sich gut

an. Nun konnte etwas Neues kommen. Sie war müde von der

Woche, etwas bedrückt und fühlte sich leer. Eine kleine Runde

würde ihr guttun und so gagelte sie los. Sie wollte den inneren

Raum öffnen und das Neue aufsteigen lassen.

Es wehte ein kräftiger, kalter Wind. Das Eis im Moor knackte

manchmal laut. Es war wie eine Welle, die sich durch das Eis

zog - kraftvoll und etwas unheimlich. Der Moorboden vibrierte.

Blaue Feder ging in den Sonnenaufgang und traf einen Freund,

der auch gerne fotografierte. Sie sprachen eine Weile über das

schöne Morgenlicht. ‚Pass gut auf Dich auf‘, sagte er zu

fürsorglich zu ihr. Auf dem Eis waren manchmal Tierspuren. Wer

dort wohl langgelaufen war? Kurz stand sie vor einer gedrehten

Birke. Ein Stenz bildet sich, wenn sich ein Geißblatt um einen

jungen Baum wickelt. Wächst der Baum weiter, wird er durch das

Geißblatt verzwirbelt. Plötzlich hörte sie unbekannte Geräusche

- tiefe Vogelstimmen über ihr. Ein paar große Vögel flogen über

sie hinweg. Es waren Kraniche. Noch nie hatte sie hier Kraniche

gesehen. Was machten sie hier um diese Jahreszeit? Flogen sie

schon wieder zurück? Vielleicht waren sie die ersten Boten des

Frühlings. Sie entschied sich die große Runde zu gehen. Sie

fühlte sich wie belebt, und auch im Moor war das Leben zu

spüren. Sie sah viele Vögel, tauchte in Schwärme von

Schwanzmeisen, piependen Wintergoldhähnchen und Gimpeln.

Hach, es fühlte sich schön an und ihr Körper fing an zu kribbeln.

Als sie nach Hause kam, war die Tigerin wieder da und sie blieb

lange und es wurde ausgiebig gekuschelt. Blaue Feder freute

sich über ihre neue Freundin. Dann ging sie in ihr Atelier. Ihr war

die BroklandSau nachgegangen und sie hatte im Stall einen

Müllbeutel mit alten Jutesäcken gefunden. Nach und nach stieg

die Idee in ihr auf, aus einem der Jutesäcke eine Sau zu nähen.

Sie suchte sich einen Sack aus, fing an zu weben und zu sticken.

Wild tanzte sie durch den Raum. Es tat gut! Sie war entrüstet,

weil die Dänen gerade eine Grenze, angeblich einen

Wildschweinzaun bauten. Sie mochte keine Grenzen – auch

wenn es manchmal wichtig war, auf die eigenen Grenzen zu

achten. Die Wut, die sie spürte, brachte sie ins Hier und Jetzt.

Sie spürte ihren Körper. Wenn sie viel in den Sozialen Medien

war, verlor sie den Boden. Eine gute Erdung war wichtig. Mit

ihrem ersten Wildschwein war sie sehr zufrieden.

Die BroklandSau war geboren.

Auf dem Sack unten stand 'Made in Soviet Union'. Brauner Bär

erzählte beim Frühstück von den Bauern, die vor ihnen auf dem

Schwalbenhof gewohnt hatten. Sie waren so arm, dass sie mit

den Säcken die Wände und das Dach isoliert hatten. So alt

waren diese Säcke also schon. In China wurde gerade das ‚Jahr

des Erdschweines‘ eingeläutet. Blaue Feder fragte sich, wie es

um ihre eigene Wildsauen-Kraft, ihre Lebendigkeit bestellt war.

Konnte sie die Wilde Sau in sich sich spüren; konnte sie die wilde

Sau rauslassen? Wo sie die Reise mit der BroklandSau wohl

hinführte?



17. DIE QUELLE IM NORDERWOHLD

Neumond im Februar

Die Broklandsau hat zwei Quellflüsse, die Wierbek und die

Osterau. Diese beiden Auen vereinen sich zu einer Au der

Broklands-Au. Sie versorgt das Tal und das Ostroher Moor mit

Liebe und mit Wasser.

Blaue Feder wachte am Morgen mit dem Wort auf: ‚Lausche‘.

Den Quellen zu lauschen, heißt der Stimme der Seele zu

folgen.

Mehr und mehr verband sich Blaue Feder mit dem Land.

Brauner Bär und sie wollten an diesem Tag die Quellen der

Broklandsau suchen. So fuhren sie zum Norderwohld, wo die

Wierbek und die Osterau ihren Ursprung nahmen. Die Sonne

schien und das Herz klopfte.

Auf einem Schild stand: ‚Dree-Dörperhuss‘. Ein paar Pfauen

begrüßten sie. Es gab ein Informationshaus, das völlig desolat

aussah. Der Waldlehrpfad war abgesperrt und sah aus, als

kümmerte sich schon lange keiner mehr um ihn.

Solche Bilder zeigten sich den Beiden öfters, wenn sie hier

unterwegs sind. Manchmal schreckte es sie ab und manchmal

tauchten sie tiefer und erlebten etwas Anderes. Manchmal war

es ratsam, den Weg zu verlassen und in den Wald hinein zu

tauchen. Dann erzählt uns die Natur ihre Geschichte.

Es war eine Geschichte geprägt vom Missbrauch durch den

Menschen. Es war auch eine Geschichte von der Seele der

Natur, die sich nicht zerstören lässt und die uns immer wieder

mit Mut und Hoffnung den Weg weitergehen lässt.

Jeder von uns kann dazu beitragen, das Bewusstsein der

Menschen zu verändern. Jeder dort, wo sie oder er waren, mit

den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Blaue Feder und

Brauner Bär war die Kunst in die Wiege gelegt. So hat jede und

jeder eine ganz eigene Sprache.

Sie gingen um den Wald herum und dann rief der Wald sie

hinein. So fanden sie einen Quellfluss. Sie folgten seinem Lauf

in die Stille und lauschten der Quelle. Es war ein feiner Singsang,

so wie das Quellwasser sanft dahinfloss. Blaue Feder war

glücklich, glücklich, weil sie in den Wald hineingegangen waren.

Hier nahm die BroklandSau ihren Ursprung. Sie kamen nicht

direkt zur Quelle. Sie lag wohl auf der anderen Straßenseite,

aber sie war nicht weit entfernt. Das Wasser war klar und frisch.

Die Quelle hatte ihr Herz berührt. Sie gingen dann noch einen

anderen Weg, folgten dem Wegweiser der Eule und fanden noch

einen zweiten Quellfluss.

Ihre Stimmung hatte sich verändert. Liebe schwang mit und sie

waren froh, dass sie in den Norderwohld hineingegangen waren.



18. Die ErdApfelSau

Der Blaue Handschuh

Es war der Freitag nach dem Neumond. Es stürmte und goss es

in Bächen. Blaue Feder wollte trotzdem eine Runde gehen, um

nach einer merkwürdigen Woche tief durchzuatmen und sich ein

bisschen erden. Im Gebüsch sah sie die ersten

Schneeglöckchen, ein Stück weiter die ersten Krokusse und

dann einen Blauen Handschuh. Er erinnerte sie an Fatimas

Hand. Ein Wintergoldhähnchen machte auf sich aufmerksam.

Das Wintergoldhähnchen war der König des Winters oder die

Königin. Er oder sie trug den Geist des alten Jahres. Dieser

kleinste Vogel Europas wurde auch König der Vögel genannt

wegen seiner kleinen gelben Krone. Doch bevor das neue Jahr

kam, musste das alte Jahr sterben. Der Schnee war schon

getaut und nun schmolz auch das Eis auf den Seen. Blaue Feder

entdeckte, auch die kleine ‚Erle‘ aus ihrer Rotkehlchen-

Geschichte war gefällt und viele andere Bäume. Sie nahm einen

Zweig des gefällten Baumes, der schon Knospen hatte, mit nach

Hause. Es machte sie traurig. Sie ging zum Weißdorn, der nun

weit sichtbar dastand. Im Weißdorn steckte nun ein Nagel.

Früher lag der Weißdornhain versteckt hinter Geißblattranken

und Brombeerbüschen. Was früher verborgen war, war nun ans

Licht gezerrt worden. Sie setzte sich zum Weißdorn und schloss

die Augen. Die Weißdornfrau sagte, es sei viel im Umbruch, sie

solle versuchen im Herzen zu bleiben und einfach schauen, was

geschah, ohne es zu bewerten. Als Blaue Feder aus dem Wald

heraustrat, sah sie ein Reh. Ein vertrauter Gruß, der ihr Mut

machte. Der Wind wehte heftig und es regnete immer mehr. So

ging sie nach Hause. Sie schaute noch einmal bei den sieben

Pappelschwestern vorbei, von denen nur noch fünf standen.

Überall waren die Knicke herunter geschnitten, waren die Bäume

gefällt. Alles sah kahl aus und nicht sehr einladend.

Auch der wilde Apfelbaum war reichlich beschnitten worden und

stand nackt da. Auf der Wiese sah sie einen Schwarm

Wacholderdrosseln. Die stimmten sie etwas froher. Wenn auch

das, was Blaue Feder gesehen hatte, nicht so erfreulich war, so

hatte ihr doch die frische Luft gutgetan. Sie war bis auf die Haut

durchgeregnet und ihr Körper freute sich. Eigentlich braucht es

keine Bücher, tragen wir alles Wissen in uns. Es braucht nur

einen Körper, der wahrnimmt. Als Blaue Feder diesen Text

schrieb, saß ein tropfnasser Eichelhäher auf der Walnuss vor

ihrem Fenster und wärmte sich im Schein ihrer Lampe. Sie ging

in ihr Atelier und setzte sich an die zweite Sau. Sie nahm einen

Kartoffelsack jüngeren Datums, der nicht so dreckig war. Die

anderen Säcke mussten erst einmal gewaschen werden – Sau

hin oder her. So wurde die ErdApfelSau geboren.

Sie aß gerne Kartoffeln. Das konnte Blaue Feder gut verstehen,

liebte auch sie Kartoffelgerichte. Die ErdApfelSau suhlte sich

gerne im Matsch und sang gerne lauthals ihre Lieder. Die Beiden

würden sich wohl gut verstehen. Blaue Feder hatte den Eindruck,

die ErdApfelSau würde ihr noch viel erzählen, wovon sie keine

Ahnung hatte. Vielleicht würden sie zusammen den Löffel

schwingen. Viele Redewendungen kreisen um den Löffel…

Lirum, larum Löffelstiel…, die Suppe auslöffeln…, einen großen

Schöpflöffel voll von etwas…, die Weisheit mit Löffeln

gefressen…, mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt

gekommen…, der Rotzlöffel…, die Löffel spitzen…, Steck

deinen Löffel nicht in andrer Leute Töpfe…. ich bin's so satt, als

hätt' ich's mit Löffeln gegessen… und am Ende wird der Löffel

abgeben. An diesem Tag, als die ErdApfelSau kam, gab es

Kartoffelpuffer mit Apfelmus zu Mittag.



19. DIE CACOASAU

Valentinstag

Was rottet sich denn da zusammen? Was für ein wilder Haufen!

Nun trudelte die dritte Wildsau ein. Eine lange Reise hatte sie

hinter sich. Ganz aus Afrika war sie angereist und hatte die

Kakaobohne im Gepäck. Nun begannen sich die Wildschweine

angeregt auszutauschen. Da stand eine Frage im Raum:

‘Macht allein Schokolade glücklich oder gibt es da noch etwas

Anderes?‘

So fragte die Cacao Sau die anderen Säue, was sie denn

glücklich machte. Die BroklandSau überlegte und antwortete:

‚Mich macht es glücklich, wenn ich durch die Natur streife. Die

Natur begeistert mich. All die schönen Pflanzen, die Blumen,

die Bäume und die Tiere, die kleinen und die großen. Wenn alles

so lebendig ist um mich herum, dann bin auch ich glücklich.‘

Die anderen Säue nickten und konnten das gut verstehen. Nun

schauten alle neugierig die ErdApfelSau an.

Wieder nickten die anderen anerkennend.

‚Und Du?‘ Nun schauten sie verheißungsvoll die CocoaSau an

und wollten wissen, was sie glücklich macht.

‚Oh, ich reise gerne ein bisschen durchs Land, treffe mich mit

Freunden aus aller Welt und halte hier und dort ein

Schwätzchen. Ich tausche mich gerne aus. So wie mit Euch

jetzt. Das finde ich spannend und freut mich, dann bin ich

glücklich.

Das bringt mich auf Ideen, mal was ausprobieren, was ich noch

nie gemacht habe.‘

– Und so standen die drei Säue noch lange beieinander und

tauschten sich aus, über das, was sie liebten, was sie gerne

machten, und man hörte sie noch lange vergnügt grunzen.

Blaue Feder hatte den Eindruck, die CocoaSau hatte die Reisen

im Gepäck, die kleinen und sie großen.

‚Ich bin glücklich, wenn ich mich bewege, wenn ich meinen

Körper spüre. Ich suhle mich gerne im Matsch und grunze

lauthals Schweinelieder. Naja, und ich liebe Erd-Äpfel, sonst

wäre ich nicht die ErdApfelSau.‘



20. ‚OPHELIA‘

Die CocoaSau nahm sie gleich mit auf eine kleine Reise. Es war

ein sonniger Tag, und Blaue Feder und Brauner Bär pirschten

durch das Tal der BroklandSau. Sie genossen die Sonne. Ein

Haufen Hölzer sah aus, als hätten Riesen damit Mikado gespielt.

Sie lauschten den Meistersängern, die überall in den

Baumwipfeln ihre Lieder sangen und probierten neu Wege aus.

Es zog sie in einen Pappelwald. Dort fanden sie einen

Torfgraben. Blaue Feder spiegelte sich in dem Wasser mit

seinen Laubblättern. Sie begannen ein bisschen zu spielen, mal

spiegelte sich Bauner Bär, mal Blaue Feder. Die Szenerie

erinnerte sie an ein Gemälde, das sie in London in der Tate

gesehen hatte. Es hieß ‚Ophelia‘ von John Everett Millais. Diese

Gemälde faszinierte sie, und kurzerhand schlüpfte sie in die

Rolle der Ophelia. Ophelia war eine Frauenfigur aus der

Tragödie ‚Hamlet‘ von Shakespeare. Das Gemälde zeigt sie vor

dem Ertrinken. Vor allem die Blumen, in denen Ophelia

schwamm, haben in dem Gemälde einen hohen symbolischen

Gehalt, da sie in Bezug stehen zu den Liedern der Theaterszene:

‚Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach

und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,

mit welchem sie phantastisch Kränze wand

von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Purpurblumen,

die lose Schäfer gröblicher benennen,

doch zücht’ge Mädchen sagen Totenfinger.

Dort, als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde

an den gesenkten Ästen aufzuhängen,

zerbrach ein falscher Zweig, und niederfielen

die rankenden Trophäen und sie selbst

ins weinende Gewässer. Ihre Kleider

verbreiteten sich weit und trugen sie

sirenengleich ein Weilchen noch empor,

indes sie Stellen alter Weisen sang,

als ob sie nicht die eigne Not begriffe,

wie ein Geschöpf, geboren und begabt

für dieses Element. Doch lange währt’ es nicht,

bis ihre Kleider, die sich schwer getrunken,

das arme Kind von ihren Melodien

hinunterzogen in den schlamm’gen Tod. ‘

Die Geschichte der Ophelia war ein starker Faden in jener

Tragödie. Als junge Frau, umgeben von mächtigen Männern,

versuchte sie, es allen recht zu machen. Sie war Tochter,

Schwester, Geliebte und Mitglied des königlichen Gefolges. In

jeder ihrer Rollen wurde sie entweder ausgenutzt, missbraucht.

In ihrer Verwirrung und Not ertränkte sie sich.

Ein Kleiner Fuchs umschwirrte sie und sie lösten sich aus ihrem

Spiel. Auf dem freien Land sahen sie einen großen Schwarm

Kiebitze. So viele Kiebitze hatte Blaue Feder hier noch nie auf

einmal gesehen. Überhaupt hatte sie im vergangenen Jahr das

erste Mal ein Kiebitz-Paar hier brüten sehen. Sie lösten in ihr ein

Gefühl von Freiheit aus.

Vielleicht gehörten derlei Tragödien eher ihrer Vergangenheit an.

War es dies, was ihr die CocoaSau mit ihrem Ausflug hatte

sagen wollen?


-

.


21. EMMA

Kurz vor dem Vollmond in den Fischen

‚Irgendwann weiß sie, dass sie angekommen ist‘

Blaue Feder hatte gerade ein Buch von Cambra Skadé zu Ende

gelesen: Die Wanderin im Grenzland

Ein wunderbares Buch, das vom Aufbrechen, Wandeln und

Ankommen in der Heimat erzählt. War sie wo angekommen?

Wie sah ihr Grenzland aus? Nachdem sie sieben Mal sieben

Jahre gewandert war, kam ein etwas holperiger Übergang vom

Werden ins Sein. Angekommen zu sein im Herzen hieß für sie

aber kein Stillstand. Sie war auch jetzt nicht nur glücklich. Aber

wenn sie sich öffnete, dann spürte sie dieses Eins-Sein. Ein

Eins-Sein mit dem Land, den Tieren, den Pflanzen den Bäumen.

Das Sternenkind hatte hier unten auf Mutter Erde seine Heimat

gefunden, ihr kleines Paradies. War sie immer auf der Suche

nach dem mythischen Reich Shambhalla, hatte sie es hier mitten

in ihrem Leben in ihrem Herzen gefunden. Es war nicht mehr

wichtig, irgendwo hinzugelangen, sondern in dieses

Bewusstsein zu tauchen, hier zu sein und die Freude zu spüren

in dem, was sie grade machte. Ob sie nun schrieb, kochte, putze,

nähte oder malte. Sie fühlte sich eingebunden, aufgehoben und

versorgt mit allem, was sie brauchte. Sogar eine Katze hatte sie,

die sie besuchte.

Eine Hexe brauchte eine Katze und ein paar Hühner. Alles war

da, ohne ihr Zutun, und das Rotkehlchen saß vor ihrem Fenster.

Die Reise durch ihr Grenzland war nicht einfach gewesen. Da

war das Feuer am Anfang - das Feuer der Wechseljahre. Dann

kam der Ruf der Steine. Dann war sie mit den Winden gegangen

und nun riefen sie die Quellen. Es war wie eine neue Geburt. Sie

hatte Angst diese Energie in ihr Herz zu lassen, doch als sie es

tat, kam mehr Ruhe ins Spiel. Jetzt, mit ein bisschen Abstand,

konnte sie sich die Wege anschauen. So war es mit dem

Älterwerden. Es fühlte sich gut an - eine runde Sache.

Sie hatte eine Heimat in sich und im Tal der BroklandSau

gefunden. Nun spielte sie mit wilden Säuen. Stickte eine Sau

nach der anderen. Ob es irgendwann ein Ende hatte?

Kurz vor dem Vollmond kam Emma mit eleganten Schritten des

Weges. Eine Sau aus Oldenrade, wie Du unschwer erkennen

kannst.

Emma war eine ganz Feine und Zarte. Sie war aus einem feinen

alten Wäschesack gewebt und trug die ‚Erinnerungen‘ im

Gepäck. Die Erinnerungen an ihre Heimat, auch ihre

Seelenheimat. Emma erzählte gerne Geschichten aus dem

Nähkästchen, und sie liebte Sternengeschichten über alles. Sie

verstand sich auch aufs Träumen.

Träume weben unser Leben, pflegte sie zu sagen.

Sie gab der Blauen Feder einen Satz mit auf den Weg:

Hol Dir die Zeit ins Boot



22. Ein Tag am Meer

Eine Krähe weckte sie aus ihren Träumen. Als sie die Gardinen

öffnete, saßen bereits zwei Elstern im Garten, das

Eichhörnchen, ein Zaunkönig stimmte ein Lied an und eine

Singdrossel sang mit - alle Vögel waren schon da, ihr ein

Liedchen zu singen. Sie war noch etwas zerknautscht, waren

sie den Tag zuvor doch auf einer Beerdigung. Ihr Schatz hatte

schon den Frühstückstisch gedeckt. Er überraschte sie mit

einem Tag am Meer. Es war wohl Emma, die ihm diesen

Vorschlag zugeflüstert hatte. Emma liebte das Meer und Blaue

Feder auch.

An ihrem Geburtstag wünschte sie sich immer einen Tag am

Meer. Ans Meer zu fahren, war wie Nachhausekommen. Mag

sein es lag an den Sternen. Blaue Feder war eine Fische-

Geborene und Fische fühlen sich nun mal im Wasser wohl. Ein

bisschen blauer Himmel war schon zu sehen. Ihre Stimmung

klarte sich langsam auf. Am Meer tauchten sie in die Weite und

lachten mit den Lachmöwen. Sie genossen die frische Luft und

tauchten in den gleichmäßigen Rhythmus der Brandung. Blaue

Feder begrüßte die Meermutter und die Meermutter begrüßte

sie. Sie tauchte ins Meer und schaute ein wenig zurück auf ihr

vergangenes Lebensjahr, sah sie sich viel reisen. Es war

erstaunlich, konnte sie doch schlecht laufen. Im Frühjahr hatte

sie in den Wiesen gebadet und war mit Luisa Francia und ein

paar Frauen fett, frech und fröhlich in ihren Körper gereist. Im

Sommer war sie im Tal der Sprudelnden Quellen und an den

Externsteinen. Dann war sie mit ihrem Schatz im Land der

Schwäne und im Herbst hatte sie sich mit ein

paar Frauen und Cambra am Alten Feuer gewärmt. Ihr Garten

war währenddessen verwildert.

Dann schaute sie ein wenig in das kommende Jahr und ihr kam

der, Begriff ‚Konsolidierung‘ in den Sinn. Sie kannte diesen

Begriff im medizinischen Sinne, wenn ein Knochen gebrochen

war und wieder zusammenwuchs, sich verdichtete und

stabilisierte. Noch wusste sie nicht, was es für sie die bedeuten

würde, aber sie würde es herausfinden. Mittlerweile konnte sie

wieder laufen, aber ihr war so gar nicht nach Reisen. Sie wollte

lieber daheimbleiben, durch das Tal der BroklandSau pirschen,

die Wege erkunden, sich in Moorkuhlen suhlen, weiter den

Vögeln lauschen, an wilden Kräutern schnüffeln. Sie sah sich in

ihrem Atelier den Pinsel schwingen oder die Nähnadel und das

Erlebte in Farbe und Form bringen. Nur ins Land der Schwäne

wollten sie noch einmal, weil es ihnen dort so gut gefallen hatte.

Nach ihrem Besuch am Strand von St.Peter war es Brauch in

ihr Lieblingslokal Andresen achtern Diek in Katingsiel zu fahren.

In dem friesischen Langhaus befindet sich eine Kachelstube mit

Delfter Fliesen. Bis zur Deckenhöhe bedeckten einheitliche

Fliesen mit nur einem Muster die Wände. Das Muster wurde als

‚Sonne, Mond und Sterne‘ bezeichnet. Vielleicht fühlte sich

Blaue Feder deshalb hier so wohl, liebte sie

Sternengeschichten, wie Emma. Vielleicht lag es ab er auch an

dem leckeren Eierkrog und dem selbstgebackenen Kuchen.

Dort saßen sie gemütlich, und in den Öfen bollerte das Feuer.

Hinterher gingen sie noch auf dem Deich spazieren. tauchten in

ein Meer von Nonnengänsen und begrüßten kleine neue

Deichbewohnern. Blaue Feder war selig. Es war ein gelungener

Start in ihr neues Lebensjahr.




23. SEW ALONG

‚Liebe braucht keine Worte‘

So könnte der Titel ihres kleinen Stickbuches lauten. War es so?

- Worte können berühren, Worte können verletzten, Worte

können etwas klären und für Mistverständnisse sorgen.

Manchmal war es gut, das Wort zu erheben und manchmal

besser zu schweigen. Wenn Blaue Feder schrieb, wurden ihr oft

Dinge bewusst, die sie so noch nicht gesehen hatte.

Die englische Textil-Künstlerin Kim Edith rief zu einem ‚Sew

Along‘ auf. ‚Sew Along‘ ‘ heißt übersetzt ‚Miteinander-nähen‘. So

trafen sich einige Frauen im Kreis und nähten gemeinsam ein

Stickbüchlein. Alle Teilnehmerinnen bekamen von Edith die

gleichen Grundformen an Blättern und Blumen und gestalteten

ein Stickbuch. Der ‚Sew Along‘ fand online statt.

Blaue Feder hatte sich ein paar bunte Stoffe ausgesucht. Sie

hatte von einem Inneneinrichter Muster-Kollektionen in

verschiedenen Farben von einem Muster. Diese eigneten sich

gut für kleine Textil-Bücher. Es lachten sie Stoffe an, deren

Blumen wie gemalt aussahen. Alle Teilnehmer bekamen

einfache Schablonen für kleine und große Blumen und kleine

und große Blätter, die sich auf den Seiten immer wiederholten.

Weil Blaue Feder verschiedenfarbige Stoffe nahm, wurde es

lebendig.

Auf ihrer Reise nach Wiesbaden begegnete sie ihnen wieder,

als sie in den Wiesen badete. Auf einer Platane saßen viele

grüne Halsbandsittiche. Sie hatte einige Fotos mitgebracht, die

sie als Vorlage für ihre Stickereien nehmen konnte. Ein paar

andere kleine Tiere fanden auch noch ihren Weg in das

Büchlein. Blaue Feder arbeitet gerne mit alten Dingen, denen

sie ein neues Leben einhauchte. Oft bekam sie Sachen

geschenkt oder fand Dinge in der Natur. In ihrem Atelier hing

ein kleines Motto:

Tu, was du kannst, mit dem was du hast, wo immer du bist.

Das Motto stammte wohl von Theodore Roosevelt und sie

mochte es.

Als sie mit der Arbeit an ihrem Buch begann, stürmte und regnete

es. Es war ein guter Tag, das Atelier einzuheizen und ein

bisschen zu nähen. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Die Näherinnen

tauschten sich während des Sew Along auf einer internen Face-

Book Seite aus. Es war zauberhaft, wie unterschiedlich das

Thema umgesetzt wurde.

Blaue Feder nannte ihr kleines Stickbuch:

‚Land of Enchantment.

Bei einem Besuch in Kew Garden, hatte sie das erste Mal die

grünen Halsbandsittiche gesehen.



24. DIE REGENBOGENSAU

Nach dem farbenfrohen ‚Sew Along‘ war es wohl nur eine Frage

der Zeit und die RegenbogenSau trudelte ein. Sie war ein wenig

wortkarg.

Mit ihr kamen die Farben ins Spiel. Sie war sich sicher, die

Liebe brauchte nicht viele Worte, aber die Farben des

Regenbogens. Wie glücklich bist Du, wenn Du einen

Regenbogen erblickst? Es wird gemunkelt, am Fuße des

Regenbogens sei ein Schatz verborgen.

Bestimmt waren es eine Staffelei, Pinsel, Leinwände und viel

schöne Farben.

‚Tauche mit mir in die Farben des Regenbogens‘

Mehr musste sie nicht erzählen, waren alle Geschichten mit den

Farben des Regenbogens durchwirkt. Blaue Feder ahnte, sie

würde sich gut mit der RegenbogenSau verstehen, auch ohne

Worte.

Die RegenbogenSau lebte auf ihre Weise und hatte ihr eigenes

Motto:

Tanze ein wenig.

Male ein wenig.

Singe ein wenig.

Schreibe ein wenig.

Lache ein wenig.

Tag für Tag.

Sei einfach da

Wenn sie auch nicht viel sprach, so war sie trotzdem gerne mit

anderen zusammen. Sie genoss es, mit anderen zu sein. Das

Füreinander und Miteinander war ihr wichtig. Sie liebte es, wenn

sich die verschiedenen Farben zu einem bunten Teppich

verwebten. Wenn jede Sau lebte, was ihr am Herzen lag und sie

es im Kreis miteinander teilten, war sie glücklich.



25. DIE KRÄUTERSAU

Nach dem Vollmond im März

Es war eine stürmische Nacht, die volle Mondin stand noch am

Himmel, als die KräuterSau eintrudelte. Sie hatte keine Eile.

Sie war lieber durch den Wald und durch die Wiesen gestreunt

und hatte mal hier und mal dort geschnüffelt und geschaut, was

schon an Kräutern unter dem alten Laub bereits hervorlugte. Mit

ihr kam ein warmer Duft von Kräutern in die Runde. Die anderen

Säue nahmen sie gleich in ihren Kreis auf - die Kräuterkundige

Schon erzählten sie der Kräutersau, wo es zwickte und zwackte,

und fragten sie nach einem Rat, welches Kraut wohl helfen

konnte.

Wenn ihr mögt, dann nehme ich Euch mit in den Wald und in

die Wiesen. Dann könnt ihr selbst schauen, welches Kraut

mit Euch sprechen möchte. Wenn ihr still werdet und

lauscht, dann könnt ihr ihre zarten Stimmen hören. Dann

erzählen Euch die Pflanzen selbst ihre Geschichte und

wenn ihr in ihrem Duft verweilt, kann sich schon, das eine

Zwick oder Zwack in Luft auflösen. Es nützt wenig, wenn

ich Euch davon erzähle. Wichtig ist, was Ihr erfahrt.

Vertraut Eurer eigenen Wahrnehmung, dafür haben wir

doch einen so großartigen Wildsauen Körper, um mit allen

Sinnen zu schnüffeln, zu schmecken, uns in der Erde zu

suhlen, zu lauschen und zu schauen.

Nun war die Schweinbande komplett. Blaue Feder konnte Nadel

und Faden beiseitelegen. Sie hatte vermutet, es würden zwölf

oder dreizehn Säue. Doch hatte sie nach der KräuterSau den

Eindruck, die sechs Säue beinhalteten alles, worum es ging. Sie

war gespannt, wie es nun weiterging. Der Frühlingsanfang stand

bevor. Nun ging es wohl darum, auf das zu horchen, was ihr die

Säue erzählten. Jede Sau hatte ein anderes Thema mit im

Gepäck.

Gehe mit den Säuen und fange an, die Landschaften zu

gestalten.

Es ist Dein Weg, mit Nadel und Faden zum Wesentlichen

zu kommen.

Erinnere Dich, was Dich glücklich macht – in der Natur

zu sein und Geschichten zu schreiben.

Es war an der Zeit, die zukünftige Gesundheit ihres

Königreiches sicherzustellen.

Blaue Feder zog nun mit ihren wilden Säuen durch das Tal der

BroklandSau und durch das Land Drumherum. Mit der Zeit

bekam sie ein Gefühl dafür, welches Schwein ihr gerade ein

Geschichte erzählte. Manchmal war es nicht so eindeutig. Da

waren dann vielleicht mehrere Säue mit ihr losgezogen oder

gar die ganze Bande.



26. DEN FRÜHLING BEGRÜSSEN

Frühlings-Tagundnachtgleiche

Am Morgen wurde Blaue Feder von den Krähen geweckt. Sie

fühlte sich zerschlagen, alles tat ihr weh. Sie machte sich ein

warmes Getränk und setzte sich wieder ins Bett und schaute

dem Treiben der Vögel zu. Es war diesig und feucht draußen,

noch gar nicht so frühlingsmäßig. Die BroklandSau rief sie. Es

gab einen Weg durch die Felder, den sie noch nicht gegangen

war. Die kleine Tigerin kam und es wurde ein Runde gekuschelt.

Nun war Blaue Feder bereit für ihre Runde. Sie traf einen Freund

beim Nordic Walken. Er erzählte von den Silberreihern, die auf

den Feldern waren und wünschte gutes Licht zum Fotografieren.

Als sie auf das freie Land kam, sah sie gleich die Silberreiher. In

der Ferne sah sie noch zwei weiße Flecken, die sahen aber eher

aus wie Schwäne. Sie ging den Weg, den sie beim letzten

Spaziergang mit Brauner Bär entdeckt hatte. Er führte direkt zur

BroklandSau. Überall erschienen die Kätzchen wie auf Sammet

Pfoten. Einige Krähen saßen auf den Wiesen und viele Gänse.

Eine Krähe blieb so lange sitzen, bis blaue Feder den Weg

einschlug zu dem Weißdornwäldchen. Es war spannend, welche

Vögel auf der freien Flur unterwegs waren. Sie hörte Kiebitze

rufen und tastete sich vorsichtig immer näher an die Schwäne

heran. Sie liebte diese Entdeckungstouren. Sie liebte es neue

Wege zu gehen. Die Erde am Rande der BroklandSau war

tiefschwarz und rissig. Wieder fand sie viele Muscheln und eine

gelbblühende Pflanze, den Huflattich. Wie ein junges

Frühlingsfeuer brach sich der Huflattich seine Bahnen. Auf der

dunklen Moor Erde strahlten seine gelben Blüten wie Sonnen

und hoben sich vom Untergrund ab. Beim Huflattich blühen erst

die Blüten und erst später kommen die herzförmigen Blätter zum

Vorschein. Oft werden die gelben Huflattich Blüten mit

Löwenzahn verwechselt, doch beim genaueren Hinschauen

erkennst Du die Unterschiede. Er wird auch Märzenblumen

genannt und sein Tee ist ein klassischer Brusttee, der bei Husten

hilft und die Lunge stärkt. Der Huflattich wächst gerne an

Übergängen, wie hier am Ufer der BroklandSau. So ist er eine

Pflanze für Übergangssituationen.

Blaue Feder befand sich an einem solchen Übergang. Auf der

einen Seite wusste sie, war der Weg stimmig, den sie

eingeschlagen hatte, und doch stiegen immer wieder Bedenken

auf, ob der eigene Weg auch für andere interessant war. Sie

fühlte sich ein bisschen wie eine Pionierin hier im Tal der

BroklandSau. Sie lauschte noch ein wenig dem Fließen der Au,

dem Gesang der Rohrammern und ging dann über die Wiesen

zurück zu dem Weißdornhain. Vor Kurzem wusste sie noch nicht

einmal, wie eine Rohrammer aussah, und jetzt konnte sie schon

das Männchen vom Weibchen unterscheiden. So lernte sie nach

und nach alle Tiere und Pflanzen kennen. Sie ging durch das

Moor zurück. Im Wald sangen alle Vögel bunt durcheinander. Da

konnte sie nur die Augen schließen. Es war wie eine

Klangtherapie. Alle Töne brachten den Körper wieder in

Einklang. Blaue Feder erinnerte sich an die Stille im Winter. Nun

war wieder Leben in der Bude und alle sangen durcheinander.

Zum Abschluss saß Blaue Feder noch eine Weile auf der Bank

am großen Mondsee, beobachtete die Haubentaucher, die

Gänse und die Gänsesäger. Eine Singdrossel saß hinter ihr in

den Buchen und sang ein Lied. Ein Lied von einem neuen

Lebensabschnitt. Auf dem Heimweg sah sie die ersten

Sternenblümchen blühen.



27. DER MARIENKÄFER

Maria Verkündigung

Der Frühling war da, die Sonne schien, der Garten rief und die

KräuterSau. Blaue Feder eröffnet die Gartensaison. Mit

ungestümer Kraft legte sie gleich los. Sie jätete und grub die

Erde um. Da erblickte sie einen Marienkäfer und freute sich -

welch ein Glück.

Der Marienkäfer lud sie ein, innezuhalten in ihrem wilden Tun.

Da saß sie nun auf ihrem Po in der aufgewühlten Erde und der

Marienkäfer erzählte ihr etwas von der Achtung gegenüber

jedem Lebewesen. Im vergangenen Jahr hatten sich einige

Kräuter wild über den Rasen ausgesät. Nun schaute Blaue Feder

erst einmal, was hier wuchs. Sie sah den kleinen

Storchenschnabel, das Ferkelkraut und den Wegerich. Der

kleine Marienkäfer lud sie ein, bevor sie etwas tat, erst einmal

hinzuspüren. Blaue Feder wurde bewusst, wie wenig Ahnung sie

von den Pflanzen hat. Vielleicht taten ihr gerade die Kräuter gut,

die sie gerade rausreißen wollte oder sie bildeten zusammen mit

anderen Pflanzen eine Gemeinschaft. Ein neues Forschungsfeld

tat sich auf.

Die KräuterSau wollte ihr wohl die Pflanzen näherbringen. So

gestoppt in ihrem Eifer, fing sie erst einmal an wahrzunehmen,

wie es gerade in ihrem Garten aussah. Blaue Feder machte eine

Runde durch ihren Garten. Da kam schon die Artemisia, der

Beifuß, zart und grün aus dem Boden und würde ihr beistehen.

Die Alte Wilde Holunder-Dame schlug auch schon aus. Sie

würde ihr sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Die Kamelie, die blühte, wann sie möchte, gab ihr den Rat: Mach

einfach Dein Ding. Dann waren da noch die Blaumeisen, die

wieder hinten an der Milchkammer eingezogen sind. Sie sangen:

Geh es spielerisch an. Vielleicht nahm sie die nächsten Wochen

einmal ihr Skizzenbuch mit in den Garten und zeichnete die

Kräuter, die sie nicht kannte - das wäre eine Annäherung. Die

Tigerin schaute ihrem Treiben aufmerksam zu.

Blaue Feder machte eine Pause und ging eine Runde spazieren.

Sie sah das junge Pärchen, das Bäume in dem kleinen wilden

Wald rodeten. Sie dachte bei sich, ich mache es nicht anders in

meinem Garten. Ich bin halt wie ein Wildschweinferkel – wild und

ungestüm und habe noch viel zu lernen. Sie traf eine Bekannte

mit ihrem Hund Pelle. Sie erzählte von ihrem Erlebnis mit einer

Fledermaus. Blaue Feder freute sich, dass sie hier nun schon ein

paar Leute kannte, die sie immer wieder auf ihren Runden traf.

Sie tauschten sich über Pflanzen- und Tiererlebnisse aus und

dann ging sie wieder ihres Weges. Sie besuchte noch den alten

Weißdorn und rauchte mit der alten Weißdorn-Dame auf der

Bank eine Pfeife. Kommt Zeit – kommt Ruhe. Blaue Feder

würde schon ihren Weg mit dem Wegerich finden. Der

Storchenschnabel würde ihr helfen loszulassen und sich zu

entspannen. Das Ferkelkraut machte ihr bewusst, sie war noch

keine alte KräuterSau, sondern eher ein kleines

Wildschweinferkel - etwas wild und ungestüm, aber mit dem

Herzen am richtigen Fleck. Welch ein Glück, dass sie einen

Garten hatte, wo sie viele Erfahrungen sammeln konnte. Es gab

viel zu lernen und sie freute sich darauf, in diesem Jahr mehr Zeit

in ihrem Garten zu verbringen. Auf diese Weise feierte Blaue

Feder Maria Verkündigung in ihrem Garten.


‘.


28. BEI DEN STÖRCHEN

März-Ausklang

Ein warmer Süd-Westwind bescherte Blaue Feder und Brauner

Bär einen wunderbaren sonnigen Tag. Sie waren nach St. Peter

gefahren und hatten eine Freundin besucht, die dort zur Reha

war. Sie hatte Blaue Feder gesagt, sie solle die Kamera

mitbringen, und als sie ankamen empfingen sie sechs

Storchenpaare, die ihre Nester auf dem Parkplatz der Klinik in

den Kopfweiden gebaut haben. Neben der Klinik war ein kleiner

Zoo, wo die Störche einst aufgezogen worden sind, weshalb sie

nun jedes Jahr wieder hierher zurückkamen. Störche haben

etwas Zauberhaftes. Es war schön zu sehen, wie zärtlich sie

miteinander umgingen und wie sie klapperten, was das Zeug

hielt, wenn der Partner zurück ins Nest geflogen kam. So möchte

doch jeder begrüßt werden, mit einem Freudentanz.

Blaue Feder dachte, St. Peter sei ein schöner Ort zum Heilen.

Nicht umsonst haben sich hier so viele Kurkliniken angesiedelt.

Was sie nicht wusste, dass St. Peter auch über eine heiße

Schwefelquelle verfügt. Auch hatte sie sich gefragt, warum St.

Peter ‚St. Peter‘ heißt und war bei Petrus gelandet, der den

Himmel aufschließt. Wenn man in St. Peter am Strand spazieren

ging, dann fühlte sie sich zuweilen, wie im Himmel an, weil es oft

überirdisch schön war. Über den Schlüssel landete Blaue Feder

beim Chiron, der nach einer langen Zeit in den Fischen, in den

Widder gewechselt war und nun eine neue Runde einläutet.

Vielleicht waren deshalb alle gerade mit der Heilung unseres

Planeten beschäftigt. Blaue Feder las gerade ein wunderbares

Buch von Joanna Macy und Molly Brown: Darin fand sie eine

Vision von Susa Silvermarie:

‚1000 JAHRE DER HEILUNG‘

WOHER MEINE HOFFNUNG AUCH IMMER KOMMEN MAG, ICH

WEISS ES NICHT. ES SEI DENN, SIE WÄCHST IN DEN ZELLEN

MEINER HAUT. IN DEN MYSTERIEN MEINER HÜLLE HÖRE ICH

IHR SUMMEN.

IN DIESEM MANTEL, DER ERDHÜLLE SO ÄHNLICH, RAUNT SIE

MIR ZU. UNTER WEHKLAGEN UND DEN DISSONANZEN IN DER

WELT WÄCHST DAS LIED DER HOFFNUNG, BIS ICH SICHER BIN,

DASS MIT DIESER WENDE WIR EIN ZERBROCHENES ZEITALTER

ZUR RUHE BETTEN.

WIR, DIE WIR AN SOLCH EINEM SCHEITELPUNKT LEBEN,

LEITEN NUN EIN ZEITALTER EIN TAUSEND JAHREN HEILUNG!

GEFLÜGELTE UND VIERBEINIGE, GRÄSER UND BERGE UND

JEDER BAUM, ALL IHR WESEN IN DEN GEWÄSSERN,

SOGAR WIR, DIE ARGWÖHNISCHEN ZWEIBEINIGEN,

SUMMEN UND RUFEN UND GESTALTEN DAS LIED DES WANDELS.

WIR ERSCHAFFEN UNSERE BEZIEHUNGEN NEU.

WIR VERBINDEN UNSEREN GEIST MIT DER ERDE.

IN DIESER ZEIT DES WANDELS LASSEN WIR UNSERE STIMMEN

ENDLICH ERKLINGEN;

UND SIE SINGEN UNSERE VISION VOM GROSSEN ZAUBER,

INDEM WIR EINS WIR WERDEN.

WIR SIND DER ANFANG EINER NEUEN LEBENSWEISE, DIE SICH

VOLL FREUDE ENTFALTETFÜR TAUSEND JAHRE DER HEILUNG.

In diesem Sinne lasst uns einstimmen in das Lied der Hoffnung

und ordentlich Klappern wie die Störche!



29. EIN IRISCHES ABENTEUER

Karfreitag

Am frühen Morgen beobachtet Blaue Feder eine Singdrossel im

Garten. Dann machte eine Gans auf dem Reetdach des

Nachbarn Radau und sie ging raus. Die Tür zum Garten des

Nachbarn stand offen und Blaue Feder luscherte hinein. Dort war

eine große Grube ausgehoben. Welche Leiche sollte denn dort

begraben werden? Am Rand lag altes Reet. An diesem Tag

wollte sich wohl ein Krimi entspannen. Blaue Feder hatte sich

das erste Mal in diesem Jahr am frühen Morgen rausgesetzt. Es

war noch kühl, aber bald würde die Sonne um die Ecke schauen.

Es kreisten sogar schon ein paar Schwalben über den Hof. Sie

waren sehr früh dran in diesem Jahr. Ob auf dem Schwalbenhof

wieder welche nisten würden?

Brauner Bär kam auch irgendwann raus und die Beiden

frühstückten in der schönen Sonne draußen und zwei Krähen auf

dem Dach leisteten ihnen Gesellschaft.

Nach dem Frühstück setze sich Blaue Feder ihren Irischen

Sonnenhut auf und Brauner Bär seine Grüne John Deere Mütze.

Schon waren sie middenmang in einem irischen Abenteuer. So

gingen sie los und kamen an einem Haus im Dorf vorbei, das

hatte eine irische Fahne gehisst.

Éirinn go brách - ‚Irland für immer‘

Die Dorfbewohner waren in dieser Hinsicht sehr kreativ. Es nahm

seien Anfang mit einem Haus am Rande des Dorfes. Seine

Bewohner hatten wohl Fahnen aus allen Ländern dieser Welt.

Mittlerweile hatte viele Bewohner im Dorf außergewöhnliche

Fahnen. Das gefiel Blaue Feder.

Ein Buchfink saß in der Sonne und sang. Auf dem Weg zum

Moor trafen die Beiden Gutes Herz, die mit dem Fahrrad eine

Runde drehte. Sie gingen ein Stück gemeinsam. Wie es Brauch

war in Ostrohe, hing schon ein Rotes Osterei am Ortschild. Es

war Karfreitag und die Volle Mondin verteilte ihre Energien über

die Erde.

Ein Weidenlaubsänger sang ein Lied für seine Angebetete und

sie antwortete. Sie setzten sich auf die Bank am Großen

Mondsee und beobachteten den Haubentaucher beim

Fischfang. Überall sprießte es in zartem Frühlingsgrün.

Besonders die Birken waren schön anzusehen. Gutes Herz

verabschiedete sich. Blaue Feder und Brauner Bär gingen weiter

zur kleinen Brücke. Sie gingen den Geheimen Weg, der schon

lange nicht mehr geheim war. Mittlerweile kannten viele den

Alten Rundweg und jemand hatte den Weg um den See

freigeschnitten. War es ein gutes Zeichen, dass nun viele die

Alten Wege gingen? Blaue Feder und Brauner Bär wurden vom

Alten Moosvolk begrüßt. Es war immer zauberhaft, ihrem

wuseligen Treiben zuzuschauen.



Dann ging es weiter auf dem Hinteren Weg. Es waren viele

Angler unterwegs. Auf dem Hinteren Weg fühlte es sich an wie

auf der Mönckebergstraße in der Großen Stadt. Leider fuhren

auch viele Autos heute durch das Moor und hinterließen nichts

als Staubwolken. Blaue Feder ärgerte es. Wenn sie wenigstens

langsam fahren würden. Sie war gerne allein in der Natur. Dort

fühlte sie sich auch nie allein. Dort gab es so viel Gesellschaft

wie sie wollte. Da war zum Beispiel die Felsenbirne zu begrüßen.

Sie kannte jetzt schon so viele Pflanzen beim Namen und alle

wollten begrüßt werden und hier und dort gab es etwas zu

erzählen. Wieder tauchte die Singdrossel auf und saß auf dem

Stein mit der Nr. 28.

‚Sing Dein Lied!

Später würde Blaue Feder ihr noch einmal im Garten begegnen

und sie würden einfach eine Weile still beieinanderstehen.

Überall strahlte das Frühlingsgrün auch in dem Auenwald.

Eigentlich wollten sich Brauner Bär und Blaue Feder am

Schwanensee küssen. Hier, wo sie sich das erste Mal geküsst

hatten. Aber die Bank war von einem anderen Paar besetzt. Sie

waren nun schon zehn Jahre zusammen und genossen jeden

Tag miteinander. Dann lockte ein Reiher sie zur Bank bei den

Tanzenden Birken. Kaum saßen Blaue Feder und Brauner Bär,

begann ein großer Tumult. Die Graugänse waren sehr aufgeregt

und flogen kreuz und quer. Dann entdeckten auch Blaue Feder

und Brauner Bär den Grund der Aufregung. Ein großer

Raubvogel am Himmel. War es ein Bussard? Dafür war er

eigentlich zu groß. Er wurde von zwei Krähen attackiert. Was die

sich immer trauen. Er landete dann hinter der Gänsekuhle auf

einem Baum. Blaue Feder dachte bei sich, dass es ein Seeadler

sei. Und es war einer. Ob die Seeadler aus der Lundener

Niederung manchmal rüberkamen bei ihrer Futtersuche? Blaue

Feder hatte schon vor zwei Wochen einen Seeadler gesehen.

Als sie ihren Kollegen in der Firma davon erzählte, hatten die

müde gelächelt. Blaue Feder kannte dieses Gefühl gut, wenn sie

etwas erzählte und ihr keiner glaubte. Es erinnerte sie an

Kindertage. Wie oft war sie belächelt worden, angesichts ihrer

blühenden Fantasie.

Doch sie selbst wusste, wie sich ihr Leben entsponnen hatte und

wie schön es heute war. Sie verdankte es ihrer blühenden

Fantasie, die alles wandeln konnte. Vielleicht war das Grab am

Morgen für diese beschämenden Gefühle. Sie übergab sie

Mutter Erde und sie würde sie transformieren. Langsam bekam

sie immer mehr Vertrauen in ihre Wahrnehmung und träumte ihr

Leben. Es gab halt keine Sicherheit auf diesem Weg.

Blaue Feder war oft unsicher, wenn sie einen neuen Weg

beschritt. Sie kannte sich mit vielem nicht gut aus, aber die Natur

war ihre Lehrerin und die Begeisterung war ihr eine

unerschöpfliche Quelle, die sie nährte. Die Gänse beruhigten

sich langsam. Blaue Feder und Brauner Bär machten sich auf

den Heimweg. Blaue Feder zeigte Brauner Bär die

Kanadagänse, die sie in der vergangenen Woche entdeckt hatte.

Am Wegesrand stand eine einzelne kleine Sternmiere im

Sonnenlicht und Blaue Feder musste lächeln. Manchmal

kämpfen wir unser ganzes Leben darum, gesehen zu werden.

Und dann war es uns nicht mehr so wichtig und die Sonne

leuchtete ganz von allein durch uns.

Einst gab die Frühlingsgöttin Ostara Ostrohe ihren Namen.

Ostrohe könnte auch heißen der Wald im Osten. Doch das war

eine andere Geschichte und die Feuerwanzen lachten.



30. Die Graue vom Großen Mondsee

Ostersonntag

Die Sonne lockte Blaue Feder raus. Es wehte ein sehr kühler

Ostwind. Am vergangenen Wochenende hatte das Thermometer

schon 20 Grad in der Sonne angezeigt und sie konnten das erste

Mal draußen auf dem Hof sitzen. Nun fror es wieder.

Sie ging erst eine Runde durch den Garten und sah, das

Stiefmütterchen, welches sich ins Kräuterbeet versäht hatte,

hatte nun schon drei Blüten. Blaue Feder ging durchs Dorf,

grüßte den Dorfstein und ging dann weiter ins Moor. Bis zum

Schwanensee wollte sie heute gehen und wieder zurück. Es ging

mal wieder um die Frage, ob die Liebe Worte brauchte.

Ein kleiner etwas unscheinbarer Zilpzalp sang sein Chiff-Chaff

und lockte Blaue Feder an den Großen Mondsee. Sie freute sich,

dass sie nun auch schon einen Weidenlaubsänger erkannte. Auf

dem See schwammen Haubentaucher. Die Sonne spiegelte sich

so schön auf dem Wasser. Überall blühten die Weidenkätzchen

und die Erdhummeln brummten durch die Gegend. Als Blaue

Feder auf den See schaute, hörte sie die Graue rufen. Der Ruf

kam vom kleinen Birkensee, wo die Grüne Bank stand. Also ging

Blaue Feder in diese Richtung. Dabei kam sie an dem

Eisvogelsee vorbei und sie hörte ein paar Gänse rufen. So

machte sie noch einen Abstecher an den Eisvogelsee. Der See

schimmerte wunderschön in den Farben des Himmels. Die

Seerosenblätter waren schon zu sehen und sie leuchtete in

einem strahlenden Frühlingsgrün. Hier hatte Blaue Feder im

Winter den Eisvogel beobachtet. Dieser Seerosenteich war

immer besonders schön.

Blaue Feder begrüßte die Graugänse und freute sich darüber,

was sie hier schon alles erlebt hatte. Sie ging ihren Weg weiter,

und als sie auf der kleinen Brücke stand, die über einen

Ausläufer der BroklandSau führte, lauschte sie dem fließenden

Wasser und sie dachte bei sich, dass die Liebe fließen möchte.

Nun ging Blaue Feder zu dem kleinen Birkensee. Als sie durch

das kleine Birkentor trat, flog die Graue auf. Sie hatte dort am

Ufer gesessen und gewartet. Blaue Feder ging zur Grünen Bank,

setzte sich und schloss die Augen und lauschte. So blieb sie eine

Weile sitzen. Um sie herum sprießte das junge Birkengrün. Es

war so schön, wieder draußen zu sein. Wieder hörte sie die

Gänse rufen. Die Graugänse hatten sich über das ganze Moor

in den Kuhlen verteilt. Als sie an der Kuhle mit der Insel stand,

sah sie am gegenüberliegenden Ufer zwei Kanadagänse – groß

und schön. Sie schlich sich ran. Doch war sie wohl nicht

vorsichtig genug und die großen schönen Gänse flogen weg. Es

tat ihr leid. Manchmal wollte sie einfach zu viel oder war

geblendet von dem Großen und Schönen.

Dann ging Blaue Feder über die Grenzen der anderen und auch

über ihre eigenen. Ja, ja, das richtige Maß zu finden, war

manchmal gar nicht so einfach. Manchmal reichte auch der

Anblick eines einzelnen kleinen Buschwindröschens, um die

Liebe zu erfahren. Heute bei der Kälte öffneten nur wenige

Buschwindröschen ihre Kelche und es roch verdächtig nach

Schnee. Blaue Feder hatte noch viel zu lernen. Sie ging zum

Schwanensee. Dort tanzten die Gänseblümchen ihren Reigen

und lachten sie an. Blaue Feder setzt sich zu ihnen. Manchmal

war sie geblendet von dem Großen Schönen und sah das kleine

Blümchen am Straßenrand nicht mehr.



Auch kleine unscheinbare Vögel können singen

Vielleicht hatte ihr der Weidenlaubsänger das sagen wollen?

Sind es nicht oft die kleinen Dinge, die uns im Alltag berühren?

Hier ein liebes Wort, dort ein Lächeln oder eine nette Geste.

Zeigt sich die Liebe nicht oft versteckt in den kleinen Blümchen?

Am Schwanensee blühten schon die neu gepflanzten

Bäumchen. Blaue Feder fand ein geöffnetes Ei unter einem

Busch. Wer war wohl hier aus dem Ei geschlüpft? Sie ging

langsam zurück und auf dem Weg lag ein Stein, der sah aus wie

ein Haus mit sieben Fenstern. Auf dem Rückweg kam Blaue

Feder wieder am Großen Mondsee vorbei. Und als sie

zurückschaute sah sie die Graue am anderen Ufer

entlangschreiten. Blaue Feder musste lachen. Schnell lief sie

zum Rand des Sees, aber nun war diese schon wieder

verschwunden.

Blaue Feder musste innerlich lachen und sagte etwas forsch:

‚Zeig Dich‘ und ihrem Herzen erhielt sie eine Antwort.

‚Ich bin immer da!

Wenn Du die Natur schaust, schaust Du mir in die Augen.

Wenn Du in meine Augen schaust, schaust Du in meine

Seele.

Wenn Du in meine Seele schaust, erkennst Du meinen

Geist.

Mein Geist ist erfüllt von Liebe.

Diese Liebe durchströmt alles, vom kleinsten Lebewesen

bis zum Größten.

Sie fließt auch durch die Menschen und zeigt sich in allem,

was sie machen.

Lass die Liebe fließen Blaue Feder, und mache auch mal

Pausen.

Mach eins nach dem anderen.

Und vergiss nie, die Liebe fließt auch durch die kleinsten

Blümchen.‘



31. Alles hat seine Zeit

Das Storchendorf Bergenhusen – Mond im Steinbock

Wenn Engel reisen, scheint die Sonne. Eine milde Brise aus

Nordost wehte Brauner Bär und Blaue Feder durch das Tal der

BroklandSau bis über die Eider in die Flusslandschaft von Eider-

Treene-Sorge. Sie fuhren durch blühende Löwenzahnwiesen.

Kurz vor den Berge begrüßte sie die Grau. Dann ging es in die

Berge. Wer meint oben im Norden sei alles platt, der täuscht

sich. Hier wirkt das Land lieblich wie im Allgäu. Mit dem Mond im

Steinbock wollten sie das Storchendorf Bergenhusen besuchen.

Sie besuchten erst die Kirche mit den schönen Engeln. Sie

wurde gerade renoviert. Blaue Feder zündete eine Kerze an, für

den Freund, der gerade gegangen war und gedachte seiner. Sie

zündete eine zweite Kerze an für das Neue, das geboren würde.

Brauner Bär und Blaue Feder gingen erst die ‚Rote Runde‘.

Vereinzelt saß ein Storch im Nest. Die Partner waren oft

ausgeflogen. Die Störche waren schon am Brüten. Sie besserten

ihre Nester aus, waren auf Futtersuche und mit der

Gefiederpflege beschäftigt. Es war wie bei ihnen. Momentan

standen viele Schönheitsreparaturen am Haus an. Der Garten

rief und das Wohl des eigenen Körpers war ihr wichtig. Nach dem

Winter musste man erst einmal wieder in Schwung kommen.

Blaue Feder beruhigte es. Sie hatte das Gefühl ihre Blog-

Geschichte hatte auch noch Zeit. Sie konnte noch ein bisschen

darüber brüten, bis die kleinen Störche geboren waren. Wann

kommen sie eigentlich auf die Welt? Im Auto hörten sie ein Lied

‚Clever Born‘ von Kat Frankie und es gefiel ihr sehr.

Nach der ‚Roten Runde‘, folgten die Beiden nun den Blauen

Pfeilen und verliefen sich erst einmal, landeten in den Schlehen.

Dann fanden sie den Weg zum Lüttensee. Wenn sie den See

auch nicht fanden, dann doch ein wunderbare Alte Sau. Sie

erinnerte Blaue Feder an die BroklandSau. Sie kam, wedelte mit

dem Schwanz und freute sich. Sie war wohl schon sehr alt und

hatte viel gesehen. Das Laufen fiel ihr schwer.

‚Lass Dir Zeit‘, sagte sie zu Blaue Feder. ‚Du bist frei. Es ist

egal was andere sagen. Nimm Dir die Zeit, die du brauchst.

Alles hat seine Zeit. Momentan ist das Haus dran. Es braucht

auch seine Pflege, damit es Euch gut schützt. Pflanze Deine

Blümchen und mach alles schön.‘

Im Sonnenlicht auf einer Löwenzahnwiese stand eine alte

Esche. Es gab Traditionen, da war der Weltenbaum eine Esche.

Als Kind hatten Blaue Feder die Abenteuer der fünf Freunden

fasziniert. Sie hatte die Bücher von Enid Blyton geliebt. Ihr

Lieblingsbuch war: Der Zauberwald. Drei Kinder steigen jeden

Tag auf einen Baum und landen in verschiedenen Welten und

erleben ihre Abenteuer mit Mondgesicht, mit Seidenhaar, dem

Kesselflicker und Madame Waschsoviel. Die Bäume fragen: ‚Wo

sind Deine Wurzeln und wohin möchtest Du wachsen?‘

Sie gingen den Weg zur Mühle hoch. Die alte Margaretha war

eine Perle. Das Haus mit der Nr. 4. – Sie wohnten auch in der

Nummer 4 und ihr Haus war auch eine Perle. Der Stress fiel von

ihren Schultern. Als sie zuhause ankamen, war schon der liebe

Nachbar da, der ihnen den Schornstein reparierte. Der

Schwalbenhof strahlte und es war gut so.



32. Das Schwalbenkraut

Rund um den Schwalbenhof, da wuchs ein Kraut.

Blaue Feder wusste, wenn es seine sonnengleichen gelben

Blüten öffnet, dann kehren die Schwalben im Frühling von ihrer

Reise aus dem Süden zurück. Mit der herbstlichen Rückreise der

Zugvögel endete seine Blütezeit, daher wurde es im Volksmund

Schwalbenkraut genannt. Besser bekannt war es unter seinem

Namen Schöllkraut. Pflanzenfreunde wissen um den gelben

Milchsaft, der Warzen verschwinden lassen soll. Blaue Feder

hatte sich in einem Schwimmbad Dornwarzen eigefangen.

Vielleicht konnte ihr das Kraut helfen. Die Warzen müssen nur

wenige Tage, aber regelmäßig, dreimal am Tag, mit dem Saft

betupft werden. So bekam es auch den Namen Warzenkraut.

Blaue Feder fand es immer spannend, welche volkstümlichen

Namen einem Kraut gegeben wurden, ließen sie Schlüsse zu auf

seine Heilwirkung. So wurde es auch Augenkraut, Lichtkraut

und Ogenklar genannt. Es wurde beobachtet, dass

Schwalbenmütter ihren blinden Küken den Saft in die Augen

träufelte und so ihre Sehkraft zurückkehrte. Die gelbe

Blütenfarbe bedeute den Alchemisten, dass mithilfe seiner

Wurzel Gold herzustellen sei. So wurde es Goldwurz genannt.

Auch Gelbsucht und andere Leberleiden wurde mit dieser

Pflanze behandelt. Es gab ein Gemälde von Albrecht Dürer vom

Schöllkraut. Er hatte es für seinen Arzt gemalt, der seine

Leberprobleme mit Schöllkraut behandelt hatte. Als

Leberpflanze vertreibt es die Laus, die über die Leber gelaufen

war. Das Kraut mit den gelben Blüten half dort, wo Gifte

produziert wurden. Eine Blütenessenz vertrieb Melancholie und

Traurigkeit. Es trotzt auch Umweltverschmutzungen und wächst

vermehrt mitten in der Großen Stadt.

Seine Wurzeln sondern ein Säure ab die Steine erweichen kann.

Auf dem Schwalbenhof wuchs es entlang jeder Mauer und in

jeder Ritze. Früher hatte Blaue Feder das Kraut genervt, das sich

überall in ihrem Garten ausbreitete und sie hatte es ausgerissen.

Doch nun durfte überall wachsen, wo es wollte.

Ganz zaghaft fragte nun die RegenbogenSau, ob Blaue Feder

nicht Lust hätte, in den Garten zu gehen und dieses wunderbare

Kraut zu zeichnen. Sie hatte sich bisher zurückgehalten, doch

nun bot sich ihre Chance. Blaue Feder holte ihre Stifte, ihr

Skizzenbuch und ihren Schemel und schon saß sie im Garten

und tauchte in die Gegenwart dieses Himmelsgeschenkes, das

sie zu innerer Ausgeglichenheit führen wollte. Blaue Feder war

jedenfalls nach dem Zeichnen tiefenentspannt und machte erst

einmal ein Nickerchen. Später las sie, es gehörte zu den

Mohngewächsen. Nun wunderte sie sich nicht mehr, dass ihr

nach dem Zeichnen die Augen zufielen.

- Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber es kreisten

einige Schwalben über dem Hof und sie hatten eine sonnige

Woche. Seit das Dach des Schwalbenhofes erneuert wurde,

hatte keine Schwalbe mehr auf dem Hof genistet. Es konnte aber

auch an den trockenen Sommern liegen. Zum Nestbau

brauchten die Schwalben Lehm und den fanden sie an feuchten

Stellen. Vielleicht waren diese Stellen zu weit vom Hof entfernt.

Blaue Feder nahm ihre Skizze als Vorlage für ein weiteres Bild.

Sie schwang den Pinsel, da freute sich die RegenbogenSau,

strahlte ihr Bild in schönen Farben. Schöllkraut soll unabhängig

machen, sowohl von Applaus als auch von Ablehnung. Seine

Antwort heißt Liebe und die brauchte bekanntlich nicht viele

Worte.



33. Wilde Tulpen

Maifeiertag

Am Morgen erwachte sie aus belebten Träumen. Als sie sich

einen Kaffee machte, sah sie die Kohlmeisen, das Haar holen.

Sie hatte Brauner Bär draußen die Haare geschnitten. Blaue

Feder trank in Ruhe ihren Kaffee, machte sich fertig und zog los.

Die Linden bekamen Blätter. Blaue Feder pflückte sich einige.

Sie liebte frische Lindenblätter. Habt Ihr schon einmal

Lindenblätter gegessen? Probiert sie mal. Ihre herzförmigen

zartgrünen Blätter schmecken sanft und nussig, als würde man

die Liebe selbst verspeisen. Am Rande des Dorfes auf dem Weg

zur Broklandsau, da stand ein kleines Holzhaus. Alle naselang

weht am Fahnenmast dieses Hauses eine neue Fahne. Die

Bewohner müssen wohl Fahnen aus allen Ländern haben.

Manchmal sind es diese kleinen Dinge, die den Unterschied

ausmachen. Eine Frau kam aus dem Haus und strahlte Blaue

Feder an. Manchmal treffen sich Frauen und lächeln sich an, wie

Frauen sich eben anlächeln, wenn sie sich treffen. Dann ging sie

ihres Weges und Blaue Feder den ihren. Es war windstill, die

Fahne hing lautlos am Mast und Blaue Feder kannte sie nicht.

Also ließ sie sich auf ein Abenteuer ein, ohne zu wissen, wohin

es sie führt. Sie tauchte in ein Land ‚Irgendwo im Nirgendwo‘.

Sie ging über ein Hochplateau. Am Wegesrand hörte sie leise

tausend kleine Glöckchen klingen. Dieser Klang war ihr sehr

vertraut. Irgendwie fiel sie aus Zeit und Raum. Es gab wenig, was

ihre Aufmerksamkeit ablenkte. So horchte sie nur auf ihr Herz.

Tiefe Canyons taten sich auf in der trockenen schwarzen Erde.

Ein Fluss schlängelte sich an ihrem Grund. Der Fluss sang sein

Lied, ein Lied für alle ‚Eingeborenen‘.

War sie so eine ‚Eingeborene‘? Ein Kind von Mutter Erde, in

dessen Herzen es keine Grenzen gab. Am Wegesrand lachten

sie ein paar Blumen an. Sie hatte sie hier noch nie gesehen.

Wilde Tulpen, dachte sie bei sich und freute sich über diese

Neuland-Entdeckung.

Im Moor blühte zart-rosa ein wilder Apfelbaum und ein Rehbock

blickte sie an. Blaue Feder saß eine Weile am Großen Mondsee

und sah der Grauen beim Fischfang zu. Langsam ging sie

zurück. Im Garten der Nachbarin erblickte sie eine Tulpe. Dann

stand sie am Fuße der Dorfeiche, dort wo alle ihre Reisen

beginnen und enden.

Und siehe da, unter der Eiche blühten auch ein paar Wilde

Tulpen. Ein Lächeln strahlte über ihr Gesicht. Ein Lächeln wie

‚Eingeborene‘ eben lächeln. So ‚beliebt‘ konnte sie in die neue

Woche starten.

Später las Blaue Feder, dass Tulipa sylvestris die einzige in

Deutschland wild vorkommende Tulpenart war, und sie stand

unter Naturschutz.



34. Das Salomonsiegel

Tag der Großen Mutter

Blaue Feder hatte etwas länger geschlafen und wachte bei

Sonnenschein auf. Die KräuterSau rief und wollte mit ihr durch

das Moor streifen. Sie beeilte sich, zog sich rasch an, aß eine

Kleinigkeit und schon ging die Reise los. Sie stromerte Richtung

Gänsekuhle – in der Hoffnung den Adler wiederzusehen. Der

Westwind wehte den Regen vor sich her. Die Schwalben

umkreisten Blaue Feder. Sie hatte Glück und der Regen flog an

ihr vorbei. Sie ging zum Großen Mondsee und beobachtet die

Haubentaucher. Ab und zu wie sie einmal abtauchen, tat gut.

Eine Moormeise sang für sie: ‚Lass los. Du würdest gerne den

Adler sehen. Doch tauche in das Jetzt und nicht in das, was

sein könnte.‘ Blaue Feder ließ los und tauchte in die Blumen am

Wegesrand und in die Wiesenschaumwiese. Sie konnte sich

vorstellen, wie die kleinen Elfen tanzten. Am See mit der Insel

wurde sie in den Birkenwald gezogen. Hier standen sieben

Birken beieinander und tanzten. Ein Hexenbesen hing in den

Zweigen. Die Birken tanzen oft abseits, dort wo sie nicht gesehen

und auch nicht gestört werden. Sie tanzen ihren Tanz, wo der

Eichelhäher zuhause war. Sie setzte sich auf einen Birkenthron

und schloss die Augen: ‚ Gehe mehr nach innen. Öffne Dein

Herz. Der wahre Reichtum liegt in Deinem Herzen. Ihn kannst

Du im Außen nicht finden – noch zeigen.‘ Blaue Feder

entspannte sich und bedankte sich bei den Birken. Sie ging

weiter zur Gänsekuhle und sah keinen Adler weit und breit. Dort

wo eine Birke abgeholzt wurde, standen ein paar

Salomonssiegel. Sie wuchsen gerne dort, wo viel abgeholzt

wurde. Auch bei ihrem kleinen Wald und auf dem Fuchsloch

hatte sie das Salomonsiegel gesehen. Sie begegnete dem

Salomonsiegel jetzt zum dritten Mal und sie hatte sehr viel

Respekt vor dieser Pflanze. Sie strahlte sehr viel Kraft aus. Blaue

Feder kannte sie nicht und näherte sich ihr langsam. Sie setzte

sich zu den Pflanzen. Vor ihrem inneren Auge erschien eine

weiße Frau, die Samen aus einer Schüssel verstreute.

Blaue Feder hatte den Eindruck, die Natur streute ihre Blumen

und Pflanzen dorthin, wo sie gebraucht wurden, von der Natur

selbst, wie auch von den Menschen. Auch in ihrem Garten

wuchsen die Kräuter, die ihr guttaten. Blaue Feder wusste nichts

von Salomon, aber ihr schien diese Blume die weiblichen und die

männlichen Energien auszugleichen, in Einklang zu bringen und

in Frieden. Vielleicht wünschte sich Blaue Feder Erfolg, doch

wusste sie, der wahre Reichtum war nicht im Außen zu finden.

Sie fand ihn nur in ihrem Herzen. Je mehr sie sich für die inneren

Welten öffneten, desto mehr veränderte sich auch ihre äußere

Welt. Darum war es wohl wichtig, sich zu entspannen. Sie konnte

sich Zeit lassen und mit allen Sinnen in die Welt der Pflanzen

eintauchen. Riechen, schmecken, wahrnehmen und fühlen mit

allen Sinnen eintauchen. Blaue Feder ging noch zu einem Ort,

den sie Tierfriedhof nannte. Am Großen Mondsee setzte sie sich

auf die Bank und die Frau vom See setzte sich zu ihr. Sie triefte

vor Wasser und Algen hingen an ihr runter. Sie setzte sich zu

Blaue Feder und nahm sie in den Arm. Es gab nichts, was es

nicht gab. Die ganze Welt war belebt. So saßen sie eine Weile

zusammen. Dann bedankte sie sich und als sie ging, flog ein

Kormoran fort. Als Blaue Feder aus dem Moor kam, fiel ihr der

Himmel auf. Die Wolken strahlten weiß in alle Richtungen. Das

sah schön aus. Die Graue flog an ihr vorbei. Sie hatte auch

anfangs wieder auf dem Feld gesessen, aber Blaue Feder hatte

sie nicht gesehen.



35. Küstensteine

Das Land Dazwischen

Steine erzählen sehr alte Geschichten. Habt Ihr schon

einmal einen Stein in die Hand genommen und gelauscht? Habt

Ihr schon einmal auf einem Stein gelegen und seid eins mit

ihm geworden?

Es war die Zeit der Blumen-Mondin. Fast rund stand sie am

Abend am Himmel. Blaue Feder rief es an die BroklandSau und

Emma flüsterte ihr zu: ‚Tauche in den Fluss des Lebens‘.

Am Tag zuvor hatte ihr eine Freundin von den Küstensteinen

erzählt. Es gab Menschen, die bemalten Steine und legten sie

irgendwo in die Natur oder in die Stadt und schwupps, fand sie

einen Küstenstein - einen hübschen mit Blümchen. Es war eine

schöne kleine Idee, die ihr ein Lächeln aufs Gesicht zauberte.

Einst reiste Blaue Feder ins Land der Steine und entdeckte ihre

Liebe zu den Steinen wieder. Schon als Kind hatte sie einen

großen Stein an der Ostsee, der sie tröstete, wenn sie mal traurig

war. Stunde um Stunde saß sie auf dem Stein. Die Wellen

plätscherten um sie herum und sie schaute auf das Meer hinaus.

Getröstet ging sie dann wieder nach Hause. Blaue Feder ließ

den Stein liegen, damit er noch mehr Wanderer verzaubert.

Sie hing gerade irgendwo dazwischen. Das Alte funktioniert nicht

mehr und das Neue war noch nicht richtig da. In dem Raum

Dazwischen war alles etwas unscharf - nicht so fokussiert. In der

Weite öffnete sich ihre Wahrnehmung für das Neue.

Am Mast des kleinen Holzhauses wehte eine alte argentinische

Fahne. Blaue Feder tauchte in ein Land ein, in dem die Sonne

lachte. Die Sonne spielte mit Licht und Schatten. Sie tauchte in

das Land Dazwischen, einem Land, indem es nichts zu tun gab.

Sie konnte einfach sein und mit den Energien fließen, sich

treiben lassen und die Weite genießen. Sie kam zu Großmutter

Holunder und begrüßte sie. Sie stand an einem Ausläufer der

Broklandsau. Der Löwenzahn brach sich seinen Weg durch die

Straße. Blaue Feder ging nicht ins Moor, sondern über die Felder

an dem kleinen Schuppen vorbei. Vielleicht kam sie hier auch an

die Broklandsau. So war es und sie tauchte in den Fluss des

Lebens und fühlte sich geborgen. Einige Rohrammern,

Feldlerchen und Rohrsänger begleiteten sie. Sie sah Muscheln

und Seerosenblätter auf der Broklandsau. Als sie den Weg

zurück ins Moor einschlug, flog ein großer Schwarm Möwen über

sie hinweg. Sie brachten das Neue mit sich - Leichtigkeit.

Plötzlich wurde alles lebendig um sie herum Feder.

Schmetterlinge und Libellen umschwirrten sie.

Mach es Dir leicht!

Mit den Möwen verflog die Schwere und Blaue Feder tanzte mit

den zarten grünen Birkenblättern im Wind. Sie spürte einen

tiefen Frieden in sich. Das Land Dazwischen fühlte sich noch

etwas ungewohnt an. Sie musste sich nicht immer so

anstrengen. Nun durfte sie es sich leichter machen. Sie würde

sich Zeit lassen. Ihre Ruhe und Zufriedenheit würden in die Welt

strahlen und nicht der Stress.



36. Der Urkraft begegnen

Am Morgen sah Blaue Feder in ihren Sonne- und Mondkalender

und ihr wurde bewusst, Brauner Bär und sie würden heiraten,

wenn Lilith auf seinem Mond und auf ihrer Sonne stand. Da

würde auch ein schwarzes Hochzeitskleid passen. Egal, wie sie

es anstellte, sie griff immer zu schwarzen Kleidern. Sie befragte

die Freundinnen, welches Kleid sie tragen sollte und jede sagte

etwas Anderes. Sie würde letztendlich entscheiden, in welchem

Kleid sie sich wohl fühlte. Sie hatte von einem Kleid geträumt.

Sie hätte es sich nähen können. Doch wollte sie es sich einmal

leicht machen. Erst kurz vor der Hochzeit würde sie das Kleid

aus ihrem Traum mit gestickten Blumen am Ausschnitt finden

und dann sicher sein, es war perfekt und es war schwarz.

Lilith war für Blaue Feder die Urkraft, die Urschamanin. Blaue

Feder wachte an diesen Morgen mit Schmerzen auf. Sie kannte

es, in Zeiten der Veränderung, reagierte sie mit Schmerzen.

Früher hatte sie sich Sorgen gemacht und sich untersuchen

lassen. Aber es wurde nie etwas gefunden und irgendwann

lösten sich die Schmerzen wieder auf. Lilith war für sie die wilde

und ungebundene Frau. Blaue Feder würde sich binden. Stand

es im Widerspruch? Würde sich etwas verändern in dem

Verhältnis von Brauner Bär und Blaue Feder. Sie lebten eine

sehr freiheitliche Beziehung, in der sie beide ihren Freiraum

hatten, sich zu entwickeln.

Vermutlich würde sich etwas verändern. Sie sagten ‚Ja‘

zueinander, nahmen sich in Liebe so an, wie sie waren, so

unterschiedlich wie sie waren, so unterschiedlich wie ihre Ringe.

Wohl jeder Hochzeit wohnt ein Zauber inne. Ihren

Hochzeitszauber würden sie noch erst erfahren.

Es war schön draußen. Die Sonne schien und lud Blaue Feder

zu einer Runde ein. Die erste Mohnblüte war erblüht und im

hinteren Garten blühten Kornblumen. Sie selbst trug heute Blau

und Rot. Sie liebte diese Farben, wie sie Mohn und Kornblumen

liebte. Der Duft der ersten zarten Holunderblüten wehte zu ihr

herüber. Es war warm und ein erfrischender Wind wehte. Sie

ging erst zu den Pferden. Windpferd begrüßte sie und für einen

Moment war sie in Tibet und ritt mit ihm über eine Hochebene.

In einem Land, in dem sie leiblich noch nie gewesen war und

welches ihr trotzdem ein Gefühl von Heimat gab. Blaue Feder

brach auf ins Tal der BroklandSau. Auch dieses Land gab ihr ein

Gefühl von Heimat. Sie traf gleich zwei bekannte Gesichter –

zwei Künstlerfreunde. Sie tauschten sich kurz aus und dann ging

jeder seines Weges. Am Ortsausgang hing bei dem kleinen

Holzhaus eine jamaikanische Fahne mit Bob Marley drauf und

‚Freedom‘ stand unter seinem Bildnis. Blaue Feder dachte über

den Begriff Freiheit nach.

Die Begrenzungen des irdischen Lebens anzunehmen,

führt in die Freiheit. Sie liebevoll anzunehmen, macht

frei.

Auf dem Moor-Info-Häuschen sang ein Buchfink und fragte

Blaue Feder: ‚Wirst Du davon erzählen? ‘ Sie versprach es,

ohne zu wissen, was sie heute erleben würde. Blaue Feder ließ

sich einfach treiben. Eine Kutsche fuhr an ihr vorbei. Die

Hochzeitkutsche, hihi…



Sie ging zum Großen Mondsee und begrüßte die

Haubentaucher. Sie kam sich vor wie bei den Wollsammlern. Die

Löwenzahnsamen hatten interessante Gebilde geformt. Sie fand

eine Pose, eine Schnaps-Buddel und anderen Müll. Die Angler

hatten wieder einiges zurückgelassen. Die Disteln fingen an zu

blühen und die Schwertlilien. Wieder hörte sie das Traben der

Pferde und die Kutsche fuhr vorbei. Blaue Feder lächelte in sich

hinein. Blaue Feder ging den Weg der Rehe und setzte sich in

eine Wiese ans Wasser.

Es fiel ihr heute schwer loszulassen, sich hinzugeben, war sie

innerlich unruhig. Manchmal fühlte es sich so an, wenn etwas

Neues in ihr Leben trat. Sie setzte sich ins feuchte Gras und

beobachtete die Libellen. Einer schaute zu lange in die Augen.

Irgendetwas war, aber sie wusste nicht was. Als sie aufstand,

raschelte es in einem Busch. Eine schwangere Moor-Eidechse

saß unter einem Busch. Beide waren still, keine bewegte sich

und sie sahen sich einfach eine Weile an. Das war ein

wundersamer Moment. Blaue Feder fühlte sich in Ur-Zeiten

zurückversetzt und konnte es kaum in Worte fassen.

Die Eidechse erinnerte sie an Tuatara, die Brückenechse aus

dem Buch ‚Die Weisheit der vier Winde‘. Daheim las sie noch

einmal den Text.

‚Ich bin Tuatara.

Ich geleite dich durch das Reich der Sterne hin zu Welten uralten

Wissens, damit sich dir Tore jenseits des Sichtbaren öffnen,

durch die sich dein Geist erheben kann.

Ich behüte wundersame spirituelle Pfade, die meinem dritten

Auge klar ersichtlich sind.

Mein ist der Weg der uralten Wahrheit, das Geschenk des

Regenbogenhimmels.

Inmitten des wütenden Sturmes bin ich an deiner Seite.

Ich vernehme deinen Wunsch nach Kraft.

Denen, die ratlos und einsam sind, zeige ich den Himmelspfad, den

Weg nach Hause. Ich bin das Tor zu den Sternen.

Vertraue der sanften Stimme jenseits von Raum und Zeit.

Vertraue dem inneren Auge und erkenne das verspielte Kind im

Inneren.

Vertraue deinem Lied, der Einzigartigkeit des Weges, den du

gewählt hast.

Vertraue deiner eigenen Schönheit und all dem, was es für dich

noch zu erreichen gibt.

Vertraue – und in diesem Vertrauen finde ewige Freiheit.‘

Blaue Feder ging weiter und öffnete ihr Herz und machte es

weit und nahm ihre Schmerzen hinein. So ging sie zu den

Teichmummeln. Hingabe und Vertrauen waren die Worte, die

sich in ihr formten. Sie ging noch einmal zum Salomonsiegel.

Es sah aus, als hätte es die Masern. Lauter Flecken waren auf

den Blättern. Vielleicht nahmen die Pflanzen Schmerzen und

Gifte auf und wandelten sie. Alles war miteinander verbunden

wie die Wurzeln des Salomonsiegels. Wenn wir uns verändern,

dann wirkt es sich auf das ganze System aus. Sie war immer

noch angespannt. Eine Wiese mit gelbem Ferkelkraut lachte sie

an und lud sie ein, sich hineinzulegen. So lag sie zwischen den

gelben Blüten, die warme Erde unter sich und der blaue

Himmel über ihr. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie

ihre Schmerzen in die Erde flossen. Mutter Erde nahm sie und

verwandelte. Verwandelte sie in goldenes Licht, das wie durch

Wurzeln wieder in ihren Körper zurückfloss.



Ferkelkraut war sehr nährend für kleine Brokland-Ferkel, wie sie

eines war. Es wuchs auch in ihrem Garten und war ihr vertraut.

Sie lag in der Sonne auf dem trockenen Boden und ließ den

Schmerz in die Erde fließen und nahm frische Energie auf. Das

könnte sie ruhig öfters mal machen. Hinterher fühlte sie sich

erfrischt und schon viel leichter.

Auf dem Heimweg hörte sie die Eichelhäher und dachte bei sich,

wenn sie eine Blaue Feder fand, dann würde sie ihre

Geschichten veröffentlichen. Es fing wohl mit dem ‚Alten Feuer‘

an und ging dann rückwärts. Daheim blieb sie noch eine Weile

im Garten und goss die Pflanzen. Das Hausrotschwanzweibchen

machte mächtig auf sich aufmerksam. Sie hatte drei Küken, war

dabei, sie zu füttern und Flugübungen mit ihnen zu machen.

Dann setzte Blaue Feder sich an den Computer und gestaltete

die Einladungen für ihre Hochzeit.

Da kam ihr in Erinnerung, dass sie in ihrem Büchlein ‚Land of

Enchantement‘ auch eine Eidechse genäht hatte, eine Spinne

und eine Schlange. Begegnete ihr nun als nächstes einer

Schlange? Auch erinnerte sie sich, dass Lilith-Transite einen

Neunjahres-Rhythmus haben wie bei einer Schwangerschaft.

Sie befragte dann noch einmal in die Sterne, wann Lilith ihre

Sonne besucht hatte und welche Themen damit verbunden

waren. Als sie die Jahreszahlen sah, kamen ihr gleich

Erinnerungen. Sie erinnerte sich an eine Reise in das Land der

Schwäne aus Kindertagen, wo Eidechsen direkt am Haus

wohnten.

Am Nachmittag zog die Lokomotive Emma mit den Kindern durch

das Dorf. Sie erinnerte sich, wie sie als junge Frau den Drachen

‚Frau Mahlzahn‘ in Jim Knopf gespielt hatte. Sie war damals

tausend Tode gestorben, weil sie auf der Bühne sprechen

musste. Damals stand Lilith auf ihrer Sonne und sie war über

ihren Schatten gesprungen. Vielleicht kommt mit Lilith die Kraft,

neue Dinge anzugehen, die sie sich vorher nicht getraut hätte

wie eine ‚Trau-ung‘.

Die Tiere in ihrem Buch stellten vielleicht die Schatten-Themen

dar, in denen Kraft gebunden war. Die Eidechse wollte sie an

ihre Träume erinnern, die sie noch umsetzen wollte. Wollte sie

mit ihrer Urkraft verbinden und sie einladen, vollkommen zu

ihrem Sein und Wesen ‚Ja‘ zu sagen. Die Moor-Eidechse würde

wohl bald ihre Jungen bekommen. Was würde Blaue Feder

gebären?

Wenn wir kreativ tätig sind, wenn wir etwas Neues versuchen,

dann schwanken wir oft zwischen Anspannung, Freude,

manchmal Frustration, auch Aggression und Entspannung, bis

wir eine Lösung gefunden haben. Da kann sich der Körper schon

mal verspannen.

Ein Bad im Ferkelkraut konnte ihr helfen, Entspannung zu finden

und zu ihrem Sein und Wesen ‚Ja‘ zu sagen.



37. Rot wie Mohn und Blau wie Kornblumen

An diesem Tag witterte die RegenbogenSau ihre Chance. Es

hatte geregnet und die Blütenblätter des Mohns waren

abgefallen. Schon immer einmal wollte Blaue Feder mit

Pflanzenfarben experimentieren. Sie sammelte die Mohnblätter

ein und kochte daraus einen Farbensud. Sie wollte gerne

Farben aus Kornblumen und Mohnblumen machen und dann

die Blumen damit malen. Die roten Blütenblätter wurden früher

zum Färben von Wein und Sirup benutzt und zur Herstellung

roter Tinte. Sie war überrascht, dass die Saftfarbe, die sie

durch einfaches Zermörsern der Blütenblätter erhielt oder durch

Kochen, eher Purpur-Violett war. Das lag wohl an dem PH-

Wert und an der dunkelblauen Mitte des Mohns. Fügte sie ein

paar Tropfen Seifenlauge in den violetten Mohn, veränderte

sich die Farbe nach Blau. Fügte sie ein paar Tropfen

Essigsäure, wurde der Farbton rot. Die Saftfarbe vermalte sie

direkt auf dem Papier.

Sie versuchte ihr Glück auch mit den blauen Kornblumen,

erhielt beim Mörsern aber nur einen sehr zarten Blau-Ton. Sie

gab etwas Alaun dazu, aber viel intensiver wurde die Farbe

dadurch nicht. In ihrem Garten wuchsen viele Pflanzen, die sie

einluden, mit ihnen sie experimentierte. Ein sattes Gelb erhielt

sie, wenn sie Löwenzahnblüten 15 Minuten mit Alaun köchelte.

Auch ein Farbensud aus Zwiebeln ergab ein leuchtendes Gelb.

Ein sattes Gelb erhielt sie auch von frischen Apfelbaum-

Zweigen.

Um Orange zu gewinnen, eignete sich das Schöllkraut. Alle

Pflanzenteile des Schwalbenkrautes sonderten einen

orangefarbenen Saft ab. Brennnesseln 30 Minuten mit Alaun

geköchelt ergaben einen zarten Gelbgrün-Ton. Die meisten

Farbstoffe waren in den frischen Pflanzen im April enthalten.

Für ein mystisches Blau oder Violett eigneten sich natürlich die

reifen Holunderbeeren. Doch waren sie noch nicht reif. Mit

ihnen ließ sich ein kräftiger Farbensaft herstellen, wenn man

sie kurz mit Wasser aufkochte und durch ein feinmaschiges

Sieb presst. Die Farbtöne changierten zwischen Purpurrot und

Violett. Ein tiefes Violett-Rot erhielt sie auch bei Versuchen

mit den Malven. Hibiskusblüten 15 Minuten mit Alaun geköchelt

ergaben ein Purpur bis Blau-Ton. Um Braun zu bekommen

eignete sich besonders die Walnuss. Die frischen, grünen

Fruchtschalen hackte sie klein und weichte sie über Nacht in

Wasser ein. Dann kochte sie die Schalen unter Zugabe von

Alaun eine Stunde aus und seihte den Saft ab. Je länger sie die

Schalen mit Alaunlösung köchelt, umso tiefer wurde das Braun.

Aus der Rinde der Eiche konnten Braun bis Schwarz-Töne

gewonnene werden. Die Zubereitung war wie bei der Walnuss.

Wegen der Gerbstoffe war die Rinde auch für Tinte geeignet.

Mit allen Farben ließen sich auch Papiere, Stoffe und andere

Naturmaterialien wie Holz einfärben.

Unter Zugabe von Gummiarabikum konnte sie in Muscheln

Aquarellfarben herstellen.

Die RegenbogenSau war glücklich, als sie mit Blaue Feder in

der Küche in alle Farben des Regenbogens tauchte.



38. Die Regenbogenschlange

Neumond im Juni

Die Moor-Eidechse hatte Blaue Feder erinnert, wie sie als Kind

gerne Dinosaurier abgezeichnet hatte und mit Mustern

versehen. Stundenlang saß sie konzentriert und zeichnete. Im

Wohnzimmerschrank stand ein großes Buch: ‘ Die Welt, in der

wir leben‘. Es war die Naturgeschichte unserer Erde und war mit

wunderbaren, farbenprächtigen Illustrationen ausgestattet.

Wann immer sie Zeit hatte, schnappte sie sich das Buch,

zeichnete die Tiere und Pflanzen ab und malte Muster hinein.

Vielleicht war es ihre Art des Meditierens in jungen Jahren. Sie

besorgte sich das Buch von 1956 antiquarisch und fand es

immer noch genauso faszinierend.

Blaue Feder blieb in der Traumzeit, der Zeit der

Regenbogenschlange. Im Schöpfungsmythos der Traumzeit der

Aborigines erschuf die Regenbogenschlange den Himmel und

die Erde. Ihre Regenbogenschlange fristete ihr Dasein als

Opernpailletten-Täschchen verstaubt in einer Schublade. Schon

lange nicht mehr benutzt, sah sie nur das Licht, wenn Blaue

Feder mal die Schublade öffnete. Sie nahm gerne etwas Altes

und erschuf daraus etwas Neues. Die Krähen stifteten noch ein

paar Federn. Die Pailletten erzählten aus alten Zeiten von

farbenprächtigen Opern und wunderschönen Gesängen. Es war

das Operntäschchen ihrer Mutter, die gerne in die Welt der

Opern getaucht war. Sie selbst war in jungen Jahren auch viel in

der Oper, doch liebte sie den Tanz mehr. Als Kind hatte sie

geträumt, in die Ballettschule von John Neumeier zu gehen.

Jetzt wohnte sie in der Großen Stadt neben eben dieser

Ballettschule. Ab und an mischte sie sich unter die Eleven und

flog mit ihnen über die Straßen. Blaue Feder war keine Elevin

mehr, eher eine kleine kugelrunde Elfe. Aber sie flog gerne,

besonders in ihren Träumen und so flog auch ihre

Regenbogenschlange. Die Schlange erinnerte sie an die Shakti

Energie. Die Shakti Energie manifestiert sich im Körper als

Schlangenkraft, auch Kundalini genannt. Herkules kämpft auf

seiner Heldenreise mit der Schlange oder der Hydra. Er kann sie

erst überwinden, als er sie in die Luft hebt. Es bedeutet, er hebt

sie ins Bewusstsein. Meditierende erwecken durch ihre Praxis

die Kundalini-Energie. Diese steigt in der Wirbelsäule auf.

Erreicht sie das Kronen Chakra, sprechen wir von Erleuchtung.

Die Kundalini kann aber auch spontan erwachen ohne

Meditationspraxis. Die Schlange ins Licht heben, heißt sich der

Dinge bewusstwerden werden. Den Schatten erkennen und

annehmen. Nach ihrem Studium arbeitete Blaue Feder an der

Staatsoper, aber hinter der Bühne, als Kostümdesignerin. Ihr

wurde sogar eine feste Stelle angeboten. Sie merkte bald, dass

ihr die stressige Arbeit dort nicht gut bekam, zog weiter und folgte

ihrem eigenen Ruf. Auch davon erzählt die

Regenbogenschlange.

Dieser Tage riefen sie die Berge des Schiefergebirges. Der

Rucksack war gepackt und der irische Sonnenhut wollte mal

wieder auf eine kleine Reise gehen. Das Skizzenbuch und ein

paar farbige Stifte waren eingepackt. Blaue Feder wollte in die

Stille des bergischen Landes eintauchen und ihrem Lied

lauschen.



39. ‚Voll das Leben!‘

Sommersonnenwende

Tags zuvor saß Blaue Feder in der Großen Stadt in der S-Bahn

und war umringt von jungen Mädchen, die alle Rucksäcke bei

sich trugen, auf denen stand:

‚Voll das Leben!‘

Darunter war ein Fisch und ein Laib Brot abgebildet. Es war

Fronleichnam und die jungen Menschen fuhren wohl zu einer

Kirchentags-Veranstaltung.

An diesem Tag erwachte Blaue Feder von dem Klopfen eines

Spechtes. Sie war müde und der Kopf brummte noch etwas von

der Arbeitswoche. Es war Sommersonnenwende, aber sie fühlte

sich nicht besonders. Die Zeiten in der Großen Stadt strengten

sie oft an und sie war froh, dass sie hier auf dem Land ihre Oase

hatte, wo sie wieder auftanken konnte. Auf ihrem Teppich vor

dem Bett lag eine weiße Daunenfeder und erinnerte Blaue Feder

an ihren Deal mit der Feder. Sie hatte sich innerlich ein

Versprechen gegeben: wenn sie eine ‚Blaue Feder‘, sprich eine

Feder vom Eichelhäher fände, würde sie den Geschichten-Blog

veröffentlichen.

Auf diese Weise zog sie los. Es wehte ein frischer Westwind mit

leichten Böen und es waren auch einige dunkle Wolken am

Himmel.Die kolumbianische Fahne war bei dem kleinen

Holzhaus am Ortsausgang gehisst. Was Blaue Feder wohl heute

entdecken würde?

Sie war etwas traurig, weil sie im Alltag manchmal das

spielerische Entdecken aus den Augen verlor. Nun, es waren

intensive Zeiten, die Allen viel abverlangten.

‚Voll das Leben!‘

Es zog sie heute zur BroklandSau. Als sie auf das freie Feld

hinaustrat, sah sie zwei Graureiher und auch eine Rehmutter mit

ihrem Kitz. Einige Bauern waren unterwegs und mähten die

Wiesen. Die Vögel hofften auf ein paar Leckerbissen. Blaue

Feder schlug den Weg zur Broklandsau ein. Sie sah einige

Hasen über die Felder huschen. Alles fühlte sich so lebendig an.

‚Voll das Leben!‘

Eine Frau in Pink lief ihre Runde und die Frauen grüßten sich.

Eine andere Lady in Pink stand hinterm Futterhaus. Hier gab es

also auch pinke Mohnblumen und noch weitere pinke Blümchen

lachten Blaue Feder entgegen. Kurz vor der BroklandSau lag

eine große schwarze Feder auf dem Weg – Schwarz mit ein

bisschen Grau.

Es war und ist wohl eine Storchenfeder. Im Storchen-Dorf hatte

sie sich überlegt, den Blog zu öffnen, wenn die Störche ihren

Nachwuchs haben.

– Vielleicht war dies ein Storchengruß. Kündigte ein Storch nicht

den Beginn von etwas Neuem an? Nun, es war keine Feder des

Eichelhähers, aber eine sehr schöne und große Storchenfeder.

Wie schön sie in der Hand lag. Wie sie sang, wenn Blaue Feder

sanft über sie hinwegstrich. Am Großen Mondsee wollte sie sich

setzen und lauschen, was ihr die Feder zu erzählen hatte.



Blaue Feder ging erst einmal an der BroklandSau entlang und

schreckte eine Entenmutter mit ihren Kindern auf. Die Enten

stoben auseinander. Es tat ihr leid. Sie hatte viel Nachwuchs –

wie schön. Auf der abgemähten Wiese fand sie eine zweite

Feder. Eine graue Feder eines Graureihers. Sie fühlte sich den

Graureihern sehr verbunden. Schon flog einer an ihr vorbei

hinüber zum Moor. Aber mochte sie nicht alle Vögel?

Ihr ging der Satz durch den Kopf:

‚Ich bin alle Vögel.‘

Was wollte ihr dieser Satz sagen? Mit dem Herzen verstand sie

ihn, aber nicht mit dem Verstand. Das Mädesüß blühte und

verströmte seinen Duft. Sie stand noch eine Weile bei den

Viechern. Wieder hatte sie nichts zum Knabbern dabei und die

Viecher kommentierte es mit einem beifälligen ‚Jaja!‘

Ein Nachbar fuhr mit seinem Trecker vorbei und hatte ‚die‘

Holzleiter für den Badesee hinten drauf. Jedes Jahr brachte er

die Leiter im Sommer zur Moorkuhle. Blaue Feder freute das.

Manchmal sind es so die kleinen Dinge, die das Herz erfreuen.

Nun war die Badesaison eröffnet. Blaue Feder war nicht danach,

in den kalten See zu springen. Die Kuhle Nr. 49 brauchte immer

sehr lange, bis sie sich aufwärmte. Sie war tief und kalt. Deshalb

brauchte man auch die Leiter, um rein und rauszukommen. Ein

paar Wasserläufer eröffneten die Saison und sie konnte schon

die Kinder, Groß und Klein, schreien hören, wenn sie ins Wasser

sprangen. Blaue Feder liebte ihr kleines Bullerbü. Hier war alles

etwas übersichtlicher als in der Großen Stadt und jeder hatte so

seinen Job. Sie war die, die mit der Kamera durch die Gegend

lief, so wie andere ihren Hund ausführten. Sie mochte ihr Leben.

Es war vielleicht manchmal etwas anders, als sie es sich dachte,

aber irgendwie lebendig – so wie der Tag heute. Sie setzte sich

an den Großen Mondsee und meditierte mit der Storchenfeder

in der Hand so vor sich hin, als eine ganze Horde von

Graureihern einfiel. Blaue Feder beobachtet sie und dachte

wieder bei sich:

‚Ich bin alle Vögel. Ich bin alle Blumen und Bäume. Ich bin

alle Tiere. Ich bin die Natur. Ich bin die Liebe und ich bin das

Leben. Ich bin in allem und fließe durch alles.‘

Sie ließ los und gab sich dem Fluss des Lebens hin. Das Leben

berührte sie mal wieder tief und ein paar Tränen kullerten die

Wangen herunter. Manchmal müssen auch die Tränen fließen.

Bei ihr wohl etwas öfters, als bei anderen. Das lag vermutlich an

den Sternen.

Ja, sie würde ihren Geschichten-Blog öffnen, so wie er eben war,

weil das Leben ebenso war wie das Leben eben war auch ohne

eine ‚Blaue Feder‘. Sie machte sich auf den Heimweg. Kurz

wurde sie noch einmal an den See gelockt. Sie pflückte ein paar

Stängel des wohlriechenden Mädesüß. Sie liebte ihren Geruch.

Sie würde sich das Mädesüß ans Fenster hängen und trocknen

für schöne Träume. Da erblickte sie eine kleine völlig zerzauste

Feder im Gras. Sie wollte sie erst gar nicht aufheben. Doch dann

nahm sie sie auf und strich sie glatt und musste lachen. Du

kannst es Dir schon denken - es war und ist eine Feder des

Eichelhähers. Da kullerten wieder die Tränen – war und ist das

Leben nicht wundervoll?

‚Voll das Leben!‘



40. In a Summer Garden‘

Kurz nach der Sommersonnenwende

Als Blaue Feder durch ihren Sommergarten ging, erinnerte sie

sich an die junge Frau, die sie einst war.

Mit 18 Jahren tanzte sie in einem kleinen Theater das Mädchen

‚In a Summer Garden‘. Eine Fantasie von Frederick Delius, die

er 1908 komponierte, inspiriert wohl von einem Gedicht von

Dante Gabriel Rossetti.

‚Alle sind meine Blüten; und alle süßen Blüten der Liebe.

Zu dir gab ich, während Frühling und Sommer sangen.‘

Blaue Feder tanzte eine junge Frau, die von ihrer Fantasie in ein

anderes Land getragen wurde. Mit diesem Gefühl tanzte sie

auch heute durch ihren Sommergarten, in dem es summte und

brummte und erinnerte sich ihrer Träume. Sie erinnerte sich, was

sie alles werden wollte. Als Kind wollte sie werden wie die Oma.

In der Schule wollte sie werden wie die Lehrerin. Sie wollte

Abenteuerromane schreiben wie Enid Blyton. Später wollte sie

tanzen wie Pina Bausch. Sie wollte singen wie Patti Smith und

malen wie Frida Kahlo. Sie wollte herausfinden, wie man heilt

und sie wollte wie Jane Goodall die Natur erforschen. Sie wollte

schon immer wissen, was hinter den Dingen steckt und wie sich

ein glückliches Leben anfühlt. Nun schaute sie zurück auf ein

volles Leben.

Wenn sie tanzte, war sie eine Tänzerin.

Wenn sie sang, eine Sängerin.

Wenn sie malte, eine Künstlerin.

Wenn sie in die Natur ging, war sie eine Forscherin.

Und während sie diese Zeilen schrieb, fragte sich Blaue Feder

selbst:

‚Was ist anders, wenn Du schreibst?‘

Manchmal probieren wir etwas Neues aus und sind unsicher.

Widerstände tauchen auf. Der Wind frischt auf. Themen der

Vergangenheit wehen herüber. Der Sturm legt sich irgendwann

wieder und dann erstrahlt die Welt in einem neuen Licht.

Manchmal half es ihr, mit dem Blick des zukünftigen Ich liebevoll

zurückzuschauen. Was würde sie dann sehen?

41. Auf den Spuren des Sommermädchens

Am Morgen frühstückte Blaue Feder mit dem Kater Max. Er war

genauso ängstlich wie die Tigerin, aber so langsam fasste auch

er Vertrauen. Sich richtig zu entspannen, schaffte er nicht. Immer

wieder gab es etwas, das seine Aufmerksamkeit erhaschte.

Blaue Feder ging es ähnlich. Auch sie tigerte herum und kam nur

langsam zur Ruhe. Am leichtesten fiel es ihr, wenn sie spazieren

ging und so ging sie ihre Runde.



Zu Johanni war sie auf einer Kräuterwanderung an der Elbe

gewesen. Jede Frau band sich einen kleinen Kräuterstrauß mit

den Kräutern, die sie ansprach. Den würde sie trocknen und er

würde sie in der kalten Zeit an die wärmende Kraft der Sonne

erinnern. Blaue Feder hatte auch einen kleinen Zweig

Johanniskraut in ihren Strauß gebunden. Heute wollte sie mal

Ausschau halten, ob Im Tal der BroklandSau auch Johanniskraut

wuchs. Gleich zu Beginn machten ein paar Pfeile auf sich

aufmerksam. Sie folgte den Pfeilen und tauchte ein in die

Zeichnungen des Sommermädchens. Ihr gefielen die

Kreidezeichnungen auf der Straße sehr. Besonders das lange

Mädchen mit dem vollen Bauch und der Blume, die noch aus

dem lachenden Gesicht wuchs. Blaue Feder ging beseelt weiter

und die Pfeile führten sie weiter. So ging sie heute mal

andersherum. Sie ließ sich auf die Kreidepfeile ein und änderte

ihren Plan. Sie folgte den Spuren des Sommermädchens.

Überall blühte es rosa.

Die Wicken begannen zu blühen, auch die Lichtnelken, die

Weidenröschen und die Heckenrosen. Sie folgte den Pfeilen und

plötzlich stand am Ortausgang ‚Stop‘ mit einem ‚p‘.

Eine schöne Allee aus Eichen, Birken und Pappeln tat sich vor

ihr auf. Rechts von ihr war die Schule zu sehen. Schon tags

zuvor fuhr sie in der Bahn einer Horde von Kindern aufs Land.

Sie war gerne unter Kindern. Auf dem Baum war wieder ein Pfeil

und er zeigte zu einem Kleiber, der gerade den Baum rauf lief.

Kleiber standen gerne mal auf dem Kopf und schauen sich die

Welt aus einer anderen Perspektive an. Sie ging heute ihre

Runde auch mal andersherum. Das machte sie gerne einmal,

einfach einen anderen Weg ausprobieren.

Das machte sie wacher und brachte Bewegung ins Spiel. Mal

sehen, wie die Welt anders herum aussah.

Der Weg gabelte sich und Blaue Feder nahm den Weg in der

Mitte. Es war der Weg, der an dem Geheimen See vorbeiführte.

Dann entdeckte sie einen Pfad in den Wald. Nun verließ sie den

bekannten Weg und betrat Neuland. Sie war dann immer etwas

aufgeregt. Die Zeichen waren nicht mehr so eindeutig.

Brombeeren versperrten den Weg und sie musste viele

beiseiteschieben. Dann fing es auch noch an zu stinken.

Stinkmorcheln standen am Wegesrand. Doch neben der

Stinkmorchel fand sie eine schöne Feder, wohl von einem

Sperber. Sie hörte einen Bussard und er erinnerte sie an ihre

Reise ins Bergische Land und an die Leichtigkeit. Blaue Feder

ging weiter. Der Weg wurde lichter. Sie kam auf eine Wiese und

dort leuchtete gelb das Johanniskraut. Der Kreis schloss sich.

Sie ging über die Sommerwiese und kam bei den Kräuterweiden

raus und hier blühte die Schafgarbe. Hier kannte sie sich wieder

aus und fühlte sich zuhause. Sie pflückte einen Stängel für einen

Tee und ging auf das Fuchsloch. Sie wurde herzlich begrüßt und

setzte sich an ihren Platz bei der alten Eiche. Hier war alles

schön zugewachsen. Von hier hatte sie einen schönen Ausblick

auf das Land. Als sie so in Ruhe saß, fing es in ihrem Kopf an zu

rattern, was sie noch alles machen wollte. Da flog ein

Kohlweißling auf die Schafgarbe und eine Stimme in ihr sagte:

‚Es hat keine Eile. Genieße den Augenblick.‘



Langsam kam sie runter, schloss die Augen und öffnete ihr Herz.

Sie blieb einfach eine Weile sitzen und die Sonne schien sanft

durch das Blätterdach. Dann ging sie wieder und grüßte

freundlich das Salomonsiegel, das nun Früchte trug. Sichtlich

erleichtert ging sie noch an alt vertraute Plätze. Sie begrüßte die

Pappelschwestern, den Artemisia-Strauch und den alten

Weißdorn. Dort saß sie eine Weile mit der Alten vom Weißdorn

und dachte an die Bilder von Inge Löök. Wie die zwei alten

Frauen auf ihren Bildern, so saßen die Weißdorndame und sie

hier auf der Bank und klatschten sich auf die Schenkel.

Die Alte sagte zu ihr: ‚Du wirst schon noch dahinterkommen.‘

Was sie wohl meinte? - Blaue Feder ließ los und baumelte mit

de Beene. Sie verabschiedete sich von der Alten vom Weißdorn

und ging noch zum Schlangensee und tanzte mit den Libellen.

Als sie zurückkam, grüßte sie das Sommermädchen. Jetzt

verstand sie, warum dem Sommermädchen eine Blume aus dem

Kopf wuchs. Sie bedankte sich für die schöne Erfahrung. Was

für eine schöne Runde. Nun freute sie sich auf ihren

Schafgarbentee.

42. Die wilde Sau im Garten

Zur Neuen Mondin im Krebs träumte Blaue Feder von einer

jungen Wildsau in ihrem Garten. Am Morgen lachte sie das

goldgelbe Ferkelkraut in ihrem Garten an. Das Ferkelkraut sah

ähnlich aus wie Löwenzahn, nureben etwas anders. Es wurde

Ferkelkraut genannt, weil es früher den Ferkeln unters Futter

gemischt wurde – vielleicht als Kraftfutter. Eine Lupine hatte ihre

Blüte geöffnet und winkte ihr freudig zu. Blaue Feder setzte sich

trotz des Regens eine Weile zum Ferkelkraut.

Was alles so auf einer Wiese wuchs: Klee, Schafgarbe,

Storchenschnabel, Gänseblümchen, Sauerampfer,

Breitwegerich und vieles mehr. Die Ringeltaube, die immer

versuchte, ins Futterhäuschen zu gelangen, hatte eine Feder

hinterlassen. Blaue Feder legte sich gerne auf Wiesen mit

Ferkelkraut. Das gab ihr Kraft. So gestärkt trabte sie los. Sie ging

durch das Dorf und bei dem Rosenhaus sah sie einem

Schwalbenküken bei seinen ersten Flugversuchen zu. Die

Wolken hingen regennass überm Tal der BroklandSau. Eine

unbekannte Fahne hing am Mast. Auf dem freien Feld lachten

ein paar Lachmöwen. Es zog Blaue Feder zum Großen

Mondsee. Die Hochlandrinder dösten auf der Weide. Bei den

Kühen blühte ein hübscher Teppich aus blauen Sumpf-

Vergissmeinnicht. Das Feengras wehte im sanften Nordwind.

Sie setze sich an den See neben eine weiße Schönheit, eine

Sumpf-Schafgarbe. Blaue Feder schloss die Augen und lauschte

den Geräuschen. Dem Wind, dem Regen, der sanft auf ihren Hut

fiel. Sie hatte nasse Füße vom Regengras, aber es war warm.

So saß sie eine Weile versunken im Duft von Mädesüß und

Blutweiderich, als ein Seeadler vorbeiflog unter den Protesten

der Trauerseeschwalben. Blaue Feder hörte Schritte von hinten

und ein Angler kam des Weges. Sie grüßten sich und Blaue

Feder überließ ihm dem Platz am See. Es gab noch mehr schöne

Plätze im Moor. Obwohl es regnete, fühlte sich der Tag heute

Sonnengelb an mit ein bisschen Lila durchmischt. Eine schöne

Kombination Gelb und Lila. Es blühte der Hornklee, der

Blutweiderich, die Butterblume, der Gelbweiderich, die

Mariendistel und der Frauenflachs.



Es zog sie zur Grünen Bank. Sie ging den kleinen Weg hinter der

Brücke und eine Maus querte ihren Weg. Sie ging einen Schritt

weiter und ein Frosch hüpfte über den Weg. Sie dachte: ‚Nun

fehlt nur noch eine Schlange‘. Sie ging sie zum Kleinen

Birkensee und freute sich über die schönen Seerosen. Ihr Herz

hüpfte. Irgendetwas passierte gerade. Sie ging durch das Birken

Tor und eine Schlange querte ihren Weg. Blaue Feder lachte.

Das waren die Medizingaben gewesen, die sie die letzten Jahre

begleitet hatten – die Maus, die Kröte und die Schlange. Dieses

Jahr hatte sie es mit den Wildsäuen. Sie setzte sich auf die

Grüne Bank und ihr war ganz feierlich zu Mute. Eine kleine

Schnecke im Gras leistete ihr Gesellschaft. Sie ging heim und

noch lange konnte man sie vergnügt grunzen hören. Daheim

wurde sie von den ‚Glorreichen Dreien‘ begrüßt und das

Ferkelkraut leuchtete goldgelb. Ihr kam der Gedanke, dass sie

selbst die Wildsau war. Klamm-heimlich hatte sich die

Wildsauen-Kraft in ihr Leben geschlichen. Noch vor einem Jahr

konnte sie mit dieser Kraft nichts anfangen. Sie fühlte sie nicht.

Nun konnte sie sie spüren – diese Lebendigkeit. Manchmal

wusste sie noch nicht, wie mit ihr umzugehen war, mit dieser

wilden Kraft. Sie war halt noch ein junges Wildschwein. Blaue

Feder wurde bewusst, dass alle Wesen, denen sie begegnete,

Anteile von ihr waren - Energien, Kräfte, die auch in ihr

schlummerten. Manche mehr, manche weniger deutlich. Wenn

sie sie wahrnehmen konnte, dann waren sie auch da.

43. ‚Augenbraue der Venus‘

Immer wieder machte die Schafgarbe auf sich aufmerksam. Sie

wuchs in der Wiese direkt vor ihrem Fenster und fing gerade an

zu blühen. Blaue Feder hatte Angst, dass ihre ‚Jungs‘ bald

wieder mit dem Rasenmäher kamen und so grub sie einige

Schafgarben aus. Sie wusste nicht, ob die Schafgarben

woanders anwachsen würden. Sie hatte gehört, sie wuchsen nur

dort, wo sie wollten.

Beim Ausgraben fiel ihr auf, dass die Schafgarben untereinander

verbunden sind. Botanisch gesehen war es wohl so, dass eine

Mutterpflanze Ausläufer bildet. Manche Ausläufer werden etwas

dicker, färben sich Violett-Rot und an ihrem Ende entspringt eine

neue Pflanze oder manchmal auch nur ein Blättertrieb. Blaue

Feder erinnerte es an ein Netz – wie Menschen, die sich

miteinander verbinden und gegenseitig stärken. Ihre Wurzel

dringt nicht tief in das Erdenreich ein. Sie wurde in der Literatur

auch als ‚Heil aller Welt‘ bezeichnet, weil ihre Heilkraft in viele

Bereiche geht. So wirkt sie sich auch heilend für das Erdenreich

aus. Es scheint so, als ob sie heilende Energien und

Lebenskräfte anziehen kann und ans Erdenreich weitergibt. Im

Garten stärkt sie so andere Pflanzen. Auch auf Blaue Feder hatte

sie diesen Einfluss. Schon bei der ersten Kräuterwanderung, als

Blaue Feder die jungen Schafgarbenblätter probierte, freute sich

ihre Seele. Die Schafgarbe wurde ‚Augenbraue der Venus‘

genannt, weil ihre Blätter gefiedert waren wie Augenbrauen.

‚Garwe‘ hieß der althochdeutsche Gesundmacher, hatten die

Schäfer beobachtet, wie die Schafe Schafgarben fraßen, um

sich damit zu heilen. Ihr lateinischer Name ‚Achillea‘ verwies auf

Achilles, der an der Ferse verletzt wurde. Die Göttin Aphrodite

empfahl ihm, seine Wunde mit Schafgarbe zu heilen. Blaue

Feder spürte zwei Qualitäten – zum einen das sanfte, wärmende

und krampflösende Element und zum anderen, der starke

Stängel in der Mitte, der aufrecht und unbeugsam dastand.

– Ihre ganze Erscheinung spiegelte ihr etwas Ausgleichendes,

das wohl mehr auf seelischer Ebene wirkte.



Später erfuhr Blaue Feder, dass aus Schafgarben ein

azurblaues ätherisches Öl gewonnen werden kann, das Azulen.

Die Pflanze war durchdrungen davon und wirkte stark auf

seelischer Ebene.

‚Wasser des Lebens bin ich‘, war der Satz der Blaue Feder kam,

als sie bei ihr saß. Es zog sie gerade sehr zu den Schafgarben.

In ihrem Sommerstrauß war auch eine Schafgarbe. Vielleicht

würde sie noch ein bisschen mit der Schafgarbe gehen und

lauschen, was sie ihr sagen wollte.

44. ‚Home is where your heart is‘

Nach dem Juli -Vollmond

Blaue Feder war eine Brücken-Gängerin. Sie lebte sowohl auf

dem Land als auch in der Stadt. Die Nord-Ostsee-Brücke

verband ihre beiden Welten. Manchmal waren die Wechsel

zwischen Stadt und Land für sie anstrengend.

An diesem Tag wurde sie von den Wilden Möhren getröstet. Es

wurde gesagt, sie würden überall wachsen. In den letzten

Wochen hatte sie staunend zugeschaut, wie die riesigen

Doldengewächse gen Himmel wuchsen. Überhaupt stellte sie

fest, dass in diesem Jahr viele Pflanzen gen Himmel strebten.

In den großen Doldennestern bildete sich in der Mitte eine

einzelne, manchmal auch zwei, wie passend – purpur- bis

schwarz-farbene Blüte, die Mohrenblüte, die der Möhre ihre

Namen gab. Das unterschied die Wilde Möhre zu anderen

weißblühenden Doldengewächsen. Die Wilde Möhre galt als

eine Mutter unserer Speisemöhre. Ihre Wurzel war jedoch hell

und nur im ersten Jahr genießbar, wenn die Wilde Möhre noch

nicht blüht.

Die kleine dunkle Blüte zog viele Insekten an, weil sie dachten,

es sitzt schon eine Fliege auf der Dolde – da gibt es Nahrung. –

Großartig, was sich die Natur so einfallen ließ. Die Wilde Möhre

war auch ein bevorzugter Ablageplatz für die Larven des

Schwalbenschwanzes. Doch hatte sie noch keinen in ihrem

Garten gesehen. Blaue Feder gaben die Doldennester ein

heimeliges Gefühl und sie gaben ihr den Satz mit auf den Weg

gegeben:

45. Der Seerosen-Karpfen

‚Home is where your heart is‘

Jetzt kommen die Fische zu Wort

Vor gar nicht langer Zeit, die Sonne war in den Löwen

weitergewandert, saß Blaue Feder am kleinen Birkensee. Es war

die Zeit der Seerosenblüte. Blaue Feder liebte Seerosen –

vielleicht waren es sogar ihre liebsten Blumen und ihr

anverwandt. Sie wollte die Seerosen malen. Sie hatte alles

dabei, ihren Schemel, ihre Stifte und ihr Skizzenbuch. Die Sonne

schien warm und neben ihr blühte das Blaue Sumpfhelmkraut.

Blaue Feder atmete den frischen Duft des Krautes ein. Ihr Herz

öffnete sich. Dann saß sie einfach da und schaute. Eine Braune

Libelle flog über den kleinen Birkensee. Vielleicht war sie die

Wächterin des Teiches. Überall schaute sie, ob auch alles in

Ordnung war. Sie verjagte auch andere Libellen aus ihrem

Reich.



Die Seerosen waren weiß erblüht mit goldgelber Mitte. Blaue

Feder fiel ein wenig aus der Zeit. Sie schaute auf das Wasser.

Wie schön sich die Sumpfschachtelhalme darin spiegelten. In

den Spiegelungen tauchte eine Flosse auf und winkte ihr zu. Ein

Fisch machte auf sich aufmerksam. Er schwamm direkt auf

Blaue Feder zu und blieb mit ein wenig Abstand vor ihr im

Wasser stehen und ließ sich treiben im dunklen Moor-See. Er

war groß, ein stattlicher Karpfen und seine Schuppen

schimmerten golden. Er begrüßte Blaue Feder und stellte sich

ihr als der Seerosen-Karpfen vor. Blaue Feder grüßte zurück und

freute sich über die Bekanntschaft. Sie kamen ins Gespräch und

der Seerosen-Karpfen erzählte Blaue Feder ein wenig von

seinem Leben in dem kleinen Birkensee. Nicht oft kam ein

Wanderer vorbei und noch seltener wurde er gesehen, zeigte er

sich nur denen, die mit dem Herzen schauten. Nicht für jeden

war so ein Leben in einem kleinen See die Wahl der Wahl. Doch

er liebte seinen Seerosenteich. Es war seine Heimat und er

konnte sich nichts Schöneres vorstellen. Er wusste von den

Fischen im Großen Meer. Seine Freundin, die Braune Libelle,

hatte ihm davon erzählt. Doch hatte er hier alles, was er zum

Glücklich sein brauchte. Jeden Tag gab es spannende

Abenteuer zu erleben. Könnte er schreiben, so würde er mit

seinen Geschichten Bücher füllen. Doch er war ein Fisch und mit

Flossen ließ es sich schlecht schreiben und wahrlich gut

erzählen konnte er auch nicht. Wenn er sprach, stiegen

Blubberblasen an die Wasseroberfläche.

Doch Du, sagte er zu Blaue Feder – Du bist gesegnet mit Füßen,

die Dich überall hintragen, wohin Du gehen möchtest. Dir

wurden Hände gegeben zum Malen und zum Schreiben.

Du hast einen Mund, der Geschichten erzählen kann und Du

hast die Gabe mit Farben, Stoffen und Allerlei schöne Bilder

zu zaubern und ein Herz, das sehen kann. Wäre ich Du und wäre

mit Deinen Gaben gesegnet, dann würde ich dem Land lauschen

und nicht eher Ruhe geben, bis alle Geschichten meiner

Seelenheimat gemalt, gewebt und erzählt sind. Denn, was gibt

es Schöneres. Doch was erzähle ich Dir, ich bin nur ein dicker

Karpfen in einem dunklen Moorteich. Ihr Menschenkinder habt

so viele Möglichkeiten, da ist es wohl manchmal schwer sich zu

entscheiden.

Doch egal, was Du tust, lacht Dein Herz dabei und strahlen

Deine Augen, dann blühen die Seerosen in Dir.

Er gab Blaue Feder eine seiner goldenen Schuppen. Blaue

Feder legte sie sanft in ihre Hand, schaute hinein und sah sich

selbst in dem Spiegel. Ihr Herz freute sich. Bewahre sie gut,

sagte der Seerosen-Karpfen, sie bringt Dir Glück. Blaue Feder

steckte sie vorsichtig ein. Nun war es an der Zeit zu gehen. Sie

verabschiedeten sich und Blaue Feder bedankte sich für das

Geschenk. Welch schöne Begegnung und welch schöner Tag.

Blaue Feder ging ein Stück und als sie zurückschaute, war da

nichts, als ein kleiner Birkensee mit vielen Seerosen – kein Fisch

weit und breit – nur das goldene Glitzern der Sonne auf dem

Wasser.

Sie ging beseelt heim. Als sie zuhause angekommen war, wollte

Blaue Feder vorsichtig die Schuppe aus ihrer Tasche holen.



Als sie in die Tasche griff, fielen lauter goldene Schuppen

heraus. Sie sammelte sie alle auf – eine ganze Handvoll. Sie

nahm die goldenen Schuppen mit in ihr Atelier. Dort fand sie in

einer der Schubladen einen schönen seidenen Stoff. Einst war

es ein Lieblingskleid gewesen, doch die Ärmel waren

zerschlissen. Es wartete schon lange auf eine neue Aufgabe. Sie

fand auch eine alte Gardine mit Rosenmuster und die Seerosen

lachten sie schon an. Sie hatte auch noch schöne Perlen – das

Geschenk einer Freundin.

Knöpfe mit Ankern kamen ihr in den Sinn. Als sie die alten

Knöpfe aus der Schatzkiste raus kramte, fiel ihr auf, dass in

einem Bündel ein anderer Knopf eingeflochten war – ein Knopf

mit einer Krone. Sie freute sich. Der bekam wohl einen

besonderen Platz. Im Garten hatte sie viele Federn von

Konstantin gefunden, dem Hahn von nebenan und in der

Spielzeugkiste lachte ihr eine Braune Mosaikjungfer entgegen.

Eins kam zum anderen und sie werkelte so vor sich hin. Wie

hatte sie das vermisst. Sie tauchte ab in den Seerosenteich,

unterhielt sich wieder mit dem Seerosen-Karpfen.

Seine Worte klangen in ihr nach. Sie ließ sich treiben, vergaß die

Zeit, folgte ihren Impulsen und war einfach sehr glücklich. Was

ist es für ein Glück, das machen zu dürfen, was sie am meisten

liebte. Als sie wieder auftauchte, war ein kleines Bild entstanden.

Es gefiel ihr. Die Schuppen glänzten golden im Sonnenlicht,

Im Glanze der Schuppen sah sie sich selbst. Sie sah, wie ihre

Augen strahlten und in ihrem Herz blühte eine schöne Seerose.

46. Frei wie ein Kiebitz

Neumond im August - Lammas

Blaue Feder hatte die Neumondzeit genutzt, um ein bisschen

zurückzuschauen, wie sie die ersten Monate ihren Weg durch

den Jahreskreis gegangen war. Dabei halfen ihr all die

Geschichten, die sie schon geschrieben hatte. So entdeckte sie

den Roten Faden, der sich überall durchzog.

Viele feiern jetzt das Schnitterinnen Fest oder Lammas. Diesem

Fest gegenüber liegt im Februar das Lichtmess Fest oder Imbolc,

dort wo die Visionen aufsteigen. Zu Imbolc hatte Blaue Feder

angefangen die Wilden Säue zu nähen. Schon in ihrer

Wintergeschichte zur Wintersonnenwende tauchte eine junge

Wildsau auf. Den ersten Impuls, sich mit den Wildsauen Kraft zu

beschäftigen, kam durch eine Geschichte von Cambra Skadé.

Cambra schrieb eine Sage über die ‚Wildsau von Sachsenrieder

Forst‘.

Damals konnte Blaue Feder die Wildsauen Kraft nicht so in sich

spüren. Sie wusste aber, sie war irgendwo in ihr verborgen. Auf

ihrem Regal saß ein kleines Stoffschwein, die Emma, die sie

schon lange begleitete. Sie nahm Emma mit ins Atelier. Diese

Kleinigkeit hatte viel verändert. Im Winter wurde ihr dann klar,

dass der Fluss, der durch ihr Tal fließt, Broklands-Au hieß. Sie

hatte aber Brokland-Sau gelesen und so war die BroklandSau

geboren. Ihr kam der Impuls, sieben Schweine zu nähen. Es

wurden dann aber nur sechs Schweine. – Nun war sie

dahintergekommen, dass sie wohl selbst die BroklandSau war.



Sie sammelte die Federn ein und dachte bei sich, mal ein

schönes Bild mit einem Kiebitz und seinen Federn zu nähen. Sie

fand dann auf dem Rückweg noch mehr Federn, wohl von einem

Rebhuhn, vielleicht auch vom Sperber und eine vom Graureiher.

Der Kleine Fuchs flog ihr wieder um die Füße und sie bedankte

sich bei ihm und auch bei den Schafgarben. Mit der BroklandSau

hatte sie ihre Lebendigkeit entdeckt. In ihrer Wintergeschichte

‚Das Lied der Winterkönigin‘ war auch die Rede davon, dass

etwas Neues geboren würde – ein kleiner blauer Vogel – ein Kind

der Liebe und es trollten wilde Schweine durch das Tal.

Im Nachhinein, dachte sie, es könnte vielleicht ihr Geschichten-

Blog ‚Blaue Feder‘ sein. Sie schrieb in erster Linie so für sich,

aber vielleicht konnte die eine oder andere Geschichte auch

andere inspirieren, so wie sie sich durch eine Geschichte von

Cambra auf eine künstlerisch-poetische Forschungsreise mit der

BroklandSau begeben hatte. So füllte sich nun ihr kleiner

Geschichten-Blog mehr und mehr.

Sie wollte für sich einen neuen Weg finden. Ein neuer Weg

erschloss sich am besten, wenn wir ihn gehen. Ihre Impulse

kamen ihr oft etwas merkwürdig vor, aber im Nachhinein

verstand sie manches. Das Vertrauen und die Hingabe an diesen

Weg wurden mit der Zeit immer größer, auch wenn es immer

wieder Unsicherheiten gab.

An diesem Tag ging sie nun wieder hinaus. Sie hatte noch keine

Idee und ließ sich treiben. Es zog sie auf das freie Feld, auch

wenn ihr die Vorstellung, durch die abgemähten Wiesen zu

gehen, nicht so prickelnd vorkam. Ein Flugzeug flog über das Tal

und schreckte einen Schwarm Vögel auf. Blaue Feder sah, es

war ein größerer Schwarm Kiebitze. Sie schlich sich vorsichtig

an die Wiese heran und versteckte sich hinter den Brennnesseln.

So konnte ein paar Fotos machen. Sie liebte Kiebitze. Sie

vermittelten ihr ein Gefühl von Freiheit.

Sie ging weiter und der Blutweiderich machte auf sich

aufmerksam. Mit seinen purpurroten Blüten war er nicht zu

übersehen. Der Blutweiderich war eine wichtige Insektenweide

und in der Natur eine wichtige Zeigerpflanze. Wenn im

Spätsommer die Gräben am Feldweg purpurrot leuchten, dann

war es ein Hinweis dafür, dass hier ein Lebensraum für viele

Tier- und Pflanzenarten bestand.

Die Schafgarben luden sie ein, den Weg zur BroklandSau

einzuschlagen. Der Weg sah sehr öde aus, aber in seiner Mitte

blühten überall Schafgarben und im Graben daneben die

Schwestern, die Sumpf-Schafgarben. Blaue Feder befand sich

also in feiner Gesellschaft.

Dann lud sie ein Kleiner Fuchs ein, innezuhalten. Sie schloss die

Augen und ließ sich den sanften Südostwind um die Nase

streichen. Ihr Herz öffnete sich, der weite Raum tat sich auf – im

Außen, wie im Innen. Sie hatte den Satz in sich: Du bist frei.

Sie sprach ihn mehrmals innerlich und ließ ihn sich auf der Zunge

zergehen. Er schmeckte gut und tat ihr wohl. Er schmeckte süß,

wie die Brombeeren, die sie später noch finden sollte. Mit diesem

weiten Gefühl ging sie weiter durch den Weißdornhain, und der

öde Weg verwandelte sich in einen Schmetterlingsweg. Erst

begrüßte sie ein Admiral und dann ein Distelfalter. Hinterm

Weißdornhain erblickte sie auf der Wiese einen noch viel

größeren Schwarm Kiebitze - Kiebitze, soweit das Auge reichte.

Wieder kam das Flugzeug angeflogen und die Kiebitze flogen

auf und Blaue Feder flog mit ihnen auf und davon in die Freiheit.



Es war wunderbar mit ihnen zu fliegen. Doch nach einer Weile

kehrte sie zurück, weil sie einfach diesen kleinen Landstrich hier

sehr liebte, der er ihr Zuhause war. Als sie auf der Wiese wieder

landete, hatten die Kiebitze ihr zur Erinnerung ein paar Federn

zurückgelassen. Sie nahm dann den Weg durchs Moor, ging den

Brombeerweg und fand schon einige süße Beeren. Unter den

Büschen fand sie ein paar Zaubernüsse. Wie die wohl

hierhergekommen waren.

Gestärkt ging sie heim. Bevor sie das Moor verließ, entdeckte

sie eine große Blutweiderich-Wiese mit vielen Schmetterlingen.

Dort verweilte sie eine Weile und ging dann frohen Herzens

heim. Sie sah noch einmal den Schwarm Kiebitze und bedankte

sich für all die Geschenke. In ihrem Vorgarten war der Hibiskus

erblüht. Sie setzte sich auf die Wiese und schauten sich ihr

Funde an. Welch eine Fülle für einen so kargen Weg. Nun zog

ein Gewitter auf und sie hatte etwas Zeit zum Schreiben. Den

Garten gießen musste sie wohl heute nicht.

47. Die Braut der Sonne

Blaue Feder frühstückte am Morgen draußen. Es war still. Nur

die Schwalben flogen über den Schwalbenhof. Ein vertrautes

Geräusch. Nach dem Frühstück schlenderte sie durch den

Garten und begrüßte die Alte Holler, die nun schon grüne

Früchte trug.

‚Na, bist Du schon aufgeregt?‘, fragte die Alte Holler. Das

Schwalbenkraut grinste sie an und auch das Johanniskraut. Eine

kleine Feder, die sich im Mohn verfangen hatte, lachte. Alle

wussten Bescheid. Alle wussten, wie es in ihr aussah, wie ihr das

Herz hüpfte und koppheister schoss. Hinten im Garten etwas

versteckt, ringelten sich ein paar Blumen aus dem Klee über den

Weg. Sie leuchtete wie kleine Sonnen im Grün. Blaue Feder

setzte sich im Morgentau zu den Ringelblumen, die gerade

erblüht waren.

Die Ringelblume trägt viele Namen. Sie wird ‚Morgenröthe‘

genannt, weil sie am Morgen ihre Blüte gen Osten öffnet, die

dann dem Lauf der Sonne folgt und sich zur Nacht wieder gen

Westen schließt. Sie wird auch ‚Summerlowe‘ genannt, weil sie

ausschaut wie ein Löwe mit wallendem goldgelbem

Kopfschmuck im Sommer. Ihren Namen erhielt sie jedoch von

ihren geringelten Samen, die wie ein Ring in einem Körbchen

liegen. Sie sehen aus wie kleine Mondsicheln. Deshalb werden

Ringelblumen auch ‚Mondknöpfe‘ genannt. So vereinen sich

Sonne und Mond in ihr. Sie trägt auch den schönen Namen

‚Sonnenbraut‘. Viele Pflanzen aus der großen Familie der

Korbblütler tragen diesen Namen, wie das Gänseblümchen, die

Kamille, der Löwenzahn und die Wegwarte. Alle diese Pflanzen

richten sich nach der Sonne. Sonnenbräute wurden auch Frauen

genannt, die Sonnen- und Mondfeste feierten. Ihnen wurden die

Blumen geweiht, die zur Zeit der Feste blühten. Das

Gänseblümchen blüht schon zur Zeit des Frühlingspunktes, das

Johanniskraut zur Sommersonnenwende, die Wegwarte und die

Ringelblumen blühen noch zur Zeit der Herbst-

Tagundnachtgleiche. Auch für die Wintersonnenwende gab es

eine Pflanze, die grün geblieben war, die Mistel. Viele der alten

Sonnenbrautblumen wurden später weiter weiblichen Göttinnen

geweiht wie Freya und Maria. So trägt die Ringelblume auch

noch den englischen Namen ‚Marygold‘.



Die Ringelblume war immer eine Pflanze der Frauen und der

Liebe. Da sie lange blühen und scheinbar nie welken, waren sie

ein Sinnbild für die Liebe eines Menschen zu einem anderen, die

nie endet, sondern immer wieder neue Blüten treibt.

Auch Blaue Feder würde bald eine Braut sein. In zwei Wochen

würden Brauner Bär und sie ihre Hochzeit feiern. Ihre Liebe

feiern, die immer wieder neue Blüten trug.

War sie aufgeregt? – Ja, sie war sehr aufgeregt. Sie blieb noch

lange bei den Ringelblumen sitzen und holte sich ein paar

Ratschläge, so von Braut zu Braut. In sich hatte sie einen Satz:

‘Der Schwestern sind wir Dreie.‘

Sie ließ ihn einfach im Raum ihres Herzes stehen. Sie musste

nicht gleich alles verstehen. Dann sah sie noch eine

Krönchennatter sich gemächlich von ihrem Sonnenplatz auf dem

Kompost unterm Holler wegringeln.

‚Ringel, Ringel, Reihe,

wir sind der Kinder dreie,

wir sitzen unter’m Holderbusch

und machen alle husch, husch, husch.‘

Ein paar schöne Anregungen für den Text hatte Blaue Feder in

dem wunderbaren Buch von Rosemarie Gebauer ‚Jungfer im

Grünen und Tausendgüldenkraut – Vom Zauber alter

Pflanzennamen‘ gefunden. Das Buch erzählt bezaubernd über

die Herkunft der Pflanzennamen. Blaue Feder nahm es gern zur

Hand.

48. Ein schottischer Traum

Maria Himmelfahrt

Manchmal fragte sich Blaue Feder, warum sie ihre Kunst

machte. Könnte sie auch einfach im Nichts-Tun verweilen? Eine

Weile ging das, doch dann kamen wieder Impulse und dann die

Freude bei der Umsetzung dieser Ideen.

Sie kam für sich zu der Erkenntnis, dass es die Begeisterung

selbst sein müsse, die einen Künstler nährt – diese

unerschöpfliche Quelle der Begeisterung. Dieses auf die Pirsch

gehen, etwas erforschen und zu eigenen Erkenntnissen

gelangen.

Diese Kreativität, war so wild und unberechenbar wie die kleine

Maus, die sich am Wochenende in die Küche verlaufen hatte.

Sie versuchten sie mit einer Lebendfalle einzufangen, doch war

sie viel zu klein und leicht, als dass sie die Falle ausgelöst hätte.

Sie kletterte immer wieder auf die Rampe, holte sich die leckere

Nussnougat-Creme und düste wieder ab. Mäuse lieben

Schokoladencreme. Die Schokoladencreme der KünstlerInnen

war wohl die Begeisterung.

Blaue Feder versuchte mit der Maus zu reden, machte ihr klar,

wenn sie nicht verschwände, wohl eine der Katzen sie holen

würde. Vielleicht hatte sie es verstanden. Jedenfalls war sie am

nächsten Morgen verschwunden und die Katzen gingen leer aus.

Nicht gänzlich leer, es wurde viel gekuschelt.

Nach dem Frühstück gingen Blaue Feder und Brauner Bär eine

große Runde. Es stürmte.



Der Wind kam wie aus allen Richtungen – vielleicht war es ein

drehender Wind. Eine schottische Fahne wehte hart an einem

Mast - ein weißes Kreuz auf Blauen Grund. Auf dem Weg lagen

schon die ersten Bucheckern.

Im Moor zeigte Blaue Feder Brauner Bär die schöne Wiese mit

dem Blutweiderich. Dort ließen die Disteln ihre Wollsamen

fliegen. Es erinnerte Blaue Feder an die Wollsammlerin, und ein

heimatliches Gefühl stellte sich bei ihr ein. Es erinnerte sie auch

an Schottland, war die Distel doch die Blume ihres Landes.

Dann fanden sie eine Feder vom Mäuse-Bussard wie passend

zu der Maus. Am Großen Mondsee plätscherten die Wellen und

das Schilf bog sich im Wind.

Eine Eber-Esche in ihrem leuchtendroten Gewand winkte ihnen

zu und lud sie ein in den kleinen Buchenwald. Der Weg war mit

Farnwedeln grün bedeckt. Sie gingen über den Martins Steg und

hinein in das hohe Schilf. Einen Weg gab es nun nicht mehr. Es

machte Spaß durch das Schilf zu pirschen. Am kleinen Martins

Weiher standen wieder viele Disteln, die im Nu umringt waren

von Distelfaltern. Es war einfach zauberhaft zwischen all den

Schmetterlingen. Ihnen wurde leicht ums Herz. Blaue Feder

erblickte eine große grüne Libelle. Brauner Bär hatte ihr viel von

Schottland vorgeschwärmt. Sie selbst war nie dort gewesen.

Doch heute konnte sie die Farben Schottlands fühlen. Es war ihr,

als wäre sie dort. Es fühlte sich wild und frei an. Weiter ging es

auf dem Geheimen Weg, der das Moor im Westen mit dem Moor

im Osten verband. Heute waren sie hier allein.

Eine Krönchennatter lag direkt vor ihren Füßen. Wie schön, nun

begegneten sie der Krönchennatter noch einmal zu zweit. Sie

blieben eine Weile stillstehen. Dann schlängelte sich die

Ringelnatter davon und sie gingen weiter ihren Weg. Es war

schön, gemeinsam die Natur zu erforschen. Auf einem der

hinteren Moorkuhlen saßen gleich vier Graureiher

nebeneinander.

Noch immer ganz beseelt von all den Eindrücken der Natur,

gingen die Beiden zum Schwanensee. Im letzten Jahr wurde hier

ein kleiner Bienengarten neu gepflanzt und nun wuchsen schon

drei Birnen an einem kleinem Birnbaum. Sie setzten sich auf die

Bank, und als sie so beieinandersaßen, flog ein blauer Eisvogel

über den See und fing sich einen kleinen Fisch. Sie schauten

ihm eine Weile zu und konnten ihr Glück kaum fassen. Der

Eisvogel erinnerte Blaue Feder an die Halkyonischen Momente

im Winter. Für einen Moment hörte der Wind auf zu wehen. Die

Sonne schien warm. Stille senkte sich in beide Herzen und

Freude. Alles war gut, so wie es war. Sie erwachten aus ihren

Träumen als die Graue wie zum Abschied über den

Schwanensee flog. Hand in Hand gingen Blaue Feder und

Brauner Bär glücklich heim.

49. Das Mädchen und der Drache

Die Hochzeit ward gefeiert. Blaue Feder und Brauner Bär

verlebten einen zauberhaften Tag mit ihren Freunden. Wie in

jeder Hochzeit lag wohl auch ihrer Hochzeit ein Zauber inne. Den

kommenden Tag packten Blaue Feder und Brauner Bär ihre

Sieben Sachen und reisten in das Land der Schwäne. Sie waren

gerne dort und so wollten sie in diesem Land ihre Honigwoche

verbringen.



Das Wetter war zauberhaft und sie hatten wunderschöne Tage. Blaue

Feder mochte nicht alles erzählen, was sie dort erlebten, doch eine

Geschichte ging ihr nach, die sie mit Dir teilen möchte.

50. Das Mädchen und der Drache

Es war an einem Morgen zum Ende ihrer Honigwoche. Blaue

Feder stand schon in der Früh auf und begrüßte gemeinsam mit

einer Assel und einer Ameise die Sonne auf ihrer Düne. Dann

stromerte sie eine Weile durch die Heidelandschaft und lauschte

dem Gesang des Schwarzkehlchens. Sie hatte noch nie eines

gesehen.

In der Nacht war eine Familie in das Haus nebenan eingezogen.

Sie kamen weit her aus Frankreich. Als Blaue Feder und Brauner

Bär frühstückten, sahen sie ein Mädchen mit schwarzen Zöpfen,

das zusammen mit ihrem Vater versuchte einen Drachen steigen

zu lassen. Doch in den Dünen gestaltete sich das schwierig, so

dass sie irgendwann aufgaben.

Blaue Feder und Brauner Bär gingen nah dem Frühstück an das

Meer. In den Dünen begegneten sie einem Grashüpfer. Es wird

wohl eine grasgrüne Grashüpfer Geschichte. Der Wind hatte die

Wellen wieder mitgebracht. Die letzten Tage war es windstill

gewesen und sehr heiß. Der Strand hatte sich verändert, und die

Wellen formten den Sand in eine Küstenlandschaft. Sie gingen

eine Weile den Strand entlang, als eine Mutter mit ihren Kindern

sie heranholten. Eine junge Schlange war in die Brandung

geraten und wurde immer wieder von den Wellen erfasst und

fortgespült. Die Kinder fragten, was es wohl für eine Schlange

war. Blaue Feder meinte, es sei wohl eine junge Kreuzotter, war

sich aber auch nicht ganz sicher. Brauner Bär ging zu einem

größeren Mädchen mit Schaufel und Eimer und fragte sie, ob sie

eine Schlange retten wollte. Es war ein beherztes Mädchen und

sie sagte sofort ja.

Sie kam, und mit einem ebenfalls beherzten Spatenstich nahm

sie die Schlange auf und legte sie in ihren Eimer. Die Kinder

zogen los, die Schlange in den Dünen auszusetzen. Blaue Feder

und Brauner Bär zogen weiter, beobachteten die Kinder von

Weitem und fanden noch ein paar Schlangensteine.

Auf dem Rückweg sahen Blaue Feder und Brauner Bär wie das

Mädchen, welches die Schlange gerettet hatte, sich schon in

einem neuen Projekt befand. Sie grub eine Kuhle bis zum

anderen Ende der Erde. Sie begegneten auch der Familie aus

dem Haus von nebenan. Das kleine Mädchen war mit ihrer Oma,

der großen Schwester und den Eltern am Strand. Die

Großmutter lachte Blaue Feder an und Blaue Feder lachte

zurück. Das Mädchen hüpfte vergnügt am Strand. Brauner Bär

und Blaue Feder nahmen dann noch ein Bad mit Kormoranen.

Am Strand fand Blaue Feder einen Stein. Darauf war eine

Geschichte geschrieben. Es war die Geschichte, die sie Euch

gerade erzählt, denn es war ein Geschichten-Stein. Sie durfte

ihn mitnehmen und er würde ihr noch viele Geschichten

erzählen.

Geschichten aus dem Meer der Geschichten

Als Blaue Feder und Brauner Bär heimkamen, sahen sie wieder

das Mädchen mit ihrem Drachen. Am kommenden Morgen war

sie mit ihrer Familie abgereist.



51. Perlentaucher

Freitag nach dem September-Neumond

Blaue Feder erwachte am frühen Morgen. Das Licht der

Morgensonne brach sich seine Bahnen durch die kleine

Eichenallee. Wer weiß wie lange noch. Seit ein paar Tagen

regnete es wie aus Eimern. Die Natur konnte das Wasser gut

brauchen, um ihre Reservoirs wieder zu füllen. Brauner Bär und

Blaue Feder bauten den Hof weiter aus. Die Schlafkojen für die

Gäste, die Bibliothek und noch einen unbekannten Raum.

Diesen Morgen musste Blaue Feder einmal raus in die Natur.

Irgendetwas arbeitete in ihr. Es ging um das Thema Er-folg.

Irgendwie wussten die Beiden momentan nicht so genau, warum

sie noch mehr Räume auf dem Hof ausbauten. Sie selbst

brauchten nicht mehr Platz. Manchmal machten sie etwas und

wussten nicht so genau warum. Neue Ideen entwickeln sich oft

erst beim Gestalten. Blaue Feder würde im Oktober ihre Kräuter-

Ausbildung beginnen und tiefer eintauchen in die Welt der

Pflanzen. Darauf freute sie sich.

Was heißt denn eigentlich Er-Folg?

Blaue Feder führte ein schönes Leben. Sie wusste, woher sie

gekommen war und wie es ihr jetzt ging. War dieser Heilungsweg

nicht der eigentliche Er-folg ihres Lebens. Manchmal war Blaue

Feder wütend und dann bewertete sie alles negativ und machte

gedanklich alles zunichte.

Dann war ‚Alles‘ nur ein großer Haufen ‚Mist‘. Oft war sie dann

einfach erschöpft und brauchte eine Pause. Da half nur eines –

in die Natur gehen. Die Natur urteilt nicht. Sie ist einfach da. Da

stehen der weiße Schwan und die Nacktschnecke

nebeneinander und jeder hatte seine Berechtigung. Es gab

weiße Schwäne und schwarze Kormorane, aber aus sich heraus

hatten die Farben keine Bedeutung.

Mit der Frage, was es mit dem Er-folg auf sich hat, ging Blaue

Feder über die Schwelle. Sie waren im Land der Schwäne

gewesen, hatten Tipperne besucht, ein Vogel-schutz-Gebiet in

Dänemark, und hatten dort die vielen Schwäne bewundert.

Vielleicht würde Blaue Feder an diesem Tag die beiden Schwäne

im Moor finden. Sie waren immer woanders - vielleicht hatte sie

Glück. Am Ortsausgang begegnete ihr eine Frau in Rot mit

einem schwarzen Hund. Sie grüßten sich und Blaue Feder

schlug den Weg zum Schwanensee ein. Die reifen roten Früchte

vom Weißdorn lachten sie an. Der Große Mondsee rief sie. Die

Morgensonne spiegelte sich auf dem Wasser. Es war schön

einfach hier zu stehen und in die Ruhe und Weite einzutauchen.

Blaue Feder ging weiter. Sie hatte den Ruf der Grauen

vernommen. Er klang herüber vom Kleinen Birkensee. Im

Unterholz hörte sie ein Reh und sah es auch einen Moment. Sie

folgte seinem Weg auf eine Lichtung und bewunderte ein

Spinnennetz. Wie unermüdlich die Spinnen ihr Zaubergarn

weben. Das Reh blieb verborgen. Ein Johanniskraut stand am

Wegesrand und lächelte Blaue Feder beruhigend zu. Sie hörte

wieder den Ruf der Grauen, sah sie zur Großen Gänsekuhle

fliegen und folgte ihr. Die Birken tanzten am Wegesrand in

grünen Farnwedeln.



Ein großer Haufen Mist lag auf der Wiese. – Ein großer Haufen

Mist, ist einfach ein großer Haufen Mist. Wenn wir uns dem

Haufen mit unserem Forscherhut nähern, dann fällt die

Bewertung weg und wir untersuchen ihn einfach. – Aha, ein

großer Haufen Mist. Wie spannend – was gibt es denn da zu

entdecken? Zum Beispiel zwei weiße Flecken, die im

Hintergrund auftauchen. Sie hatte die beiden Schwäne entdeckt

und freute sich. Sie schaute ihnen eine Weile zu und freute sich

an ihrem Anblick. Das war es, was sie liebte. Sie ging los. Und

dann entdeckte sie etwas, das ihr Herz klärte.

Es wurde wieder weit und öffnete sich. Darum ging es, sich zu

öffnen, für das was ist. Nicht zu urteilen, sondern mit dem

offenen Herzen zu schauen. Als sie sich umdrehte, zogen

dunkle Wolken auf. In einem Graben auf der Wiese wuchsen

kaum sichtbar kleine blaue Blümchen, eine Nacktschnecke

kreuzte ihren Weg. In der Natur hat alles seinen Platz und

seinen Sinn. Sie sah eine kleine einzelne Eichel. So fühlte sie

sich gerade, wie eine kleine grüne Eichel. Doch konnte aus

einer kleinen Eichel ein großer Baum wachsen. Blaue Feder

hatte nasse Füße. Das war nichts neues, sie holte sich öfters

nasse Füße.

Es war wieder an der Zeit Stiefel anzuziehen, wenn die Wiesen

nass waren. Sie saß noch eine Weile am Schwanensee. Als es

leicht zu regnen begann, machte sie sich auf den Rückweg. So

entschied sie sich nach Hause zu gehen. Sie war wieder

glücklich – glücklich draußen zu sein. Das Moorschild sah alt und

verblichen aus – wie eine Schatzkarte. Die Risse sahen aus wie

Wege. Wege, die Blaue Feder für sich im Tal der BroklandSau

entdeckt hatte und Wege, die sie noch gehen würde. In der Natur

bekam sie wieder Abstand zu den Dingen. Konnte die Wege von

oben betrachten. Manches Mal wurde dann aus einem Haufen

‚Scheiße‘ – ‚Gold‘.

Auf dem Heimweg setzte sie sich noch auf die Bank bei den drei

Birken. Sie beobachtete eine kleine Libelle, die Schwierigkeiten

hatte, sich im Wind auf einem Blatt zu halten.

Blaue Feder hatte am Anfang ihres Weges eine Plastiktüte und

ein Gummiband gefunden. Sie hatte sie mitgenommen. Die Tiere

steckten gerne mal neugierig ihre Köpfe in Plastiktüten und

kamen nicht wieder raus – jedenfalls taten ihre Katzen das

gerne. Die Tüte erwies sich als praktisch, um unterwegs einigen

Müll einzusammeln. Sie entsorgte den Müll im Mülleimer. Es war,

als würde sie mit dem Müll auch ihren Müll entsorgen, der sich

angesammelt hatte.

Als sie hier so saß, hörte sie hinter der Hecke ein wildes

Plantschen. Na, wer da wohl am Wirbeln war. Sie pirschte sich

noch einmal an den Großen Mondsee, und entdeckte einen

Kormoran. Sie beobachtete ihn eine Weile durch das Blätterwerk

einer Erle. Immer wieder tauchte er ab. Er schwamm hinaus auf

den Großen Mondssee und aus der Ferne sah es aus, als würde

er eine Lichtspur im Wasser hinterlassen.

‚Bewerte nicht und tauche tiefer‘

Diesen Satz nahm Blaue Feder mit sich.

Bewerte nicht, nehme nur wahr und tauche tiefer hinter die

Dinge.



Sie machte sich auf den Heimweg und zum Abschied flog der

Kormoran noch ein paar Runden um sie herum.

Es flog ein Buntspecht auf den Weißdorn, den Blaue Feder

schon am Anfang bewundert hatte. Nun waren alle Farben

komplett – Weiß, Rot und Schwarz. Sie beobachtete ihn eine

Weile, hörte sein Klopfen und ging heim. Als sie ins Dorf

zurückkehrte, leerte der Gemeindearbeiter gerade die Gullis. Sie

grüßten sich. Wenn er die Gullis nicht leeren würde, würden sie

bei dem vielen Regen überlaufen. Jede Aufgabe war wichtig im

großen Ganzen. So wie wir vielleicht manchmal unsere Gullis

leeren müssen, damit die Sonnenblume in uns wieder strahlen

kann. Blaue Feder fand noch einen kleinen Lampion und brachte

ihn Brauner Bär mit. Sie fühlte sich wieder aufgeräumt. Ihr

Herzen leuchtete wie der kleine Lampion. Nun konnte es

weitergehen. Es war eben heute ein Großreinemachtag.

Er-Folg hat wohl etwas damit zu tun, dem eigenen Weg zu

folgen. Den inneren Impulsen zu folgen. Wie schön, dass es die

Natur gab und, mit Antworten auf alle ihre Fragen.

52. „Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm“

Freitag, der 13. - ein September Vollmond

Heute war Freitag der Dreizehnte. Sie hatte im Zusammenhang

mit der 13 von Luisa Francia geträumt und die Tage noch einmal

ihr Buch über die ‚13‘ gelesen.

Großmutter Holler hatte sie am Morgen angelacht, und sie hatte

sich einen Korb Beeren gepflückt für einen Saft. Die Tage

wurden kühler und man konnte gut etwas gebrauchen, was die

Abwehr stärkte.

War es der Tag oder war es die Mutter mit Kind die Blaue Feder

einluden, Kinderspiele zu spielen. Als Kind war man einfach

rückwärtsgelaufen oder hatte ‚Ein Hut, ein Stock, ein

Regenschirm‘ gespielt. „Und 1* und 2* und 3* und 4* und 5* und

6* und 7* und 8, ein Hut, ein Stock, ein Re – gen – schirm*, und

vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran…“

Sie erinnerte sich der Spiele aus Kindertagen und war gespannt,

was sie sah, wenn sie rückwärtslief. Sie sah die fünf

Pappelschwestern. In ihrem Herzen standen dort immer noch

Sieben Schwestern. Was nicht ist, sieht man mit dem Herzen

gut. Für Blaue Feder würden hier immer Sieben Bäume stehen.

Die Pappeln begrüßten Blaue Feder und ihre Blätter raschelten

im Wind. Blaue Feder hatte einen Lieblingsspruch, der lautete:

‚Irgendetwas ist immer‘.

Blaue Feder hatte ihr Handy im Büro liegen gelassen und fühlte

sich wie befreit. Mehr musste sie dazu wohl nicht sagen.



Es kam ihr in den Sinn, zu fragen, was nicht ist oder nicht mehr

ist. Wie die alte Eiche im Dorf, hatte Blaue Feder im letzten Jahr

viel Ballast abgeworfen. Sie hatte viel aussortiert. Sie hatte sogar

viele ihrer Bücher wegegeben. Irgendwie brauchte sie sie nicht

mehr. Sie würde auch weiterhin Bücher lieben. Doch las sie jetzt

mehr und mehr in der Natur, im Leben selbst, schrieb mehr und

mehr ihre eigenen Geschichten auf.

Die Schwalben waren noch da. Vielleicht flogen sie wieder mit

der vollen Mondin. Dann wurde es von einem zum anderen Tag

still. Heute ging es um das Nichts, die Stille und die Leere. Die

Glockenblumen klangen leise wie Zimbeln, die eine Meditation

einläuten. Es zog Blaue Feder zum Fuchsloch. Vor dem

Fuchsloch stand ein einzelner Steinpilz. Schön war er

anzusehen, wie er da im grünen Moos stand.

Auf dem Fuchsloch sah Blaue Feder einen toten Hasen. Sein

Tod berührte sie und sie stand einfach eine Weile dort. Sie

begrüßte das Salomonsiegel und setzte sich auf ihren Platz unter

der alten Eiche. Die Sonne schien durch das Blätterwerk. Alles

war so schön zugewachsen.

Sie spürte eine Angst in sich. Hatte sie Angst, sich auf die Leere

einzulassen? Sie wusste nicht, was es für eine Angst war. Sie

nahm sie in ihr Herz und atmete in die Leere. Immer wieder

öffnete sie die Augen, weil es irgendwo knackte. Wovor hatte sie

Angst – sich in der Leere zu verlieren? War es nicht umgekehrt,

dass sie sich in ihr fand? So, wie sie sich in der Natur

eingebunden fühlte. Wenn sie auf das Jahr zurückblickte, hatte

sie einige Kräuter kennengelernt und alles, was sich ihr zeigte,

stand irgendwie in einem Zusammenhang. Alles bezog sich

aufeinander. Das Schwalbenkraut und die Schwalben, die jetzt

bald fliegen würden. Der Schmetterlingsflug im Land der

Schwäne und die Kräuter, die mit dem Distelfalter und Admiral in

Verbindung standen.

Alles war miteinander verwoben wie das Netz einer Spinne –

ein Netz des Lebens.

War es da verwunderlich, dass sie einen Admiral sah, als sie

den Fuchsloch verließ und später noch ein Distelfalter. Sie

verstand nicht immer alles, was die Natur ihr sagte, aber sie

spürte diese Zusammenhänge, die sie bereicherten. Sie spürte

diese Freude, wenn ihr Zusammenhänge bewusstwurden.

Wenn sie zurückschaute und alles einen Sinn ergab -einen

Sinn ergab für sie. Sie war in eine Welt eingetaucht, die sich ihr

nach und nach enthüllte und in die sie sich eingebunden fühlte.

Sie besuchte den Schlangenbaum. Eine Schlange häutet sich

mehrmals im Leben. Blaue Feder hatte den Eindruck sie stünde

gerade an einem Punkt, wo sie etwas hinter sich ließ. Etwas in

ihr fühlte sich rund an.

Sie war im letzten Herbst gestartet, allein mit ihrer Kamera in die

Natur des Tales der BroklandSau zu gehen und kleine

Geschichten zu schreiben. Sie wollte dieses Thema vertiefen,

die schönsten Geschichten raussuchen und ein Buch für sich

und ihre Freunde zaubern. Sie ließ die Leere sich in ihrem

Herzen ausbreiten und ging zu den Kräuterweiden. Auf dem Weg

dorthin erblickte sie kurz einen Grünspecht. Was für eine Freude.

Sie freute sich auch auf die Kräuter-Ausbildung. Sie ging zum

Schlehengang. Hier standen Weiß- und Schwarzdorn

beieinander. Für sie war es ein besonderer Ort.



Für andere war es einfach ein Weg entlang einer Weide. Sie ließ

immer etwas zurück, wenn sie durch diesen Gang ging. Es war

wie das Abstreifen einer alten Haut. In Irland gab es die Tradition,

durch eine Weißdornhecke zu schlüpfen, um sich von allem

Fremden zu reinigen und zu heilen. Die Schlehen waren schon

reif, aber sie brauchten noch den Frost, damit sie das Bittere

verloren. Blaue Feder probierte eine. Alles zog sich in ihr

zusammen. Sie pflückte eine Handvoll. Sie konnte sie einfrieren

und dann verarbeiten. Sie ging langsam durch die Schlehen an

der Beifuß-Weide entlang. Sie liebte den Beifuß. Sein Geruch

war der Geruch ihrer Heimat. Auf der anderen Seite hüpften

lauter Grashüpfer um sie herum. Leichtigkeit umfing sie. Ein

Distelfalter setzte sich vor ihre Füße. Es war befreiend. Die erste

Blume, die sie sah, war eine Fette Henne, die Blaue Feder zum

Lachen brachte. Die Fetten Hennen verfolgten sie regelrecht.

Dann hörte sie den Ruf von Bussarden über sich. Gleich drei

flogen am Himmel und wieder kam ihr der Satz:

Wir sind der Schwestern Dreie

In ihrem Herzen fand er einen Anklang. Dann wurde Blaue

Feder von einem fremden Schmetterling verzaubert. Er saß auf

den verblühenden Schafgarben. Wie wohl sein Name war?

‚Großer Feuerfalter‘

Was für ein großer Name für einen kleinen Schmetterling. Blaue

Feder fühlte sich frei. Es lag in ihrer Hand, wie sie ihr Leben

gestaltete – es war ihre Verantwortung. Sie entsorgte wieder

einigen Müll, den sie unterwegs aufgelesen hatte. Dann ging sie

am Brachland vorbei. Ein Fasan machte lautstark auf sich

aufmerksam. Das Brachland war eingezäunt. Der Fasan lief

aufgeregt am Zaun entlang. Blaue Feder dachte bei sich,

irgendwann würde er herausfliegen. So war es auch. Fasane

sind nicht so gute Flieger, aber er nahm Anlauf und flog mit

lautem Getöse über den Zaun.

Manchmal begrenzen wir uns selbst, dabei sind wir schon lange

frei. Blaue Feder ging nach Hause den Holunderbeeren-Saft zu

kochen und die Schlehen einfrieren. Dann erfüllte sie sich noch

einen Wunsch. Schon das ganze Jahr hatte sie unterm

Sternenhimmel schlafen wollen. Sie bereitete sich ein Lager im

Garten. Sie war aufgeregt wie ein Kind. Um Zehn herum ging sie

mit ihrem Schlafsack ins Freie. Die volle Mondin stand schon am

Himmel. Es war hell und sternenklar.

So lag sie unterm Sternenhimmel und verlor sich nicht. Es war

wie nach Hause kommen. Es war, als würden ihr die Sterne

einen Namen zurufen:

‚Sternenjägerin‘

Er klang schön in ihrem Herzen. Was für ein großer Name für

einen kleinen Stern.

Sie blieb nicht die ganze Nacht draußen. Leider war der

Schlafsack nicht warm genug. Im Dorf wurde ein Fest gefeiert.

Es war laut und sehr hell in der vollen Mondinnennacht. Aber sie

genoss die Zeit unterm Sternenzelt, ihre Angst hatte sich

verloren und der Freude Platz gemacht.



53. Runde um Runde

Lange Zeit dachte Blaue Feder, sie hätte sich die Hagebuttenfrau

im vergangenen Jahr nur eingebildet. Doch es gab sie wirklich.

Sie wohnte, wie soll es anders sein, in dem Haus hinter den

Hagebutten. Jeden Tag lief sie ihre Runde mit ihrem Rollator,

und manchmal sah Blaue Feder sie an ihrem Fenster

vorbeigehen.

Ihre rotgefärbten Haare waren herausgewachsen und das weiße

Haar strahlte hervor. An diesem Tag stand nun Blaue Feder in

den Hagebutten, so wie die Hagebuttenfrau einst, und pflückte

die reifen Hagebutten. – Wer weiß, vielleicht wurde auch sie

beobachtet und jemand wunderte sich, was sie da wohl in den

Hagebutten anstellte.

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So trägt sich das Wissen weiter …

Runde um Runde

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Impressum

Text und Fotos Blaue Feder

alias Susanne Linnig

Ostrohe 2019

slinnig@web.de

blauefeder.home.blog

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