FN-Ausgabe-April-2023-web
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GELESEN<br />
buchtipps<br />
sophie hardach<br />
Unser geteilter Sommer<br />
Die in London lebende Sophie Hardach<br />
greift in ihrem Roman eine Episode deutscher<br />
Zeitgeschichte auf. Erzählt wird sie<br />
von Ella, die sich als Erwachsene in Berlin<br />
auf Spurensuche begibt, um das Geheimnis<br />
eines Traumas zu lüften: Die gescheiterte<br />
Flucht der Familie aus der DDR und das<br />
Verschwinden ihres Bruders Heiko. Ella war<br />
damals acht, als ihre Eltern sie und die beiden<br />
kleineren Brüder im Sommer 1987 mitnahmen,<br />
um über die ungarische Grenze zu<br />
fliehen. Offenbar hatte sie jemand verraten.<br />
Den Vater erschossen Grenzsoldaten, die<br />
Mutter warfen sie ins Gefängnis. Ella und ihr<br />
Bruder Tobi wurden zur linientreuen Oma<br />
gebracht und der kleine Heiko wurde der<br />
Mutter weggenommen. Hardach schenkt<br />
uns eine mit Bedacht erzählte, sehr bewegende<br />
Geschichte, die lange nachwirkt!<br />
Trotz vieler Verfremdungen hat sie den<br />
historischen Rahmen bewahrt. Denn das,<br />
was Ellas Familie widerfahren ist, mussten<br />
so ähnlich viele Menschen in der DDR erleiden:<br />
Familien zerbrachen, Kinder wurden<br />
ihren Eltern weggenommen und die familiären<br />
Brüche verheilten nur sehr schwer<br />
oder aber nie!<br />
Nevfel Cumart<br />
List Verlag, 2022. 364 S.<br />
manfred koch<br />
Written on the Walls<br />
Der Kamera-Hersteller Leica veröffentlichte<br />
vor vielen Jahren einen wunderbaren<br />
Werbeslogan über das Fotografieren: „Wer<br />
sehen kann, kann auch fotografieren. Sehen<br />
lernen kann allerdings lange dauern.“ Über<br />
die sprachspielerische und philosophische<br />
Dimension dieser Worte könnte man lange<br />
sinnieren. Hier sei in Anlehnung an diesen<br />
Satz nur gesagt: Die Fotos in diesem Katalog<br />
stammen von einem Fotografen, der in<br />
diesem Sinne „sehen“ kann: Manfed Koch.<br />
Gesehen hat der Bamberger Wandzeichnungen,<br />
Zeichen, Graffiti, Buchstaben, Mauern,<br />
Papierfetzen und einiges mehr – allesamt<br />
Spuren eines urbanen Lebens, die er<br />
fotografisch nachgezeichnet und verdichtet<br />
hat. Angereichert wird die Sammlung der 50<br />
Fotos mit diversen Textbeiträgen, u. a. von<br />
Nora Gomringer, Claudio Ettl und Hans-<br />
Walter Ruckenbauer. Wer sich nicht mit<br />
dem Band „begnügen“, sondern die Fotos<br />
im großen Format sehen will, hat dazu noch<br />
bis zum 23. <strong>April</strong> Zeit: In der Ausstellung im<br />
Schloss Sassanfahrt! Nevfel Cumart<br />
Erich Weiß Verlag, <strong>2023</strong>. 96 S.<br />
robert schwarz<br />
Unter den Polarlichtern...<br />
Robert Schwarz studierte Physik und Astronomie.<br />
Als „Hiwi“ las er eine Anzeige:<br />
„Freiwillige für Südpolexpedition gesucht“.<br />
Und so ging es für ihn Mitte der 1990er<br />
Jahre zum ersten Mal zur Amundsen Scott<br />
South Pole Station –er sollte noch 15mal<br />
wiederkehren, so oft, wie keiner bisher. Sein<br />
Buch startet direkt mit einer imposanten<br />
Szene: Schwarz sitzt, in einem Militärflugzeug,<br />
welches versucht, am geografischen<br />
Südpol zu landen und direkt drei Mal<br />
durchstarten muss. Erst am nächsten Tag<br />
klappt die Landung und auch erst beim<br />
dritten Versuch auf diesem Terrain. Nach<br />
einer Eingewöhnungszeit im Sommer mit<br />
„tropischen“ -25°C bleibt Schwarz nun auch<br />
über den arktischen Winter (-45°C) dort –<br />
monatelang fast allein und abgeschnitten<br />
von der Welt. In seinem Buch erzählt er von<br />
15 Jahren „auf einem anderen Planeten“,<br />
den Polarlichtern, der ewigen Sonne und<br />
der ewigen Dunkelheit, der Enge der Station<br />
und der Weite der Antarktis. Außerdem<br />
berichtet er – für Laien verständlich – von<br />
seinen Experimenten und seiner Jagd nach<br />
dem Urknall.<br />
Sabine Mahler<br />
Knesebeck Verlag, 2022. 256 S.<br />
christine thürmer<br />
Auf 25 Wegen um die Welt<br />
Christine Thürmer verdiente einst sehr viel<br />
Geld, indem sie Firmen abwickelte. Bis sie<br />
eines Tages selbst abgewickelt wurde. Unsportlich<br />
und ausgebrannt lief sie daraufhin<br />
einfach los. Das ist jetzt über 15 Jahre<br />
her. Ihr erstes Ziel waren die drei großen<br />
amerikanischen Trails mit 12.700 km insgesamt.<br />
Daraus entstand ihr erstes Buch<br />
„Laufen. Essen. Schlafen.“ Es folgten viele<br />
weitere Langstreckenwanderwege, mal<br />
zu Fuß, mal mit dem Rad oder Kanu. Es<br />
kamen auch neue Bücher und viele Vorträge<br />
hinzu. Und da wird der inzwischen<br />
meistgewanderten Frau der Welt immer<br />
genau eine Frage gestellt: „Welche Strecke<br />
würden Sie empfehlen?“ Vom Wohlfühlweg<br />
bis zum Wildnisabenteuer stellt<br />
Christine Thürmer daher nun 25 Trails<br />
irgendwo auf der Welt vor, die tatsächlich<br />
unterschiedlicher nicht sein könnten.<br />
Die Extremwanderin erzählt von ihren<br />
Abendeuern in Brandenburg, genauso<br />
wie von der Wildnis Patagoniens. Ihr Stil<br />
ist dabei unterhaltsam locker und ehrlich,<br />
Blasen an den Füßen und riesiger Frust<br />
in durchnässten Klamotten werden nicht<br />
beschönigt. Toll! Sabine Mahler<br />
Malik Verlag, <strong>2023</strong>. 304 S.<br />
Lesung in Kooperation mit dem Deutsch-Griechischen Club (DGC) Bamberg<br />
Lesung Wilhelm in Kuehs Kooperation liest aus seinem mit dem historischen Deutsch-Griechischen Roman Club<br />
(DGC) „Kein Bamberg Mensch ist eine Insel“<br />
Dienstag, 18. <strong>April</strong><br />
um 19.30 Uhr im Collibri<br />
Eintritt frei, Spenden erwünscht<br />
Neue Collibri Buchhandels GmbH, Austraße 12, 96047 Bamberg, www.neuecollibri.de<br />
Wilhelm Kuehs<br />
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