27.12.2012 Aufrufe

und der Fremdling, der in deinen Toren ist. - Deutsche ...

und der Fremdling, der in deinen Toren ist. - Deutsche ...

und der Fremdling, der in deinen Toren ist. - Deutsche ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vorwort<br />

Die Herausfor<strong>der</strong>ungen durch Migration <strong>und</strong> Flucht sowie die Aufnahme <strong>und</strong><br />

Integration von Menschen an<strong>der</strong>er Herkunft <strong>in</strong> unserer Gesellschaft gehören<br />

zu den bedrängendsten politischen <strong>und</strong> sozialethischen Problemen <strong>der</strong> Ge- .<br />

genwart. Auch die Kirchen s<strong>in</strong>d aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> ihnen aufgetragenen Botschaft<br />

sowie ihrer beson<strong>der</strong>en Rolle <strong>und</strong> ihrer gesellschaftlichen Mitverantwortung<br />

von diesen Herausfor<strong>der</strong>ungen betroffen.<br />

Deshalb haben <strong>der</strong> Rat <strong>der</strong> Evangelische Kirche <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong> die<br />

<strong>Deutsche</strong> Bischofskonferenz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit weiteren zwölf Mitglieds<strong>und</strong><br />

Gastkirchen <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Chr<strong>ist</strong>licher Kirchen <strong>in</strong> Deutschland<br />

1997 e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Erklärung unter dem Titel "...<strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>" veröffentlicht, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie neben den theologischen<br />

<strong>und</strong> ethischen Fragen sowohl die Ursachen <strong>und</strong> Folgen von Flucht <strong>und</strong> Migration<br />

als auch die praktischen Konsequenzen für die Kirchen selbst, die<br />

Politik <strong>und</strong> die Öffentlichkeit darstellen. Sie möchten mit diesem Geme<strong>in</strong>samen<br />

Wort zugleich e<strong>in</strong>e Orientierung zu Themen- <strong>und</strong> Problemfeldem<br />

geben, die sowohl <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Kirchen als auch an vielen an<strong>der</strong>en<br />

Orten <strong>in</strong> unserer Gesellschaft kontrovers <strong>und</strong> zum Teil mit starken Emotionen<br />

diskutiert werden.<br />

Um zur Beschäftigung mit diesem Text <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Positionsbestimmungen<br />

anzuregen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zuladen, wurde im Auftrag <strong>der</strong> genannten Kirchen die hier<br />

vorliegende Arbeitshilfe erstellt. Sie soll Anregungen <strong>und</strong> Hilfestellung bieten,<br />

mit Gruppen, Kreisen <strong>und</strong> Initiativen die alte biblische Tradition <strong>der</strong><br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem Schicksal <strong>und</strong> dem Recht des Fremden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

heutigen Situation neu zu entdecken <strong>und</strong> den ethischen <strong>und</strong> praktischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

von Migration <strong>und</strong> Flucht <strong>in</strong> chr<strong>ist</strong>licher Verantwortung gerecht<br />

zu werden.<br />

1


Wir hoffen, daß möglichst viele diese Impulse aufgreifen <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrem Arbeitsfeld<br />

umzusetzen <strong>und</strong> weiterzuentwickeln versuchen. Dabei sollte im<br />

Blick se<strong>in</strong>, daß so weit wie eben möglich auch die Menschen e<strong>in</strong>bezogen <strong>und</strong><br />

beteiligt werden, um die es <strong>in</strong> dem Geme<strong>in</strong>samen Wort geht <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />

Rechte, Würde, Wohlergehen o<strong>der</strong> Ex<strong>ist</strong>enz beschädigt o<strong>der</strong> bedroht s<strong>in</strong>d.<br />

Bonn / Hannover / Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, im Jurii 1998<br />

Pater Dr. Hans Langendörfer SJ<br />

Sekretär <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bischofskonferenz<br />

Valent<strong>in</strong> Schmidt<br />

Präsident des Kirchenamtes <strong>der</strong><br />

Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland<br />

Pfarrer<strong>in</strong> Bärbel Wartenberg-Potter<br />

Geschaftsführenn <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Chr<strong>ist</strong>licher Kirchen <strong>in</strong> Deutschland<br />

Diese Publikation wird bei <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n Bischofskonferenz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland als Nr. 14 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reihe "Geme<strong>in</strong>same<br />

Texte" gefuhrt.<br />

2


Inhaltsübersicht<br />

- Das Geme<strong>in</strong>same Wort - kurzgefaßt 5<br />

- Thema 1<br />

- Thema 2<br />

- Thema 3<br />

- Thema 4<br />

"... <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>."<br />

E<strong>in</strong>e Bibelarbeit <strong>und</strong> Anregungen für e<strong>in</strong>e Gottesdienstvorbereitung<br />

Fremd(e) unter uns. Das Buch Ruth:<br />

Erfahrungen e<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde<br />

E<strong>in</strong> Tagessem<strong>in</strong>ar (nicht nur) für Jugendliche<br />

"Ausgerechnet e<strong>in</strong>er von diesen Kanaken"<br />

Bibelarbeit zu Lukas 10,25-37<br />

Ängste <strong>und</strong> Stereotype <strong>und</strong> wie man mit ihnen<br />

umgehen sollte<br />

- Thema 5 Wieviel kulturelle Vielfalt gibt es <strong>in</strong> unserer Geme<strong>in</strong>de?<br />

H<strong>in</strong>weise zur Selbstanalyse 45<br />

- Thema 6<br />

- Thema 7<br />

- Thema 8<br />

Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache<br />

<strong>und</strong> Herkunft<br />

Aussiedler - Rückkehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e fremde Heimat<br />

Muslime - fremde Nachbarn?<br />

12<br />

18<br />

31<br />

38<br />

53<br />

60<br />

67<br />

3


- Thema 9<br />

- Thema 10<br />

- Thema 11<br />

- Thema 12<br />

- Thema 13<br />

- Thema 14<br />

Frauen s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s bedroht 78<br />

Menschen ohne Aufenthaltsstatus <strong>in</strong> Deutschland 88<br />

Geme<strong>in</strong>den le<strong>ist</strong>en Flüchtl<strong>in</strong>gen Schutz <strong>und</strong> Hilfe 94<br />

("Kirchenasyl")<br />

"Ich war fremd..." - Beratung <strong>und</strong> Hilfen durch<br />

Caritas <strong>und</strong> Diakonie 98<br />

Auslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> Arbeitsmarkt 102<br />

Erwartungen <strong>der</strong> Kirchen an die Politik - Erwartungen<br />

<strong>der</strong> Politik an die Kirchen 109<br />

- Sachreg<strong>ist</strong>er zum Geme<strong>in</strong>samen Wort <strong>der</strong> Kirchen zu den<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen durch Migration <strong>und</strong> Flucht 112<br />

- H<strong>in</strong>weise aufweitere Texte <strong>der</strong> Kirchen, Material <strong>und</strong> Literatur 117<br />

Anmerkung: Die Verweise auf das Geme<strong>in</strong>same Wort - soweit es nicht Verweise<br />

aufentsprechende Kapitel s<strong>in</strong>d - werden mit den jeweiligen Ziffern <strong>der</strong><br />

Passage des Geme<strong>in</strong>samen Wortes <strong>in</strong> Klammern gesetzt angegeben, also zum<br />

Beispiel: (22.).<br />

4


Das Geme<strong>in</strong>same Wort - kurzgefaßt<br />

WeihbischofDr. JosefVoß<br />

I. Inhalt <strong>und</strong> Struktur des Geme<strong>in</strong>samen Wortes<br />

Das Geme<strong>in</strong>same Wort <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Versuch, die vielfältigen Aspekte <strong>und</strong> Zusammenhänge<br />

von Migration, Vertreibung <strong>und</strong> Flucht darzustellen, zugleich<br />

Perspektiven für e<strong>in</strong>en Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog <strong>in</strong> diesen Fragen<br />

aufzuzeigen <strong>und</strong> Hilfen für die kirchliche Arbeit mit Migranten <strong>und</strong><br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> für die politische Gestaltung <strong>in</strong> diesem Handlungsfeld anzubieten.<br />

Das Geme<strong>in</strong>same Wort geht von <strong>der</strong> Tatsache aus, daß Migration - d.h. Aus-,<br />

E<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Weiterwan<strong>der</strong>ung - , Vertreibung <strong>und</strong> Flucht nicht vorübergehende<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen s<strong>in</strong>d, die bald erledigt s<strong>in</strong>d bzw. durch e<strong>in</strong>e perfekte Sicherung<br />

<strong>der</strong> Grenzen überw<strong>und</strong>en werden können. Vielmehr gehören Migration<br />

<strong>in</strong> ihren vielfältigen Ersche<strong>in</strong>ungsformen sowie Vertreibung <strong>und</strong> Flucht <strong>in</strong><br />

allen Phasen <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte zur Wirklichkeit unserer Welt <strong>und</strong><br />

unserer Gesellschaft. Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e bleibende Herausfor<strong>der</strong>ung. Das gilt um<br />

so mehr, als unser Land im Zentrum e<strong>in</strong>es sich e<strong>in</strong>igenden Europas liegt <strong>und</strong><br />

für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Wirtschaft auf offene Grenzen angewiesen <strong>ist</strong><br />

<strong>und</strong> bleibt.<br />

"Spätestens seit den Erfahrungen <strong>der</strong> frühen 90er Jahre ... <strong>ist</strong> offenk<strong>und</strong>ig:<br />

Migrationspolitik <strong>ist</strong> Gesellschaftspolitik im weitesten S<strong>in</strong>ne; denn Migrationsfragen<br />

s<strong>in</strong>d heute nicht mehr Randprobleme, son<strong>der</strong>n zentrale <strong>und</strong> ge-<br />

5


seIlschaftliehe Aufgaben <strong>und</strong> werden aller Voraussicht nach <strong>in</strong> ihrer<br />

Bedeutung künftig noch zunehmen. " (60.) E<strong>in</strong>e umfassende Migrationspolitik<br />

kann allerd<strong>in</strong>gs nur erfolgreich se<strong>in</strong>, wenn sie sich auf e<strong>in</strong>en möglichst<br />

breiten Gr<strong>und</strong>konsens stützen kann. Sie kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er freiheitlichen Demokratie<br />

nicht gegen die e<strong>in</strong>heimische Mehrheit durchgesetzt werden, wenn<br />

gefährliche Folgen, vor allem zu Lasten zugewan<strong>der</strong>ter M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten, aber<br />

auch des politischen Systems, <strong>in</strong>sgesamt vermieden werden sollen (vgl. 60.).<br />

Die Migrationspolitik <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e wichtige politische Gestaltungsaufgabe <strong>der</strong><br />

kommenden Jahre. Diese kann allerd<strong>in</strong>gs nur gel<strong>in</strong>gen, wenn die Wirklichkeit<br />

nicht verdrängt, son<strong>der</strong>n akzeptiert wird. Für die Akzeptanz dieser Aufgabe<br />

wie auch für die Akzeptanz <strong>der</strong> zugewan<strong>der</strong>ten M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten muß bei<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Mehrheit, muß <strong>in</strong> unserem Land, immer neu geworben<br />

werden. Zu diesem gesellschaftlichen Dialog will das Geme<strong>in</strong>same Wort<br />

e<strong>in</strong>en Beitrag le<strong>ist</strong>en<br />

11. Aufbau des Wortes<br />

Im Aufbau folgt das Geme<strong>in</strong>same Wort dem bewährten Dreischritt sehen ­<br />

urteilen - handeln.<br />

1. sehen<br />

• Geschichtliche Erfahrungen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>sichten aus deutscher Perspektive<br />

• Ursachen von Flucht, Zuwan<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Migrationsbewegungen<br />

2. urteilen<br />

• Biblisch-theologische überlegungen, ethische Reflexionen <strong>und</strong> Konsequenzen<br />

3. handeln<br />

• Perspektiven für die Zukunft - Zukunft gestalten<br />

• Kirchliche Aufgaben<br />

6<br />

•<br />

.<br />


1. sehen<br />

Das brisante Handlungsfeld <strong>der</strong> Migrations- <strong>und</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gspolitik <strong>ist</strong> durch<br />

Emotionalisierung <strong>und</strong> Polarisierung gefährdet, Um dieser Gefahr entgegenzuwirken,<br />

<strong>ist</strong> es notwendig, die Wirklichkeit zu sehen.<br />

So br<strong>in</strong>gt das Geme<strong>in</strong>same Wort zum Anfang e<strong>in</strong>e geschichtliche Skizze zu<br />

den vielfältigen Ersche<strong>in</strong>ungsformen <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> unserem Land seit<br />

dem Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. "E<strong>in</strong>e wesentliche Orientierungshilfe zur<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Migrationspolitik sowie zum Verständnis <strong>und</strong> zur Überw<strong>in</strong>dung<br />

von Fremdenangst, Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> Gewalt vermögen die<br />

h<strong>ist</strong>orischen Entwicklungen zu vermitteln. " (21.) Denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte<br />

haben <strong>Deutsche</strong> im Ausland <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> ungewöhnlich<br />

großer Zahl buchstäblich alle denkbaren Ersche<strong>in</strong>ungsformen des grenzüberschreitenden<br />

Wan<strong>der</strong>ungsgeschehens erlebt.<br />

Aus-, E<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Transitwan<strong>der</strong>ung; Arbeitswan<strong>der</strong>ung von <strong>Deutsche</strong>n <strong>in</strong>s<br />

Ausland, von Auslän<strong>der</strong>n nach Deutschland;<br />

• Flucht- <strong>und</strong> Zwangswan<strong>der</strong>ungen von <strong>Deutsche</strong>n <strong>in</strong>s Ausland <strong>und</strong> von<br />

Auslän<strong>der</strong>n nach Deutschland,<br />

• von <strong>Deutsche</strong>n als Opfern <strong>und</strong> <strong>Deutsche</strong>n als Tätern, <strong>in</strong>nerhalb <strong>und</strong> außerhalb<br />

<strong>der</strong> deutschen Grenzen (vgl. 22.).<br />

Wirklichkeit sehen heißt auch, Zusammenhänge wahrnehmen <strong>und</strong> Ursachen<br />

darlegen.<br />

2. urteilen<br />

Unter dem Stichwort" urteilen" entwickelt das Geme<strong>in</strong>same Wort Maßstäbe<br />

<strong>und</strong> Pr<strong>in</strong>zipien für die politische Gestaltungsaufgabe. Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt<br />

<strong>ist</strong> die Würde des Menschen, die unantastbar <strong>ist</strong>. Sowohl aus dem biblischen<br />

Bef<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> theologischen Reflexion als auch aus <strong>der</strong> ethischen Argumentation<br />

wird die personale Würde des Menschen abgeleitet, die unserer<br />

Verfassung zugr<strong>und</strong>e liegt <strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong> Maßstab für alles politische<br />

Handeln <strong>ist</strong>. Zur Personalität des Menschen gehört das Selbstbestim-<br />

7


mungsrecht <strong>und</strong> die Tatsache, daß er e<strong>in</strong> soziales Wesen <strong>ist</strong>. Daraus ergibt<br />

sich wie<strong>der</strong>um das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Solidarität. An diesen Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien muß<br />

sich auch das Auslän<strong>der</strong>- <strong>und</strong> das Asylrecht messen lassen.<br />

Daß e<strong>in</strong>e unaufhebbare Spannung zwischen dem ethisch Gebotenen <strong>und</strong> den<br />

rechtlichen <strong>und</strong> praktischen Konsequenzen bleibt, gehört zur Wirklichkeit<br />

unserer Welt.<br />

3. handeln<br />

Unter dem Stichwort " handeln " zeigt das Geme<strong>in</strong>same Wort Perspektiven<br />

für die Zukunft auf, um diese Zukunft zu gestalten.<br />

Im Geme<strong>in</strong>samen Wort beziehen die Kirchen Position <strong>und</strong> nehmen Stellung<br />

zu konkreten politischen Konsequenzen. Dabei <strong>ist</strong> folgende Unterscheidung<br />

wichtig: In <strong>der</strong> theologischen Reflexion <strong>und</strong> im Aufweis <strong>der</strong> ethischen Konsequenzen<br />

sprechen die Kirchen aus ihrer eigenen Sendung <strong>und</strong> ihrer eigenen<br />

Kompetenz. Indem sie den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> für das chr<strong>ist</strong>liche Verständnis vom<br />

Menschen aufweisen, zeigen sie den Gr<strong>und</strong> für den entscheidenden Wertekonsens<br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft auf. Im H<strong>in</strong>blick auf die konkreten Konsequenzen<br />

<strong>und</strong> die Perspektiven für die Gestaltung <strong>der</strong> Zukunft kann man zu<br />

unterschiedlichen Folgerungen kommen. Über diese Perspektiven kann gestritten<br />

werden. Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog.<br />

Ifl, Politische For<strong>der</strong>ungen des Geme<strong>in</strong>samen Wortes<br />

Als gr<strong>und</strong>legend für die Gestaltung <strong>der</strong> Zukunft sehen es die Kirchen an, daß<br />

e<strong>in</strong> überzeugendes Gesamtkonzept entwickelt wird, <strong>in</strong> dem Zuwan<strong>der</strong>ung,<br />

Weiterwan<strong>der</strong>ung, Aufenthalt <strong>und</strong> Integration aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmt s<strong>in</strong>d.<br />

"Die Darstellung <strong>der</strong> verschiedenen Dimensionen <strong>der</strong> Migrationsproblematik<br />

belegt, daß das politische Handeln von e<strong>in</strong>em umfassenden Konzept <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verschränkter Handlungsfel<strong>der</strong> ausgehen muß. E<strong>in</strong>zelne, nicht<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmte Maßnahmen führen nicht weiter. Die folgenden<br />

Überlegungen <strong>und</strong> Vorschläge sollen hierzu e<strong>in</strong> Beitrag se<strong>in</strong> <strong>und</strong> zugleich<br />

die öff<strong>in</strong>tliche Debatte anregen. Diese <strong>ist</strong> nötig, um angemessene <strong>und</strong> von<br />

8


e<strong>in</strong>em breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Konzepte zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> zu verwirklichen. " (144.)<br />

Die Kirchen setzen sich nicht für e<strong>in</strong>e unkontrollierte Zuwan<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>; dies<br />

zu unterstellen <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Mißverständnis. Die Kirchen gehen aber wohl davon<br />

aus <strong>und</strong> rechnen damit, daß es auch weiterh<strong>in</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Formen geben wird <strong>und</strong> daß es darum notwendig <strong>ist</strong>, diese Wan<strong>der</strong>ung<br />

verantwortlich zu steuern <strong>und</strong> mit den notwendigen Schritten <strong>der</strong> Integration<br />

abzustimmen. Die Auslän<strong>der</strong>gesetzgebung <strong>der</strong> Vergangenheit zeigt dar<strong>in</strong><br />

erheblicheDefizite. Die Kirchen for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> überzeugendes Gesamtkonzept ­<br />

unabhängig davon, ob sich dieses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> mehreren Gesetzeswerken<br />

nie<strong>der</strong>schlägt -, das sowohl <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung als auch ausländischen<br />

Zuwan<strong>der</strong>ern Berechenbarkeit gibt.<br />

E<strong>in</strong> solches Gesamtkonzept müßte<br />

• politisch Verfolgten Schutz sichern,<br />

• Zuwan<strong>der</strong>ung von Spätaussiedlern offenhalten,<br />

• die Zusammenführung von Familien ermöglichen,<br />

• den Auslän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> zweiten <strong>und</strong> dritten Generation, die hier endgültig<br />

ihre Heimat haben, rechtliche Integration sichern <strong>und</strong><br />

• klare Kriterien für die Steuerung <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung bieten.<br />

IV. Diskrepanz zwischen "<strong>in</strong>dividuellem Schutzbedürfnis <strong>und</strong><br />

staatlicher Schutzpflicht"<br />

Das geltende Asyl- <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>recht läßt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en praktischen Konsequenzen<br />

so gut wie ke<strong>in</strong>e Spielräume mehr. Das hat zur Konsequenz, daß es<br />

dem e<strong>in</strong>zelnen Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dividuellen Schutzbedürfuis oft nicht<br />

gerecht wird.<br />

Die im Gr<strong>und</strong>gesetz verankerte Verpflichtung des Schutzes politisch Verfolgter<br />

<strong>ist</strong> so weit e<strong>in</strong>geschränkt, daß sie dem faktischen Schutzbedürfnis von<br />

9


Menschen <strong>und</strong> den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus <strong>der</strong> Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention<br />

oft nicht gerecht wird. Die Rechtsprechung <strong>in</strong> unserem Land<br />

läßt politische Verfolgung nur gelten,<br />

- sofern es politische Verfolgung im engeren S<strong>in</strong>ne <strong>ist</strong> aufgr<strong>und</strong> von Religion,<br />

Rasse o<strong>der</strong> Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er politischen Gruppe; geschlechtsspezifische<br />

Verfolgung, z.B. Massenvergewaltigungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Bürgerkriegs,<br />

fmdet ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> nur bed<strong>in</strong>gte Anerkennung;<br />

- sofern sie offiziell vom Staat ausgeht, nicht jedoch durch rivalisierende<br />

Bügerkriegsgruppen;<br />

- sofern e<strong>in</strong> politisch Verfolgter zuvor ke<strong>in</strong>en "sicheren Drittstaat" (wozu alle<br />

Deutschland umgebenden Staaten zählen) passiert hat.<br />

Diese Schutzlücken können zu Konflikten sowohl bei Betroffenen als auch<br />

bei Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeitern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gshilfe führen. Solche<br />

Konflikte zeigen sich u.a. auch bei <strong>der</strong> Schutzgewährung durch Kirchen- <strong>und</strong><br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>den. Die Kirchen haben darum immer praktikable <strong>und</strong> plausible<br />

Härtefallregelungen gefor<strong>der</strong>t, wenngleich man real<strong>ist</strong>isch feststellen muß,<br />

daß e<strong>in</strong>e glatte <strong>und</strong> allseits befriedigende rechtliche Lösung nicht möglich <strong>ist</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Folge dieser Diskrepanz <strong>ist</strong> die große Zahl von Zuwan<strong>der</strong>ern,<br />

die sich illegal <strong>in</strong> unserem Land aufhalten bzw. nur geduldet werden. Diese<br />

Zahl wächst <strong>in</strong> dem Maße, <strong>in</strong> dem die Anerkennung restriktiver gehandhabt<br />

wird.<br />

v. Regelungen für die Integration<br />

Zu e<strong>in</strong>em Gesamtkonzept gehören auch Regelungen für die rechtliche, soziale<br />

<strong>und</strong> kulturelle Integration <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er. Es liegt im Interesse unseres<br />

Landes, daß Menschen, die auf Dauer ihre Heimat <strong>in</strong> Deutschland haben, <strong>in</strong><br />

Recht <strong>und</strong> Pflicht genommen werden, unser Geme<strong>in</strong>wesen verantwortlich<br />

mitzugestalten. Die Möglichkeit zu politischer Partizipation, die über die<br />

beratende Kompetenz <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>beiräte h<strong>in</strong>ausgeht, <strong>ist</strong> notwendig, vor<br />

allem für Drittstaatsangehörige im Rahmen des Kommunalwahlrechtes.<br />

Wir müssen von <strong>der</strong> Tatsache ausgehen, daß Menschen auch an<strong>der</strong>er Sprachen<br />

<strong>und</strong> Kulturen auf Dauer <strong>in</strong> unserem Land leben <strong>und</strong> hier ihre Heimat<br />

10


haben werden; gedacht <strong>ist</strong> vor allem an Muslime, aber auch an Angehörige<br />

des Buddhismus. Sie genießen im Rahmen des Gr<strong>und</strong>gesetzes <strong>in</strong> gleicher<br />

Weise Religionsfreiheit wie Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Kirchen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>schaften. Sie haben das Recht, ihren Glauben frei zu bekennen;<br />

muslimischen Eltern steht das Recht zu, ihren Glauben <strong>und</strong> ihre<br />

Traditionen an ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> weiterzugeben. Ihnen s<strong>in</strong>d aber auch, wie Angehörigen<br />

an<strong>der</strong>er Religionen, für e<strong>in</strong> Leben nach ihren religiösen Überzeugungen<br />

<strong>und</strong> Geboten <strong>in</strong> Deutschland Grenzen durch die verfassungsmäßige Ordnung<br />

gesetzt. Nicht genügend geklärt <strong>ist</strong>. wie öffentliche Schulen ihren Auftrag<br />

<strong>der</strong> Integration wahrnehmen können. Dem Staat müßte es e<strong>in</strong> Anliegen<br />

se<strong>in</strong>, daß Z.B. auch für muslimische Schüler<strong>in</strong>nen Und Schüler e<strong>in</strong>e religiöse<br />

Unterweisung möglich wird durch Lehrkräfte, die entsprechend den staatlichen<br />

<strong>und</strong> vom Gr<strong>und</strong>gesetz her gegebenen Kriterien ausgebildet worden s<strong>in</strong>d<br />

- analog zu chr<strong>ist</strong>lichen Religionslehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> -lehrern.<br />

Diese Aspekte machen deutlich, daß das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von Menschen unterschiedlicher<br />

Kulturen <strong>in</strong> unserem Land auf die Zukunft h<strong>in</strong> neue Anstrengungen<br />

im Dialog notwendig macht.<br />

•<br />

11


den geschichtlichen Erfahrungen <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>schaft <strong>in</strong> Ägypten <strong>und</strong> dem<br />

Verhalten gegenüber Fremden hergestellt.<br />

Dieser Zusammenhang <strong>ist</strong> <strong>in</strong> dem Geme<strong>in</strong>samen Wort <strong>in</strong> den Ziffern (98.ft)<br />

dargelegt, auch wenn die F<strong>und</strong>steIlen nicht explizit nachgewiesen werden.<br />

Die Tatsache e<strong>in</strong>er Redewendung empfahl diese Formulierung als Titel für<br />

das Geme<strong>in</strong>same Wort.<br />

In <strong>der</strong> folgenden Bibelarbeit soll dem Sitz im Leben <strong>der</strong> Formulierung<br />

" ...<strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>. <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>" 'genauer nachgegangen werden.<br />

Mehrere Aspekte des Fremdenrechtes <strong>und</strong> des Zusammenlebens mit<br />

Fremden im alten Israel werden dabei <strong>in</strong> den Blick kommen. Obwohl sich<br />

unsere gesellschaftliche Situation <strong>in</strong> vielen Punkten nicht mit <strong>der</strong> vor gut<br />

2500 Jahren vergleichen läßt, s<strong>in</strong>d dennoch Gottes Gebote <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Intention<br />

<strong>und</strong> Ge<strong>ist</strong> für uns als Chr<strong>ist</strong>en bleibende Orientierung, Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>und</strong> Verpflichtung.<br />

1. Bibelarbeit<br />

o Stichwort "Segen"<br />

Die erste F<strong>und</strong>steIle <strong>ist</strong> das dritte (o<strong>der</strong>, je nach Zählweise, vierte) <strong>der</strong> Zehn<br />

Gebote <strong>in</strong> Ex./2.Mose 20. Das 3. Gebot, Vers 10, lautet dort:<br />

"Gedenke des Sabbats, daß du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten<br />

<strong>und</strong> alle de<strong>in</strong>e Werke tun. Aber am 7. Tage <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Ruhetag des Herrn, de<strong>in</strong>es<br />

Gottes. Da sollst du nicht arbeiten. nicht de<strong>in</strong> Sohn, nicht de<strong>in</strong>e Tochter,<br />

nicht de<strong>in</strong> Knecht. de<strong>in</strong>e Magd, de<strong>in</strong> Vieh <strong>und</strong> auch nicht de<strong>in</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>!"<br />

In Dtn./5.Mose 5, 14 werden die Zehn Gebote wie<strong>der</strong>holt, <strong>und</strong> auch da heißt<br />

es ausdrücklich, daß am siebten Tag alle ruhen sollen "auch <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>.<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>". Nur wird hier e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Begründung gegeben,<br />

wenn es heißt:<br />

"Denke daran, daß du selbst <strong>in</strong> Ägypten e<strong>in</strong> Sklave warst <strong>und</strong> <strong>der</strong> Herr, de<strong>in</strong><br />

Gott, dich mit starker Hand <strong>und</strong> erhobenem Arm von dort <strong>in</strong> die Freiheit<br />

gefiihrt hat. Deshalb befiehlt er dir, den Tag <strong>der</strong> Ruhe e<strong>in</strong>zuhalten. "(V.15)<br />

13


Hier wird zu dem Ruhesegen Gottes auch noch <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Befreiung<br />

aus ägyptischer Knechtschaft gegeben. Als Unfreie kannte Israel <strong>in</strong><br />

Ägypten ke<strong>in</strong>en Ruhetag. Erst <strong>der</strong> Befreite hat die Möglichkeit zum Ruhetag<br />

des Herrn. Der Segen Gottes schließt <strong>in</strong> die Ruhe auch die Freiheit e<strong>in</strong>.<br />

Das Gebot lautet also: In eurer geschenkten Freiheit könnt ihr <strong>in</strong> aller Gelassenheit<br />

eure Betriebsamkeit wenigstens e<strong>in</strong>mal pro Woche ruhen lassen.<br />

Schließt aber auch den <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> euren <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>, <strong>in</strong> diese Ruhe <strong>und</strong><br />

Freiheit mit e<strong>in</strong>!<br />

D Stichwort ..Toleranz"<br />

Die dann folgende Stelle aus Dtn./5.Mose 14, 11-20 <strong>ist</strong> schwer verständlich.<br />

Da geht es vor<strong>der</strong>gründig um "re<strong>in</strong> <strong>und</strong> unre<strong>in</strong>", wenn vom Verzehr von<br />

Speisen <strong>und</strong> von Opfergaben gesprochen wird. Hierbei handelt es sich um<br />

oftmals jahrtausendalte Traditionen. Es <strong>ist</strong> allgeme<strong>in</strong> bekannt, daß bis zum<br />

heutigen Tage Juden <strong>und</strong> Muslime ke<strong>in</strong> Schwe<strong>in</strong>efleisch essen, weil das<br />

Schwe<strong>in</strong> als "unre<strong>in</strong> im religiös-kultischen S<strong>in</strong>ne" gilt. Solche religiösen<br />

Re<strong>in</strong>heitsgebote werden hier <strong>in</strong> Dtn./5.Mose auf dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> uralter<br />

Traditionen überliefert.<br />

Doch <strong>der</strong> eigentliche S<strong>in</strong>n dieser religiös-kultischen Re<strong>in</strong>heitsgebote liegt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> vorangestellten Begründung (Dtn./5.Mose 14, 2): "...denn du b<strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />

heiliges Volk dem Herrn, de<strong>in</strong>em Gott, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Herr hat dich erwählt, daß<br />

du se<strong>in</strong> Eigentum se<strong>ist</strong> aus allen Völkern, die aufErden s<strong>in</strong>d. "<br />

Die Heiligkeit Israels, des Volkes Gottes, besteht jedoch nicht dar<strong>in</strong>, daß es<br />

die religiösen Speisevorschriften beachtet. Heilig <strong>ist</strong> Israel, weil Gott es auserwählt<br />

hat. Die Auserwählung zum Eigentum Gottes bedeutet nach biblischem<br />

Verständnis ke<strong>in</strong>e bevorzugte Son<strong>der</strong>stellung Israels. Die Heiligkeit<br />

Israels besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auserwählung zum Dienst. fIber Begriff 'heilig ' bezeichnet<br />

nicht e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e menschliche Qualität, son<strong>der</strong>n vor allem die<br />

Vorstellung des Ausgeson<strong>der</strong>tse<strong>in</strong>s fur Jahwe <strong>und</strong> die daraus folgende Vorstellung<br />

von <strong>der</strong> Unantastbarkeit. Hier <strong>in</strong> Vers 2 <strong>und</strong> son<strong>der</strong>lich <strong>in</strong> Vers 21<br />

<strong>ist</strong> die Vorstellung von <strong>der</strong> Heiligkeit des Volkes noch sehr altertümlich ritual<strong>ist</strong>isch<br />

bestimmt; sie tritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form e<strong>in</strong>er Enthaltung von gewissen<br />

kultischen Praktiken zutage. "(Gerhard von Rad)<br />

14


Israel <strong>ist</strong> als Volk Gottes, als se<strong>in</strong> Eigentum, auch an den speziellen Re<strong>in</strong>heitsvorschriften<br />

erkennbar. "Diese von Jah.....e vollzogene Ausson<strong>der</strong>ung<br />

Israels aus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Kulte mußte <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Israelit durch<br />

bekenntnishafte Enthaltungen bejahen. Da die Gehorsamspflicht so e<strong>in</strong>seitig<br />

mit dem kultischen Ausschließlichkeitsanspruch Jahwes <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht<br />

wird, <strong>ist</strong> es ganz folgerichtig, daß das unre<strong>in</strong>e Fleisch den Fremden<br />

o<strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>n überlassen werden kann, die nicht zur gleichen E<strong>in</strong>haltung<br />

dieser Ordnungen verpflichtet waren. " (Gerhard von Rad)<br />

Das Beson<strong>der</strong>e an dieser Vorschrift <strong>ist</strong> also, daß <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en<br />

<strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>, von ihr ausgenommen wird. Er wird nicht gezwungen, die<br />

religiösen Re<strong>in</strong>heitsgebote <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heimischen zu befolgen. Deshalb heißt es<br />

Dtn./5.Mose 14,21: "Ihr sollt nicht das Fleiich von Tieren essen, die nicht<br />

vorschriftsmäßig geschlachtet worden s<strong>in</strong>d. Ihr könnt es aber dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> euren <strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>, überlassen, o<strong>der</strong> ihr könnt es an e<strong>in</strong>en Auslän<strong>der</strong><br />

verkaufen. "<br />

Hier <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>deutig die religiöse Toleranz gegenüber dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong> gefor<strong>der</strong>t.<br />

Also das Gebot lautet: Seid gegenüber dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> euren <strong>Toren</strong><br />

<strong>ist</strong>, tolerant! Zw<strong>in</strong>gt ihm nicht eure religiösen Sitten <strong>und</strong> Traditionen auf1<br />

o Stichwort "Solidarität"<br />

Schließlich folgt e<strong>in</strong> weiteres Gebot Gottes, das dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong> zugute<br />

kommen soll.<br />

Im selben Kapitel des Dtn./5.Mose steht: "Jährlich sollst du den Zehnten von<br />

de<strong>in</strong>em Ertrag abgeben. " Das wird dann im E<strong>in</strong>zelnen ausgeführt, <strong>und</strong> am<br />

Ende heißt es ab Vers 28: "Doch alle drei Jahre sollst du den Zehnten von<br />

de<strong>in</strong>em Ertrag <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Stadt abgeben. Dann sollen kommen<strong>der</strong> Levit <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, die Waisen <strong>und</strong> die Witwen, die <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Stadt leben, <strong>und</strong><br />

sollen essen <strong>und</strong> sollen sich sättigen, aufdaß dich <strong>der</strong> Herr, de<strong>in</strong> Gott, segne<br />

<strong>in</strong> allen Werken, die du tust. "<br />

Der Vergleich mit heutigen Steuer- <strong>und</strong> Abgabeverordnungen liegt nahe: Es<br />

geht um e<strong>in</strong>e Solidaritätsabgabe für die Schwachen, Niedrigen <strong>und</strong> Armen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gesellschaft. Und dazu zählt auch <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong><br />

15


<strong>ist</strong>. Der <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong> wird den Witwen <strong>und</strong> Waisen, also den Schwächsten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, gleichgestellt. Es wird ausdrücklich ke<strong>in</strong>e unterste Grenze<br />

zwischen e<strong>in</strong>heimischen Armen <strong>und</strong> armen <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>en gezogen. Das Solidaritätsgebot<br />

<strong>ist</strong> <strong>in</strong>klusiv <strong>und</strong> <strong>in</strong>tegrativ.<br />

Entsprechend dem Ge<strong>ist</strong> des biblischen Gebotes müßte es heute heißen: Seid<br />

solidarisch mit dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Stadt <strong>ist</strong>. Diese Solidarität<br />

schließt gerade auch die ökonomische Fürsorge mit e<strong>in</strong>.<br />

o Stichwort "Freude"<br />

Noch e<strong>in</strong> Viertes wird von Gott festgesetzt, das für das Zusammenleben von<br />

E<strong>in</strong>heimischen <strong>und</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>en, die <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Stadt s<strong>in</strong>d, von gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong><br />

Bedeutung <strong>ist</strong>: die geme<strong>in</strong>same Freude beim Feiern <strong>der</strong> großen religiösen<br />

Volksfeste.<br />

In Dtn./5.Mose 16 werden die drei wichtigsten religiösen Feste genannt: Das<br />

Passah-Fest, das Wochenfest <strong>und</strong> das Laubhüttenfest. Dazu heißt es ausdrücklich<br />

Dtn./5 Mose 16, 11 u. 14: "Und freue dich an de<strong>in</strong>em Fest vor<br />

dem Herrn, de<strong>in</strong>em Gott, du, de<strong>in</strong> Sohn, de<strong>in</strong>e Töchter, de<strong>in</strong> Knecht, de<strong>in</strong>e<br />

Magd, <strong>der</strong> Levit, die Witwe <strong>und</strong> Waise <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en<br />

<strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>. " Also lautet das göttliche Gebot auf e<strong>in</strong>en kurzen Nenner gebracht:<br />

Teile de<strong>in</strong>e Festtagsfreude auch mit dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>. Schließe ihn mit e<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

vergiß ihn nicht, wenn du Ostern, Pfmgsten <strong>und</strong> Weihnachten feierst!<br />

Segen, Toleranz, Solidarität <strong>und</strong> Freude sollen dem <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en<br />

<strong>Toren</strong> <strong>ist</strong>, entgegengebracht <strong>und</strong> mit ihm geteilt werden. So <strong>ist</strong> es Israel, dem<br />

Volk Gottes, aufgetragen worden. So hat Israel es auch gehalten. Und wir?<br />

Schauen Sie sich um unter den Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Asylsuchenden! Fragen Sie<br />

e<strong>in</strong>mal die Auslän<strong>der</strong>, die Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Asylsuchenden, wie sie sich bei<br />

uns fiihlen <strong>und</strong> behandelt wissen'<br />

2. Anregungen für e<strong>in</strong>e Gottesdienstvorbereitung<br />

In vier verschiedenen Gruppen sollen über die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bibelarbeit erarbeiteten<br />

Begriffe aus <strong>der</strong> jüdisch-chr<strong>ist</strong>lichen Tradition nachgedacht <strong>und</strong> entsprechende<br />

Konsequenzen festgehalten werden. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Gruppenar-<br />

16


eit können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en thematischen Gottesdienst e<strong>in</strong>fließen. Die Gruppen erhalten<br />

jeweils den entsprechenden Bibelvers <strong>und</strong> bekommen folgende Aufgaben:<br />

o 1. Gruppe: Ex.I2.Mose 20, 10<br />

Was heißt Segen für die "<strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>e <strong>in</strong> unseren <strong>Toren</strong>"? Formulieren Sie <strong>in</strong><br />

Ihrer Gruppe e<strong>in</strong>e Segensbitte für die Fremden.<br />

0 2. Gruppe: Dtn.l5.Mose 14,21<br />

In vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Erde leben Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit unter Menschen,<br />

die e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Religion angehören. Was erwarten Sie von diesen Län<strong>der</strong>n<br />

bezüglich <strong>der</strong> Toleranz den Chr<strong>ist</strong>en gegenüber? Welche Konsequenzen haben<br />

diese For<strong>der</strong>ungen für das Verhalten von Chr<strong>ist</strong>en gegenüber Angehörigen<br />

e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Religion? Halten Sie diese For<strong>der</strong>ungen fest <strong>und</strong> formulieren<br />

Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe e<strong>in</strong> Gebet.<br />

03. Gruppe: Dtn./5.Mose 14,28-28<br />

.<br />

Arme <strong>und</strong> Fremde werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> jüdisch-chr<strong>ist</strong>lichen Tradition e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

gleichgestellt. Beide Gruppen brauchen die Solidarität <strong>der</strong> Gesellschaft. Entwickeln<br />

Sie e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Szene (e<strong>in</strong> Anspiel), das diese Thematik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität<br />

Deutschlands wie<strong>der</strong>gibt.<br />

04. Gruppe: Dtnl5.Mose 16, 11+14<br />

Die Festtagsfreude soll mit den <strong>Fremdl<strong>in</strong>g</strong>en, die <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en <strong>Toren</strong> s<strong>in</strong>d, geteilt<br />

werden. Überlegen Sie <strong>in</strong> Ihrer Gruppe, wie Sie Fremden <strong>und</strong> Nichtchr<strong>ist</strong>en<br />

<strong>in</strong> Ihrer Stadt etwas von <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Festtagsfreude vermitteln können.<br />

Halten Sie Ihre Überlegungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em plakativen o<strong>der</strong> Aufsehen erregenden<br />

Text fest.<br />

17


Thema 2<br />

Fremd(e) Unter uns<br />

Das Buch Ruth. Erfahrungen e<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde<br />

E<strong>in</strong> Tagessem<strong>in</strong>ar (nicht nur) rur Jugendliche<br />

I. E<strong>in</strong>leitende Gedanken<br />

Das Buch Ruth, das zu den Büchern des Alten Testaments gehört, wird <strong>in</strong><br />

Kapitel 4 des Geme<strong>in</strong>samen Wortes ("Biblisch-theologische überlegungen,<br />

ethische RefleXionen <strong>und</strong> Konsequenzen") nicht erwähnt, Dies überrascht,<br />

steht doch im Mittelpunkt des Buches e<strong>in</strong>e Frau, die als Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>in</strong> Juda<br />

versucht, e<strong>in</strong> neues Zuhause zu fmden. In <strong>der</strong> anschaulichen Flüchtl<strong>in</strong>gsgeschichte<br />

begegnen uns die vielen Schwierigkeiten, denen fremde Menschen<br />

unter uns heute <strong>in</strong> ähnlicher Weise ausgesetzt s<strong>in</strong>d:<br />

- Vorurteile gegenüber ihrem Volk bis h<strong>in</strong> zu offener Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit,<br />

- Probleme bei <strong>der</strong> wirtschaftlichen Ex<strong>ist</strong>enzsicherung,<br />

- Rechtlosigkeit,<br />

- "Freiwild" <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fremden Land <strong>und</strong><br />

- tägliche ÄngSte, ausgelöst durch e<strong>in</strong>e völlig unsichere Lebensperspektive.<br />

Das Buch Rutil bietet deshalb viele Ansatzpunkte <strong>und</strong> Möglichkeiten, zu den<br />

verschiedenen Aspekten des Geme<strong>in</strong>samen Wortes zu arbeiten. Jugendlichen<br />

bietet es mit <strong>der</strong> jungen Frau e<strong>in</strong>e Figur an, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie sich wie<strong>der</strong>f<strong>in</strong>den <strong>und</strong><br />

mit <strong>der</strong> sie sich identifizieren o<strong>der</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen können.<br />

18


ß. E<strong>in</strong>ige exegetische Anmerkungen zum Buch Ruth<br />

Das Buch Ruth <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e abgeschlossene, <strong>in</strong> sich stimmige kle<strong>in</strong>e Novelle. Sie<br />

unterbricht, <strong>in</strong> vier Kapitel aufgeteilt, die große L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Geschichtsdarstellung,<br />

die von Josua über Richter <strong>und</strong> die beiden Samuelbücher zu den Königsbüchem<br />

fuhrt. Über die Entstehungszeit des Buches gehen die Me<strong>in</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> theologischen Wissenschaft ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Die Angaben schwanken<br />

zwischen <strong>der</strong> späteren Königszeit (etwa 700 - 600 v. Chr.) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zeit nach<br />

dem babylonischen Exil (537-538 v. Chr.).<br />

E<strong>in</strong>deutiger läßt sich h<strong>in</strong>gegen etwas zur Intention <strong>der</strong>er sagen, die das Buch<br />

Ruth zwischen das Buch <strong>der</strong> Richter <strong>und</strong> das I. Samuelbuch e<strong>in</strong>geordnet<br />

haben. In <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Erzählung steht mit Ruth e<strong>in</strong>e Moabiter<strong>in</strong> im Mittelpunkt.<br />

Nach Dtn./5.Mose 23, 4-7 waren die Moabiter für Israel so verabscheuungswürdig,<br />

daß e<strong>in</strong>e gottesdienstliche Geme<strong>in</strong>schaft, ja sogar jedes<br />

menschliche Mitgefühl mit ihnen verboten war. Trotzdem wird e<strong>in</strong>e Moabiter<strong>in</strong><br />

Israel als Vorbild dargestellt, ja Ruth wird zur Ahnmutter Davids gemacht<br />

<strong>und</strong> Rahel <strong>und</strong> Lea gleichgestellt.<br />

Es dürfte ke<strong>in</strong> Zufall se<strong>in</strong>, daß diese Erzählung, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Frau aus e<strong>in</strong>em<br />

fe<strong>in</strong>dlichen Land <strong>in</strong> dieser positiven Weise dargestellt wird, <strong>in</strong> den Kanon<br />

aufgenommen wurde. Israel wird daran er<strong>in</strong>nert, daß Gottes Heilsplan nicht<br />

auf Israel beschränkt <strong>ist</strong>, son<strong>der</strong>n alle Völker im Blick hat <strong>und</strong> deshalb die<br />

Achtung <strong>der</strong> Fremden e<strong>in</strong> unaufgebbares Gebot bleibt. Israel wird als erwähltes<br />

Volk aufdie fremden Völker h<strong>in</strong>gewiesen, die es wahrzunehmen <strong>und</strong><br />

zu verstehen gilt. Das Buch will <strong>der</strong> Gefahr begegnen, daß Israel se<strong>in</strong>e Erwählung<br />

exklusiv versteht. Dies war beson<strong>der</strong>s nötig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das<br />

deuteronom<strong>ist</strong>ische Geschichtswerk entstand <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Israel als Staat <strong>und</strong><br />

als Volk zerschlagen war: nach <strong>der</strong> Eroberung <strong>und</strong> Zerstörung Jerusalems<br />

durch Nebukadnezar (587 v. Chr.).<br />

Das Buch Ruth wurde später <strong>in</strong> die Liturgie e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> drei großen Feste Israels<br />

aufgenommen, <strong>in</strong> die des "Wochenfestes" (sieben Wochen nach dem<br />

Passahfest). In <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Tradition hat es ke<strong>in</strong>e vergleichbare Bedeutung<br />

erhalten. Für uns gilt es, das Buch Ruth wie<strong>der</strong> neu zu entdecken.<br />

19


Hl, Das Buch Ruth: Erfahrungen e<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde ­<br />

mögliche Anknüpfungspunkte an das Geme<strong>in</strong>same Wort-<br />

Ruth 1,1-5:<br />

Ruth 1,6-21<br />

Ruth 1,22-2,18<br />

20<br />

Aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Hungersnot<br />

müssen Elimelech, Noomi<br />

<strong>und</strong> ihre beiden Söhne ihr<br />

Herkunftsland Juda verlassen<br />

<strong>und</strong> werden <strong>in</strong> Moab als<br />

Fremde ansässig<br />

Nach dem Tod <strong>der</strong> Männer<br />

müssen die Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong><br />

(Judäer<strong>in</strong>) <strong>und</strong> ihre e<strong>in</strong>heimischen<br />

Schwiegertöchter Ruth<br />

<strong>und</strong> Orpa (Moabiter<strong>in</strong>nen)<br />

entscheiden, <strong>in</strong> welchem<br />

Land sie e<strong>in</strong>e Ex<strong>ist</strong>enzgr<strong>und</strong>lage<br />

f<strong>in</strong>den können. Als<br />

Menschen frem<strong>der</strong> Herkunft<br />

werden sie <strong>in</strong> jedem neuen<br />

Land Probleme haben, ihre<br />

Ex<strong>ist</strong>enz zu sichern.<br />

Für die beiden mittellosen<br />

Frauen will Ruth den Lebensunterhalt<br />

durch Ährenlesen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong>' kurzen Erntezeit<br />

erwirtschaften. Das Ährenlesen<br />

war <strong>in</strong> Israel Recht <strong>der</strong><br />

Fremden, Witwen <strong>und</strong> Armen<br />

(Lev./3.Mose 19,9f;<br />

23,22; Dtn./5.Mose 24,19),<br />

h<strong>in</strong>g jedoch vom Wohlwollen<br />

des Besitzers ab.<br />

Ruth darfaufdem Feld e<strong>in</strong>es<br />

Ursachen von Flucht, Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Migrationsbewegungen;<br />

hier:<br />

wirtschaftliche Ursachen von<br />

Migration (vgl. 3.3 des Geme<strong>in</strong>samen<br />

Wortes)<br />

Erleichterung <strong>der</strong> Familienzusammenfiihrung<br />

<strong>und</strong> erweiterte<br />

Möglichkeiten von<br />

doppelter Staatsbürgerschaft<br />

Fehlende Möglichkeiten zur<br />

Teilhabe am Arbeitsmarkt<br />

für Migranten <strong>und</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

(siehe auch 5.4.1 <strong>und</strong><br />

5.4.2 des Geme<strong>in</strong>samen<br />

Wortes)<br />

- zu Ruth 2,9: Problem von<br />

Frauenhande1 <strong>und</strong> Prostitution


Verwandten ihrer Schwiegermutter<br />

Ähren lesen, <strong>der</strong> sie<br />

gegen frauen- <strong>und</strong> fremdenfe<strong>in</strong>dliche<br />

Übergriffe <strong>der</strong><br />

Arbeiter <strong>in</strong> Schutz nimmt.<br />

Ruth 2,19-4,12 Ruth gel<strong>in</strong>gt es, Boas als Die immer ger<strong>in</strong>gere Chance,<br />

"Löser" für sich <strong>und</strong> ihre das Gr<strong>und</strong>recht auf Asyl <strong>in</strong><br />

Schwiegermutter Noomi zu Deutschland <strong>in</strong> Anspruch<br />

gew<strong>in</strong>nen. ("Löser" <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> nehmen zu können; die imfamilienrechtlicher<br />

Begriff. mer weiter fortschreitende<br />

Er me<strong>in</strong>t den Nächstver- Rechtlosigkeit von Fl üchtwandten,<br />

<strong>der</strong> verpflichtet <strong>ist</strong>, l<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Migranten<br />

Angehörige aus verschiede- (Auswirkungen <strong>der</strong> Asylnen<br />

Notlagen durch Freikauf rechtsän<strong>der</strong>ungen von 1993)<br />

zu "erlösen".) - die mangelnde rechtliche<br />

Boas leitet für Ruth <strong>und</strong> Integration (vgl. 5.3. des<br />

Noomi e<strong>in</strong>e Rechtsverhand- Geme<strong>in</strong>samen Wortes)<br />

lung e<strong>in</strong> <strong>und</strong> verhilft den - die aufgr<strong>und</strong> von Massenbeiden<br />

Frauen zu ihrem arbeitslosigkeit steigende<br />

Recht, nachdem <strong>der</strong> nächst- Verweigerung <strong>der</strong> Solidarität<br />

verwandte Löser ihnen dieses mit Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Miverweigert<br />

hatte, um den granten<br />

eigenen Besitz nicht zu<br />

schmälern.<br />

Ruth 4,13-22 Boas heiratet Ruth. So wird<br />

die Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> zur "Stammmutter"<br />

des davidischen<br />

Könighauses.<br />

Zusammenleben mit Menschen<br />

frem<strong>der</strong> Herkunft als<br />

Bereicherung <strong>und</strong> Chance zu<br />

e<strong>in</strong>er neuen Identität statt als<br />

Gefährdung von eigener<br />

Identität (siehe auch 5.4.4<br />

<strong>und</strong> 6.3.2 des Geme<strong>in</strong>samen<br />

Wortes)<br />

21


IV. Das Buch Ruth - mögliche Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt<br />

von Jugendlichen<br />

Das Geme<strong>in</strong>same Wort stellt zurecht fest, daß "die B<strong>und</strong>esrepublik tatsächlich<br />

seit mehr als e<strong>in</strong>em Jahrzehnt e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland neuen Typs geworden<br />

<strong>ist</strong> - nicht im rechtlichen, aber im gesellschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen<br />

S<strong>in</strong>ne. " (20.) Für Jugendliche <strong>ist</strong> dies <strong>in</strong> ihrer Erfahrungswelt längst Allgeme<strong>in</strong>gut.<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> kirchlichen Jugendarbeit <strong>ist</strong> unübersehbar, daß wir <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er kulturell pluralen Gesellschaft leben. Die kirchliche Jugendarbeit muß<br />

sich seit Jahren den Chancen <strong>und</strong> Problemen dieser gesellschaftlichen Entwicklung<br />

stellen.<br />

Dabei <strong>ist</strong> beson<strong>der</strong>s zu berücksichtigen, daß Jugendliche sich auf <strong>der</strong> Suche<br />

nach e<strong>in</strong>er eigenen Identität bef<strong>in</strong>den. Sie erleben die Begegnung mit Menschen<br />

aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Kulturen <strong>in</strong> den Jugendhäusern häufig<br />

gleichzeitig als Bereicherung <strong>und</strong> als Bedrohung. Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite s<strong>in</strong>d sie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> "Loslösungsphase" offen für e<strong>in</strong>e neue Identität <strong>und</strong> damit auch für<br />

ihnen fremde Kulturen <strong>und</strong> Gewohnheiten. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite setzen<br />

ökonomische Unsicherheiten, Zukunftsängste <strong>und</strong> gesamtgesellschaftliche<br />

Vorurteile Fremden gegenüber Ängste frei, die zu abgrenzendem Verhalten<br />

fuhren können. .<br />

In e<strong>in</strong>em Tagessem<strong>in</strong>ar, das im folgenden beschrieben wird, soll deshalb auf<br />

diese Aspekte <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise e<strong>in</strong>gegangen werden. Die Person Ruth<br />

kann mit ihren Erfahrungen für die Lebensbed<strong>in</strong>gungen sensibel machen,<br />

denen Fremde unter uns ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Ziel <strong>ist</strong>, daß durch diese Beschäftigung<br />

Verständnis füre<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wächst <strong>und</strong> wir geme<strong>in</strong>sam darüber nachdenken,<br />

was sich verän<strong>der</strong>n muß, damit alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kulturell pluralen Gesellschaft<br />

zu ihrem Recht kommen.<br />

22


v. Fremd(e) unter uns<br />

- e<strong>in</strong> Tagessem<strong>in</strong>ar (nicht nur) für Jugendliche -<br />

1. Atomspiel<br />

Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen bewegen sich e<strong>in</strong>zeln zu Musik durch den Raum.<br />

Die/<strong>der</strong> Spielleiter/<strong>in</strong> stellt nach e<strong>in</strong>iger Zeit die Musik aus <strong>und</strong> ruft z. B.<br />

"Atom 3", "Atom 5", "Atom 8" etc. Die Spieler/<strong>in</strong>nen müssen sich so schnell<br />

wie möglich zu 3er-, 5er-, 8er-Gruppen zusammenfmden; überzählige Spieler/<strong>in</strong>nen<br />

scheiden aus. Die verbliebenen Spieler/<strong>in</strong>nen beg<strong>in</strong>nen von neuem.<br />

Das Spiel endet, wenn von den restlichen drei Spieler/<strong>in</strong>nen zwei sich zu<br />

"Atom 2" verb<strong>und</strong>en haben. Diese beiden haben gewonnen.<br />

Nach 2-3 Spieldurchgängen wird das Spiel für das Sem<strong>in</strong>ar so abgewandelt,<br />

daß die/<strong>der</strong> Spielleiter/<strong>in</strong> die Spieler/<strong>in</strong>nen auffor<strong>der</strong>t, sich nach Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

zusammenzufmden, z. B. "alle, die e<strong>in</strong>e Jeans tragen", "die gerne Spaghetti<br />

essen", "die lieber im Ausland Urlaub machen" etc. Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

nehmen so wahr, daß es zwischen ihnen wechselnde Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

<strong>und</strong> Unterschiede gibt.<br />

2. Vorstellungsr<strong>und</strong>e<br />

Jede/r Teilnehmer/<strong>in</strong> soll e<strong>in</strong> Bild malen von "dem Land ihrer/se<strong>in</strong>er<br />

Träume" <strong>und</strong> sich mit diesem Bild vorstellen. Dabei wird deutlich, daß es<br />

sehr verschiedene Vorstellungen von e<strong>in</strong>em Traumland gibt. Das, was für<br />

den e<strong>in</strong>en "<strong>der</strong> Himmel auf Erden zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, kann für an<strong>der</strong>e sehr<br />

fremd se<strong>in</strong>.<br />

••<br />

3. Uberleitung zu dem "Interview mit Ruth"<br />

Menschen kommen aus an<strong>der</strong>en, fremden Län<strong>der</strong>n <strong>in</strong> unser Land. Sie wohnen<br />

jetzt hier <strong>und</strong> suchen bei uns e<strong>in</strong>e Heimat, wo sie sich wohlfühlen können.<br />

Aber sie haben es oft nicht leicht, sich e<strong>in</strong>zuleben. Vieles <strong>ist</strong> für sie<br />

fremd, <strong>und</strong> als Fremde stoßen sie auf Ablehnung <strong>und</strong> Ausgrenzung. Das <strong>ist</strong><br />

nicht erst heute so, davon erzählt auch schon die Bibel.<br />

23


In <strong>der</strong> Bibel gibt es e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Buch, das von e<strong>in</strong>er Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> erzählt, <strong>der</strong><br />

Moabiter<strong>in</strong> Ruth, die <strong>in</strong> Bethlehem <strong>in</strong> Judäa e<strong>in</strong>e neue Heimat f<strong>in</strong>det. Wir<br />

haben sie e<strong>in</strong>geladen, um von ihr zu erfahren, mit welchen Schwierigkeiten<br />

sie als Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>in</strong> Judäa konfrontiert war <strong>und</strong> was ihr geholfen hat, <strong>in</strong><br />

Bethlehem heimisch zu werden. Vielleicht können wir von ihr etwas lernen<br />

für unseren Umgang mit fremden Menschen bei uns.<br />

4. Interview mit Ruth<br />

Interviewer: Guten Tag, Ruth Wir freuen uns, daß du zu uns kommen konntest,<br />

um mit uns über de<strong>in</strong>e Erfahrungen zu reden, die du vor langer Zeit als ausländische<br />

Frau <strong>in</strong> Bethlehem <strong>in</strong> Judäa gemacht hast. Wie <strong>ist</strong> es eigentlich dazu gekommen, daß<br />

du de<strong>in</strong> Land verlassen hast?<br />

Ruth: Me<strong>in</strong>e Schwiegereltern waren mit ihren beiden Söhnen aus Bethlehem geflüchtet,<br />

weil <strong>in</strong> ihrem Heimatland e<strong>in</strong>e Hungersnot herrschte. Sie hatten <strong>in</strong> ihrer<br />

Heimat ke<strong>in</strong>e Chance zu überleben. Und so haben sie die schwierige Entscheidung<br />

getroffen, nach Moab zu gehen, obwohl sie damit rechnen mußten, daß sie dort als<br />

Auslän<strong>der</strong> nicht gerade willkommen s<strong>in</strong>d.<br />

Interviewer: Ich er<strong>in</strong>nere mich daran, daß die Moabiter schon damals den Israeliten<br />

den Durchzug durch ihr Land verweigert hatten, als die aus <strong>der</strong> Wüste kamen<br />

<strong>und</strong> nach Kanaan wollten.<br />

Ruth: Ja, <strong>in</strong> Moab herrschte große Angst, von den ungebetenen E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>gen<br />

überrollt, überfremdet zu werden. Während <strong>der</strong> Hungersnot <strong>in</strong> Juda mußten me<strong>in</strong>e<br />

Schwiegereltern damit rechnen, als Wirtschaftsflüchtl<strong>in</strong>ge aus Moab abgeschoben zu<br />

werden. Das <strong>ist</strong> aber zum Glück nicht passiert. Im Gegenteil, sie haben dort Wohnung<br />

<strong>und</strong> Arbeit gef<strong>und</strong>en. Und nachdem ihre beiden Söhne dort geheiratet haben ­<br />

auch me<strong>in</strong> Schwager hat e<strong>in</strong>e Frau aus Moab geheiratet -, haben sie auch kaum mehr<br />

daran gedacht, <strong>in</strong> ihre Heimat zurückzukehren.Aber dann s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb kurzer Zeit<br />

me<strong>in</strong> Schwiegervater, me<strong>in</strong> Schwager <strong>und</strong> me<strong>in</strong> Mann gestorben. Und neben unserer<br />

Trauer standen wir drei Frauen plötzlich auch völlig mittellos da.<br />

Interviewer: De<strong>in</strong>e Schwiegermutter Noomi wollte daraufh<strong>in</strong> zurück nach<br />

Bethlehem. Sie wollte dich <strong>und</strong> de<strong>in</strong>e Schwäger<strong>in</strong> Orpa zurückschicken zu euren<br />

Eltern. Orpa <strong>ist</strong> auch zurückgegangen. Was hat dich bewogen, mit de<strong>in</strong>er Schwiegermutter<br />

<strong>in</strong> das fur dich fremde Land zu gehen, wo du doch wissen mußtest, daß<br />

euch dort die nackte Not erwartet?<br />

24


Ruth: Unsere Eltern hätten Orpa <strong>und</strong> mich auch aufuehmen müssen, obwohl wir<br />

als Witwen damit rechnen mußten, von <strong>der</strong> eigenen Familie als unnütze Esser<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Unruhestifter<strong>in</strong>nen eben nur geduldet zu werden. Außerdem hätten wir dort<br />

eventuell noch e<strong>in</strong>mal die Möglichkeit gehabt, wie<strong>der</strong> zu heiraten. Noomi hatte noch<br />

nicht e<strong>in</strong>mal diese Möglichkeit <strong>in</strong> Moab. So mußte sie zurück nach Bethlehem, wo<br />

noch e<strong>in</strong>ige entfernte Verwandte von ihr lebten. Ich konnte sie e<strong>in</strong>fach nicht alle<strong>in</strong>lassen<br />

mit ihrer Trauer <strong>und</strong> Verbitterung, ohne zu wissen, was aus ihr wird, <strong>und</strong> ohne<br />

ihr helfen zu können. Ich hatte Noomi lieb gewonnen. Sie war fur mich eher e<strong>in</strong>e<br />

Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e Schwiegermutter. So war es fur mich selbstverständlich mit ihr zu<br />

gehen, obwohl sie es aus Sorge um mich nicht wollte.<br />

Interviewer: Was hat Noomi veranlaßt, dich trotzdem mitzunehmen?<br />

Ruth: E<strong>in</strong>e große Sorge konnte ich me<strong>in</strong>er Schwiegermutter dadurch nehmen, daß<br />

ich vor dem Grenzübertritt quasi zum Judentum übergetreten b<strong>in</strong>, so daß wir nicht<br />

auch noch wegen me<strong>in</strong>er Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er fremden Religion mit Schwierigkeiten<br />

rechnen mußten. Das bedeutete für mich aber auch, nicht nur alle Brücken zu<br />

me<strong>in</strong>er Heimat, son<strong>der</strong>n auch zu me<strong>in</strong>er Familie abzubrechen.<br />

Interviewer: Wovon haben Noomi <strong>und</strong> du denn <strong>in</strong> Bethlehem gelebt?<br />

Ruth: In Israel gibt es e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Recht fur Arme, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e fur Witwen,<br />

Waisen <strong>und</strong> Fremde. Sie dürfen Nachlese halten auf den abgeernteten Fel<strong>der</strong>n. Das,<br />

was an Ähren <strong>und</strong> Beeren liegen geblieben <strong>ist</strong>, dürfen sie fur sich sammeln. Das war<br />

das e<strong>in</strong>zige, was ich als Witwe <strong>und</strong> Fremde tun konnte, um uns zu versorgen. Ich b<strong>in</strong><br />

auf e<strong>in</strong> Feld gegangen <strong>und</strong> habe den Gerstenschnittern h<strong>in</strong>terher gelesen. Ich wußte,<br />

daß ich mich sehr anstrengen muß, damit wir uns von dieser Arbeit würden über<br />

Wasser halten können. Und ich hatte Angst, daß die Arbeiter mich belästigen würden<br />

o<strong>der</strong> ich von dem Feld verjagt würde.<br />

Interviewer: Bei uns erleben Fremde ähnliches. Wie oft müssen sie sich Sätze<br />

anhören wie "Was wollen die denn hier?" "Wollen wohl aufunsere Kosten leben! Die<br />

sollen doch bleiben, wo sie h<strong>in</strong>gehören!". Du hast aber auch e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e Erfahrung<br />

gemacht.<br />

Ruth: Ja, zufällig war ich auf das Feld e<strong>in</strong>es entfernten Verwandten gegangen, <strong>der</strong><br />

mich unter se<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Schutz gestellt hat <strong>und</strong> auch dafur gesorgt hat, daß ich<br />

weitaus mehr als das übliche zur Nachlese hatte. Von me<strong>in</strong>er Schwiegermutter erfuhr<br />

ich dann, daß er zu unseren "Lösern" gehörte. Nach israelitischem Recht <strong>ist</strong> das<br />

nach dem Tod e<strong>in</strong>es männlichen Angehörigen <strong>der</strong> nächste, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Vorkaufsrecht auf<br />

25


den Besitz des Verstorbenen hat <strong>und</strong> damit zugleich auch die Pflicht, die Witwe <strong>und</strong><br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> des Verstorbenen zu versorgen.<br />

Interviewer: Ich kann mir vorstellen, daß viele gern von dem Vorkaufsrecht<br />

Gebrauch gemacht hätten, aber vor <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Verpflichtung, die Angehörigen<br />

des Verstorbenen zu versorgen, zurückgescheut s<strong>in</strong>d. Wie hat Boas sich<br />

denn verhalten?<br />

Ruth: Er hat <strong>in</strong> dieser Richtung erst e<strong>in</strong>mal nichts unternommen. Aber Noomi<br />

hatte e<strong>in</strong>e Idee, wie wir ihn eventuell als Löser gew<strong>in</strong>nen können. Es war jedoch für<br />

mich gar nicht so e<strong>in</strong>fach, mich darauf e<strong>in</strong>zulassen. Noomi war aufgefallen, daß Boas<br />

mich gern hatte. Und so sollte ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht nach dem Dreschen zu ihm gehen,<br />

ohne daß er mich bemerkte. Das war <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Zeitpunkt, wo ich mich ihm unauffällig<br />

nähern konnte. Nachdem er e<strong>in</strong>geschlafen war, sollte ich mich zu ihm legen. Ich<br />

sollte mich ihm quasi als Frau anbieten, ihm so e<strong>in</strong>en Antrag machen.<br />

Interviewer: Hattest du nicht Angst, daß Boas dich für e<strong>in</strong> leicht zu habendes<br />

Mädchen hält o<strong>der</strong> daß er die Situation ausnützt, mit dir die Nacht verbr<strong>in</strong>gt, aber<br />

nicht daran denkt, für dich <strong>und</strong> Noomi die Verantwortung zu übernehmen <strong>und</strong> als<br />

Löser zu fungieren?<br />

Ruth: Mir war dabei ganz schön mulmig zumute. Aber es war ja me<strong>in</strong>e, unsere<br />

e<strong>in</strong>zige Chance. Und ich hatte Boas gem. Was glaubst du, welche Angst ich hatte, als<br />

Boas mir <strong>in</strong> dieser Nacht eröffnete, daß er uns zwar lösen wolle, daß es aber noch<br />

e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Verwandten gibt, <strong>der</strong> vor ihm die Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Lösers<br />

hatte. Wenn er davon Gebrauch gemacht hätte, hätte ich diesen Mann heiraten müssen.<br />

Interviewer: Aber <strong>der</strong> hat verzichtet?<br />

Ruth: Bei dem Gerichtsprozeß, den Boas am nächsten Tag <strong>in</strong> dieser Angelegenheit<br />

angestrengt hat, <strong>ist</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e erst e<strong>in</strong>mal darauf e<strong>in</strong>gegangen. Aber zum Glück hat<br />

Boas ihn so geschickt auf die damit verb<strong>und</strong>ene Verpflichtung h<strong>in</strong>gewiesen, daß er<br />

verzichtet hat. Der an<strong>der</strong>e Verwandte wollte dann doch nicht riskieren, daß die K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die er vielleicht mit mir, <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> hat, das Erbteil se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong> schmälem.<br />

Interviewer: Und so konnten Boas <strong>und</strong> du heiraten, <strong>und</strong> ihr habt e<strong>in</strong>en Sohn<br />

bekommen, Obed, den Großvater des großen Königs David, von dem auch Jesus<br />

abstammt. Im Stammbaum Jesu b<strong>ist</strong> du, die Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong> Ruth, ausdrücklich erwähnt.<br />

26


Ruth: Ja, für mich <strong>und</strong> Noomi hat sich alles zum Guten gewendet <strong>und</strong> mehr als<br />

das. Dafur s<strong>in</strong>d wir Gott sehr dankbar. Aber damit nicht vergessen wird, wie schwer<br />

es Menschen haben, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde leben müssen, <strong>ist</strong> dieses kle<strong>in</strong>e Buch über mich<br />

geschrieben worden, über die Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>, die durch Gottes w<strong>und</strong>ersame Führung<br />

zur Urgroßmutter des Königs David wurde. Ihr f<strong>in</strong>det heute dieses Buch auch <strong>in</strong><br />

eurer Bibel, <strong>und</strong> die Juden lesen es jedes Jahr zu e<strong>in</strong>em ihrer beson<strong>der</strong>en Feste vor,<br />

dem sogenannten Wochenfest, e<strong>in</strong>em Erntedankfest.<br />

. Interviewer verabschiedet Ruth.<br />

(Verfasser des Interviews: Sonja Stauer-Müller / Helmut Müller)<br />

5. Gespräch<br />

• Mit welchen Schwierigkeiten hat Ruth als Fremde zu kämpfen?<br />

• Was hilft ihr, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde heimisch zu werden?<br />

Die Ergebnisse werden je auf e<strong>in</strong>em Plakat gesichert, die Plakate zur weiteren<br />

Verwendung im Raum aufgehängt.<br />

Überlegen Sie, ob Sie Berichte von TImen bekannten Flüchtl<strong>in</strong>gen haben, die<br />

diesen Text untermauern.<br />

6. Familienspiel<br />

Nach e<strong>in</strong>er (Mittags-)Pause wird das Sem<strong>in</strong>ar mit dem "Familienspiel" fortgesetzt:<br />

Jede/r Teilnehmer/<strong>in</strong> erhält e<strong>in</strong> Kärtchen, aufdem verdeckt entwe<strong>der</strong> "Vater",<br />

"Mutter", "Sohn", "Tochter" steht <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Familienname, z. B. "Meier",<br />

"Geier", "Leier" o.ä. Wichtig <strong>ist</strong>, daß die Familiennamen ähnlich kl<strong>in</strong>gen. Die<br />

Teilneluner/<strong>in</strong>nen bewegen sich solange bei Musik durch den Raum <strong>und</strong><br />

tauschen so ihre Kärtchen aus, daß die Namen nicht gelesen werden können,<br />

bis die Musik verstummt. Jetzt lesen sie den Namen auf dem Kärtchen, das<br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand halten, <strong>und</strong> müssen durch Zuruf so schnell wie möglich ihre<br />

"Familie" zusarnmenfmden. Gewonnen hat die Familie, die als erste <strong>in</strong> folgen<strong>der</strong><br />

Reihenfolge auf e<strong>in</strong>em Stuhl sitzt: "Vater", "Mutter", "Sohn",<br />

"Tochter".<br />

27


Nach e<strong>in</strong>igen Spieldurchgängen bilden jeweils die "Väter", die "Mütter", die<br />

"Söhne" <strong>und</strong> die "Töchter" e<strong>in</strong>e Gruppe für das "Viertellandspiel".<br />

7. Das Viertellandspiel<br />

"Herzlich willkommen <strong>in</strong> Viertelland. Viertelland <strong>ist</strong> platt wie e<strong>in</strong> Pfannkuchen<br />

<strong>und</strong> r<strong>und</strong> dazu. Vier Viertel hat Viertelland. E<strong>in</strong> blaues Viertel, e<strong>in</strong> rotes<br />

Viertel, e<strong>in</strong> grünes Viertel <strong>und</strong> e<strong>in</strong> gelbes Viertel. Alle Viertel s<strong>in</strong>d natürlich<br />

durch Grenzen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> getrennt. Denn ke<strong>in</strong>er will mit e<strong>in</strong>em Bewohner<br />

e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Viertels etwas zu tun haben. In Rotland wohnen nur Rotlän<strong>der</strong>,<br />

<strong>in</strong> Grünland nur die Grünen, <strong>in</strong> Gelbland gelbe, Blauland hat nur blaue E<strong>in</strong>wohner.<br />

Wehe dem, <strong>der</strong> Kontakt zu e<strong>in</strong>em An<strong>der</strong>sfarbigen aufnimmt. Aber<br />

nicht nur die Bewohner e<strong>in</strong>es Landes haben e<strong>in</strong>e Farbe. Alles, was es zum<br />

Beispiel <strong>in</strong> Gelbland gibt, <strong>ist</strong> gelb. Die Autos s<strong>in</strong>d gelb, die Häuser, die Wiesen,<br />

die Flüsse, die Wäl<strong>der</strong>. In Rotland <strong>ist</strong> dagegen alles rot, nicht nur die<br />

Tomaten, ne<strong>in</strong> sogar die Sonne, die Telefone, die Eisenbahn, alle Blumen,<br />

die Bücher, ja sogar <strong>der</strong> Mond. In Blauland <strong>ist</strong> - wie könnte es an<strong>der</strong>s se<strong>in</strong> ­<br />

alles, aber auch alles blau, die Straßen <strong>und</strong> Wege, die Bananen, die Klei<strong>der</strong>,<br />

die Fahrrä<strong>der</strong>, die Tiere, selbst die Krankenhäuser. Und - ihr ahnt es schon ­<br />

<strong>in</strong> Grünland gibt es nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Farbe: Die Milch <strong>ist</strong> grün, die Sterne am<br />

Himmel, die Fernsehgeräte, die Betten, die Schuhe <strong>und</strong> auch die Wolken am<br />

Himmel. Ihr glaubt es nicht? Euch fehlt die richtige Brille."<br />

Mit diesen Worten beschreibt die/<strong>der</strong> Spielleiter/<strong>in</strong> Viertelland. Alle Personen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem Raum, <strong>der</strong> für das Spiel Viertelland hergerichtet <strong>ist</strong>, e<strong>in</strong>geteilt<br />

<strong>in</strong> vier Viertel, farbige Papierbän<strong>der</strong> auf dem Boden zeigen die Grenzen<br />

an. Materialien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Farbe des jeweiligen "Landes" wie Kreppapier, Kleber,<br />

Scheren, Transparentpapier liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte e<strong>in</strong>es Viertels. Nach <strong>der</strong> Begrüßung<br />

<strong>und</strong> E<strong>in</strong>leitung basteln sich die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen aus Transparentpapier<br />

<strong>und</strong> Pappe Brillen. Sie sehen tatsächlich alles rot, grün, gelb o<strong>der</strong><br />

blau.<br />

"Jedes Viertel hat nicht nur se<strong>in</strong>e eigene Farbe", erzählt die/<strong>der</strong> Spielleiter/<strong>in</strong><br />

weiter, "auch se<strong>in</strong>e eigenen Blumen, nur rote, die auch rot duften, <strong>und</strong> gelbe,<br />

usw."- Blumen wachsen <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Viertelfarbe. In Schulen lernen die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> nur Sprüche für ihr Viertel "Gelb <strong>ist</strong> gut!" - "Rot <strong>ist</strong> toll!" - "Blau <strong>ist</strong><br />

das Beste!" - "Nichts geht über grün!" Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen entwickeln<br />

28


eigene Sprüche, die ihr Viertel gegenüber den an<strong>der</strong>en hervorheben <strong>und</strong> die<br />

Abgrenzung gegenüber den an<strong>der</strong>en betont, e<strong>in</strong>e "Nationalhymne" kann gedichtet<br />

<strong>und</strong> komponiert werden, usw. Ke<strong>in</strong>e/r will mit <strong>der</strong>/dem an<strong>der</strong>en etwas<br />

zu tun haben, je<strong>der</strong> denkt nur an sich <strong>und</strong> dreht den an<strong>der</strong>en den Rücken zu.<br />

Übrigens - die K<strong>in</strong><strong>der</strong> kommen <strong>in</strong> Viertelland bunt zur Welt. Erst wenn die<br />

Eltern sie genügend mit ihren grünen o<strong>der</strong> gelben Händen streicheln <strong>und</strong> mit<br />

ihren Augen anschauen, werden sie e<strong>in</strong>farbig.<br />

Aufdem Höhepunkt <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abgrenzung erzählt <strong>der</strong><br />

Spielleiter weiter: "E<strong>in</strong>es Tages ereignet sich <strong>in</strong> Viertelland etwas Beson<strong>der</strong>es.<br />

E<strong>in</strong> Licht geht auf." E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Kerze wird <strong>in</strong> die Mitte von Viertelland<br />

gestellt. Alle Viertellän<strong>der</strong> schauen aufdas Licht, ihre Neugierde verführt sie<br />

dazu. Um das Licht besser sehen zu können, nehmen sie sogar ihre farbigen<br />

Brillen ab - die drücken übrigens fiirchterlich <strong>und</strong> machen Kopfschmerzen.<br />

Als alle <strong>in</strong> die Mitte schauen, entdecken die jungen Menschen es als erstes;<br />

Sie sehen nicht nur das Licht, auch die vielen an<strong>der</strong>en Menschen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Farben; denn wenn alle <strong>in</strong> die Mitte schauen, dann schaut man sich auch gegenseitig<br />

an, dann überw<strong>in</strong>det man Grenzen - wenigstens mit se<strong>in</strong>em Blick.<br />

Es geht tatsächlich allen e<strong>in</strong> Licht auf. E<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er ereignet sich <strong>in</strong> Viertelland.<br />

Die Menschen gehen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu, reichen sich die Hände <strong>und</strong> werden<br />

bunt. Die Spieler/<strong>in</strong>nen bekleben sich mit kle<strong>in</strong>en farbigen Markierungspunkten.<br />

Versöhnung kann gestaltet werden. Aus den bunten Papiergrenzen,<br />

die Viertelland trennen, wird e<strong>in</strong> Versöhnungsband geflochten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Regenbogen<br />

dargestellt, Papierblumen werden verschenkt etc. Dazu erkl<strong>in</strong>gt<br />

Musik aus <strong>der</strong> LP/CD "Graceland" von Paul Simon (e<strong>in</strong> Beispiel e<strong>in</strong>es multikulturellen<br />

Musikprojekts).<br />

••<br />

Didaktische Uberlegungen<br />

Das Spiel spricht das Thema Fremde unter uns nur <strong>in</strong>direkt an. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

werden Fragen <strong>und</strong> Probleme, die damit zusammenhängen, im Spiel erlebt:<br />

Abgrenzungen, Trennungen, Zusammenleben, Grenzen erleben, Grenzen<br />

überschreiten, Identität, Kulturen begegnen sich. In spielerischer Form können<br />

Erfahrungen gemacht werden, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Auswertungsgespräch nach<br />

dem Spiel <strong>in</strong> die konkrete Behandlung des Sem<strong>in</strong>arthemas e<strong>in</strong>gebracht werden<br />

können.<br />

29


(leicht verän<strong>der</strong>t aus: Weltmission '90 - Arbeitsheft für Schule <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>de,<br />

Die Stadt Gottes kennt ke<strong>in</strong>e Fremden, Hrsg. Evangelisches Missionswerk,<br />

Mittelweg 143, Hamburg)<br />

9. Gespräch über das Spiel unter <strong>der</strong> Fragestellung: "Was muß sich än<strong>der</strong>n,<br />

<strong>und</strong> was können wir dazu beitragen, damit Fremde unter uns e<strong>in</strong> Zuhause<br />

fmden können <strong>und</strong> e<strong>in</strong> friedliches Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> möglich wird?"<br />

10. Festliches Essen<br />

Das Sem<strong>in</strong>ar endet mit e<strong>in</strong>em festlichen Essen, das die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

geme<strong>in</strong>sam vorbereiten. (Zubereiten e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Gerichtes; es wäre<br />

schön, wenn die Blumen <strong>und</strong> eventuell auch an<strong>der</strong>e Elemente des<br />

"Viertellandspiels" als Tischschmuck verwendet werden können - dies sollte<br />

bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>und</strong> Durchfiihrung des Spiels beachtet werden; festliche<br />

Raum- <strong>und</strong> Tischgestaltung)<br />

Während des Essens sollte e<strong>in</strong>e "Feed-back-R<strong>und</strong>e" stattfmden.<br />

30


Thema 3<br />

"Ausgerechnet e<strong>in</strong>er von diesen Kanaken..."<br />

Bibelarbeit zu Lukas 10,25-37<br />

D Die Erzählung<br />

Da macht sich e<strong>in</strong> Mann auf den Weg: Er geht früh los, denn er hat 27 km<br />

vor sich. Da <strong>ist</strong> man schon gut fünf St<strong>und</strong>en unterwegs. Es geht zwar die<br />

ganze Zeit bergab, von Jerusalern nach Jericho, von 750m über dem Meeresspiegel<br />

auf250m unter dem Meeresspiegel, aber es <strong>ist</strong> trotzdem sehr anstrengend.<br />

Nicht nur, daß es immer heißer wird, je weiter <strong>der</strong> Tag voranschreitet<br />

<strong>und</strong> je tiefer er kommt; das Gelände <strong>ist</strong> zudem sehr unwegsam. Durch e<strong>in</strong>e<br />

tiefe, unübersichtliche Schlucht, durch unwirtliches Wüstengebiet steigt er<br />

h<strong>in</strong>ab. So manch e<strong>in</strong>er <strong>ist</strong> hier schon Räubern <strong>und</strong> Wegelagerern <strong>in</strong> die<br />

Hände gefallen. Viele haben das nicht überlebt. Da plötzlich spürt er e<strong>in</strong>en<br />

heftigen Schlag gegen den Kopf Ihm wird schwarz vor Augen, <strong>und</strong> er s<strong>in</strong>kt<br />

zu Boden.<br />

Als er wie<strong>der</strong> aufwacht, fmdet er sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fremden Bett, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zimmer,<br />

das er nie zuvor gesehen hat. Er spürt e<strong>in</strong>en stechenden Schmerz am<br />

Kopf. Jemand klopft an <strong>der</strong> Tür. E<strong>in</strong> Mann tritt here<strong>in</strong>, grüßt ihn fre<strong>und</strong>lich,<br />

stellt ihm etwas zu Essen h<strong>in</strong> <strong>und</strong> erk<strong>und</strong>igt sich nach se<strong>in</strong>em Befmden. "Mir<br />

tut alles weh, vor allem <strong>der</strong> Kopfl" Er faßt an den Ort des Schmerzes <strong>und</strong><br />

31


merkt erst jetzt, daß se<strong>in</strong> Kopfverb<strong>und</strong>en <strong>ist</strong>. "Wo b<strong>in</strong> ich hier? Was <strong>ist</strong> passiert?"<br />

"Du b<strong>ist</strong> überfallen <strong>und</strong> ausgeraubt worden, auf dem Weg von Jerusalem<br />

herunter. Und Du b<strong>ist</strong> jetzt seit e<strong>in</strong>em Tag hier <strong>in</strong> Jericho, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Palmenherberge!"<br />

Langsam er<strong>in</strong>nert sich <strong>der</strong> Beraubte. "Ja, ja, da war dieser<br />

Schlag; aber was danach passiert <strong>ist</strong>, davon weiß ich nichts mehr. Wie b<strong>in</strong> ich<br />

denn überhaupt hierher gekommen?" "E<strong>in</strong> Geschäftsmann aus Samarien hat<br />

Dich auf se<strong>in</strong>em Esel hierher gebracht. Er hat Dich verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> für De<strong>in</strong>e<br />

Unterkunft, De<strong>in</strong> Essen <strong>und</strong> De<strong>in</strong>e Pflege bezahlt, bis Du wie<strong>der</strong> ges<strong>und</strong><br />

b<strong>ist</strong>!"<br />

"Ausgerechnet e<strong>in</strong>er von diesen Kanaken aus <strong>der</strong> Gegend von Nablus, die eh<br />

immer nur Streit suchen, die nicht e<strong>in</strong>mal an die ganze Bibel glauben. Defät<strong>ist</strong>en,<br />

die zwar die Tora, die fünf Bücher Mose, respektieren, aber sich ansonsten<br />

nicht an die jüdische Geme<strong>in</strong>schaft anpassen können. Ausgerechnet so<br />

e<strong>in</strong>er hat mir das Leben gerettet <strong>und</strong> sogar auch noch für mich den Krankenaufenthalt<br />

<strong>und</strong> die Pflege bezahlt? Ich werde wohl noch e<strong>in</strong>mal über me<strong>in</strong>e<br />

Vorurteile Fremden <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>n gegenüber nachdenken müssen!"<br />

Jesus erzählt diese Beispielgeschichte e<strong>in</strong>em Gesetzeslehrer, <strong>der</strong> mit ihm<br />

diskutieren wollte. Er wollte Jesus zeigen, daß er theologisch ke<strong>in</strong>e Ahnung<br />

habe. Über alles Mögliche zu diskutieren, theologisch zu argumentieren <strong>und</strong><br />

mit Schriftstellen zu belegen, daß man im Recht sei, das war unter se<strong>in</strong>esgleichen<br />

üblich. Jesus wird hier gefragt, wie man das ewige Leben gew<strong>in</strong>nt.<br />

Er fuhrt den Fragenden selbst zur Antwort. Aufdie Frage, wen das Gebot <strong>der</strong><br />

Nächstenliebe denn me<strong>in</strong>t, wenn es vom Nächsten spricht, den man lieben<br />

soll wie sich selbst, antwortet Jesus mit diesem Beispiel. "E<strong>in</strong> Priester", sagt<br />

er, "war an dem Überfallenen vorbeigegangen, ohne ihm zu helfen. E<strong>in</strong> Levit,<br />

e<strong>in</strong> Küster <strong>und</strong> Kirchenmusiker also, kam vorbei <strong>und</strong> ließ ihn ebenfalls<br />

liegen."<br />

"Was me<strong>in</strong>st Du", läßt Lukas Jesus zum Schluß den Gesetzeslehrer fragen,<br />

"wer von diesen Dreien hat sich als <strong>der</strong> Nächste dessen erwiesen, <strong>der</strong> von den<br />

Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, <strong>der</strong> barmherzig<br />

an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh <strong>und</strong> handle genauso."<br />

32


D Blickwechsel<br />

Bei Lukas wird diese Geschichte durch Jesus selbst als e<strong>in</strong> Beispiel für<br />

Nächstenliebe erzählt. Hier <strong>ist</strong> diese Beispielgeschichte e<strong>in</strong>mal aus <strong>der</strong> Sicht<br />

des Überfallenen nacherzählt, also aus <strong>der</strong> Sicht von jemandem, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Geschichte selbst vorkommt. Man könnte sie auch e<strong>in</strong>mal aus <strong>der</strong> Sicht des<br />

Samariters bzw. Samaritaners erzählen o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Sicht des Wirtes <strong>der</strong><br />

Herberge.<br />

E<strong>in</strong>es wäre wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> allen Versionen gleich: das Erstaunen darüber,<br />

daß es ausgerechnet <strong>der</strong> Samaritaner, <strong>der</strong> Fremde mit dem fremden Glauben,<br />

<strong>ist</strong>, <strong>der</strong> den Überfallenen rettet <strong>und</strong> versorgt. Die eigenen Glaubensgenossen<br />

gehen vorüber. Diejenigen, die ihre eigene Geme<strong>in</strong>schaft vor denen abschotten<br />

wollen, die an<strong>der</strong>s s<strong>in</strong>d, kümmern sich nicht um ihren eigenen Mann.<br />

Überheblichkeit <strong>und</strong> Abweisen des Fremden führen nicht automatisch zur<br />

Solidarität <strong>und</strong> Hilfsbereitschaft bei se<strong>in</strong>esgleichen...<br />

D Autbau <strong>und</strong> Kernaussage<br />

Die Beispielerzählung <strong>ist</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Rahmengeschichte e<strong>in</strong>gebettet. Sie soll dazu<br />

dienen, e<strong>in</strong>e Frage zu beantworten, e<strong>in</strong>e Fangfrage, gestellt von e<strong>in</strong>em Gesetzeslehrer<br />

- von e<strong>in</strong>em Theologen, würden wir heute sagen. "Was muß ich<br />

tun, um das ewige Leben zu gew<strong>in</strong>nen?" Jesus beantwortet die Frage mit<br />

e<strong>in</strong>er Gegenfrage: "Was steht im Gesetz?" Der Gesetzeslehrer zitiert das<br />

Gebot <strong>der</strong> Gottes- <strong>und</strong> <strong>der</strong> Nächstenliebe. Jesus bestätigt ihn. Der Theologe<br />

rechtfertigt se<strong>in</strong>e Frage mit <strong>der</strong> Erweiterung: "Wer <strong>ist</strong> denn me<strong>in</strong> Nächster?"<br />

Daran nun schließt die Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter an.<br />

Die Rückfrage Jesu, wer denn <strong>in</strong> dieser Erzählung dem Überfallenen <strong>der</strong><br />

Nächste gewesen sei, beantwortet <strong>der</strong> Befragte mit <strong>der</strong> richtigen Schlußfolgerung:<br />

"Der, welcher Mitleid hatte <strong>und</strong> geholfen hat." Jesus beendet das Gespräch<br />

<strong>und</strong> führt es über die Ausgangsfrage h<strong>in</strong>aus: "Geh h<strong>in</strong> <strong>und</strong> mach es<br />

ebenso!"<br />

33


Die Geschichte dürfte zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>igen <strong>der</strong> Teilnehmenden vertraut se<strong>in</strong>.<br />

Das Zusammentragen aus <strong>der</strong> Er<strong>in</strong>nerung soll dazu beitragen, sich bewußtzumachen,<br />

welche Bil<strong>der</strong> die Erzählung transportiert.<br />

- Welche Personen kommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte vor?<br />

- Was charakterisiert die Personen?<br />

- Welche Er<strong>in</strong>nerungen, Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Vorstellungen ruft die Erzählung bei mir<br />

wach?<br />

=> 2. Schritt (Plenum): Die Erzähhmg bei Lukas<br />

Vorlesen <strong>der</strong> Geschichte / R<strong>und</strong>gespräch<br />

Was fallt mir auf, wenn ich die Geschichte höre <strong>und</strong> mit dem vergleiche, was<br />

wir im vorhergehenden Schritt aus <strong>der</strong> Er<strong>in</strong>nerung zusammengetragen haben?<br />

Wenn es das Gespräch nicht ohneh<strong>in</strong> ergibt, sollte anschließend die Erzählstruktur<br />

von Rahmengeschichte <strong>und</strong> Beispielerzählung geme<strong>in</strong>sam herausgearbeitet<br />

werden. Dazu sollte <strong>der</strong> Text allen möglichst schriftlich vorliegen.<br />

=> 3. Schritt (Plenum): Identifikation mit den handelnden Personen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Beispielenählung<br />

(Kle<strong>in</strong>gruppenaufteilung nach Identifikationsfiguren )<br />

Wir wollen uns im Folgenden die Geschichte e<strong>in</strong>mal aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven anschauen:<br />

- aus <strong>der</strong> Perspektive des Samariters<br />

- aus <strong>der</strong> Perspektive des Priesters<br />

- aus <strong>der</strong> Perspektive des Leviten<br />

- aus <strong>der</strong> Perspektive des Herbergswirtes<br />

- aus <strong>der</strong> Perspektive des Beraubten<br />

Mit welcher Perspektive möchte ich mich für e<strong>in</strong>e begrenzte Zeit e<strong>in</strong>mal<br />

beschäftigen?<br />

Gruppenaufteilung nach den gewählten Personen. Anschließend Kle<strong>in</strong>gruppenarbeit<br />

(s. 4. Schritt)<br />

35


=::) 4. Schritt (Kle<strong>in</strong>gruppen): Die Erzählung aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> beteiligten<br />

Personen<br />

Aufgaben <strong>und</strong> Fragestellungen für die Gruppenarbeit:<br />

I. Versuchen Sie sich e<strong>in</strong>mal vorzustellen, Sie wären die Person, um <strong>der</strong>en<br />

Perspektive es <strong>in</strong> Ihrer Gruppe geht.<br />

Stellen Sie sich vor, seit dem Ereignis im Tal zwischen Jerusalem <strong>und</strong> Jericho<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> halbes Jahr vergangen. Aus <strong>der</strong> Er<strong>in</strong>nerung tragen Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ich­<br />

Form zusammen, was Sie erlebt, gedacht <strong>und</strong> gefühlt haben. Auch wenn <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Beispielerzählung die jeweilige Figur nur e<strong>in</strong>mal vorkommt, werden Sie<br />

beim Reden aus <strong>der</strong> Identiftkation merken, daß es überhaupt nicht h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich<br />

<strong>ist</strong>, daß die an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>gruppe aus <strong>der</strong>selben Identifikation heraus<br />

reden. Sie werden merken, daß Sie sogar mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Gespräch kommen<br />

werden, obwohl Sie doch dieselbe Figur repräsentieren.<br />

Lassen Sie dieses Gespräch etwa 10 M<strong>in</strong>uten laufen.<br />

2. Anschließend Auswertung des Gespräches aus <strong>der</strong> Rollenidentifikation:<br />

Wie <strong>ist</strong> es mir ergangen? Was habe ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle gedacht, erfahren, gespürt?<br />

Was <strong>ist</strong> mir aus <strong>der</strong> Perspektive dieser Rolle an <strong>der</strong> Geschichte beson<strong>der</strong>s<br />

aufgefallen bzw. beson<strong>der</strong>s wichtig geworden?<br />

Punkte zur letzten Frage werden aufe<strong>in</strong>er Wandzeitung festgehalten.<br />

=::) S. Schritt (Plenum): Zusammentragen <strong>der</strong> Gruppenergebnisse<br />

Die Wandzeitungen werden im Plenumsraum aufgehängt <strong>und</strong>, nach e<strong>in</strong>er<br />

Lesepause für alle, jeweils von e<strong>in</strong>em Gruppenmitglied kurz erläutert.<br />

=::) 6. Schritt (Plenum ): Der Fremde als Nächster<br />

Auswertendes R<strong>und</strong>gespräch<br />

Welche unterschiedlichen <strong>und</strong> welche geme<strong>in</strong>samen Wahrnehmungen bzw.<br />

Erfahrungen gibt es aus den unterschiedlichen Perspektiven?<br />

Was bedeutet das für das geme<strong>in</strong>same Verständnis <strong>der</strong> Geschichte?<br />

36


:::) 7. Schritt (Plenum): Geh <strong>und</strong> handle auch so!<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Erzählung für uns heute<br />

Was bedeuten die Erfahrungen mit <strong>der</strong> Beispielerzählung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bibelarbeit<br />

für uns als Chr<strong>ist</strong>en heute?<br />

Wo liegen me<strong>in</strong>e Wi<strong>der</strong>stände, Schwierigkeiten <strong>und</strong> Probleme, wenn es mit<br />

<strong>der</strong> Nächstenliebe Fremden gegenüber konkret wird?<br />

Wo sehe ich real<strong>ist</strong>ische Anknüpfungspunkte für Handlungsperspektiven <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>flußbereich?<br />

37


Thema 4<br />

00<br />

Angste <strong>und</strong> Stereotype <strong>und</strong> wie man mit ihnen umgehen<br />

sollte<br />

In kaum e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Bereich gibt es so viele <strong>und</strong> dauerhafte Stereotype<br />

<strong>und</strong> Vorurteile wie gegenüber Fremden <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>n; <strong>und</strong> <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Bereich<br />

haben diese so katastrophale Auswirkungen <strong>und</strong> Folgen gezeigt. Sklaverei<br />

<strong>und</strong> Unterdrückung, Kriege <strong>und</strong> Völkermord haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte<br />

<strong>der</strong> Menschheit immer wie<strong>der</strong> ihre Wurzeln <strong>in</strong> Abwehr <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft gegenüber<br />

Fremden o<strong>der</strong> An<strong>der</strong>sartigen gehabt.<br />

Nicht selten hört man das Argument, daß es zwar richtig <strong>und</strong> vordr<strong>in</strong>glich<br />

sei, Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit zu bekämpfen, aber man müsse auch die Ängste<br />

<strong>der</strong> Menschen, geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d die <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n, gegenüber Auslän<strong>der</strong>n ernst<br />

nehmen. Damit Ängste nicht als versteckte o<strong>der</strong> offene Rechtfertigung von<br />

Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit dienen, müssen sie aus ihrer Rolle als diffuse Bedrohung<br />

befreit werden; dazu muß unterschieden werden zwischen den Gefiihlen<br />

bedroht zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> den tatsächliche Problemen, die zu lösen s<strong>in</strong>d.<br />

Warum gibt es Vorurteile?<br />

"Laßt mir me<strong>in</strong>e Vorurteile, verwirrt mich nicht mit Tatsachen!" Dieses<br />

Sprichwort veranschaulicht sehr schön, um was es geht, wenn man sich mit<br />

••<br />

Angsten, Stereotypen <strong>und</strong> Vorurteilen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen will. Vorurteile s<strong>in</strong>d<br />

38


- wie das Wort sagt - vorläufige Urteile, die eigentlich von e<strong>in</strong>em weiteren,<br />

besser f<strong>und</strong>ierten Urteil gefolgt werden müßten. Also sollte e<strong>in</strong>em ersten<br />

E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong> zweites Urteil folgen, das auf mehr, besseren <strong>und</strong> differenzierteren<br />

Tatsachen aufbaut - o<strong>der</strong> sogar auf das erste verzichtet werden. S<strong>in</strong>d<br />

aber nicht alle Urteile, auch e<strong>in</strong> zweites o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> drittes Urteil, selbst wie<strong>der</strong><br />

Vorurteile? Denn eigentlich kann man e<strong>in</strong>e Sache o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Person doch nie<br />

vollständig kennen <strong>und</strong> erfassen. Die Komplexität <strong>der</strong> Welt <strong>ist</strong> zweifellos<br />

immer größer als die Möglichkeiten unserer Erkenntnis.<br />

Das we<strong>ist</strong> auf den entscheidenden Punkt h<strong>in</strong>. Vorurteile entstehen, um angesichts<br />

<strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> E<strong>in</strong>drücke e<strong>in</strong>e vorläufige Ordnung im Denken<br />

herzustellen. Me<strong>ist</strong>ens geschieht das dadurch, daß man etwas Neues mit<br />

altem vergleicht <strong>und</strong> das Gehirn feststellt: ja, diese Sache kenne ich <strong>und</strong> kann<br />

sie zuordnen - o<strong>der</strong> auch nicht. Vorurteile halten sich deshalb so hartnäckig,<br />

weil sie e<strong>in</strong>e rasche <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fache Zuordnung für diesen ersten E<strong>in</strong>druck anbieten,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en Fall vielleicht e<strong>in</strong> zutreffendes Charakter<strong>ist</strong>ikum<br />

beschreibt, im an<strong>der</strong>en Fall das Gegenüber aus Unkenntnis völlig mißversteht.<br />

Vorurteile s<strong>in</strong>d deshalb riskant <strong>und</strong> tendenziell unwahr o<strong>der</strong> Halbwahrheiten.<br />

Doch um von e<strong>in</strong>em Vorurteil zu e<strong>in</strong>em Urteil - o<strong>der</strong> sagen wir besser, zu<br />

e<strong>in</strong>em geklärten Vorurteil, dem weitere folgen sollten - zu kommen, <strong>ist</strong> nicht<br />

nur notwendig, daß man (I) Tatsachen - also möglichst viele E<strong>in</strong>zelheiten des<br />

Individuums - wahrnimmt, son<strong>der</strong>n auch (2) die Bereitschaft <strong>und</strong> Flexibilität<br />

da <strong>ist</strong>, für diese weiteren Informationen offen zu se<strong>in</strong>. (3) Dies setzt dann<br />

drittens voraus, daß die Fähigkeit zu differenzierterer Wahrnehmung <strong>und</strong><br />

differenziertem Denken vorhanden <strong>ist</strong> o<strong>der</strong> sich ausbildet.<br />

Vorurteile s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>fachungen des Beobachters<br />

Vorurteile s<strong>in</strong>d also Vere<strong>in</strong>fachung. Stereotype s<strong>in</strong>d gewissermaßen <strong>der</strong><br />

"Stoff', aus dem solche Vere<strong>in</strong>fachungen gebildet werden. Es s<strong>in</strong>d Sprachbil<strong>der</strong>,<br />

zu denen Erste<strong>in</strong>drücke o<strong>der</strong> markante Merkmale beispielsweise von<br />

Fremdgruppen <strong>und</strong> M<strong>in</strong>oritäten geronnen s<strong>in</strong>d. Diese DefInition macht schon<br />

deutlich, daß das Problem von Vorurteilen <strong>und</strong> Stereotypen zunächst e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> beobachtenden Person selbst liegt. Ihre Möglichkeit <strong>der</strong> Verarbeitung<br />

39


von E<strong>in</strong>drücken bed<strong>in</strong>gen die Stereotype. Ob diese überhaupt das Gegenüber<br />

zutreffend beschreiben, <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e davon zu trennende Frage.<br />

Denn nicht die Realität des Gegenübers <strong>ist</strong> alle<strong>in</strong> maßgeblich; <strong>der</strong> Blickw<strong>in</strong>kel<br />

des Betrachters <strong>ist</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel viel bestimmen<strong>der</strong> als man das wahrhaben<br />

möchte. So wird e<strong>in</strong>e fremde Kultur zum Beispiel bei e<strong>in</strong>er Reise immer<br />

zuerst danach wahrgenommen, wo sie sich von <strong>der</strong> eigenen unterscheidet.<br />

Welche an<strong>der</strong>en Kategorien sollte <strong>der</strong> Reisende denn auch zur Verfiigung<br />

haben? Es gibt Beispiele, <strong>in</strong> denen solche <strong>in</strong>terkulturellen Mißverständnisses<br />

zu tragischen <strong>und</strong> verhängnisvollen Irrtümern fuhrten.<br />

Dazu wird die eigene Lebenswelt immer viel differenzierter wahrgenommen<br />

als die an<strong>der</strong>er. Das o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fremde soll oft bewußt schemenhaft, holzschnittartig<br />

<strong>und</strong> mit dunklen, unbekannten Ecken bleiben. Auch wenn<br />

manchmal erste E<strong>in</strong>drücke Richtiges <strong>und</strong> Zutreffendes vermitteln, sie bleiben<br />

dennoch die E<strong>in</strong>drücke des Betrachters.<br />

Stereotype <strong>und</strong> Gerühle<br />

E<strong>in</strong>fache, übertriebene <strong>und</strong> starre Verallgeme<strong>in</strong>erungen s<strong>in</strong>d oft <strong>der</strong> Ausdruck<br />

davon, daß jemand zu träge o<strong>der</strong> nachlässig <strong>ist</strong>, genauer h<strong>in</strong>zusehen<br />

<strong>und</strong> das Fremde <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er oft auch nachvollziehbaren An<strong>der</strong>sartigkeit zu verstehen.<br />

Solche stereotypen Verallgeme<strong>in</strong>erungen, die me<strong>ist</strong> mit abschätzigen<br />

<strong>und</strong> negativen Wertungen Hand <strong>in</strong> Hand gehen, s<strong>in</strong>d häufig bei Menschen zu<br />

f<strong>in</strong>den, die e<strong>in</strong> großes Bedürfnis nach Orientierung <strong>und</strong> Sicherheit haben ­<br />

beispielsweise aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es zu ger<strong>in</strong>gen Selbstwertgefuhls. Vorurteile haben<br />

dann die Funktion, Angst <strong>und</strong> Unsicherheit abzuwehren <strong>und</strong> diese dem<br />

Gegenüber zuzurechnen.<br />

Psychoanalytiker stellen oft e<strong>in</strong>en Zusammenhang zu den Erfahrungen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong>dheit her. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das anstelle von Verständnis <strong>und</strong> Zuwendung Abwehr<br />

<strong>und</strong> Willkür erfahren hat, neigt eher dazu, Ängste, Triebe <strong>und</strong> unerfiillte<br />

Bedürfnisse auf an<strong>der</strong>e zu projizieren. Denn diese E<strong>in</strong>engungen <strong>und</strong> emotionalen<br />

Vere<strong>in</strong>samungen lösen Frustrationen aus, Frustrationen lösen Aggressionen<br />

aus <strong>und</strong> Aggressionen werden häufig gegen an<strong>der</strong>e, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Schwächere, gerichtet. Deswegen verb<strong>in</strong>det sich oft mit solchen k<strong>in</strong>dlichen<br />

40


•<br />

Erlebnissen vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendzeit Kraftmeierei, Überlegenheitsgefuhle<br />

<strong>und</strong> Lust zu Gewalt <strong>und</strong> Machtausübung.<br />

Obwohl diese psychische Disposition noch nicht unbed<strong>in</strong>gt vorgibt, welchem<br />

Stereotyp jemand folgt, <strong>ist</strong> doch oft e<strong>in</strong> Schwarz-Weiß-Denken das Gr<strong>und</strong>muster:<br />

Wir s<strong>in</strong>d die Guten, die an<strong>der</strong>en "liegen falsch" <strong>und</strong> müssen bekämpft<br />

werden; unsere Kultur <strong>ist</strong> die bessere <strong>und</strong> höherwertigere.<br />

""<br />

Wie kann man mit Angsten <strong>und</strong> Stereotypen umgehen?<br />

Aus dem Gesagten lassen sich e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise ableiten:<br />

=> Persönliche Begegnungen weichen Klischees auf.<br />

Begegnungen mit e<strong>in</strong>zelnen Menschen an<strong>der</strong>er Herkunft lassen <strong>der</strong>en Individualität,<br />

ihre Fähigkeiten <strong>und</strong> ihre Persönlichkeit <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> treten.<br />

Man wird dabei erleben, daß das Stereotyp, das man möglicherweise von<br />

diesen Menschen hatte, gar nicht bestimmend <strong>ist</strong>, son<strong>der</strong>n höchstens e<strong>in</strong><br />

Aspekt unter vielen. Wir würden ja auch als <strong>Deutsche</strong> nicht mit alle <strong>Deutsche</strong>n<br />

Fre<strong>und</strong>schaft schließen; viele s<strong>in</strong>d uns auch von ihren Gewohnheiten,<br />

Vorlieben, Auffassungen <strong>und</strong> Traditionen her fremd. Begegnungen alle<strong>in</strong>e<br />

können aber auch ohne jeden Lerneffekt bleiben; es müssen Interesse <strong>und</strong><br />

Bereitschaft für die an<strong>der</strong>en h<strong>in</strong>zukommen.<br />

=> Nachfragen <strong>und</strong> Details zu kennen <strong>ist</strong> wichtig.<br />

Mehr Informationen <strong>und</strong> differenziertes Nachfragen <strong>und</strong> Nachdenken <strong>ist</strong> die<br />

gr<strong>und</strong>legende Übung, um Vorurteile <strong>und</strong> Stereotype zu überw<strong>in</strong>den. Wer<br />

Interesse <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legende Offenheit für an<strong>der</strong>en Menschen <strong>und</strong> Kulturen<br />

fmdet, wird e<strong>in</strong>e gute Balance zwischen Selbstd<strong>ist</strong>anz <strong>und</strong> Selbstbewußtse<strong>in</strong><br />

fmden. Journal<strong>ist</strong>en lernen, daß man für e<strong>in</strong>e Nachricht o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Kommentar gut recherchieren <strong>und</strong> alle möglichen Informationen zusammentragen<br />

muß. Auch für Nicht-Journal<strong>ist</strong>en s<strong>in</strong>d solche Spielregeln nützlich. In<br />

unserer Kommunikationsgesellschaft <strong>ist</strong> die Beschaffung von Informationen<br />

leichter zu realisieren als je zuvor.<br />

41


=> Offenheit kann man lernen.<br />

Es gibt viele Menschen, die wollen Klischees, die sie sich e<strong>in</strong>mal erstellt<br />

haben, nicht aufgeben o<strong>der</strong> sie wollen es, fmden dafiir aber immer neue Argumente,<br />

weil unbewußte Ängste <strong>und</strong> Projektionen sie bee<strong>in</strong>flussen. Wichtig<br />

<strong>ist</strong> es, Offenheit schrittweise zu üben. Sich <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzen, immer<br />

wie<strong>der</strong> nachfragen, ob man den an<strong>der</strong>en so verstanden hat, wie er es sagen<br />

wollte - all dies hilft, die eigenen unbewußten Projektionen zu erkennen <strong>und</strong><br />

zu kontrollieren. Manchmal s<strong>in</strong>d auch "fruchtbare Verunsicherungen" notwendig,<br />

um festgefahrene Vorurteile aufzubrechen.<br />

••<br />

=> Angste kann man verstehen <strong>und</strong> überw<strong>in</strong>den.<br />

Wer Ängste verdrängen will, verstärkt sie. Ängste lassen sich überw<strong>in</strong>den,<br />

wenn man sie ausspricht, aber dann auch bearbeitet. Es wird sich dann herausstellen,<br />

daß viele Ängste Projektionen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Köpfen <strong>der</strong> Menschen,<br />

nicht aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität ex<strong>ist</strong>ieren. Da wo sie aber auf Realitäten<br />

fußen, <strong>ist</strong> es wichtig, konkrete Schritte zur Verän<strong>der</strong>ung geme<strong>in</strong>sam zu diskutieren<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> Angriffzu nehmen.<br />

=> Positive Gr<strong>und</strong>erfahrungen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />

Voraussetzung.<br />

Manche Ängste <strong>und</strong> Stereotype lassen sich nicht mit e<strong>in</strong> paar didaktischen<br />

Handgriffen s<strong>in</strong>nvoll bearbeiten, wenn die Erfahrungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> Jugend<br />

dazu ke<strong>in</strong>e positiven Spielräume <strong>und</strong> Anknüpfungspunkte bieten. Da<br />

helfen nur langfr<strong>ist</strong>ige Strategien <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Eltern,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Schule <strong>und</strong> Kirchengeme<strong>in</strong>de.<br />

o Didaktische Anregung<br />

I. ... <strong>und</strong> das soU aUes stimmen?<br />

Die Teilnehmenden erhalten e<strong>in</strong> Arbeitsblatt mit den Sprechblasen, die unter<br />

V. abgebildet s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t, diese möglichst real<strong>ist</strong>isch aus-<br />

42


zurollen. Im Anschluß daran bilden sie 3er-Gruppen <strong>und</strong> tauschen sich über<br />

folgende Fragen aus:<br />

1. Was stimmt me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach an diesen Sätzen?<br />

2. Was stimmt nicht?<br />

3. Woran liegt es, daß manche Menschen Fehle<strong>in</strong>schätzungen von mir haben?<br />

D. Im Plenum werden die Ergebnisse zusammengetragen <strong>und</strong> auf e<strong>in</strong>er<br />

Wandzeitung festgehalten.<br />

m. Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g<br />

For<strong>der</strong>n Sie die Teilnehmenden auf, möglichst spontan ihre E<strong>in</strong>fälle zu folgenden<br />

Begriffen <strong>in</strong> den Raum zu rufen:<br />

• Fremde<br />

• Auslän<strong>der</strong><br />

• Türken<br />

• <strong>Deutsche</strong><br />

• Afrikaner<br />

Diese E<strong>in</strong>fälle werden wie<strong>der</strong>um aufe<strong>in</strong>er Wandzeitung festgehalten.<br />

IV. Kle<strong>in</strong>gruppenarbeit<br />

Bilden Sie Kle<strong>in</strong>gruppen von ca. vier Personen <strong>und</strong> geben Sie ihrjeweils e<strong>in</strong>e<br />

Wandzeitung mit dem Ergebnis des Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>gs mit. Diese Kle<strong>in</strong>gruppen<br />

sollen die Wandzeitung nach den gleichen Fragen wie unter I. auswerten.<br />

v. Auswertung im Plenum<br />

Im Plenum erfolgt die Gesamtauswertung bezüglich <strong>der</strong> Ergebnisse von I.<br />

<strong>und</strong> IV..<br />

Schreiben Sie <strong>in</strong> die Sprechblasen jeweils e<strong>in</strong>en Satz, den die genannte Person<br />

typischerweise über Sie sagen würde. Versuchen Sie möglichst spontan<br />

diese Sätze zu f<strong>in</strong>den.<br />

43


Me<strong>in</strong> Vater o<strong>der</strong> me<strong>in</strong>e Mutter über mich:<br />

Me<strong>in</strong> Chef(me<strong>in</strong> Lehrer) über mich:<br />

Ich über mich:<br />

44<br />

Me<strong>in</strong> ärgster Gegner<br />

über mich:<br />

Me<strong>in</strong>e beste Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>/me<strong>in</strong><br />

bester Fre<strong>und</strong> über mich:<br />

Me<strong>in</strong>e Großmutter über mich:


- Überlegen Sie, <strong>in</strong> welcher Weise Sie dieses Vorhaben <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>deveranstaltungen,<br />

Geme<strong>in</strong>degruppen o<strong>der</strong> über Geme<strong>in</strong>debriefe bekanntmachen<br />

möchten!<br />

- Überlegen Sie, welcher <strong>der</strong> unten genannten Aspekte (eigene Biographie,<br />

Familie <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreis, Pfarrgeme<strong>in</strong>de o<strong>der</strong> Wohnumfeld) für ihre Situation<br />

den geeigneten E<strong>in</strong>stieg bietet!<br />

o"In <strong>der</strong> Kirche kann es ke<strong>in</strong>e 'Auslän<strong>der</strong>' geben"<br />

E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> das Geme<strong>in</strong>same Wort<br />

In dem Geme<strong>in</strong>samen Wort fmden sich unter Ziffer (210.) <strong>und</strong> folgenden<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von Aussagen zu den geme<strong>in</strong>dlichen <strong>und</strong> kirchlichen Aufgaben.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Kernaussagen <strong>ist</strong> zweifellos Ziffer (214.), wo es heißt: " Solidarität<br />

beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er <strong>in</strong> das Leben <strong>der</strong> Kirche <strong>und</strong><br />

ihrer Gremien. In <strong>der</strong> Kirche kann es ke<strong>in</strong>e 'Auslän<strong>der</strong>' geben, denn alle<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Chr<strong>ist</strong>us. " Von diesem Gr<strong>und</strong>gedanken her werden Schlußfolgerungen<br />

<strong>und</strong> Konsequenzen entfaltet:<br />

• Die Tatsachen vonFlucht <strong>und</strong> Migration s<strong>in</strong>d für die Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

sich für gerechte <strong>und</strong> menschenwürdige Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. (218.fl)<br />

• Die Zusammenarbeit mit Kirche <strong>und</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Geme<strong>in</strong>den aus an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Kulturen, die <strong>in</strong> Deutschland leben, sollte verstärkt wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong> selbstverständlicher Teil <strong>der</strong> ökumenischen Zusammenarbeit<br />

werden. (223.fl)<br />

• Der Dialog mit Menschen an<strong>der</strong>er Kultur <strong>und</strong> Religionen sollte als zunehmend<br />

wichtigere Aufgabe begriffen werden. (229.fl)<br />

• Die chr<strong>ist</strong>lichen Geme<strong>in</strong>den sollten e<strong>in</strong>en Beitrag gegen Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

<strong>und</strong> Rassismus le<strong>ist</strong>en. (21O.ff<strong>und</strong> 244.fl)<br />

• Ermutigende Beispiele sollten geför<strong>der</strong>t <strong>und</strong> bekanntgemacht werden.<br />

(248.fl)<br />

• Wo notwendig <strong>und</strong> möglich, sollte bedrohten Menschen Rat, Schutz <strong>und</strong><br />

Hilfe angeboten werden. (255.fl)


=> Praktische Anregungen<br />

- Kopieren Sie e<strong>in</strong>ige Sätze o<strong>der</strong> Kernaussagen aus den hier genannten Ziffern<br />

des Geme<strong>in</strong>samen Wortes auf e<strong>in</strong> separates Papier, Folie o<strong>der</strong> Plakat.<br />

Nutzen Sie dies als Gesprächse<strong>in</strong>stieg über die Situation Ihrer Geme<strong>in</strong>de, die<br />

bereits bestehenden Aktivitäten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e kritische Selbstanalyse bzw. Zwischenbilanzl<br />

- Wo fmden sich <strong>in</strong> Ihrer Geme<strong>in</strong>de o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Ihrem Wohnumfeld bereits Beispiele<br />

o<strong>der</strong> Erfahrungen mit den genannten Aussagen des Geme<strong>in</strong>samen<br />

Wortes?<br />

- Bitten Sie e<strong>in</strong>e Gruppe, e<strong>in</strong>e L<strong>ist</strong>e mit funf wichtigen Leitsätzen zu erstellen<br />

o<strong>der</strong> - alternativ - e<strong>in</strong>e L<strong>ist</strong>e mit den fünf wichtigsten Schritten für die nächsten<br />

Monate!<br />

o Fremdheitserfahrungen <strong>und</strong> Lebenslauf<br />

Das Verständnis für Menschen an<strong>der</strong>er Herkunft <strong>und</strong> ihre Gefiihle <strong>und</strong> Ängste<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em für sie fremden Umfeld wächst, wenn man sich selbst se<strong>in</strong>e<br />

eigenen Erfahrungen von Fremdheit bewußt gemacht hat. Erfahrungen von<br />

Fremdheit können sowohl angstauslösend <strong>und</strong> irritierend als auch<br />

verlockend, exotisch, <strong>in</strong>teressant <strong>und</strong> bereichernd se<strong>in</strong>.<br />

Ziel e<strong>in</strong>er Beschäftigung damit sollte se<strong>in</strong>, die eigenen Fremdheitserfahrungen<br />

besser zu verstehen <strong>und</strong> offener zu werden für die Fremdheitserfahrung<br />

von Menschen, die nach Deutschland kommen <strong>und</strong> hier mit uns leben.<br />

=> Praktische Anregungen<br />

- In e<strong>in</strong>er Gruppe wird e<strong>in</strong> sogenanntes .Fremdheitsbarometer'' erstellt! Auf<br />

e<strong>in</strong>em Plakat, e<strong>in</strong>er Folie o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Tafel wird auf e<strong>in</strong>er waagerechten L<strong>in</strong>ie<br />

das Lebensalter (von <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit bis zur Gegenwart) markiert, auf e<strong>in</strong>er<br />

horizontalen L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Abstufung von + 5 bis - 5 für den Grad <strong>der</strong> empf<strong>und</strong>enen<br />

Fremdheitserfahrungen.<br />

47


+5<br />

+4<br />

+3<br />

+2<br />

+1<br />

I


Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Verwandte, die Deutschland als Auswan<strong>der</strong>er verlassen haben<br />

o<strong>der</strong> zeitweilig im Ausland lebten.<br />

Mobilität <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>legenden Merkmale e<strong>in</strong>er globalisierten Weltgesellschaft.<br />

Auslandserfahrungen <strong>und</strong> die Kenntnis an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Kulturen können<br />

Wissen vermitteln, den Horizont erweitern <strong>und</strong> Fähigkeiten <strong>und</strong> Verständnis<br />

för<strong>der</strong>n. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Berufen von hohem Wert <strong>und</strong> sehr geschätzt. Gerade<br />

für Jugendliche bilden sie die Basis für wichtige Berufs- <strong>und</strong> Lebenserfahrungen.<br />

Ziel <strong>der</strong> Recherchen sollte es se<strong>in</strong>, das Wissen <strong>und</strong> das Gespür dafiir zu<br />

schärfen, <strong>in</strong> welchem Maße sehr viele Menschen heute von erzwungener o<strong>der</strong><br />

freiwilliger Mobilität <strong>und</strong> Ortswechseln betroffen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> dies bewußt gewählt<br />

haben. Der Versuch, den Ursachen auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen, fuhrt sehr<br />

oft über persönliche Motive auf politische <strong>und</strong> wirtschaftliche Zusammenhänge.<br />

=) Praktische Anregungen<br />

- Erstellen Sie e<strong>in</strong>e L<strong>ist</strong>e mit den Geburtsorten von Verwandten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en!<br />

Welche Gefiihle <strong>und</strong> welche Bil<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>den sich mit diesen Orten?<br />

Haben Sie diese Orte jemals gesehen?<br />

- Welche persönlichen Motive waren für die Ortsverän<strong>der</strong>ungen ausschlaggebend?<br />

- Haben politische o<strong>der</strong> wirtschaftliche Faktoren e<strong>in</strong>e Rolle gespielt?<br />

- Wie wichtig s<strong>in</strong>d für Sie persönliche Erfahrungen im Ausland?<br />

o E<strong>in</strong>e Selbstanalyse für die Geme<strong>in</strong>de<br />

Die Situation <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Kirchen- <strong>und</strong> Pfarrgeme<strong>in</strong>den im H<strong>in</strong>blick auf<br />

Menschen an<strong>der</strong>er Herkunft <strong>ist</strong> äußerst unterschiedlich. In e<strong>in</strong>igen städtischen<br />

Bereichen gibt es Geme<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> sehr hoher Auslän<strong>der</strong>anteil<br />

wohnt. Dies br<strong>in</strong>gt manchmal beson<strong>der</strong>e Probleme mit sich. In an<strong>der</strong>en Regionen,<br />

vor allem <strong>in</strong> manchen ländlichen Gebieten <strong>und</strong> im östlichen Teil<br />

Deutschlands, <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>anteil eher ger<strong>in</strong>g. Der zahlenmäßige Anteil<br />

49


sagt nichts aus über teilweise gute Zusammenarbeit auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite o<strong>der</strong><br />

das Ausmaß an Spannungen <strong>und</strong> Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit auf<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.<br />

In vielen Geme<strong>in</strong>den gibt es jahrelange Traditionen <strong>und</strong> Erfahrungen <strong>in</strong><br />

diesem Arbeitsfeld. Es bestehen Geme<strong>in</strong>de- <strong>und</strong> Initiativgruppen; <strong>in</strong>tensive<br />

Zusammenarbeit mit Caritas <strong>und</strong> Diakonie, Auslän<strong>der</strong>verbänden, Kommunalpolitikern,<br />

Schulen usw. gehören zur Selbstverständlichkeit. An<strong>der</strong>e Ge-<br />

.<br />

me<strong>in</strong>den tun sich aus unterschiedlichen Gründen schwer o<strong>der</strong> haben sich aus<br />

dieser Arbeit zurückgezogen. An<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong>um werden <strong>in</strong> aktuellen Notsituationen<br />

tätig, wo ihre Hilfe gefragt wird.<br />

Deswegen läßt sich nur vor Ort entscheiden, welcher Impuls notwendig <strong>ist</strong><br />

<strong>und</strong> wie e<strong>in</strong>e Selbstanalyse aussehen sollte:<br />

• aktivierende Befragung, um das Thema <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de anzusprechen<br />

• Selbstanalyse mit e<strong>in</strong>er ausgearbeiteten Checkl<strong>ist</strong>e für den Geme<strong>in</strong>devorstand<br />

o<strong>der</strong> Pfarrgeme<strong>in</strong><strong>der</strong>at<br />

• Planungen für den Umgang mit fremdenfe<strong>in</strong>dlichen o<strong>der</strong> rass<strong>ist</strong>ischen<br />

Äußerungen im Bereich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

• Checkl<strong>ist</strong>e für e<strong>in</strong>e Zwischenbilanz o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Zwischenauswertung<br />

• Überprüfung <strong>der</strong> Ziele, die von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de rea1<strong>ist</strong>ischerweise gele<strong>ist</strong>et<br />

werden können<br />

=> Praktische Anregungen<br />

- 1st <strong>in</strong> Ihrer Geme<strong>in</strong>de bekannt, wieviele Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong> aus welchen Nationen<br />

zur Geme<strong>in</strong>de gehören? Versuchen Sie, e<strong>in</strong>e Landkarte zu erstellen<br />

<strong>und</strong> auszuhängen, die diese nationale Vielfalt vor Ort sichtbar <strong>und</strong> anschaulich<br />

macht!<br />

- Laden Sie bewußt Chr<strong>ist</strong>en an<strong>der</strong>er Herkunft, die <strong>in</strong> ihrer Geme<strong>in</strong>de wohnen,<br />

zu bestimmten Anlässen e<strong>in</strong>! Geben Sie ihnen die Möglichkeit, sowohl<br />

von ihrer Herkunft als auch von ihren Erfahrungen zu berichten!<br />

50


- Welche Partnerbeziehungen bestehen zu an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n? Welche Erfahrungen<br />

wurden damit gemacht? Wie haben diese das Geme<strong>in</strong>deleben verän<strong>der</strong>t<br />

<strong>und</strong> geprägt?<br />

Namen erzählen viel- aber nicht alles<br />

Der Pfarrer e<strong>in</strong>er ungarischen Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Deutschland schaut ab <strong>und</strong> zu <strong>in</strong><br />

Telephonbüchern nach ungarischen Namen, um auf diesem Wege Personen<br />

anzuschreiben <strong>und</strong> auf die Angebote se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de aufmerksam zu machen.<br />

Auf e<strong>in</strong>en solchen Brief, <strong>in</strong> ungarisch gehalten <strong>und</strong> an e<strong>in</strong>e Frau mit<br />

e<strong>in</strong>em typisch ungarischen Namen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Nachbarstadt geschickt, kam e<strong>in</strong><br />

Anruf von eben dieser Frau. Sie habe zwar e<strong>in</strong>en ungarischen Namen, könne<br />

aber überhaupt ke<strong>in</strong> Ungarisch. Ihr Mann sei zwar ungarischer Abstammung<br />

gewesen, aber schon seit e<strong>in</strong>iger Zeit verstorben. Sie könne ihm, dem Pfarrer,<br />

aber e<strong>in</strong>en nützlichen H<strong>in</strong>weis geben: Ihre Nachbar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Frau Meier, sei<br />

Ungar<strong>in</strong> <strong>und</strong> spreche auch immer noch sehr gut ungarisch. Frau Meier <strong>ist</strong><br />

heute Mitglied <strong>der</strong> ungarischen-evangelischen Geme<strong>in</strong>de.<br />

o Das Wohnumfeld<br />

Die Kirchengeme<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> gesamten kommunalen Geme<strong>in</strong>de<br />

o<strong>der</strong> des Stadtteils, <strong>in</strong> dem das Zusammenleben <strong>der</strong> dort wohnenden<br />

Menschen stattfmdet. Sie können aber e<strong>in</strong>e wichtige Funktion wahrnehmen,<br />

gerade wenn es um Fragen des sozialen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s, <strong>der</strong> Konfliktbewältigung<br />

<strong>und</strong> um ex<strong>ist</strong>entielle <strong>und</strong> politische Probleme geht.<br />

Die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Kirchengeme<strong>in</strong>den mit Gruppen <strong>und</strong> Verbänden<br />

von Migranten, aber auch mit schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Angeboten,<br />

mit an<strong>der</strong>en Verbänden <strong>und</strong> Initiativen, mit Verwaltung <strong>und</strong> politischen<br />

Gremien <strong>ist</strong> von großer Bedeutung für die Integration von Menschen an<strong>der</strong>er<br />

Herkunft <strong>und</strong> e<strong>in</strong> konstruktives Zusammenleben von Mehrheiten <strong>und</strong><br />

(ethnischen) M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten.<br />

51


=> Praktische Anregungen<br />

- Welche Rolle spielt die Kirchen- bzw. Pfarrgeme<strong>in</strong>de im Stadtteil, im Ort<br />

o<strong>der</strong> Region im H<strong>in</strong>blick auf die Zusammenarbeit mit Auslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Aktivitäten<br />

gegen Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit? Welche Aktivitäten haben sich bewährt?<br />

Wo bedarfes neuer Ideen <strong>und</strong> Impulse? .<br />

- Die "Woche <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger / <strong>in</strong>terkulturelle Woche" Ende<br />

September, zu <strong>der</strong> die Kirchen jährlich aufrufen, bietet Gelegenheit <strong>und</strong> Anknüpfungspunkte<br />

für e<strong>in</strong>e Vielzahl von Aktivitäten (vgl. auch das jährlich<br />

neu ersche<strong>in</strong>ertde Materialheft des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses<br />

für die Woche <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger)!<br />

- Nutzen Sie die Erfahrungen <strong>und</strong> die Brückenfunktion von bi-nationalen<br />

Partnerschaften <strong>und</strong> Familien vor Ort!<br />

- Von Nutzen können ebenso die Hilfestellungen <strong>der</strong> Dienste für<br />

Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten von Caritas <strong>und</strong> Diakonie se<strong>in</strong>.<br />

52


Thema 6<br />

Chr<strong>ist</strong>en<br />

kunft<br />

1. Zur Geschichte<br />

<strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache <strong>und</strong> Her-<br />

Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache <strong>und</strong> Herkunft s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e neue Ersche<strong>in</strong>ung.<br />

Seitdem aus unterschiedlichen Gründen, z.B. den konfessionell<br />

geprägten Verfolgungen von Hugenotten, Böhmen, Salzburgern o<strong>der</strong> Waldensern<br />

vom 15. bis 18. Jahrh<strong>und</strong>ert, <strong>in</strong> deutschen Fürstentümern e<strong>in</strong>heitliche<br />

Kolonien von Zuwan<strong>der</strong>ern entstanden, die teilweise mit beson<strong>der</strong>en Privilegien<br />

für ihre konfessionelle Freiheit ausgestattet wurden, kennen wir nicht<br />

nur die konfessionelle Pluralität <strong>in</strong> den ansonsten konfessionell geschlossenen<br />

deutschen Län<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch die Entstehung eigener Kirchenstrukturen<br />

dieser Gruppen. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert entstanden mit den polnischen<br />

"Schnittern" o<strong>der</strong> Saisonarbeitern katholische Geme<strong>in</strong>den auch <strong>in</strong> Gebieten<br />

mit evangelischer Mehrheitsbevölkerung. In den Hafenstädten entstanden<br />

schon sehr früh mit den Seemannsmissionen eigengeprägte chr<strong>ist</strong>liche Geme<strong>in</strong>schaften<br />

auf Zeit. Erst mit <strong>der</strong> verstärkten Migration <strong>in</strong> unserem Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

gehört die Gründung fremdsprachiger Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> allen Ballungsgebieten<br />

zur religiösen <strong>und</strong> ökumenischen Wirklichkeit. Durch die Ex<strong>ist</strong>enz<br />

solcher Geme<strong>in</strong>den wird das .Auslän<strong>der</strong>problem" auch zu e<strong>in</strong>er Frage an die<br />

Kirchen <strong>und</strong> ihren Umgang mit den Glaubensgeschw<strong>ist</strong>ern an<strong>der</strong>er konfessioneller<br />

<strong>und</strong> kultureller Traditionen.<br />

53


=> Impulse für Gespräch <strong>und</strong> Weiterarbeit<br />

- Versuchen Sie, die Gründe für das Entstehen <strong>und</strong> die h<strong>ist</strong>orischen Entwicklungsl<strong>in</strong>ien<br />

solcher Geme<strong>in</strong>den herauszuf<strong>in</strong>den, die <strong>in</strong> Ihrer Region als<br />

Geme<strong>in</strong>den von Zuwan<strong>der</strong>ern (vielleicht schon vor Generationen) bekannt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

2. Zur Begrifflichkeit<br />

In den Verlautbarungen <strong>der</strong> Kirchen, auch im Geme<strong>in</strong>samen Wort, werden<br />

unterschiedliche Begriffe zur Kennzeichnung solcher Geme<strong>in</strong>degründungen<br />

benutzt.<br />

- "Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache <strong>und</strong> Herkunft" - so die EKD <strong>in</strong> <strong>der</strong> Handreichung<br />

gleichen Titels, .<br />

- .muttersprachliche Geme<strong>in</strong>den" o<strong>der</strong> "fremdsprachige Missionen" - so seit<br />

langem <strong>in</strong> <strong>der</strong> katholischen Kirche - o<strong>der</strong><br />

- "fremdsprachige Kirchen" - so z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Charakterisierung des<br />

"Internationalen Konvents chr<strong>ist</strong>licher Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Brandenburg"<br />

als <strong>der</strong> "Verband fremdsprachiger Kirchen <strong>und</strong> Missionen".<br />

In e<strong>in</strong>igen Kirchen, so z.B. bei den Bapt<strong>ist</strong>en, den Method<strong>ist</strong>en o<strong>der</strong> den<br />

Advent<strong>ist</strong>en, s<strong>in</strong>d "Internationale Geme<strong>in</strong>den" viel üblicher als Geme<strong>in</strong>den,<br />

die sich nach Ethnien o<strong>der</strong> Sprachen benennen.<br />

E<strong>in</strong>ige Geme<strong>in</strong>den führen die <strong>in</strong> Gottesdienst <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>deleben übliche<br />

Sprache bewußt <strong>in</strong> ihrem Namen, so z.B. die .Communaute protestante francophone<br />

de Berl<strong>in</strong> et environs".<br />

Es fällt auf, daß <strong>der</strong> Gebrauch des Begriffs "ausländische Geme<strong>in</strong>den" zunehmend<br />

auf Geme<strong>in</strong>den im Ausland beschränkt wird. Damit will man das<br />

als eher anstößig empf<strong>und</strong>ene Wort "ausländisch" für hiesige Zuwan<strong>der</strong>er<br />

vermeiden. Als Ende März 1998 die r<strong>und</strong> 60 Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache<br />

<strong>und</strong> Herkunft <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong> <strong>in</strong> Aufnahme <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Erfahrungen<br />

über die Gründung e<strong>in</strong>es eigenen Verbandes bzw. e<strong>in</strong>es Konventes diskutierten,<br />

entzündete sich am Gebrauch dieser Begriffe e<strong>in</strong>e sehr kontroverse<br />

Debatte. Es bleibt abzuwarten, durch welche Formulierungen <strong>und</strong> Begriffe<br />

sich diese Geme<strong>in</strong>den selbst charakterisieren werden.<br />

54


dem Isalm angehören, auch die M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten von Kurden, Aleviten sowie<br />

von syrisch-orthodoxen <strong>und</strong> armenischen Chr<strong>ist</strong>en.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus kann uns <strong>der</strong> Dialog mit den fremdsprachigen Geme<strong>in</strong>den<br />

helfen, das "Glaubensleben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde" besser zu verstehen bzw. den<br />

Bezug zwischen "Religion" <strong>und</strong> "Kultur" aktuell neu zu entdecken.<br />

=> Impulse rur Gespräch <strong>und</strong> Weiterarbeit<br />

Am 10. Dezember 1998 (Internationaler Tag <strong>der</strong> Menschenrechte) begehen<br />

wir den 50. Jahrestag <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> "Allgeme<strong>in</strong>en Erklärung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte" durch die Vere<strong>in</strong>ten Nationen.<br />

- Nehmen Sie dieses Ereignis zum Anlaß für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same ökumenische<br />

Veranstaltung (zum Beispiel Geme<strong>in</strong>desem<strong>in</strong>ar, Gottesdienst o<strong>der</strong> Festveranstaltung)<br />

aller deutschen Kirchen <strong>in</strong> Ihrem Wohnbereich zusammen mit den<br />

muttersprachlichen bzw. fremdsprachlichen Geme<strong>in</strong>den zur Lage <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Heimat <strong>der</strong> mit Ihnen lebenden Glaubensgeschw<strong>ist</strong>er.<br />

4. Ökumenische Glaubwürdigkeit<br />

Die "Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Chr<strong>ist</strong>licher Kirchen <strong>in</strong> Deutschland" (ACK) als<br />

Zusammenschluß chr<strong>ist</strong>licher Kirchen hat ihr Gesicht nach 50 Jahren ihres<br />

Bestehens gewandelt. Dank <strong>der</strong> verstärkten Mitgliedschaft von orthodoxen<br />

<strong>und</strong> orientalischen Kirchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> ACK s<strong>in</strong>d die ersten <strong>in</strong> Deutschland ursprünglich<br />

nicht heimischen Konfessionsfamilien gleichberechtigte ökumenische<br />

Partner <strong>der</strong> deutschen Kirchen geworden. Ziffer (228.) des Geme<strong>in</strong>samen<br />

Wortes for<strong>der</strong>t uns auf, "größere <strong>und</strong> etablierte Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er<br />

Sprache <strong>und</strong> Herkunft" zu ermutigen <strong>und</strong> dar<strong>in</strong> zu unterstützen, <strong>in</strong> den re- .<br />

gionalen <strong>und</strong> lokalen ökumenischen Zusammenschlüssen mitzuarbeiten o<strong>der</strong><br />

gar Mitglied zu werden. Was aber <strong>ist</strong> mit solchen fremdsprachigen Geme<strong>in</strong>den,<br />

die unseren konfessionellen o<strong>der</strong> strukturellen Vorstellungen nicht entsprechen<br />

bzw. nicht <strong>in</strong> weltkirchliche Strukturen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d? Der erwähnte<br />

"Internationale Konvent Chr<strong>ist</strong>licher Geme<strong>in</strong>den" <strong>ist</strong> daher <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>es "Verbandes fremdsprachiger Kirchen <strong>und</strong> Missionen" e<strong>in</strong>e Ökumene<br />

im kle<strong>in</strong>en - neben <strong>der</strong> etablierten Ökumene <strong>der</strong> Kirchen <strong>in</strong> Form <strong>der</strong> ACK<br />

o<strong>der</strong> (<strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eshauptstadt) als "Ökumenischer Rat <strong>der</strong> Kirchen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

56


<strong>und</strong> Brandenburg". Die Arbeit dieses Verbandes wird von engagierten Chr<strong>ist</strong><strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Chr<strong>ist</strong>en verantwortet <strong>und</strong> getragen, die Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

unterschiedlichen fremdsprachigen Geme<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. <strong>Deutsche</strong> s<strong>in</strong>d als Brükkenbauer,<br />

Weggefährten, Helfer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Helfer willkommen. Aber e<strong>in</strong>ige<br />

<strong>der</strong> Kirchen <strong>in</strong> Deutschland tun sich sehr schwer, Männer <strong>und</strong> Frauen aus<br />

Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache <strong>und</strong> Herkunft für die Mitarbeit <strong>in</strong> Leitungsverantwortung<br />

zu gew<strong>in</strong>nen: In vielen Gremien unserer Kirchen s<strong>in</strong>d die fremdsprachigen<br />

Chr<strong>ist</strong>en nicht vertreten, obwohl <strong>in</strong> vielen Fällen die Voraussetzungen<br />

dafür gegeben s<strong>in</strong>d.<br />

=> Impulse für Gespräch <strong>und</strong> Weiterarbeit<br />

- Warum tun sich die Leitungsorgane <strong>der</strong> Kirchen deutscher Sprache <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel so schwer, Vertreter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Vertreter fremdsprachiger Geme<strong>in</strong>den<br />

gleicher o<strong>der</strong> verwandter Konfession an den Leitungsentscheidungen zu beteiligen?<br />

Wenn es <strong>in</strong> ihrem Wirkungsbereich fremdsprachige Geme<strong>in</strong>den<br />

gibt: Wie s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> den jeweiligen deutschen Entscheidungsgremien aller<br />

Konfessionen (z.B. Geme<strong>in</strong>dekirchenräte o<strong>der</strong> Pfarrgeme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte, Kreissynode<br />

o<strong>der</strong> Dekanatskonferenzen usw) vertreten?<br />

- Versuchen Sie Wege zu f<strong>in</strong>den, damit für unsere fremdsprachigen Mitchr<strong>ist</strong>en<br />

partnerschaftliehe Zusammenarbeit ermöglicht <strong>und</strong> verstärkt wird <strong>und</strong><br />

ökumenische Glaubwürdigkeit wächst.<br />

••<br />

5. Zusammenarbeit: Okumene vor <strong>der</strong> Haustür<br />

In <strong>der</strong> Handreichung <strong>der</strong> EKD (s.u. Literaturh<strong>in</strong>weise) werden e<strong>in</strong>ige, eher<br />

allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise für die Zusammenarbeit mit den fremdsprachigen Geme<strong>in</strong>den<br />

formuliert. Die ersten Kontakte mit neu entstehenden Geme<strong>in</strong>den<br />

entzünden sich häufig an <strong>der</strong> Bitte um die Vermittlung von (bezahlbaren)<br />

Räumen für das im Aufbau bef<strong>in</strong>dliche eigene Geme<strong>in</strong>deleben. Auch um die<br />

Überlassung von Kirchengebäuden wird gelegentlich gebeten. Bei älteren<br />

Geme<strong>in</strong>den taucht häufig die Klage auf, daß die deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>den<br />

verschiedener Konfessionen den fremdsprachigen Geme<strong>in</strong>den echte<br />

Partnerschaft verweigern. Am wichtigsten sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Begegnung<br />

zwischen gastgebenden <strong>und</strong> zugewan<strong>der</strong>ten Geme<strong>in</strong>den bzw. e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiver<br />

Besuch <strong>und</strong> Austausch zwischen deutschsprachigen <strong>und</strong> fremdsprachigen<br />

57


Geme<strong>in</strong>den zu se<strong>in</strong>. Der Besuch von Konfmnanden-, Firm- o<strong>der</strong> Jugendgruppen<br />

bei ähnlichen Gruppen fremdsprachiger Geme<strong>in</strong>den kann ebenso<br />

zum Abbau von Vorurteilen beitragen wie die Erläuterung beispielsweise<br />

e<strong>in</strong>er Ikonostase <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er orthodoxen Kirche.<br />

Um die ökumenische Vielfalt <strong>der</strong> weltweiten Kirche Jesu Chr<strong>ist</strong>i zu erfahren,<br />

brauchen wir heute nicht mehr <strong>in</strong>s Ausland zu reisen. Wir haben die mult<strong>in</strong>ationale<br />

Ökumene vor unserer Haustür. "Das Bewußtse<strong>in</strong>, daß es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche<br />

Jesu Chr<strong>ist</strong>i ke<strong>in</strong>e Auslän<strong>der</strong> gibt, son<strong>der</strong>n daß Chr<strong>ist</strong>en aus an<strong>der</strong>en<br />

Teilen <strong>der</strong> Welt auch jeweils zur Kirche vor Ort gehören" (227.), <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Voraussetzung, um die auch <strong>in</strong> unseren deutschen Geme<strong>in</strong>den anzutreffende<br />

offene o<strong>der</strong> latente Ablehnung von Auslän<strong>der</strong>n zu korrigieren <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

abzubauen.<br />

=> Impulse f"tir Gespräch <strong>und</strong> Weiterarbeit<br />

- Prüfen Sie für Ihren Arbeits- <strong>und</strong> (Pfarr-)Geme<strong>in</strong>debereich, welche Formen<br />

<strong>der</strong> Begegnung o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Ihrer <strong>und</strong> <strong>der</strong> nächstgelegenen<br />

fremdsprachigen Geme<strong>in</strong>de denkbar s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> mit welchen Programmen<br />

Ihre Geme<strong>in</strong>de die wechselseitige Begegnung för<strong>der</strong>n kann.<br />

- Wo vorhanden, können die <strong>in</strong> pastoralen Arbeitshilfen für die Ökumenische<br />

Zusammenarbeit vor Ort gemachten Vorschläge entsprechende Anregungen<br />

vermitteln.<br />

vgl. auch im Geme<strong>in</strong>samen Wort: (224.), (226.), (227.) <strong>und</strong> (228.)<br />

Literaturh<strong>in</strong>weise:<br />

(1) aus evangelischer Sicht<br />

• Kirchen <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den an<strong>der</strong>er Sprache o<strong>der</strong> Herkunft, herausgegeben<br />

vom Kirchenamt <strong>der</strong> Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland. FrankfurtJM.<br />

GEP-Buch 1997, 164 S.<br />

• Zur ökumenischen Zusammenarbeit mit Geme<strong>in</strong>den frem<strong>der</strong> Sprache<br />

o<strong>der</strong> Herkunft. E<strong>in</strong>e Handreichung des Kirchenamtes <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland., 1996 (EKD-Texte 59)<br />

58


(2) aus katholischer Sicht<br />

• Motuproprio über die Wan<strong>der</strong>erseelsorge. Instruktion <strong>der</strong> Bischofskongregation<br />

über die Seelsorge unter den Wandemden. Motuproprio über<br />

die Errichtung <strong>der</strong> Päpstlichen Kommission für Auswan<strong>der</strong>er <strong>und</strong> Tour<strong>ist</strong>enseelsorge.<br />

Von den deutschen Bischöfen approbierte Übersetzung.<br />

E<strong>in</strong>geleitet <strong>und</strong> kommentiert von Bernhard Puschmann SAC. Anhang:<br />

Dokumente <strong>und</strong> Stat<strong>ist</strong>iken, Trier 1971<br />

• Velasio de Paolis C.S., Die Seelsorge für die Menschen unterwegs nach<br />

dem Motu Proprio .Pastoralis Migratorum Cura" <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Instruktion<br />

.De Pastorali Migratorum Cura", Rom 1981<br />

• Georg Holkenbr<strong>in</strong>k, Die rechtlichen Strukturen für die Migrantenpastoral.<br />

E<strong>in</strong>e rechtsh<strong>ist</strong>orische <strong>und</strong> rechtssystematische Untersuchung. Päpstlicher<br />

Rat <strong>der</strong> Seelsorge für die Migranten <strong>und</strong> Menschen unterwegs, Vatikan<br />

1995<br />

• Pastoralpläne e<strong>in</strong>zelner B<strong>ist</strong>ümer s<strong>in</strong>d bei den Ord<strong>in</strong>ariaten zu erhalten.<br />

(3) aus orthodoxer Sicht<br />

• Georg Galitis (Hrsg), Glauben aus dem Herzen. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die<br />

Orthodoxie. München: TR-Verlagsunion GmbH 1987<br />

(4) E<strong>in</strong> Beispiel für die Vielzahl <strong>und</strong> Differenzierung fremdsprachiger Kirchen<br />

<strong>und</strong> Missionen:<br />

• Fremdsprachige chr<strong>ist</strong>liche Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> - Gottesdienstorte ­<br />

Gottesdienstzeiten, Bestellungen bei: Verband fremdsprachiger Kirchen<br />

<strong>und</strong> Missionen, Handjerystr. 19, 12159 Berl<strong>in</strong><br />

59


Thema 7<br />

•<br />

Aussiedler - Rückkehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e fremde Heimat<br />

1. Gr<strong>und</strong>daten zur Situation <strong>der</strong> Aussiedler bzw. Spätaussiedler<br />

o Begriff, Größenordnung <strong>und</strong> Herkunftsgebiete<br />

Aussiedler (seit dem 1.7.1993 spricht man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachterm<strong>in</strong>ologie von<br />

.Späraussiedlem") s<strong>in</strong>d (nach § 4 Abs. 3 Satz 1 des B<strong>und</strong>esvertriebenengesetzes)<br />

<strong>Deutsche</strong> (im S<strong>in</strong>ne des Artikels 116 Abs. des Gr<strong>und</strong>gesetzes). Sie<br />

kommen heute vor allem aus <strong>der</strong> ehemaligen Sowjetunion, aber auch aus<br />

Polen, Rumänien, Ungarn, <strong>der</strong> slowakischen <strong>und</strong> <strong>der</strong> tschechischen Republik,<br />

aus Ch<strong>in</strong>a <strong>und</strong> aus dem ehemaligen Jugoslawien.<br />

Ca. 3,8 Mio. Aussiedler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Aussiedler wurden zwischen 1950 <strong>und</strong><br />

1997 <strong>in</strong> Deutschland aufgenommen, davon kamen 1,7 Mio. aus <strong>der</strong> ehemaligen<br />

Sowjetunion, 1,4 Mio. aus Polen, 440.000 aus Rumänien, 104.000 aus<br />

<strong>der</strong> ehemaligen Tschechoslowakei <strong>und</strong> 90.000 aus dem ehemaligen Jugosla-<br />

•<br />

WIen.<br />

Im sogenannten "Asylkompromiß" wurde für die jährliche Zahl <strong>der</strong> zu erteilenden<br />

Aufnahmebescheide e<strong>in</strong>e Obergrenze von max. 250.000 Aussiedlern<br />

festgelegt (53.). Die Zuwan<strong>der</strong>ung von Aussiedlern hat <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

deutlich abgenommen (1995: 217.898; 1996: 177.751; 1997: 134.419).<br />

60


Mehr als 97 % <strong>der</strong> Z.Z. jährlich <strong>in</strong> Deutschland aufgenommenen Spätaussiedler<br />

kommen aus den Nachfolgestaaten <strong>der</strong> ehemaligen Sowjetunion (vor<br />

allem Russische Fö<strong>der</strong>ation <strong>und</strong> Kasachstan), wo bis zu ca. 2 Mio. deutsche<br />

Volkszugehörige leben (Russische Fö<strong>der</strong>ation: ca. 900.000; Kasachstan: ca.<br />

600.000). Aufgr<strong>und</strong> zunehmen<strong>der</strong> Nationalitätenkonflikte <strong>in</strong> den Herkunftsgebieten,<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungen, schlechten ökonomischen Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> unsicheren politischen Lage <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Ausreisewille dieser Menschen<br />

vielfach ungebrochen.<br />

D Geschichte<br />

Als Nachkommen deutscher Auswan<strong>der</strong>er konnten die Aussiedler lange Zeit<br />

<strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n ihren Glauben, ihre Sprache <strong>und</strong> ihre Kultur bewahren.<br />

Infolge <strong>der</strong> Ereignisse <strong>und</strong> Auswirkungen während <strong>und</strong> nach Beendigung des<br />

Zweiten Weltkrieges war es für sie schwieriger, zum Teil unmöglich, ihre<br />

religiösen, sprachlichen <strong>und</strong> kulturellen Traditionen sowie ihr Brauchtum zu<br />

pflegen. Durch die Auflösung <strong>der</strong> Wolga-Republik nach dem Überfall <strong>der</strong><br />

Sowjetunion durch die deutschen Truppen s<strong>in</strong>d die Rußland-<strong>Deutsche</strong>n 1941<br />

größtenteils <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Sowjetunion nach Sibirien, Kasachstan sowie <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>e asiatische Republiken <strong>in</strong> Arbeitslager zwangsumgesiedelt worden. Die<br />

"deutsche Volkszugehörigkeit" war Anlaß für Verfolgung, Vertreibung <strong>und</strong><br />

Unterdrückung <strong>in</strong> den osteuropäischen Staaten. In diesen Staaten s<strong>in</strong>d sie als<br />

deutsche Volkszugehörige zu e<strong>in</strong>er diskrim<strong>in</strong>ierten M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit geworden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser h<strong>ist</strong>orischen Entwicklung wird die Aufnahme <strong>und</strong> Integration<br />

<strong>der</strong> Aussiedler <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland als e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

Verpflichtung gesehen <strong>und</strong> <strong>ist</strong> gesetzlich verankert worden.<br />

D Rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Artikel 116 des Gr<strong>und</strong>gesetzes <strong>ist</strong> die verfassungsrechtliche Gr<strong>und</strong>lage für<br />

das "Gesetz über die Angelegenheiten <strong>der</strong> Vertriebenen <strong>und</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge"<br />

(B<strong>und</strong>esvertriebenengesetz / BVFG). Das Kriegsfolgenbere<strong>in</strong>igungsgesetz<br />

(KfbG) regelt seit dem 01.01.1993 die Aufnahme <strong>der</strong> Aussiedler. Mit dem<br />

KfbG wurde im BVFG <strong>der</strong> Rechtsbegriff des "Spätaussiedlers" e<strong>in</strong>geführt<br />

<strong>und</strong> auf die verän<strong>der</strong>te politische Lage <strong>in</strong> den Herkunftslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>der</strong> so-<br />

61


zialen Situation <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland reagiert. Seitdem <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />

"Spätaussiedler" e<strong>in</strong> deutscher Volkszugehöriger, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Prägung durch<br />

bestätigende Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung <strong>und</strong> Kultur<br />

nachzuweisen hat. Se<strong>in</strong> Bekenntnis zur Volkszugehörigkeit muß anhalten <strong>und</strong><br />

dadurch bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Benachteiligung vorliegen (vgl. §§ 4 <strong>und</strong> 6 BVFG).<br />

Zudem müssen die Aussiedler seit Kriegsende o<strong>der</strong> nach ihrer Vertreibung<br />

ihren Wohnsitz <strong>in</strong> den Aussiedlungsgebieten haben. Für Angehörige <strong>der</strong><br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit, welche nach dem 31.12.1992 geboren wurden, gilt diese aufgeführte<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>lage nicht mehr. Sie können nicht mehr den Status e<strong>in</strong>es<br />

Spätaussiedlers erhalten.<br />

Zum Schutz von Ehe <strong>und</strong> Familie können Familienangehörige mit dem Aussiedler<br />

zusammen e<strong>in</strong>reisen. Der Rechtsstatus <strong>ist</strong> aufenthaltsbestimmend. Die<br />

Gewährung staatlicher Le<strong>ist</strong>ungen (z.B. Sprachkurse, E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungshilfen,<br />

Rentenansprüche, Arbeitslosengeld etc.) <strong>ist</strong> von den aufenthaltsrechtlichen<br />

Bestimmungen abhängig. Die rechtlichen Unterschiede <strong>der</strong> e<strong>in</strong>reisenden Personen<br />

sehen wie folgt aus:<br />

1. E<strong>in</strong> Spätaussiedler <strong>ist</strong> <strong>Deutsche</strong>r im S<strong>in</strong>ne des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

2. Der Ehepartner e<strong>in</strong>es Spätaussiedlers (er/sie muß m<strong>in</strong>destens drei Jahre<br />

vor Verlassen <strong>der</strong> Aussiedlungsgebiete verheiratet se<strong>in</strong>) <strong>ist</strong> <strong>Deutsche</strong>r im<br />

S<strong>in</strong>ne des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

3. Der Ehepartner e<strong>in</strong>es Spätaussiedlers, dessen Ehe seit weniger als drei<br />

Jahren vor Verlassen <strong>der</strong> Aussiedlungsgebiete besteht, <strong>ist</strong> Auslän<strong>der</strong> nach<br />

dem Auslän<strong>der</strong>gesetz.<br />

4. Der Abkömml<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>es Spätaussiedlers <strong>ist</strong> <strong>Deutsche</strong>r im S<strong>in</strong>ne des<br />

Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

5. Die sonstigen Familienangehörigen s<strong>in</strong>d Auslän<strong>der</strong>. Sie können nur im<br />

Rahmen <strong>der</strong> auslän<strong>der</strong>rechtliehen Bestimmungen Aufuahme fmden.<br />

o Integrationsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> Integrationsprobleme<br />

Die Mehrheit <strong>der</strong> Aussiedler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Aussiedler <strong>ist</strong> im Alter von 18-49<br />

Jahren, daher stellt die Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptprobleme dar. H<strong>in</strong>zu<br />

kommen Wohnungsnot <strong>und</strong> Familiennachzug von Angehörigen. Die me<strong>ist</strong>en<br />

Neuankömml<strong>in</strong>ge sprechen kaum noch deutsch, wodurch e<strong>in</strong>e relativ<br />

62


schnelle Integration <strong>und</strong> die Arbeitsaufnahme weitgehend erschwert <strong>ist</strong>. Viele<br />

D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Deutschland s<strong>in</strong>d ihnen fremd <strong>und</strong> ersche<strong>in</strong>en ihnen ungewohnt,<br />

Geprägt von Familientradition, Geme<strong>in</strong>schaftsgefuhl <strong>und</strong> den Werten <strong>in</strong> den<br />

Herlrunftslän<strong>der</strong>n werden sie hier mit westlicher Demokratie <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er von<br />

Konkurrenz- <strong>und</strong> Le<strong>ist</strong>ungsdenken bestimmten Marktwirtschaft konfrontiert.<br />

Während sie <strong>in</strong> ihren Herlrunftslän<strong>der</strong>n als die "deutschen Fasch<strong>ist</strong>en" abgestempelt<br />

waren, s<strong>in</strong>d sie bei WlS die "Russen". Diese Stigmatisierung wird<br />

durch die z.T. erfolgte Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Massenquartieren (Kasernen bzw.<br />

größere Übergangswohnheime) geför<strong>der</strong>t. Dies fuhrt häufig zu e<strong>in</strong>er Ablehnung<br />

durch die hiesige Bevölkerung <strong>und</strong> erschwert die Integration.<br />

Aufgr<strong>und</strong> ausländischer Ehegatten <strong>und</strong> sonstiger Verwandter gehören auch<br />

auslän<strong>der</strong>rechtliche Fragen immer mehr zum Alltag <strong>der</strong> Aussiedlerberatung.<br />

In den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> rücken Probleme <strong>der</strong> jugendlichen Aussiedler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Aussiedler, die ihren bisherigen Lebensmittelpunkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft Unabhängiger<br />

Staaten aufgeben <strong>und</strong> ihren Eltern folgen müssen. Sie haben <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Sprach- <strong>und</strong> Identitätsprobleme, fuhlen sich alle<strong>in</strong>e gelassen <strong>und</strong><br />

als "Russen" ausgegrenzt. Die starke Reduzierung von staatlichen Integrationsmaßnahmen<br />

(Sprachför<strong>der</strong>ung) <strong>und</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungshilfen bewirkt, daß<br />

Sprach- <strong>und</strong> Integrationsdefizite bleiben. Als mögliche Folgen mangeln<strong>der</strong><br />

Integration s<strong>in</strong>d zu benennen: starker Rückzug <strong>in</strong> die eigene Aussiedlergruppe,<br />

Suchtverhalten, Gewalttätigkeit, psycho-somatische Erkrankungen,<br />

Jugendkrim<strong>in</strong>alität.<br />

Die me<strong>ist</strong>en Aussiedler s<strong>in</strong>d auf Hilfe angewiesen. Damit sie mit ihren Familien<br />

nicht zu e<strong>in</strong>er Randgruppe im Geme<strong>in</strong>wesen werden, <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e Integrationsarbeit<br />

durch die Aussiedler-Fachdienste von Diakonie <strong>und</strong> Caritas <strong>und</strong> die<br />

Geme<strong>in</strong>den nötig. Zu den von den Fachdiensten von Diakonie <strong>und</strong> Caritas<br />

angebotenen Hilfen zählen u.a. Informations- <strong>und</strong> Bildungsangebote, Integrationsmaßnahmen,<br />

E<strong>in</strong>zelberatung <strong>und</strong> Gruppenarbeit, stadtteilbezogene<br />

Geme<strong>in</strong>wesenarbeit <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit, Begegnungen <strong>und</strong> H<strong>in</strong>führungen<br />

zu Kirchengeme<strong>in</strong>den, Patenschaften, ausbildungsbegleitende Hilfen Wld<br />

Sprachkurse, Jugend- <strong>und</strong> Sozialarbeit <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit jugendlichen Aussiedler<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Aussiedlern.<br />

63


2. Korrespondenz zu Passagen des geme<strong>in</strong>samen Wortes<br />

Spezifisch auf Aussiedler <strong>und</strong> Spätaussiedler bezogene Aussagen f<strong>in</strong>den sich<br />

<strong>in</strong> (5.), (30.), (253.) <strong>und</strong> vor allem im Abschnitt 2.4 "Aussiedler <strong>und</strong><br />

Spätaussiedler: Rückkehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unbekannte Heimat" (51.) bis (57.).<br />

3. Anregungen für Veranstaltungen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e geme<strong>in</strong>dliche Aktivitäten<br />

Ziele geme<strong>in</strong>dlicher Aktivitäten bzw. <strong>der</strong> Aktivitäten e<strong>in</strong>zelner Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong><br />

sollten vor allem se<strong>in</strong>:<br />

• e<strong>in</strong>e bessere Information über die Situation <strong>der</strong> Aussiedler <strong>in</strong> ihren Herkunftsländem,<br />

ihre Zuzugsgründe sowie ihre rechtliche <strong>und</strong> soziale Situation<br />

<strong>in</strong> Deutschland;<br />

• die Überw<strong>in</strong>dung von Vorurteilen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de bzw. <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Geme<strong>in</strong>wesens;<br />

• das Kennenlernen von bzw. die Begegnung mit e<strong>in</strong>zelnen Aussiedlern;<br />

• das Le<strong>ist</strong>en von Hilfestellungen bei <strong>der</strong> Integration <strong>der</strong> Aussiedler <strong>in</strong> das<br />

örtliche Geme<strong>in</strong>wesen;<br />

• e<strong>in</strong>e Sensibilisierung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong> für die Lebenssituation <strong>der</strong><br />

Aussiedler <strong>und</strong> den entscheidenden Stellenwert geme<strong>in</strong>wesenorientierter<br />

Aktivitäten für die Integration <strong>der</strong> Aussiedler.<br />

Hierzu bieten sich u.a. folgende Aktivitäten an:<br />

• Kontaktaufnahme mit den örtlichen Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungsdiensten<br />

für Aussiedler von Diakonie <strong>und</strong> Caritas<br />

64


• Durchführung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>dlichen Informationsabends über die Situation<br />

<strong>der</strong> Aussiedler <strong>in</strong> ihren Herkunftslän<strong>der</strong>n sowie im örtlichen Geme<strong>in</strong>wesen<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirchengeme<strong>in</strong>de. Hierzu sollten Vertreter/<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Aussiedler-Fachdienste<br />

<strong>der</strong> Caritas <strong>und</strong> <strong>der</strong> Diakonie sowie Aussiedler/<strong>in</strong>nen<br />

selber e<strong>in</strong>geladen werden.<br />

• Gespräche mit Aussiedler/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nahegelegenen Geme<strong>in</strong>schaftsunterkunft<br />

für Aussiedler (Vermittlung über die örtlichen Aussiedler­<br />

Fachdienste von Diakonie <strong>und</strong> Caritas)<br />

• Übernahme von Patenschaften für e<strong>in</strong>zelne Aussiedler bzw. Aussiedlerfamilien<br />

durch e<strong>in</strong>zelne Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong> z.B. für die Unterstützung bei<br />

Behördengängen, bei <strong>der</strong> Wohnungs- <strong>und</strong> Arbeitssuche sowie bei <strong>der</strong><br />

Übersetzung <strong>und</strong> beim Sprachlernen<br />

• E<strong>in</strong>ladung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von Aussiedlern zur geme<strong>in</strong>dlichen K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit<br />

sowie E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>gottesdienst <strong>und</strong> <strong>in</strong> den kirchlichen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.<br />

• E<strong>in</strong>beziehung von Aussiedler-K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bzw. - Jugendlichen <strong>in</strong> vorhandene<br />

Angebote von Hausaufgabenhilfen bzw. Schaffung entsprechen<strong>der</strong> Angebote<br />

• E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Aussiedler <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>deabende <strong>und</strong> Gottesdienste<br />

,<br />

Weitere Anregungen lassen sich folgenden Veröffentlichungen entnehmen:<br />

• Diakonisches Werk <strong>der</strong> EKD (Hrsg.), AussiedlerlÜbersiedler, 3. Auflage,<br />

Stuttgart 1989, S. 94 ff<strong>und</strong> S. 120 ff<br />

• Diakonisches Werk <strong>der</strong> EKD (Hrsg.), Thema: AussiedlerlÜbersiedler<br />

"Danken <strong>und</strong> Dienen 90", Arbeitshilfen für Verkündigung, Geme<strong>in</strong>dearbeit<br />

<strong>und</strong> Unterricht, Stuttgart 1990<br />

• Sozialarbeit mit Aussiedler(<strong>in</strong>nen). Rahmenkonzeption für Hauptberufliche<br />

<strong>und</strong> Ehrenamtliche, <strong>in</strong>: Caritas-Korrespondenz, Heft 5/1996 (Hrsg.<br />

<strong>Deutsche</strong>r Caritasverband, Postfach 420, 79004 Freiburg/Br.)<br />

65<br />

,...',<br />

"


• Geme<strong>in</strong>wesenorienierte Sozialarbeit als methodischer Ansatz e<strong>in</strong>er umfassenden<br />

Integration von Aussiedler(<strong>in</strong>ne)n, <strong>in</strong>: Caritas, Heft 6/1998<br />

(Hrsg. <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband, Postfach 420, 79004 FreiburgIBr.)<br />

• Vorübergend heimatlos, Hrsg.: Landeskomitee <strong>der</strong> Katholiken <strong>in</strong> Bayern<br />

(Schäffierstr. 9, 80333 München)<br />

• Aussiedler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pfarrgeme<strong>in</strong>de - E<strong>in</strong>e Arbeitshilfe für Haupt- <strong>und</strong> Ehrenamtliche<br />

<strong>in</strong> den Pfarrgeme<strong>in</strong>den, Hrsg.: Landes-Caritasverband für 01denburg<br />

e.V. (Oldenburger Str. 10,49377 Vechta)<br />

• Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> leben <strong>und</strong> glauben. Spätaussiedler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Spätaussiedler <strong>in</strong><br />

unserer Kirchengeme<strong>in</strong>de. E<strong>in</strong>e Arbeitshilfe, Evangelische Landeskirche<br />

Baden (Hsrg.), 2. Auflage 1998<br />

• Aussiedler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. E<strong>in</strong>e Handreichung, Diakonisches Werk <strong>in</strong><br />

Kurhessen-Waldeck 1 Evangelische Kirche von Kurhessen Waldeck,<br />

Kassel, 1998<br />

• Katholische Aussiedler unter uns, Seelsorge für katholische <strong>Deutsche</strong> aus<br />

Rußland (Hrsg.), Königste<strong>in</strong> 1998<br />

Weitere Materialien <strong>und</strong> Hilfestellungen s<strong>in</strong>d u.a. über das Referat "Hilfen<br />

für Aussiedler" des Diakonischen Werkes <strong>der</strong> EKD (Staffienbergstr 76,<br />

70184 Stuttgart, Tel.:071112159-525) <strong>und</strong> das Referat Flüchtl<strong>in</strong>gs- <strong>und</strong> Aussiedlerhilfe<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Caritasverbandes (Karlstr. 40, 79104 Freiburg,<br />

Tel.:07611200-0) zu beziehen sowie über das Referat Aussiedlerarbeit im<br />

Kirchenamt <strong>der</strong> EKD (Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover, Tel. 05111<br />

2796-0, Seelsorge fiir katholische <strong>Deutsche</strong> aus Rußland (Bischof­<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>mann-Str. 3, 61462 Königste<strong>in</strong>, Tel. 06174/4071) <strong>und</strong> die Kirchliche<br />

Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Rußlanddeutschen (Am Ha<strong>in</strong>tor 13, 37237 Bad Sooden­<br />

Allendorf).<br />

66


Thema 8<br />

Muslime - fremde Nachbarn?<br />

"Suche erst die Nachbarn aus <strong>und</strong> dann baue de<strong>in</strong> Haus!" So lautete e<strong>in</strong> türkisches<br />

Sprichwort, das für das Zusammenleben von Menschen überall auf <strong>der</strong><br />

Erde e<strong>in</strong> nützlicher Rat <strong>ist</strong>. Denn die Nähe von Menschen unterschiedlicher<br />

Charaktere <strong>und</strong> Lebensstile - egal <strong>in</strong> welchem Land - schafft oft Nachbarschaftskonflikte,<br />

die manchmal sogar mit unverständlicher Verbissenheit<br />

ausgetragen werden.<br />

Doch stellt ohne Zweifel das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher<br />

kultureller Herkunft heute e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung an Nachbarschaften <strong>in</strong><br />

neuen Dimensionen dar. Die Zuwan<strong>der</strong>ung nach Deutschland beschränkte<br />

sich <strong>in</strong> den zurückliegenden Jahrh<strong>und</strong>erten im wesentlichen auf Personen aus<br />

den umliegenden Staaten, zum Beispiel Hugenotten aus Frankreich o<strong>der</strong> Arbeiter<br />

aus Polen. Mit <strong>der</strong> Anwerbung von Gastarbeitern aus dem Mittelmeerraum<br />

kamen <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten viele Muslime nach Deutschland.<br />

Diese brachten kulturelle <strong>und</strong> religiöse Traditionen <strong>und</strong> Wertvorstellungen<br />

mit, die den abendländischen Vorstellungen weitgehend fremd s<strong>in</strong>d. Viele<br />

<strong>der</strong> zugewan<strong>der</strong>ten Muslime haben sich mit den für sie fremden Lebensweisen<br />

<strong>in</strong> Deutschland arrangiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>sicht angepaßt. An<strong>der</strong>e wollen<br />

bewußt ihre Traditionen erhalten <strong>und</strong> die hiesigen Wertvorstellungen nicht<br />

e<strong>in</strong>fach übernehmen.<br />

67


Verglichen mit M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitengruppen aus manchen an<strong>der</strong>en Kulturen - nehmen<br />

wir als Beispiel e<strong>in</strong>mal Japaner - <strong>ist</strong> das Verhältnis zu den Muslimen<br />

nicht nur fremd, son<strong>der</strong>n auch spannungsreich. Wor<strong>in</strong> hat das se<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong>?<br />

Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Muslime haben als kulturelle Nachbarn <strong>in</strong> ihren h<strong>ist</strong>orischen<br />

Siedlungsräumen von Abendland bzw. Nahem Osten e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Geschichte, die<br />

teilweise von Toleranz <strong>und</strong> guter Nachbarschaft geprägt war, aber auch von<br />

.<br />

Konflikten, Rivalitäten <strong>und</strong> kriegerischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen. Die Kreuzzüge<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Element dieser noch nicht aufgearbeiteten Vergangenheit. Auch<br />

die Präsenz europäischen Kolonialmächte im Nahen Osten im vergangenen<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> diesem Jahrh<strong>und</strong>ert war e<strong>in</strong>em versöhnenden Ausgleich eher abträglich.<br />

Dieser Geschichte dürfte es auch zuzuschreiben se<strong>in</strong>, daß die Informationen<br />

über den muslimischen Glauben bei uns relativ ger<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d. Nur wenigen<br />

Chr<strong>ist</strong>en <strong>ist</strong> bewußt, <strong>in</strong> welchem Umfang <strong>der</strong> Koran auf <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lich-jüdischen<br />

Tradition basiert <strong>und</strong> Stoffe <strong>der</strong> Bibel übernommen hat. Das Geme<strong>in</strong>same<br />

Wort unterstreicht deshalb: "Die Begegnung mit Muslimen <strong>und</strong> das<br />

<strong>in</strong>terreligiöse Gespräch zeigen e<strong>in</strong>en großen Nachholbedarf an gegenseitigerAufklärung<br />

über Glauben <strong>und</strong> Traditionen. "(243.)<br />

Die islamische Welt kennt nicht die Aufklärung, die für das Abendland, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

weite Teile Westeuropas, e<strong>in</strong>e wichtige <strong>und</strong> prägende Rolle gespielt<br />

hat. So s<strong>in</strong>d manche islamische Sitten <strong>und</strong> Bräuche für uns fremd.<br />

Dazu gehört die traditionelle gesellschaftliche Trennung <strong>der</strong> Geschlechter.<br />

Fast jedem <strong>ist</strong> bekannt, daß die Muslime Speisegeboten unterliegen, die vor<br />

allem das Schwe<strong>in</strong>efleisch- <strong>und</strong> Alkoholverbot betreffen.<br />

Wer sich näher auf se<strong>in</strong>e muslimischen Nachbarn e<strong>in</strong>läßt, wird bald <strong>der</strong>en<br />

Feste kennen, sie aber dennoch nur schwer verstehen. Trotz - o<strong>der</strong> gerade<br />

wegen - e<strong>in</strong>er religionsgeschichtlichen Verwandtschaft zwischen Chr<strong>ist</strong>entum<br />

<strong>und</strong> dem Isalm gibt es viele Fremdheiten <strong>in</strong> den religiösen Traditionen. Daß<br />

nach dem Fastenmonat Ramadan e<strong>in</strong> Fest folgt, ersche<strong>in</strong>t Chr<strong>ist</strong>en wie die<br />

Abfolge von Advent <strong>und</strong> Weihnachten, von Bußzeit <strong>und</strong> Ostern. Doch legen<br />

die Muslime den Akzent nicht auf das Fest, das dem Fasten folgt, son<strong>der</strong>n<br />

feiern das Wichtige im Ramadan: die Herabsendung des Korans <strong>und</strong> das<br />

göttliche Fastengebot. Ähnlich mißverständlich <strong>und</strong> noch akzentuierter unter-<br />

68


scheidet sich das Opferfest von <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Interpretation <strong>der</strong> Abrahams­<br />

Geschichte. Als Tierquälerei mag es manchem ersche<strong>in</strong>en, was Muslime <strong>in</strong><br />

Er<strong>in</strong>nerung an den Gehorsam Abrahams <strong>und</strong> dessen gläubige Unterwerfung<br />

unter den Befehl Gottes beim Schächten e<strong>in</strong>es Schafes vollziehen. Natürlich<br />

verstehen Muslime die Auslösung des Opfers nicht als e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis aufden<br />

Kreuzestod Jesu <strong>und</strong> die Auferstehung. In diesen theologischen Zusammenhängen<br />

kann<br />

.<br />

es hilfreich se<strong>in</strong>, daß uns <strong>der</strong> Islam "fremd" <strong>ist</strong>. Vorschnelle<br />

Vere<strong>in</strong>nahmungen <strong>und</strong> Verwandtschaftsgefiihle dienen nicht dem Verständnis.<br />

Wirklich verstehen können sich die Angehörigen <strong>der</strong> beiden Religionen<br />

nur, wenn sie sich so an<strong>der</strong>s, wie sie s<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong> lassen.<br />

Der Islam kennt nicht die abendländische Unterscheidung zwischen Staat <strong>und</strong><br />

Kirche. Die Verb<strong>in</strong>dung von Religion <strong>und</strong> Politik <strong>in</strong> weiten Bereichen <strong>der</strong><br />

islamischen Welt steht <strong>in</strong> Spannung zu unseren Auffassungen e<strong>in</strong>es weltanschaulich<br />

neutralen Staates <strong>und</strong> den Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Gewaltenteilung. F<strong>und</strong>amental<strong>ist</strong>ische<br />

Gruppen im Islam sorgen für Schlagzeilen <strong>und</strong> fuhren dazu,<br />

daß <strong>der</strong> Islam <strong>in</strong>sgesamt mit solchen f<strong>und</strong>amental<strong>ist</strong>ischen überzeugungen<br />

identifiziert wird. Von den knapp 2,5 Millionen Muslimen, die <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong><br />

Deutschland leben <strong>und</strong> die etwas weniger als drei Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

ausmachen, s<strong>in</strong>d nur sehr wenige Prozent Anhänger f<strong>und</strong>amental<strong>ist</strong>ischer<br />

Positionen. Aber die Befangenheit <strong>der</strong> Mehrheitsbevölkerung hat e<strong>in</strong> weit<br />

höheres Ausmaß als die Zahlen es nahelegen.<br />

Die Sorge vor <strong>der</strong> übermacht <strong>der</strong> Fremden, d.h. <strong>der</strong> überfremdung, gründet<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beliebigkeit <strong>der</strong> eigenen Werte, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Furcht vor dem eigenen<br />

Bekenntnis <strong>und</strong> <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit des Hergebrachten. Sprachlosigkeit<br />

gepaart mit Angst, sagen die Psychologen, macht aggressiv. Nur dadurch<br />

läßt sich erklären, weshalb beispielsweise <strong>der</strong> Bau e<strong>in</strong>er Moschee emotionsgeladene<br />

Diskussionen auslöst.<br />

Das Fremdheitsgefiihl <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Heimat stellt sich e<strong>in</strong>, wie gesagt, wenn<br />

die im weit entfernten Urlaubsland bew<strong>und</strong>erte Moschee plötzlich im eigenen<br />

Stadtteil gebaut werden soll. Die osmanische <strong>und</strong> daher ortsunübliche<br />

Architektur wird genauso vorgeschoben wie das Parkplatzproblem. Angst<br />

erzeugen die befiirchteten Zusammenrottungen, die f<strong>und</strong>amental<strong>ist</strong>ischen<br />

Umtriebe <strong>und</strong> auch die harmlosen, aber ungedeuteten Sitten <strong>und</strong> Bräuche.<br />

Wie also reagieren? Es <strong>ist</strong> unangemessen, jede Gruppierung, die e<strong>in</strong>e Mo-<br />

69


schee bauen möchte, für f<strong>und</strong>amental<strong>ist</strong>isch zu halten, <strong>und</strong> es wäre blauäugig,<br />

sie nicht zu prüfen. Bei den Überlegungen <strong>ist</strong> immer mit zu<br />

berücksichtigen, was e<strong>in</strong> Ne<strong>in</strong> für die betroffene islamische Geme<strong>in</strong>de bedeutet.<br />

Fremdheit muß nicht daran h<strong>in</strong><strong>der</strong>n, geme<strong>in</strong>same Ziele zu verfolgen. Solche<br />

Ziele <strong>der</strong> Begegnung zwischen Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Muslimen liegen <strong>in</strong> ethischen<br />

Werten <strong>und</strong> gesellschaftlichen Ansprüchen. Der Zentralrat <strong>der</strong> Muslime<br />

zeigte sich mit den Chr<strong>ist</strong>en solidarisch, als er sich zur Abschaffung des Buß<strong>und</strong><br />

Bettages als gesetzlichem Feiertag <strong>und</strong> zum Kruzifix-Urteil <strong>in</strong> Bayern<br />

äußerte. Werte, wie <strong>der</strong> Erhalt <strong>der</strong> Familie <strong>ist</strong> Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Muslimen geme<strong>in</strong>sam.<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Diskussion zeigt sich, daß <strong>der</strong> konfessionelle Religionsunterricht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Schule den Kirchen erhaltenswert <strong>und</strong> den<br />

<strong>in</strong> den Verbänden organisierten Muslimen erstrebenswert ersche<strong>in</strong>t. Werte,<br />

die sich auf das Verhältnis des Menschen zu se<strong>in</strong>em Schöpfer beziehen, die<br />

<strong>der</strong> Würde des Menschen als herausgehobenem Geschöpf Gottes entspr<strong>in</strong>gen,<br />

<strong>und</strong> solche, die <strong>der</strong> Schöpfung Gottes gerecht werden wollen, s<strong>in</strong>d<br />

Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Muslimen geme<strong>in</strong>sam.<br />

Fremdheit <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>, die Zusammenarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwirklichung dieser<br />

Werte abzulehnen, im Gegenteil baut die Zusammenarbeit die Fremdheit ab<br />

<strong>und</strong> verb<strong>in</strong>det auf selbstverständliche Weise. Auf dieser Basis können die<br />

Beziehungen wachsen - bis dah<strong>in</strong>, daß auch ge<strong>ist</strong>liche Erfahrungen ausgetauscht<br />

werden können, so daß sich die Beteiligten selbst fremd erfahren o<strong>der</strong><br />

sich selbst neu kennenlernen.<br />

DDidaktische H<strong>in</strong>weise<br />

"Im <strong>der</strong>zeitigen Stadium <strong>der</strong> Begegnung geht es vor allen D<strong>in</strong>gen darum,<br />

die auf beiden Seiten vorhandenen Ängste <strong>und</strong> angestaute Aggressionen<br />

durch ehrliche, offene Gespräche abzubauen, sich gegenseitig Vorurteile<br />

bewußt zu machen sowie Verständnis <strong>und</strong> Achtungfiir den an<strong>der</strong>en, fiir die<br />

an<strong>der</strong>e Religion, Kultur <strong>und</strong> Lebensweise zu wecken. "(243.)<br />

Ziel <strong>der</strong> Beschäftigung mit diesem Thema <strong>ist</strong> es, Muslime als die fremden<br />

Nachbarn näher kennenzulernen. Unterschiede <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten zwi-<br />

70


sehen Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Muslimen sollen benannt <strong>und</strong> Informationsdefizite festgehalten<br />

werden.<br />

=> 1. Schritt:<br />

Muslime s<strong>in</strong>d .<br />

Muslime haben......<br />

Muslime wollen.......<br />

Chr<strong>ist</strong>en s<strong>in</strong>d .<br />

Chr<strong>ist</strong>en haben........<br />

Chr<strong>ist</strong>en wollen.........<br />

Die Teilnehmenden werden gebeten, die obigen Satzanfange zu vervollständigen.<br />

=> 2. Schritt:<br />

Im Anschluß daran wird im Plenum e<strong>in</strong>e Wandzeitung nach dem folgenden<br />

Schema ausgerollt.<br />

Muslime Chr<strong>ist</strong>en<br />

71


Insbeson<strong>der</strong>e hat die Leiter<strong>in</strong> bzw. <strong>der</strong> Leiter darauf zu achten, daß die angegebenen<br />

Inhalte sachlich zutreffend s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> nicht auf Vorurteilen beruhen.<br />

Wegen <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Ausprägungen werden sich unterschiedliche E<strong>in</strong>schätzungen<br />

jedoch nicht vermeiden lassen.<br />

=> 3. Schritt:<br />

Informationsdefizite <strong>und</strong> Fragen an den Islam sollten festgehalten werden,<br />

<strong>und</strong> es werden geme<strong>in</strong>same Wege überlegt, wie die Informationen beschafft<br />

werden können.<br />

o Die Begegnung mit Muslimen<br />

E<strong>in</strong>e erste Vorbereitung für e<strong>in</strong>er Begegnung wäre das Feststellen des Wissensstandes<br />

über die Muslime als fremde Nachbarn <strong>und</strong> überlegungen dazu,<br />

wie eventuell vorhandene Defizite abgebaut werden können. Chr<strong>ist</strong>en <strong>der</strong><br />

Kirchengeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong>formieren sich über den Islam, nehmen Kontakt auf zur<br />

muslimischen Geme<strong>in</strong>de, versuchen durch e<strong>in</strong>en Besuch, ihren Verstehenshorizont<br />

zu erweitern <strong>und</strong> Zugang zum Verständnis des muslimischen Glaubens<br />

zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

A. Voraussetzungen für das Projekt<br />

E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de, die sich <strong>in</strong> diesen Kontext h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>begibt, sollte möglichst<br />

folgende Voraussetzungen erfiillen:<br />

• muslimische Mitbürger sollten <strong>in</strong> ihrem Geme<strong>in</strong>wesenkontext leben,<br />

• die Bereitschaft sollte bestehen, Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sorgfältige Vorbereitung zu<br />

<strong>in</strong>vestieren,<br />

• e<strong>in</strong>e Moschee sollte <strong>in</strong> erreichbarer Nähe ex<strong>ist</strong>ieren <strong>und</strong><br />

• Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong> sollten bereit <strong>und</strong> offen se<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Kontaktaufuahme.<br />

Diese Voraussetzungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> aller Regel dort gegeben, wo muslimische<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten o<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>schule im Geme<strong>in</strong>wesen, <strong>in</strong> dem sich die<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>de befmdet, besuchen.<br />

72


B. Vorbereitung <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

1. Vorbereitungsgruppe<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe, die das Projekt vorbereitet <strong>und</strong> begleitet, sollte im<br />

Vorfeld gef<strong>und</strong>en werden. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichen kulturellen <strong>und</strong><br />

religiösen H<strong>in</strong>tergründe, sollten auf <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Seite unbed<strong>in</strong>gt auch<br />

Männer beteiligt se<strong>in</strong>.<br />

2. Vorbereitung <strong>der</strong> ersten Kontaktaufnahmen<br />

Bereits während <strong>der</strong> ersten Planungen sollte die Hilfe <strong>der</strong> kirchlichen Beratungsstellen<br />

bzw. <strong>der</strong> kirchlichen Beauftragten für den chr<strong>ist</strong>lich-islamischen<br />

Dialog <strong>in</strong> Anspruch nehmen. Dies kann die örtliche Kontaktaufuahmen zu<br />

e<strong>in</strong>er Moschee sehr vere<strong>in</strong>fachen.<br />

Es empfiehlt sich ebenfalls, so früh wie möglich auch Kontakt zum kreiskirchlichen<br />

Diakonischen Werk bzw. zum Caritasverband aufzunehmen <strong>und</strong>,<br />

wenn vorhanden, e<strong>in</strong>en zuständigen Sozialarbeiter <strong>in</strong> die Planung <strong>und</strong> Durchfiihrung<br />

mit e<strong>in</strong>zubeziehen, um die bisher gemachten Erfahrungen bei den<br />

Planungen zu berücksichtigen.<br />

3. Der erste Abend<br />

(1 12 - 2 St<strong>und</strong>en) Was man über den Islam wissen muß.<br />

(Informationsabend / Referat mit Möglichkeiten zur Rückfrage)<br />

Er sollte <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Information dienen <strong>und</strong>, wie <strong>der</strong> zweite Abend<br />

auch, ohne Beteiligung <strong>der</strong> muslirnischen Gesprächspartner stattfmden. E<strong>in</strong>e<br />

gute Zusammenfassung wichtiger Informationen bieten das Taschenbuch<br />

"Was je<strong>der</strong> vom Islam wissen muß" (GTB 786), die Arbeithilfe 106 <strong>der</strong><br />

<strong>Deutsche</strong>n Bischofskonferenz "Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Muslime <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong><br />

die Faltblattreihe .Jsalm" <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n Bischofskonferenz, Bonn. Weitere<br />

Veröffentlichungen s<strong>in</strong>d bei den Kirchen bzw. kirchlichen Werken erhältlich.<br />

4. Der zweite Abend<br />

(l 12 - 2 St<strong>und</strong>en) Vorbereitung e<strong>in</strong>es Moscheebesuches<br />

(Informationen über die islamische Geme<strong>in</strong>de, die besucht werden solV Vor<strong>in</strong>formationen<br />

über die Moschee / Sensibilisierung für die Situation)<br />

73


Vor dieser Veranstaltung: Vorbereitung des Moscheebesuches durch e<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>e Vorbereitungsgruppe<br />

Dieser Abend dient <strong>der</strong> Vorbereitung des beabsichtigten Moscheebesuches<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Sensibilisierung <strong>der</strong> deutschen Teilnehmer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Teilnehmer für<br />

die erste Begegnung <strong>und</strong> solche Fragehorizonte <strong>und</strong> Frageweisen, die die<br />

religiösen Gefühle <strong>der</strong> Gesprächspartner respektieren. (vgl. auch D)<br />

5. Der dritte Abend: Der Moscheebesuch<br />

(1 Y2 - 2 St<strong>und</strong>en ) Führung mit Erklärungen <strong>und</strong> Rückfragen / anschließendes<br />

Gespräch<br />

Der Vorbesuch wird geklärt haben, ob e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Besuch von Männern<br />

<strong>und</strong> Frauen möglich <strong>ist</strong> bzw. welche nach Geschlechtern getrennte Besuchsfonn<br />

gewählt werden kann.<br />

6. Der vierte Abend<br />

(1 Y2 St<strong>und</strong>en - 2 St<strong>und</strong>en) Erfahrungen e<strong>in</strong>es Moscheebesuches<br />

(Gesprächsr<strong>und</strong>e mit <strong>der</strong> Besuchergruppe <strong>der</strong> Moschee / Austausch über<br />

Erfahrungen / Fragen zum Verhältnis Chr<strong>ist</strong>entum - Islam <strong>und</strong> zum Verhältnis<br />

bei<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den / kognitive <strong>und</strong> emotionale Bearbeitung persönlicher<br />

Fragen, die entstanden s<strong>in</strong>d)<br />

Er fmdet ohne muslimische Beteiligung statt. Hier geht es darum, Fragen, die<br />

beim Moscheebesuch offengeblieben s<strong>in</strong>d, aufzugreifen. Dies wird sich vor<br />

allem auf das Verhältnis bei<strong>der</strong> Religionen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> beziehen. Es <strong>ist</strong> zu<br />

erwarten, daß die Begegnung mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Religion auch erneut Fragen<br />

des eigenen theologischen Selbstverständnisses aufwirft. Man wird dabei<br />

nicht nur mit rational-kognitiven, son<strong>der</strong>n auch mit emotionalen Reaktionen<br />

rechnen müssen.<br />

7. Der fünfte Abend: Gegenbesuch<br />

(2 St<strong>und</strong>en) Gegenbesuch <strong>der</strong> muslimischen Geme<strong>in</strong>de im Geme<strong>in</strong>dezentrum<br />

(Gesprächsr<strong>und</strong>e zu Fragen, die beide Geme<strong>in</strong>den bewegen)<br />

Der bisherige Verlauf wird gezeigt haben, ob die E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>em Gegenbesuch<br />

möglich <strong>ist</strong>. Er sollte wie<strong>der</strong>um primär unter dem Zeichen <strong>der</strong><br />

74


Pflege guter Nachbarschaft stehen. Bei <strong>der</strong> Vorbereitung sollten die gewonnenen<br />

Kontakte unbed<strong>in</strong>gt genutzt werden. Ort <strong>der</strong> Begegnung sollte nicht<br />

die Kirche se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Raum im Geme<strong>in</strong>dehaus. Islamische Fest- <strong>und</strong><br />

Speisevorschriften s<strong>in</strong>d zu berücksichtigen.<br />

Die Gestaltung e<strong>in</strong>er solchen Begegnung (o<strong>der</strong> Begegnungen) wird je nach<br />

bisherigem Verlauf unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Sie kann sich<br />

zunächst mit e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Essen ohne <strong>in</strong>haltliche Gesprächsvorgaben<br />

begnügen, kann sich mit Fragen des Stadtteils, <strong>der</strong> Begegnung im Alltag o<strong>der</strong><br />

im <strong>in</strong>stitutionellen Rahmen (z.B. K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten o<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>schule) beschäftigen<br />

o<strong>der</strong> gar, wenn die Vorgespräche es zulassen, im geme<strong>in</strong>samen Feiern<br />

e<strong>in</strong>es Festes (z.B. im Kontext des islamischen Opferfestes, bei dem es um die<br />

Geschichte des Isaakopfers geht) bestehen. Dies setzt allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Vorplanung unabd<strong>in</strong>gbar voraus. E<strong>in</strong>e solche Planung kann dann auch<br />

e<strong>in</strong>en ersten E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den <strong>in</strong>terreligiösen Dialog e<strong>in</strong>schließen (z.B. im Gespräch<br />

über e<strong>in</strong>e Synopse <strong>der</strong> unterschiedlichen Überlieferung <strong>der</strong> Isaak-Geschichte<br />

<strong>in</strong> beiden Religionen). In jedem Falle <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e Beteiligung von Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrern <strong>und</strong> -lehrer<strong>in</strong>nen anzustreben.<br />

8. Der sechste Abend<br />

(1 Y2 - 2 St<strong>und</strong>en) Perspektiven für e<strong>in</strong>zelne geme<strong>in</strong>same Projekte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft<br />

(Dieser Abend sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen zeitlichen Abstand (2-4 Wochen) zu<br />

den bisherigen Veranstaltungen durchgeführt <strong>und</strong>, wenn möglich, von e<strong>in</strong>er<br />

gemischten Vorbereitungsgruppe vorbereitet werden.)<br />

Je mehr es gel<strong>in</strong>gt, solchen Begegnungen auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Komponente<br />

zu verleihen, um so eher wird es auch möglich se<strong>in</strong>, sich im Laufe <strong>der</strong> Begegnung<br />

über weitere Gesprächsperspektiven zu verständigen. Die Chance<br />

e<strong>in</strong>er Fortsetzung des Gespräches wird um so größer se<strong>in</strong>, je mehr man sich<br />

an Fragen des konkreten Alltagsvollzuges orientiert (z.B. K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten).<br />

Hierzu kann dann mit <strong>der</strong> entsprechenden Konkretion e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Folgeabend<br />

gestaltet werden.<br />

75


C. Theologische Gesichtspunkte, die beachtet werden müssen<br />

Die Erwartungen an e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terreligiösen Dialog dürfen nicht zu hoch geschraubt<br />

werden. Hier <strong>ist</strong> vor allem vor e<strong>in</strong>er Verständigungseuphorie zu<br />

warnen.<br />

Drei theologische Gr<strong>und</strong>probleme werden sicherlich im Rahmen e<strong>in</strong>es solchen<br />

Projekts (direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt) angesprochen:<br />

1. die Frage, ob wir an denselben Gott glauben<br />

2. die Frage nach <strong>der</strong> Person Jesu Chr<strong>ist</strong>i<br />

3. die Frage nach <strong>der</strong> Prophetenschaft Mohammeds<br />

Damit verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d die Fragen, ob geme<strong>in</strong>sames Gebet möglich <strong>ist</strong>, die<br />

Rückfrage nach dem Verständnis von Tr<strong>in</strong>ität (islamisches Problem <strong>der</strong><br />

.Beigesellung") <strong>und</strong> die Frage <strong>der</strong> Verehrung von Jesus <strong>und</strong> Mohammed.<br />

Wer sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en solchen Gesprächskontext begeben will, muß <strong>in</strong> jedem Fall<br />

für sich abklären, unter welchen Verständigungsgesichtspunkten die Möglichkeit<br />

des <strong>in</strong>terreligiösen Dialogs gesucht werden soll. Zu dieser Abklärung<br />

kann die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung (<strong>in</strong> Zustimmung o<strong>der</strong> Ablehnung) mit den<br />

Texten <strong>in</strong> dem Sammelband von Karl-Josef Kuschel "Chr<strong>ist</strong>entum <strong>und</strong> nichtchr<strong>ist</strong>liche<br />

Religionen" hilfreich se<strong>in</strong>.<br />

D. Organisationen<br />

Es ex<strong>ist</strong>ieren unter an<strong>der</strong>em folgende großen Verbände:<br />

• Die DITIB (= Diyanet Isleri Türk Islam Birligi) kann gewissermaßen als<br />

Außenstelle des türkischen M<strong>in</strong><strong>ist</strong>eriums für religiöse Angelegenheiten<br />

betrachtet werden <strong>und</strong> versteht sich als Vertreter<strong>in</strong> des offiziellen türkischen<br />

Islam.<br />

• Der VIKZ (Verband <strong>der</strong> Islamischen Kulturzentren e.V.) <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Zusammenschluß<br />

von türkisch-islamischen Kulturzentren <strong>in</strong> Deutschland.<br />

76


.<br />

,,-;-.-<br />

• AMGT (= Avrupa Milli GöfÜS Teskilatlari) hat sich <strong>in</strong> Deutschland zu<br />

e<strong>in</strong>er sehr gewichtigen Gruppierung entwickelt. Die Vere<strong>in</strong>igung <strong>ist</strong> konservativ<br />

<strong>und</strong> strebt den islamischen Staat unter <strong>der</strong> Scharia an.<br />

• Der Zentralrat <strong>der</strong> Muslime (ZMD, Vogelsanger Str. 290, 50825 Köln,<br />

Fax 0221/542616) arbeitet u.a. im Ökumenischen Vorbereitungsausschuß<br />

für dieWoche <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger <strong>und</strong> im Beirat des ACK-Arbeitsvorhabens<br />

zur Überw<strong>in</strong>dung von Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit, Rassismus<br />

<strong>und</strong> Gewalt mit.<br />

D. Literatur zur Vorbereitung<br />

• Luth. Kirchenamt <strong>der</strong> VELKD (Hrsg.), Was je<strong>der</strong> vom Islam wissen muß,<br />

GTB 786, 3. Auflage Gütersloh 1991<br />

• Zentrum für Türke<strong>ist</strong>udien Essen, Endbericht zur Studie Dialog mit e<strong>in</strong>er<br />

neu etablierten religiösen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, türkische<br />

Muslime <strong>und</strong> deutsche Chr<strong>ist</strong>en im Gespräch unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung<br />

e<strong>in</strong>er Bestandsaufnahme des chr<strong>ist</strong>lich-islamischen Dialogs<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> türkisch-islamischen Dachorganisationen, Düsseldorf 1992<br />

• Karl-Josef Kuschel (Hrsg.), Chr<strong>ist</strong>entum <strong>und</strong> nichtchr<strong>ist</strong>liche Religionen,<br />

mit Schlüsseltexten von Karl Barth, Paul Tillich, Karl Rahner, Hans Küng<br />

u.a., Darmstadt 1994<br />

• Arbeitshilfe 106 <strong>und</strong> Faltblattreihe "Islam" <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n Bischofskonferenz<br />

(Kaiserstr. 163, 53113 Bonn, Tel. 0228 / 103-0)<br />

• Literatur <strong>und</strong> Informationen können auch bezogen werden über:<br />

CIBEDO - Chr<strong>ist</strong>lich-islamische Begegnung, Dokumentationsstelle<br />

(Postfach 170 427, 60078 FrankfurtIMa<strong>in</strong>, Tel. 069 / 726491, Fax 069 /<br />

723052)<br />

77


um Opfer zu begleiten <strong>und</strong> den Opfern bei eigenem Wunsch e<strong>in</strong>e beschützte<br />

Rückkehr zu ermöglichen. "<br />

* Politik: Auf politischer Ebene haben die Regierungsvertreter/<strong>in</strong>nen aus<br />

aller Welt bei <strong>der</strong> Weltfrauenkonferenz <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g 1995 den Frauen- <strong>und</strong><br />

Mädchenhandel als e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> zentralen Probleme <strong>der</strong> Gewalt gegen Frauen<br />

benannt. 1997 hat sich <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>ist</strong>errat <strong>der</strong> Europäischen Union damit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt.<br />

Erklärungen gibt es auch von <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Frauenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Gleichstellungsbeauftragten <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>. Auch die<br />

B<strong>und</strong>esfrauenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<strong>in</strong> hat Erklärungen abgegeben.<br />

* Fordemngen: Die Inhalte stimmen weitgehend übere<strong>in</strong>, gefor<strong>der</strong>t werden:<br />

konsequente Strafverfolgung <strong>und</strong> Hilfen <strong>und</strong> Schutz für die betroffenen<br />

Frauen.<br />

o Zur Diskrepanz zwischen den Beschlüssen <strong>und</strong> dem praktischen<br />

Handeln<br />

Die Probleme wachsen weiter an, aber es gibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik sehr<br />

wenig Beratungsstellen, die auf diese Probleme spezialisiert s<strong>in</strong>d. Sie sehen<br />

sich <strong>in</strong> diesen Zeiten fmanzieller Kürzungen zudem häufig mit <strong>der</strong> Frage<br />

konfrontiert: Warum <strong>ist</strong> das e<strong>in</strong>e kirchliche Aufgabe?<br />

o Zur Arbeit <strong>der</strong> Beratungsstellen<br />

Die Beratungsstellen betreuen Opfer von Menschenhandel, die teilweise von<br />

<strong>der</strong> Polizei bei Razzien <strong>in</strong> Bars <strong>und</strong> Bordellen aufgegriffen <strong>und</strong> dann ihnen<br />

gebracht werden. Sie vermitteln die Frauen <strong>in</strong> geschützte Unterkünfte, sorgen<br />

für das Lebensnotwendige <strong>und</strong> betreuen die Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> polizeilichen<br />

Vernehmungen <strong>und</strong> gegebenenfalls auch während <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Gerichtsprozesse.<br />

Die Beratungsstellen unterhalten Kontakte zu Organisationen <strong>in</strong> den Herkunftsländem<br />

<strong>und</strong> unterstützen durch den Erfahrungsaustausch die präventive<br />

Informations- <strong>und</strong> Bildungsarbeit dort. Wenn betroffene Frauen <strong>in</strong> ihre Län<strong>der</strong><br />

zurückwollen o<strong>der</strong> -müssen, werden diese Kontakte ebenfalls genutzt.<br />

79


Manche Beratungsstellen haben Streetworker<strong>in</strong>nen, die <strong>in</strong> den RotlichtvierteIn<br />

den ausländischen Prostituierten als Ansprechpartner<strong>in</strong>nen dienen <strong>und</strong><br />

die ihnen Informationen <strong>in</strong> ihren Muttersprachen zukommen lassen.<br />

Auch <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Heiratsmigration <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wichtiges Arbeitsfeld. In vielen<br />

Ehen, die durch die sogenannten "<strong>in</strong>ternationalen Heiratsvermittlungen" zustandekommen,<br />

gibt es große Probleme. Manche <strong>der</strong> Männer haben<br />

Alkoholprobleme o<strong>der</strong> Probleme <strong>in</strong> ihrem Sozialverhalten, es fehlt das Verständnis<br />

für die an<strong>der</strong>e Kultur; Ehepartner <strong>und</strong> Ehepartner<strong>in</strong> haben oft völlig<br />

unterschiedliche Erwartungen. E<strong>in</strong>ige Beratungsstellen le<strong>ist</strong>en <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Eheberatung <strong>und</strong> beraten bei <strong>in</strong>terkulturellen Erziehungsfragen. Aber auch <strong>in</strong><br />

diesem Bereich müssen Unterkünfte gef<strong>und</strong>en werden, wenn die Ehemänner<br />

gewalttätig werden. Bei Scheidung <strong>und</strong> Trennung muß e<strong>in</strong> Rechtsbe<strong>ist</strong>and<br />

vermittelt werden <strong>und</strong> vieles mehr.<br />

Vertreter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Beratungsstellen wirken mit bei Fortbildungen für Polizei<br />

<strong>und</strong> Justiz, aber auch für an<strong>der</strong>e soziale Dienste zur Sensibilisierung für die<br />

Situation <strong>der</strong> von diesen Problemen betroffenen ausländischen Frauen.<br />

o Zur Strafverfolgung von Menschenhandel<br />

Angesichts des Ausmaßes von Menschenhandel gibt es <strong>in</strong> Deutschland verhältnismäßig<br />

wenig Verurteilungen. Das liegt zu e<strong>in</strong>em nicht unerheblichen<br />

Teil daran, daß Menschenhandel <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als e<strong>in</strong> Problem <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren<br />

Sicherheit gesehen wird. Die Frauen gelten als unerwünschte Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen,<br />

die gegen das Auslän<strong>der</strong>recht verstoßen haben. Sie werden nach Polizeirazzien<br />

verhört, manchmal kommen sie <strong>in</strong> Abschiebehaft, danach werden sie<br />

abgeschoben. Die wichtigsten Zeug<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d häufig vor Prozeßbeg<strong>in</strong>n<br />

schon weit weg. Es erfor<strong>der</strong>t auch sehr viel Mut von den Frauen, vor Gericht<br />

auszusagen; denn die Verteidiger versuchen, die Frauen als "unglaubwürdige<br />

Nutten" darzustellen, wodurch sie sich nach allem, was sie erlebt haben, erneut<br />

gedemütigt fiihlen. Nicht selten drohen die Menschenhändler damit,<br />

Familienangehörigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Heimat Schaden zuzufiigen, wenn die Frau e<strong>in</strong>e<br />

Aussage macht.<br />

Die Erfahrung zeigt, daß die Frauen die Gerichtsverfahren nur dann halbwegs<br />

gut durchstehen können, wenn e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Betreuung <strong>in</strong> dieser Zeit<br />

gele<strong>ist</strong>et wird. Den Beratungsstellen kommt hier e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung zu.<br />

80


mehr Informationen <strong>und</strong> erfahren, daß sie wahrsche<strong>in</strong>lich von Menschenhändlern<br />

verschleppt worden <strong>ist</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> Deutschland mißbraucht <strong>und</strong><br />

gefangen gehalten wird. Sie suchen Familien, die das gleiche Schicksal erlebt<br />

haben, <strong>und</strong> s<strong>in</strong>djetzt zu e<strong>in</strong>em Treffen zusammengekommen."<br />

Teilen Sie sich <strong>in</strong> Gruppen von vier Personen auf <strong>und</strong> bearbeiten folgende<br />

Aufgaben:<br />

1. Gruppe: Tragen Sie zusammen, welche For<strong>der</strong>ung Sie an den deutschen<br />

Staat haben, <strong>und</strong> formulieren Sie e<strong>in</strong>en Briefmit Ihren For<strong>der</strong>ungen.<br />

2.Gruppe: Sie s<strong>in</strong>d gläubige Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> erhoffen sich von den deutschen<br />

Kirchen Unterstützung. Tragen Sie Ihre For<strong>der</strong>ungen zusammen <strong>und</strong> formulieren<br />

Sie e<strong>in</strong>en Briefan die Kirchen.<br />

3.Gruppe: Tragen Sie zusammen, welche For<strong>der</strong>ungen Sie an die eigene<br />

Regierung haben <strong>und</strong> formulieren Sie dazu e<strong>in</strong>en Brief.<br />

Die Briefe werden anschließend im Plenum unter <strong>der</strong> Fragestellung besprochen,<br />

welche Konsequenzen sich daraus für die Gruppe ergibt.<br />

=:) Was können Kirchengeme<strong>in</strong>den tun? Was können wir alle tun?<br />

• In den Geme<strong>in</strong>den sollten diese Probleme thematisiert werden.<br />

• F<strong>in</strong>den Sie heraus, ob es <strong>in</strong> Ihrer näheren Umgebung bereits e<strong>in</strong>e Beratungsstelle<br />

gibt. Woh<strong>in</strong> können sich die betroffenen Frauen <strong>in</strong> ihrer Umgebung<br />

wenden?<br />

• Nehmen Sie Kontakt zu den Beratungsstellen <strong>in</strong> Ihrer Umgebung auf <strong>und</strong><br />

fragen Sie nach, welche Unterstützung gebraucht wird. Auch Kollekten<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuelle Geldspenden können helfen.<br />

• Die Landesregierung, aber auch die lokale Polizei <strong>und</strong> Justiz können angefragt<br />

werden, was bereits getan wird bezüglich <strong>der</strong> Strafverfolgung <strong>und</strong><br />

zum Schutz <strong>und</strong> zur Unterstützung <strong>der</strong> betroffenen Frauen.<br />

• Bek<strong>und</strong>en Sie e<strong>in</strong> öffentliches Interesse an <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> politischen<br />

Beschlüsse.<br />

Wenn Sie Veranstaltungen zum Thema planen, können die Beratungsstellen<br />

sicherlich Referent<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Referenten vermitteln. Sie können sich auch an<br />

die B<strong>und</strong>esgeschäftsstelle <strong>der</strong> Evangelischen Frauenarbeit (Tel. 069­<br />

9580120, Emil-von-Behr<strong>in</strong>gstr, 3, 60439 FrankfurtIM), an IN VIA<br />

82


(Katholische Mädchensozialarbeit - <strong>Deutsche</strong>r Verband e.V., z.Hd. Johanna<br />

Eimmermacher, Postfach 420, 79004 Freiburg) o<strong>der</strong> den <strong>Deutsche</strong>n Caritasverband<br />

(z.Hd. Mart<strong>in</strong>a Liebsch, Postfach 420, 79004 Freiburg) wenden.<br />

2. "Verfolgte Frauen schützen"<br />

So heißt e<strong>in</strong>e Aktion vom <strong>Deutsche</strong>n Frauenrat, Pro Asyl <strong>und</strong> dem<br />

Diakonischen Werk <strong>der</strong> EKD zur Anerkennung geschlechtsspezifischer<br />

Verfolgungsgründe von Frauen im Asylverfahren, die auch von chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Frauenverbänden unterstützt wird. Es werden Unterschriften gesammelt, die<br />

an Politiker<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Politiker des B<strong>und</strong>estags übergeben werden sollen.<br />

o Geschlechtsspezitische Verfolgungsgründe <strong>und</strong> die Probleme bei <strong>der</strong><br />

Anerkennung<br />

Die me<strong>ist</strong>en Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Welt s<strong>in</strong>d Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik<br />

s<strong>in</strong>d sie e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit unter den Asylsuchenden. Ihre Anerkennungschancen<br />

s<strong>in</strong>d ger<strong>in</strong>g. Nach <strong>der</strong> Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention haben<br />

sich über 100 Staaten verpflichtet, politisch Verfolgten Asyl zu gewähren.<br />

Was aber gilt als politische Verfolgung? Die Genfer Konvention hält fest,<br />

daß die Menschen geschützt werden müssen, die verfolgt werden wegen ihrer<br />

Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er bestimmten sozialen<br />

Gruppe o<strong>der</strong> wegen ihrer politischen Überzeugung.<br />

International wird beobachtet, daß Menschenrechtsverletzungen an Frauen<br />

drastisch zugenommen haben. Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> ethnischen Konflikten wird Vergewaltigung<br />

teilweise als politische Strategie e<strong>in</strong>gesetzt. Die Gebärfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Frauen wird mißbraucht, um die ethnische Identität e<strong>in</strong>es Volkes anzugreifen,<br />

das für politische Unabhängigkeit kämpft. In Kriegs- <strong>und</strong> Krisengebieten<br />

s<strong>in</strong>d die politischen Gegner häufig verschanzt h<strong>in</strong>ter dem modemen<br />

Waffensystem <strong>und</strong> nicht direkt erreichbar. Die Aggression richtet sich vermehrt<br />

gegen die Zivilbevölkerung. Im Asylverfahren <strong>ist</strong> es für die Frauen<br />

schwer, wenn nicht gar unmöglich zu beweisen, daß die Vergewaltigung<br />

nicht die Straftat e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Krim<strong>in</strong>ellen war, son<strong>der</strong>n Teil <strong>der</strong> politischen<br />

Verfolgungsstrategie.<br />

83


In vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt werden Regeln speziell für Frauen aufgestellt, die<br />

mit <strong>der</strong> Menschenwürde nicht vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d, wie z.B. strenge Klei<strong>der</strong>vorschriften,<br />

das Verbot <strong>der</strong> außerhäuslichen Erwerbstätigkeit, versperrter Zugang<br />

zu Bildung <strong>und</strong> Ausbildung, Vorenthaltung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Gr<strong>und</strong>versorgung<br />

für Frauen. Frauen, die gegen diese Regeln verstoßen o<strong>der</strong> sie<br />

bekämpfen, werden nicht selten verfolgt. Im Asylverfahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik<br />

s<strong>in</strong>d die Chancen <strong>der</strong> Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ger<strong>in</strong>g, denn <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong><br />

Frauen für ihre Rechte als Frauen wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht als politische Betätigung<br />

betrachtet <strong>und</strong> die Verfolgung auch nicht.<br />

Im Asylverfahren wird geprüft, ob die politische Verfolgung vom Staat ausg<strong>in</strong>g.<br />

In vielen Län<strong>der</strong>n geht die Verfolgung aber nicht vom Staat, son<strong>der</strong>n<br />

von gegnerischen Gruppen aus, <strong>in</strong> manchen Län<strong>der</strong>n <strong>ist</strong> die staatliche Ordnung<br />

zusammengebrochen. Dann <strong>ist</strong> es schwer, als politisch verfolgt anerkannt<br />

zu werden.<br />

Viele Frauen werden auch von den eigenen Familien verfolgt <strong>und</strong> bedroht.<br />

Manche fliehen vor Zwangsverheiratung, sie fliehen, weil sie befiirchten, daß<br />

e<strong>in</strong> Mitgiftmord geplant wird. In vielen dieser Fälle gibt es ke<strong>in</strong>e staatliche<br />

Stelle <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Institution, an die sich Frauen hilfesuchend wenden können.<br />

Im Asylverfahren s<strong>in</strong>d die Chancen <strong>der</strong> Frauen äußerst ger<strong>in</strong>g.<br />

Als Menschenrechtsverletzungen an Frauen bzw. (werdenden) Müttern, die<br />

auch Fluchtgründe darstellen, werden bei <strong>in</strong>ternationalen Konferenzen genannt:<br />

Zwangssterilisation, Zwangsschwangerschaftsabbruch, vorgeburtliche<br />

Geschlechtsselektion, Tötung weiblicher Säugl<strong>in</strong>ge, genitale Verstümmelung<br />

u.a.<br />

o Anerkennung <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

Auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene werden die Menschenrechtsverletzungen an<br />

Frauen, die geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründe von Frauen <strong>und</strong> die<br />

beson<strong>der</strong>e Schutzbedürftigkeit <strong>der</strong> Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter den Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />

<strong>in</strong>tensiv diskutiert, <strong>und</strong> es werden spezielle Programme <strong>und</strong> Hilfsmaßnahmen<br />

geplant. Die Diskussion <strong>ist</strong> <strong>in</strong> den europäischen Län<strong>der</strong>n eher zurückgeblieben<br />

<strong>und</strong> kommt nur zäh <strong>in</strong> Gang.<br />

84


,<br />

In Län<strong>der</strong>n wie Kanada, den USA <strong>und</strong> Australien wurden <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung geschlechtsspezifischer<br />

Verfolgung geschaffen.<br />

Die Konferenz <strong>der</strong> Frauenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gleichstellungsbeauftragten<br />

<strong>der</strong> (B<strong>und</strong>es-) Län<strong>der</strong> for<strong>der</strong>ten im Juni 1997, daß die Erfahrungen aus diesen<br />

Län<strong>der</strong>n geprüft werden sollten im H<strong>in</strong>blick darauf, ob entsprechende<br />

Regelungen auch für die B<strong>und</strong>esrepublik s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> könnten.<br />

In vielen europäischen Län<strong>der</strong>n wird die Befiirchtung geäußert, daß die Anerkennung<br />

geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe zu e<strong>in</strong>er Massenflucht<br />

<strong>der</strong> Frauen <strong>in</strong> die entsprechenden Län<strong>der</strong> fuhren könnte. Die Erfahrungen<br />

z.B. aus Kanada wi<strong>der</strong>legen dies. Seit <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> geschlechtsspezifischen<br />

Verfolgungsgr<strong>und</strong>e <strong>in</strong> die Richtl<strong>in</strong>ien zum Asylgesetz 1993 haben<br />

lediglich knapp über 1000 Frauen unter Berufung auf die frauenspezifischen<br />

Gründe Asyl beantragt, <strong>und</strong> mehr als 600 erhielten Asyl.<br />

_ 0 Probleme von Frauen im Asylverfahren<br />

Das Asylverfahren <strong>in</strong> Deutschland wird <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Frauen viel zu wenig<br />

gerecht. Frauenspezifische Verfolgungsgr<strong>und</strong>e kommen bei <strong>der</strong> Anhörung<br />

selten zur Sprache. Sie werden nicht abgefragt, <strong>und</strong> die Frauen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

dieser Situation kurz nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>reise <strong>in</strong> die B<strong>und</strong>esrepublik kaum <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage, darüber zu sprechen. Sie schämen sich viel zu sehr, wollen den Ehemann<br />

nicht belasten o<strong>der</strong> haben ke<strong>in</strong> Vertrauen zu den an <strong>der</strong> Anhörung Beteiligten.<br />

In <strong>der</strong> Schweiz gibt es seit 1997 Vorschriften zur beson<strong>der</strong>s sensiblen Anhörung<br />

von Frauen, wenn geschlechtsspezifische Verfolgungsgr<strong>und</strong>e e<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielen könnten. Es müßte geprüft werden, ob diese Vorschriften auch für<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> könnten.<br />

Das B<strong>und</strong>esamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Nürnberg<br />

fuhrt <strong>der</strong>zeit Fortbildungen für die Entschei<strong>der</strong><strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Entschei<strong>der</strong> im<br />

Asylverfahren zur Sensibilisierung für die beson<strong>der</strong>e Situation von Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen<br />

durch. Dies <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wichtiger Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung, aber<br />

es reicht noch nicht.<br />

85


o Asylsuchende Frauen <strong>in</strong> den Sammelunterkünften<br />

E<strong>in</strong> weiteres Problem <strong>ist</strong> die Situation von Frauen <strong>in</strong> den großen Sammelunterkünften<br />

für Asylsuchende. Hier s<strong>in</strong>d nicht selten e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit<br />

von Frauen auf engem Raum untergebracht mit e<strong>in</strong>er großen Mehrheit von<br />

überwiegend alle<strong>in</strong> geflüchteten Männern. Die me<strong>ist</strong>en befmden sich <strong>in</strong> extrem<br />

schwierigen Lebenssituationen. Beson<strong>der</strong>s die alle<strong>in</strong> geflüchteten<br />

Frauen <strong>und</strong> Mädchen leben <strong>in</strong> Angst vor sexuellen Belästigungen <strong>und</strong> Übergriffen.<br />

Viele Frauen leben sehr zurückgezogen <strong>in</strong> den beengten Zimmern.<br />

=> Was können wir auf unterschiedlichen Ebenen tun?<br />

* Diskutieren Sie die Situation von Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de.<br />

(Materialien zur Aktion "Verfolgte Frauen schützen" gibt es vom <strong>Deutsche</strong>n<br />

Frauenrat, von <strong>der</strong> Evangelischen Frauenarbeit, dem Diakonischen Werk <strong>der</strong><br />

EKD, vom <strong>Deutsche</strong>n Caritasverband Abteilung Migration, von In Via<br />

Katholische Mädchensozialarbeit deutscher Verband, vom Katholischen<br />

<strong>Deutsche</strong>n Frauenb<strong>und</strong>, <strong>der</strong> Katholischen Frauengeme<strong>in</strong>schaft Deutschlands,<br />

<strong>der</strong> Projektgruppe "Frauen <strong>und</strong> Menschenrechte" <strong>der</strong> deutschen Kommission<br />

Justitia et Pax <strong>und</strong> von Pro Asyl.) Die Aktion kann durch das Sammeln von<br />

Unterschriften o<strong>der</strong> durch die Durchfiihrung von Diskussionsveranstaltungen<br />

unterstützt werden, zum Beispiel während <strong>der</strong> Woche <strong>der</strong> ausländischen<br />

Mitbürger o<strong>der</strong> auch beim Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen<br />

am 25. November o<strong>der</strong> beim Tag <strong>der</strong> Menschenrechte am 10. Dezember.<br />

* Derzeit gibt es auf politischer Ebene Initiativen zur Anerkennung geschlechtsspezifischer<br />

Verfolgungsgründe. Sprechen Sie mit Ihrer/rn B<strong>und</strong>estagsabgeordneten.<br />

* Die chr<strong>ist</strong>lichen Initiativen, die sich <strong>der</strong> Asylsuchenden annehmen, le<strong>ist</strong>en<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Arbeit. Sie setzen sich unter an<strong>der</strong>em auch für den Schutz <strong>der</strong><br />

Frauen <strong>in</strong> den Unterkünften für Asylsuchende e<strong>in</strong>. Wo gibt es Unterkünfte<br />

für Asylsuchende <strong>in</strong> Ihrer Stadt o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Ihrem Landkreis? Nehmen Sie Kontakt<br />

zu den Engagierten <strong>und</strong> zu den Flüchtl<strong>in</strong>gen selbst auf <strong>und</strong> klären Sie im<br />

Gespräch, welche Hilfen nötig s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> wie Sie sie unterstützen können.<br />

86


* Die psychosozialen Zentren unterstützen Flüchtl<strong>in</strong>ge, dlie schweres Leid<br />

erlebt haben, bei <strong>der</strong> Bewältigung ihrer Probleme. Dies s<strong>in</strong>d die Orte, an<br />

denen sich auch manche Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen öffnen <strong>und</strong> über ihre geschlechtsspezifische<br />

Verfolgung sprechen können. Die psychosozialen Zentren<br />

müssen erhalten bleiben. Sie können auch durch Spenden o<strong>der</strong> Fördemitgliedschaften<br />

unterstützt werden.<br />

CJ Literatur:<br />

• Flucht <strong>in</strong>s Asyl? Zur Situation von Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen im Asylverfahren<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> Sammelunterkünften, Dokumentation e<strong>in</strong>er Fachtagung von 1995,<br />

Hrsg. Evangelische Frauenarbeit <strong>in</strong> Deutschland<br />

• Diakonisches Werk <strong>der</strong> EKD (Hrsg.), Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. For<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Empfehlungen, Diakonie-Korrespondenz<br />

2/98, Stuttgart 1998<br />

• ludith Rosner, Asylsuchende Frauen, Frankfurt 1996<br />

• Frauen auf<strong>der</strong> Flucht - Ihre Rechte im Asylverfahren, Dokumentation des<br />

jur<strong>ist</strong>ischen Symposiums <strong>in</strong> Hamburg am 25. 2. 1997, Seaaisant für<br />

GIeichstellung<br />

• Informationen über Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen <strong>und</strong> ihre Fluchtgründe wehweit gibt<br />

es auch vom Hohen Flüchtl<strong>in</strong>gskommissariat <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />

(UNHCR), von arnnesty <strong>in</strong>ternational <strong>und</strong> Pro Asyl.<br />

87


Flucht- sowie an<strong>der</strong>en Migrationsursachen - <strong>und</strong> damit auch <strong>und</strong> erst recht<br />

darum, daß die Zahl <strong>der</strong> Menschen ohne Aufenthaltsrecht nicht weiter anwächst;<br />

an<strong>der</strong>erseits kann soziale Nothilfe auch zu e<strong>in</strong>er Sogwirkung beitragen.<br />

Diesem Dilemma können sich die Kirchen aber so lange nicht entziehen,<br />

wie sie das Wort Jesu ernst nehmen: " Was ihr dem Ger<strong>in</strong>gsten me<strong>in</strong>er Brü<strong>der</strong><br />

getan habt, das habt ihr mir getan. "<br />

(8.) Kirchliche Hilfe für Menschen ohne Aufenthaltsrecht <strong>ist</strong> aber nicht nur<br />

soziale Hilfe. Der diakonisch-advokatorische Auftrag <strong>der</strong> Kirchen ruft diese<br />

auch auf, politisch <strong>und</strong> rechtlich Fürsprecher von Menschen ohne Aufenthaltsrecht<br />

zu se<strong>in</strong>. Dieser E<strong>in</strong>satz kann dar<strong>in</strong> bestehen, aufbestehende Legalisierungsmöglichkeiten<br />

h<strong>in</strong>zuweisen bzw. sich für weitere Möglichkeiten, wie<br />

sie beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> UNO-Konvention zum Schutze <strong>der</strong> Rechte aller<br />

ausländischen Arbeitskräfte <strong>und</strong> ihrer Familienangehörigen (Resolution <strong>der</strong><br />

UN-Generalversammlung, NI. 451158 vom 18. Dezember 1990) o<strong>der</strong> im<br />

Übere<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Übere<strong>in</strong>kommen<br />

Nr. 143) vorgesehen s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

(9.) Das Ziel jeglicher Hilfe für Menschen ohne Aufenthaltsrecht sollte dar<strong>in</strong><br />

liegen, e<strong>in</strong>en legalen Aufenthaltsstatus für den Betroffenen zu erreichen. Dies<br />

kann durch Legalisierung im Aufenthaltsstaat geschehen, durch Weiterwan<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en aufnahmebereiten Drittstaat o<strong>der</strong> durch gefahrlose Rückkehr<br />

<strong>in</strong> die Heimat. Das "Verstecken" von Menschen darf nicht <strong>in</strong> Betracht kommen.<br />

Dies wi<strong>der</strong>spräche nicht nur dem geltenden Recht; vielmehr wäre dies<br />

vor allem auch e<strong>in</strong> Verhalten, das die Würde des Betroffenen verletzt <strong>und</strong><br />

ihm <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erlei H<strong>in</strong>sicht menschengerechte Lebensperspektiven eröffnet,<br />

(10.) Wer Menschen ohne Aufenthaltsrecht hilft, muß sich nicht, kann sich<br />

aber unter Umständen strafbar machen (vgl. §§ 92ff Auslän<strong>der</strong>gesetz). Als<br />

strafbar kann gr<strong>und</strong>sätzlich jedes Verhalten gelten, das den rechtswidrigen<br />

Aufenthalt weiter verfestigt.<br />

(11.) Die Erfahrung hat gezeigt, daß Verständnis für Menschen ohne Aufenthaltsrecht<br />

<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>den nur <strong>in</strong> dem Maße besteht, wie es dort bereits e<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong>e Aufgeschlossenheit für menschliche Notsituationen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch für Flüchtl<strong>in</strong>ge, gibt. Wer die Situation "legaler Flüchtl<strong>in</strong>ge" nicht mit<br />

Verständnis <strong>und</strong> Wohlwollen betrachtet, wird erst recht nicht die Situation<br />

90


irregulärer Flüchtl<strong>in</strong>ge nachvollziehen können. Nachfolgend werden e<strong>in</strong>ige<br />

Anregungen für Orientierungshilfen gegeben.<br />

o Bewußtse<strong>in</strong>sbildende Hilfen<br />

Manche Geme<strong>in</strong>den werden häufig mit .Auslän<strong>der</strong>fragen", vor allem mit<br />

.Flüchtl<strong>in</strong>gsfragen", erst dann konfrontiert, wenn e<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>g an die Tür<br />

klopft <strong>und</strong> um Hilfe, im Extremfall sogar um .Kirchenasyl", bittet. Dann<br />

s<strong>in</strong>d sie fast immer überfor<strong>der</strong>t <strong>und</strong> können nur ablehnen. Dies muß aber<br />

. nicht so se<strong>in</strong>.<br />

=> F<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>teressierte Geme<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong> zusammen, dann können sie<br />

bewußtse<strong>in</strong>sbildend damit beg<strong>in</strong>nen, sich mit <strong>der</strong> Situation von Flüchtl<strong>in</strong>gen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von Menschen ohne Aufenthaltsrecht, ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen<br />

<strong>und</strong> ihre Haltung als Chr<strong>ist</strong>en zu diesem Thema klären. Wenn es<br />

z.B. schon e<strong>in</strong>en "Dritte-Welt- bzw. E<strong>in</strong>e-Welt-Kreis" gibt, könnte an<br />

diesen angeknüpft werden.<br />

=> Wichtig <strong>ist</strong> es auch, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de gezielt e<strong>in</strong>e Atmosphäre zu schaffen,<br />

die Fremde willkommen heißt, <strong>und</strong> zwar ungeachtet ihres aufenthaltsrechtlichen<br />

o<strong>der</strong> sozialen Status. Dies kann geschehen bei Gottesdiensten,<br />

aber auch bei Geme<strong>in</strong>deveranstaltungen wie Festen <strong>und</strong> Fahrten. E<strong>in</strong>ladungen<br />

zum Gottesdienst <strong>und</strong> zu Veranstaltungen können unter Flüchtl<strong>in</strong>gen,<br />

am besten im Geme<strong>in</strong>desprengel, verteilt werden.<br />

=> Es kann sodann gr<strong>und</strong>sätzlicher über die Aufgaben <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de nachgedacht<br />

werden. Hierbei können auch Motivationen abgeklopft werden:<br />

Warum wurde <strong>in</strong> diesem Fall Hilfe gele<strong>ist</strong>et, <strong>in</strong> jenem Fall Hilfe verweigert?<br />

Wurde e<strong>in</strong>em Auslän<strong>der</strong> ohne Aufenthaltsrecht nur deswegen nicht<br />

weitergeholfen, weil er e<strong>in</strong> Auslän<strong>der</strong> ohne Aufenthaltsrecht <strong>ist</strong>?<br />

=> Sachgerechte Informationen über Migration <strong>und</strong> Flucht könnten fester<br />

Bestandteil des Bildungsprogramms <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de werden.<br />

=> In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de könnte auch nach e<strong>in</strong>em Ansprechpartner o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ansprechpartner<strong>in</strong> für Migrationsfragen gesucht werden. Dies könnte die<br />

91


Hauptamtlichen <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>degremien entlasten <strong>und</strong> helfen, Anfragen<br />

erst e<strong>in</strong>mal zu sortieren.<br />

=> Denkbar wäre auch die E<strong>in</strong>richtung von Sachausschüssen "Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

<strong>und</strong> Migranten". Dort könnten die Erfahrungen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong>den<br />

ausgetauscht <strong>und</strong> ihre Basisarbeit vernetzt werden.<br />

=> In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de könnte auch thematisiert werden, daß es zwar "billiger"<br />

<strong>ist</strong>, "illegale" Arbeitskräfte zu beschäftigen, aber nicht menschenwürdiger<br />

für die Beschäftigten.<br />

=> Wichtig s<strong>in</strong>d auch Gesprächs- <strong>und</strong> Vemetzungsforen, um sich gegenseitig<br />

Rückmeldung <strong>und</strong> Auf<strong>in</strong>unterung zu geben. Die Arbeit für Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

<strong>und</strong> Migranten <strong>ist</strong> angesichts <strong>der</strong> politischen <strong>und</strong> jur<strong>ist</strong>ischen Lage oft von<br />

so wenig Erfolg gekrönt, daß viele bereitwillige Helfer/<strong>in</strong>nen zu resignieren<br />

drohen bzw. e<strong>in</strong>es Tages tatsächlich frustriert aufgeben.<br />

=> In den Geme<strong>in</strong>den könnten Gruppenangebote vor allem für Flüchtl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

geschaffen werden.<br />

D Vorsorgliche Hilfen<br />

=> Es <strong>ist</strong> wichtig, <strong>in</strong> Nachbarschaft <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreis auf<strong>in</strong>erksam zu se<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> dieses Umfeld zu sensibilisieren: Viele Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Illegalität<br />

versuchen, ihre Lage selbst vor ihren Fre<strong>und</strong>en zu verbergen, um nicht<br />

entdeckt zu werden, auch wenn sie Be<strong>ist</strong>and dr<strong>in</strong>gend nötig hätten.<br />

=> Geme<strong>in</strong>demitglie<strong>der</strong> können Besuchsdienste <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abschiebungshaft<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Asylbewerberheimen le<strong>ist</strong>en bzw. e<strong>in</strong>richten.<br />

=> In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de könnte e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e L<strong>ist</strong>e von Ärzten <strong>und</strong> Zahnärzten<br />

angelegt werden, die im Notfall bereit wären, auch e<strong>in</strong>mal kostenlose<br />

Hilfe zu le<strong>ist</strong>en.<br />

=> Das gleiche gilt für e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e L<strong>ist</strong>e K<strong>und</strong>iger <strong>in</strong> Fremdsprachen, die im<br />

Bedarfsfall Übersetzungshilfe le<strong>ist</strong>en können.<br />

92


Thema 11<br />

Geme<strong>in</strong>den le<strong>ist</strong>en Flüchtl<strong>in</strong>gen Schutz <strong>und</strong> Hilfe<br />

("Kirchenasyl")<br />

o H<strong>in</strong>tergründe<br />

Die Zahl <strong>der</strong> von e<strong>in</strong>er Abschiebung betroffenen bzw. bedrohten Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

<strong>in</strong> Deutschland <strong>ist</strong> <strong>in</strong> den letzten Jahren erheblich angewachsen. In konkreten<br />

E<strong>in</strong>zelfällen haben <strong>in</strong> den letzten Jahren Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den auf ungewöhnliche<br />

Weise zugunsten von Flüchtl<strong>in</strong>gen öffentlich <strong>in</strong>terveniert, für die<br />

sie im Falle e<strong>in</strong>er Abschiebung e<strong>in</strong>e Gefährdung an Leib <strong>und</strong> Leben als<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich annehmen. Beson<strong>der</strong>s das sogenannte .Kirchenasyl", die<br />

Aufnahme von Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> kirchlichen Räumen zum Schutz vor e<strong>in</strong>er<br />

Abschiebung, hat für erhebliche Unruhe <strong>und</strong> Diskussionsstoff gesorgt. Die<br />

e<strong>in</strong>en weisen es strikt zurück, <strong>der</strong> Kirche e<strong>in</strong> Recht aufE<strong>in</strong>mischung zuzugestehen,<br />

nachdem <strong>der</strong> Rechtsweg für e<strong>in</strong>zelne Flüchtl<strong>in</strong>ge sche<strong>in</strong>bar o<strong>der</strong> tatsächlich<br />

ausgeschöpft <strong>ist</strong> <strong>und</strong> die Abschiebung angedroht wird. An<strong>der</strong>e sehen<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ernsthaften Gewissenskonflikt, da sie die mit <strong>der</strong> Abschiebung<br />

verb<strong>und</strong>enen <strong>in</strong>humanen Härten o<strong>der</strong> erwartete Gefahren für Leib <strong>und</strong> Leben<br />

im Rückkehrland als Verstoß gegen e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>ternational gebotenen Schutz des<br />

Lebens empfmden.<br />

E<strong>in</strong>e sachgerechte Diskussion darf sich nicht alle<strong>in</strong> auf jur<strong>ist</strong>ische o<strong>der</strong> gar<br />

strafrechtliche Fragen verengen. Sie <strong>ist</strong> we<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Asyl- <strong>und</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gspolitik noch von <strong>der</strong> Forde-<br />

94


ung nach e<strong>in</strong>em umfassenden migrations- <strong>und</strong> <strong>in</strong>tegrationspolitischen Ge-<br />

•<br />

samtkonzept abzutrennen, das <strong>der</strong> Situation Deutschland als faktischem<br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland neuen Typs gerecht zu werden hat <strong>und</strong> ferner e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es<br />

Augenmerk aufdie Fluchtursachenbekämpfung im Rahmen <strong>der</strong> Außen<strong>und</strong><br />

Entwicklungspolitik richtet. .Kirchenasyl" <strong>ist</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne nur als<br />

das letzte Glied <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kette umfassen<strong>der</strong> Solidarität zu sehen.<br />

Die bischöfliche Kommission für Migrationsfragen (<strong>Deutsche</strong> Bischofskonferenz)<br />

hat zu dieser Problematik e<strong>in</strong>e umfängliche Ausarbeitung vorgelegt.<br />

Im folgenden dokumentieren wir die Hauptgedanken dieser Argumentations<strong>und</strong><br />

Entscheidungshilfe.<br />

oHauptgedanken<br />

1. "Heilige Orte" (Asylstätten) mit e<strong>in</strong>er eigenen Gesetzlichkeit hat es zwar <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Religionen gegeben. Im modemen Rechtsstaat<br />

<strong>ist</strong> jedoch <strong>der</strong> sakrale Ort ke<strong>in</strong> rechtsfreier Raum mehr. Da folglich nur<br />

<strong>der</strong> Staat Flüchtl<strong>in</strong>ge anerkennen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Asyl gewähren kann, nimmt<br />

.Kirchenasyl" e<strong>in</strong>en solchen rechtsfreien Raum nicht <strong>in</strong> Anspruch.<br />

2. .Kirchenasyl" <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Versuch, dem <strong>der</strong> begründeten Befürchtung nach zu<br />

Unrecht abgewiesenen Flüchtl<strong>in</strong>g zu se<strong>in</strong>em Recht zu verhelfen. Es geht um<br />

e<strong>in</strong>e Be<strong>ist</strong>andsle<strong>ist</strong>ung, die primär tatsächlich gefährdeten Personen den nötigen<br />

Schutz gibt <strong>und</strong> dadurch <strong>in</strong>direkt e<strong>in</strong> besseres <strong>und</strong> gerechteres Flüchtl<strong>in</strong>gsrecht<br />

im E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>klagt. We<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Opposition gegen den Staat<br />

noch e<strong>in</strong>e Relativierung von dessen Rechtsprechung <strong>ist</strong> damit angezielt.<br />

3. Die Kirche fühlt sich zu e<strong>in</strong>er kritischen Haltung <strong>und</strong> Wachsamkeit aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

die Gr<strong>und</strong>werte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em demokratischen Geme<strong>in</strong>wesen zu wahren.<br />

Diese Wachsamkeit <strong>ist</strong> beson<strong>der</strong>s geboten, da sich auch seit <strong>der</strong> Asylrechtsän<strong>der</strong>ung<br />

vom 01.07.1993 Fälle von Fehlle<strong>ist</strong>ungen <strong>der</strong> Verwaltung <strong>und</strong><br />

Gerichte sowie Mängel bei <strong>der</strong> Durchführung des Asylverfahrens mit zum<br />

Teil fatalen Folgen für die Betroffenen aufzeigen lassen. Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />

ergibt sich e<strong>in</strong>e Be<strong>ist</strong>andspflicht, das Flüchtl<strong>in</strong>gen versagte Recht vom<br />

Staat e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />

95


•<br />

4. Infolge <strong>der</strong> Asylrechtsän<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er restriktiven Auslegung des<br />

"politischen Asyls" wird die Diskrepanz zwischen dem rechtlich anerkannten<br />

politischen Asyl <strong>und</strong> dem tatsächlichen Schutzbedürfnis von Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />

entsprechend <strong>der</strong> Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er <strong>in</strong>ternationaler<br />

Konventionen größer. Das fuhrt zu e<strong>in</strong>er wachsenden Kluft <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt<br />

Chr<strong>ist</strong>en zunehmend <strong>in</strong> Gewissenskonflikte.<br />

5. Wenn es um das Gr<strong>und</strong>recht des Menschen auf Leib <strong>und</strong> Leben geht, kann<br />

sogar <strong>der</strong> Grenzfall e<strong>in</strong>es Verstoßes e<strong>in</strong>treten. Verantwortbar <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tervention<br />

gegen e<strong>in</strong>e rechtskräftige Abschiebeandrohung nur bei e<strong>in</strong>er ernsthaften<br />

Gewissensprüfung <strong>und</strong> -entscheidung.<br />

6. Die Bitte e<strong>in</strong>es Flüchtl<strong>in</strong>gs um Be<strong>ist</strong>and <strong>und</strong> Schutz im Falle e<strong>in</strong>er angedrohten<br />

Abschiebung kann Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ethische Konfliktsituation<br />

führen. Gegenüber den rechtsstaatlich getroffenen Entscheidungen<br />

klagen sie <strong>der</strong>en mangelnde Legitimität e<strong>in</strong>: beson<strong>der</strong>s im H<strong>in</strong>blick auf<br />

f<strong>und</strong>amentale Rechte, wie es beispielsweise das Recht aufUnversehrtheit des<br />

Lebens, aber auch das Asylrecht als Menschenrecht darstellt. Dies wird nicht<br />

nur vom Glaubensethos, son<strong>der</strong>n auch vom staatsbürgerlichen Ethos begründet.<br />

7. E<strong>in</strong>e Be<strong>ist</strong>ands- <strong>und</strong> Schutzgewährung kommt nur dann <strong>in</strong> Frage, wenn <strong>der</strong><br />

Schutzsuchende sich selbst mit <strong>der</strong> Bitte um Hilfe an Amtsträger o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kirche wendet. We<strong>der</strong> den Flüchtl<strong>in</strong>gen noch den verantwortlichen<br />

Geme<strong>in</strong>den darf e<strong>in</strong> .Kirchenasyl" aufgenötigt werden. Schließlich<br />

haben sowohl <strong>der</strong> Schutzsuchende als auch <strong>der</strong> Schutzgewährende jeweils die<br />

Letztverantwortung für das eigene Handeln.<br />

8. Das Engagement von Chr<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den, die sich durch<br />

.Kirchenasyl" e<strong>in</strong>er drohenden Abschiebung <strong>in</strong> den Weg stellen, geht von<br />

E<strong>in</strong>zelfällen aus <strong>und</strong> richtet sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf E<strong>in</strong>zelmaßnahmen. Ihre<br />

Be<strong>ist</strong>ands- <strong>und</strong> Schutzgewährung <strong>ist</strong> dabei als "ultima ratio", das heißt, als<br />

letztes zur Verfiigung stehendes Mittel zur Abwendung e<strong>in</strong>er akuten Gefahr<br />

für Leib o<strong>der</strong> Leben e<strong>in</strong>es von Abschiebung bedrohten Flüchtl<strong>in</strong>gs, zu verstehen.<br />

96


9. .Kirchenasyl" <strong>ist</strong> längerfr<strong>ist</strong>ig ke<strong>in</strong> geeignetes Mittel, um Mängel im geltenden<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsrecht auszugleichen. Letztlich muß alles daran gesetzt<br />

werden, politische Lösungen zur Verbesserung des staatlichen Flüchtl<strong>in</strong>gsschutzes<br />

anzustreben. .<br />

10. Als "ultima ratio" stellt .Kirchenasyl'' e<strong>in</strong>en Akt <strong>der</strong> Nothilfe für Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

dar. Notwendig werden neben diesem allerletzten Mittel aber auch <strong>und</strong><br />

vielleicht noch mehr die ersten, präventiven Mittel zur Schutz- <strong>und</strong> Be<strong>ist</strong>andsgewährung<br />

von Flüchtl<strong>in</strong>gen. Viele Möglichkeiten, beispielsweise <strong>der</strong><br />

rechtzeitigen Beratung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit, s<strong>in</strong>d noch lange nicht<br />

ausgeschöpft.<br />

11. Ziel e<strong>in</strong>er vorbeugenden Flüchtl<strong>in</strong>gsarbeit <strong>ist</strong> es, darauf h<strong>in</strong>zuwirken, daß<br />

e<strong>in</strong> .Kirchenasyl" nicht erfor<strong>der</strong>lich wird. Zu e<strong>in</strong>er solchen präventiven<br />

Sorge gehört e<strong>in</strong>e frühzeitige Kontaktaufnahme zwischen Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong><br />

Kirchengeme<strong>in</strong>den. Die Gewährung von .Kirchenasyl" <strong>ist</strong> Ausdruck <strong>und</strong><br />

letzte Konsequenz e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satzes für Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es<br />

entsprechenden gesellschaftspolitischen Engagements.<br />

12. Im Bedarfsfall kann es hilfreich se<strong>in</strong>, .Kirchenasyl" <strong>in</strong> b<strong>in</strong>nenkirchlicher<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> ökumenischer Vernetzung <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit außerkirchlichen<br />

gesellschaftlichen Gruppen bzw. Organisationen durchzufiihren.<br />

97


Thema 12<br />

"Ich war fremd ...."<br />

Beratung <strong>und</strong> Hilfen durch Caritas <strong>und</strong> Diakonie<br />

1. Ziele, Aufgaben <strong>und</strong> Strukturen <strong>der</strong> Fachdienste<br />

Diakonie <strong>und</strong> Caritas wollen mit ihren verschiedenen Diensten im Migrationsbereich<br />

vor allem folgende Ziele erreichen:<br />

• die Integration <strong>der</strong> auf Dauer o<strong>der</strong> auf unbestimmte Zeit <strong>in</strong> Deutschland<br />

lebenden zugewan<strong>der</strong>ten <strong>und</strong> zuwan<strong>der</strong>nden Menschen;<br />

• das Erhalten <strong>und</strong> För<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungskompetenz<br />

bei voraussichtlich vorübergehend <strong>in</strong> Deutschland lebenden Migranten.<br />

Dies be<strong>in</strong>haltet sowohl Orientierungshilfen <strong>in</strong> Deutschland als auch Hilfen<br />

bei <strong>der</strong> Rückkehr <strong>und</strong> Weiterwan<strong>der</strong>ung;<br />

• die Gewährle<strong>ist</strong>ung des Schutzes von Flüchtl<strong>in</strong>gen, <strong>der</strong>en Leben o<strong>der</strong><br />

Freiheit gefährdet <strong>ist</strong>;<br />

• die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung, Zuwan<strong>der</strong>er<br />

positiv aufzunehmen <strong>und</strong> ihre gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Leben zu gewährle<strong>ist</strong>en.<br />

Die Aufgabengebiete <strong>der</strong> Fachdienste für Migranten lassen sich unterteilen <strong>in</strong><br />

Hilfen während <strong>der</strong> ersten Zeit des Aufenthalts <strong>und</strong> solche nach e<strong>in</strong>em längeren<br />

Aufenthalt. Generell umfassen die Aufgaben <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Vermittlung<br />

e<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>orientierung durch e<strong>in</strong>e Erstberatung, Sprach- <strong>und</strong> Kommu-<br />

98


nikationsför<strong>der</strong>ung, Beratung zu Verfahrens- <strong>und</strong> Rechtsfragen, Sozialberatung,<br />

Beratung <strong>in</strong> Fragen von Aufenthaltsmöglichkeiten <strong>in</strong> Deutschland,<br />

Weiterwan<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Rückkehr, psycho-soziale Beratung etc.<br />

Trotz vieler Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>der</strong> unterschiedlichen Migrantengruppen gibt<br />

es wesentliche Unterschiede, die vor allem begründet s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Herkunft, den kulturellen Prägungen, <strong>der</strong> Religion <strong>und</strong> den<br />

Wertvorstellungen, den Wan<strong>der</strong>ungsmotiven <strong>und</strong> -gründen, <strong>der</strong> Aufenthaltsdauer<br />

<strong>und</strong> den Zukunftsperspektiven sowie nicht zuletzt <strong>in</strong> dem jeweiligen<br />

Rechtsstatus <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen unterschiedlichen staatlichen Le<strong>ist</strong>ungen.<br />

Als Anwort auf diese Differenzierungen unterhalten Diakonie <strong>und</strong><br />

Caritas bezogen auf e<strong>in</strong>zelne Migrantengruppen (Aussiedler, Flüchtl<strong>in</strong>ge,<br />

ausländische Arbeitnehmer <strong>und</strong> ihre Familien, Aus- <strong>und</strong> Weiterwan<strong>der</strong>er)<br />

differenzierte Fachdienste mit spezifischem Fachwissen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em differenzierten<br />

Angebot von Beratung <strong>und</strong> sonstigen Maßnahmen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus werden nationalitäten- <strong>und</strong> statusübergreifende Ansätze vor<br />

allem <strong>in</strong> folgenden Bereichen verfolgt: bei Maßnahmen zum Abbau <strong>der</strong> Benachteiligung,<br />

bei <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesenarbeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> gegenseitigen Akzeptanz <strong>und</strong> Toleranz, bei <strong>der</strong><br />

Sprachvermittlung, bei Freizeiten, offener Jugendc1ubarbeit, Lern- <strong>und</strong><br />

Spielgruppen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, bei Familiensem<strong>in</strong>aren <strong>und</strong> kulturellen<br />

Angeboten. Geme<strong>in</strong>sames Anliegen <strong>ist</strong> auch die Kooperation mit an<strong>der</strong>en<br />

Fachdiensten öffentlicher <strong>und</strong> freier Träger, mit Institutionen im Bildungs-<br />

<strong>und</strong> Ausbildungsbereich sowie im Bereich <strong>der</strong> sozialen <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Versorgung, des Aufbaus von Se1bsthilfeorganisationen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreisen<br />

sowie <strong>der</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Sensibilisierung an<strong>der</strong>er sozialer Dienste<br />

<strong>und</strong> Institutionen.<br />

In <strong>der</strong> Arbeit für <strong>und</strong> mit Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten werden die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit allgeme<strong>in</strong> üblichen Methoden <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfallhilfe, oft mit aufsuchendem<br />

Charakter, <strong>der</strong> Gruppenarbeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesenarbeit unter<br />

E<strong>in</strong>schluß von Öffentlichkeitsarbeit angewandt. Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfallhilfe hat<br />

sich e<strong>in</strong> muttersprachliches <strong>und</strong> kulturspezifisches <strong>und</strong> damit nie<strong>der</strong>schwelliges<br />

Angebot <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die Erstberatung, die Beratung für die jeweils<br />

erste Generation <strong>und</strong> im Bereich <strong>der</strong> psycho-sozialen Beratung als angemessene<br />

Angebotsform erwiesen.<br />

99


,<br />

4. Literatur <strong>und</strong> Materialh<strong>in</strong>weise<br />

• Bast<strong>in</strong>, Klaus-Dieter (Hrsg.), Grenzen-lose Nächstenliebe, Arbeitsfeld<br />

Migration, Beiträge sozialer Arbeit <strong>der</strong> Diakonie, Band 6, Stuttgart 1992.<br />

• <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband (Hrsg.), Die Arbeit <strong>der</strong> Caritas mit Migranten,<br />

Rahmenkonzept, <strong>in</strong>: Caritas, Zeitschrift für Caritasarbeit <strong>und</strong> Caritaswissenschaft,<br />

Son<strong>der</strong>druck, 95. Jahrgang, Heft 12, Dezember 1994, Freiburg<br />

1994, D. 553-562.<br />

• Diakonisches Werk <strong>der</strong> EKD (Hrsg.), Aufnahme <strong>und</strong> Schutz von bedrohten<br />

Menschen - den Flüchtl<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Chance. Rahmenkonzeption<br />

des Diakonischen Werkes <strong>der</strong> EKD zur Flüchtl<strong>in</strong>gsarbeit, Diakonie-Korrespondenz<br />

2/96, Stuttgart 1996 (kostenlos).<br />

• Sozialdienst <strong>der</strong> Caritas für ausländische Flüchtl<strong>in</strong>ge, <strong>in</strong>: Unser Standpunkt,<br />

Nr. 20, Freiburg 1987, Hrsg.: <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband (Postfach<br />

420, 79004 Freiburg)<br />

• Sozialdienst des Caritasverbandes für ausländische Mitbürger, <strong>in</strong>: Unser<br />

Standpunkt, Nr. 6, Freiburg, 2. Auflage 1983, Hrsg.: <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband<br />

(Postfach 420, 79004 Freiburg)<br />

• Ratgeber soziale Beratung von Asylbewerbern, Hrsg.: Zentrale Dokumentationsstelle<br />

<strong>der</strong> Freien Wohlfahrtspflege für Flüchtl<strong>in</strong>ge (ZDWF)<br />

(Cecilienstr. 8, 53721 Siegburg), 1997<br />

• Materialmappe zur Begleitung im Asylverfahren, Hrsg.: Zentrale Dokumentationsstelle<br />

<strong>der</strong> Freien Wohlfahrtspflege für Flüchtl<strong>in</strong>ge (ZDWF)<br />

(Cecilienstr. 8, 53721 Siegburg), 1997<br />

101


Thema 13<br />

Auslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> Arbeitsmarkt<br />

Im Geme<strong>in</strong>samen Wort betonen die Kirchen die personale Würde jedes Menschen<br />

- unabhängig von Herkunft, Nationalität <strong>und</strong> Geschlecht. Das bedeutet,<br />

daß je<strong>der</strong> Mensch als soziales Wesen akzeptiert wird <strong>und</strong> daß er ke<strong>in</strong>eswegs<br />

auf se<strong>in</strong>e Funktion als bloße Arbeitskraft reduziert werden darf, mit <strong>der</strong> man<br />

nach dem Gesetz von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage handeln kann. Je<strong>der</strong> "sollte<br />

fiir sich selbst sorgen <strong>und</strong> Verantwortung fiir sich <strong>und</strong> das Geme<strong>in</strong>wohl<br />

übernehmen " «140.), vgl. (141.» . Für die Kirchen <strong>ist</strong> die wirtschaftliche<br />

Sicherung durch e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz <strong>und</strong> das damit verb<strong>und</strong>ene E<strong>in</strong>kommen<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für die soziale Integration <strong>und</strong> die eigenständige<br />

Lebensgestaltung <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er <strong>in</strong> unserem Land. (189.)<br />

Das hat Konsequenzen für das Arbeitserlaubnisrecht:<br />

" Wer als Auslän<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Recht aufZuwan<strong>der</strong>ung hat, wie z.B. Zehntausende<br />

von Familienangehörigen, braucht von Anfang an Integrationschancen <strong>in</strong><br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft. Für sie <strong>ist</strong> die Erteilung e<strong>in</strong>er Arbeits- o<strong>der</strong><br />

Gewerbeerlaubnis ohne Wartezeiten deshalb unverzichtbar. Auch fiir Zuwan<strong>der</strong>er<br />

mit vorübergehendem Aufenthaltsstatus, wie Kriegs- <strong>und</strong> Bürgerkriegsflüchtl<strong>in</strong>ge,<br />

müssen wirtschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen<br />

werden. " (1 80.) Schließlich betonen die Kirchen die Notwendigkeit<br />

von Qualifizierungsmöglichkeiten (190.). Dies <strong>ist</strong> für ausländische Arbeitnehmer<br />

beson<strong>der</strong>s wichtig, denn nur so haben sie reale Chancen auf dem<br />

Arbeitsmarkt, eröffnen sich für sie Lebensperspektiven.<br />

102


o Thesenpapier als Diskussionsvorbereitung<br />

- Nehmen Auslän<strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n die Arbeitsplätze weg? -<br />

Diese Frage wird immer wie<strong>der</strong> neu aufgeworfen - solange wie es <strong>in</strong><br />

Deutschland beides gibt: "Auslän<strong>der</strong>" <strong>und</strong> "Arbeitslosigkeit". Aber <strong>ist</strong> die<br />

Frage richtig gestellt? Sie enthält Voraussetzungen, über die wenig nachgedacht<br />

wird. Vorausgesetzt wird, daß Arbeitsplätze <strong>in</strong> Deutschland den <strong>Deutsche</strong>n<br />

"gehören". Denn nur dann kann man sie ihnen "wegnehmen". Wie<br />

selbstverständlich wird für e<strong>in</strong> bestimmtes nationales Kollektiv e<strong>in</strong> Besitzanspruch<br />

def<strong>in</strong>iert: "deutscher Arbeitsmarkt den <strong>Deutsche</strong>n". Darfman sich auf<br />

e<strong>in</strong>e solche ideologische Voraussetzung e<strong>in</strong>lassen?<br />

In den zahlreichen Katalogen mit "Argumenten gegen Vorurteile" wird immer<br />

wie<strong>der</strong> versucht, die Aussage zu wi<strong>der</strong>legen. Man betont zum Beispiel,<br />

daß Auslän<strong>der</strong> überwiegend auf Arbeitsplätzen beschäftigt s<strong>in</strong>d, die von<br />

<strong>Deutsche</strong>n verschmäht werden. Aber was <strong>ist</strong>, wenn e<strong>in</strong> Auslän<strong>der</strong> tatsächlich<br />

e<strong>in</strong>en attraktiven Arbeitsplatz bekommt? Nach dieser Logik müßte er ihn<br />

dann doch wohl an e<strong>in</strong>en <strong>Deutsche</strong>n abtreten. Wer sich auf die Problemstellung<br />

e<strong>in</strong>läßt, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aussage "Auslän<strong>der</strong> nehmen <strong>Deutsche</strong>n die Arbeitsplätze<br />

weg" suggeriert wird, mag noch so viele Argumente vortragen, um sie<br />

zu wi<strong>der</strong>legen - er wird ihren ideologischen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> immer nur bestätigen.<br />

Diese auslän<strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dliche Behauptung wird beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Wahlkampfzeiten<br />

von Politikern <strong>in</strong> popul<strong>ist</strong>ischer Absicht hervorgeholt. Warum werden Auslän<strong>der</strong><br />

beschäftigt, wenn Millionen von <strong>Deutsche</strong>n e<strong>in</strong>e Beschäftigung suchen?<br />

Da diese Diskussion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit sehr emotional gefiihrt wird<br />

<strong>und</strong> geeignet <strong>ist</strong>, Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit zu schüren <strong>und</strong> die Integration <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ten M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten zu beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, <strong>ist</strong> es wichtig, sich auf die wichtigsten<br />

Fakten zu bes<strong>in</strong>nen.<br />

1. Die Mehrzahl <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik lebt hier aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

aktiven Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zwischen 1955 <strong>und</strong> 1973.<br />

Damals boomte die deutsche Wirtschaft, während gleichzeitig das Ange-<br />

104


it, "'.'<br />

',. "<br />

bot an Arbeitskräften knapp war. Um diesem Mangel abzuhelfen, wurden<br />

<strong>in</strong> fast allen Län<strong>der</strong>n r<strong>und</strong> um das Mittelmeer Anwerbebüros e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

<strong>Deutsche</strong> haben also Auslän<strong>der</strong> aktiv <strong>in</strong>s Land geholt. Sie s<strong>in</strong>d damit diesen<br />

Menschen gegenüber e<strong>in</strong>e Verpflichtung e<strong>in</strong>gegangen, von <strong>der</strong> sie<br />

sich nicht e<strong>in</strong>fach lossagen dürfen, wenn die Arbeitsrnarktbed<strong>in</strong>gungen<br />

ungünstiger werden.<br />

2. Auslän<strong>der</strong> haben durch ihre Arbeit e<strong>in</strong>en großen Beitrag zu unserem<br />

Wohlstand gele<strong>ist</strong>et. Entgegen verbreiteten Vorurteilen wirkt sich bis<br />

heute die Migration sehr positiv auf die öffentlichen F<strong>in</strong>anzen von B<strong>und</strong>,<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>den sowie auf die Sozialversicherungssysteme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esrepublik aus, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wegen <strong>der</strong> günstigen Altersstruktur <strong>der</strong><br />

Zuwan<strong>der</strong>er.<br />

3. Auslän<strong>der</strong>beschäftigung hatte <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik immer e<strong>in</strong>e konjunkturelle<br />

.Pufferfunktion". Wenn <strong>in</strong> wirtschaftlichen Boomphasen Arbeitskräftemangel<br />

auftrat, hat man vermehrt Auslän<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gestellt. In<br />

Zeiten wirtschaftlicher Rezession dagegen waren Auslän<strong>der</strong> überproportional<br />

von Arbeitsplatzverlusten betroffen, es fand e<strong>in</strong>e Verdrängung von<br />

Auslän<strong>der</strong>n durch <strong>Deutsche</strong> statt, nicht umgekehrt. Dies wurde <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahren beson<strong>der</strong>s augenfällig, Nach dem Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igungsboom<br />

zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 90er Jahre mit vergleichsweise hohem Beschäftigungsstand<br />

folgte e<strong>in</strong>e Rezession mit großen Arbeitsplatzverlusten. Die negativen<br />

Konsequenzen dieser Flaute g<strong>in</strong>gen im beson<strong>der</strong>en Maße zu Lasten <strong>der</strong><br />

ausländischen Arbeitnehmer. Die Arbeitslosenquote bei Auslän<strong>der</strong>n stieg<br />

wesentlich schneller an als bei <strong>Deutsche</strong>n <strong>und</strong> lag mit 18,9 % (= 482000<br />

Personen) im Jahresdurchschnitt 1996 fast doppelt so hoch. Im Februar<br />

1998 lag sie bereits bei 22,3 %!<br />

Arbeitsmarktprobleme, die sich aus konjunkturellen Schwankungen ergeben,<br />

wurden <strong>in</strong> hohem Maße auf ausländische Arbeitnehmer abgewälzt.<br />

Ke<strong>in</strong>e Gruppe auf dem Arbeitsmarkt bekommt diese Schwankungen<br />

deutlicher zu spüren. Das gleiche Bild ergibt sich bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit. Auslän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Rezessionsphasen wesentlich dramatischer<br />

von Arbeitslosigkeit betroffen als die erwerbsfähige Bevölkerung<br />

<strong>in</strong>sgesamt.<br />

105


4. Warwn s<strong>in</strong>d Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> Rezessionsphasen beson<strong>der</strong>s stark von Beschäftigungse<strong>in</strong>brüchen<br />

betroffen? Zu den Ursachen gehören e<strong>in</strong>erseits<br />

Qualifikationsdefizite. "Etwa die Hälfte aller Auslän<strong>der</strong> - auch <strong>der</strong> zweiten<br />

Generation - s<strong>in</strong>d un- o<strong>der</strong> angelernte Arbeiter, während dies nur für<br />

jeden siebenten <strong>Deutsche</strong>n <strong>der</strong> vergleichbaren Kohorte zutriffi." Sie s<strong>in</strong>d<br />

auf entsprechenden Arbeitsplätzen - beson<strong>der</strong>s im produktiven Sektor ­<br />

beschäftigt, die am stärksten durch Rationalisierungsmaßnahmen gefährdet<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

5. Die hohe Betroffenheit <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> von Arbeitslosigkeit hat aber auch<br />

mit Diskrim<strong>in</strong>ierungen zu tun - Diskrim<strong>in</strong>ierungen bei E<strong>in</strong>stellungen,<br />

beim <strong>in</strong>nerbetrieblichen Aufstieg, bei <strong>der</strong> Lehrstellenvergabe etc. Bei Personalabbaumaßnahmen<br />

s<strong>in</strong>d sie oft als erste dran. Aufgr<strong>und</strong> ihrer schwachen<br />

Stellung werden sie immer wie<strong>der</strong> als bewegliche .Manövrierrnasse"<br />

betrieblicher Personalpolitik mißbraucht.<br />

6. Diese Tendenz zur Diskrim<strong>in</strong>ierung wird durch das Arbeitserlaubnisrecht<br />

<strong>und</strong> die entsprechende Politik verstärkt: Im 3. Buch des Sozialgesetzbuches<br />

(SGB III) <strong>ist</strong> <strong>der</strong> sog. .Jnlän<strong>der</strong>primat" auf dem Arbeitsmarkt festgeschrieben.<br />

Die allgeme<strong>in</strong>e Arbeitserlaubnis wird dem Auslän<strong>der</strong> "nach<br />

Lage <strong>und</strong> Entwicklung des Arbeitsmarktes" erteilt. Arbeitsämter müssen<br />

zunächst Inlän<strong>der</strong> o<strong>der</strong> EU-Auslän<strong>der</strong> auf freie Stellen vermitteln. Erst<br />

wenn sich unter ihnen ke<strong>in</strong> geeigneter Bewerber f<strong>in</strong>det, kommen Auslän<strong>der</strong><br />

aus Drittstaaten <strong>in</strong> Betracht. Sie s<strong>in</strong>d Arbeitnehmer ,,2. Klasse". Allerd<strong>in</strong>gs<br />

gilt <strong>der</strong> "Inlän<strong>der</strong>primat" nicht mehr, wenn ausländische Arbeitnehmer<br />

die "beson<strong>der</strong>e Arbeitserlaubnis" besitzen.<br />

106<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Freizügigkeit <strong>der</strong> Arbeitskräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU s<strong>in</strong>d Unionsbürger<br />

deutschen Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt gleichgestellt. Das<br />

gleiche gilt für ausländische Arbeitnehmer mit <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Arbeitserlaubnis.<br />

Das restriktive Arbeitserlaubnisrecht triffi dagegen <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em<br />

Maße Flüchtl<strong>in</strong>ge, da diese selten über e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Arbeitserlaubnis<br />

verfugen. Neuankommende Asylbewerber haben gar ke<strong>in</strong>e Chance<br />

mehr auf Arbeit. Am 06.06.1997 s<strong>in</strong>d die Arbeitsämter durch den B<strong>und</strong>esarbeitsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<br />

angewiesen worden, allen Asylbewerbern sowie geduldeten<br />

Auslän<strong>der</strong>n, die nach dem 15.05.1997 <strong>in</strong> die B<strong>und</strong>esrepublik e<strong>in</strong>gere<strong>ist</strong><br />

s<strong>in</strong>d, generell <strong>und</strong> ohne Prüfung des E<strong>in</strong>zelfalles die Arbeitserlaubnis


• epd-Dokumentation 4-511998: Auslän<strong>der</strong>beschäftigung <strong>und</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

- e<strong>in</strong> unlösbarer Konflikt?<br />

• epd-Dokumentation 8/1998: Ke<strong>in</strong> Mensch <strong>ist</strong> illegal - Migranten <strong>in</strong> irregulären<br />

Situationen<br />

• Evangelische Akademie Mülheim/Ruhr (Hrsg). Ausländische Jugendliche<br />

zwischen Schule <strong>und</strong> Beruf - Wie kann das Ausbildungsdefizit überw<strong>und</strong>en<br />

werden? Begegnungen 5/1993, Mülheim/Ruhr<br />

• Wolf Dieter Just, Na, immer noch da? Auslän<strong>der</strong> schil<strong>der</strong>n ihre Situation<br />

<strong>in</strong> den Betrieben. Auswertung e<strong>in</strong>er Befragung des Kirchlichen Dienstes<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt, FrankfurtJMa<strong>in</strong> 1989.<br />

108<br />

,


Thema 14<br />

Erwartungen <strong>der</strong> Kirchen an die Politik ­<br />

Erwartungen <strong>der</strong> Politik an die Kirchen<br />

Die Kirchen verstehen sich als Stimme "<strong>der</strong> Fremden", <strong>der</strong> Schwachen <strong>und</strong><br />

Diskrim<strong>in</strong>ierten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft. Sie stehen im Dienst am Menschen, <strong>der</strong><br />

Ebenbild Gottes <strong>ist</strong>, woraus sich se<strong>in</strong>e unverwechselbare Würde begründet.<br />

Vgl. die Passagen im Geme<strong>in</strong>samen Wort, Kapitel-l, (93.fl) <strong>und</strong> (131.fl).<br />

Politik setzt ganz wesentlich die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen dafiir, wie e<strong>in</strong>e Gesellschaft<br />

mit Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten umgeht (168.ff). Deshalb gibt es<br />

Erwartungen <strong>der</strong> Kirchen an die Politik.<br />

öl Erwartungen <strong>der</strong> Kirchen an die Politik<br />

• Die Politik muß akzeptieren, daß Deutschland Zuwan<strong>der</strong>er hat <strong>und</strong> haben<br />

wird, also e<strong>in</strong> "E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland neuen Typs" (s. (20.) <strong>und</strong> (25.)) geworden<br />

<strong>ist</strong> - auch wenn nicht alle Zuwan<strong>der</strong>er zu E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>er werden.<br />

(Kapitel 2 <strong>und</strong> 3; Ziffern (20.), (37.), (58.))<br />

• Die Politik muß daraus die entsprechenden rechtlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Konsequenzen ziehen (Kapitel 5; Ziffern (168.fl); (182.ff); (187.f);<br />

(190.ff)).<br />

• Schaffung e<strong>in</strong>es modemen Staatsangehörigkeitsrechts (182.fl);<br />

• Verläßlichkeit <strong>der</strong> Aufenthaltsverfestigung (176.fl);<br />

109


• Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsregelungen (dies <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e "Leerstelle" <strong>der</strong> konkreten<br />

For<strong>der</strong>ungen des Geme<strong>in</strong>samen Wortes; Begründungen, warum wir auch<br />

Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsregelungen brauchen, fmden sich im gesamten Kapitel<br />

4, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> 4.3);<br />

• Sicherung von rechtlichen <strong>und</strong> humanen M<strong>in</strong>deststandards bei <strong>der</strong> Aufnahme<br />

von Flüchtl<strong>in</strong>gen «(134.ff); (l60.fl); (190.); (l93.f));<br />

• Politik <strong>und</strong> Verwaltung müssen das .Kirchenasyl" als Dienst am Rechtsstaat<br />

begreifen lernen «(143.);(255.fl)).<br />

Die Politik muß nach <strong>der</strong> Erwartung <strong>der</strong> Kirchen noch mehr als bisher dazu<br />

beitragen, die Ursachen von Flucht <strong>und</strong> erzwungener Wan<strong>der</strong>ung abzubauen<br />

(Kapitel 3, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e 3.2 - 3.5 <strong>und</strong> (l50.fl)).<br />

Die Politik muß an das Ganze denken. Die Zuwan<strong>der</strong>ung verantwortlich zu<br />

steuern <strong>ist</strong> die e<strong>in</strong>e Seite <strong>der</strong> Medaille (s. (l60.ff) <strong>und</strong> (I68.fl)). Die Ursachen<br />

<strong>der</strong> weltweiten Wan<strong>der</strong>ung abzubauen <strong>ist</strong> die an<strong>der</strong>e Seite (l50.fl).<br />

Dazu kommt noch, daß bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung um die Akzeptanz<br />

gegenüber den Zugewan<strong>der</strong>ten <strong>und</strong> bei den Zugewan<strong>der</strong>ten um die Bereitschaft<br />

zur Integration <strong>in</strong> unsere Gesellschaft geworben werden muß.<br />

Die Kirchen s<strong>in</strong>d große Institutionen, die auch unsere Gesellschaft prägen<br />

wollen. Deshalb gibt es Erwartungen <strong>der</strong> Politik an die Kirchen.<br />

!SI Erwartungen <strong>der</strong> Politik an die Kirchen<br />

• Die Kirchen, vor allem die Geme<strong>in</strong>den vor Ort, müssen ihren Beitrag zu<br />

e<strong>in</strong>em "auslän<strong>der</strong>fre<strong>und</strong>lichen Klima" le<strong>ist</strong>en (244.fl).<br />

• Die Kirchen müssen Vorreiter bei <strong>der</strong> Bekämpfung von Rassismus <strong>und</strong><br />

Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit se<strong>in</strong> (21O.ff).<br />

• Die Kirchen <strong>und</strong> alle gesellschaftlichen Organisationen müssen mehr für<br />

die Integration <strong>der</strong> Zugewan<strong>der</strong>ten tun; s. (248.fl), (264.fl) <strong>und</strong> (267.ff).<br />

• Die Kirchen müssen auch Verantwortung übernehmen bei <strong>der</strong> Integration<br />

von Muslimen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft; s. (204.ff) <strong>und</strong> (239.fl).<br />

• Von den Kirchen müssen stärkere Impulse für den <strong>in</strong>terreligiösen <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>terkulturellen Dialog ausgehen (229.fl).<br />

110


Sachreg<strong>ist</strong>er zum Geme<strong>in</strong>samen Wort<br />

Anm.: Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf die entsprechenden Abschnittsziffern<br />

des Geme<strong>in</strong>samen Wortes <strong>der</strong> Kirchen zu Migration <strong>und</strong><br />

Flucht.<br />

Abschiebungshaft 172<br />

AbschreckungIVerschlechterung <strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen 44<br />

Abwehrmaßnahmen gegen E<strong>in</strong>reise 45<br />

Altenhilfe, alte Migranten 191<br />

Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte 32ff<br />

> Folgen <strong>der</strong> 187<br />

Antisemitismus 10<br />

Arbeit<br />

> Arbeitserlaubnis 177, 190<br />

> Arbeitsmarktzugang 189<br />

> Aufenthaltserlaubnis für Erwerbsarbeit 178f<br />

> Beteiligungsmöglichkeiten, wirtschaftliche 190<br />

Asyl<br />

> Asylgesuche, Zahl <strong>der</strong> 42f, 45f, 48<br />

> Asylbewerberle<strong>ist</strong>ungsgesetz 190<br />

>Asylgr<strong>und</strong>recht 2,41,47, 135f, 146<br />

> "Asylkompromiß" 59<br />

> Asylrecht, M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen 172<br />

> Asylurteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts 136, 146, 172<br />

> Rechtsanspruch auf 163<br />

Auslän<strong>der</strong>gesetz 168, 171, 176ff<br />

Aussiedler <strong>und</strong> Spätaussiedler 51ff, 173<br />

Biblisch-theologische Überlegungen 93ff<br />

> E<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Menschen 105f, 109ff<br />

> Erfahrung des Fremdse<strong>in</strong>s 108<br />

> Gottesebenbild1ichkeitdes MenschenlMenschenwürde 113ff, 21Of<br />

112


Migration <strong>und</strong> Flucht als Gr<strong>und</strong>erfahrungen 123ff<br />

> Nächstenliebe 104,107,132<br />

> Schutzgebot gegenüber Fremden 98ff<br />

> soziale Dimension des Menschen ] 18ff<br />

> umfassende Sorge um den Menschen 131<br />

Bildungsbereich, För<strong>der</strong>maßnahmen 189, 192, 197, 200, 209, 265f<br />

> Ausbildung von Flüchtl<strong>in</strong>gen 193<br />

> Berufsausbildung 189<br />

> Schule 192<br />

Bürgerrechte 149, 182<br />

Caritas 267ff<br />

DDR<br />

> Migranten <strong>in</strong> <strong>der</strong> 27ff<br />

> Werkvertragsarbeitnehmer 38f<br />

Desorientierung <strong>der</strong> Bevölkerung 20<br />

Deserteure <strong>und</strong> Kriegsdienstverweigerer 163<br />

Diakonie 267ff<br />

Drittstaaten, sichere 47, 146, 162<br />

Drittstaatsangehörige <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU 161<br />

E<strong>in</strong>bürgerung 59, 174, 183ff<br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung, ke<strong>in</strong> Recht auf 139<br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland, B<strong>und</strong>esrepublik als 20, 25f, 37<br />

Entwicklungspolitik 150ff, 169<br />

fehlende Integrationskonzepte 2, 6, 20, 31, 176ff<br />

Familie 6, 39, 58, 59<br />

> Schutz von Ehe <strong>und</strong> Familie 137, 161, 177, 178<br />

> Familienzusammenfuhrung 137, 178<br />

Flucht 219, 222<br />

> Aufnahme von Flüchtl<strong>in</strong>gen 162<br />

> Armutsflüchtl<strong>in</strong>ge 66<br />

> Fluchtursachen, Bekämpfung <strong>der</strong> 2, 73ff, 148, 150ff, 167<br />

> Flüchtl<strong>in</strong>gsfrauen 163<br />

> Flüchtl<strong>in</strong>gsschutz, umfassen<strong>der</strong> 73, 162, 167<br />

> Umwe1tflüchtl<strong>in</strong>ge 67<br />

> Zahl <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge 65,68<br />

Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit / Fremdenangst 4, 6fT, 23, 58f, 244, 246<br />

> fremdenfe<strong>in</strong>dliche Bewegung 18,19<br />

113


Gründe für Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit I-angst 246<br />

> Inititiven gegen Fremdenfe<strong>in</strong>d1ichkeit/-angst 8, 17, 249ff<br />

Fremdenfre<strong>und</strong>lichkeit 23<br />

Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben 134<br />

Geme<strong>in</strong>wohl 138, 140ff<br />

Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention 2, 72, 16,66<br />

Gestaltung, politische, <strong>der</strong> Migration 1,20,21<br />

Gewalt 10ff<br />

> Akzeptanz von Gewalt 11<br />

Gewerbeerlaubnis 190<br />

Gewissenskonflikt 143<br />

Gleichbehandlung 241<br />

Gr<strong>und</strong>rechte 134,201f<br />

homogene Gesellschaft 199<br />

Identität 24, 246<br />

"Illegale" I Auslän<strong>der</strong> ohne Aufenthaltsstatus 83, 181<br />

Integration 2, 149, 177, 182, 187ff<br />

> soziale Integrationsmaßnahmen 36, 187f, 195<br />

Islam 204ff, 239ff<br />

> islamisches Straf-, Ehe- <strong>und</strong> Familienrecht 207<br />

> islamischer Religionsunterricht 208f<br />

> chr<strong>ist</strong>lich-islamischer Dialog 240ff<br />

Juden<br />

> chr<strong>ist</strong>lich-jüdisches Verhältnis 233, 237<br />

> jüdische Zuwan<strong>der</strong>er 50<br />

Kirchen<br />

> Anwalt für Bedrängte als Aufgabe <strong>der</strong> 143,260<br />

> Auslän<strong>der</strong>arbeit <strong>in</strong>tegraler Bestandteil kirchI. Arbeit 215f<br />

> Be<strong>ist</strong>and für Fremde als Aufgabe <strong>der</strong> 132f, 255ff<br />

> fremdsprachige Geme<strong>in</strong>den 223ff,266<br />

> Gr<strong>und</strong>lagen kirchlicher Auslän<strong>der</strong>arbeit 132, 133, 211, 215<br />

> "Kirchenasyl" 255ff<br />

> Ökumenische Versammlungen 219ff<br />

> Konziliarer Prozeß 218<br />

> Missionsauftrag 235<br />

> Öffnung <strong>der</strong> K. <strong>und</strong> ihrer Gremien für Zuwan<strong>der</strong>er 214, 217<br />

> Wächteramt 262<br />

114


Konfliktbearbeitung, zivile 221<br />

Konsens. gesellschaftlicher/ politischer über Migration 144, 187<br />

Konzept, migrationspolitisches 144fT, 168, 170, 177<br />

> Fehlen e<strong>in</strong>es migrationspolitischenKonzeptes 2,6,20,31,4, 36f, 39, 58f<br />

Kriegs-<strong>und</strong>Bürgerkriegsflüchtl<strong>in</strong>ge 49,59,147, l63f, 175, 190<br />

Kultur<br />

> <strong>in</strong>terkultureller Dialog 230ff, 245, 247, 260f<br />

> <strong>in</strong>terkulturelles Lernen 197fT<br />

> <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz 198ff<br />

> kulturelle Identität 198<br />

> kulturelle, religiöse, ethnische, sprachliche Vielfalt 61, 196, 199<br />

Lastenverteilung, europäische 164ff<br />

Menschenbild 4,97, 140, 190<br />

Menschenrechte 4, 158, 166,211,263<br />

Menschenwürde 114, 134, 140f, 177, 180, 211, 263<br />

Migration 219, 222<br />

> Akzeptanz <strong>der</strong> Migration 60<br />

> Arbeitsmigranten 70, 147<br />

> B<strong>in</strong>nenmigration 71<br />

> Formen <strong>der</strong> Migration 22,64<br />

> Geschichte <strong>der</strong> Migration 22fT<br />

> Positive Gr<strong>und</strong>haltung zu Migration 139, 217, 227<br />

> Steuerung <strong>der</strong> Migration 2, 138, 147, 167<br />

> Ursachen <strong>der</strong> Migration 63, 76ff, 150fT<br />

> weltweite Migration 63fT<br />

Mitbestimmung, politische 149, 182, 186, 202f<br />

Nie<strong>der</strong>lassungsfreiheit 138<br />

Orientierungslosigkeit 10<br />

Quoten für Zuwan<strong>der</strong>ung 180<br />

Rassismus 168,210, 246, 262<br />

Roma 9,234<br />

Religion<br />

> <strong>in</strong>terreligiöser Dialog 230ff, 245, 247, 260f<br />

Rückkehr<br />

> von Bürgerkriegsflüchtl<strong>in</strong>gen 49<br />

> freiwillige 194<br />

Schengen/Dubl<strong>in</strong>-Abkommen 48, 162, 163<br />

115


Schlepper/Schleuser/Menschenhändler/Fluchthelfer 44<br />

Schutz von Ehe <strong>und</strong> Familie 137, 161<br />

Selbstbestimmungsrecht 117, 134, 140<br />

Selbstorganisation 202<br />

Siedlungskonzentrationen/Ghettos 195, 240<br />

S<strong>in</strong>ti <strong>und</strong> Roma 9, 234<br />

Soziales Wesen, <strong>der</strong> Mensch als 140<br />

Sozialhilfe 189<br />

> Abhängigkeit von Sozialhilfe 190<br />

Sozialordnung, gerechte 4<br />

Spätaussiedler 5, 30, 51ff, 173, 189<br />

> Integration <strong>der</strong> Spätaussiedler 56f, 192<br />

> Zahl <strong>der</strong> Spätaussiedler 52f<br />

UNHCR, Erweiterung <strong>der</strong> Aufgaben 73<br />

Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz 177<br />

VertriebenelUmsiedler 29<br />

Waffenhandel 158<br />

Wahlrecht, kommunales 186<br />

Weltgeme<strong>in</strong>wohl 141, 142<br />

Woche <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche 212<br />

Wohnungssuche, Diskrim<strong>in</strong>ierung bei <strong>der</strong> 195<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

> Zuwan<strong>der</strong>ungsdruck 1,92, 146<br />

> Zuwan<strong>der</strong>ungspolitik, europäisches Konzept 160, 167<br />

> Zuwan<strong>der</strong>ungsregelungen 177ff<br />

116


H<strong>in</strong>weise<br />

auf Material <strong>und</strong> Literatur sowie weitere Texte <strong>der</strong> Kirchen zu den<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen durch Flucht <strong>und</strong> Migration<br />

1. Kirchliche Stellungnahmen <strong>und</strong> Dokumente<br />

1.1 Deutschland<br />

- Wan<strong>der</strong>ungsbewegung <strong>in</strong> Europa. Perspektiven <strong>und</strong> Aufgaben. E<strong>in</strong> Diskussionspapier<br />

<strong>der</strong> Kommission des Rates <strong>der</strong> EKD für Auslän<strong>der</strong>fragen <strong>und</strong> ethnische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten,<br />

Hannover 1991, (EKD-Texte 40)<br />

- Arbeit mit Aussiedlern. Leitgedanken <strong>und</strong> Aufgaben <strong>der</strong> Evangelische Kirche <strong>in</strong><br />

Deutschland, ihrer Gliedkirchen <strong>und</strong> ihrer Diakonie, Hannover 1991, (EKD-Informationen)<br />

- Kirchenamt <strong>der</strong> Evangelische Kirche <strong>in</strong> Deutschland (Hrsg.), Asylsuchende <strong>und</strong><br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge. Zur Praxis des Asylverfahrens <strong>und</strong> des Schutzes vor Abschiebung,<br />

Hannover 1994 (EKD-Texte 51); Zweiter Bericht, Hannover 1995 (EKD- Texte 55)<br />

- Flüchtl<strong>in</strong>ge - e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung zur Solidarität, Hrsg.: Sekretariat <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bischofskonferenz (Kaiserstr. 163,53113 Bonn), Bonn 1992<br />

- Zuwan<strong>der</strong>ung gestalten - Politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Aspekte <strong>der</strong> Migration,<br />

Hrsg.: Generalsekretariat des Zentralkomitees <strong>der</strong> deutschen Katholiken (Postfach<br />

240141,53154 Bonn), Bonn 1996<br />

- Ausländische Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, <strong>in</strong>: Caritas, Beihefte<br />

<strong>der</strong> Zeitschrift für Caritasarbeit <strong>und</strong> Caritaswissenschaft, Hrsg.: <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband<br />

(postfach 420, 79004 Freiburg/Br.), 1994<br />

117


- Diakonisches Werk <strong>der</strong> EKD (Hrsg.), Aufnahme <strong>und</strong> Schutz von bedrohten Menschen<br />

- den Flüchtl<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Chance, Rahmenkonzeption des Diakonischen Werkes<br />

<strong>der</strong> EKD zur Flüchtl<strong>in</strong>gsarbeit. Diakonie-Korrespondenz 2/1996, Stuttgart 1996<br />

- Diakonisches Werk <strong>der</strong> EKD (Hrsg.), Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> leben. Rahmenkonzeption fur<br />

die Arbeit <strong>der</strong> Diakonie mit Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten, Diakonie-Korrespondenz<br />

9/97, Stuttgart 1997<br />

- Kar<strong>in</strong> Adelmann, M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>und</strong> Menschenrechte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei. Aktuelle Materialsammlung,<br />

zusammengestellt im Auftrag kirchlicher Menschenrechts- <strong>und</strong> Asylreferenten,<br />

Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 1995 (epd-Dokumentation Nr. 45/1996) (zu beziehen<br />

über GEP-Vertrieb, Postfach 50 0550,60394 Frankfurt/Ma<strong>in</strong>)<br />

1.2 <strong>in</strong>ternationale Ökumene<br />

- Caritas als Anwalt <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Europa, <strong>in</strong> Caritas (Beihefte <strong>der</strong> Zeitschrift<br />

fur Caritasarbeit <strong>und</strong> Caritaswissenschaft. Hrsg.: <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband (Postfach<br />

420, 79004 Freiburg/Br.), 1992<br />

- Caritas Europa zur Migration, <strong>in</strong> Caritas (ebd.), 1995<br />

- Kommission <strong>der</strong> Kirchen fur Migranten <strong>in</strong> Europa, Vorschläge fur e<strong>in</strong>e ganzheitliche<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungspolitik <strong>in</strong> Europa. E<strong>in</strong> Positionspapier <strong>der</strong> Kommission <strong>der</strong> Kirchen<br />

fur Migranten <strong>in</strong> Europa (CCME), Brüssel 1994 (dt Übersetzung epd-Dokumentation<br />

21/1994)<br />

- Ökumenischer Rat <strong>der</strong> Kirchen (Hrsg.), E<strong>in</strong> Moment <strong>der</strong> Entscheidung Solidarität<br />

mit den Entwurzelten Erklärung zu "Entwurzelten Menschen", Genf 1995; Handbuch<br />

dazu: Genf 1996 (Beide Veröffentlichungen können <strong>in</strong> deutscher Fassung bezogen<br />

werden über das Kirchenamt <strong>der</strong> EKD, Postfach 210220, 30402 Hannover;<br />

an<strong>der</strong>ssprachige Ausgaben über den World Council of Churches, Programme Unit<br />

IV, 150 Route de Ferney, P.O. Box 2100, CH-1211 Geneva 2, Fax: 0041-22­<br />

7880067)<br />

- Schweizer Evangelischer Kirchenb<strong>und</strong>, Migrationspolitische Leitl<strong>in</strong>ien. Standortbestimmung<br />

<strong>und</strong> Handlungsperspektiven, Bern 1996 (zu beziehen über Schweizer<br />

Evangelischer Kirchenb<strong>und</strong>, Sulgenauweg 26/PF, CH-3000 Bern 23, Fax 0041-31­<br />

3702559)<br />

118


2. Kirchen <strong>und</strong> Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften an<strong>der</strong>er Sprache <strong>und</strong> Herkunft<br />

- Kirchenamt <strong>der</strong> Evangelische Kirche <strong>in</strong> Deutschland, Zur ökumenischen Zusammenarbeit<br />

mit Geme<strong>in</strong>den frem<strong>der</strong> Sprache o<strong>der</strong> Herkunft. E<strong>in</strong>e Handreichung des<br />

Kirchenamtes <strong>der</strong> Evangelische Kirche <strong>in</strong> Deutschland, Hannover 1996 (EKD-Texte<br />

59)<br />

- Kirchenamt <strong>der</strong> Evangelische Kirche <strong>in</strong> Deutschland (Hrsg.), Kirchen an<strong>der</strong>er<br />

Sprache <strong>und</strong> Herkunft, FrankfurtlMa<strong>in</strong> 1997 (GEP-Buch)<br />

- Glauben aus dem Herzen. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>fuhrung <strong>in</strong> die Orthodoxie. Hrsg. Galitis, Mantzaridis,<br />

Wiertz im TR-Verlagsunion GmbH, München<br />

- Zugänge zur Orthodoxie. Hrsg. Hämrnerle, Ohme, Schwarz. Bensheimer Hefte Nr.<br />

68. Vandenhoeck & Ruprecht, Gött<strong>in</strong>gen<br />

- Orthodoxie. Was <strong>ist</strong> das? Kallis, Matthias-Grünewald-Verlag Ma<strong>in</strong>z<br />

- Orthodoxie <strong>in</strong> Begegnung <strong>und</strong> Dialog. Festgabe fur Metropolit Augost<strong>in</strong>os, Hrsg.<br />

von Anastasios Kallis u.a., Theophano Verlag, Münster 1998<br />

- Re<strong>in</strong>hard Thöle, Orthodoxe Kirchen <strong>in</strong> Deutschland,. Gött<strong>in</strong>gen 1997 (Bensheimer<br />

Hefte 85)<br />

- Was je<strong>der</strong> vom Islam wissen muß, Hrsg. vom Lutherischen Kirchenamt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands <strong>und</strong> vom Kirchenamt <strong>der</strong><br />

Evangelische Kirche <strong>in</strong> Deutschland, Gütersloh 1996 (GTB 786)<br />

3. AUgeme<strong>in</strong>e Literatur<br />

- Ethnische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. E<strong>in</strong> Lexikon, Hrsg.<br />

von Comelia Schmalz-Jacobsen <strong>und</strong> Georg Hansen, (C.H.Beck) München 1995<br />

(ausfuhrliche Literaturh<strong>in</strong>weise!) (Taschenbuchausgabe: Kle<strong>in</strong>es Lexikon <strong>der</strong> ethnischen<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> Deutschland, Bonn 1997 (B<strong>und</strong>eszentrale fur politische Bildung))<br />

- Bericht <strong>der</strong> Beauftragten <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung für Auslän<strong>der</strong>fragen über die Lage<br />

<strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, Bonn, Dezember 1997<br />

119


- Migration <strong>und</strong> Integration <strong>in</strong> Zahlen. E<strong>in</strong> Handbuch, Hrsg.: Beauftragte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />

für Auslän<strong>der</strong>fragen (beide Titel zu beziehen über: Beauftragte <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esregierung für Auslän<strong>der</strong>fragen. Postfach 140280, 53 107 Bonn)<br />

- Wolfgang H<strong>in</strong>z-Rommel, Interkultureller Selbsttest. Checkl<strong>ist</strong>e für die berufliche<br />

<strong>und</strong> ehrenamtliche Praxis sozialer Arbeit, Diakonisches Werk <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Kirche Württernberg (Hrsg.), Stuttgart 1994<br />

4. H<strong>in</strong>weise auf Überblicke <strong>und</strong> Sammlungen von Materialien <strong>und</strong> Literatur<br />

- Der Ökumenischer Vorbereitungsausschuß zur Woche <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger<br />

/ <strong>in</strong>terkulturelle Woche veröffentlicht jährlich e<strong>in</strong> Materialheft mit reichhaltigen Texten<br />

<strong>und</strong> Dokumenten, das bezogen werden kann über: Geschäftsstelle des Ökumenischen<br />

Vorbereitungsausschusses zur Woche <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger, Postfach<br />

101710,60017 Frankfurt/Ma<strong>in</strong>, Telefax: 069/230650.<br />

- Bibliographie zu Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit, Rassismus <strong>und</strong> Gewalt, Son<strong>der</strong>ausgabe <strong>der</strong><br />

Zeitschrift "nah & fern". E<strong>in</strong> Material- <strong>und</strong> Informationsdienst für Ökumenische<br />

Auslän<strong>der</strong>arbeit. Berl<strong>in</strong>/Leipzig 1995 (Das Heft umfaßt neben umfangreicher Literatur<br />

<strong>und</strong> Arbeithilfen für Gruppen- <strong>und</strong> (Pfarr-)Geme<strong>in</strong>-dearbeit auch Anschriftenverzeichnisse.)<br />

- Die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Chr<strong>ist</strong>licher Kirchen <strong>in</strong> Deutschland (Ludolfusstr. 2-4,<br />

60487 Frankfurt/Ma<strong>in</strong>) hat im Rahmen ihres Arbeitsvorhabens zur Überw<strong>in</strong>dung von<br />

Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit. Rassismus <strong>und</strong> Gewalt Materialien <strong>in</strong> Vorbereitung.<br />

- Migrations-Magaz<strong>in</strong> (MIG-MAG), <strong>in</strong>: Sozialcourage-Magaz<strong>in</strong> für soziales Handeln,<br />

Hrsg. <strong>Deutsche</strong>r Caritasverband (Postfach 420, 79004 Freiburg)<br />

- Von PRO ASYL (Postfach 101843,60018 Frankfurt/Ma<strong>in</strong>) können diverse Texte<br />

<strong>und</strong> Materialien bezogen werden.<br />

120


Die Herausfor<strong>der</strong>ungen durch Migration <strong>und</strong> Flucht sowie die Aufnahme <strong>und</strong><br />

Integration von Menschen an<strong>der</strong>er Herkunft <strong>in</strong> unserer Gesellschaft gehören<br />

zu den bedrängendsten politischen <strong>und</strong> sozialethischen Problemen <strong>der</strong> Gegenwart.<br />

In dem Geme<strong>in</strong>samen Wort <strong>der</strong> Kirchen zu den Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

durch Migration <strong>und</strong> Flucht beschreiben die Kirchen ihre Position zu diesen<br />

komplexen <strong>und</strong> teilweise emotional belasteten Fragen. Sie möchten damit sowohl<br />

e<strong>in</strong>e Orientierungshilfe für die Geme<strong>in</strong>den<br />

.<br />

geben als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffent-<br />

Iichkeit <strong>und</strong> im gesel1schaftspolitischen Dialog Stellung beziehen.<br />

Die hier vorliegende Arbeitshilfe will Anregungen <strong>und</strong> Hilfestellung bieten,<br />

mit Gruppen, Kreisen <strong>und</strong> Initiativen die alte biblische Tradition <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Schicksal <strong>und</strong> dem Recht des Fremden <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen<br />

Situation neu zu entdecken <strong>und</strong> den ethischen <strong>und</strong> praktischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

von Migration <strong>und</strong> Flucht <strong>in</strong> chr<strong>ist</strong>licher Verantwortung gerecht zu<br />

werden.<br />

Diese Broschüre bietet deshalb:<br />

• weiterfuhrende <strong>und</strong> vertiefende Informationen,<br />

• didaktische H<strong>in</strong>weise <strong>und</strong> Ideen,<br />

• Bibelarbeiten für verschiedene Zielgruppen,<br />

• Entwürfe für Veranstaltungen zum Thema,<br />

• H<strong>in</strong>weise für Aktionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit, die auf das Schicksal von<br />

Fremden h<strong>in</strong>weisen,<br />

• e<strong>in</strong> Sachreg<strong>ist</strong>er zum Geme<strong>in</strong>samen Wort <strong>und</strong><br />

• H<strong>in</strong>weise aufweitere kirchliche Dokumente <strong>und</strong> Materialien.<br />

Bei <strong>der</strong> Erstellung dieser Arbeitshilfe haben mitgewirkt:<br />

Dr. Mart<strong>in</strong> Affol<strong>der</strong>bach, Hannover; Dr. Athanasios Basdekis, FrankfurtJMa<strong>in</strong>;<br />

Klaus-Dieter Bast<strong>in</strong>, Stuttgart; Chr<strong>ist</strong>fiied Berger, Berl<strong>in</strong>; Comelia<br />

Bührle rscj, Berl<strong>in</strong>; Günter Burkhardt, Frankfurt/Ma<strong>in</strong>; Gabriele Erpenbeck,<br />

Hannover; Helmut Frenz, Hamburg; Dieter F. Griemens, Aachen;<br />

Gerrit Heet<strong>der</strong>ks, Düsseldorf; Dr. Barbara Huber-Rudolf, FrankfurtlMa<strong>in</strong>;<br />

Dr. Wolf-Dieter Just, MülheimlRuhr; Dr. Ra<strong>in</strong>er Krockauer, Aachen; Susanne<br />

Lipka, FrankfurtJMa<strong>in</strong>; Migrationskonferenz des Erzb<strong>ist</strong>ums Berl<strong>in</strong>;<br />

Horst Morgenstern, Dresden; Helmut Mül1er, Oberhausen; Dr. Peter Prassei,<br />

Bonn; Klaus Rudolph, Düsseldorf; Anke Soll, Stuttgart; Ulrich Spallek,<br />

Bonn; Sonja Stauer, Oberhausen; Dr. Axel Stöbe, Düsseldorf; Hanns<br />

Thomä-Venske, Berl<strong>in</strong>; Dr. JosefVoß, MünsterlWestf<br />

•<br />

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!