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VNW-Magazin 2/2023

Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.

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28 Kiek in Barmbek!<br />

29<br />

Hamburg. Die schlichte Erlöserkirche lüftet ihr Geheimnis bei<br />

Sonnenlicht. Wie von Zauberhand tauchen dann die bunten Glaselemente<br />

im Gewölbe den Innenraum in ein funkelndes Farbenspiel.<br />

Den Anblick können die Bewohnerinnen und Bewohner des<br />

Bauprojekts „Luisenhof“ in Farmsen – benannt nach dem alten<br />

Bauernhof, auf dem die Kirche von 1957 bis 1960 errichtet wurde<br />

– vis-à-vis ihrer Wohnungen nun genießen. In diesen Wochen<br />

werden die Wohnungen des ersten Bauabschnitts bezogen. Insgesamt<br />

errichtet die Wohnungsbaugenossenschaft mgf Gartenstadt<br />

Farmsen 275 Wohnungen, allesamt im ersten Förderweg.<br />

Vier Kilometer weiter westlich rollen ebenfalls die Bagger. Auf<br />

dem Gelände der ehemaligen Schiffsbauversuchsanstalt und des<br />

Opernfundus in Barmbek baut die Genossenschaft Hamburger<br />

Wohnen bis 2024 104 Wohnungen, allesamt barrierefrei, davon<br />

63 öffentlich gefördert.<br />

Nur noch, wenn alles passt<br />

In Zeiten dramatisch steigender Baukosten und Zinsen, in denen<br />

86 Prozent der <strong>VNW</strong>-Mitglieder die Aussichten für den Neubau<br />

als schlecht oder sogar sehr schlecht einschätzen, werfen „Luisenhof“<br />

und „Kiek in Barmbek“ vor allem diese Frage auf: Wie<br />

schaffen die das? Die Antwort in Kurzform: Solch ambitionierte<br />

Neubauprojekte können nur noch gelingen, wenn alles passt –<br />

oder passend gemacht wird.<br />

Für eine längere Antwort lohnt beim „Luisenhof“ ein Blick in<br />

die Historie der mgf Gartenstadt Farmsen, 1988 unter ihrem ursprünglichen<br />

Namen Mietergenossenschaft Gartenstadt Farmsen<br />

gegründet. Die mgf sanierte von 1992 bis 2015 über einen Treuhändervertrag<br />

mit der Stadt und dem Altonaer Spar- und Bauverein<br />

(Altoba) die denkmalgeschützte Gartenstadt-Siedlung mit<br />

5000 Bewohnerinnen und Bewohnern. Seit 2018 wirkt nur noch<br />

die mgf als Treuhänderin. Das Problem: Die Genossenschaft verfügt<br />

in dieser Funktion kaum über Eigenkapital.<br />

Vorstandschef Matthias Diekhöner sah dieses Problem indes<br />

als Herausforderung. Mit seiner Crew erarbeitete er daraufhin<br />

ein tragfähiges Gerüst für das 51-Millionen-Euro-Investment. Die<br />

Bausteine: günstige Erbpacht, hohe Zuschüsse dank erstem Förderweg<br />

und KfW Effizienzhaus-Stufe 40 sowie exzellente Zinskonditionen.<br />

Zudem baut die PGH-Gruppe als Generalunternehmer<br />

für vergleichsweise günstige 2700 Euro pro Quadratmeter – trotz<br />

hoher Qualität mit Klinkerfassade, Aufzügen, Balkonen, Terrassen<br />

und Tiefgaragen.<br />

Sechser im Lotto mit Zusatzzahl<br />

„Wir bewegen uns im Zeit- und Kostenrahmen“, sagt Diekhöner.<br />

Die Anfangsmieten liegen durch den ersten Förderweg bei<br />

6,70 Euro pro Quadratmeter, alle zwei Jahre steigen sie um 20<br />

Cent. Auf dem umkämpften Wohnungsmarkt gleicht dies einem<br />

Sechser im Lotto mit Zusatzzahl – kein Wunder, dass sich auf die<br />

Wohnungen des ersten Bauabschnitts 3 345 Interessenten bewarben.<br />

Um dem Ansturm Herr zu werden, nutzt die mgf für die Vorauswahl<br />

eine digitale Vermietungsplattform. Für die Wohnungen,<br />

die von Herbst <strong>2023</strong> bis Mai 2024 im zweiten Bauabschnitt entstehen,<br />

rechnet die Genossenschaft erneut mit Tausenden Bewerberinnen<br />

und Bewerbern.<br />

„Ein solches Projekt kann nur funktionieren, wenn die Mitglieder<br />

uns vertrauen“, sagt Diekhöner. Dies galt vor allem für die<br />

Operation Umzug: Fünf Gebäude mit 60 Wohnungen mussten<br />

dem Neubau weichen. „Wir haben uns sehr viel Zeit für die Einzelgespräche<br />

mit den betroffenen Mieterinnen und Mietern genommen“,<br />

sagt Diekhöner. Die Genossenschaft versorgte die Mitglieder<br />

mit Wohnungen aus dem Bestand, finanzierte den Umzug,<br />

half auch mal auf dem kleinen Dienstweg mit Tischlerarbeiten, um<br />

eine Küche anzupassen. Und jedem Mitglied wurde zugesichert,<br />

auf Wunsch wieder in den Neubau ziehen zu dürfen. Vom Leerzug<br />

bis zum Abriss profitierten Saisonspieler des benachbarten Eishockey-Oberligaklubs<br />

Crocodiles Hamburg. Sie erhielten günstige<br />

Zeitmietverträge über mehrere Monate.<br />

Die DNA jeder Genossenschaft<br />

Der soziale Gedanke, DNA jeder Genossenschaft, zeigt sich auch<br />

beim Projekt „Kiek in Barmbek“ mit 104 barrierefreien Wohnungen.<br />

Hier entsteht auch Wohnraum für Seniorinnen und Senioren<br />

– zum Teil mit erweiterten Dienstleistungen als sogenanntes „Servicewohnen<br />

plus“ –, für Menschen mit Fluchthintergrund sowie<br />

ein integratives Jugendwohnprojekt. Und selbst die 41 freifinanzierten<br />

Wohnungen starten mit einer für fünf Jahre garantierten<br />

Anfangsmiete von zehn Euro – erstaunlich günstig für Neubauten<br />

in dieser Lage. Für den Klimaschutz sorgt die KfW Effizienzhausklasse<br />

40+EE sowie eine Eisspeicherheizung in Kombination mit<br />

Wärmepumpe und Solarmodulen.<br />

„Wir haben zum Glück die Finanzierung genau im richtigen<br />

Moment abgeschlossen“, sagt Hamburger Wohnen-Vorständin<br />

Sandra Koth über das Investment von 41,5 Millionen Euro. Die<br />

sehr guten Bedingungen für das KfW-Darlehen wirken angesichts<br />

der aktuellen Zinsen fast surreal. Zudem drückte die Genossenschaft<br />

aufs Tempo, stieg noch in der Wettbewerbsphase beim ausgeschriebenen<br />

Konzeptverfahren in die Detailplanungen ein.<br />

Die Zukunft sieht nicht rosig aus<br />

Wie die mgf profitierte auch die Hamburger Wohnen von den noch<br />

2020 geltenden Förderrichtlinien, die aus Sicht der Wohnungswirtschaft<br />

in Anbetracht niedriger Bau- und Finanzierungskosten<br />

wirkungsvoller waren und dennoch 2022 kurzfristig geändert<br />

wurden. Ohne diese Förderung hätte das Projekt nicht realisiert<br />

werden können, zumal der Bau durch den feuchten Grund aufwendig<br />

ist.<br />

„Für die Zukunft sieht es für solche Projekte aber leider alles<br />

andere als rosig aus“, sagt Sandra Koth. Wie groß die Herausforderungen<br />

beim Neubau werden, zeigt sich auch in Barmbek:<br />

Das bereits geplante Projekt „Hand in Hand für Barmbek“ mit 72<br />

barrierefreien und öffentlich geförderten Wohnungen auf einem<br />

benachbarten Baufeld steht auf der Kippe. „Da stoßen wir inzwischen<br />

an die Grenzen der Machbarkeit“, sagt Sandra Koth.<br />

Denn bei diesem Projekt leidet auch die Hamburger Wohnen<br />

unter den ungünstigen Marktbedingungen mit steigenden Zinsen<br />

und Baukosten. Zudem sind die Förderrichtlinien unklar – und die<br />

städtebaulichen, energetischen, sozialen und Mobilitäts-Vorgaben<br />

der Stadt machen die Planung noch aufwendiger. „Wir schauen<br />

uns jetzt noch mal die Kosten genau an“, sagt Sandra Koth. Sie<br />

hängt an diesem Projekt, genau wie ihr Team, das seit Monaten<br />

„Hand in Hand für Barmbek“ plant: „Wir wissen ja, wie wichtig<br />

gerade der soziale Wohnungsbau für Hamburg ist.“

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