04/2023
Die Titelthemen im April: Digital Startklar - wie die Vorbereitung auf die TI-Anbindung in der Praxis läuft // Pro & Contra: Wie soll es mit der Akademisierung weitergehen?
Die Titelthemen im April: Digital Startklar - wie die Vorbereitung auf die TI-Anbindung in der Praxis läuft // Pro & Contra: Wie soll es mit der Akademisierung weitergehen?
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ZUKUNFT<br />
PRAXIS<br />
№ <strong>04</strong>/<strong>2023</strong><br />
PRO & KONTRA<br />
PRAXISna<br />
Wie weit soll es mit der<br />
Akademisierung gehen?<br />
NEUE WEGE<br />
PRAXISnah zu Gast in<br />
Wittmund<br />
Was Therapeut:innen jetzt bewegt<br />
Jetzt auch<br />
per App<br />
Digital<br />
STARTKLAR<br />
Wie die Vorbereitung auf die TI-Anbindung in der Praxis läuft
6. JUNI<br />
IHR START IN DIE TI:<br />
SICHERHEIT<br />
IN DER TI<br />
DIE TI<br />
8<br />
KOMMT!<br />
FRAGEN ZUR TI BEANTWORTET<br />
DIE WEBINAR-REIHE VON OPTICA<br />
Gemeinsam mit unserem Technologiepartner RISE<br />
sprechen wir über das Thema Datenschutz und<br />
Sicherheit in der TI.<br />
Wie sicher<br />
ist die TI?<br />
Was passiert mit meinen Daten?<br />
ZUM WEBINAR ANMELDEN<br />
Was passiert mit<br />
meinen Daten?<br />
Anmeldung unter: optica.de/veranstaltungen<br />
Ausführliche Informationen zur TI gibt es unter<br />
optica.de/ti und unter optica.de/ti-faq.<br />
Was ist, wenn<br />
die TI ausfällt?<br />
Jetzt in der<br />
Optica-Mediathek:<br />
Webinar zur<br />
Refinanzierung des<br />
TI-Anschlusses<br />
optica.de/mediathek<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
alle reden von der Digitalisierung – doch wer packt sie wirklich<br />
an? Oft fehlt es nicht an innovativen Ideen, sondern vor<br />
allem an Lösungen, die sich in der Praxis bewähren. Und<br />
dafür braucht es nicht nur die technischen Voraussetzungen,<br />
sondern auch Pionier:innen, die bereit sind, erste<br />
Schritte auf neuem Terrain zu gehen.<br />
Die Telematikinfrastruktur (TI) bringt eine Fülle von Voraussetzungen<br />
mit, um Therapeut:innen und Patient:innen das Leben<br />
zu erleichtern. Sicherer und schnellerer Austausch von Daten<br />
wird durch sie möglich. Digitalisierung, die unseren Alltag ohnehin<br />
in sämtlichen Lebensbereichen durchdringt, somit zum<br />
Schlüssel zu einem komfortableren Arbeiten. Verpflichtend<br />
wird die Anbindung an die TI für Heilmittelerbringer:innen<br />
erst ab dem 1. Januar 2026: Doch wer sich frühzeitig mit diesem<br />
Themenfeld befasst, muss sich keine Sorgen darüber<br />
machen, vielleicht den Anschluss zu verpassen.<br />
Für die Titelgeschichte dieser Ausgabe der ZUKUNFT<br />
PRAXIS haben wir bei zwei Pionieren in Norddeutschland<br />
vorbeigeschaut: Die Brüder Osman und Rehman Ahmad haben<br />
ihre „stadtpraxis“ an den Standorten Diepholz, Dinklage<br />
und Cloppenburg digital gut aufgestellt und sind bereit, von<br />
den Vorteilen der TI zu profitieren. Das Beispiel aus der Praxis<br />
zeigt: Manchmal kommt es vor allem auf Tatkraft, Optimismus<br />
und Offenheit an – dann kann die Zukunft kommen.<br />
Ihr Dr. Jochen Pfänder<br />
Optica-Geschäftsführer<br />
Inhalt<br />
4<br />
Kompakt<br />
News und Meldungen<br />
8<br />
Bereit, loszulegen<br />
Wie eine Praxis in Norddeutschland mit ihren<br />
drei Standorten die Vorteile von Digitalisierung<br />
und Telematikinfrastruktur (TI) nutzt.<br />
13<br />
Schule und/oder Studium?<br />
Ein Pro und Kontra zur Frage, ob die Ausbildung<br />
für Therapeut:innen akademisiert werden muss.<br />
16<br />
Fragebogen: PRAXISnah<br />
Diesmal mit Jeanette Weigert aus Wittmund, die<br />
nicht nur eine Praxis neu übernommen hat, sondern<br />
auch in der Therapie eigene Akzente setzt.<br />
18<br />
Therapeut:innenwissen<br />
Was bei der Befundung von Kinderschmerzen<br />
weiterhilft.<br />
19<br />
Information & Standards<br />
Wissenswertes aus der Welt der Abrechnung,<br />
Vorschau und Impressum<br />
ZUKUNFT PRAXIS EDITORIAL3
THERAPIE<br />
IN ZAHLEN<br />
8 AZR 450/21<br />
20,2 Mrd.<br />
IST DAS AKTENZEICHEN EINES URTEILS DES BUNDES- WURDEN 2021 IN DER GESETZLICHEN<br />
ARBEITSGERICHTS, das den Anspruch von Frauen stärkt, KRANKENVERSICHERUNG FÜR HEILden<br />
gleichen Lohn zu erhalten wie Männer. Geklagt hatte UND HILFSMITTEL AUSGEGEBEN. Das<br />
eine Frau, die schlechter bezahlt wurde als ihre männlichen<br />
Kollegen, die nach Auskunft des Arbeitgebers<br />
Leistungen der Versicherung insgesamt<br />
entspricht 7,1 Prozent der Ausgaben für<br />
„besser verhandelt“ hatten. Das sei kein Argument,<br />
und stellt die viertgrößte Position dar –<br />
entschied das Gericht.<br />
nach den Ausgaben für Arzneimittel.<br />
69 130 5,1<br />
JAHRE ÄLTER ALS HEUTE WIRD<br />
MILLIONEN EURO GEHEN IN<br />
EIN WEIBLICHES BABY, das<br />
FRAGEN UND ANTWORTEN DER PHYSIOTHERAPIE JÄHRim<br />
Jahr 2027 geboren wird, bei<br />
ENTHIELT DER GLEICHNAMIGE LICH DURCH ABSETZUNGEN<br />
männlichen Babys steigt die<br />
KATALOG, kurz FAK Physiotherapie,<br />
zuletzt noch und sorgte damit LERN VERLOREN, in der Logopä-<br />
AUFGRUND VON FORMFEH-<br />
Lebenserwartung bis dahin sogar<br />
um 6,3 Jahre. Das zeigt die 15.<br />
für ein gemeinsames Verständnis die sind es 51 Millionen Euro.<br />
Bevölkerungsvorausberechnung<br />
zwischen GKV und den Heilmittelverbänden.<br />
Nun gibt es ihn aufgkv ermittelt, die auf das<br />
Das hat die Initiative #druck-<br />
des Statistischen Bundesamts.<br />
nicht mehr: „Der Fragen-Antworten-Katalog<br />
entfällt ersatzlos“, therapeuten zurückgeht:<br />
zornige Posting eines Physio-<br />
75%<br />
heißt es auf der GKV-Webseite. www.druckaufgkv.de<br />
132 Mio.<br />
DES GESUNDHEITSPERSO-<br />
NALS IN ALLEN BEREICHEN<br />
IN DEUTSCHLAND IST WEIB-<br />
LICH. Unterschiede zeigen sich<br />
im Detail: In der pharmazeutischen<br />
Industrie arbeiten zum<br />
EURO BETRÄGT LAUT GKV-SPITZENVERBAND DER ERMITTELBA-<br />
RE ENTSTANDENE SCHADEN AUS FEHLVERHALTEN IM GESUND- Beispiel gleich viele Frauen und<br />
HEITSWESEN in den Jahren 2020/2021 und das, obwohl pandemiebedingt<br />
die Zahl der neuen Fälle von Fehlverhalten gesunken war.<br />
mehr<br />
Männer, in Zahnarztpraxen viel<br />
Frauen.<br />
DIGITALISIERUNG<br />
eAU wird Standard<br />
Pflicht ist sie für Arbeitgeber:innen schon seit Anfang des Jahres.<br />
Aber nicht alles, was verpflichtend ist, wird in der Praxis<br />
auch begeistert umgesetzt. Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />
(eAU) läuft jedoch offenbar alles<br />
planmäßig, wie eine Auswertung des GKV-Spitzenverbands<br />
zeigt. Im ersten Vierteljahr des Regelbetriebs haben Arbeitgeber:innen<br />
bereits 21,6 Millionen digitale Krankmeldungen<br />
ihrer Arbeitnehmer:innen abgerufen, während es im gesamten<br />
Jahr 2022 – auf freiwilliger Basis – nur 5,9 Millionen waren.<br />
Andersherum funktioniert es auch: Ärzt:innen nutzen den<br />
digitalen Versand an die Krankenkassen stark. Allein im März<br />
<strong>2023</strong> haben sie 12,9 Millionen eAU versandt. Die Gesamtzahl<br />
der Krankmeldungen kann bisher nur grob auf 70 bis 80 Millionen<br />
jährlich geschätzt werden. Da mittlerweile wöchentlich 3<br />
Millionen eAU von den Praxen an die Krankenkassen geschickt<br />
werden, ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der<br />
Krankmeldungen digital erfolgt.<br />
Kurz &<br />
Knapp<br />
Von Physios für Physios wird<br />
seit 23 Jahren PEDro, die<br />
physiotherapeutische Evidenz-Datenbank<br />
betrieben.<br />
Die Website bietet Zugang zu<br />
den Ergebnissen hochwertiger<br />
klinischer Forschung, mit<br />
über 58.000 relevanten Studien,<br />
Reviews und Leitlinien.<br />
Aktualisiert üblicherweise am<br />
ersten Montag des Monats.<br />
pedro.org.au/german/ +++ In<br />
einem Gastbeitrag auf „Zeit<br />
Online“ hat Hilke Hansen,<br />
Professorin für Logopädie<br />
an der Hochschule Osnabrück<br />
und Vorstandsmitglied<br />
des Hochschulverbunds Gesundheitsfachberufe,<br />
dafür<br />
plädiert, dass Physiotherapeut:innen<br />
an die Hochschule<br />
gehören: is.gd/gbzeit.<br />
4 ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT5
CORONA-PANDEMIE<br />
Ende der<br />
Schutzmaßnahmen<br />
ELEKTROMOBILITÄT<br />
Förderprogramm<br />
des Bundes<br />
RATGEBER RECHT<br />
Was die Sonderregeln im Gesundheitswesen<br />
angeht, ist<br />
die Corona-Pandemie überstanden:<br />
Zum 7. April sind die<br />
letzten bundesweiten Schutzmaßnahmen<br />
nach § 28b des<br />
Infektionsschutzgesetzes<br />
ausgelaufen. Allerdings heißt<br />
das auch, dass Therapeut:innen<br />
nun die Verantwortung<br />
für die Hygiene selbst tragen.<br />
Wie alle Betriebe des Gesundheitswesens<br />
sind auch<br />
therapeutische Praxen nach<br />
wie vor zu einem Hygienekonzept<br />
verpflichtet. Es muss<br />
schriftlich vorliegen, um von<br />
Gesundheitsamt, Berufsgenossenschaft<br />
und anderen<br />
geprüft werden zu können.<br />
is.gd/schutzaus<br />
Die Bundesregierung unterstützt Einrichtungen<br />
und Unternehmen des Gesundheits- und Sozialwesens<br />
dabei, ihre Fahrzeuge auf Elektromobilität<br />
umzustellen. Hintergrund ist die Bemühung,<br />
die Treibhausgasemissionen im Verkehr zu reduzieren<br />
und zur Erreichung der Klimaschutzziele<br />
beizutragen. Das Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Klimaschutz (BMWK) setzt diese Maßnahme<br />
mit dem Programm „Sozial & Mobil“ auf<br />
Basis des bestehenden BMWK-Förderprogramms<br />
„Erneuerbar Mobil“ um. Förderfähige<br />
Einrichtungen und Unternehmen können Anträge<br />
auf Zuschüsse bis zum 30. Juni <strong>2023</strong> über<br />
das Förderportal des Bundes „easy-online“ stellen.<br />
Die Fahrzeuge müssen bis zum 30. September<br />
2024 beschafft und zugelassen werden.<br />
Mehr dazu im FAQ: is.gd/sozialmobil<br />
ABSETZUNGEN<br />
Die Top 6 der Gründe<br />
Korrekturen von Kostenträgern, beispielsweise aufgrund<br />
von fachlichen Fehlern, aber auch Falschabsetzungen vonseiten<br />
der Kostenträger oder Übermittlungsfehler können<br />
zu Absetzungen führen. Eine Auswertung von Optica zeigt<br />
die sechs häufigsten Gründe für Absetzungen:<br />
• Beginnfrist von 28 bzw. 14 Tagen wurde überschritten<br />
• Verjährungsfrist wurde überschritten<br />
• Korrekturmittel wurde verwendet<br />
• Höchstverordnungsmenge wurde überschritten<br />
• Abgerechnete Leistung stimmt nicht mit der Verordnung<br />
überein<br />
• Arztunterschrift fehlt<br />
Wie Absetzungen vermieden werden können, zeigen zehn<br />
Tipps in diesem Online-Beitrag: is.gd/absetz<br />
GESAGT<br />
Wenn elektronische Verfahren<br />
funktionieren, werden sie<br />
von Arbeitgebenden, (…)<br />
Praxen und Versicherten<br />
angenommen und bringen<br />
die Digitalisierung in<br />
Deutschland voran.<br />
Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands,<br />
zum Erfolg der elektronischen Krankmeldung eAU<br />
Fallstricke der<br />
Untervermietung<br />
Die Untervermietung bietet Hauptmietern<br />
Einnahmen und Untermietern die Chance<br />
auf Räumlichkeiten in interessanten Lagen.<br />
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht<br />
Dr. Dr. Thomas Ruppel weist auf<br />
einige Fallstricke hin.<br />
Vor Abschluss des Untermietvertrages sollten<br />
Untermieter Einsicht in den vollständigen Hauptmietvertrag<br />
nehmen und sich nicht nur auf die<br />
Aussagen des Hauptmieters verlassen. Aus dem<br />
Hauptmietvertrag ergeben sich viele Pflichten,<br />
die auch der Untermieter zu beachten hat. Es<br />
muss auch sichergestellt sein, dass der Vermieter<br />
der Untervermietung – schriftlich – zustimmt, da<br />
er sonst nicht nur die Beendigung der Untervermietung<br />
verlangen, sondern schlimmstenfalls<br />
sogar das Hauptmietverhältnis kündigen könnte.<br />
Auch der Untermietvertrag selbst sollte schriftlich<br />
geschlossen werden. Andernfalls ist er mit einer<br />
Frist von einem halben Jahr zum Quartalsende<br />
kündbar. Gerade bei Untermietverträgen müssen<br />
die (unter)vermieteten Räumlichkeiten genau bezeichnet<br />
werden, sowohl durch Nennung im Text<br />
des Untermietvertrages als auch durch zeichnerische<br />
Darstellung im Grundriss. Dabei wird<br />
man zwischen ausschließlich durch den Untermieter<br />
genutzten Therapie- und Büroräumen und<br />
Mitnutzungen von Fluren, Toiletten und Küchen<br />
unterscheiden und dies entsprechend vertraglich<br />
festhalten müssen.<br />
Den vollständigen Beitrag mit vielen weiteren<br />
Aspekten zum Thema finden Sie online:<br />
bit.ly/40gpdrY<br />
6 ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT7
TI IN DER PRAXIS<br />
„Wir sind<br />
bereit,<br />
lasst uns<br />
anfangen“<br />
Die niedersächsische<br />
Praxis „die stadtpraxis“<br />
gibt bei der Digitalisierung<br />
Vollgas und wird sich<br />
demnächst an die TI<br />
anbinden lassen. Dafür<br />
sprechen aus Sicht des<br />
Co-Geschäftsführers<br />
Osman Ahmad zwei<br />
Gründe: eigene<br />
Erfahrungen sammeln<br />
und Druck auf das<br />
Gesundheitssystem<br />
ausüben.<br />
TEXT: MICHAEL HASENPUSCH<br />
Vielen klingt er arg<br />
technisch im Ohr,<br />
der Begriff „Telematikinfrastruktur“,<br />
kurz TI. Und doch<br />
ist er das Schlüsselwort<br />
für das digitale<br />
Gesundheitswesen<br />
der Zukunft: als Basis für den schnellen, einfachen<br />
und vor allem sicheren Online-Austausch<br />
von Daten und Informationen. Im Alltag tauschen<br />
die meisten Menschen Daten ohnehin<br />
seit Langem untereinander aus, mit Computern,<br />
Laptops oder Smartphones. Über Pro-<br />
ZUKUNFT PRAXIS TITEL9
gramme auf der Arbeit. Mit Apps für Essenslieferungen,<br />
Yoga-Übungen, Dating, Navigation<br />
und unzählige andere Anwendungen. Nun soll<br />
auch die Arbeit mit und für Patient:innen von<br />
der „Kommunikationsform des 21. Jahrhunderts“<br />
– so der GKV-Spitzenverband – profitieren.<br />
Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken<br />
sind schon zur Nutzung der TI verpflichtet.<br />
Physiotherapeut:innen und Hebammen können<br />
seit knapp zwei Jahren daran teilnehmen<br />
– wenn sie wollen. Ab 2026 wird der Anschluss<br />
an die TI für alle Heil- und Hilfsmittelerbringer:innen<br />
verpflichtend. Einige wollen jetzt<br />
schon. Beispielsweise Osman Ahmad, der<br />
gemeinsam mit seinem Bruder Rehman die<br />
Physiotherapiepraxis „die stadtpraxis“ an den<br />
drei Standorten Diepholz, Dinklage und Cloppenburg<br />
führt. Hier, zwischen Oldenburg und<br />
Osnabrück, wird Digitalisierung großgeschrieben,<br />
und ist ganz wesentlich für den Weg zur TI.<br />
Für Therapeut:innen wie für Patient:innen bietet die Digitalisierung wertvolle Erleichterungen.<br />
Norddeutsch grüßt Ahmad auch am Nachmittag<br />
mit einem gut gelaunten „Moin“ am Telefon<br />
und erklärt, dass die Praxis im Prozess der<br />
Anmeldung an die TI sei. Unterlagen und nötige<br />
Ausstattung seien bereits vorhanden, aber<br />
zuvor wolle er mit seinem Team noch einige<br />
Digitalisierungsschritte abschließen, „damit<br />
wir voll digital sind“. Digitalisiert wurden in<br />
jüngster Zeit nicht nur die Patientenaufnahme<br />
und der Anamnesebogen, sondern auch der<br />
Behandlungsvertrag und die Trainingspläne.<br />
„Bei mittlerweile 26 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern an drei Standorten wollen wir<br />
das erst solide aufbauen und die Prozesse einspielen.<br />
Dann fügt sich eins zum anderen, und<br />
wir haben den Kopf für die Umstellung auf die<br />
TI frei.“<br />
„die stadtpraxis“ kann als digitale Musterpraxis<br />
gelten. Von der Anmeldung bis zur Trainingsdokumentation<br />
funktioniert alles bereits<br />
Ich würde mit der<br />
Einrichtung der TI nicht<br />
bis zum 31. Dezember<br />
2025 warten und<br />
dann hoffen, dass am<br />
1. Januar 2026 auf<br />
wundersame Weise<br />
alles gleich<br />
funktioniert.<br />
Osman Ahmad,<br />
Co-Geschäftsführer von „die stadtpraxis“<br />
per Tablet. Mit einer Einschränkung: „Natürlich<br />
haben wir auch ältere Patientinnen und<br />
Patienten, die mit der neuen Technologie noch<br />
nicht so vertraut sind. Für sie halten wir Vertragsdokumente<br />
oder Anamnesebogen noch in<br />
Papierform vor“, so Ahmad. Im digitalen Idealfall<br />
läuft es jedoch so ab: Ein neuer Patient betritt<br />
zum ersten Termin mit Verordnung in der<br />
Hand die Praxis. Während er – oder sie – am<br />
Tablet den Behandlungsvertrag ausfüllt, pflegt<br />
das Verwaltungsteam das Rezept ins System<br />
ein. Ist beides erledigt, kommt der ebenfalls<br />
digitale Anamnesebogen an die Reihe, und am<br />
Ende wird alles in die Praxissoftware übertragen.<br />
3<br />
Standorte hat<br />
die 2019 in<br />
Norddeutschland<br />
gegründete<br />
„stadtpraxis“.<br />
Sämtliche Daten sind dann im System und<br />
stehen den Therapeut:innen zur Verfügung.<br />
„Bei uns hat jede und jeder ein eigenes Tablet<br />
und nutzt es vom Start am Morgen bis zum<br />
Feierabend. Das Einzige, was wir in Papierform<br />
nicht vermeiden können, ist das Rezept“, erläutert<br />
Ahmad. Schön für die Mitarbeiter:innen:<br />
Das Tablet dürfen sie auch privat nutzen. Für<br />
die Sicherheit der Daten ist dabei gesorgt: Das<br />
Gerät ist doppelt passwortgeschützt. Zunächst<br />
muss eines eingegeben werden, um überhaupt<br />
auf das Gerät zugreifen zu können. Ein zweites<br />
Passwort sowie ein weiterer Kennschlüssel<br />
sind nötig, um sich in die Praxissoftware einzuloggen.<br />
„Das alles ist datenschutzkonform,<br />
und sollte ein Tablet einmal verloren gehen,<br />
lässt es sich aus der Ferne auch sofort komplett<br />
sperren“, erklärt Ahmad.<br />
Fehlerquellen erfolgreich<br />
eliminieren<br />
Zurück zur TI: Die Digitalisierung der Praxis<br />
sei nahezu abgeschlossen, die Anbindung an<br />
die TI in Planung, erzählt der Chef der 2019 eröffneten<br />
Praxis. Aber wie sieht seine bisherige<br />
Erfahrung mit den direkten Vorbereitungen<br />
zum Anschluss aus? „Ich habe mich im Vorfeld<br />
auch mit einigen Ärzten darüber unterhalten,<br />
und der größte Wunsch, den wir alle im<br />
Moment haben, ist das digitale Rezept, damit<br />
wir keine manuellen Eingaben mehr machen<br />
müssen“, berichtet Ahmad. „Das spart schlicht<br />
und einfach Arbeit und eliminiert außerdem<br />
Fehlerquellen.“ Die technischen Voraussetzungen<br />
seien gegeben, müssten aber noch von den<br />
Softwareentwicklern umgesetzt werden. „Das<br />
muss sich in naher Zukunft ändern, damit wir<br />
Physios wirklich von der TI profitieren können“,<br />
mahnt er.<br />
Dass sich „die stadtpraxis“ dennoch schon<br />
intensiv mit der Anmeldung an die TI beschäftigt,<br />
liegt auch an KIM, der Kommunikation<br />
im Medizinwesen. Als eine der sogenannten<br />
Fachanwendungen der TI stellt sich KIM für<br />
die Anwender:innen wie ein E-Mail-Programm<br />
dar, bietet aber anders als herkömmliche Mailprogramme<br />
automatisch die sogenannte Endezu-Ende-Verschlüsselung.<br />
Dabei werden die<br />
versandten Informationen auf dem Sendegerät<br />
verschlüsselt und erst auf dem Empfängerge-<br />
ZUKUNFT PRAXIS TITEL11
ät wieder entschlüsselt. So sind sie während<br />
der Übertragung gesichert und können nicht<br />
irgendwo mitgelesen werden. „Darüber kann<br />
man Nachrichten und auch Dateien versenden.<br />
Wenn wir also eine Rezeptänderung haben,<br />
wäre es möglich, sie mit KIM einfach und sicher<br />
an die Arztpraxis zu schicken“, sagt Ahmad.<br />
„Wird unser Änderungsvorschlag akzeptiert,<br />
schickt die Arztpraxis das neue Rezept zurück,<br />
wir speichern es ab – und fertig.“<br />
Warum man sich jetzt schon mit<br />
der TI beschäftigen sollte<br />
26<br />
Mitarbeiter:innen<br />
arbeiten bei<br />
„die stadtpraxis“<br />
voll digital.<br />
Für den Praxis-Chef zeichnen sich mit der TI<br />
viele Möglichkeiten am Horizont ab, wenngleich<br />
auch noch der eine oder andere Prozessschritt<br />
fehlt. Dennoch sollten sich seiner<br />
Meinung nach Therapeut:innen schon jetzt<br />
mit der TI beschäftigen: „Erstens würde ich<br />
mit der Einrichtung des Systems nicht bis<br />
zum 31. Dezember 2025 warten und dann hoffen,<br />
dass am 1. Januar 2026 auf wundersame<br />
Weise alles gleich funktioniert.“ Zweitens hätten<br />
Physios aus seiner Sicht die Möglichkeit,<br />
aktuell Druck auf das Gesundheitssystem<br />
auszuüben: „Wir fordern die Teilhabe an der<br />
Digitalisierung immer beim Gesundheitsministerium<br />
ein. Auch unsere Verbände leisten<br />
dahingehend tolle Arbeit. Deshalb meine ich,<br />
dass wir mit unserem eigenen Anschluss signalisieren<br />
könnten: Wir sind bereit, lasst uns<br />
anfangen. Wir haben Lust auf die TI.“ —<br />
Vernetzt arbeiten: Die digitale Anbindung an die Telematikinfrastruktur bringt viele Vorteile.<br />
Schule und/<br />
oder Studium?<br />
Akademisierung für alle Heilmittelerbringer:innen? Die Mehrheit der<br />
Verbände plädiert in der Tat für eine Vollakademisierung. Doch auch<br />
eine berufsfachschulische Ausbildung hat ihre Fürsprecher, gerade<br />
in der Physiotherapie.<br />
Ein Pro und Kontra finden Sie auf den folgenden Seiten.<br />
ZUKUNFT PRAXIS THEMA 13
Kontra<br />
Nur durch ein attraktives<br />
Berufsbild auf hohem<br />
Ausbildungsniveau lässt<br />
sich eine flächendeckende<br />
therapeutische Versorgung<br />
sicherstellen.<br />
Eine Vollakademisierung<br />
würde den Fachkräftemangel<br />
verstärken, weil dann alle<br />
jungen Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung<br />
wegbrechen würden.<br />
Wir setzen uns für eine hochschulische Ausbildung mit<br />
hohem Praxisanteil ein, wie sie im internationalen Raum<br />
seit Langem üblich ist. Diese Forderung erheben wir für<br />
die Therapieberufe Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie<br />
gemeinsam mit sieben weiteren Beteiligten<br />
im Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen. Darin<br />
haben sich die acht mitgliederstärksten Berufs- und<br />
Ausbildungsverbände der drei Berufsfelder zusammengeschlossen.<br />
Damit kommen wir dem Wunsch der Politik<br />
nach, mit einer Stimme zu sprechen.<br />
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ein Nebeneinander<br />
von fachschulischer und hochschulischer Ausbildung<br />
teuer ist und die Berufsgruppe der Physiotherapeut:innen<br />
spaltet – das lehnen wir ab! Tatsache ist auch: Immer<br />
mehr junge Menschen möchten studieren. Gleichzeitig<br />
haben sie den Wunsch, mit Menschen zu arbeiten und ihnen<br />
aktiv zu helfen. Wir sind davon überzeugt, dass eine<br />
primärqualifizierende hochschulische Ausbildung mit<br />
hohem Praxisanteil die Physiotherapie attraktiver macht<br />
und der therapeutischen Versorgung – und damit den Patient:innen<br />
– zugutekommt. Nur durch ein attraktives Berufsbild<br />
auf hohem Ausbildungsniveau lässt sich eine flächendeckende<br />
therapeutische Versorgung sicherstellen.<br />
Wir schaffen mit der hochschulischen Ausrichtung auch<br />
die Grundlage für eine kontinuierliche, wissenschaftliche<br />
Weiterentwicklung der Therapieberufe.<br />
Wir setzen uns für die hochschulische Ausbildung<br />
ohne wirtschaftliche Interessen und ohne Ausgrenzung<br />
ein – im Gegenteil: Mit unseren Vorschlägen zur Umsetzung<br />
der akademischen Ausbildung erhalten wir über<br />
die fachschulische Ausbildung des Massagetherapeuten<br />
den Zugang zur Physiotherapie mit mittlerem Bildungsabschluss.<br />
Wir schaffen gleichzeitig ein attraktives<br />
Berufsbild für Abiturient:innen, die ein vielfältiges und<br />
zukunftsfähiges Tätigkeitsfeld erwartet.<br />
Das alles soll nicht von heute auf morgen geschehen,<br />
sondern innerhalb einer Transformationszeit von bis<br />
zu 15 Jahren. Alle jetzt im Beruf Tätigen sind nur davon<br />
betroffen, wenn sie sich für eine akademische Zusatzqualifikation<br />
interessieren. Alle Berufsfachschulen und<br />
Lehrenden haben die Möglichkeit, Teil der Transformation<br />
zu sein. Wir schließen niemanden aus – im Gegenteil:<br />
Gemeinsam mit den Berufsverbänden der Lehrkräfte<br />
haben wir Übergangsszenarien und damit gute Wege für<br />
eine sinnvolle Umsetzung gefunden.<br />
Was es jetzt braucht, ist der Mut der Politik, einen<br />
zukunftsweisenden Gesetzentwurf für die Physiotherapie<br />
auf den Weg zu bringen. Dafür führen wir Gespräche,<br />
bringen uns aktiv im Bundesgesundheitsministerium<br />
und in den zuständigen Länderministerien ein. Wir müssen<br />
diese historische Chance jetzt nutzen – für mehr Autonomie<br />
innerhalb des Berufes und für die Patient:innen!<br />
Die Physiotherapeutin Andrea Rädlein ist Vorsitzende<br />
des Deutschen Verbands für Physiotherapie ZVK<br />
(PHYSIO-DEUTSCHLAND) und stellvertretende Vorsitzende<br />
des Spitzenverbands der Heilmittelverbände<br />
SHV. Zudem ist Rädlein Geschäftsführerin des Regionalen<br />
Therapie-Zentrums RTZ in Wuppertal.<br />
Grundsätzlich sind wir nicht gegen die Akademisierung.<br />
Sie ist notwendig! Hierbei orientieren wir uns an<br />
der Empfehlung des Wissenschaftsrates. Dieser hat der<br />
Politik gesagt, dass in den Gesundheitsfachberufen im<br />
Allgemeinen und der Physiotherapie im Besonderen ein<br />
Bedarf an akademisch ausgebildetem Personal von 10 bis<br />
20 Prozent besteht – beispielsweise in der Forschung,<br />
der Lehre oder auch für bestimmte Leitungsfunktionen.<br />
Die restlichen 80 bis 90 Prozent der Berufsangehörigen<br />
arbeiten jedoch beispielsweis in Heilmittelpraxen. Da<br />
geht es tatsächlich auch quantitativ um die Patient:innenversorgung<br />
und um „hands-on“. Eine akademische<br />
Ausbildung ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Dies<br />
können auch Therapeut:innen abdecken, die in einer<br />
reformierten berufsfachschulischen Ausbildung qualifiziert<br />
worden sind.<br />
Als Argument wird immer wieder herangeführt, dass<br />
eine Akademisierung den Beruf attraktiver mache. Dies<br />
ist aber nirgends valide belegt. Junge Menschen schauen<br />
nicht danach, welchen vermeintlichen Mehrwert ein Studiengang<br />
als Selbstzweck bietet, sondern unter welchen<br />
Bedingungen man später bis zu 40 Jahre lang arbeiten<br />
wird. Wie schaut es mit den Arbeitszeiten, mit Arbeitsbelastung<br />
und mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
aus? Wie sieht das mit der Vergütung und der Wertschätzung<br />
aus? Wie mit beruflicher Autonomie? Genau<br />
da müssen wir ansetzen, um Berufe attraktiv zu machen.<br />
Ich fürchte vielmehr, dass eine Vollakademisierung<br />
den Fachkräftemangel weiter verstärken wird. Denn<br />
dann würden all diejenigen jungen Menschen wegbre-<br />
chen, die keine Hochschulzugangsberechtigung haben.<br />
Und das sind an den Berufsfachschulen in freier Trägerschaft<br />
immerhin rund 60 Prozent der Schüler:innen.<br />
Darunter übrigens auch viele blinde und sehbehinderte<br />
Menschen. Während für sie die Integration in den ersten<br />
Arbeitsmarkt normalerweise ein großes Problem ist, liegt<br />
die Vermittlungsquote im Bereich der Physiotherapie bei<br />
100 Prozent. All das wäre Geschichte, wenn es tatsächlich<br />
zur Vollakademisierung käme! Wir haben unter anderem<br />
im Ausland gesehen, dass hier die Teilhabe oft an den<br />
hochschulischen Rahmenbedingungen in der Physiotherapie<br />
scheitert.<br />
Eine Brechstange im Hinblick auf die Akademisierung<br />
hilft nicht weiter. Nicht dem Berufsstand und<br />
schon gar nicht den Patient:innen. Ich bin der festen<br />
Überzeugung: In der Dreigliedrigkeit von Massage- und<br />
Physiotherapieausbildung sowie 10 bis 20 Prozent Akademisierung<br />
liegt die Lösung. Nur so lässt sich ein weiterer<br />
Fachkräftemangel verhindern, die Patient:innenversorgung<br />
langfristig sicherstellen und nur so ist eine<br />
gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne<br />
Handicap möglich. Andere Ansätze sind leider nicht<br />
stichhaltig und ideologisch verblendet.<br />
Der Diplom-Medizinpädagoge und Physiotherapeut<br />
Wolfgang Oster ist stellvertretender Bundesvorsitzender<br />
des VDB-Physiotherapieverbandes sowie Geschäftsführer<br />
des BFW Mainz, einer inklusiven beruflichen Rehabilitationseinrichtung,<br />
die auch mehrere Berufsfachschulen<br />
für Gesundheitsfachberufe unterhält.<br />
14 ZUKUNFT PRAXIS THEMA ZUKUNFT PRAXIS THEMA 15
Erst vor einigen Monaten hat JEANETTE WEIGERT die<br />
Physiotherapiepraxis im Ärztehaus Wittmund übernommen.<br />
Nicht nur der Name der Praxis hat sich seit dem verändert.<br />
Frau Weigert, was ist das Besondere<br />
an Ihrer Praxis?<br />
Ich würde ja eigentlich sagen, dass<br />
an uns gar nichts so besonders ist.<br />
Aber das stimmt so wohl nicht. Denn<br />
obwohl wir noch gar nicht so lange<br />
auf dem Markt sind, scheinen wir<br />
immerhin so besonders zu sein, dass<br />
sich hier viele Kolleg:innen bewerben.<br />
Einen Fachkräftemangel kennen<br />
wir nicht – zumindest noch nicht,<br />
denn wenn sich die Patientenzahlen<br />
weiterhin so erfreulich entwickeln,<br />
kann sich das natürlich auch ändern.<br />
Woran liegt es, dass Sie so viele Bewerbungen<br />
bekommen?<br />
Das wüsste ich auch gerne. Ich denke<br />
aber, es hat sich schnell rumgesprochen,<br />
dass es attraktiv ist, hier<br />
zu arbeiten: Wir sind ein recht junges<br />
Team. Bei uns kann man nicht nur<br />
ganz klassisch Rezepte abarbeiten,<br />
sondern sich auch beruflich weiterentwickeln.<br />
Fortbildungen werden<br />
großgeschrieben und unterstützt.<br />
Wir arbeiten interdisziplinär, auch in<br />
Kooperation mit Ärzten und der Wissenschaft.<br />
Und bei uns geht es nicht<br />
nur um die Akutphase, sondern auch<br />
um Rehabilitation und Prävention.<br />
Sie haben die Praxis erst im vergangenen<br />
Jahr übernommen. Was<br />
haben Sie alles seitdem verändert?<br />
Vieles, angefangen mit dem Namen.<br />
Ich wollte nicht, dass wir nur „Physiotherapiepraxis<br />
im Ärztehaus“ heißen.<br />
Deshalb habe ich mir lange überlegt,<br />
welcher Name passen könnte. Und<br />
ich glaube, dass „Comeback“ meinen<br />
Ansatz schon ziemlich gut trifft. Denn<br />
zurückkommen wollen ja nicht nur<br />
Profisportler nach einem Unfall, sondern<br />
zum Beispiel auch jeder orthopädische<br />
Patient, der wegen seiner<br />
Rückenschmerzen nicht mehr aktiv<br />
am sozialen Leben teilnehmen kann.<br />
Was meinen Sie genau mit Ihrem<br />
„Ansatz“?<br />
Viele Physiotherapeut:innen sehen<br />
nur den akuten Schmerz der<br />
Patient:innen. Wir dürfen als Therapeut:innen<br />
jedoch nie das Fernziel<br />
aus den Augen verlieren, nämlich die<br />
Menschen wieder alltagstauglich zu<br />
machen. Denn die Physiotherapie in<br />
der Akutphase hilft nur temporär und<br />
kann nur der Startschuss sein für das,<br />
was danach kommen muss – nämlich<br />
dass die Patient:innen so schnell<br />
wie möglich selbst Verantwortung für<br />
ihre Gesundheit übernehmen. Und<br />
diesen Prozess müssen wir begleiten<br />
und dabei auch mal – zum Beispiel<br />
mit einer Gruppentherapie – andere<br />
Wege einschlagen.<br />
Gruppentherapien haben sich in<br />
der Tat noch nicht so sehr in den<br />
Praxen durchgesetzt.<br />
Dabei wurde 2021 der Weg zur<br />
physiotherapeutischen Gruppentherapie<br />
nochmals vereinfacht: Wir<br />
können inzwischen ein Rezept eigenständig<br />
von Einzel- zu Gruppentherapie<br />
umschreiben, wenn dies im<br />
Rahmen des Behandlungsverlaufs<br />
angemessen erscheint. Und das ist<br />
sowohl in medizinischer als auch in<br />
finanzieller Hinsicht sinnvoll. Davon<br />
profitiert die Praxis genauso wie die<br />
Patient:innen – zum Beispiel weil es<br />
die Menschen anspornt, wenn sie<br />
ihre Übungen nicht alleine machen<br />
und sie sehen, dass andere die gleichen<br />
Probleme haben.<br />
Sie haben eben schon das Ärztehaus<br />
erwähnt, an dem die Praxis<br />
angegliedert ist. Welche Vorteile<br />
hat diese Nähe?<br />
Wir dürfen als<br />
Therapeut:innen<br />
jedoch nie das<br />
Fernziel aus den<br />
Augen verlieren,<br />
die Menschen<br />
wieder alltagstauglich<br />
zu<br />
machen.<br />
Das hat den Vorteil, dass die Patient:innen<br />
kurze Wege haben – genauso<br />
wie wir, wenn wir uns mal auf<br />
dem „kurzen Dienstweg“ austauschen<br />
wollen.<br />
Allerdings gibt es keinen Orthopäden<br />
bei Ihnen im Haus, oder?<br />
Doch – allerdings bei mir zuhause<br />
(lacht). Mein Mann ist Chirurg, Unfallchirurg<br />
und Orthopäde.<br />
Was würden Sie machen, wenn Sie<br />
Gesundheitsministerin für einen<br />
Tag wären?<br />
Ehrlich gesagt: Ich finde unser Gesundheitssystem<br />
eigentlich gar nicht<br />
so schlecht. Es ist gut durchdacht<br />
und es funktioniert unter dem Strich<br />
sehr gut.<br />
Diese Frage stellen wir jedes Mal in<br />
diesem Interviewformat. Eine solche<br />
Antwort gab es allerdings noch nie.<br />
(lacht) Verbessern kann man natürlich<br />
immer etwas. Die ganze Verwaltung<br />
und Bürokratie stört mich<br />
selbstverständlich auch. Wenn man<br />
– wie mit der Optica – die richtige<br />
Partnerin an der Seite hat, lässt sich<br />
aber auch das bewältigen.<br />
Letzte Frage: Ist Physiotherapeutin<br />
ihr Traumjob oder hätten Sie auch<br />
einen Plan B gehabt?<br />
Ich wollte eigentlich Lehrerin werden.<br />
Durch meine eigene sportliche<br />
Laufbahn – ich war früher Kunstturnerin<br />
– bin ich aber irgendwie in die<br />
Physiotherapie gerutscht und habe<br />
plötzlich gemerkt: Hey, das ist das,<br />
was mir Spaß macht. Ich finde es toll,<br />
Menschen zu motivieren und wieder<br />
in Bewegung zu bringen. Und auch<br />
die Praxis zu leiten, ist genau mein<br />
Ding. Denn über meine Eltern habe<br />
ich immer schon eine kaufmännische<br />
Ader gehabt, die ich jetzt ausleben<br />
kann. —<br />
16 ZUKUNFT PRAXIS FRAGEBOGEN ZUKUNFT PRAXIS FRAGEBOGEN 17
IN KOOPERATION MIT<br />
Kindliche Schmerzen<br />
verstehen und behandeln<br />
Kinder können sich oft nicht differenziert ausdrücken, zudem fehlen<br />
effiziente, validierte Schmerzerhebungsinstrumente. Dies macht einen<br />
Schmerzbefund in der Therapie schwierig. Der COMFORT-Verhaltenscore<br />
und eine Smiley-Skala können Anhaltspunkte liefern.<br />
Die subjektive Beurteilung des<br />
Schmerzes gelingt Kindern<br />
in etwa ab dem sechsten<br />
Lebensjahr, 11- bis 12-jährige Kinder<br />
zeigen ähnliche Schmerzreaktionen<br />
wie Erwachsene und machen ähnliche<br />
Schmerzangaben. Grundsätzlich<br />
klagen Kinder im Vergleich zu<br />
Erwachsenen eher weniger über<br />
Schmerzen, einige sind beispielsweise<br />
bei hohem Fieber noch fröhlich<br />
und aktiv. Indirekte Schmerzsymptome<br />
wie etwa eine veränderte<br />
Hautfarbe, ein verändertes Aktivitätslevel<br />
oder Lautäußerungen sind<br />
deshalb eine gute Möglichkeit für<br />
Therapeut:innen, die Schmerzsituation<br />
einzuschätzen.<br />
Kinder unter vier Jahren<br />
Der Einsatz des COMFORT-Verhaltenscores<br />
zur Bestimmung der<br />
Schmerzstärke ist bei Kindern bis<br />
vier Jahren sinnvoll. Dabei schätzen<br />
Eltern verschiedene Parameter ein:<br />
zum Beispiel das Schlafverhalten,<br />
die Bewegungen, den Muskeltonus,<br />
die Gesichtsspannung, die Aufmerksamkeit<br />
und die Ruhe/Unruhe. Entsprechend<br />
der Anzahl der Parameter<br />
werden Punkte vergeben. 17 oder<br />
Kinderschmerzen nachvollziehen – nicht<br />
nur mit Einfühlungsvermögen.<br />
mehr Punkte zeigen eine schmerztherapeutische<br />
Intervention an.<br />
Bei Kindern ab vier Jahren kann der<br />
Einsatz von Smiley-Skalen (visuelle<br />
analoge Schmerzskala) oder der Faces<br />
Pain Scale revised zur Schmerzstärkenbestimmung<br />
hilfreich sein.<br />
Dabei sollten Therapeut:innen darauf<br />
achten, dass sie bei deren Einsatz<br />
keine Bilder verwenden, auf denen<br />
Tränen zu sehen sind. Für ältere<br />
Kinder kann Weinen ein Zeichen von<br />
Schwäche sein, weshalb sie oft ein<br />
niedrigeres Schmerzlevel angeben.<br />
Jüngere Kinder verbinden mit Tränen<br />
eine höhere Schmerzintensität.<br />
Zudem ist zu bedenken, dass junge<br />
Schmerzpatient:innen im Beisein<br />
der Eltern ein höheres Schmerzlevel<br />
angeben könnten. Das ist insbesondere<br />
dann der Fall, wenn sie in der<br />
Krankheit sehr viel mehr Aufmerksamkeit<br />
von ihren Eltern erfahren als<br />
sonst (Krankheitsgewinn).<br />
Nötige Einwilligungen<br />
Sowohl die Befundung als auch die<br />
Behandlung ohne Beisein der Eltern<br />
setzen jedoch die Einwilligung der<br />
jungen Patient:innen und ihrer Eltern<br />
voraus! Ist das nicht möglich, müssen<br />
Therapeut:innen diesen Aspekt<br />
bei der Beurteilung der kindlichen<br />
Schmerzen immer berücksichtigen.<br />
Schmerzrelevante Faktoren des sozialen<br />
Umfeldes sollten ebenfalls mit<br />
in die Befundung einfließen. Dazu<br />
gehört die häusliche, familiäre Situation<br />
ebenso wie die soziale Situation<br />
im Kindergarten oder in der Schule.<br />
Den kompletten Artikel von Andrea<br />
Zander inklusive Literaturhinweisen<br />
lesen Sie in Praxis Handreha, Ausgabe<br />
1/<strong>2023</strong>: is.gd/kinderschmerz.<br />
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mit einem späteren Ausstellungsdatum, auf denen die<br />
sogenannte „Platzhalter-Nummer“ 999999991 eingetragen ist.<br />
Eine Korrektur ist nicht möglich und es muss eine neue Verordnung<br />
ausgestellt werden. Prüfen Sie daher bitte Ihre zahnärztlichen<br />
Verordnungen auf die richtige Verwendung der Nummer.<br />
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Zukunft Praxis, Ausgabe <strong>04</strong>/<strong>2023</strong><br />
(Erscheinungsweise: monatlich)<br />
Herausgeber:<br />
Optica Abrechnungszentrum Dr. Güldener GmbH<br />
Marienstraße 10, 70178 Stuttgart<br />
Vertreten durch die Geschäftsführer Konrad<br />
Bommas, Markus Kinkel und Dr. Jochen Pfänder<br />
Telefon: 0711 99373-2000, Telefax: 0711 99373-2025<br />
E-Mail: info@optica.de<br />
Optica-Redaktion: Fabian Maier (V.i.S.d.P.)<br />
Verlag: Fazit Communication GmbH,<br />
Pariser Straße 1, 6<strong>04</strong>86 Frankfurt am Main<br />
Konzept: Jan Philipp Rost, Martin Schmitz-Kuhl,<br />
Michael Hasenpusch, Johannes Göbel<br />
Art Direktion: Oliver Hick-Schulz<br />
Produktion: Anabell Krebs<br />
Text: Michael Hasenpusch, Martin Schmitz-Kuhl<br />
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Titel + S. 3: Moyo Studio/iStock / S. 3: Optica /<br />
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