28.04.2023 Aufrufe

04/2023

Die Titelthemen im April: Digital Startklar - wie die Vorbereitung auf die TI-Anbindung in der Praxis läuft // Pro & Contra: Wie soll es mit der Akademisierung weitergehen?

Die Titelthemen im April: Digital Startklar - wie die Vorbereitung auf die TI-Anbindung in der Praxis läuft // Pro & Contra: Wie soll es mit der Akademisierung weitergehen?

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ZUKUNFT<br />

PRAXIS<br />

№ <strong>04</strong>/<strong>2023</strong><br />

PRO & KONTRA<br />

PRAXISna<br />

Wie weit soll es mit der<br />

Akademisierung gehen?<br />

NEUE WEGE<br />

PRAXISnah zu Gast in<br />

Wittmund<br />

Was Therapeut:innen jetzt bewegt<br />

Jetzt auch<br />

per App<br />

Digital<br />

STARTKLAR<br />

Wie die Vorbereitung auf die TI-Anbindung in der Praxis läuft


6. JUNI<br />

IHR START IN DIE TI:<br />

SICHERHEIT<br />

IN DER TI<br />

DIE TI<br />

8<br />

KOMMT!<br />

FRAGEN ZUR TI BEANTWORTET<br />

DIE WEBINAR-REIHE VON OPTICA<br />

Gemeinsam mit unserem Technologiepartner RISE<br />

sprechen wir über das Thema Datenschutz und<br />

Sicherheit in der TI.<br />

Wie sicher<br />

ist die TI?<br />

Was passiert mit meinen Daten?<br />

ZUM WEBINAR ANMELDEN<br />

Was passiert mit<br />

meinen Daten?<br />

Anmeldung unter: optica.de/veranstaltungen<br />

Ausführliche Informationen zur TI gibt es unter<br />

optica.de/ti und unter optica.de/ti-faq.<br />

Was ist, wenn<br />

die TI ausfällt?<br />

Jetzt in der<br />

Optica-Mediathek:<br />

Webinar zur<br />

Refinanzierung des<br />

TI-Anschlusses<br />

optica.de/mediathek<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

alle reden von der Digitalisierung – doch wer packt sie wirklich<br />

an? Oft fehlt es nicht an innovativen Ideen, sondern vor<br />

allem an Lösungen, die sich in der Praxis bewähren. Und<br />

dafür braucht es nicht nur die technischen Voraussetzungen,<br />

sondern auch Pionier:innen, die bereit sind, erste<br />

Schritte auf neuem Terrain zu gehen.<br />

Die Telematikinfrastruktur (TI) bringt eine Fülle von Voraussetzungen<br />

mit, um Therapeut:innen und Patient:innen das Leben<br />

zu erleichtern. Sicherer und schnellerer Austausch von Daten<br />

wird durch sie möglich. Digitalisierung, die unseren Alltag ohnehin<br />

in sämtlichen Lebensbereichen durchdringt, somit zum<br />

Schlüssel zu einem komfortableren Arbeiten. Verpflichtend<br />

wird die Anbindung an die TI für Heilmittelerbringer:innen<br />

erst ab dem 1. Januar 2026: Doch wer sich frühzeitig mit diesem<br />

Themenfeld befasst, muss sich keine Sorgen darüber<br />

machen, vielleicht den Anschluss zu verpassen.<br />

Für die Titelgeschichte dieser Ausgabe der ZUKUNFT<br />

PRAXIS haben wir bei zwei Pionieren in Norddeutschland<br />

vorbeigeschaut: Die Brüder Osman und Rehman Ahmad haben<br />

ihre „stadtpraxis“ an den Standorten Diepholz, Dinklage<br />

und Cloppenburg digital gut aufgestellt und sind bereit, von<br />

den Vorteilen der TI zu profitieren. Das Beispiel aus der Praxis<br />

zeigt: Manchmal kommt es vor allem auf Tatkraft, Optimismus<br />

und Offenheit an – dann kann die Zukunft kommen.<br />

Ihr Dr. Jochen Pfänder<br />

Optica-Geschäftsführer<br />

Inhalt<br />

4<br />

Kompakt<br />

News und Meldungen<br />

8<br />

Bereit, loszulegen<br />

Wie eine Praxis in Norddeutschland mit ihren<br />

drei Standorten die Vorteile von Digitalisierung<br />

und Telematikinfrastruktur (TI) nutzt.<br />

13<br />

Schule und/oder Studium?<br />

Ein Pro und Kontra zur Frage, ob die Ausbildung<br />

für Therapeut:innen akademisiert werden muss.<br />

16<br />

Fragebogen: PRAXISnah<br />

Diesmal mit Jeanette Weigert aus Wittmund, die<br />

nicht nur eine Praxis neu übernommen hat, sondern<br />

auch in der Therapie eigene Akzente setzt.<br />

18<br />

Therapeut:innenwissen<br />

Was bei der Befundung von Kinderschmerzen<br />

weiterhilft.<br />

19<br />

Information & Standards<br />

Wissenswertes aus der Welt der Abrechnung,<br />

Vorschau und Impressum<br />

ZUKUNFT PRAXIS EDITORIAL3


THERAPIE<br />

IN ZAHLEN<br />

8 AZR 450/21<br />

20,2 Mrd.<br />

IST DAS AKTENZEICHEN EINES URTEILS DES BUNDES- WURDEN 2021 IN DER GESETZLICHEN<br />

ARBEITSGERICHTS, das den Anspruch von Frauen stärkt, KRANKENVERSICHERUNG FÜR HEILden<br />

gleichen Lohn zu erhalten wie Männer. Geklagt hatte UND HILFSMITTEL AUSGEGEBEN. Das<br />

eine Frau, die schlechter bezahlt wurde als ihre männlichen<br />

Kollegen, die nach Auskunft des Arbeitgebers<br />

Leistungen der Versicherung insgesamt<br />

entspricht 7,1 Prozent der Ausgaben für<br />

„besser verhandelt“ hatten. Das sei kein Argument,<br />

und stellt die viertgrößte Position dar –<br />

entschied das Gericht.<br />

nach den Ausgaben für Arzneimittel.<br />

69 130 5,1<br />

JAHRE ÄLTER ALS HEUTE WIRD<br />

MILLIONEN EURO GEHEN IN<br />

EIN WEIBLICHES BABY, das<br />

FRAGEN UND ANTWORTEN DER PHYSIOTHERAPIE JÄHRim<br />

Jahr 2027 geboren wird, bei<br />

ENTHIELT DER GLEICHNAMIGE LICH DURCH ABSETZUNGEN<br />

männlichen Babys steigt die<br />

KATALOG, kurz FAK Physiotherapie,<br />

zuletzt noch und sorgte damit LERN VERLOREN, in der Logopä-<br />

AUFGRUND VON FORMFEH-<br />

Lebenserwartung bis dahin sogar<br />

um 6,3 Jahre. Das zeigt die 15.<br />

für ein gemeinsames Verständnis die sind es 51 Millionen Euro.<br />

Bevölkerungsvorausberechnung<br />

zwischen GKV und den Heilmittelverbänden.<br />

Nun gibt es ihn aufgkv ermittelt, die auf das<br />

Das hat die Initiative #druck-<br />

des Statistischen Bundesamts.<br />

nicht mehr: „Der Fragen-Antworten-Katalog<br />

entfällt ersatzlos“, therapeuten zurückgeht:<br />

zornige Posting eines Physio-<br />

75%<br />

heißt es auf der GKV-Webseite. www.druckaufgkv.de<br />

132 Mio.<br />

DES GESUNDHEITSPERSO-<br />

NALS IN ALLEN BEREICHEN<br />

IN DEUTSCHLAND IST WEIB-<br />

LICH. Unterschiede zeigen sich<br />

im Detail: In der pharmazeutischen<br />

Industrie arbeiten zum<br />

EURO BETRÄGT LAUT GKV-SPITZENVERBAND DER ERMITTELBA-<br />

RE ENTSTANDENE SCHADEN AUS FEHLVERHALTEN IM GESUND- Beispiel gleich viele Frauen und<br />

HEITSWESEN in den Jahren 2020/2021 und das, obwohl pandemiebedingt<br />

die Zahl der neuen Fälle von Fehlverhalten gesunken war.<br />

mehr<br />

Männer, in Zahnarztpraxen viel<br />

Frauen.<br />

DIGITALISIERUNG<br />

eAU wird Standard<br />

Pflicht ist sie für Arbeitgeber:innen schon seit Anfang des Jahres.<br />

Aber nicht alles, was verpflichtend ist, wird in der Praxis<br />

auch begeistert umgesetzt. Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />

(eAU) läuft jedoch offenbar alles<br />

planmäßig, wie eine Auswertung des GKV-Spitzenverbands<br />

zeigt. Im ersten Vierteljahr des Regelbetriebs haben Arbeitgeber:innen<br />

bereits 21,6 Millionen digitale Krankmeldungen<br />

ihrer Arbeitnehmer:innen abgerufen, während es im gesamten<br />

Jahr 2022 – auf freiwilliger Basis – nur 5,9 Millionen waren.<br />

Andersherum funktioniert es auch: Ärzt:innen nutzen den<br />

digitalen Versand an die Krankenkassen stark. Allein im März<br />

<strong>2023</strong> haben sie 12,9 Millionen eAU versandt. Die Gesamtzahl<br />

der Krankmeldungen kann bisher nur grob auf 70 bis 80 Millionen<br />

jährlich geschätzt werden. Da mittlerweile wöchentlich 3<br />

Millionen eAU von den Praxen an die Krankenkassen geschickt<br />

werden, ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der<br />

Krankmeldungen digital erfolgt.<br />

Kurz &<br />

Knapp<br />

Von Physios für Physios wird<br />

seit 23 Jahren PEDro, die<br />

physiotherapeutische Evidenz-Datenbank<br />

betrieben.<br />

Die Website bietet Zugang zu<br />

den Ergebnissen hochwertiger<br />

klinischer Forschung, mit<br />

über 58.000 relevanten Studien,<br />

Reviews und Leitlinien.<br />

Aktualisiert üblicherweise am<br />

ersten Montag des Monats.<br />

pedro.org.au/german/ +++ In<br />

einem Gastbeitrag auf „Zeit<br />

Online“ hat Hilke Hansen,<br />

Professorin für Logopädie<br />

an der Hochschule Osnabrück<br />

und Vorstandsmitglied<br />

des Hochschulverbunds Gesundheitsfachberufe,<br />

dafür<br />

plädiert, dass Physiotherapeut:innen<br />

an die Hochschule<br />

gehören: is.gd/gbzeit.<br />

4 ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT5


CORONA-PANDEMIE<br />

Ende der<br />

Schutzmaßnahmen<br />

ELEKTROMOBILITÄT<br />

Förderprogramm<br />

des Bundes<br />

RATGEBER RECHT<br />

Was die Sonderregeln im Gesundheitswesen<br />

angeht, ist<br />

die Corona-Pandemie überstanden:<br />

Zum 7. April sind die<br />

letzten bundesweiten Schutzmaßnahmen<br />

nach § 28b des<br />

Infektionsschutzgesetzes<br />

ausgelaufen. Allerdings heißt<br />

das auch, dass Therapeut:innen<br />

nun die Verantwortung<br />

für die Hygiene selbst tragen.<br />

Wie alle Betriebe des Gesundheitswesens<br />

sind auch<br />

therapeutische Praxen nach<br />

wie vor zu einem Hygienekonzept<br />

verpflichtet. Es muss<br />

schriftlich vorliegen, um von<br />

Gesundheitsamt, Berufsgenossenschaft<br />

und anderen<br />

geprüft werden zu können.<br />

is.gd/schutzaus<br />

Die Bundesregierung unterstützt Einrichtungen<br />

und Unternehmen des Gesundheits- und Sozialwesens<br />

dabei, ihre Fahrzeuge auf Elektromobilität<br />

umzustellen. Hintergrund ist die Bemühung,<br />

die Treibhausgasemissionen im Verkehr zu reduzieren<br />

und zur Erreichung der Klimaschutzziele<br />

beizutragen. Das Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Klimaschutz (BMWK) setzt diese Maßnahme<br />

mit dem Programm „Sozial & Mobil“ auf<br />

Basis des bestehenden BMWK-Förderprogramms<br />

„Erneuerbar Mobil“ um. Förderfähige<br />

Einrichtungen und Unternehmen können Anträge<br />

auf Zuschüsse bis zum 30. Juni <strong>2023</strong> über<br />

das Förderportal des Bundes „easy-online“ stellen.<br />

Die Fahrzeuge müssen bis zum 30. September<br />

2024 beschafft und zugelassen werden.<br />

Mehr dazu im FAQ: is.gd/sozialmobil<br />

ABSETZUNGEN<br />

Die Top 6 der Gründe<br />

Korrekturen von Kostenträgern, beispielsweise aufgrund<br />

von fachlichen Fehlern, aber auch Falschabsetzungen vonseiten<br />

der Kostenträger oder Übermittlungsfehler können<br />

zu Absetzungen führen. Eine Auswertung von Optica zeigt<br />

die sechs häufigsten Gründe für Absetzungen:<br />

• Beginnfrist von 28 bzw. 14 Tagen wurde überschritten<br />

• Verjährungsfrist wurde überschritten<br />

• Korrekturmittel wurde verwendet<br />

• Höchstverordnungsmenge wurde überschritten<br />

• Abgerechnete Leistung stimmt nicht mit der Verordnung<br />

überein<br />

• Arztunterschrift fehlt<br />

Wie Absetzungen vermieden werden können, zeigen zehn<br />

Tipps in diesem Online-Beitrag: is.gd/absetz<br />

GESAGT<br />

Wenn elektronische Verfahren<br />

funktionieren, werden sie<br />

von Arbeitgebenden, (…)<br />

Praxen und Versicherten<br />

angenommen und bringen<br />

die Digitalisierung in<br />

Deutschland voran.<br />

Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands,<br />

zum Erfolg der elektronischen Krankmeldung eAU<br />

Fallstricke der<br />

Untervermietung<br />

Die Untervermietung bietet Hauptmietern<br />

Einnahmen und Untermietern die Chance<br />

auf Räumlichkeiten in interessanten Lagen.<br />

Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht<br />

Dr. Dr. Thomas Ruppel weist auf<br />

einige Fallstricke hin.<br />

Vor Abschluss des Untermietvertrages sollten<br />

Untermieter Einsicht in den vollständigen Hauptmietvertrag<br />

nehmen und sich nicht nur auf die<br />

Aussagen des Hauptmieters verlassen. Aus dem<br />

Hauptmietvertrag ergeben sich viele Pflichten,<br />

die auch der Untermieter zu beachten hat. Es<br />

muss auch sichergestellt sein, dass der Vermieter<br />

der Untervermietung – schriftlich – zustimmt, da<br />

er sonst nicht nur die Beendigung der Untervermietung<br />

verlangen, sondern schlimmstenfalls<br />

sogar das Hauptmietverhältnis kündigen könnte.<br />

Auch der Untermietvertrag selbst sollte schriftlich<br />

geschlossen werden. Andernfalls ist er mit einer<br />

Frist von einem halben Jahr zum Quartalsende<br />

kündbar. Gerade bei Untermietverträgen müssen<br />

die (unter)vermieteten Räumlichkeiten genau bezeichnet<br />

werden, sowohl durch Nennung im Text<br />

des Untermietvertrages als auch durch zeichnerische<br />

Darstellung im Grundriss. Dabei wird<br />

man zwischen ausschließlich durch den Untermieter<br />

genutzten Therapie- und Büroräumen und<br />

Mitnutzungen von Fluren, Toiletten und Küchen<br />

unterscheiden und dies entsprechend vertraglich<br />

festhalten müssen.<br />

Den vollständigen Beitrag mit vielen weiteren<br />

Aspekten zum Thema finden Sie online:<br />

bit.ly/40gpdrY<br />

6 ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT ZUKUNFT PRAXIS KOMPAKT7


TI IN DER PRAXIS<br />

„Wir sind<br />

bereit,<br />

lasst uns<br />

anfangen“<br />

Die niedersächsische<br />

Praxis „die stadtpraxis“<br />

gibt bei der Digitalisierung<br />

Vollgas und wird sich<br />

demnächst an die TI<br />

anbinden lassen. Dafür<br />

sprechen aus Sicht des<br />

Co-Geschäftsführers<br />

Osman Ahmad zwei<br />

Gründe: eigene<br />

Erfahrungen sammeln<br />

und Druck auf das<br />

Gesundheitssystem<br />

ausüben.<br />

TEXT: MICHAEL HASENPUSCH<br />

Vielen klingt er arg<br />

technisch im Ohr,<br />

der Begriff „Telematikinfrastruktur“,<br />

kurz TI. Und doch<br />

ist er das Schlüsselwort<br />

für das digitale<br />

Gesundheitswesen<br />

der Zukunft: als Basis für den schnellen, einfachen<br />

und vor allem sicheren Online-Austausch<br />

von Daten und Informationen. Im Alltag tauschen<br />

die meisten Menschen Daten ohnehin<br />

seit Langem untereinander aus, mit Computern,<br />

Laptops oder Smartphones. Über Pro-<br />

ZUKUNFT PRAXIS TITEL9


gramme auf der Arbeit. Mit Apps für Essenslieferungen,<br />

Yoga-Übungen, Dating, Navigation<br />

und unzählige andere Anwendungen. Nun soll<br />

auch die Arbeit mit und für Patient:innen von<br />

der „Kommunikationsform des 21. Jahrhunderts“<br />

– so der GKV-Spitzenverband – profitieren.<br />

Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken<br />

sind schon zur Nutzung der TI verpflichtet.<br />

Physiotherapeut:innen und Hebammen können<br />

seit knapp zwei Jahren daran teilnehmen<br />

– wenn sie wollen. Ab 2026 wird der Anschluss<br />

an die TI für alle Heil- und Hilfsmittelerbringer:innen<br />

verpflichtend. Einige wollen jetzt<br />

schon. Beispielsweise Osman Ahmad, der<br />

gemeinsam mit seinem Bruder Rehman die<br />

Physiotherapiepraxis „die stadtpraxis“ an den<br />

drei Standorten Diepholz, Dinklage und Cloppenburg<br />

führt. Hier, zwischen Oldenburg und<br />

Osnabrück, wird Digitalisierung großgeschrieben,<br />

und ist ganz wesentlich für den Weg zur TI.<br />

Für Therapeut:innen wie für Patient:innen bietet die Digitalisierung wertvolle Erleichterungen.<br />

Norddeutsch grüßt Ahmad auch am Nachmittag<br />

mit einem gut gelaunten „Moin“ am Telefon<br />

und erklärt, dass die Praxis im Prozess der<br />

Anmeldung an die TI sei. Unterlagen und nötige<br />

Ausstattung seien bereits vorhanden, aber<br />

zuvor wolle er mit seinem Team noch einige<br />

Digitalisierungsschritte abschließen, „damit<br />

wir voll digital sind“. Digitalisiert wurden in<br />

jüngster Zeit nicht nur die Patientenaufnahme<br />

und der Anamnesebogen, sondern auch der<br />

Behandlungsvertrag und die Trainingspläne.<br />

„Bei mittlerweile 26 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern an drei Standorten wollen wir<br />

das erst solide aufbauen und die Prozesse einspielen.<br />

Dann fügt sich eins zum anderen, und<br />

wir haben den Kopf für die Umstellung auf die<br />

TI frei.“<br />

„die stadtpraxis“ kann als digitale Musterpraxis<br />

gelten. Von der Anmeldung bis zur Trainingsdokumentation<br />

funktioniert alles bereits<br />

Ich würde mit der<br />

Einrichtung der TI nicht<br />

bis zum 31. Dezember<br />

2025 warten und<br />

dann hoffen, dass am<br />

1. Januar 2026 auf<br />

wundersame Weise<br />

alles gleich<br />

funktioniert.<br />

Osman Ahmad,<br />

Co-Geschäftsführer von „die stadtpraxis“<br />

per Tablet. Mit einer Einschränkung: „Natürlich<br />

haben wir auch ältere Patientinnen und<br />

Patienten, die mit der neuen Technologie noch<br />

nicht so vertraut sind. Für sie halten wir Vertragsdokumente<br />

oder Anamnesebogen noch in<br />

Papierform vor“, so Ahmad. Im digitalen Idealfall<br />

läuft es jedoch so ab: Ein neuer Patient betritt<br />

zum ersten Termin mit Verordnung in der<br />

Hand die Praxis. Während er – oder sie – am<br />

Tablet den Behandlungsvertrag ausfüllt, pflegt<br />

das Verwaltungsteam das Rezept ins System<br />

ein. Ist beides erledigt, kommt der ebenfalls<br />

digitale Anamnesebogen an die Reihe, und am<br />

Ende wird alles in die Praxissoftware übertragen.<br />

3<br />

Standorte hat<br />

die 2019 in<br />

Norddeutschland<br />

gegründete<br />

„stadtpraxis“.<br />

Sämtliche Daten sind dann im System und<br />

stehen den Therapeut:innen zur Verfügung.<br />

„Bei uns hat jede und jeder ein eigenes Tablet<br />

und nutzt es vom Start am Morgen bis zum<br />

Feierabend. Das Einzige, was wir in Papierform<br />

nicht vermeiden können, ist das Rezept“, erläutert<br />

Ahmad. Schön für die Mitarbeiter:innen:<br />

Das Tablet dürfen sie auch privat nutzen. Für<br />

die Sicherheit der Daten ist dabei gesorgt: Das<br />

Gerät ist doppelt passwortgeschützt. Zunächst<br />

muss eines eingegeben werden, um überhaupt<br />

auf das Gerät zugreifen zu können. Ein zweites<br />

Passwort sowie ein weiterer Kennschlüssel<br />

sind nötig, um sich in die Praxissoftware einzuloggen.<br />

„Das alles ist datenschutzkonform,<br />

und sollte ein Tablet einmal verloren gehen,<br />

lässt es sich aus der Ferne auch sofort komplett<br />

sperren“, erklärt Ahmad.<br />

Fehlerquellen erfolgreich<br />

eliminieren<br />

Zurück zur TI: Die Digitalisierung der Praxis<br />

sei nahezu abgeschlossen, die Anbindung an<br />

die TI in Planung, erzählt der Chef der 2019 eröffneten<br />

Praxis. Aber wie sieht seine bisherige<br />

Erfahrung mit den direkten Vorbereitungen<br />

zum Anschluss aus? „Ich habe mich im Vorfeld<br />

auch mit einigen Ärzten darüber unterhalten,<br />

und der größte Wunsch, den wir alle im<br />

Moment haben, ist das digitale Rezept, damit<br />

wir keine manuellen Eingaben mehr machen<br />

müssen“, berichtet Ahmad. „Das spart schlicht<br />

und einfach Arbeit und eliminiert außerdem<br />

Fehlerquellen.“ Die technischen Voraussetzungen<br />

seien gegeben, müssten aber noch von den<br />

Softwareentwicklern umgesetzt werden. „Das<br />

muss sich in naher Zukunft ändern, damit wir<br />

Physios wirklich von der TI profitieren können“,<br />

mahnt er.<br />

Dass sich „die stadtpraxis“ dennoch schon<br />

intensiv mit der Anmeldung an die TI beschäftigt,<br />

liegt auch an KIM, der Kommunikation<br />

im Medizinwesen. Als eine der sogenannten<br />

Fachanwendungen der TI stellt sich KIM für<br />

die Anwender:innen wie ein E-Mail-Programm<br />

dar, bietet aber anders als herkömmliche Mailprogramme<br />

automatisch die sogenannte Endezu-Ende-Verschlüsselung.<br />

Dabei werden die<br />

versandten Informationen auf dem Sendegerät<br />

verschlüsselt und erst auf dem Empfängerge-<br />

ZUKUNFT PRAXIS TITEL11


ät wieder entschlüsselt. So sind sie während<br />

der Übertragung gesichert und können nicht<br />

irgendwo mitgelesen werden. „Darüber kann<br />

man Nachrichten und auch Dateien versenden.<br />

Wenn wir also eine Rezeptänderung haben,<br />

wäre es möglich, sie mit KIM einfach und sicher<br />

an die Arztpraxis zu schicken“, sagt Ahmad.<br />

„Wird unser Änderungsvorschlag akzeptiert,<br />

schickt die Arztpraxis das neue Rezept zurück,<br />

wir speichern es ab – und fertig.“<br />

Warum man sich jetzt schon mit<br />

der TI beschäftigen sollte<br />

26<br />

Mitarbeiter:innen<br />

arbeiten bei<br />

„die stadtpraxis“<br />

voll digital.<br />

Für den Praxis-Chef zeichnen sich mit der TI<br />

viele Möglichkeiten am Horizont ab, wenngleich<br />

auch noch der eine oder andere Prozessschritt<br />

fehlt. Dennoch sollten sich seiner<br />

Meinung nach Therapeut:innen schon jetzt<br />

mit der TI beschäftigen: „Erstens würde ich<br />

mit der Einrichtung des Systems nicht bis<br />

zum 31. Dezember 2025 warten und dann hoffen,<br />

dass am 1. Januar 2026 auf wundersame<br />

Weise alles gleich funktioniert.“ Zweitens hätten<br />

Physios aus seiner Sicht die Möglichkeit,<br />

aktuell Druck auf das Gesundheitssystem<br />

auszuüben: „Wir fordern die Teilhabe an der<br />

Digitalisierung immer beim Gesundheitsministerium<br />

ein. Auch unsere Verbände leisten<br />

dahingehend tolle Arbeit. Deshalb meine ich,<br />

dass wir mit unserem eigenen Anschluss signalisieren<br />

könnten: Wir sind bereit, lasst uns<br />

anfangen. Wir haben Lust auf die TI.“ —<br />

Vernetzt arbeiten: Die digitale Anbindung an die Telematikinfrastruktur bringt viele Vorteile.<br />

Schule und/<br />

oder Studium?<br />

Akademisierung für alle Heilmittelerbringer:innen? Die Mehrheit der<br />

Verbände plädiert in der Tat für eine Vollakademisierung. Doch auch<br />

eine berufsfachschulische Ausbildung hat ihre Fürsprecher, gerade<br />

in der Physiotherapie.<br />

Ein Pro und Kontra finden Sie auf den folgenden Seiten.<br />

ZUKUNFT PRAXIS THEMA 13


Kontra<br />

Nur durch ein attraktives<br />

Berufsbild auf hohem<br />

Ausbildungsniveau lässt<br />

sich eine flächendeckende<br />

therapeutische Versorgung<br />

sicherstellen.<br />

Eine Vollakademisierung<br />

würde den Fachkräftemangel<br />

verstärken, weil dann alle<br />

jungen Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung<br />

wegbrechen würden.<br />

Wir setzen uns für eine hochschulische Ausbildung mit<br />

hohem Praxisanteil ein, wie sie im internationalen Raum<br />

seit Langem üblich ist. Diese Forderung erheben wir für<br />

die Therapieberufe Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie<br />

gemeinsam mit sieben weiteren Beteiligten<br />

im Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen. Darin<br />

haben sich die acht mitgliederstärksten Berufs- und<br />

Ausbildungsverbände der drei Berufsfelder zusammengeschlossen.<br />

Damit kommen wir dem Wunsch der Politik<br />

nach, mit einer Stimme zu sprechen.<br />

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ein Nebeneinander<br />

von fachschulischer und hochschulischer Ausbildung<br />

teuer ist und die Berufsgruppe der Physiotherapeut:innen<br />

spaltet – das lehnen wir ab! Tatsache ist auch: Immer<br />

mehr junge Menschen möchten studieren. Gleichzeitig<br />

haben sie den Wunsch, mit Menschen zu arbeiten und ihnen<br />

aktiv zu helfen. Wir sind davon überzeugt, dass eine<br />

primärqualifizierende hochschulische Ausbildung mit<br />

hohem Praxisanteil die Physiotherapie attraktiver macht<br />

und der therapeutischen Versorgung – und damit den Patient:innen<br />

– zugutekommt. Nur durch ein attraktives Berufsbild<br />

auf hohem Ausbildungsniveau lässt sich eine flächendeckende<br />

therapeutische Versorgung sicherstellen.<br />

Wir schaffen mit der hochschulischen Ausrichtung auch<br />

die Grundlage für eine kontinuierliche, wissenschaftliche<br />

Weiterentwicklung der Therapieberufe.<br />

Wir setzen uns für die hochschulische Ausbildung<br />

ohne wirtschaftliche Interessen und ohne Ausgrenzung<br />

ein – im Gegenteil: Mit unseren Vorschlägen zur Umsetzung<br />

der akademischen Ausbildung erhalten wir über<br />

die fachschulische Ausbildung des Massagetherapeuten<br />

den Zugang zur Physiotherapie mit mittlerem Bildungsabschluss.<br />

Wir schaffen gleichzeitig ein attraktives<br />

Berufsbild für Abiturient:innen, die ein vielfältiges und<br />

zukunftsfähiges Tätigkeitsfeld erwartet.<br />

Das alles soll nicht von heute auf morgen geschehen,<br />

sondern innerhalb einer Transformationszeit von bis<br />

zu 15 Jahren. Alle jetzt im Beruf Tätigen sind nur davon<br />

betroffen, wenn sie sich für eine akademische Zusatzqualifikation<br />

interessieren. Alle Berufsfachschulen und<br />

Lehrenden haben die Möglichkeit, Teil der Transformation<br />

zu sein. Wir schließen niemanden aus – im Gegenteil:<br />

Gemeinsam mit den Berufsverbänden der Lehrkräfte<br />

haben wir Übergangsszenarien und damit gute Wege für<br />

eine sinnvolle Umsetzung gefunden.<br />

Was es jetzt braucht, ist der Mut der Politik, einen<br />

zukunftsweisenden Gesetzentwurf für die Physiotherapie<br />

auf den Weg zu bringen. Dafür führen wir Gespräche,<br />

bringen uns aktiv im Bundesgesundheitsministerium<br />

und in den zuständigen Länderministerien ein. Wir müssen<br />

diese historische Chance jetzt nutzen – für mehr Autonomie<br />

innerhalb des Berufes und für die Patient:innen!<br />

Die Physiotherapeutin Andrea Rädlein ist Vorsitzende<br />

des Deutschen Verbands für Physiotherapie ZVK<br />

(PHYSIO-DEUTSCHLAND) und stellvertretende Vorsitzende<br />

des Spitzenverbands der Heilmittelverbände<br />

SHV. Zudem ist Rädlein Geschäftsführerin des Regionalen<br />

Therapie-Zentrums RTZ in Wuppertal.<br />

Grundsätzlich sind wir nicht gegen die Akademisierung.<br />

Sie ist notwendig! Hierbei orientieren wir uns an<br />

der Empfehlung des Wissenschaftsrates. Dieser hat der<br />

Politik gesagt, dass in den Gesundheitsfachberufen im<br />

Allgemeinen und der Physiotherapie im Besonderen ein<br />

Bedarf an akademisch ausgebildetem Personal von 10 bis<br />

20 Prozent besteht – beispielsweise in der Forschung,<br />

der Lehre oder auch für bestimmte Leitungsfunktionen.<br />

Die restlichen 80 bis 90 Prozent der Berufsangehörigen<br />

arbeiten jedoch beispielsweis in Heilmittelpraxen. Da<br />

geht es tatsächlich auch quantitativ um die Patient:innenversorgung<br />

und um „hands-on“. Eine akademische<br />

Ausbildung ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Dies<br />

können auch Therapeut:innen abdecken, die in einer<br />

reformierten berufsfachschulischen Ausbildung qualifiziert<br />

worden sind.<br />

Als Argument wird immer wieder herangeführt, dass<br />

eine Akademisierung den Beruf attraktiver mache. Dies<br />

ist aber nirgends valide belegt. Junge Menschen schauen<br />

nicht danach, welchen vermeintlichen Mehrwert ein Studiengang<br />

als Selbstzweck bietet, sondern unter welchen<br />

Bedingungen man später bis zu 40 Jahre lang arbeiten<br />

wird. Wie schaut es mit den Arbeitszeiten, mit Arbeitsbelastung<br />

und mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

aus? Wie sieht das mit der Vergütung und der Wertschätzung<br />

aus? Wie mit beruflicher Autonomie? Genau<br />

da müssen wir ansetzen, um Berufe attraktiv zu machen.<br />

Ich fürchte vielmehr, dass eine Vollakademisierung<br />

den Fachkräftemangel weiter verstärken wird. Denn<br />

dann würden all diejenigen jungen Menschen wegbre-<br />

chen, die keine Hochschulzugangsberechtigung haben.<br />

Und das sind an den Berufsfachschulen in freier Trägerschaft<br />

immerhin rund 60 Prozent der Schüler:innen.<br />

Darunter übrigens auch viele blinde und sehbehinderte<br />

Menschen. Während für sie die Integration in den ersten<br />

Arbeitsmarkt normalerweise ein großes Problem ist, liegt<br />

die Vermittlungsquote im Bereich der Physiotherapie bei<br />

100 Prozent. All das wäre Geschichte, wenn es tatsächlich<br />

zur Vollakademisierung käme! Wir haben unter anderem<br />

im Ausland gesehen, dass hier die Teilhabe oft an den<br />

hochschulischen Rahmenbedingungen in der Physiotherapie<br />

scheitert.<br />

Eine Brechstange im Hinblick auf die Akademisierung<br />

hilft nicht weiter. Nicht dem Berufsstand und<br />

schon gar nicht den Patient:innen. Ich bin der festen<br />

Überzeugung: In der Dreigliedrigkeit von Massage- und<br />

Physiotherapieausbildung sowie 10 bis 20 Prozent Akademisierung<br />

liegt die Lösung. Nur so lässt sich ein weiterer<br />

Fachkräftemangel verhindern, die Patient:innenversorgung<br />

langfristig sicherstellen und nur so ist eine<br />

gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne<br />

Handicap möglich. Andere Ansätze sind leider nicht<br />

stichhaltig und ideologisch verblendet.<br />

Der Diplom-Medizinpädagoge und Physiotherapeut<br />

Wolfgang Oster ist stellvertretender Bundesvorsitzender<br />

des VDB-Physiotherapieverbandes sowie Geschäftsführer<br />

des BFW Mainz, einer inklusiven beruflichen Rehabilitationseinrichtung,<br />

die auch mehrere Berufsfachschulen<br />

für Gesundheitsfachberufe unterhält.<br />

14 ZUKUNFT PRAXIS THEMA ZUKUNFT PRAXIS THEMA 15


Erst vor einigen Monaten hat JEANETTE WEIGERT die<br />

Physiotherapiepraxis im Ärztehaus Wittmund übernommen.<br />

Nicht nur der Name der Praxis hat sich seit dem verändert.<br />

Frau Weigert, was ist das Besondere<br />

an Ihrer Praxis?<br />

Ich würde ja eigentlich sagen, dass<br />

an uns gar nichts so besonders ist.<br />

Aber das stimmt so wohl nicht. Denn<br />

obwohl wir noch gar nicht so lange<br />

auf dem Markt sind, scheinen wir<br />

immerhin so besonders zu sein, dass<br />

sich hier viele Kolleg:innen bewerben.<br />

Einen Fachkräftemangel kennen<br />

wir nicht – zumindest noch nicht,<br />

denn wenn sich die Patientenzahlen<br />

weiterhin so erfreulich entwickeln,<br />

kann sich das natürlich auch ändern.<br />

Woran liegt es, dass Sie so viele Bewerbungen<br />

bekommen?<br />

Das wüsste ich auch gerne. Ich denke<br />

aber, es hat sich schnell rumgesprochen,<br />

dass es attraktiv ist, hier<br />

zu arbeiten: Wir sind ein recht junges<br />

Team. Bei uns kann man nicht nur<br />

ganz klassisch Rezepte abarbeiten,<br />

sondern sich auch beruflich weiterentwickeln.<br />

Fortbildungen werden<br />

großgeschrieben und unterstützt.<br />

Wir arbeiten interdisziplinär, auch in<br />

Kooperation mit Ärzten und der Wissenschaft.<br />

Und bei uns geht es nicht<br />

nur um die Akutphase, sondern auch<br />

um Rehabilitation und Prävention.<br />

Sie haben die Praxis erst im vergangenen<br />

Jahr übernommen. Was<br />

haben Sie alles seitdem verändert?<br />

Vieles, angefangen mit dem Namen.<br />

Ich wollte nicht, dass wir nur „Physiotherapiepraxis<br />

im Ärztehaus“ heißen.<br />

Deshalb habe ich mir lange überlegt,<br />

welcher Name passen könnte. Und<br />

ich glaube, dass „Comeback“ meinen<br />

Ansatz schon ziemlich gut trifft. Denn<br />

zurückkommen wollen ja nicht nur<br />

Profisportler nach einem Unfall, sondern<br />

zum Beispiel auch jeder orthopädische<br />

Patient, der wegen seiner<br />

Rückenschmerzen nicht mehr aktiv<br />

am sozialen Leben teilnehmen kann.<br />

Was meinen Sie genau mit Ihrem<br />

„Ansatz“?<br />

Viele Physiotherapeut:innen sehen<br />

nur den akuten Schmerz der<br />

Patient:innen. Wir dürfen als Therapeut:innen<br />

jedoch nie das Fernziel<br />

aus den Augen verlieren, nämlich die<br />

Menschen wieder alltagstauglich zu<br />

machen. Denn die Physiotherapie in<br />

der Akutphase hilft nur temporär und<br />

kann nur der Startschuss sein für das,<br />

was danach kommen muss – nämlich<br />

dass die Patient:innen so schnell<br />

wie möglich selbst Verantwortung für<br />

ihre Gesundheit übernehmen. Und<br />

diesen Prozess müssen wir begleiten<br />

und dabei auch mal – zum Beispiel<br />

mit einer Gruppentherapie – andere<br />

Wege einschlagen.<br />

Gruppentherapien haben sich in<br />

der Tat noch nicht so sehr in den<br />

Praxen durchgesetzt.<br />

Dabei wurde 2021 der Weg zur<br />

physiotherapeutischen Gruppentherapie<br />

nochmals vereinfacht: Wir<br />

können inzwischen ein Rezept eigenständig<br />

von Einzel- zu Gruppentherapie<br />

umschreiben, wenn dies im<br />

Rahmen des Behandlungsverlaufs<br />

angemessen erscheint. Und das ist<br />

sowohl in medizinischer als auch in<br />

finanzieller Hinsicht sinnvoll. Davon<br />

profitiert die Praxis genauso wie die<br />

Patient:innen – zum Beispiel weil es<br />

die Menschen anspornt, wenn sie<br />

ihre Übungen nicht alleine machen<br />

und sie sehen, dass andere die gleichen<br />

Probleme haben.<br />

Sie haben eben schon das Ärztehaus<br />

erwähnt, an dem die Praxis<br />

angegliedert ist. Welche Vorteile<br />

hat diese Nähe?<br />

Wir dürfen als<br />

Therapeut:innen<br />

jedoch nie das<br />

Fernziel aus den<br />

Augen verlieren,<br />

die Menschen<br />

wieder alltagstauglich<br />

zu<br />

machen.<br />

Das hat den Vorteil, dass die Patient:innen<br />

kurze Wege haben – genauso<br />

wie wir, wenn wir uns mal auf<br />

dem „kurzen Dienstweg“ austauschen<br />

wollen.<br />

Allerdings gibt es keinen Orthopäden<br />

bei Ihnen im Haus, oder?<br />

Doch – allerdings bei mir zuhause<br />

(lacht). Mein Mann ist Chirurg, Unfallchirurg<br />

und Orthopäde.<br />

Was würden Sie machen, wenn Sie<br />

Gesundheitsministerin für einen<br />

Tag wären?<br />

Ehrlich gesagt: Ich finde unser Gesundheitssystem<br />

eigentlich gar nicht<br />

so schlecht. Es ist gut durchdacht<br />

und es funktioniert unter dem Strich<br />

sehr gut.<br />

Diese Frage stellen wir jedes Mal in<br />

diesem Interviewformat. Eine solche<br />

Antwort gab es allerdings noch nie.<br />

(lacht) Verbessern kann man natürlich<br />

immer etwas. Die ganze Verwaltung<br />

und Bürokratie stört mich<br />

selbstverständlich auch. Wenn man<br />

– wie mit der Optica – die richtige<br />

Partnerin an der Seite hat, lässt sich<br />

aber auch das bewältigen.<br />

Letzte Frage: Ist Physiotherapeutin<br />

ihr Traumjob oder hätten Sie auch<br />

einen Plan B gehabt?<br />

Ich wollte eigentlich Lehrerin werden.<br />

Durch meine eigene sportliche<br />

Laufbahn – ich war früher Kunstturnerin<br />

– bin ich aber irgendwie in die<br />

Physiotherapie gerutscht und habe<br />

plötzlich gemerkt: Hey, das ist das,<br />

was mir Spaß macht. Ich finde es toll,<br />

Menschen zu motivieren und wieder<br />

in Bewegung zu bringen. Und auch<br />

die Praxis zu leiten, ist genau mein<br />

Ding. Denn über meine Eltern habe<br />

ich immer schon eine kaufmännische<br />

Ader gehabt, die ich jetzt ausleben<br />

kann. —<br />

16 ZUKUNFT PRAXIS FRAGEBOGEN ZUKUNFT PRAXIS FRAGEBOGEN 17


IN KOOPERATION MIT<br />

Kindliche Schmerzen<br />

verstehen und behandeln<br />

Kinder können sich oft nicht differenziert ausdrücken, zudem fehlen<br />

effiziente, validierte Schmerzerhebungsinstrumente. Dies macht einen<br />

Schmerzbefund in der Therapie schwierig. Der COMFORT-Verhaltenscore<br />

und eine Smiley-Skala können Anhaltspunkte liefern.<br />

Die subjektive Beurteilung des<br />

Schmerzes gelingt Kindern<br />

in etwa ab dem sechsten<br />

Lebensjahr, 11- bis 12-jährige Kinder<br />

zeigen ähnliche Schmerzreaktionen<br />

wie Erwachsene und machen ähnliche<br />

Schmerzangaben. Grundsätzlich<br />

klagen Kinder im Vergleich zu<br />

Erwachsenen eher weniger über<br />

Schmerzen, einige sind beispielsweise<br />

bei hohem Fieber noch fröhlich<br />

und aktiv. Indirekte Schmerzsymptome<br />

wie etwa eine veränderte<br />

Hautfarbe, ein verändertes Aktivitätslevel<br />

oder Lautäußerungen sind<br />

deshalb eine gute Möglichkeit für<br />

Therapeut:innen, die Schmerzsituation<br />

einzuschätzen.<br />

Kinder unter vier Jahren<br />

Der Einsatz des COMFORT-Verhaltenscores<br />

zur Bestimmung der<br />

Schmerzstärke ist bei Kindern bis<br />

vier Jahren sinnvoll. Dabei schätzen<br />

Eltern verschiedene Parameter ein:<br />

zum Beispiel das Schlafverhalten,<br />

die Bewegungen, den Muskeltonus,<br />

die Gesichtsspannung, die Aufmerksamkeit<br />

und die Ruhe/Unruhe. Entsprechend<br />

der Anzahl der Parameter<br />

werden Punkte vergeben. 17 oder<br />

Kinderschmerzen nachvollziehen – nicht<br />

nur mit Einfühlungsvermögen.<br />

mehr Punkte zeigen eine schmerztherapeutische<br />

Intervention an.<br />

Bei Kindern ab vier Jahren kann der<br />

Einsatz von Smiley-Skalen (visuelle<br />

analoge Schmerzskala) oder der Faces<br />

Pain Scale revised zur Schmerzstärkenbestimmung<br />

hilfreich sein.<br />

Dabei sollten Therapeut:innen darauf<br />

achten, dass sie bei deren Einsatz<br />

keine Bilder verwenden, auf denen<br />

Tränen zu sehen sind. Für ältere<br />

Kinder kann Weinen ein Zeichen von<br />

Schwäche sein, weshalb sie oft ein<br />

niedrigeres Schmerzlevel angeben.<br />

Jüngere Kinder verbinden mit Tränen<br />

eine höhere Schmerzintensität.<br />

Zudem ist zu bedenken, dass junge<br />

Schmerzpatient:innen im Beisein<br />

der Eltern ein höheres Schmerzlevel<br />

angeben könnten. Das ist insbesondere<br />

dann der Fall, wenn sie in der<br />

Krankheit sehr viel mehr Aufmerksamkeit<br />

von ihren Eltern erfahren als<br />

sonst (Krankheitsgewinn).<br />

Nötige Einwilligungen<br />

Sowohl die Befundung als auch die<br />

Behandlung ohne Beisein der Eltern<br />

setzen jedoch die Einwilligung der<br />

jungen Patient:innen und ihrer Eltern<br />

voraus! Ist das nicht möglich, müssen<br />

Therapeut:innen diesen Aspekt<br />

bei der Beurteilung der kindlichen<br />

Schmerzen immer berücksichtigen.<br />

Schmerzrelevante Faktoren des sozialen<br />

Umfeldes sollten ebenfalls mit<br />

in die Befundung einfließen. Dazu<br />

gehört die häusliche, familiäre Situation<br />

ebenso wie die soziale Situation<br />

im Kindergarten oder in der Schule.<br />

Den kompletten Artikel von Andrea<br />

Zander inklusive Literaturhinweisen<br />

lesen Sie in Praxis Handreha, Ausgabe<br />

1/<strong>2023</strong>: is.gd/kinderschmerz.<br />

Fragen zur Abrechnung?<br />

Unser Kundenservice antwortet Ihnen persönlich.<br />

Einfach unter 0711 99373-2000 anrufen oder eine<br />

E-Mail schreiben: kundenservice@optica.de.<br />

INFORMIERT<br />

Aktuelles aus der Welt<br />

der Abrechnung von<br />

Heilmitteln<br />

Verpflichtende Angabe von<br />

Zahnarztnummern seit Jahresbeginn<br />

Seit 1. Januar <strong>2023</strong> muss bei der Abrechnung die neunstellige<br />

Zahnarztnummer der Zahnärzt:innen und Kieferorthopäd:innen<br />

auf der Verordnung angegeben werden. Ungültig sind Verordnungen<br />

mit einem späteren Ausstellungsdatum, auf denen die<br />

sogenannte „Platzhalter-Nummer“ 999999991 eingetragen ist.<br />

Eine Korrektur ist nicht möglich und es muss eine neue Verordnung<br />

ausgestellt werden. Prüfen Sie daher bitte Ihre zahnärztlichen<br />

Verordnungen auf die richtige Verwendung der Nummer.<br />

Fragen zur Heilmittelrichtlinie oder zu Ihrem<br />

Rahmenvertrag?<br />

In den FAQs unseres Wissenswert-Bereiches auf optica.de<br />

finden Sie eine Zusammenstellung der häufigsten Fragen<br />

für Ihre Berufsgruppe:<br />

• Physiotherapie: bit.ly/3UKyMhN und bit.ly/3UESagi<br />

• Logopädie: bit.ly/43BN0pc<br />

• Ergotherapie: bit.ly/3olgJCB<br />

Webinar: Optica Viva im Praxistest<br />

Sie sind auf der Suche nach einer (neuen) Praxissoftware?<br />

Vielleicht hilft Ihnen unser Webinar „Optica Viva im Praxistest“<br />

bei der Entscheidung. Wir klären am Dienstag, 16. Mai<br />

<strong>2023</strong>, um 18 Uhr gemeinsam mit langjährigen Nutzer:innen,<br />

warum eine Software überhaupt gebraucht wird und wie sie<br />

Ihren Praxisalltag verbessert. Erhalten Sie außerdem einen<br />

exklusiven Einblick in die Erfahrungen anderer Nutzer:innen.<br />

Jetzt anmelden: bit.ly/3F2d3eB<br />

Impressum<br />

Zukunft Praxis, Ausgabe <strong>04</strong>/<strong>2023</strong><br />

(Erscheinungsweise: monatlich)<br />

Herausgeber:<br />

Optica Abrechnungszentrum Dr. Güldener GmbH<br />

Marienstraße 10, 70178 Stuttgart<br />

Vertreten durch die Geschäftsführer Konrad<br />

Bommas, Markus Kinkel und Dr. Jochen Pfänder<br />

Telefon: 0711 99373-2000, Telefax: 0711 99373-2025<br />

E-Mail: info@optica.de<br />

Optica-Redaktion: Fabian Maier (V.i.S.d.P.)<br />

Verlag: Fazit Communication GmbH,<br />

Pariser Straße 1, 6<strong>04</strong>86 Frankfurt am Main<br />

Konzept: Jan Philipp Rost, Martin Schmitz-Kuhl,<br />

Michael Hasenpusch, Johannes Göbel<br />

Art Direktion: Oliver Hick-Schulz<br />

Produktion: Anabell Krebs<br />

Text: Michael Hasenpusch, Martin Schmitz-Kuhl<br />

Fotografie:<br />

Titel + S. 3: Moyo Studio/iStock / S. 3: Optica /<br />

S. 5: doit/iStock / S. 6: Olga Naumova/iStock /<br />

S. 7: Oleksandr/stock.adobe.com; privat /<br />

S. 8: Tast Nawarat/iStock / S. 10: pololia/stock.adobe.com /<br />

S. 11: privat / S. 12: Krakenimages.com/stock.adobe.com /<br />

S. 14: Christian Schneider-Broecker / S. 15: privat /<br />

S. 16: ERIC HASSELER / S. 17: ERIC HASSELER /<br />

S. 18: New Africa/stock.adobe.com /<br />

S. 19: serbbgd/stock.adobe.com<br />

Abo-Bestellung: zukunft-praxis@optica.de,<br />

Jahresabonnement 85,00 Euro für 12 Ausgaben,<br />

Einzelverkauf 7,80 Euro. Für Optica-Kunden und<br />

ausgewählte Interessenten kostenlos; Registrierung<br />

unter www.optica.de/zukunft-praxis<br />

Vorschau 05/23<br />

STARKE MARKE?<br />

Was bedeutet Markenbildung für Praxen? Warum<br />

kann sie sinnvoll sein? Und wie geht das überhaupt?<br />

ZUKUNFT PRAXIS zeigt, wie sich das<br />

Profil der therapeutischen Arbeit stärken lässt<br />

und wie Praxen besondere Strahlkraft entwickeln<br />

können.<br />

18 ZUKUNFT PRAXIS THERAPEUT:INNENWISSEN<br />

ZUKUNFT PRAXIS SERVICE 19


Sonja G.<br />

Springer<br />

ADRESSE<br />

Diese Daten sind verschlüsselt<br />

PERSÖNLICHE DATEN<br />

Sie Geburtstag sind derzeit über eine gesicherte<br />

Verbindung Alter mit dieser Webseite verbunden.<br />

Eine gute Software<br />

bündelt nicht nur Daten.<br />

Sie respektiert auch die<br />

Privatsphäre.<br />

Optica Viva für Heilberufe: 100 % Datenschutz<br />

und -sicherheit dank Praxisschlüssel.<br />

Mit Optica Viva haben Sie die gesamte Praxisorganisation im Griff. Und dank<br />

verschlüsselter Verbindungen und automatischer Backups auch die Sicherheit<br />

Ihrer Daten. Darüber hinaus bietet Optica Viva die Möglichkeit, Ihre Praxis<br />

an die Telematikinfrastruktur anzubinden und damit vom Gesundheitsnetz<br />

der Zukunft und all seinen Vorteilen zu profi tieren.<br />

Jetzt kostenlos testen und selbst überzeugen: opticaviva.de<br />

höchste Datensicherheit durch<br />

modernste Verschlüsselungstechnologie<br />

Schutz vor Datenverlust dank<br />

Cloud-Lösung<br />

Datenhoheit liegt zu 100 %<br />

beim Kunden<br />

Server stehen in Deutschland<br />

Automatische Backups<br />

Eine Software mit Herz, Hand und Verstand.<br />

Optica Viva ist eine Software der PRAXINO GmbH.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!