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TREFFPUNKT<br />
HEISSES EISEN<br />
Ius soli für Lebensmittel<br />
DIE ÄLPLER GENIESSEN DEN ZWEIFELHAFTEN RUF, VERÄNDERUNGEN GRUNDSÄTZLICH ABLEHNEND GEGENÜBER<br />
ZU STEHEN. WENN SIE ES EINMAL NICHT TUN, IST ES AUCH WIEDER NICHT RECHT.<br />
Was der Bauer nicht kennt, frisst er<br />
nicht, soll König Friedrich II von Preußen<br />
gesagt haben, als er die Kartoffel als Nahrungsmittel<br />
fördern wollte. Ein Bild, das<br />
zum Durchschnittssüdtiroler passt. Es ist<br />
in kaum einem Bereich ein Leichtes, ihn<br />
von den Vorteilen oder der Notwendigkeit<br />
von Veränderung zu überzeugen. Bei einer<br />
Materie zeigt sich die große Mehrheit der<br />
Südtiroler aber sehr wohl offen für Neues.<br />
92 Prozent der Verbraucher im Land sprachen<br />
sich in einer repräsentativen Umfrage<br />
vom September 2022 für die verpflichtende<br />
Kennzeichnung der Herkunft von Fleisch,<br />
Eiern und Milch in der Gemeinschaftsverpflegung<br />
aus. Nicht nur der Bauer will also<br />
wissen, was er verzehrt. Was spricht also<br />
gegen eine Herkunftsbezeichnung? Im Land<br />
der Nein-Sager eigentlich ganz einfach: Dass<br />
sie ein paar nicht wollen, weil. Der Landtag<br />
hat aber im Sinne der Bevölkerung grünes<br />
Licht dafür gegeben.<br />
DER KAMPF DER VERBÄNDE<br />
<strong>Die</strong> Umfrage wurde vom Bauernbund in<br />
Auftrag gegeben, denn der hat verstanden,<br />
dass der Herkunftsgedanke zunehmend<br />
an Bedeutung gewinnt, weil immer mehr<br />
Menschen bewusst auf hochwertige Produkte<br />
setzen. Für die Qualitätsprodukte<br />
der heimischen Landwirtschaft ein klarer<br />
Vorteil. Ausgangspunkt dafür war der Gesetzesentwurf<br />
des Bauernbundvertreters<br />
Manfred Vallazza, der von den Abgeordneten<br />
Franz Locher, Josef Noggler und<br />
Brigitte Foppa unterstützt wird. In einigen<br />
europäischen Ländern gibt es bereits eine<br />
ähnliche Verpflichtung. Etwa in der Schweiz<br />
seit den 1990er Jahren, in Finnland und in<br />
Frankreich.<br />
Nun ergibt sich ein eher ungewöhnliches<br />
Bild in der Südtiroler Lobbylandschaft. Der<br />
Bauernbund sieht sich mit dem Widerstand<br />
der ehemals Verbündeten, des Verbands<br />
des Handels und der <strong>Die</strong>nstleister, der<br />
Handelskammer und des Hotelier- und<br />
Gastwirteverbands konfrontiert. Besonders<br />
letzterer schießt sich mit der ablehnenden<br />
Haltung selbst ins Knie, scheint er doch taub<br />
für den Wunsch der Konsumentinnen und<br />
Konsumenten zu sein.<br />
DER AMTSSCHIMMEL<br />
WIEHERT HIER GAR NICHT<br />
Gemeinsame Linie der Verbände für<br />
die Ablehnung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung<br />
und entsprechende<br />
Sanktionen: der bürokratische Mehraufwand.<br />
<strong>Die</strong> Gegenargumente lesen sich wie<br />
der Auszug aus einer Witzesammlung:<br />
Wenn der Gast die Herkunft der Lebensmittel<br />
auf dem Teller erfahren will, könne<br />
es ihm die Bedienung erklären, oder die<br />
Speisekarten würden immens größer, oder<br />
es gebe auch Produkte, die gar nicht in der<br />
Speisekarte stehen, wie zum Beispiel bei<br />
einem Vorspeisen- oder Nachspeisenbuffet.<br />
Was mit Rohstoffen geschehen soll, die vor<br />
dem Inkrafttreten dieser Bestimmung eingekauft<br />
oder gelagert wurden, ist scheinbar<br />
auch ein Problem. Dabei ist der Text des<br />
Gesetzes noch gar nicht detailliert ausgearbeitet.<br />
Aber Bürokratie ist eine billige<br />
Ausrede: <strong>Die</strong> Angabe des Herkunftslandes<br />
der Einkäufe kann in einfacher Form auf der<br />
Speisekarte, digital oder auf einer Tafel im<br />
Lokal angegeben werden. Wer die Auskunft<br />
verweigern will, kann sogar angeben „Herkunft<br />
unbekannt“. Auch die Freiwilligkeit,<br />
für die sich die Abgeordneten Lanz und<br />
Tauber im Auftrag der Verbände einsetzen,<br />
ist ein Nonsens. Freiwillig hat man immer<br />
können. Übrigens hat scheinbar auch die<br />
EU nichts dagegen. <strong>Die</strong> italienische Regierung,<br />
die sogar ein eigenes Ministerium für<br />
die Lebensmittelsouveränität eingerichtet<br />
hat, sowieso nicht.<br />
Es stimmt zwar, dass die verpflichtende<br />
Herkunftsangabe nichts über die Qualität<br />
eines Produkts aussagt, aber das ist auch gar<br />
nicht Inhalt des Gesetzesentwurfs. Und auch<br />
das „Argument“, heimische Produkte könnten<br />
nie den gesamten Bedarf abdecken, ist<br />
abstrus. Es geht nicht um die Verpflichtung,<br />
sich lokal einzudecken, sondern nur um die<br />
Angabe, woher die Produkte stammen. Es<br />
muss also nicht das Schaf aus Villnöss sein,<br />
es kann auch aus dem Hindukusch kommen.<br />
Aber wissen möchte man es eben.<br />
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