Der angemessene Grad an Visibilität in Logistik-Netzwerken Die ...
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<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong><br />
<strong>Die</strong> Auswirkungen von RFID<br />
DISSERTATION<br />
<strong>an</strong> der Universität St.Gallen<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erl<strong>an</strong>gung der Würde e<strong>in</strong>es<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt von<br />
Lars Dittm<strong>an</strong>n<br />
aus<br />
Deutschl<strong>an</strong>d<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof. Dr. Fr<strong>an</strong>k Straube<br />
und<br />
Prof. Dr. Elgar Fleisch<br />
Dissertation Nr. 3155<br />
Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2006
<strong>Die</strong> Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und<br />
Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden<br />
Dissertation, ohne damit zu den dar<strong>in</strong> ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu<br />
nehmen.<br />
St. Gallen, den 17. J<strong>an</strong>uar 2006<br />
<strong>Der</strong> Rektor:<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD<br />
<strong>Die</strong> Arbeit ersche<strong>in</strong>t unter dem Titel<br />
„<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>. <strong>Die</strong> Auswirkungen von RFID“<br />
im Deutschen Univeristäts-Verlag Wiesbaden 2006<br />
ISBN 3-8350-0300-3
Geleitwort<br />
In Wissenschaft und Praxis gehört die RFID-Technologie (Radio Frequency<br />
Identification) aktuell zu den viel diskutierten Themen des <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agements. <strong>Die</strong><br />
diesjährige Studie „Trends & Strategien“ der Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>Logistik</strong> e.V. zeigt,<br />
dass bis 2010 ungefähr e<strong>in</strong> Fünftel aller befragten Unternehmen RFID <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
e<strong>in</strong>setzen werden. L<strong>an</strong>gfristige Potenziale dieser Technologie liegen u. a. <strong>in</strong> den<br />
Bereichen Smart Automation, Selbststeuerung von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>, Le<strong>an</strong> Supply<br />
Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement sowie Smarte <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleistungen. Ähnlich wie sich das<br />
Internet <strong>in</strong> letzten drei Jahren stark weiterentwickelt hat, ohne dabei e<strong>in</strong>e mit den drei<br />
davor liegenden Jahren vergleichbare Erregung zu erzeugen, wird die Umsetzung von<br />
RFID auch d<strong>an</strong>n vor<strong>an</strong>schreiten, wenn das sichtbare Interesse nachlässt. In jedem Fall<br />
wird RFID die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> den <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> erhöhen.<br />
<strong>Die</strong>sen Wirkungszusammenh<strong>an</strong>g greift Lars Dittm<strong>an</strong>n <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Forschungsarbeit auf<br />
und fragt nach dem <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> für das <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement.<br />
Entsprechende Kosten-Nutzen-Überlegungen beziehen sich durchgehend auf den<br />
Aspekt <strong>Visibilität</strong>. <strong>Die</strong> besondere Leistung der Forschungsarbeit liegt <strong>in</strong> der<br />
Komb<strong>in</strong>ation dieser operativen Betrachtungsweise mit Erkenntnissen auf der<br />
strategischen und normativen Ebene. <strong>Die</strong> RFID-Diskussion erhält e<strong>in</strong>e neue<br />
Perspektive, <strong>in</strong>dem das <strong>in</strong>stitutionelle Umfeld des <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agers als<br />
Entscheidungsträger beleuchtet wird. Se<strong>in</strong>e Entscheidung hängt neben den technischen<br />
Aspekten auch stark von der Macht und den Interessen der zentralen Akteure <strong>in</strong> dem<br />
neuen Technologiefeld ab. <strong>Die</strong>se bestimmen woh<strong>in</strong> sich die Technologie entwickelt.<br />
Kle<strong>in</strong>ere Akteure können das Umfeld wenig bee<strong>in</strong>flussen und s<strong>in</strong>d im Gegenzug stark<br />
von ihm abhängig.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne b<strong>in</strong> ich davon überzeugt, dass die Relev<strong>an</strong>z und Qualität der Arbeit<br />
durch e<strong>in</strong>e breite Leserschaft <strong>in</strong> Wissenschaft und Praxis gewürdigt wird. Insbesondere<br />
für Fach- und Führungskräfte hat Lars Dittm<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> sehr zugängliches Werk verfasst,<br />
das hilft die für ihren Bereich relev<strong>an</strong>ten Fragen zu stellen.<br />
v<br />
Professor Dr.-Ing. Fr<strong>an</strong>k Straube
Vorwort<br />
Mit zweijähriger Berufserfahrung wieder <strong>an</strong> die Universität zurückzukehren, um e<strong>in</strong>e<br />
Dissertation zu verfassen, stellt e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung dar. Rückblickend b<strong>in</strong><br />
ich davon überzeugt, dass gerade die Komb<strong>in</strong>ation aus der aktuellen Forschungsarbeit<br />
mit me<strong>in</strong>er Beratungserfahrung zu e<strong>in</strong>er erweiterten Sichtweise der Themenstellung<br />
geführt hat. Mit der Gründung des Kühne-Instituts für <strong>Logistik</strong> (KLOG) im J<strong>an</strong>uar<br />
2003 beg<strong>an</strong>n auch me<strong>in</strong>e Zeit <strong>an</strong> der Universität St.Gallen (HSG). Durch die<br />
unternehmerische Atmosphäre, die unser Direktorium im Zuge der Aufbauarbeit<br />
verbreitete, ist mir der Wechsel zurück <strong>an</strong> die Universität sehr leicht gefallen.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne geht me<strong>in</strong> größter D<strong>an</strong>k <strong>an</strong> me<strong>in</strong>en Referenten – den ehemaligen<br />
Leiter des KLOG – Prof. Dr. Fr<strong>an</strong>k Straube für die wissenschaftliche Betreuung und<br />
das praxisnahe Forschungsumfeld. Auch nach se<strong>in</strong>er Berufung <strong>an</strong> die TU Berl<strong>in</strong> hat<br />
mir se<strong>in</strong> besonderes Interesse am Forschungsziel der Dissertation stets neue Impulse<br />
gegeben. Prof. Dr. Elgar Fleisch d<strong>an</strong>ke ich herzlich für die Übernahme des Koreferats<br />
und die konstruktive Unterstützung. Von der Nähe zu se<strong>in</strong>en Forschungsaktivitäten –<br />
dem „Mobile <strong>an</strong>d Ubiquitous Comput<strong>in</strong>g Lab“ (M-Lab) – habe ich sehr profitiert.<br />
Allen weiteren Ver<strong>an</strong>twortlichen am KLOG b<strong>in</strong> ich zu großem D<strong>an</strong>k verpflichtet. Auf<br />
Seiten der Kühne-Stiftung möchte ich neben unserem Stifter Klaus-Michael Kühne<br />
auch deren Geschäftsführer Mart<strong>in</strong> Willhaus hervorheben, auf Seiten der Universität<br />
Prof. Dr. Fritz Fahrni sowie Prof. Dr. D<strong>an</strong>iel Corsten.<br />
Viel zu verd<strong>an</strong>ken habe ich unseren Projekt- und Forschungspartnern aus der Praxis.<br />
Ohne die Unterstützung von Mathieu Am<strong>an</strong>, J. Scott Cameron, Dr. Markus <strong>Die</strong>rkes,<br />
Christoph Magnussen, Rol<strong>an</strong>d Nickerl, Christi<strong>an</strong> Plenge, Kurt W. Reber, John Walker<br />
und Carsten Wolf wären die Fallstudien nicht <strong>in</strong> dieser ausführlichen Form möglich<br />
gewesen.<br />
E<strong>in</strong> spezieller D<strong>an</strong>k geht <strong>an</strong> me<strong>in</strong>e Forschungskollegen Alfred Angerer und Christi<strong>an</strong><br />
Tellkamp für ihr unermüdliches Feedback während unserer „privaten Forschungs-<br />
camps“. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Institutional Theory sowie weitere <strong>in</strong>haltliche<br />
Anregungen verd<strong>an</strong>ke ich Jens Hamprecht. <strong>Die</strong> letzten Schritte im Promotionsprozess<br />
s<strong>in</strong>d J<strong>an</strong> Frohn und ich geme<strong>in</strong>sam geg<strong>an</strong>gen: D<strong>an</strong>ke für die kritischen Anmerkungen<br />
und den Teamgeist. Des Weiteren möchte ich mich bei den M-Lab-Kollegen<br />
Dr. Frédéric Thiesse, Mart<strong>in</strong> Strassner und S<strong>an</strong>dra Gross für den regen <strong>in</strong>haltlichen<br />
Austausch bed<strong>an</strong>ken. Reg<strong>in</strong>e Krempl, Brigitte Petersen und Rike Dittm<strong>an</strong>n d<strong>an</strong>ke ich<br />
für das aufmerksame Korrekturlesen und die <strong>in</strong>haltlichen Anregungen.<br />
vii
viii<br />
<strong>Die</strong> Zeit <strong>in</strong> St. Gallen war für mich auch e<strong>in</strong>e Zeit der persönlichen Entwicklung. Viele<br />
liebenswerte Menschen habe ich Umfeld des KLOG sowie des ITEM (Institut für<br />
Technologiem<strong>an</strong>agement) kennen gelernt, die mir sehr <strong>an</strong>s Herz gewachsen s<strong>in</strong>d:<br />
Vielen D<strong>an</strong>k für e<strong>in</strong>e <strong>an</strong>genehme, unterhaltsame, teils stressige, lehrreiche, sportliche<br />
und unvergessliche Zeit!<br />
Viel zu verd<strong>an</strong>ken habe ich auch me<strong>in</strong>en Eltern, die mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Ausbildung<br />
fortwährend gefördert haben und mir als wertvolle Ratgeber zur Seite stehen. Me<strong>in</strong>e<br />
Ehefrau Mari<strong>an</strong>a Dittm<strong>an</strong>n ist geme<strong>in</strong>sam mit mir nach St. Gallen gekommen und hat<br />
sich stets energisch für me<strong>in</strong> Dissertationsvorhaben und unseren Sohn Max e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Im Moment der her<strong>an</strong>nahenden Geburt unseres zweiten K<strong>in</strong>des widme ich ihr, me<strong>in</strong>er<br />
großen Liebe, dieses Buch.<br />
St. Gallen, im J<strong>an</strong>uar 2006 Lars Dittm<strong>an</strong>n
Abstract<br />
Innovative Technologien zur Datenerfassung – Auto-ID – schaffen neue Möglich-<br />
keiten im M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>. Ihr Beitrag besteht aus e<strong>in</strong>er<br />
erhöhten <strong>Visibilität</strong>. <strong>Die</strong> vorliegende Forschungsarbeit untersucht, welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>an</strong>gemessen für das M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> ist. Dazu wird<br />
<strong>Visibilität</strong> zunächst im Auto-ID-Kontext def<strong>in</strong>iert. <strong>Die</strong>ser <strong>Visibilität</strong>sbegriff grenzt<br />
sich von e<strong>in</strong>er Interpretation als Informationsaustausch zwischen Supply Cha<strong>in</strong><br />
Partnern ab und konzentriert sich auf die Abbildung von logistischen Systemzuständen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Informationssystem. <strong>Die</strong> Auswirkungen von Radio Frequency Identification<br />
(RFID) auf die <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk werden <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von Fallbeispielen<br />
untersucht.<br />
Das Kernergebnis der Forschungsarbeit ist e<strong>in</strong> Erklärungsmodell zum <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n<br />
<strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>. Dabei werden die Auswirkungen von RFID auf das Unternehmen<br />
als G<strong>an</strong>zes betrachtet. <strong>Die</strong> wissenschaftliche Fundierung erhält das Modell durch die<br />
Anwendung von <strong>in</strong>stitutionalistischen Ansätzen der Org<strong>an</strong>isationstheorien<br />
(Institutional Theory) sowie durch den E<strong>in</strong>satz der Systemtheorie. Auf diese Weise<br />
entsteht die Erkenntnis, dass der <strong>Visibilität</strong>sgrad sehr stark von den äußeren<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen des Unternehmens abhängt. Neben den harten Vorgaben von<br />
Gesetzgebern, Kunden und Liefer<strong>an</strong>ten s<strong>in</strong>d dies kulturelle Normen, allgeme<strong>in</strong>e<br />
Anforderungen und Regeln des <strong>in</strong>stitutionellen Umfelds, welche die E<strong>in</strong>stellungen<br />
gegenüber <strong>Visibilität</strong> <strong>an</strong>gleichen. <strong>Die</strong>ser Prozess wird als Isomorphismus bezeichnet.<br />
Das Erklärungsmodell komb<strong>in</strong>iert diese normativen Aspekte mit Erkenntnissen auf der<br />
strategischen und operativen Ebene. Auf der strategischen Ebene geht es um die<br />
Komplexität von logistischen Aufgabenstellungen und wie diese durch e<strong>in</strong>e<br />
<strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Visibilität</strong> des Informationssystems beherrschbar gemacht wird. Es<br />
werden Treiber identifiziert, die aufzeigen, welche Teile des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks für<br />
e<strong>in</strong>e <strong>Visibilität</strong>serhöhung prädest<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Kostenmodell auf der operativen<br />
Ebene rundet die Betrachtung ab.<br />
Letztendlich zeigt die Forschungsarbeit auf, dass es nicht ausreicht operative<br />
Nutzenvorteile von RFID m<strong>in</strong>uziös aufzugliedern, um die Auswirkungen dieser neuen<br />
Technologie auf die <strong>Logistik</strong> zu verstehen. Entscheidungsträger müssen auch die<br />
Macht und die Interessen von zentralen Akteuren kennen sowie die Komplexität im<br />
eigenen Netzwerk entsprechend e<strong>in</strong>ordnen.<br />
ix
x<br />
Abstract<br />
Novel automatic identification technologies – Auto-ID – improve logistics <strong>an</strong>d supply<br />
cha<strong>in</strong> m<strong>an</strong>agement. Their contribution is marked by <strong>an</strong> <strong>in</strong>creased level of visibility.<br />
This thesis exam<strong>in</strong>es the appropriate degree of visibility <strong>in</strong> logistics networks.<br />
Therefore visibility must be def<strong>in</strong>ed <strong>in</strong> the Auto-ID context. The def<strong>in</strong>ition focuses on<br />
captured data of real world events which occur throughout the logistics network. The<br />
author highlights that this perspective of visibility departs from <strong>an</strong> <strong>in</strong>terpretation as<br />
<strong>in</strong>formation exch<strong>an</strong>ge between supply cha<strong>in</strong> partners. The effects of Radio Frequency<br />
Identification (RFID) on visibility are assessed by the elaboration of several RFID case<br />
studies.<br />
The core conceptual model of this thesis expla<strong>in</strong>s all relev<strong>an</strong>t aspects <strong>in</strong>fluenc<strong>in</strong>g the<br />
appropriate degree of visibility. It takes a holistic view on the impact of RFID <strong>an</strong>d<br />
regards the enterprise as a whole. Institutional <strong>an</strong>d systems theory are applied as the<br />
scientific foundation of the model. This background leads to the f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g that the<br />
appropriate degree of visibility is highly depend<strong>in</strong>g on the external sett<strong>in</strong>g of the<br />
enterprise. Besides hard regulations by legislators, customers, <strong>an</strong>d suppliers, cultural<br />
norms, rules, <strong>an</strong>d requirements <strong>in</strong> the <strong>in</strong>stitutional environment align the attitudes<br />
towards visibility <strong>in</strong> a uniform way. Institutionalists describe this process as<br />
isomorphism. The conceptual model comb<strong>in</strong>es these normative aspects with f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs<br />
on the strategic <strong>an</strong>d operational levels. At the strategic level, it <strong>an</strong>alyzes the complexity<br />
of logistics m<strong>an</strong>agement tasks <strong>an</strong>d sets the appropriate degree of visibility aga<strong>in</strong>st the<br />
capability of the <strong>in</strong>formation system to absorb complexity. The model derives a set of<br />
drivers <strong>in</strong>dicat<strong>in</strong>g the parts of the logistics network which are predest<strong>in</strong>ed for <strong>an</strong><br />
<strong>in</strong>crease <strong>in</strong> visibility. A cost model on the operational level completes the observation.<br />
In this thesis, meticulous collection of RFID benefits at the operational processes is<br />
seen as <strong>in</strong>sufficient <strong>in</strong> order to underst<strong>an</strong>d the impact of the new technology.<br />
Additionally, decision makers must recognize the <strong>in</strong>terests <strong>an</strong>d powers of the pr<strong>in</strong>ciple<br />
actors <strong>an</strong>d develop a critical sense for the complexity of their own logistics network.
Inhaltsverzeichnis<br />
1 EINFÜHRUNG.................................................................................................................1<br />
1.1 MOTIVATION UND THEMENSTELLUNG.........................................................................1<br />
1.2 FORSCHUNGSKONZEPTION UND AUFBAU DER ARBEIT.................................................2<br />
1.3 FORSCHUNGSLÜCKE UND FORSCHUNGSFRAGEN..........................................................5<br />
1.4 BEZUGSRAHMEN UND FORSCHUNGSDESIGN ................................................................8<br />
2 THEMATISCHE HERLEITUNG................................................................................14<br />
2.1 GRUNDLEGENDE LOGISTISCHE BEGRIFFSDEFINITIONEN ............................................14<br />
2.2 MANAGEMENT VON LOGISTIK-NETZWERKEN ...........................................................18<br />
2.3 VISIBILITÄT IN DER LOGISTIK....................................................................................21<br />
2.4 BUSINESS NETWORKING, REAL-TIME BUSINESS UND UBIQUITOUS COMPUTING .......28<br />
2.5 VISIBILITÄT NUTZENDE ANWENDUNGEN...................................................................31<br />
3 DATENERFASSUNG DURCH BARCODE UND RFID...........................................34<br />
3.1 DER BARCODE ALS ETABLIERTE ERFASSUNGSTECHNOLOGIE ....................................34<br />
3.2 GRUNDLAGEN VON TRANSPONDERN UND RFID-SYSTEMEN .....................................38<br />
3.3 RFID-FREQUENZBEREICHE .......................................................................................42<br />
3.3.1 Low Frequency .................................................................................................42<br />
3.3.2 High Frequency ................................................................................................44<br />
3.3.3 Ultrahigh Frequency ........................................................................................46<br />
3.3.4 Micro Waves.....................................................................................................48<br />
3.3.5 Zusammenfassung.............................................................................................50<br />
3.4 DATENSTANDARDS UND NUMMERIERUNGSSYSTEME ................................................51<br />
3.4.1 Das EAN.UCC System......................................................................................51<br />
3.4.2 Das EPCglobal Netzwerk .................................................................................53<br />
4 VISIBILITÄT IN DER LOGISTISCHEN PRAXIS...................................................57<br />
4.1 RFID ANWENDERBRANCHEN IM ÜBERBLICK ............................................................57<br />
4.1.1 Konsumgüterbr<strong>an</strong>che .......................................................................................58<br />
4.1.2 <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister .......................................................................................65<br />
4.1.3 Pharmazeutische Industrie ...............................................................................72<br />
4.2 AUSWAHL UND ERARBEITUNG DER FALLBEISPIELE...................................................77<br />
4.2.1 <strong>Die</strong> Auswahlkriterien........................................................................................77<br />
4.2.2 Durchführung und Struktur der Fallbeispiele..................................................78<br />
4.2.3 <strong>Die</strong> Beispiele im Überblick...............................................................................79<br />
4.3 FALLBEISPIEL METRO................................................................................................81<br />
4.3.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung................................................................................82<br />
4.3.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades...........................................................86<br />
4.3.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie ....................................................................................87<br />
4.3.4 Zusammenfassung.............................................................................................89<br />
4.4 FALLBEISPIEL METRO-LIEFERANT ............................................................................89<br />
4.4.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstudie ........................................................................................90<br />
4.4.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades...........................................................93<br />
xi
xii<br />
4.4.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie ................................................................................... 96<br />
4.4.4 Zusammenfassung ............................................................................................ 97<br />
4.5 FALLBEISPIEL OTTO.................................................................................................. 98<br />
4.5.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung ............................................................................. 100<br />
4.5.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades ........................................................ 103<br />
4.5.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie ................................................................................. 105<br />
4.5.4 Zusammenfassung .......................................................................................... 106<br />
4.6 FALLBEISPIEL DEPARTMENT OF DEFENSE............................................................... 107<br />
4.6.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendungen mit aktiven Tr<strong>an</strong>spondern............................... 108<br />
4.6.2 Verbesserter <strong>Visibilität</strong>sgrad durch aktive Tr<strong>an</strong>sponder............................... 110<br />
4.6.3 Pilotprojekt mit passiven RFID-Tags ............................................................ 111<br />
4.6.4 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie ................................................................................. 112<br />
4.6.5 Zusammenfassung .......................................................................................... 114<br />
4.7 FALLBEISPIEL INFINEON.......................................................................................... 115<br />
4.7.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung ............................................................................. 117<br />
4.7.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades ........................................................ 119<br />
4.7.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie ................................................................................. 120<br />
4.7.4 Zusammenfassung .......................................................................................... 120<br />
5 DER ANGEMESSENE GRAD AN VISIBILITÄT.................................................. 121<br />
5.1 NORMATIVE SICHTWEISE........................................................................................ 122<br />
5.1.1 Legitimation des <strong>Visibilität</strong>sgrades................................................................ 123<br />
5.1.2 Aktiver Aufbau von Institutionen ................................................................... 128<br />
5.1.3 Empirische Belege im Überblick ................................................................... 134<br />
5.2 STRATEGISCHE SICHTWEISE.................................................................................... 135<br />
5.2.1 Erzielbare <strong>Visibilität</strong>sgrade von Informationssystemen ................................ 138<br />
5.2.2 Benötigte <strong>Visibilität</strong> für logistische Aufgabenstellungen............................... 140<br />
5.2.3 Problem- und technologie<strong>in</strong>itiierte Innovationen.......................................... 146<br />
5.3 OPERATIVE SICHTWEISE ......................................................................................... 148<br />
5.3.1 Operationalisierung des <strong>Visibilität</strong>sgrades ................................................... 149<br />
5.3.2 Positiv korrelierte Kosten .............................................................................. 151<br />
5.3.3 Negativ korrelierte Kosten............................................................................. 153<br />
6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK.............................................................. 157<br />
6.1 KERNERGEBNISSE DER FORSCHUNGSARBEIT .......................................................... 157<br />
6.2 UNTERNEHMERISCHE KONSEQUENZEN: VISIBILITÄT MANAGEN............................. 165<br />
6.3 WISSENSCHAFTLICHER ERKENNTNISBEITRAG ........................................................ 171<br />
6.4 MÖGLICHE ENTWICKLUNGSPFADE VON RFID ........................................................ 174<br />
7 QUELLENVERZEICHNIS........................................................................................ 181
Abbildungsverzeichnis<br />
ABBILDUNG 1: MEDIENECHO AUF RFID .....................................................................................1<br />
ABBILDUNG 2: FORSCHUNGSKONZEPTION NACH RÜEGG-STÜRM/FLEISCH .................................3<br />
ABBILDUNG 3: OBJEKTFLUSS VON QUELLEN ZU SENKEN IN EINEM NETZWERK........................18<br />
ABBILDUNG 4: VISIBILITÄT ALS DATENGRANULARITÄT ...........................................................25<br />
ABBILDUNG 5: VISIBILITÄT IN DER LOGISTIK............................................................................28<br />
ABBILDUNG 6: ENTLASTUNG HÖHERER FÜHRUNGSEBENEN DURCH SCM .................................33<br />
ABBILDUNG 7: ÜBERSICHT DER WICHTIGSTEN AUTO-ID SYSTEME...........................................35<br />
ABBILDUNG 8: EIN- UND ZWEIDIMENSIONALE BARCODE-SYMBOLOGIEN .................................36<br />
ABBILDUNG 9: DER EAN 13 BARCODE.....................................................................................36<br />
ABBILDUNG 10: STÄRKEN UND SCHWÄCHEN VON AUTO-ID TECHNOLOGIEN...........................37<br />
ABBILDUNG 11: GRUNDLEGENDER AUFBAU EINES RFID-SYSTEMS .........................................38<br />
ABBILDUNG 12: ENTWICKLUNG VON RFID IM KONSUMGÜTERHANDEL (D-A-CH)..................63<br />
ABBILDUNG 13: METRO-AKTIENKURS UND FUTURE STORE PRESSEMITTEILUNGEN .................88<br />
ABBILDUNG 14: REGIONALE AUSRICHTUNG DES RFID-ROLL-OUTS.........................................91<br />
ABBILDUNG 15: SZENARIEN ZUR ERFÜLLUNG DER METRO-ANFORDERUNGEN.........................92<br />
ABBILDUNG 16: MATERIALFLUSSKONZEPT HALDENSLEBEN ..................................................101<br />
ABBILDUNG 17: PROZESSABLAUF DER RFID-ANWENDUNG BEI OTTO....................................102<br />
ABBILDUNG 18: WIRTSCHAFTLICHKEITSBETRACHTUNG FÜR RFID-PILOTEINSATZ ................104<br />
ABBILDUNG 19: ERSTE ERGEBNISSE DES RFID-EINSATZES BEI OTTO ....................................106<br />
ABBILDUNG 20: WAFERCASSETTE UND WAFERBOX MIT DISTAG ...........................................117<br />
ABBILDUNG 21: ANGEMESSENER VISIBILITÄTSGRAD UND MANAGEMENTEBENEN.................121<br />
ABBILDUNG 22: FIT ZWISCHEN BENÖTIGTER UND ERZIELBARER VISIBILITÄT .........................138<br />
ABBILDUNG 23: VISIBILITÄTSTREIBER FÜR LOGISTISCHE AUFGABENSTELLUNGEN ................145<br />
ABBILDUNG 24: PROBLEM- UND TECHNOLOGIEINITIIERTE INNOVATION .................................147<br />
ABBILDUNG 25: OPERATIVES ERKLÄRUNGSMODELL ZUM VISIBILITÄTSGRAD........................149<br />
ABBILDUNG 26: SCHEMATISCHE KURVENVERLÄUFE FÜR BARCODE UND RFID .....................152<br />
ABBILDUNG 27: ZEITLICHE ENTWICKLUNG DER POSITIV KORRELIERTEN KOSTEN ..................153<br />
ABBILDUNG 28: MANGELNDE QUALITÄT ALS NEGATIV KORRELIERTE KOSTEN......................154<br />
ABBILDUNG 29: KURVENVERLAUF BEI STEIGENDEN QUALITÄTSANSPRÜCHEN .......................155<br />
ABBILDUNG 30: KURVENVERLÄUFE BEI UNTERSCHIEDLICHEN PROZESSEN ............................156<br />
ABBILDUNG 31: FORSCHUNGSUNTERFRAGEN UND VERWENDETE MANAGEMENTTHEORIEN ...157<br />
ABBILDUNG 32: VISIBILITÄTSTREIBER FÜR LOGISTISCHE AUFGABENSTELLUNGEN.................161<br />
ABBILDUNG 33: OPERATIVES ERKLÄRUNGSMODELL ZUM VISIBILITÄTSGRAD........................162<br />
ABBILDUNG 34: GANZHEITLICHES ERKLÄRUNGSMODELL DES VISIBILITÄTSGRADES..............164<br />
ABBILDUNG 35: ENTSCHEIDUNG AUF DER NORMATIVEN EBENE .............................................166<br />
ABBILDUNG 36: CHARAKTERISTIKA VON LOGISTIK-NETZWERKEN.........................................168<br />
xiii
xiv<br />
ABBILDUNG 37: VISIBILITÄT IM ZENTRUM DER WIRTSCHAFTLICHKEITSRECHNUNG .............. 170<br />
ABBILDUNG 38: DIFFUSION VON RFID-SYSTEMEN ................................................................ 176<br />
ABBILDUNG 39: DIE GARTNER HYPE KURVE ......................................................................... 178
Tabellenverzeichnis<br />
TABELLE 1: AUFBAU DER FORSCHUNGSARBEIT ..........................................................................5<br />
TABELLE 2: LEISTUNGSMERKMALE FÜR TRANSPONDER............................................................42<br />
TABELLE 3: RELEVANTE FREQUENZBEREICHE IM VERGLEICH ..................................................50<br />
TABELLE 4: DIE FÜNF ZENTRALEN ELEMENTE DES EPC NETWORK ..........................................54<br />
TABELLE 5: AUFTEILUNG DES GENERAL IDENTIFIER (GID-96).................................................55<br />
TABELLE 6: AUFTEILUNG DER SERIALIZED GLOBAL TRADE ITEM NUMBER (SGTIN-96) .........56<br />
TABELLE 7: BEISPIELE VON RFID-AKTIVITÄTEN BEI LOGISTIK-DIENSTLEISTERN....................71<br />
TABELLE 8: ÜBERSICHT DER FALLBEISPIELE.............................................................................80<br />
TABELLE 9: PHASEN DES RFID-ROLL-OUTS DER METRO AG ...................................................85<br />
TABELLE 10: EMPIRISCHE BELEGE AUF DER NORMATIVEN EBENE ..........................................135<br />
TABELLE 11: UNTERSCHIEDLICHE DATENGRANULARITÄT BEI BARCODE UND RFID..............139<br />
TABELLE 12: EMPIRISCHE BELEGE AUF DER STRATEGISCHEN EBENE......................................146<br />
TABELLE 13: OPERATIONALISIERUNG DER VISIBILITÄTSGRADE IN DEN FALLBEISPIELEN .......150<br />
TABELLE 14: QUALITÄTSVERBESSERUNGEN IN DEN FALLBEISPIELEN.....................................154<br />
xv
xvi
Abkürzungsverzeichnis<br />
AI Application Identifier<br />
AIT Automatic Identification Technology<br />
ASN Adv<strong>an</strong>ce Ship Notice<br />
Auto-ID Automatische Identifikation<br />
AWB Air Waybill<br />
BVL Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>Logistik</strong> e.V.<br />
CCG Centrale für Coorg<strong>an</strong>isation GmbH<br />
CCM Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement<br />
CPFR Collaborative Pl<strong>an</strong>n<strong>in</strong>g, Forecast<strong>in</strong>g, <strong>an</strong>d Replenishment<br />
D-A-CH Deutschl<strong>an</strong>d, Österreich, Schweiz<br />
DESADV Dispatch Advice<br />
DoD Department of Defense<br />
EAI Enterprise Application Integration<br />
EAN Europe<strong>an</strong> Article Number<br />
EANCOM Europe<strong>an</strong> Article Number Communication<br />
ECR Efficient Consumer Response<br />
EDI Electronic Data Interch<strong>an</strong>ge<br />
EEPROM Electrically Erasable Programmable Read-Only Memory<br />
EPC Electronic Product Code<br />
EPC IS EPC Information Services<br />
FDA Food <strong>an</strong>d Drug Adm<strong>in</strong>istration<br />
FISC Fleet <strong>an</strong>d Industrial Supply Center <strong>in</strong> Norfolk<br />
FRAM Ferroelectric R<strong>an</strong>dom Access Memory<br />
GID General Identifier<br />
GLN Global Location Number<br />
GPS Global Position<strong>in</strong>g System<br />
GTIN Global Trade Item Number<br />
HF High Frequency<br />
IATA International Air Tr<strong>an</strong>sport Association<br />
ISO International Org<strong>an</strong>ization for St<strong>an</strong>dardization<br />
IT Informationstechnologie<br />
ITV In-tr<strong>an</strong>sit visibility<br />
KEP Kurier-Express-Paket-<strong>Die</strong>nste<br />
xvii
xviii<br />
LF Low Frequency<br />
MES M<strong>an</strong>ufactur<strong>in</strong>g Execution System<br />
MIT Massachusetts Institute of Technology<br />
MW Micro Wave<br />
NVE Nummer der Vers<strong>an</strong>de<strong>in</strong>heit<br />
OEM Orig<strong>in</strong>al Equipment M<strong>an</strong>ufacturer<br />
PC Personal Computer<br />
PDA Personal Digital Assist<strong>an</strong>t<br />
POA Po<strong>in</strong>t-of-Action<br />
POC Po<strong>in</strong>t-of-Creation<br />
RAM R<strong>an</strong>dom Access Memory<br />
RFID Radio Frequency Identification<br />
SCEM Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement<br />
SCIV Supply Cha<strong>in</strong> Inventory Visibility<br />
SCM Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement<br />
SGL Schweizerische Gesellschaft für <strong>Logistik</strong><br />
SGTIN Serialized Global Trade Item Number<br />
SKU Stock Keep<strong>in</strong>g Unit<br />
SSCC Serial Shipp<strong>in</strong>g Conta<strong>in</strong>er Code<br />
SWC Swiss WorldCargo<br />
T&T Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g<br />
TID Tag Identifier<br />
UbiComp Ubiquitous Comput<strong>in</strong>g<br />
UCC Uniform Code Council<br />
UHF Ultrahigh Frequency<br />
ULD Unit Load Device<br />
UPC Universal Product Code<br />
URL Universal Resource Locator<br />
VG <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
VMI Vendor M<strong>an</strong>aged Inventory<br />
WLAN Wireless Local Area Network<br />
WWW World Wide Web<br />
XML Extensible Markup L<strong>an</strong>guage
1 E<strong>in</strong>führung<br />
1.1 Motivation und Themenstellung<br />
<strong>Der</strong> E<strong>in</strong>satz von Radio Frequency Identification (RFID) schafft neue<br />
Möglichkeiten im M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>. <strong>Die</strong> Herausforderung,<br />
diese Technologien effektiv und gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> der Praxis e<strong>in</strong>zusetzen, ist der<br />
Anstoß für die vorliegende Forschungsarbeit. Das Thema RFID steht oben auf der<br />
Agenda von bedeutenden Ver<strong>an</strong>staltungen für die <strong>Logistik</strong>-Praxis 1 und auf den<br />
Titelseiten der Fachpresse. 2 Seit Mitte 2003 beherrscht RFID die Diskussion <strong>in</strong> der<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che (siehe Abbildung 1).<br />
Abbildung 1: Medienecho auf RFID 3<br />
Häufig wird argumentiert, dass RFID e<strong>in</strong>e höhere <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk schafft und dadurch alternativen Technologien zur Datenerfassung<br />
überlegen ist. Demnach k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> def<strong>in</strong>iert werden, der durch<br />
1 Z. B: 27.-28. Sep. 2004: IIR Konferenz: Für wen lohnt sich die Investition <strong>in</strong> RFID? http://www.iir.de,<br />
20.-22. Okt. 2004: Deutscher <strong>Logistik</strong> Kongress. http://www.bvl.de,<br />
22.-24. Nov. 2004: Euroforum: RFID 2005. http://www.euroforum.de.<br />
2 Z. B: <strong>Logistik</strong> Heute, Juni 2004 oder <strong>Logistik</strong> <strong>in</strong>side, Juli 2004.<br />
3 BEHRENBECK et al. (2004).<br />
1
2<br />
Kapitel 1<br />
den E<strong>in</strong>satz von unterschiedlichen Erfassungstechnologien bee<strong>in</strong>flusst wird. <strong>Die</strong><br />
vorliegende Forschungsarbeit untersucht <strong>in</strong>terne und externe Faktoren von<br />
Unternehmen, um so zu e<strong>in</strong>em <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> zu gel<strong>an</strong>gen.<br />
Dabei wird e<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>zheitliche Sichtweise gewählt, welche über re<strong>in</strong>e Wirtschaft-<br />
lichkeitsrechnungen von RFID-Anwendungen h<strong>in</strong>ausgeht. <strong>Die</strong> Entscheidung des<br />
M<strong>an</strong>agements für oder gegen RFID hängt auch stark vom Umfeld des<br />
Unternehmens ab. Aktivitäten der Wettbewerber, Etablierung von St<strong>an</strong>dards,<br />
technologische Entwicklungen und Kundenreaktionen werden als E<strong>in</strong>flussgößen<br />
auf das M<strong>an</strong>agement gen<strong>an</strong>nt. In vielen Situationen muss e<strong>in</strong> Unternehmen auf<br />
äußeren Druck reagieren, wodurch eng gezogene Kosten- und Nutzenerwägungen<br />
<strong>an</strong> Entscheidungsrelev<strong>an</strong>z verlieren.<br />
<strong>Die</strong> Themenstellung erhält weitere Motivation durch erhöhte Anforderungen im<br />
M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>. Durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiven Wettbewerbs-<br />
druck, globale Verflechtungen und <strong>in</strong>dividualisierte Kunden<strong>an</strong>forderungen wird<br />
das Netzwerkm<strong>an</strong>agement zunehmend komplexer. E<strong>in</strong> wichtiger Komplexitäts-<br />
treiber ist auch die Verr<strong>in</strong>gerung der Wertschöpfungstiefe. Je ger<strong>in</strong>ger die<br />
Wertschöpfungstiefe bzw. je höher der Outsourc<strong>in</strong>g-Anteil desto verzweigter<br />
gestaltet sich das Netz. 4 <strong>Visibilität</strong> erleichtert die operative Steuerung gerade im<br />
H<strong>in</strong>blick auf unvorhersehbare Ereignisse, die den gepl<strong>an</strong>ten Ablauf beh<strong>in</strong>dern.<br />
<strong>Visibilität</strong> ermöglicht dem Unternehmen, auf Kunden flexibler e<strong>in</strong>zugehen und<br />
das logistische System auf Basis von realen Daten zu optimieren.<br />
1.2 Forschungskonzeption und Aufbau der Arbeit<br />
<strong>Die</strong> Themenstellungen der vorliegenden Arbeit s<strong>in</strong>d den Wissensgebieten <strong>Logistik</strong><br />
und Wirtschafts<strong>in</strong>formatik zugehörig. Deshalb wird die Forschungsarbeit mit den<br />
Methoden und Zielsetzungen der <strong>an</strong>wendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre<br />
durchgeführt. Ziel der pragmatisch-orientierten Betriebswirtschaftslehre ist es,<br />
wissenschaftlich fundierte Lösungsvorschläge für Praxisherausforderungen zu<br />
f<strong>in</strong>den. 5<br />
4 CORSTEN/DITTMANN et al. (2004) S. 276ff.<br />
5 ULRICH (1970) S. 18.
E<strong>in</strong>führung 3<br />
Abbildung 2: Forschungskonzeption nach Rüegg-Stürm/Fleisch 6<br />
HILL/ULRICH 7 ordnen die Betriebswirtschaft den Realwissenschaften zu, welche<br />
sie von den Formalwissenschaften abgrenzen. Während sich die<br />
6 RÜEGG-STÜRM/FLEISCH (2003).<br />
7 HILL/ULRICH (1979) S. 164f.
4<br />
Kapitel 1<br />
Formalwissenschaften um die Konstruktion von Sprachen bemühen, steht bei den<br />
Realwissenschaften die Beschreibung, Erklärung und Gestaltung empirisch<br />
wahrnehmbarer Wirklichkeitsausschnitte im Mittelpunkt. <strong>Die</strong> Realwissenschaften<br />
werden <strong>in</strong> re<strong>in</strong>e Grundlagen-Wissenschaften und <strong>in</strong> <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dte H<strong>an</strong>dlungs-<br />
Wissenschaften unterteilt. <strong>Die</strong>se s<strong>in</strong>d auf die Analyse menschlicher<br />
H<strong>an</strong>dlungsalternativen zwecks Gestaltung sozialer und technischer Systeme<br />
ausgerichtet. Ihnen ist nach der vorherrschenden Auffassung auch die<br />
Betriebswirtschaftslehre zuzurechnen.<br />
<strong>Die</strong> Forschungskonzeption der vorliegenden Arbeit ist <strong>in</strong> Abbildung 2 dargestellt<br />
und entspricht dem Forschungsverständnis von ULRICH. 8 Steigende<br />
Anforderungen <strong>an</strong> das <strong>Logistik</strong>m<strong>an</strong>agement sowie das Aufkommen der RFID-<br />
Technologie wurden als Praxisherausforderungen im vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>gen Unterkapitel<br />
untersucht. Fachliche und theoretische Aussagen zu RFID und <strong>Visibilität</strong> werden<br />
<strong>in</strong> den Kapiteln 2 und 3 diskutiert. <strong>Die</strong> nachfolgenden Unterkapitel der<br />
„E<strong>in</strong>führung“ erläutern die Punkte: Forschungslücke, Forschungsfrage,<br />
Forschungsdesign und Bezugsrahmen. <strong>Der</strong> beschreibende Teil der<br />
Forschungsarbeit wird <strong>in</strong> Kapitel 4 „<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis“<br />
geleistet. <strong>Die</strong> Erklärung und Interpretation erfolgt <strong>in</strong> Kapitel 5 „<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong><br />
<strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>“. Kapitel 6 fasst die Forschungsergebnisse zusammen und<br />
arbeitet praktische Schlussfolgerungen sowie theoretische Implikationen heraus.<br />
Aufbau der Forschungsarbeit E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> die Forschungskonzeption<br />
Kapitel 1:<br />
E<strong>in</strong>führung<br />
Kapitel 2:<br />
Thematische Herleitung<br />
Kapitel 3:<br />
Datenerfassung durch Barcode und RFID<br />
Kapitel 4:<br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis<br />
Kapitel 5:<br />
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
8 ULRICH (1970).<br />
• Praxisherausforderung<br />
• Forschungsfragen und -ziele<br />
• Forschungsdesign und Bezugsrahmen<br />
• Theoretische Aussagen<br />
o Analytisch-konzeptionelle<br />
Denkmodelle<br />
o Wissenschaftliche Diskurse<br />
• Theoretische Aussagen<br />
o Technisches Fachwissen<br />
• Forschungsarbeit<br />
o Beschreibung<br />
o Analyse<br />
• Forschungsarbeit<br />
o Interpretation<br />
o Schlussfolgerung
E<strong>in</strong>führung 5<br />
Aufbau der Forschungsarbeit E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> die Forschungskonzeption<br />
Kapitel 6:<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
• Forschungsergebnisse<br />
o Praktische Schlussfolgerung<br />
o Theoretische Implikationen<br />
Tabelle 1: Aufbau der Forschungsarbeit<br />
1.3 Forschungslücke und Forschungsfragen<br />
In wissenschaftlichen Publikationen steht das Thema <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Netzwerken</strong> auf der Forschungsagenda. 9 Dabei werden stets beide Seiten, die<br />
Technologie und die logistische Aufgabenstellung, betrachtet. Was k<strong>an</strong>n die neue<br />
Technologie leisten? Welche technologischen Neuerungen benötigt das<br />
Netzwerkm<strong>an</strong>agement? 10<br />
Mit der verstärkten Aufmerksamkeit gegenüber RFID haben Verbände und<br />
Beratungsunternehmen Studien veröffentlicht, welche sich mit dem E<strong>in</strong>satz der<br />
Technologie <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong> und Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzen. Sie<br />
lassen sich grob <strong>in</strong> drei Kategorien aufteilen: 11<br />
• Studien, welche e<strong>in</strong>en weiten Überblick zu RFID liefern und dabei<br />
Anwendungen <strong>in</strong> bestimmten Br<strong>an</strong>chen diskutieren 12<br />
• Studien, die <strong>in</strong>sbesondere auf die f<strong>in</strong><strong>an</strong>ziellen Auswirkungen durch RFID<br />
e<strong>in</strong>gehen 13<br />
• Fallstudien, die e<strong>in</strong>e realisierte RFID-Anwendung <strong>an</strong>alysieren und dabei<br />
<strong>in</strong>sbesondere auf Kosten und Nutzen e<strong>in</strong>gehen 14<br />
Jede dieser Studien weist spezielle Stärken und Schwächen auf. Im Allgeme<strong>in</strong>en<br />
s<strong>in</strong>d sie gut geeignet, um den Entscheidungsträgern <strong>in</strong> den Unternehmen e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Thematik zu geben. Es wird <strong>an</strong>schaulich dargestellt was RFID<br />
ist und wie es grundsätzlich e<strong>in</strong>gesetzt werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong> Fallstudien bieten<br />
9 Z. B: OTTO (2003) S. 11, AURAMO/AMINOFF/PUNAKIVI (2002) S. 513,<br />
McFARLANE/SHEFFI (2003) S. 15 oder STRAUBE/DITTMANN (2004).<br />
10 AURAMO/AMINOFF/PUNAKIVI (2002) S. 513.<br />
11 Vgl. TELLKAMP (2005) S. 8ff. und STRASSNER (2005) S. 8ff.<br />
12 Beispielsweise ACCENTURE (2002a), BEARINGPOINT (2003) und ECR D-A-CH (2003) für den<br />
Konsumgüterh<strong>an</strong>del und BOOZ ALLEN HAMILTON (2004a-b) für die Automobil<strong>in</strong>dustrie bzw. für<br />
<strong>Logistik</strong>dienstleister.<br />
13 Beispielsweise A.T. KEARNEY (2003), SOREON (2004) und McKINSEY (2003).<br />
14 Beispielsweise ACCENTURE (2002b-c; 2003) und IBM (2002a-d).
6<br />
Kapitel 1<br />
darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en sehr guten E<strong>in</strong>blick, wie e<strong>in</strong>e konkrete Anwendung im<br />
eigenen Unternehmen von der technischen Realisierung her aussehen könnte.<br />
Auch <strong>in</strong> der Wissenschaft haben sich Autoren mit den Potenzialen der RFID-<br />
Technologie ause<strong>in</strong><strong>an</strong>der gesetzt. Entsprechende Publikationen gehen im<br />
Allgeme<strong>in</strong>en auf das Thema e<strong>in</strong>, 15 stellen mathematische Modelle zur Berechnung<br />
von Kosten und Nutzen auf 16 und diskutieren e<strong>in</strong>zelne Anwendungsfälle. 17 E<strong>in</strong>e<br />
Dissertation mit dem Titel „Tr<strong>an</strong>spondertechnologie und Supply Cha<strong>in</strong><br />
M<strong>an</strong>agement“ teilt die technologischen Alternativen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelne Kategorien – z. B.<br />
aufgrund von Speicherkapazität und Funkfrequenz – um zu beleuchten, welche<br />
Tr<strong>an</strong>sponderart sich am besten für den E<strong>in</strong>satz <strong>an</strong> welcher Stelle der Supply Cha<strong>in</strong><br />
eignet. 18<br />
An der Universität St.Gallen s<strong>in</strong>d im Jahr 2005 zwei weitere Dissertationen mit<br />
RFID-Bezug entst<strong>an</strong>den. <strong>Die</strong> Arbeit von STRASSNER 19 legt e<strong>in</strong>en<br />
Br<strong>an</strong>chenfokus auf die Automobil<strong>in</strong>dustrie. Sie baut auf der Koord<strong>in</strong>ationstheorie<br />
auf und hat vor allem durch ihr Diffusionsmodell Impulse für die vorliegende<br />
Forschungsarbeit geliefert. TELLKAMP 20 untersucht die Auswirkungen von<br />
RFID auf die Supply Cha<strong>in</strong> der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che. Er teilt die Auswirkungen<br />
<strong>in</strong> Automatisierungs-, „Informationalisierungs-“ und Tr<strong>an</strong>sformationseffekte e<strong>in</strong>,<br />
welche helfen den Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit zu setzen. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus können Überlegungen zu den Kosten der Datenerfassung übertragen<br />
werden.<br />
FLEISCH/CHRIST/DIERKES 21 haben e<strong>in</strong>e Reihe von Modellen entwickelt,<br />
welche die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen des Ubiquitous Comput<strong>in</strong>g<br />
beschreiben. RFID ist hier nur e<strong>in</strong>e Beispieltechnologie, welche hilft die<br />
Datengr<strong>an</strong>ularität <strong>in</strong> der Supply Cha<strong>in</strong> zu verbessern. Vier Dimensionen für<br />
15 Beispielsweise KÄRKKÄINEN/HOLMSTRÖM (2002), McFARLANE/SHEFFI (2003) und<br />
STRASSNER/FLEISCH (2005).<br />
16 Beispielsweise GAUKLER/SEIFERT/HAUSMAN (2004), FLEISCH/TELLKAMP (2004) und<br />
BYRNES (2003).<br />
17 Beispielsweise WONG/McFARLANE (2003), KÄRKKÄINEN (2003) und<br />
GOZYCKI/JOHNSON/LEE (2004).<br />
18 PFLAUM (2001).<br />
19 STRASSNER (2005).<br />
20 TELLKAMP (2005).<br />
21 FLEISCH/CHRIST/DIERKES (2005).
E<strong>in</strong>führung 7<br />
Datengr<strong>an</strong>ularität werden def<strong>in</strong>iert und f<strong>in</strong>den E<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g <strong>in</strong> die Def<strong>in</strong>ition von<br />
<strong>Visibilität</strong> im nachfolgenden Kapitel.<br />
Bemerkenswert ist das Fehlen von Publikationen, die RFID und <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> dem<br />
hier def<strong>in</strong>ierten S<strong>in</strong>ne als „Supply Cha<strong>in</strong> Inventory Visibility“ 22 zusammenführen.<br />
<strong>Die</strong>ser <strong>Visibilität</strong>sbegriff grenzt sich von e<strong>in</strong>er Interpretation als<br />
Informationsaustausch zwischen Supply Cha<strong>in</strong> Partnern ab und konzentriert sich<br />
auf die Abbildung von logistischen Systemzuständen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Informationssystem.<br />
Viele Autoren vermischen diese beiden Effekte und verstehen <strong>Visibilität</strong> als<br />
„Information Shar<strong>in</strong>g“, obwohl RFID auf den Austausch von bereits vorh<strong>an</strong>denen<br />
Informationen ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss hat. Beispielsweise schreibt LEE et al. 23 :<br />
„RFID/EPC c<strong>an</strong> reduce the bullwhip effect by provid<strong>in</strong>g m<strong>an</strong>ufacturers with<br />
timely <strong>an</strong>d accurate <strong>in</strong>formation on actual sales level at the retail store.“ Später<br />
wird der Weg aufgezeigt wie die Hersteller mit exakteren Daten versorgt werden,<br />
nämlich durch den Datenaustausch über das EPCglobal Network. Nur hat RFID<br />
auf diesen Teil des EPCglobal Network ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss.<br />
Ausgehend von wissenschaftlichen Publikationen im Bereich <strong>Logistik</strong> zeichnet<br />
sich die gleiche Forschungslücke ab. Im Bereich der e-<strong>Logistik</strong> wird das Thema<br />
e<strong>in</strong>führend beh<strong>an</strong>delt, allerd<strong>in</strong>gs konzentrieren sich die Abh<strong>an</strong>dlungen auf<br />
kollaborative Infrastrukturen und den unternehmensübergreifenden Austausch von<br />
<strong>Logistik</strong>-Daten. 24 <strong>Visibilität</strong> wird als Datenaustausch verst<strong>an</strong>den.<br />
<strong>Die</strong> konsequente Verwendung von <strong>Visibilität</strong> im S<strong>in</strong>ne der „Supply Cha<strong>in</strong><br />
Inventory Visibility“ im RFID-Kontext ist e<strong>in</strong>e Besonderheit der vorliegenden<br />
Forschungsarbeit. <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong> wird <strong>in</strong> den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt,<br />
wodurch die e<strong>in</strong>gesetzte Technologie <strong>an</strong> Bedeutung verliert. Auf diese Weise<br />
können Erkenntnisse entstehen, die über e<strong>in</strong>en Technologiezyklus h<strong>in</strong>weg Best<strong>an</strong>d<br />
haben. Es ist weniger wichtig, ob Barcode, RFID oder GPS für die erweiterte<br />
<strong>Visibilität</strong> sorgen.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit grenzt sich weiterh<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>en g<strong>an</strong>zheitlichen Erklärungs<strong>an</strong>satz ab.<br />
Neben der Abwägung von Kosten- und Nutzenaspekten sowie der Untersuchung<br />
von strategischen Optionen werden auch soziale und kulturelle Aspekte <strong>in</strong> das<br />
Erklärungsmodell e<strong>in</strong>bezogen. Dadurch werden die gen<strong>an</strong>nten Studien und<br />
22 Für e<strong>in</strong>e ausführliche Def<strong>in</strong>ition von <strong>Visibilität</strong> siehe Kapitel 2.3.<br />
23 LEE/CHENG/LEUNG (2004) S. 14.<br />
24 STRAUBE (2004).
8<br />
Kapitel 1<br />
Publikationen Teil des Systems, das es zu untersuchen gilt. Es geht nicht alle<strong>in</strong> um<br />
den Inhalt der Studien, sondern um die Intention der Autoren und die Aussagen<br />
zwischen den Zeilen. Gerade bei der passiven Technologie müssen viele<br />
Entscheidungsträger überzeugt werden, damit globale Industriest<strong>an</strong>dards entstehen<br />
können. <strong>Die</strong> Überzeugung von exponierten Akteuren hat e<strong>in</strong>en starken E<strong>in</strong>fluss<br />
auf den <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>.<br />
Forschungsfragen<br />
<strong>Die</strong> Forschungsfrage rückt die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> den Mittelpunkt der Untersuchung:<br />
Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>an</strong>gemessen für das M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Netzwerken</strong>?<br />
<strong>Die</strong> Formulierung „<strong><strong>an</strong>gemessene</strong>r <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>“ statt „optimaler<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad“ weist darauf h<strong>in</strong>, dass die Betrachtung nicht alle<strong>in</strong> auf f<strong>in</strong><strong>an</strong>zielle<br />
Größen reduziert wird und auch Aspekte e<strong>in</strong>fließen, die sich nur sehr schwer oder<br />
überhaupt nicht qu<strong>an</strong>tifizieren lassen.<br />
<strong>Die</strong> Unterfragen verdeutlichen die g<strong>an</strong>zheitliche Vorgehensweise: 25<br />
1) Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>in</strong> Bezug auf das Umfeld des Unternehmens<br />
legitim?<br />
2) Wie wirken sich allgeme<strong>in</strong>e Charakteristika des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks auf<br />
den <strong>Visibilität</strong>sgrad aus?<br />
3) Bei welchem <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist die Differenz zwischen Kosten und<br />
Nutzen am größten?<br />
1.4 Bezugsrahmen und Forschungsdesign<br />
<strong>Die</strong> thematische Abgrenzung erlaubt e<strong>in</strong>e stärkere Fokussierung der<br />
Forschungsarbeit. Dafür ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Verständnis von <strong>Visibilität</strong> und<br />
Netzwerkm<strong>an</strong>agement notwendig.<br />
<strong>Der</strong> Ausdruck „<strong>Logistik</strong>-Netzwerk“ bezieht sich auf physische Güterflüsse, die<br />
über Knoten und K<strong>an</strong>ten e<strong>in</strong> Netz formen. Untersucht wird <strong>an</strong> erster Stelle das<br />
Netzwerk-Execution, also das operative M<strong>an</strong>agement des Güterflusses. Das<br />
25 Vgl. Kapitel 5.
E<strong>in</strong>führung 9<br />
Netzwerk-Design, also der Entwurf der Netzwerkstruktur, berührt die<br />
Forschungsarbeit nur am R<strong>an</strong>de.<br />
Das M<strong>an</strong>agement von Kooperationen wird <strong>in</strong> der betriebswirtschaftlichen<br />
Literatur häufig mit dem Begriff Netzwerkm<strong>an</strong>agement gleichgesetzt. 26 <strong>Die</strong>se<br />
Form des Netzwerkm<strong>an</strong>agements ist ebenso außerhalb des Bezugsrahmens wie<br />
das Thema Collaboration.<br />
<strong>Der</strong> zugrunde liegende <strong>Visibilität</strong>sbegriff der vorliegenden Arbeit basiert auf der<br />
Def<strong>in</strong>ition der „Supply Cha<strong>in</strong> Inventory Visibility“ 27 (SCIV). Vere<strong>in</strong>facht<br />
gesprochen def<strong>in</strong>iert SCIV für alle s<strong>in</strong>nvollen Orts- und Status<strong>an</strong>gaben des<br />
Inventars „buckets“, <strong>in</strong> denen sich die Güter entl<strong>an</strong>g der Lieferkette bef<strong>in</strong>den<br />
können. 28 Dabei ist die Def<strong>in</strong>ition weit gefasst: Mit Orts<strong>an</strong>gaben s<strong>in</strong>d nicht nur<br />
Lager- und Umschlagplätze geme<strong>in</strong>t, sondern auch Tr<strong>an</strong>sportstrecken. Das<br />
Inventar schließt e<strong>in</strong>- und ausgehende Lieferungen e<strong>in</strong> und es wird auch<br />
festgehalten wo sich die Güter bef<strong>an</strong>den und wo sie sich <strong>in</strong> Zukunft bef<strong>in</strong>den<br />
sollen. Neben dem SCIV umfasst die hier verwendete Def<strong>in</strong>ition von <strong>Visibilität</strong><br />
auch die Sichtbarkeit von Ladungsträgern – LKW, Bahnwaggons, Conta<strong>in</strong>er etc.<br />
<strong>Die</strong> verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber RFID hat den Anstoß für die geleistete<br />
Forschungsarbeit gegeben. <strong>Die</strong> technologische Abgrenzung schließt nur Radio<br />
Frequency Anwendungen e<strong>in</strong>, welche das M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong><br />
unterstützen. Allerd<strong>in</strong>gs werden auch alternative Identifikationstechnologien (z. B.<br />
Barcode) betrachtet, sofern sie den Beitrag von RFID besser erkennbar machen.<br />
RFID ist e<strong>in</strong>e Informationstechnologie und als solche führt sie zu<br />
Automatisierungs-, „Informationalisierungs-“ und Tr<strong>an</strong>sformationseffekten. 29<br />
Automatisierungseffekte erhöhen die Effizienz und substituieren den<br />
Produktionsfaktor Arbeit durch Kapital. Informationalisierungseffekte erhöhen die<br />
Leistungsfähigkeit durch bessere Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und<br />
Bereitstellung von Daten. <strong>Die</strong> zusätzlichen Informationen unterstützen<br />
M<strong>an</strong>agemententscheidungen und verbessern die Qualität. Tr<strong>an</strong>sformationseffekte<br />
26 Vgl. MILBERG/SCHUH (2002).<br />
27 Vgl. OTTO/KOTZAB (2003), WOODS (2003), WOODS (2002),<br />
McFARLANE/SHEFFI (2003) und LANDERS/COLE (2000).<br />
28 WOODS (2002).<br />
29 SCOTT MORTON (1991), MOONEY/GURBAXANI/KRAEMER (1996) und<br />
DEDRICK/GURBAXANI/KRAEMER (2003).
10<br />
Kapitel 1<br />
treten d<strong>an</strong>n auf, wenn IT e<strong>in</strong> Prozess-Redesign ermöglicht und so die<br />
Org<strong>an</strong>isationsstruktur verändert. Im Zentrum der Forschungsarbeit stehen<br />
Informationalisierungseffekte, also Auswirkungen von <strong>Visibilität</strong> auf die<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung sowie auf die Qualität von Prozessen und Produkten. H<strong>in</strong>zu<br />
kommen durch <strong>Visibilität</strong> ausgelöste Tr<strong>an</strong>sformationseffekte, die ebenfalls<br />
untersucht werden. Außerhalb des Bezugsrahmens stehen re<strong>in</strong>e<br />
Automatisierungseffekte, bei denen die <strong>Visibilität</strong> konst<strong>an</strong>t bleibt und RFID<br />
lediglich zu e<strong>in</strong>er schnelleren Erfassung der gleichen Daten beiträgt.<br />
Forschungsdesign<br />
<strong>Die</strong> Erforschung von <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
jungen, fluiden Phase. Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet dienen eher der<br />
Theoriebildung als der Theorieevaluierung. Das hier gewählte Forschungsdesign<br />
beruht <strong>in</strong> großen Teilen auf Fallstudien, weil sie für das gegebene Umfeld die<br />
beste Wahl s<strong>in</strong>d. 30 <strong>Die</strong> maßgebliche Empirie ist <strong>in</strong> Kapitel 4 „<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der<br />
logistischen Praxis“ dokumentiert. Fünf detaillierte Fallbeispiele werden ergänzt<br />
durch drei Br<strong>an</strong>chenübersichten.<br />
In Fallstudien werden Daten auf unterschiedliche Art und Weise erhoben:<br />
Interviews, Fragebögen, vorliegende Reports oder auch Beobachtungen. <strong>Die</strong><br />
gefundenen Indizien können sowohl qualitativer als auch qu<strong>an</strong>titativer Natur<br />
se<strong>in</strong>. 31 E<strong>in</strong> wichtiger Schritt ist die Auswahl der zu untersuchenden Fälle. „The<br />
first criterion should be to maximize what we c<strong>an</strong> learn.“ 32 Im vorliegenden<br />
Forschungsfeld geht es um den <strong>an</strong>gemessen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> und den Beitrag<br />
von RFID. Weil die Verbreitung von RFID noch <strong>in</strong> der Anf<strong>an</strong>gsphase ist, werden<br />
Anwendungen mit unterschiedlichen Reifegraden betrachtet. <strong>Die</strong>se<br />
Vorgehensweise erweitert das Analysespektrum und führt zu e<strong>in</strong>em<br />
größtmöglichen Wissensfortschritt. 33<br />
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten Fallstudien zu <strong>an</strong>alysieren: „<strong>an</strong>alyz<strong>in</strong>g<br />
with<strong>in</strong>-case data“ und „search<strong>in</strong>g for cross-case patterns“. 34 Bei der Analyse der<br />
30 Vgl. EISENHARDT (1989) S. 532ff.<br />
31 Vgl. EISENHARDT (1989) S. 534f.<br />
32 STAKE (1995) S. 4.<br />
33 Kapitel 4.2 beschreibt die Auswahl der Kriterien im Detail.<br />
34 EISENHARDT (1989) S. 539f.
E<strong>in</strong>führung 11<br />
Daten e<strong>in</strong>es Falls zeigen sich die Vorteile der fallstudienbasierten Forschung.<br />
Durch die Ergebnisse des Falls neu aufgeworfene Fragen k<strong>an</strong>n der Forscher<br />
nämlich direkt <strong>an</strong> die Beteiligten zurückspielen. Dabei ist es legitim, wenn der<br />
Forscher se<strong>in</strong>e ursprüngliche Fragestellung abw<strong>an</strong>delt und zusätzliche Daten <strong>in</strong><br />
die Analyse e<strong>in</strong>bezieht. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Methode, wie e<strong>in</strong> Fall<br />
untersucht werden soll. <strong>Die</strong> grundlegende Idee ist, dass der Forscher <strong>in</strong>tim mit<br />
dem Fall vertraut wird. <strong>Die</strong> Suche nach Mustern zwischen den Fällen ist leichter,<br />
wenn alle Fälle <strong>in</strong> der gleichen Struktur abgelegt werden. Es ist s<strong>in</strong>nvoll die<br />
vorliegenden Daten aus unterschiedlichen Blickw<strong>in</strong>keln zu betrachten. E<strong>in</strong>e<br />
Analyse „with<strong>in</strong> case data“ wird <strong>in</strong> Kapitel 4 vorgenommen. Kapitel 5 vergleicht<br />
die Fälle untere<strong>in</strong><strong>an</strong>der sofern dies möglich und s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />
Weitere Methoden der Sozialforschung unterstützen das Arbeiten mit Fallstudien.<br />
Dadurch verbessert sich die Erhebung der Fallstudien und die Ergebnisse können<br />
durch Tri<strong>an</strong>gulation 35 abgesichert werden. Folgende Methoden lassen sich<br />
aufführen:<br />
Desk Research<br />
Im Rahmen des Desk Research wird die forschungsrelev<strong>an</strong>te Literatur<br />
aufgearbeitet. Insbesondere stehen Themen aus den Bereichen e-<strong>Logistik</strong> und<br />
<strong>Visibilität</strong> sowie Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g, Real-time Bus<strong>in</strong>ess und Ubiquitous<br />
Comput<strong>in</strong>g im Vordergrund der Analyse. H<strong>in</strong>zu kommt e<strong>in</strong>e Analyse des<br />
technischen Entwicklungsst<strong>an</strong>ds von RFID.<br />
Empirische Studie<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit dem Auto-ID Center St.Gallen und der Unternehmensberatung<br />
Booz Allen Hamilton wurde e<strong>in</strong>e Studie über Nutzenpotenziale der RFID-<br />
Technologie <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>dienstleistungsbr<strong>an</strong>che erstellt. <strong>Die</strong> Studie basiert auf<br />
e<strong>in</strong>er Interviewserie mit elf führenden <strong>Logistik</strong>dienstleistungsunternehmen. Im<br />
Detail wurde gefragt, welche Motivation die befragten Unternehmen besitzen, die<br />
RFID-Technologie e<strong>in</strong>zusetzen, welche Aktivitäten diese Unternehmen ergreifen,<br />
welchen Nutzen sie erwarten oder bereits realisiert haben und wo sie<br />
Herausforderungen und Risiken <strong>in</strong>sbesondere bezüglich der technologischen<br />
Integration und der St<strong>an</strong>dardisierung sehen.<br />
35 STAKE (1995) S. 107ff.
12<br />
Arbeitskreise<br />
Kapitel 1<br />
<strong>Der</strong> Verfasser ist Teilnehmer des Arbeitskreises „RFID <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>“, welcher<br />
von der Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>Logistik</strong> (BVL) getragen wird. <strong>Der</strong> Teilnehmerkreis<br />
umfasst über 25 Partner aus den Bereichen H<strong>an</strong>del, Industrie und <strong>Die</strong>nstleistung<br />
sowie der Wissenschaft. Er gliedert sich <strong>in</strong> drei Untergruppen, welche jeweils<br />
e<strong>in</strong>en Themenbereich detailliert <strong>an</strong>alysieren:<br />
• Systematisierung von RFID-Anwendungsfällen <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
• Auswirkungen des RFID-E<strong>in</strong>satzes auf die Prozesskette entl<strong>an</strong>g der Supply<br />
Cha<strong>in</strong><br />
• Auswirkungen von RFID-Anwendungen auf bestehende und zukünftige IT-<br />
Strukturen<br />
Zuvor hat das Kühne-Institut für <strong>Logistik</strong> e<strong>in</strong>en Arbeitskreis explizit für<br />
<strong>Logistik</strong>dienstleistungsunternehmen <strong>in</strong>s Leben gerufen, welcher sich bereits im<br />
Jahr 2003 mit Nutzenpotenzialen von RFID beschäftigt hat. <strong>Die</strong>ser Arbeitskreis<br />
war der Ausg<strong>an</strong>gspunkt für die oben erwähnte Studie. Inhaltlich und personell ist<br />
er im BVL Arbeitskreis aufgeg<strong>an</strong>gen.<br />
Bachelorarbeiten mit Partnerunternehmen<br />
<strong>Der</strong> Verfasser betreut seit dem Frühjahr 2003 e<strong>in</strong>e Reihe von Bachelorarbeiten,<br />
welche die Studenten der Universität St.Gallen geme<strong>in</strong>sam mit<br />
Partnerunternehmen erstellen. <strong>Die</strong> Forschungsarbeiten untersuchen aktuelle<br />
Umsetzungen von RFID <strong>in</strong> der logistischen Praxis. E<strong>in</strong>e Fallstudie wurde direkt <strong>in</strong><br />
die vorliegende Arbeit übernommen.<br />
Besichtigung von Pilot<strong>an</strong>wendungen<br />
Um sich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gliches Bild von den Möglichkeiten der neuen Technologien<br />
zu machen, hat der Verfasser <strong>an</strong> Besichtigungen von RFID-Anwendungen<br />
teilgenommen:<br />
• 17.03.2004: Schweizer Post, Paketzentrum Härk<strong>in</strong>gen: Steuerung der<br />
Hoflogistik mit semi-aktiven Tr<strong>an</strong>spondern.<br />
• 12.11.2003: Metro Future Store, Rhe<strong>in</strong>berg, Deutschl<strong>an</strong>d.<br />
• 25.04.2003: Behälterm<strong>an</strong>agement mit aktiven Tr<strong>an</strong>spondern, Volkswagen,<br />
Wolfsburg, Deutschl<strong>an</strong>d.
E<strong>in</strong>führung 13<br />
Interviews mit M<strong>an</strong>agern aus <strong>Logistik</strong> und Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement<br />
• ABB, 09.06.2005:<br />
John Walker, Head Global Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement<br />
• Hewlett-Packard, 24.03.2005:<br />
Bruno Mosberger, Senior Consult<strong>an</strong>t<br />
• IBM, 18.05.2005:<br />
Luc Gerard<strong>in</strong>, Senior Consult<strong>an</strong>t<br />
• Novartis, 14.04.2005:<br />
Kurt W. Reber, Head of SCM Global Operations<br />
J. Scott Cameron, Global SCM - Head of Information M<strong>an</strong>agement<br />
• Roche, 19.05.2005:<br />
Mathieu Am<strong>an</strong>, Head of Distribution & Tr<strong>an</strong>sport, Supply Center<br />
Specialties<br />
• Swiss WorldCargo, 31.03.2005:<br />
Rudolf Berger, Project M<strong>an</strong>ager Tr<strong>an</strong>sportation<br />
Maria Camp<strong>an</strong>ella, Senior Communication Officer<br />
• Unisys, 2.06.2005:<br />
Mike Kronfellner, Head of Bus<strong>in</strong>ess Center<br />
Thomas W<strong>in</strong>ter, Project M<strong>an</strong>ager Global Visible Commerce<br />
Michael Krähl<strong>in</strong>g, Director Bus<strong>in</strong>ess Development
14<br />
2 Thematische Herleitung<br />
Kapitel 2<br />
Im Folgenden wird das Forschungsthema <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> aus<br />
der Fachliteratur hergeleitet. Dazu gilt es zunächst die relev<strong>an</strong>ten logistischen<br />
Grundbegriffe zu def<strong>in</strong>ieren. Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das M<strong>an</strong>agement von<br />
<strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> folgt die Analyse des Untersuchungsobjekts <strong>Visibilität</strong>.<br />
<strong>Visibilität</strong> ist im Rahmen dieser Arbeit als „Supply Cha<strong>in</strong> Inventory Visibility“ zu<br />
verstehen und wird aus verschiedenen Blickw<strong>in</strong>keln betrachtet. <strong>Die</strong> Gr<strong>an</strong>ularität<br />
der <strong>Visibilität</strong>sdaten ist ebenso von Interesse wie die sem<strong>an</strong>tische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />
die logistischen Abläufe. Dazu kommt die Darstellung von <strong>Visibilität</strong> für den<br />
Anwender, die Echtzeitfähigkeit und die Qualität der erfassten Daten.<br />
Aus dem Wissensgebiet Wirtschafts<strong>in</strong>formatik kommen verschiedene Forschungs-<br />
richtungen, die zum Verständnis von <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong> beitragen. Bus<strong>in</strong>ess<br />
Network<strong>in</strong>g befasst sich mit IT-gestützten Beziehungen zwischen <strong>in</strong>ternen und<br />
externen Geschäftsprozessen, während Real-time Bus<strong>in</strong>ess auf der Suche nach<br />
org<strong>an</strong>isatorischen Potenzialen ist, welche durch Echtzeit-Integration von<br />
Datenerhebung und -verwendung entstehen. <strong>Die</strong> Vision des Ubiquitous<br />
Comput<strong>in</strong>g ist die nahtlose Integration von physischen D<strong>in</strong>gen und Abläufen aus<br />
der realen <strong>in</strong> die digitale Welt.<br />
Logistische Anwendungen nutzen die <strong>Visibilität</strong> im Netzwerk, um das<br />
M<strong>an</strong>agement effektiver und effizienter zu gestalten. Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g sowie<br />
Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement s<strong>in</strong>d zwei Anwendungen, welche das<br />
Forschungsthema besser greifbar machen.<br />
2.1 Grundlegende logistische Begriffsdef<strong>in</strong>itionen<br />
<strong>Die</strong> <strong>Logistik</strong> durchläuft e<strong>in</strong>en W<strong>an</strong>dlungsprozess. Zu den traditionellen Aufgaben<br />
wie Tr<strong>an</strong>sport und Umschlag ist e<strong>in</strong>e Fülle neuer Aufgabenfelder<br />
h<strong>in</strong>zugekommen. E<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> physische Beschreibung des logistischen<br />
Aufgabengebiets greift zu kurz. Heute leistet die <strong>Logistik</strong> mehr als die richtigen<br />
Güter zur richtigen Zeit, am richtigen Ort <strong>in</strong> der richtigen Menge und Qualität<br />
bereitzustellen. So def<strong>in</strong>iert die Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>Logistik</strong> e.V. die<br />
Gestaltungsaufgabe der <strong>Logistik</strong> wie folgt: „<strong>Logistik</strong> umfasst die g<strong>an</strong>zheitliche<br />
Koord<strong>in</strong>ation und Durchführung aller Informations- und Güterflüsse von
Thematische Herleitung 15<br />
Unternehmen und Wertschöpfungsketten (Supply Cha<strong>in</strong>s) mit maßgeblichem<br />
E<strong>in</strong>fluss auf den Unternehmenserfolg.“ 36<br />
„<strong>Die</strong> <strong>Logistik</strong> ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres Fach- und Wissengebiet.“ 37 In der<br />
Betriebswirtschaft wird sie namentlich erstmalig <strong>in</strong> den 1950er Jahren erwähnt. 38<br />
Noch <strong>in</strong> den 70er Jahren leistete die <strong>Logistik</strong> primär e<strong>in</strong>e Optimierung von<br />
abgegrenzten Funktionen, welche <strong>in</strong> den darauf folgenden zwei Jahrzehnten mehr<br />
und mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e funktionsübergreifende Prozessoptimierung überg<strong>in</strong>g. 39 Bereits<br />
im ausgehenden 20. Jahrhundert kam der Anspruch <strong>an</strong> die <strong>Logistik</strong> auf, g<strong>an</strong>ze<br />
Wertschöpfungsketten unternehmensübergreifend zu optimieren und im neuen<br />
Jahrtausend steht die <strong>Logistik</strong> vor der Aufgabe, globale Netzwerke zu gestalten. 40<br />
E<strong>in</strong>hergehend mit der steigenden Bedeutung der <strong>Logistik</strong> kam der Begriff des<br />
<strong>Logistik</strong>m<strong>an</strong>agements auf, mit dem drei <strong>Logistik</strong>konzeptionen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
stehen. Das Systemdenken verl<strong>an</strong>gt e<strong>in</strong>e Optimierung des Gesamtsystems im<br />
Gegensatz zu e<strong>in</strong>er Optimierung von Teilsystemen. In diesem S<strong>in</strong>ne müssen die<br />
Koord<strong>in</strong>aten des Subsystems auf die Leistungs-, Kosten- und Qualitätsziele der<br />
Hauptfunktion des <strong>Logistik</strong>systems ausgerichtet werden. 41 <strong>Die</strong> zweite Konzeption<br />
ist das Flussdenken, welches e<strong>in</strong>en nicht unterbrochenen Güter- und Materialfluss<br />
zwischen Quellen und Senken der <strong>Logistik</strong>kette vorschreibt. Deshalb versucht<br />
diese Denkrichtung, Bestände wert<strong>an</strong>alytisch zu vermeiden. 42 <strong>Die</strong> dritte<br />
Konzeption wird als Querschnittsfunktionsdenken bezeichnet und besagt, dass<br />
<strong>Logistik</strong>entscheidungen bereichsübergreifend getroffen werden müssen, um<br />
Umsatz- und Kostenzielen des Unternehmens gerecht zu werden, da die Ziele der<br />
Funktionsbereiche E<strong>in</strong>kauf, Beschaffung, Produktion, Entwicklung und<br />
Distribution konkurrierend s<strong>in</strong>d.<br />
In den 1990er Jahren ist der Begriff des Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement (SCM)<br />
aufgekommen. 43 „Das SCM ist durch e<strong>in</strong>e Vielzahl unterschiedlicher<br />
36 http://www.bvl.de/67_1, Zugriff am 25.10.2005.<br />
37 STRAUBE (2004) S. 26.<br />
38 MORGENSTERN (1956).<br />
39 BAUMGARTEN (2003) S. 6.<br />
40 STRAUBE (2004) S. 27ff.<br />
41 Vgl. SCHULTE (1999) S. 3 oder PFOHL (1994) S. 131.<br />
42 STRAUBE (1995) S. 87-89.<br />
43 BAUMGARTEN (2004) S. 55.
16<br />
Kapitel 2<br />
Betrachtungsweisen gekennzeichnet.“ 44 Deshalb wird aufgezeigt, wie der Begriff<br />
SCM <strong>in</strong> Relation zur <strong>Logistik</strong> im Rahmen dieser Arbeit verwendet wird. Denn <strong>in</strong><br />
Kont<strong>in</strong>entaleuropa wurden unter dem Begriff <strong>Logistik</strong> Konzepte zur<br />
g<strong>an</strong>zheitlichen Pl<strong>an</strong>ung und Steuerung der Waren-, Material- und<br />
Informationsflüsse <strong>in</strong> und zwischen Unternehmen entwickelt. In der US-<br />
amerik<strong>an</strong>ischen und britischen Literatur h<strong>in</strong>gegen werden beide Begriffe teilweise<br />
synonym verwendet, teilweise wird mit „Logistics“ ausschließlich die Lager- und<br />
Tr<strong>an</strong>sportfunktion bezeichnet, während die g<strong>an</strong>zheitliche Auslegung dem SCM<br />
zugerechnet wird. 45 <strong>Die</strong>se Sichtweise f<strong>in</strong>det sich vielfach <strong>in</strong> den<br />
Org<strong>an</strong>isationsstrukturen <strong>in</strong>ternationaler Konzerne wieder, welche „Logistics“ und<br />
SCM Abteilungen e<strong>in</strong>gerichtet haben. <strong>Die</strong>se Arbeit folgt der kont<strong>in</strong>ental<br />
europäischen Sichtweise und die Diskussion konzentriert sich auf die Frage,<br />
welchen Zugew<strong>in</strong>n die <strong>Logistik</strong> durch das Konzept des SCM erhält.<br />
<strong>Die</strong> SCM Perspektive fördert sehr stark die Idee der unternehmensübergreifenden<br />
Pl<strong>an</strong>ung. In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g wird das Phänomen des „Bullwhip Effect“ 46<br />
erläutert. <strong>Der</strong> Effekt besagt, dass sich Bedarfsschw<strong>an</strong>kungen im<br />
Endabnehmermarkt entl<strong>an</strong>g der Lieferkette aufschaukeln können, d. h. nur ger<strong>in</strong>ge<br />
Nachfrageveränderungen des Endkunden können durch das Bestellverhalten von<br />
E<strong>in</strong>zelhändlern, Großhändlern und Distributoren zu großen Anpassungen <strong>in</strong> der<br />
Produktionspl<strong>an</strong>ung des Produzenten führen. 47 In jüngster Zeit haben LEE et al. 48<br />
<strong>an</strong>alytisch nachgewiesen, dass der Bullwhip Effect durch rationales Verhalten von<br />
Wertschöpfungspartnern <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es ungenügend synchronisierten<br />
<strong>Logistik</strong>prozesses entsteht. Inzwischen wird allgeme<strong>in</strong> <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt, dass<br />
Bedarfsschw<strong>an</strong>kungen des Marktes nur durch e<strong>in</strong>en tr<strong>an</strong>sparenten<br />
Informationsaustausch zwischen den Wertschöpfungspartnern abgef<strong>an</strong>gen werden<br />
können.<br />
In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g ist auch das Konzept der unternehmensübergreifenden<br />
„Collaboration“ aufgekommen. Collaboration ist e<strong>in</strong>e tr<strong>an</strong>sparente Form der<br />
Zusammenarbeit zwischen Kunden und Anbietern. Gekennzeichnet wird sie u. a.<br />
44 PFOHL (2002) S. 169.<br />
45 STRAUBE (2004) S. 39f.<br />
46 LEE/PADMANABHAN/WHANG (1997a) S. 93-102.<br />
47 Erstmals wurde dieser Effekt von FORRESTER (1958) nachgewiesen, wenngleich er <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenh<strong>an</strong>g weder den Begriff „Bullwhip Effect“ noch die Begriffe <strong>Logistik</strong> oder SCM nutzte.<br />
48 LEE/PADMANABHAN/WANG (1997b) S. 546-558.
Thematische Herleitung 17<br />
durch den E<strong>in</strong>satz von modernen Informations- und Kommunikations-<br />
technologien 49 zum Austausch von vertraulichen Daten. <strong>Die</strong> Vertraulichkeit ist e<strong>in</strong><br />
wichtiges Element der Collaboration, weil die Unternehmen Informationen<br />
austauschen, welche im Zweifelsfall strategisch gegen sie verwendet werden<br />
könnten. <strong>Die</strong>se Informationen s<strong>in</strong>d beispielsweise Pl<strong>an</strong>ungs- und Absatzzahlen<br />
sowie Markte<strong>in</strong>schätzungen und Angaben über Kapazitätsauslastungen. E<strong>in</strong>e sehr<br />
<strong>in</strong>tensive Form der Zusammenarbeit ist die „collaborative“ Produktentwicklung. 50<br />
Allerd<strong>in</strong>gs gibt es klare Grenzen der Collaboration: Gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dynamischen<br />
Geschäftsumfeld s<strong>in</strong>d Geschäftsbeziehungen, welche genügend Zeit lassen, um<br />
e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis aufzubauen, schwierig zu etablieren. H<strong>in</strong>zu kommt die<br />
Unkenntnis, wie e<strong>in</strong> Gesamtoptimum e<strong>in</strong>er Supply Cha<strong>in</strong> aussehen k<strong>an</strong>n und wie<br />
vorteilhaft die Collaboration für die e<strong>in</strong>zelnen Stufen ist.<br />
<strong>Die</strong> e-<strong>Logistik</strong> ist e<strong>in</strong>e junge wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong>, welche <strong>in</strong> den 1990er<br />
Jahren aufkam und ihren Ursprung im Electronic Bus<strong>in</strong>ess (e-Bus<strong>in</strong>ess) f<strong>in</strong>det.<br />
Doch selbst für e-Bus<strong>in</strong>ess existiert weder <strong>in</strong> der Literatur noch <strong>in</strong> der Praxis e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>heitliches Begriffsverständnis. 51 In dieser Arbeit wird unter e-Bus<strong>in</strong>ess die<br />
„Gesamtheit der aufe<strong>in</strong><strong>an</strong>der abgestimmten Verfahrensweisen, die durch den<br />
E<strong>in</strong>satz von neuen Technologien (<strong>in</strong>sbesondere Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien) e<strong>in</strong>e ressourcensparende, kundenorientierte<br />
Integration von Geschäfts-, Kommunikations- und Tr<strong>an</strong>saktionsprozessen auf der<br />
Markt- und Unternehmensebene ermöglicht,“ 52 verst<strong>an</strong>den.<br />
<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>ternetbasierter e-Bus<strong>in</strong>ess-Geschäftssysteme führt zu<br />
wettbewerbsrelev<strong>an</strong>ten Veränderungen <strong>in</strong> der Wirtschaftswelt. Unternehmen<br />
vernetzen sich mit ihren Kunden und Liefer<strong>an</strong>ten, wodurch ihre<br />
Wertschöpfungsketten rekonfiguriert werden müssen. Durch die real-time<br />
Anb<strong>in</strong>dung von Kundenaufträgen gew<strong>in</strong>nen „make-to-order“ Strategien <strong>an</strong><br />
Bedeutung und die Tr<strong>an</strong>saktions- sowie die Tr<strong>an</strong>sformationsprozesse <strong>in</strong> den<br />
Geschäftsbereichen werden <strong>an</strong>gepasst. Hieraus ergeben sich neue Anforderungen<br />
49 SALCEDO/GRACKIN (2000) S. 63-70.<br />
50 Vgl. HOFSTETTER (2004).<br />
51 GOMEZ/HABANN (2000) S. 1.<br />
52 WEIBER (2001) S. 11.
18<br />
Kapitel 2<br />
<strong>an</strong> die <strong>Logistik</strong> sowie <strong>an</strong> das <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement, welche <strong>in</strong>nerhalb des<br />
Themengebiets e-<strong>Logistik</strong> beh<strong>an</strong>delt werden. 53<br />
2.2 M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong><br />
Das Netzwerk ist e<strong>in</strong> Modell, welches die Grundstruktur von <strong>Logistik</strong>systemen<br />
abbildet. 54 Güter, Informationen, F<strong>in</strong><strong>an</strong>zmittel und Rechte fließen von Quellen<br />
über Zwischenknoten zu Senken (vgl. Abbildung 3). An den Knoten werden diese<br />
Flussobjekte auf e<strong>in</strong>en <strong>an</strong>deren Weg weitergeleitet und gegebenenfalls<br />
vorübergehend festgehalten. <strong>Die</strong> K<strong>an</strong>ten bzw. Pfeile zwischen den Knoten zeigen<br />
auf, wie sich die Objekte im Netzwerk bewegen können.<br />
Zwischenknoten<br />
Quellen Senken<br />
Abbildung 3: Objektfluss von Quellen zu Senken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Netzwerk 55<br />
Mit e<strong>in</strong>em steigenden Umweltbewusstse<strong>in</strong> erhöht sich auch die Bedeutung der<br />
Entsorgungslogistik und der Kreislaufwirtschaft. Entsorgungsprozesse, Retouren<br />
und die Rückführung von wieder verwendbaren Ladungsträgern lassen aus Senken<br />
des Distributionsnetzwerks Quellen des Rückführungsnetzwerks werden. 56 Vor<br />
diesem H<strong>in</strong>tergrund lassen sich moderne <strong>Logistik</strong>netzwerke nicht mehr als<br />
gerichtete Graphen darstellen, wenn sie wirklich alle Material- und<br />
Güterbewegungen abbilden sollen.<br />
53 STRAUBE (2004) S. 6.<br />
54 PFOHL (2004b) S. 5.<br />
55 VAHRENKAMP (2000) S. 3.<br />
56 Vgl. HANSEN (2004).
Thematische Herleitung 19<br />
Das Netzwerkmodell k<strong>an</strong>n <strong>Logistik</strong>systeme auf unterschiedlichen<br />
Abstraktionsniveaus beschreiben. Im Kle<strong>in</strong>en k<strong>an</strong>n dies der Materialfluss von<br />
Halbfertigteilen aus dem Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g über Zwischenlager zur Produktionsstelle<br />
se<strong>in</strong>. Im Großen k<strong>an</strong>n dies die Euro-Distribution e<strong>in</strong>es Sportartikelherstellers se<strong>in</strong>.<br />
Dementsprechend können Knoten e<strong>in</strong>zelne Stellplätze, g<strong>an</strong>ze Umschlaglager oder<br />
sogar den Absatzmarkt e<strong>in</strong>es L<strong>an</strong>des repräsentieren. K<strong>an</strong>ten stehen beispielsweise<br />
für e<strong>in</strong>zelne Tr<strong>an</strong>sportförderbänder, für Straßenverb<strong>in</strong>dungen zwischen Städten<br />
oder für alle Tr<strong>an</strong>sportmöglichkeiten von L<strong>an</strong>d A nach L<strong>an</strong>d B. 57<br />
Sender-Empfänger-Paare s<strong>in</strong>d die kle<strong>in</strong>sten E<strong>in</strong>heiten, aus denen <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerke geformt werden. Formal gesprochen bestehen sie aus zwei Knoten,<br />
Sender und Empfänger, sowie e<strong>in</strong>er K<strong>an</strong>te, welche die Tr<strong>an</strong>sportstrecke zwischen<br />
Sender und Empfänger repräsentiert. <strong>Die</strong>se Sender-Empfänger-Paare nehmen <strong>in</strong><br />
der Praxis unterschiedliche Ausprägungen <strong>an</strong>. Sie repräsentieren das Basiselement<br />
für alle <strong>Logistik</strong>-Netzwerke, weil sie noch ke<strong>in</strong>e Netzwerkstruktur abbilden. 58<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der logistischen Aufgabe ist das Netzwerkmodell ebenfalls flexibel.<br />
Es lässt sich auf die Beschaffungs-, Produktions-, Distributions-, Ersatzteil- und<br />
Entsorgungslogistik <strong>an</strong>wenden. 59 <strong>Die</strong> Netzwerke unterscheiden sich im<br />
Wesentlichen durch unterschiedliche Topologien. Baumartige Strukturen f<strong>in</strong>den<br />
sich üblicherweise <strong>in</strong> klassischen Distributionsnetzwerken des H<strong>an</strong>dels (1:n) und<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen Beschaffungsnetzwerken für e<strong>in</strong>en Produktionsst<strong>an</strong>dort (n:1).<br />
Flächige Strukturen (n:m) weisen dagegen Netzwerke von Speditionen auf. 60<br />
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird unter dem Begriff<br />
Netzwerkm<strong>an</strong>agement vielfach das Ausgestalten von Kooperationen zwischen<br />
m<strong>in</strong>destens drei Partnerunternehmen diskutiert. <strong>Die</strong>se Art des<br />
Netzwerkm<strong>an</strong>agements bezieht alle betrieblichen Bereiche e<strong>in</strong>. Übliche Strategien<br />
s<strong>in</strong>d die Auslagerung bzw. Übernahme von Wertschöpfungs<strong>an</strong>teilen, die<br />
geme<strong>in</strong>same Entwicklung von neuen Produkten oder die g<strong>an</strong>zheitliche<br />
Abstimmung von logistischen Prozessen.<br />
Mit <strong>Logistik</strong>-Netzwerk ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit alle<strong>in</strong> der<br />
Güterfluss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em logistischen System geme<strong>in</strong>t. In diesem Fluss soll <strong>Visibilität</strong><br />
57 Vgl. PFOHL (2004b) S. 106ff.<br />
58 McFARLANE/SHEFFI (2003) S. 5.<br />
59 BRETZKE (1998) S. 626f.<br />
60 KAUPP (2004) S. D3-35.
20<br />
Kapitel 2<br />
geschaffen werden und ihn gilt es primär zu verbessern. Dabei werden die<br />
parallelen Informations-, F<strong>in</strong><strong>an</strong>z- und Rechteflüsse als Folge des primären<br />
Güterflusses betrachtet. Unternehmensübergreifende <strong>Logistik</strong>-Netzwerke werden<br />
erfolgreich gem<strong>an</strong>agt, wenn die Partner kooperativ zusammenarbeiten. Trotzdem<br />
steht der Kooperationsaspekt hier nicht im Vordergrund.<br />
Kundenorientierung ist e<strong>in</strong> wesentlicher Best<strong>an</strong>dteil des M<strong>an</strong>agements von<br />
<strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>. In der Distributionslogistik ist der Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
offensichtlich, weil e<strong>in</strong>e Belieferung am Kundenbedarf vorbei schwerwiegende<br />
Folgen hat. Jedes Subsystem des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks muss dah<strong>in</strong>gehend überprüft<br />
werden, <strong>in</strong> wieweit es zum Kundennutzen beiträgt. 61 Auch für <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen steht die Kundenorientierung oben auf der<br />
Prioritätenliste. 62 Das <strong>Logistik</strong>-Controll<strong>in</strong>g stellt e<strong>in</strong>e Reihe von Instrumenten zur<br />
Verfügung, welche die Ausrichtung auf den Kundennutzen messbar machen. 63<br />
Grundlegende Kennzahlen s<strong>in</strong>d die Lieferzeit, die Term<strong>in</strong>treue und die<br />
Lieferbereitschaft. In jüngster Zeit gew<strong>in</strong>nen die Lieferflexibilität sowie die<br />
Informationsfähigkeit <strong>an</strong> Bedeutung, welche auch im Zusammenh<strong>an</strong>g mit<br />
<strong>Visibilität</strong> zu sehen s<strong>in</strong>d. 64 <strong>Die</strong> Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement Perspektive der<br />
<strong>Logistik</strong> verl<strong>an</strong>gt verstärkt die Integration der Kunden, um somit die Intensität des<br />
Informationsaustausches zu erhöhen. 65<br />
Das Netzwerkm<strong>an</strong>agement stützt sich auf zwei Hauptaufgaben: Design und<br />
Execution. Im Netzwerk-Design wird zunächst die Struktur des Netzwerks<br />
festgelegt. <strong>Die</strong> Quellen und Senken müssen identifiziert werden. Geeignete<br />
Zwischenknoten und Rückflüsse gilt es zu def<strong>in</strong>ieren. Dabei ist nicht nur<br />
abzustimmen, wer welche Hauptläufe durchführt, sondern auch, <strong>an</strong> welchen<br />
St<strong>an</strong>dorten welche Wertschöpfungen erbracht werden. Denn das <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk verb<strong>in</strong>det Produktionsstätten mite<strong>in</strong><strong>an</strong>der und ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativer<br />
Best<strong>an</strong>dteil des Wertschöpfungssystems. Um e<strong>in</strong> effizientes Gesamtsystem<br />
betreiben zu können, müssen Produktion und <strong>Logistik</strong> aufe<strong>in</strong><strong>an</strong>der abgestimmt<br />
61 PFOHL (2004b) S. 213.<br />
62 ZADEK (2004) S. 157-166.<br />
63 WEBER (2002) S. 92.<br />
64 Vgl. WILDEMANN (2001) S. 408ff.<br />
65 PFOHL (2004a) S. 76.
Thematische Herleitung 21<br />
werden. So fällt die Festlegung über die St<strong>an</strong>dorte der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Produktionsstätten im Idealfall im Zuge des logistischen Netzwerk-Designs.<br />
Das Netzwerk-Execution ist die operative Gestaltung des Güterflusses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
bestehenden Netzwerk. Ihm werden die Pl<strong>an</strong>ung, das Fulfillment sowie das<br />
Monitor<strong>in</strong>g des Güterflusses zugeordnet. Mit Pl<strong>an</strong>ung ist hier nicht der Entwurf<br />
bzw. das Design des Netzwerks geme<strong>in</strong>t, sondern die Vorausschau welche und<br />
wie viele Güter <strong>in</strong> der kommenden Periode durch das Netz fließen werden.<br />
Fulfillment bezeichnet die eigentliche Ausführung von Tr<strong>an</strong>sporten, Lagerungen,<br />
Umschlägen und Veredelungen. Mit Monitor<strong>in</strong>g ist die Aufzeichnung und<br />
<strong>an</strong>schließende Auswertung des Güterflusses geme<strong>in</strong>t. 66 <strong>Visibilität</strong> unterstützt<br />
sowohl Pl<strong>an</strong>ung und Fulfillment als auch das Monitor<strong>in</strong>g. <strong>Die</strong> Pl<strong>an</strong>ung wird<br />
e<strong>in</strong>facher, da durch <strong>Visibilität</strong> bessere Verg<strong>an</strong>genheitsdaten zur Verfügung stehen.<br />
Das Fulfillment wird sicherer, weil <strong>Visibilität</strong> Störfälle im operativen Ablauf<br />
aufdeckt und hilft Notfallmaßnahmen e<strong>in</strong>zuleiten. <strong>Die</strong> im Monitor<strong>in</strong>g<br />
aufgezeichneten Daten s<strong>in</strong>d nur durch <strong>Visibilität</strong> entst<strong>an</strong>den.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Forschungsarbeit konzentriert sich auf das Netzwerk-Execution,<br />
weil <strong>Visibilität</strong> vor allem diese Aufgabe des Netzwerkm<strong>an</strong>agements unterstützt.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs gilt es zu beachten, dass die Phasen Design und Execution <strong>in</strong> der Praxis<br />
nicht überschneidungsfrei auftreten. Es wäre der Ausnahmefall, wenn e<strong>in</strong><br />
Netzwerk e<strong>in</strong>mal entworfen wird und d<strong>an</strong>n stabil <strong>in</strong> ihm alle Güterflusse immer<br />
auf gleiche Art und Weise ablaufen. Häufig entstehen Netzwerke durch<br />
org<strong>an</strong>isches Wachstum, wenn e<strong>in</strong> neuer Absatzmarkt erschlossen wird, e<strong>in</strong> neuer<br />
Liefer<strong>an</strong>t h<strong>in</strong>zukommt oder sich die Kunden<strong>an</strong>forderungen ändern. Wenn die<br />
Pl<strong>an</strong>daten, welche dem Design zugrunde gelegt wurden, nicht mit dem Fulfillment<br />
übere<strong>in</strong>stimmen, s<strong>in</strong>d Netzwerk-Adaptionen unumgänglich. 67 <strong>Visibilität</strong> hilft<br />
e<strong>in</strong>zelne Netzwerk-Adaptionen sauber vorzunehmen und k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>en<br />
kont<strong>in</strong>uierlichen Prozess der Verbesserung e<strong>in</strong>leiten.<br />
2.3 <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> ist e<strong>in</strong> zentrales Thema im M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>.<br />
Denn „heute s<strong>in</strong>d 30 Prozent aller Stammdaten, mit denen m<strong>an</strong> die Lieferkette<br />
66 Vgl. STRAUBE (2004) S. 319ff.<br />
67 Vgl. GUDEHUS (2004) S. 572ff.
22<br />
Kapitel 2<br />
m<strong>an</strong>agt, fehlerhaft.“ 68 <strong>Die</strong>ses Zitat wird gestützt durch e<strong>in</strong>e Untersuchung von<br />
RAMAN et al., welche die Stammdaten von 35 führenden H<strong>an</strong>delsunternehmen<br />
überprüft haben. Ihr Ergebnis: Entgegen den Beteuerungen der ver<strong>an</strong>twortlichen<br />
Führungskräfte, dass die Daten e<strong>in</strong>e 99%ige Genauigkeit aufweisen, wird gezeigt,<br />
dass die registrierten Lagerbestände <strong>in</strong> zweidrittel aller Fälle sehr stark von den<br />
tatsächlichen abweichen. 69 <strong>Visibilität</strong> verbessert die Qualität der Stammdaten und<br />
führt zu e<strong>in</strong>er realitätsgetreuen Abbildung von Lagerbeständen.<br />
Auch bei der Betrachtung von operativen M<strong>an</strong>agementprozessen spielt <strong>Visibilität</strong><br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>ager müssen im operativen Betrieb aufgrund<br />
von Zwischenfällen häufig kurzfristige Entscheidungen treffen. <strong>Die</strong>se<br />
Zwischenfälle treten beispielsweise auf, wenn Bestellaufträge während der<br />
Ausführung geändert werden oder wenn Prozesse fehlerhaft ablaufen. <strong>Der</strong><br />
M<strong>an</strong>ager entscheidet d<strong>an</strong>n häufig unter Zeitdruck und auf Basis von unsicheren<br />
Daten. <strong>Visibilität</strong> m<strong>in</strong>dert den <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> Unsicherheit und ist e<strong>in</strong>e maßgebliche<br />
Unterstützung für das operative M<strong>an</strong>agement. 70<br />
Wie gezeigt wurde spielt <strong>Visibilität</strong> e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle im<br />
<strong>Logistik</strong>m<strong>an</strong>agement. Deshalb ist es erstaunlich, dass sie nicht e<strong>in</strong>deutig def<strong>in</strong>iert<br />
wird. In der <strong>Logistik</strong>-Literatur lassen sich zwei grundlegende Richtungen<br />
ausmachen:<br />
(1) <strong>Visibilität</strong> als „Information Shar<strong>in</strong>g“ 71<br />
(2) <strong>Visibilität</strong> als „Supply Cha<strong>in</strong> Inventory Visibility“ 72<br />
<strong>Die</strong> erste Interpretation wird verstärkt im Kontext e<strong>in</strong>er „System Dynamics“<br />
Sichtweise der <strong>Logistik</strong> verwendet. <strong>Der</strong> Austausch von Best<strong>an</strong>ds- und<br />
Prognosedaten zwischen Unternehmen steht im Vordergrund. Er soll<br />
Bedarfsschw<strong>an</strong>kungen tr<strong>an</strong>sparent machen und verh<strong>in</strong>dern, dass sich<br />
Lagerbestände aufschaukeln. <strong>Visibilität</strong> ist <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne die verbesserte Sicht<br />
68 FLEISCH (2004) S. 14.<br />
69 RAMAN/DeHORATIUS/TON (2001) S. 25.<br />
70 McFARLANE/SHEFFI (2003) S. 2.<br />
71 Vgl. SWAMINATHAN/TAYUR (2003), CECERE/PETERSON (2001), CHAN (2003) und<br />
ALSHAWI (2001).<br />
72 Vgl. OTTO/KOTZAB (2003), WOODS (2003), WOODS (2002), MCFARLANE/SHEFFI (2003) und<br />
LANDERS/COLE (2000).
Thematische Herleitung 23<br />
auf die vor- und nachgelagerten Partner <strong>in</strong> der Supply Cha<strong>in</strong> sowie deren Bestände<br />
und zukünftigen Bedarfe.<br />
<strong>Die</strong> Interpretation als Supply Cha<strong>in</strong> Inventory Visibility (SCIV) wird u. a. im<br />
Zusammenh<strong>an</strong>g mit Virtual Warehous<strong>in</strong>g, Real-time Bus<strong>in</strong>ess und Auto-ID<br />
verwendet. Vere<strong>in</strong>facht gesprochen werden für alle s<strong>in</strong>nvollen Orts- und<br />
Status<strong>an</strong>gaben des Inventars „buckets“ def<strong>in</strong>iert, <strong>in</strong> denen sich die Güter entl<strong>an</strong>g<br />
der Lieferkette bef<strong>in</strong>den können. 73 Wichtig ist dabei zu bemerken, dass die<br />
Orts<strong>an</strong>gaben nicht nur Lager- und Umschlagplätze bezeichnen, sondern auch<br />
Tr<strong>an</strong>sportstrecken. <strong>Der</strong> <strong>Visibilität</strong>sbegriff der vorliegenden Arbeit umfasst die<br />
SCIV und schließt darüber h<strong>in</strong>aus die Sichtbarkeit von Ladungsträgern – LKW,<br />
Bahnwaggons, Conta<strong>in</strong>er etc. – mit e<strong>in</strong>.<br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ist e<strong>in</strong>e enge Def<strong>in</strong>ition und m<strong>an</strong>ifestiert sich <strong>an</strong> den<br />
Datensätzen, welche die logistischen Systemzustände beschreiben. Sie grenzt sich<br />
klar von dem Begriff der Tr<strong>an</strong>sparenz ab, der im Allgeme<strong>in</strong>en weiter gefasst wird.<br />
Beispielsweise def<strong>in</strong>iert HOFSTEDE Tr<strong>an</strong>sparenz <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong> als „the extent<br />
to which all the netcha<strong>in</strong>'s stakeholders have a shared underst<strong>an</strong>d<strong>in</strong>g of, <strong>an</strong>d access<br />
to, the product-related <strong>in</strong>formation that they request, without loss, noise, delay <strong>an</strong>d<br />
distortion.“ 74 <strong>Die</strong>se Def<strong>in</strong>ition schließt den Austausch von bestehenden Daten e<strong>in</strong><br />
(Information Shar<strong>in</strong>g) und bemüht sich um e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Verständnis der<br />
<strong>Logistik</strong>-Partner. Tr<strong>an</strong>sparenz berücksichtigt im ausgeprägten Maße soziale<br />
Aspekte wie geme<strong>in</strong>es Verständnis, während sich die <strong>Visibilität</strong> auf<br />
<strong>in</strong>formatorische Aspekte konzentriert.<br />
E<strong>in</strong>e Beschreibung der <strong>Visibilität</strong> schaffenden Datensätze aus fünf<br />
unterschiedlichen Sichtweisen führt zu e<strong>in</strong>em detaillierten Begriffsverständnis:<br />
• Datengr<strong>an</strong>ularität<br />
• Sem<strong>an</strong>tische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die <strong>Logistik</strong>-Prozesse<br />
• Sichten auf die <strong>Visibilität</strong>sdaten<br />
• Echtzeitfähigkeit<br />
• Datenqualität<br />
73 WOODS (2002).<br />
74 HOFSTEDE (2002) S. 6.
24<br />
Kapitel 2<br />
<strong>Visibilität</strong>sdaten werden <strong>in</strong> der realen, physischen Welt erhoben. Häufig entstehen<br />
Sie durch e<strong>in</strong> konkretes Ereignis wie z. B. die E<strong>in</strong>lagerungen von Rohmaterial <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Depot. Es gibt aber auch den Fall, dass <strong>Visibilität</strong>sdaten <strong>in</strong> regelmäßigen<br />
zeitlichen Abständen ohne e<strong>in</strong> besonderes Ereignis übertragen werden. E<strong>in</strong><br />
Beispiel wäre die e<strong>in</strong>m<strong>in</strong>ütige Meldung e<strong>in</strong>es Flottenm<strong>an</strong>agementsystems <strong>an</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Leitstelle. <strong>Der</strong> Ort <strong>an</strong> dem die Daten erhoben werden, nennt sich Po<strong>in</strong>t-of-Creation<br />
oder POC, im Gegensatz zum POA, dem Po<strong>in</strong>t-of-Action, <strong>an</strong> dem die Daten<br />
verwendet werden.<br />
<strong>Die</strong> Datengr<strong>an</strong>ularität sagt viel über die Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />
<strong>Visibilität</strong>ssystems aus. Sie wird <strong>in</strong> Anlehnung <strong>an</strong><br />
FLEISCH/CHRIST/DIERKES 75 <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von vier Dimensionen beschrieben. <strong>Die</strong><br />
erste Dimension ist die zeitliche/örtliche Gr<strong>an</strong>ularität. Hier geht es darum wie oft<br />
der Status und die Position e<strong>in</strong>es bestimmten Gutes übertragen werden. Wie<br />
bereits <strong>an</strong>gesprochen werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Systemen Status und Position <strong>in</strong><br />
Abhängigkeit von Ereignissen erfasst. Alternativ erfolgt die Datenerfassung <strong>in</strong><br />
festen zeitlichen Abständen.<br />
<strong>Die</strong> zweite Dimension beschreibt die Ladungsträger-Gr<strong>an</strong>ularität. Werden<br />
beispielsweise Conta<strong>in</strong>er, Paletten oder Boxen verfolgt? <strong>Die</strong> dritte Dimension<br />
beschreibt den Prozentsatz der Objekte, die automatisch verfolgt werden.<br />
<strong>Visibilität</strong> soll z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Palettenpool geschaffen werden, weil der Betreiber<br />
mit e<strong>in</strong>er verbesserten statistischen Genauigkeit wissen möchte, wie viele Paletten<br />
bei welchem Kunden im E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d. Dazu reicht es eventuell schon aus 10% der<br />
Paletten zu markieren.<br />
<strong>Die</strong> vierte Dimension beschreibt die Reichhaltigkeit der Informationen über das<br />
verfolgte Objekt. Mit dem EAN 13 Barcode werden heute beispielsweise im<br />
Konsumgüterh<strong>an</strong>del Produkte auf Artikel-Ebene verfolgt. Wird e<strong>in</strong>e Cola Dose <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Supermarkt verkauft, d<strong>an</strong>n registriert die Sc<strong>an</strong>ner-Kasse, dass e<strong>in</strong>e Cola<br />
Dose verkauft wurde, aber nicht welche. <strong>Die</strong> Reichhaltigkeit der Information<br />
nimmt zu, wenn bek<strong>an</strong>nt ist aus welcher Charge die Cola Dose entnommen wurde.<br />
Mit dem Electronic Product Code (EPC) erhält jede e<strong>in</strong>zelne Cola Dose e<strong>in</strong>en<br />
Bezeichner, wodurch die Reichhaltigkeit weiter zunimmt. E<strong>in</strong>e weitere Erhöhung<br />
ist d<strong>an</strong>n nur noch möglich, wenn Informationen über den Objektzust<strong>an</strong>d oder das<br />
Objektumfeld wie z. B. M<strong>in</strong>desthaltbarkeitsdatum oder Temperatur erfasst<br />
75 FLEISCH/CHRIST/DIERKES (2005) S. 13ff.
Thematische Herleitung 25<br />
werden. Abbildung 4 fasst die vier Dimensionen der Datengr<strong>an</strong>ularität zusammen.<br />
Im Inneren der abgebildeten Kreise ist die Gr<strong>an</strong>ularität ger<strong>in</strong>g. Sie nimmt nach<br />
außen h<strong>in</strong> zu.<br />
Datenreichhaltigkeit<br />
Objekt-<br />
Zust<strong>an</strong>d u.<br />
Umfeld<br />
Inst<strong>an</strong>z<br />
ID<br />
Chargen<br />
ID<br />
Zeitliche/örtliche<br />
Gr<strong>an</strong>ularität<br />
Perm<strong>an</strong>ent<br />
Stündlich<br />
Täglich<br />
Wöchentlich<br />
Monatlich<br />
Jährlich<br />
Artikel<br />
ID<br />
Perm<strong>an</strong>ent<br />
Bei jeder Bewegung<br />
Bei jedem Ortswechsel<br />
Bei ausgewählten<br />
Ereignissen<br />
Bei Prozessbeg<strong>in</strong>n<br />
und -ende<br />
Conta<strong>in</strong>er Palette Box Artikel<br />
50% Abdeckung<br />
100%<br />
Objektabdeckung<br />
Abbildung 4: <strong>Visibilität</strong> als Datengr<strong>an</strong>ularität 76<br />
Ladungsträger-<br />
Gr<strong>an</strong>ularität<br />
<strong>Visibilität</strong> steht im engen Zusammenh<strong>an</strong>g mit den Prozessen, die im <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk ablaufen. Um den größten Nutzen aus <strong>Visibilität</strong> schaffenden Systemen<br />
zu ziehen, ist e<strong>in</strong>e sem<strong>an</strong>tische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die <strong>Logistik</strong>-Prozesse notwendig.<br />
<strong>Die</strong> Daten müssen mit den logistischen Entitäten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden:<br />
Aufträgen, Sendungen, Kunden, Liefer<strong>an</strong>ten, Lokalitäten oder Org<strong>an</strong>isations-<br />
e<strong>in</strong>heiten. 77 <strong>Die</strong> Grundlage für e<strong>in</strong>e zielführende sem<strong>an</strong>tische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung s<strong>in</strong>d die<br />
<strong>an</strong> dem verfolgten Objekt gespeicherten Daten. Beispielsweise ist es nicht möglich<br />
die Versendung von e<strong>in</strong>zelnen Produkten zu verfolgen, wenn nur e<strong>in</strong>e<br />
76 In Anlehnung <strong>an</strong> FLEISCH/CHRIST/DIERKES (2005) S. 16.<br />
77 WOODS (2002).
26<br />
Kapitel 2<br />
Artikelnummer zur Verfügung steht, die für alle Produkte dieser Art gleich ist.<br />
Häufig wird diese Aufgabenstellung durch e<strong>in</strong>e spezielle Vers<strong>an</strong>d-ID gelöst,<br />
welche bei jeder Versendung als Barcode neu ausgedruckt und <strong>an</strong> dem<br />
Vers<strong>an</strong>dpaket befestigt wird. Alternativ ist e<strong>in</strong>e Ident-Nummer für jede<br />
produzierte E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>es Produkts denkbar. Beim Vers<strong>an</strong>dvorg<strong>an</strong>g werden<br />
mehrere Ident-Nummern im System virtuell zusammengefügt.<br />
<strong>Die</strong> Anwender benötigen unterschiedliche Sichten auf die <strong>Visibilität</strong>sdaten.<br />
Zwei grundlegende Sichten werden vorgestellt:<br />
• Po<strong>in</strong>t-<strong>in</strong>-Time View<br />
• Cross-Time View<br />
Beispielsweise kontaktiert e<strong>in</strong> Unternehmen e<strong>in</strong>en Kundendienstberater, um zu<br />
erfahren, welchen Status e<strong>in</strong>e Bestellung von PCs und Monitoren hat. Mit e<strong>in</strong>em<br />
Po<strong>in</strong>t-<strong>in</strong>-Time View k<strong>an</strong>n der Kundenberater sofort erkennen, dass die Bestellung<br />
auf dem Weg von Süd-Korea nach Europa ist. Mit der Cross-Time Sicht k<strong>an</strong>n er<br />
Auskunft geben, w<strong>an</strong>n die Bestellung <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>treffen wird. Das Unternehmen<br />
fragt daraufh<strong>in</strong> eventuell <strong>an</strong>, ob es nicht aus e<strong>in</strong>er früheren Lieferung heraus<br />
bedient werden k<strong>an</strong>n. D<strong>an</strong>n verwendet der Kundenberater wieder die Po<strong>in</strong>t-<strong>in</strong>-<br />
Time Sicht, um zu schauen, ob e<strong>in</strong>e Asien-Lieferung bereits <strong>in</strong> Europa<br />
<strong>an</strong>gekommen ist und ob es möglich wäre diese Lieferung dem<br />
Kundenunternehmen zuzuordnen. <strong>Die</strong> Situation illustriert, welchen Nutzen<br />
unterschiedliche Sichten auf die gleichen Daten haben können. Streng<br />
wissenschaftlich gesehen s<strong>in</strong>d die <strong>Visibilität</strong>ssichten nicht Teil der SCIV-<br />
Def<strong>in</strong>ition, weil sie über die Erfassung und Speicherung der <strong>Visibilität</strong>sdaten<br />
h<strong>in</strong>ausgeht. In der Praxis s<strong>in</strong>d unterschiedliche Sichten jedoch essenziell, um e<strong>in</strong>en<br />
Nutzen aus der vorliegenden <strong>Visibilität</strong> zu generieren.<br />
Im S<strong>in</strong>ne der Kundenorientierung k<strong>an</strong>n es s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, den Kunden e<strong>in</strong>e Sicht<br />
auf die <strong>Visibilität</strong>sdaten zu gewähren. <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen<br />
berichten, dass sich ihre Liefertreue erhöht hat, weil die Versender im<br />
Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g System des <strong>Die</strong>nstleisters nachschauen können, w<strong>an</strong>n genau<br />
ihre Sendungen <strong>an</strong>kommen. <strong>Die</strong> erhöhte Tr<strong>an</strong>sparenz schafft von außen Druck auf<br />
die Prozessver<strong>an</strong>twortlichen im Unternehmen.
Thematische Herleitung 27<br />
„In Echtzeit-Systemen ist e<strong>in</strong>e Information unmittelbar nach ihrer Entstehung<br />
überall nutzbar.“ 78 In heutigen visibilitätschaffenden Systemen k<strong>an</strong>n dies<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden, weshalb die<br />
Echtzeitfähigkeit als weiterer Aspekt aufgeführt wird. Wenn beispielsweise<br />
aktive Tr<strong>an</strong>sponder mit Sensoren ausgestattet werden, d<strong>an</strong>n ist es häufig so, dass<br />
die Tr<strong>an</strong>sponder <strong>in</strong> regelmäßigen Zeitabständen ihren Status <strong>an</strong> e<strong>in</strong>e Leitstelle<br />
senden und nicht zu dem Zeitpunkt, <strong>an</strong> dem der Sensor e<strong>in</strong>e Besonderheit<br />
wahrnimmt. <strong>Die</strong>se Zeitverzögerung bedeutet e<strong>in</strong>e verm<strong>in</strong>derte Echtzeitfähigkeit<br />
im S<strong>in</strong>ne der SCIV. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Echtzeitfähigkeit für die SCIV nicht so<br />
relev<strong>an</strong>t wie für den Informationsaustausch von Supply Cha<strong>in</strong> Partnern.<br />
<strong>Die</strong> Datenqualität ist e<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt der <strong>Visibilität</strong> und geht weit über<br />
die re<strong>in</strong>e Datengenauigkeit h<strong>in</strong>aus. In Anlehnung <strong>an</strong> WANG/STRONG 79 werden<br />
vier Ausprägungen von Datenqualität diskutiert:<br />
• Intr<strong>in</strong>sische Datenqualität: <strong>Die</strong> Genauigkeit der Daten ist e<strong>in</strong> Teil der<br />
<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischen Qualität. Darüber h<strong>in</strong>aus sollten die Daten objektiv se<strong>in</strong> sowie<br />
Glaubwürdigkeit und e<strong>in</strong>e gewisse Reputation besitzen, d. h. die Anwender<br />
können den Daten im System vertrauen. Wenn sie im System erkennen<br />
können, dass e<strong>in</strong>e bestimmte Lieferung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Umschlagzentrum<br />
<strong>an</strong>gekommen ist, d<strong>an</strong>n sollen sie nicht den Wunsch verspüren, im Zentrum<br />
<strong>an</strong>zurufen, um sich den Vorg<strong>an</strong>g von e<strong>in</strong>em Mitarbeiter vor Ort bestätigen<br />
zu lassen. Ebenso werden die Daten <strong>in</strong> Diskussionen mit Vorgesetzten und<br />
Kollegen als Fakten akzeptiert.<br />
• Kontextabhängige Datenqualität: <strong>Die</strong> <strong>an</strong>gezeigten Daten sollen relev<strong>an</strong>t<br />
und vollständig se<strong>in</strong>, sodass sichere Entscheidungen alle<strong>in</strong> durch ihre<br />
Erkenntnisse gefällt werden können. Sie s<strong>in</strong>d aktuell und werden dem<br />
Anwender <strong>in</strong> der richtigen Menge zur Verfügung gestellt. <strong>Die</strong><br />
kontextabhängige Qualität k<strong>an</strong>n durch graphische Benutzer-Interfaces<br />
weiter erhöht werden. E<strong>in</strong>e Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g Anwendung k<strong>an</strong>n die<br />
Position der verfolgten Güter beispielsweise auf e<strong>in</strong>er L<strong>an</strong>dkarte <strong>an</strong>zeigen.<br />
• Repräsent<strong>an</strong>z der Daten: Geme<strong>in</strong>t ist <strong>in</strong> wieweit die Anwender e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>heitliches Verständnis der Daten besitzen. Werden Orts<strong>an</strong>gaben<br />
78 ALT/ÖSTERLE (2004) S. 8.<br />
79 WANG/STRONG (1996) S. 20f.
28<br />
Kapitel 2<br />
beispielsweise identisch <strong>in</strong>terpretiert? S<strong>in</strong>d die Angaben e<strong>in</strong>fach zu<br />
verstehen? <strong>Die</strong> Daten e<strong>in</strong>es Systems müssen immer <strong>in</strong> der gleichen E<strong>in</strong>heit<br />
e<strong>in</strong>gegeben werden. Beispielsweise sollte der Wert von Gütern immer <strong>in</strong><br />
der gleichen Währung gespeichert werden. Außerdem müssen die Daten<br />
e<strong>in</strong>e ausreichende Präzision besitzen, um die gestellten Anforderungen zu<br />
erfüllen.<br />
• Qualität des Zugriffs: Allen Anwendern wird der Zugriff auf das System<br />
gewährleistet, den sie für ihre <strong>in</strong>dividuelle Aufgabenstellung benötigen.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus gilt es die Zugriffs-Sicherheit zu gewährleisten und die<br />
Zugriffszeit zu m<strong>in</strong>imieren.<br />
Abbildung 5 fasst die fünf diskutierten Sichtweisen von <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schaubild zusammen.<br />
Datengr<strong>an</strong>ularität<br />
Zeitliche/örtliche<br />
Gr<strong>an</strong>ularität<br />
Ladungsträger-<br />
Gr<strong>an</strong>ularität<br />
Objektabdeckung<br />
Datenreichhaltigkeit<br />
Sem<strong>an</strong>tische<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
Anwendungs-<br />
Entitäten<br />
<strong>Visibilität</strong>ssichten<br />
Po<strong>in</strong>t-<strong>in</strong>-time<br />
Cross-time<br />
Datenqualität<br />
Echtzeitfähigkeit Zeitverzögerung<br />
Abbildung 5: <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
Intr<strong>in</strong>sische<br />
Datenqualität<br />
Kontextabhängige<br />
Datenqualität<br />
Repräsent<strong>an</strong>z der<br />
Daten<br />
Qualität<br />
des Zugriffs<br />
2.4 Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g, Real-time Bus<strong>in</strong>ess und Ubiquitous<br />
Comput<strong>in</strong>g<br />
Aus der Wirtschafts<strong>in</strong>formatik tragen die Forschungsrichtungen Bus<strong>in</strong>ess<br />
Network<strong>in</strong>g, Real-time Bus<strong>in</strong>ess und Ubiquitous Comput<strong>in</strong>g zum Verständnis von<br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> bei.
Thematische Herleitung 29<br />
Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g<br />
„Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g k<strong>an</strong>n als die Koord<strong>in</strong>ation von Prozessen <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>zelner und zwischen mehreren Firmen verst<strong>an</strong>den werden.“ 80 E<strong>in</strong>e engere<br />
Def<strong>in</strong>ition beschreibt Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g als das M<strong>an</strong>agement von IT-gestützten<br />
Beziehungen zwischen <strong>in</strong>ternen und externen Geschäftsprozessen. <strong>Der</strong> Begriff ist<br />
sehr stark verbunden mit dem Aufkommen des Informationszeitalters. IT forciert<br />
die physische Auflösung der Märkte, sodass Unternehmen ihr Geschäft bis <strong>an</strong> die<br />
globalen Grenzen betreiben können. Dadurch ist der Weg für e<strong>in</strong>e weitgehende<br />
Spezialisierung der Unternehmen geebnet.<br />
Es lassen sich fünf Stufen zum Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g unterscheiden: 81<br />
1. Computerisierung von E<strong>in</strong>zelfunktionen: Unterstützung e<strong>in</strong>zelner<br />
Funktionen, wie etwa Fakturierung.<br />
2. Computerisierung von Funktionsbereichen: Z. B. F<strong>in</strong><strong>an</strong>zbuchhaltung.<br />
3. Entwicklung <strong>in</strong>tegrierter Prozesse: Innerbetrieblich vom Kunden zum<br />
Kunden wie z. B. Auftragsabwicklung.<br />
4. Individuelle 1:1 Koord<strong>in</strong>ation von Prozessen über Unternehmensgrenzen<br />
h<strong>in</strong>weg.<br />
5. Konsequente m:n Koord<strong>in</strong>ation von Prozessen über Unternehmensgrenzen<br />
h<strong>in</strong>weg mit Aufbau e<strong>in</strong>er Vernetzungs<strong>in</strong>frastruktur.<br />
Es wird <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>t se<strong>in</strong> zu beobachten, <strong>in</strong> wieweit die Auto-ID Technologien so<br />
entworfen werden, dass sie als Vernetzungs<strong>in</strong>frastruktur gemäß der fünften Stufe<br />
des Bus<strong>in</strong>ess Network<strong>in</strong>g fungieren.<br />
Real-time Bus<strong>in</strong>ess<br />
<strong>Visibilität</strong> schaffende Systeme streben e<strong>in</strong>e Datenverarbeitung <strong>in</strong> Echtzeit <strong>an</strong>.<br />
Denn das Netzwerk-Execution profitiert d<strong>an</strong>n von <strong>Visibilität</strong>, wenn die am Po<strong>in</strong>t-<br />
of-Creation erhobenen Daten zeitgleich am Po<strong>in</strong>t-of-Action zur Verfügung stehen.<br />
Idealtypische Echtzeit-Systeme lassen sich durch sechs Regeln charakterisieren: 82<br />
80 ÖSTERLE/FLEISCH/ALT (2002) S. 2.<br />
81 Vgl. ÖSTERLE/FLEISCH/ALT (2002) S. 4.<br />
82 ALT/ÖSTERLE (2004) S. 7ff.
30<br />
Regel 1: In Echtzeit-Systemen ist e<strong>in</strong>e Information unmittelbar nach ihrer<br />
Entstehung überall nutzbar.<br />
Kapitel 2<br />
Regel 2: Echtzeit-Systeme erfassen Daten automatisch am „Po<strong>in</strong>t-of-Creation“.<br />
Regel 3: Echtzeit-Systeme vermeiden Pufferlager.<br />
Regel 4: Echtzeit-Systeme weisen ke<strong>in</strong>e medialen und sem<strong>an</strong>tischen Brüche<br />
auf.<br />
Regel 5: Echtzeit-Systeme selektieren die wichtigsten Informationen für e<strong>in</strong>e<br />
Entscheidung.<br />
Regel 6: Echtzeit-Systeme treffen und implementieren Entscheidungen<br />
automatisch am „Po<strong>in</strong>t-of-Action“.<br />
<strong>Die</strong> Charakterisierung <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Echtzeit-Regeln unterstützt die Suche von Ist-<br />
Potenzialen <strong>in</strong> bestehenden <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendungen.<br />
Ubiquitous Comput<strong>in</strong>g<br />
Ubiquitous Comput<strong>in</strong>g (UbiComp) ist e<strong>in</strong>e Diszipl<strong>in</strong>, welche im Jahre 1991 von<br />
Mark Weiser am Xerox PARC Lab begründet wurde. <strong>Die</strong> nahtlose Integration von<br />
physischen D<strong>in</strong>gen und Abläufen aus der realen Welt <strong>in</strong> die digitale Welt ist die<br />
Vision des UbiComp. 83 Immer kle<strong>in</strong>ere und preiswertere Computer werden zu<br />
Best<strong>an</strong>dteilen von Alltagsgegenständen wie Konsumgütern, Halbfertigprodukten,<br />
Rohmaterialen oder Produktionsmasch<strong>in</strong>en. <strong>Die</strong> mit Computern ausgestatten<br />
D<strong>in</strong>ge werden durch die e<strong>in</strong>gebundene Anwendungslogik als „smarte“ D<strong>in</strong>ge<br />
bezeichnet. Ursprünglich wurde die Forschung im UbiComp von technologischer<br />
Seite getrieben. Doch <strong>in</strong> jüngster Zeit werden verstärkt Anwendungen entwickelt,<br />
welche auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht attraktiv s<strong>in</strong>d. 84<br />
Auto-ID Technologien verwirklichen die Vision des UbiComp <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>.<br />
Durch ihren E<strong>in</strong>satz wird beispielsweise die Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>gskontrolle nicht mehr<br />
m<strong>an</strong>uell über e<strong>in</strong>e Tastature<strong>in</strong>gabe vorgenommen, sondern automatisiert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
beiläufigen Lesevorg<strong>an</strong>g. In der m<strong>an</strong>uellen E<strong>in</strong>gabeform erkennen<br />
83 Vgl. WEISER (1991).<br />
84 FLEISCH (2001).
Thematische Herleitung 31<br />
FLEISCH/ÖSTERLE/THIESSE. 85 e<strong>in</strong>en Medienbruch zwischen der realen und<br />
virtuellen Welt. <strong>Die</strong>sen Medienbruch gilt es im UbiComp zu überw<strong>in</strong>den.<br />
2.5 <strong>Visibilität</strong> nutzende Anwendungen<br />
Unterschiedliche Anwendungslogiken nutzen <strong>Visibilität</strong>, um das logistische<br />
Netzwerkm<strong>an</strong>agement zu unterstützen. Zu ihnen zählen Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g sowie<br />
Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement, welche <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>-Literatur jüngst große<br />
Beachtung f<strong>in</strong>den. 86<br />
Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g (T&T) Systeme schaffen <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>.<br />
Beim global agierenden <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleistern s<strong>in</strong>d T&T Systeme meist<br />
st<strong>an</strong>dardmäßig über das Internet verfügbar. 87 Wie der Name bereits <strong>an</strong>deutet bietet<br />
T&T im Wesentlichen zwei Funktionalitäten: 88 <strong>Die</strong> Track<strong>in</strong>g-Funktionalität des<br />
Systems bezieht sich auf die Verfolgung e<strong>in</strong>er Ware entl<strong>an</strong>g der Frachtkette<br />
während des Prozessablaufs, im Idealfall <strong>in</strong> Echtzeit.<br />
<strong>Die</strong> Trac<strong>in</strong>g-Funktionalität verl<strong>an</strong>gt ke<strong>in</strong>e Informationen <strong>in</strong> Echtzeit, weil sie sich<br />
auf Daten <strong>in</strong> der Verg<strong>an</strong>genheit bezieht. Sie hilft den <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>ager die Frage<br />
zu be<strong>an</strong>tworten, wie die e<strong>in</strong>zelnen Sendungen ihren Weg durch die Frachtkette<br />
gefunden haben und vor allem hilft sie auch zu ergründen, wo Probleme bei<br />
Versendungen aufgetreten s<strong>in</strong>d. Interess<strong>an</strong>terweise werden die Informationen des<br />
T&T nicht nur den Mitarbeitern des <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleisters zur Verfügung<br />
gestellt, sondern auch externen Partnern. Laut e<strong>in</strong>er aktuellen Studie stellen 80%<br />
der befragten Unternehmen ihre T&T Daten den Versendern und 64% den<br />
Empfängern zur Verfügung. 89 Versender und Empfänger haben dadurch e<strong>in</strong>e gute<br />
Grundlage, die Qualität ihres <strong>Die</strong>nstleisters zu überwachen und für die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Org<strong>an</strong>isationse<strong>in</strong>heiten des <strong>Die</strong>nstleisters besteht e<strong>in</strong> Anreiz, die Lieferqualität<br />
kont<strong>in</strong>uierlich zu verbessern.<br />
85 FLEISCH/ÖSTERLE/THIESSE (2001) S 16.<br />
86<br />
Für Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g siehe: STEFANSSON/TILANUS (2000), BRETZKE/STÖLZLE et al. (2003)<br />
oder DROP (2002).<br />
Für Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement siehe: OTTO (2003), KARRER (2003), MORS (2002) oder<br />
KNICKLE/KEMMETER (2002).<br />
87 BRETZKE/STÖLZLE et al. (2003) S. 9.<br />
88 STEFANSSON/TILANUS (2000).<br />
89 BRETZKE/STÖLZLE et al. (2003) S. 28.
32<br />
Kapitel 2<br />
Das Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement (CCM) ist e<strong>in</strong>e Vari<strong>an</strong>te von T&T, bei der nicht<br />
nur die Position der Sendungen ermittelt wird, sondern auch die jeweilige<br />
Umgebungstemperatur. CCM Systeme werden für verderbliche Waren und<br />
Produkte e<strong>in</strong>gesetzt. 90 Auch hier lässt sich die Funktionalität <strong>in</strong> e<strong>in</strong> echtzeitliches<br />
Track<strong>in</strong>g und e<strong>in</strong> nachvollziehendes Trac<strong>in</strong>g aufteilen.<br />
Asset M<strong>an</strong>agement als e<strong>in</strong>e weitere Vari<strong>an</strong>te von T&T bezieht sich auf die<br />
Verfolgung von Ladungsträgern. <strong>Der</strong> Begriffe Asset M<strong>an</strong>agement rührt von der<br />
Bil<strong>an</strong>zposition Current Assets her, unter der Ladungsträger ab e<strong>in</strong>em gewissen<br />
Wert verbucht werden. <strong>Die</strong> Zielsetzung dieses Konzepts ist e<strong>in</strong>e gesteigerte<br />
Leistungsfähigkeit bei e<strong>in</strong>em reduzierten Kapitale<strong>in</strong>satz.<br />
T&T Systeme s<strong>in</strong>d noch ke<strong>in</strong>e Decision Support Systeme. Sie zeigen nur auf was<br />
gerade passiert bzw. was passiert ist. Sie machen jedoch ke<strong>in</strong>en Vorschlag, welche<br />
Entscheidung zu treffen ist und wie Störungen gelöst werden können.<br />
Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement (SCEM) Systeme erweitern die Funktionalität<br />
von T&T <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne. 91 <strong>Die</strong> Architekturen der meisten am Markt <strong>an</strong>gebotenen<br />
Systeme verfügen über Integrationsschnittstellen und s<strong>in</strong>d „non-<strong>in</strong>trusive“ 92 , d. h.<br />
sie können auf den Daten e<strong>in</strong>es T&T Systems aufbauen, ohne dass sie im T&T<br />
Anpassungen notwendig machen. SCEM Systeme besitzen konzeptionell gesehen<br />
folgende Funktionalitäten: 93<br />
• Monitor<strong>in</strong>g: Das Monitor<strong>in</strong>g umfasst im Wesentlichen die Funktionalität<br />
von T&T Systemen. E<strong>in</strong> erweitertes Monitor<strong>in</strong>g schließt darüberh<strong>in</strong>aus den<br />
Abgleich von Ist- und Soll-Zahlen e<strong>in</strong>.<br />
• Notify<strong>in</strong>g: Nachdem das SCEM System Pl<strong>an</strong>abweichungen feststellt,<br />
werden Notifikationen <strong>an</strong> die entsprechenden Entscheidungsträger<br />
versendet. <strong>Die</strong> Notify<strong>in</strong>g Funktion baut auf dem Monitor<strong>in</strong>g auf und macht<br />
den proaktiven Charakter des SCEM im Gegensatz zum reaktiven<br />
Charakter des T&T deutlich.<br />
• Simulat<strong>in</strong>g: Wenn e<strong>in</strong> Event als e<strong>in</strong>e Pl<strong>an</strong>abweichung von Soll- und Ist-<br />
Zeiten auftritt, d<strong>an</strong>n sollten fortgeschrittene SCEM Systeme <strong>in</strong> der Lage<br />
90 KREYENSCHMIDT et al. (2003).<br />
91 KARRER (2003) S. 65.<br />
92 MORS (2002) S. 26f.<br />
93 KNICKLE/KEMMETER (2002).
Thematische Herleitung 33<br />
se<strong>in</strong>, die möglichen Konsequenzen zu simulieren und den<br />
Entscheidungsträgern H<strong>an</strong>dlungsalternativen vorzuschlagen.<br />
• Controll<strong>in</strong>g: Wenn e<strong>in</strong>e Prozessänderung durch e<strong>in</strong>en Event im SCEM<br />
ausgelöst wird, d<strong>an</strong>n sollten diese Änderungen wieder <strong>in</strong> das<br />
Tr<strong>an</strong>saktionssystem zurück geschrieben werden. <strong>Die</strong>s geschieht nicht im<br />
SCEM-System selber, sondern abhängig von dem Unternehmen<br />
beispielsweise im Enterprise Ressource Pl<strong>an</strong>n<strong>in</strong>g System.<br />
• Measur<strong>in</strong>g: <strong>Die</strong>se Funktion enthält verschiedene Key Perform<strong>an</strong>ce<br />
Indicators, welche die Leistungsfähgigkeit der Lieferkette messen.<br />
In realen Implementierungen von SCEM s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zelnen Funktionen<br />
unterschiedlich stark ausgeprägt.<br />
Ver<strong>an</strong>twortungsbereich<br />
Level 3<br />
Ver<strong>an</strong>twortungsbereich<br />
Level 2<br />
Ver<strong>an</strong>twortungsbereich<br />
Level 1<br />
Toler<strong>an</strong>z<strong>in</strong>tervall<br />
i<br />
Toler<strong>an</strong>z<strong>in</strong>tervall<br />
j<br />
(mit j > i)<br />
KeZ 1 … KeZ n<br />
KeZ….Kennzahl<br />
Abbildung 6: Entlastung höherer Führungsebenen durch SCM 94<br />
<strong>Die</strong> Zielsetzung von SCEM ist auch e<strong>in</strong>e Entlastung der oberen<br />
Entscheidungsträger durch die Umsetzung des Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zips. Abbildung 6<br />
zeigt, wie auftretende Events immer auf unmittelbar betroffenen Hierachieebene<br />
gelöst werden sollen. Falls ke<strong>in</strong>e Lösung auf dieser Ebene möglich ist, wird der<br />
Event sol<strong>an</strong>ge nach oben weitergereicht, bis e<strong>in</strong> Hierachieniveau erreicht wird, das<br />
ausreichend Kompetenzen besitzt. 95<br />
94 In Anlehnung <strong>an</strong> STÖLZLE/KARRER (2004) S. 136.<br />
95 STÖLZLE (2004) S. 505.
34<br />
3 Datenerfassung durch Barcode und RFID<br />
Kapitel 3<br />
Aus der Sicht des Informatikers ist <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> nichts<br />
<strong>an</strong>deres als e<strong>in</strong> Datensatz, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em IT-System gespeichert ist. Damit<br />
<strong>Visibilität</strong> entstehen k<strong>an</strong>n, gibt es unterschiedliche Formen der Datene<strong>in</strong>gabe,<br />
welche unterschiedlich stark automatisiert s<strong>in</strong>d. Das Spektrum reicht von der<br />
m<strong>an</strong>uellen Datene<strong>in</strong>gabe über Barcode-Sc<strong>an</strong>n<strong>in</strong>g bis zur RFID-Auslesung. Wie im<br />
Folgenden gezeigt wird, besitzt RFID mehr Freiheitsgrade als der Barcode und<br />
k<strong>an</strong>n für komplexere Aufgaben e<strong>in</strong>gesetzt werden. Dabei gibt es große<br />
Unterschiede zwischen den <strong>an</strong>gebotenen RFID-Systemen. E<strong>in</strong> wichtiges<br />
Unterscheidungsmerkmal ist der verwendete Frequenzbereich.<br />
Damit die RFID-Technologie br<strong>an</strong>chenübergreifend e<strong>in</strong>gesetzt werden k<strong>an</strong>n, s<strong>in</strong>d<br />
entsprechende St<strong>an</strong>dards notwendig. <strong>Die</strong> Spezifikationen der RFID-<br />
St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation EPCglobal <strong>in</strong>tegrieren bestehende St<strong>an</strong>dards zur<br />
Identifikation von logistischen Objekten, u. a. das weit verbreitete EAN.UCC<br />
System.<br />
3.1 <strong>Der</strong> Barcode als etablierte Erfassungstechnologie<br />
Ebenso wie RFID ist der Barcode e<strong>in</strong>e Identifikationstechnologie. Mit Hilfe e<strong>in</strong>es<br />
Lesegeräts können Identifikationssysteme passierende Güter automatisch<br />
erkennen. <strong>Die</strong> relev<strong>an</strong>ten Daten werden direkt ohne die Verwendung e<strong>in</strong>er<br />
Tastatur erhoben, wodurch sich E<strong>in</strong>gabefehler und m<strong>an</strong>uelle Arbeitsschritte<br />
reduzieren. Abbildung 7 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über die wichtigsten Systeme. Je<br />
nach Anforderung und E<strong>in</strong>satzgebiet werden unterschiedliche Arten von<br />
Identifikationssystemen verwendet. <strong>Die</strong> heute am weitesten verbreitete<br />
Identifikationstechnologie ist der Barcode. 96 Sie k<strong>an</strong>n als Vorläufertechnologie zu<br />
RFID gesehen werden, dessen Bedeutung <strong>in</strong> den kommenden Jahren<br />
erwartungsgemäß steigen wird.<br />
<strong>Der</strong> Begriff Auto-ID steht für automatische Identifikation und wird im Rahmen<br />
dieser Arbeit synonym zu Identifikationssystem verwendet. 97 Dabei lassen sich <strong>in</strong><br />
der Literatur unterschiedliche Def<strong>in</strong>itionen f<strong>in</strong>den. McFARLANE/SHEFFI fassen<br />
96 Vgl. BRETZKE/STÖLZLE et al. (2003) S. 17.<br />
97 Vgl. FINKENZELLER (2002) S. 2.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 35<br />
den Begriff beispielsweise sehr weit und subsumieren unter Auto-ID u. a.<br />
Technologien zur Produktidentifikation <strong>in</strong> der Konsumgüter<strong>in</strong>dustrie,<br />
Zug<strong>an</strong>gssysteme mit Swipe Card und satellitengestützte Positionierung für<br />
LKW. 98<br />
Chip-Karten<br />
Optical Character<br />
Recognition<br />
Identifikationssysteme<br />
Barcode RFID<br />
Biometrie<br />
Abbildung 7: Übersicht der wichtigsten Auto-ID Systeme 99<br />
<strong>Der</strong> Barcode wird seit ca. 30 Jahren <strong>in</strong> verschiedenen kommerziellen<br />
Anwendungen e<strong>in</strong>gesetzt. 100 Er „ist e<strong>in</strong> B<strong>in</strong>ärcode aus e<strong>in</strong>em Feld von parallel<br />
<strong>an</strong>geordneten Strichen (engl. bars) und Trennlücken. <strong>Die</strong>se s<strong>in</strong>d nach e<strong>in</strong>em<br />
vorbestimmten Bild <strong>an</strong>geordnet und stellen Elemente von Daten dar, die auf e<strong>in</strong><br />
zugehöriges Zeichen verweisen. <strong>Die</strong> Sequenz aus breiten und schmalen Strichen<br />
bzw. Lücken k<strong>an</strong>n numerisch oder alph<strong>an</strong>umerisch <strong>in</strong>terpretiert werden. <strong>Die</strong><br />
Ablesung geschieht durch optische Laserabtastung, d.h. durch die unterschiedliche<br />
Reflexion e<strong>in</strong>es Laserstrahles <strong>an</strong> den schwarzen Strichen und weißen Lücken.“ 101<br />
Heute existieren mehr als 200 verschiedene Barcode-Symbologien, welche jeweils<br />
eigene Regeln für Zeichen, Codierung, Fehlerkorrektur und Druck besitzen.<br />
E<strong>in</strong>ige können nur e<strong>in</strong>e Identifikationsnummer speichern, mit deren Hilfe auf<br />
98 McFARLANE/SHEFFI (2003).<br />
99 In Anlehnung <strong>an</strong> FINKENZELLER (2002) S. 2.<br />
100 http://www.aimglobal.org/technologies/barcode, Zugriff am 30.08.2005.<br />
101 FINKENZELLER (2002) S. 2.
36<br />
Kapitel 3<br />
Stammdaten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Server zugegriffen wird. Andere können<br />
Verarbeitungsdaten direkt im Code speichern. 102<br />
Grundsätzlich lassen sich Barcode-Symbologien <strong>in</strong> zwei Klassen aufteilen:<br />
e<strong>in</strong>dimensionale (l<strong>in</strong>eare) und zweidimensionale Barcodes. <strong>Die</strong> 2D-Barcodes s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung der l<strong>in</strong>earen Codes und aus dem Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er<br />
höheren Datendichte entst<strong>an</strong>den. Abbildung 8 gibt e<strong>in</strong>ige Beispiele für l<strong>in</strong>eare und<br />
zweidimensionale Barcodes.<br />
Abbildung 8: E<strong>in</strong>- und zweidimensionale Barcode-Symbologien 103<br />
<strong>Der</strong> mit Abst<strong>an</strong>d am weitesten verbreitete Barcode ist EAN 13, der 1976 speziell<br />
für den E<strong>in</strong>satz im Lebensmittelh<strong>an</strong>del konzipiert wurde. Er ist e<strong>in</strong>e<br />
Weiterentwicklung des bereits 1973 <strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>geführten UPC (Universal<br />
Product Code). UPC ist mit EAN kompatibel. Heute werden geme<strong>in</strong>same<br />
Barcode-St<strong>an</strong>dards für Amerika und Europa <strong>in</strong> dem EAN.UCC Identifikations-<br />
und Nummerierungssystem geführt. 104<br />
Abbildung 9: <strong>Der</strong> EAN 13 Barcode<br />
In e<strong>in</strong>er aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und <strong>Logistik</strong><br />
mussten die befragten Unternehmen aus ihrer Sicht die Stärken und Schwächen<br />
102 http://www.aimglobal.org/technologies/barcode, Zugriff am 30.08.2005.<br />
103 http://www.aimglobal.org, Zugriff am 30.08.2005.<br />
104 FINKENZELLER (2002) S. 3.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 37<br />
von e<strong>in</strong>- und zweidimensionalen Barcodes sowie RFID gegene<strong>in</strong><strong>an</strong>der abwägen<br />
und bewerten (siehe Abbildung 10).<br />
Abbildung 10: Stärken und Schwächen von Auto-ID Technologien 105<br />
<strong>Die</strong> Auswertung zeigt, dass die Anwender von RFID höhere Freiheitsgrade als<br />
vom Barcode erwarten und gleichzeitig von höheren Kosten ausgehen. Häufig<br />
gen<strong>an</strong>nte Vorteile von RFID gegenüber dem Barcode s<strong>in</strong>d: 106<br />
• Auslesung ohne Sichtverb<strong>in</strong>dung möglich<br />
• Pulkauslesung möglich<br />
• Mehr Speicherplatz (z. T. wiederbeschreibbar)<br />
• Robustheit gegenüber Hitze und Feuchtigkeit<br />
105 IML (2004) S. 43.<br />
106 Vgl. STRASSNER (2005) S. 54ff.
38<br />
3.2 Grundlagen von Tr<strong>an</strong>spondern und RFID-Systemen<br />
Kapitel 3<br />
<strong>Die</strong> grundlegenden Elemente e<strong>in</strong>es RFID-Systems zum E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
s<strong>in</strong>d:<br />
• RFID-Tr<strong>an</strong>sponder befestigt <strong>an</strong> e<strong>in</strong>em Objekt<br />
• RFID-Lesegerät 107 zum Auslesen (und Beschreiben) der Tr<strong>an</strong>sponder<br />
• Computer Hard- und Software für die Datenverarbeiten<br />
Abbildung 11: Grundlegender Aufbau e<strong>in</strong>es RFID-Systems 108<br />
In Bezug auf den <strong>Visibilität</strong>sgrad gilt die grundlegende Regel, je mehr Lesegeräte<br />
<strong>in</strong>stalliert s<strong>in</strong>d und je mehr Tr<strong>an</strong>sponder zum E<strong>in</strong>satz kommen, desto größer wird<br />
der erreichte <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>.<br />
Das am <strong>Logistik</strong>objekt befestigte Element ist der Tr<strong>an</strong>sponder, welcher auch<br />
RFID-Tag oder RFID-Etikett gen<strong>an</strong>nt wird. <strong>Der</strong> Begriff Tr<strong>an</strong>sponder ist aus den<br />
englischen Wörtern Tr<strong>an</strong>smitter (Sender) und Responder (Antwortender)<br />
zusammengesetzt. 109 RFID steht für Radio Frequency Identification und somit<br />
s<strong>in</strong>d mit Tr<strong>an</strong>spondern im Rahmen dieser Arbeit nur solche geme<strong>in</strong>t, die auf Basis<br />
der Radiofrequenztechnologie kommunizieren. <strong>Die</strong> Wörter Tr<strong>an</strong>sponder und<br />
RFID-Tag werden synonym verwendet. Mit RFID-Etiketten s<strong>in</strong>d spezielle<br />
Tr<strong>an</strong>sponder geme<strong>in</strong>t, die wie herkömmliche Selbstklebeetiketten <strong>an</strong> e<strong>in</strong>em Objekt<br />
<strong>an</strong>gebracht werden können.<br />
107 <strong>Die</strong>se E<strong>in</strong>heit wird üblicherweise Lesegerät gen<strong>an</strong>nt, auch wenn sie die Tr<strong>an</strong>sponder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen<br />
nicht nur liest, sondern auch beschreibt.<br />
108 Auto-ID Center.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 39<br />
RFID-Tags besitzen <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e Antenne, um Informationen über e<strong>in</strong><br />
Lesegerät auszutauschen. D<strong>an</strong>n gibt es Tags mit und ohne Chips. Chipless Tags<br />
haben e<strong>in</strong>e vor<strong>in</strong>stallierte e<strong>in</strong>deutige Kennung und s<strong>in</strong>d wesentlich günstiger als<br />
Tags mit Chips. Dafür ist ihre Sendereichweite ger<strong>in</strong>ger. In der <strong>Logistik</strong> werden<br />
typischerweise Tags mit Chip e<strong>in</strong>gesetzt, wobei der Chip über e<strong>in</strong>e<br />
Speichere<strong>in</strong>heit und eventuell auch über e<strong>in</strong>e Steuerungse<strong>in</strong>heit verfügt. Optional<br />
<strong>in</strong>tegriert der Tr<strong>an</strong>sponder e<strong>in</strong>e Batterie oder e<strong>in</strong>e Sensore<strong>in</strong>heit. <strong>Die</strong> Bauweisen<br />
s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich. 110<br />
Frequenzen<br />
Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal für RFID-Systeme ist der<br />
Frequenzbereich, welcher für die Kommunikation zwischen dem Tag und der<br />
Lesee<strong>in</strong>heit verwendet wird. Praktikabel ist e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> vier Gruppen: 111<br />
• Low Frequency (LF): 134.2 KHz<br />
• High Frequency (HF): 8,2 MHz sowie 13,56 MHz<br />
• Ultrahigh Frequency (UHF): 433,92 MHz sowie<br />
869,0 MHz (Europa) und 915,0 MHz (USA)<br />
• Micro Wave (MW): 2,45 GHz und 5,8 GHz<br />
<strong>Die</strong> Wahl des passenden Frequenzbereichs hängt auch sehr stark von gesetzlichen<br />
Regelungen ab. Gerade im UHF-Bereich werden ähnliche Frequenzbänder auch<br />
von Mobiltelefonen, WLAN und Bluetooth verwendet. <strong>Die</strong> genutzten RFID-<br />
Frequenzbänder müssen von nationalen Behörden freigegeben werden und<br />
unterscheiden sich von L<strong>an</strong>d zu L<strong>an</strong>d. Sehr weit verbreitet ist aktuell das HF B<strong>an</strong>d<br />
13,56 MHz. Große Beachtung f<strong>in</strong>den auch die UHF Bänder 869 MHz (Europa)<br />
und 915 (USA). 112<br />
109 Vgl. http://searchmobilecomput<strong>in</strong>g.com, Zugriff am 12.09.2005.<br />
110 DAS (2003).<br />
111 BSI (2004) S. 29.<br />
112 FINKENZELLER (2002) S. 165ff.
40<br />
Speicher<br />
Kapitel 3<br />
Speicher, die auf den Chips der RFID-Tags e<strong>in</strong>gesetzt werden, lassen sich<br />
teilweise nur auslesen, teilweise s<strong>in</strong>d die Chips auch wiederbeschreibbar. Zwei<br />
Arten von Speicher s<strong>in</strong>d möglich: 113<br />
• Read-Only Memory<br />
<strong>Die</strong>se Speicher werden bei der Produktion e<strong>in</strong>mal beschrieben und können<br />
d<strong>an</strong>n nur gelesen werden. E<strong>in</strong>e nachträgliche Änderung der Daten ist nicht<br />
mehr möglich. Dafür s<strong>in</strong>d sie relativ günstig. E<strong>in</strong>e Vari<strong>an</strong>te s<strong>in</strong>d die write-<br />
once-read-only Speicher, welche sich am Beg<strong>in</strong>n der <strong>Logistik</strong>kette e<strong>in</strong>mal<br />
beschreiben lassen und d<strong>an</strong>n nur ausgelesen werden können.<br />
• Read-Write Memory<br />
<strong>Die</strong> Daten auf wiederbeschreibbaren Speichern können durch e<strong>in</strong> Lese-<br />
/Schreibgerät zu jederzeit verändert werden. Read-Write Speicher s<strong>in</strong>d<br />
dafür etwas teurer. Drei unterschiedliche Typen werden für Tr<strong>an</strong>sponder<br />
e<strong>in</strong>gesetzt:<br />
o RAM: R<strong>an</strong>dom Access Memory<br />
o EEPROM: Electrically Erasable Programmable Read-Only<br />
Memory<br />
o FRAM: Ferroelectric R<strong>an</strong>dom Access Memory<br />
Das Speichervolumen reicht von nur e<strong>in</strong>em Bit bis zu mehren Kilobyte. 114<br />
Energieversorgung<br />
<strong>Die</strong> Energieversorgung ist e<strong>in</strong> wichtiges Unterscheidungskriterium, weil sie sich<br />
stark auf die Reichweite, Lebensdauer und Baugröße der Tr<strong>an</strong>sponder auswirkt: 115<br />
• Passive RFID<br />
Passive Tr<strong>an</strong>sponder erhalten die benötigte Energie aus dem Feld des<br />
Lesegeräts. Sie besitzen ke<strong>in</strong>e eigene Energiequelle und haben e<strong>in</strong>e sehr<br />
l<strong>an</strong>ge Lebensdauer. <strong>Die</strong> fehlende Batterie ermöglicht sehr kle<strong>in</strong>e<br />
Baugrößen. <strong>Die</strong> Lesereichweiten s<strong>in</strong>d relativ kurz, können aber durch<br />
wohlüberlegte Antennendesigns ausgeglichen werden.<br />
113 FINKENZELLER (2002) S. 307ff.<br />
114 CHIESA et al. (2002) S. 9.<br />
115 CHIESA et al. (2002) S. 1-2.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 41<br />
• Aktive RFID<br />
<strong>Die</strong>se Tr<strong>an</strong>sponder werden durch e<strong>in</strong>e Batterie mit Energie versorgt. Sie<br />
können eigene, stärkere Signale senden und dadurch längere Funkdist<strong>an</strong>zen<br />
überw<strong>in</strong>den. In der Regel s<strong>in</strong>d sie teurer als passive Tags, bieten jedoch<br />
e<strong>in</strong>en größeren Funktionsumf<strong>an</strong>g. <strong>Die</strong> Batteriekapazität sowie die Anzahl<br />
der Zugriffe und die Umgebungstemperatur bestimmen ihre Lebensdauer.<br />
• Semi-passive bzw. semi-aktive RFID<br />
<strong>Die</strong> Datenübertragung wird bei semi-passiven Tags durch das Feld des<br />
Lesegeräts gespeist, identisch wie bei der Passivtechnologie. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
besitzt der Tr<strong>an</strong>sponder e<strong>in</strong>e Batterie, welche den Speicher des Chips mit<br />
Energie versorgt. <strong>Der</strong> Vorteil ist e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Energieverbrauch als bei der<br />
re<strong>in</strong>en Aktivtechnologie.<br />
Leistungsmerkmale<br />
Neben den Gestaltungsmerkmalen Frequenzbereich, Speicher und<br />
Energieversorgung, mit denen grundlegende Unterschiede <strong>in</strong> der Bauweise<br />
beschrieben werden können, s<strong>in</strong>d die Leistungsmerkmale entscheidungsrelev<strong>an</strong>t<br />
für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>. PFLAUM 116 hat relev<strong>an</strong>te<br />
Leistungsmerkmale für Tr<strong>an</strong>sponder herausgearbeitet (siehe Tabelle 2).<br />
Leistungsmerkmal Fragestellung<br />
Reichweite für Lesen und<br />
Schreiben<br />
Übertragungsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
beim Lesen und Schreiben<br />
Bei welcher Entfernung vom Lesegerät k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong><br />
Tag gelesen bzw. beschrieben werden?<br />
Wie schnell werden die Daten beim Lese- bzw.<br />
Schreibvorg<strong>an</strong>g übertragen?<br />
Materialdurchdr<strong>in</strong>gung Wie gut k<strong>an</strong>n der Tag gelesen werden, wenn er<br />
von Materialen wie Metall oder Flüssigkeit<br />
abgeschirmt wird?<br />
Relativgeschw<strong>in</strong>digkeit Wie schnell darf der Tr<strong>an</strong>sponder am Lesegerät<br />
116 PFLAUM (2001).<br />
vorbei geführt werden?
42<br />
Kapitel 3<br />
Energieverbrauch Wie viel Energie verbraucht der Tr<strong>an</strong>sponder im<br />
Ruhe- und im Lese-/Schreibzust<strong>an</strong>d?<br />
Lebensdauer W<strong>an</strong>n müssen Tr<strong>an</strong>sponder ausgetauscht<br />
werden?<br />
Temperaturbereich In welchem Temperaturbereich arbeitet der<br />
Antikollision -<br />
Pulklesefähigkeit<br />
Tr<strong>an</strong>sponder störungsfrei?<br />
Wie viele Tags können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Zeite<strong>in</strong>heit ausgelesen werden?<br />
Schreibgeschw<strong>in</strong>digkeit Wie schnell k<strong>an</strong>n der Speicher im RFID-Tag<br />
beschrieben werden?<br />
Anzahl der Schreibzyklen Wie oft k<strong>an</strong>n der Speicher überschrieben<br />
3.3 RFID-Frequenzbereiche<br />
3.3.1 Low Frequency<br />
werden?<br />
Tabelle 2: Leistungsmerkmale für Tr<strong>an</strong>sponder 117<br />
In dem Frequenzb<strong>an</strong>d 100 bis 150 kHz arbeitet die Low Frequency RFID-<br />
Technologie. <strong>Die</strong> üblichen Frequenzen s<strong>in</strong>d 125 und 134 kHz. Während<br />
augenblicklich starkes Wachstum vor allem im HF und im UHF Bereich erwartet<br />
wird, hat die Low Frequency Technologie e<strong>in</strong>en Massendurchbruch bereits<br />
geschafft und ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Anwendungen etabliert. <strong>Die</strong> Größen und Formen der<br />
Tr<strong>an</strong>sponder im LF-Bereich variieren sehr stark. Sie s<strong>in</strong>d beispielsweise als 2 cm<br />
l<strong>an</strong>ge Glaskapseln oder als Scheibe (Disk-Tag) mit e<strong>in</strong>em 3 bis 8 cm großen<br />
Durchmesser erhältlich. 118 Sie werden hauptsächlich passiv betrieben und erzielen<br />
Lesereichweiten von 20 cm bis 1,5 m. E<strong>in</strong>e Reichweite von 2 m wie im neuen<br />
HITAG S von Philips ist eher die Ausnahme. 119 Übliche Speicherkapazitäten<br />
reichen von 32 bis 2048 Bit. E<strong>in</strong> Richtwert für die zulässige<br />
117 In Anlehung <strong>an</strong> PFLAUM (2001) S. 104.<br />
118 Vgl. http://www.ti.com/rfid, Zugriff am 12.09.2005.<br />
119 http://www.semiconductors.philips.com/markets/identification/products/hitag/ic/<strong>in</strong>dex.html,<br />
Zugriff am 12.09.2005.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 43<br />
Umgebungstemperatur k<strong>an</strong>n mit -25 bis 85 °C <strong>an</strong>gegeben werden. Für die<br />
Pulkauslesung s<strong>in</strong>d LF-Tags weniger gut geeignet, weil die<br />
Lesegeschw<strong>in</strong>digkeiten eher l<strong>an</strong>gsam s<strong>in</strong>d und dadurch leicht Kollisionen<br />
entstehen. <strong>Die</strong> St<strong>an</strong>dardisierung ist mit entsprechenden ISO-Normen weit<br />
fortgeschritten, beispielsweise ISO 11784/85 für die Tieridentifikation. 120 E<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Vorteilen lassen sich für den LF-Bereich herausstellen: 121<br />
• Gute Funktionsfähigkeit <strong>in</strong> „rauen“ Umgebungen, z. B. extreme<br />
Temperaturen, E<strong>in</strong>satz von Chemikalien wie Waschmittel, harte<br />
Erschütterungen<br />
• Gute Durchdr<strong>in</strong>gung von Flüssigkeiten oder Lebewesen (Tier-<br />
identifikation)<br />
• E<strong>in</strong>fache Benutzung im metallischen Umfeld<br />
• Spezielle Bauformen e<strong>in</strong>fach möglich<br />
Den guten Durchdr<strong>in</strong>gungseigenschaften <strong>in</strong> Bezug auf Flüssigkeit und Metall<br />
stehen jedoch elektromagnetische Störungen mit tiefen Frequenzen als Nachteil<br />
gegenüber. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz im <strong>in</strong>dustriellen Umfeld k<strong>an</strong>n deshalb scheitern, weil<br />
Interferenzen von Beleuchtungen, Schweißarbeiten oder Motoren ausgehen. 122<br />
Typische Anwendungen<br />
Wegfahrsperren, Zutrittskontrollen und Tieridentifikation s<strong>in</strong>d typische<br />
Anwendungen im LF Bereich. Automatische Wegfahrsperren werden heute<br />
st<strong>an</strong>dardmäßig <strong>in</strong> Automobilen e<strong>in</strong>gebaut. Nach Angaben der Firma Texas<br />
Instruments, die solche Systeme seit 1993 <strong>an</strong>bietet, konnten Autodiebstähle<br />
dadurch bis zu 90% reduziert werden. 123 Dazu ist im Zündschlüssel e<strong>in</strong> LF<br />
Tr<strong>an</strong>sponder e<strong>in</strong>gebaut, der vor dem Start von e<strong>in</strong>em Lesegerät im Auto verifiziert<br />
wird. Erst d<strong>an</strong>ach lässt sich der Motor starten. 124<br />
Bei der Zutrittkontrolle ist der Tr<strong>an</strong>sponder meistens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Swipe Card oder <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Art Schlüssel<strong>an</strong>hänger <strong>in</strong>tegriert. Entweder hält der Benutzer den<br />
120 http://www.iso.org, weitere LF St<strong>an</strong>dards s<strong>in</strong>d ISO 14223 und ISO 18000-2, Zugriff am 12.09.2005.<br />
121 Vgl. CANTALINI (2003).<br />
122 Vgl. http://www.rfid.org, Zugriff am 05.09.2005.<br />
123 http://www.ti.com/tiris/docs/applications/auto/autoApp.shtml, Zugriff am 01.09.2005.<br />
124 http://www.ti.com/tiris/docs/applications/auto/immobilization.shtml, Zugriff am 01.09.2005.
44<br />
Kapitel 3<br />
Tr<strong>an</strong>sponder direkt vor das Lesegerät, worauf er Zutritt erhält, oder er muss den<br />
Leser zuerst aktiveren, z.B. durch e<strong>in</strong>e Lichtschr<strong>an</strong>ke. 125<br />
<strong>Der</strong> E<strong>in</strong>satz von LF-Tr<strong>an</strong>spondern verbessert die Tierhaltung. Für jedes Tier wird<br />
gespeichert, wo es geboren und wo es aufgewachsen ist. Auf gesonderten<br />
Bereichen werden wirtschaftliche Daten, wie der Verkauf des Tieres vom Züchter<br />
zum Mäster, und tierärztliche Daten wie Impfungen und Erkr<strong>an</strong>kungen<br />
gespeichert. <strong>Die</strong> Tr<strong>an</strong>sponder können <strong>an</strong> unterschiedlichen Stellen am Tier<br />
<strong>an</strong>gebracht werden. 126 Glastr<strong>an</strong>sponder, die gegen Flüssigkeit und Chemikalien<br />
geschützt s<strong>in</strong>d, werden <strong>an</strong> den Hufen befestigt. Plastiktr<strong>an</strong>sponder lassen sich bei<br />
R<strong>in</strong>dern <strong>an</strong>s Ohr klemmen oder bei Geflügel um die Be<strong>in</strong>e. 127<br />
E<strong>in</strong>e Anwendung, die <strong>in</strong> jüngster Zeit <strong>an</strong> Bedeutung gew<strong>in</strong>nt, ist der E<strong>in</strong>satz von<br />
LF Tags <strong>in</strong> der Getränke<strong>in</strong>dustrie, speziell für die Verfolgung von Bierfässern. <strong>Die</strong><br />
schwierigen Umgebungsbed<strong>in</strong>gung mit <strong>in</strong>tensiven Waschvorgängen, Abfüllungen<br />
und Tr<strong>an</strong>sporten s<strong>in</strong>d im LF B<strong>an</strong>d unproblematisch. Wegen des geschlossenen<br />
Behälterkreislaufs und der Wiederverwendung der Tags fallen die hohen<br />
Tr<strong>an</strong>sponderpreise auch weniger <strong>in</strong>s Gewicht. 128<br />
3.3.2 High Frequency<br />
<strong>Die</strong> <strong>in</strong>ternational am weitesten st<strong>an</strong>dardisierte Frequenz im HF Bereich ist 13,56<br />
MHz. <strong>Die</strong> Daten-, Übertragungs- und Antikollisionsprotokolle sowie die<br />
physischen Eigenschaften s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ISO-St<strong>an</strong>dards festgehalten. 129 EPCglobal hat<br />
die Spezifikation EPC Class 1 für 13,56 MHz herausgegeben. 130 D<strong>an</strong>eben gibt es<br />
e<strong>in</strong>e Reihe herstellerspezifischer Protokolle.<br />
Während LF Tr<strong>an</strong>sponder als feste Gehäuse gefertigt werden, ermöglicht die<br />
passive HF Technologie e<strong>in</strong>e Produktion als RFID-Etikett. In e<strong>in</strong>em<br />
herkömmlichen Selbstklebeetikett wird e<strong>in</strong> RFID-Inlay e<strong>in</strong>gearbeitet, das die<br />
wesentlichen Komponenten, also den Chip und die Antenne, enthält. <strong>Die</strong> RFID-<br />
125 Vgl. http://www.ti.com/rfid, Zugriff am 05.09.2005.<br />
126 http://www.semiconductors.philips.com/markets/identification/articles/success/s92/<br />
Zugriff am 01.09.2005.<br />
127 http://www.ti.com/tiris/docs/applications/<strong>an</strong>imal/livestock.shtml, Zugriff am 01.09.2005.<br />
128 MONTGOMERY (2003).<br />
129 ISO 15693, ISO 14443 und ISO 18000-3, http://www.iso.org, Zugriff am 02.09.2005.<br />
130 AUTO-ID CENTER (2003).
Datenerfassung durch Barcode und RFID 45<br />
Etiketten werden auch als Smart Label bezeichnet und können mit e<strong>in</strong>er Höhe von<br />
unter e<strong>in</strong>em halben Millimeter sehr dünn gefertigt werden. 131 <strong>Der</strong> Vorteil dieser<br />
Bauweise ist, dass die Tr<strong>an</strong>sponder ähnlich wie Barcodes <strong>an</strong> sämtliche Waren,<br />
Materialien und logistische E<strong>in</strong>heiten geklebt werden können. Zudem ist es<br />
möglich die RFID-Etiketten mit Klartext und Barcodes zu bedrucken.<br />
In e<strong>in</strong>er Umstellungsphase vom Barcode zu RFID muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
<strong>Logistik</strong>netzwerk die komplette Lese<strong>in</strong>frastruktur ausgetauscht werden. Deshalb<br />
laufen <strong>in</strong> vielen Fällen für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit beide Systeme parallel. 132 Mit<br />
Etiketten, die sowohl e<strong>in</strong>en Barcode als auch e<strong>in</strong>en Tr<strong>an</strong>sponder enthalten, können<br />
solche Phasen leicht überbrückt werden.<br />
Wegen der höheren Absatzzahlen von HF Tr<strong>an</strong>spondern liegen sie preislich weit<br />
unter den LF Tags. E<strong>in</strong> HF Tr<strong>an</strong>sponder kostet <strong>in</strong> etwa halb soviel wie e<strong>in</strong><br />
vergleichbarer LF Tag. Weiterh<strong>in</strong> haben HF Tr<strong>an</strong>sponder bessere<br />
Lesereichweiten, <strong>in</strong>sbesondere wenn es um kle<strong>in</strong>e Bauformen geht. E<strong>in</strong><br />
entscheidender Vorteil ist die bessere Antikollisionsfähigkeit. HF Etiketten eignen<br />
sich gut für Pulkauslesungen, wobei die Pulk-Fähigkeit immer noch sehr stark von<br />
der Positionierung und Ausrichtung der e<strong>in</strong>zelnen Artikel auf e<strong>in</strong>er Palette<br />
abhängen. Mit entsprechendem Design-Aufw<strong>an</strong>d ist es auf dem HF B<strong>an</strong>d auch<br />
möglich <strong>in</strong> Bezug auf die Temperaturbeständigkeit, die Materialdurchdr<strong>in</strong>gung<br />
und die Robustheit ähnliche Eigenschaft wie bei LF Tags zu erreichen.<br />
Typische Anwendungen<br />
Grundsätzlich lassen sich HF Tags auch für Zutrittskontrolle, Wegfahrsperren<br />
sowie zur Tieridentifikation e<strong>in</strong>setzen. Wegen des günstigeren Preises haben HF<br />
Tags das Potenzial, die LF Technologie teilweise aus diesen Anwendungen zu<br />
verdrängen. E<strong>in</strong>e HF Anwendung, die sich immer weiter ausbreitet, ist der E<strong>in</strong>satz<br />
von RFID <strong>in</strong> Bibliotheken. Jedes Buch oder Medium wird mit e<strong>in</strong>em Tr<strong>an</strong>sponder<br />
bestückt, wodurch e<strong>in</strong>e separate <strong>Die</strong>bstahlsicherung nicht mehr nötig ist und der<br />
Ausleihprozess vere<strong>in</strong>facht wird. <strong>Die</strong> vatik<strong>an</strong>ische Bibliothek bestückt derzeit<br />
rund zwei Millionen Bücher und M<strong>an</strong>uskripte mit RFID-Etiketten. Es wird<br />
131 Vgl. FINKENZELLER (2002) S. 20f.<br />
132 Vgl. DAVENPORT/BROOKS (2004).
46<br />
Kapitel 3<br />
erhofft, dass die Inventurzeit von bisher e<strong>in</strong>em Monat auf e<strong>in</strong>en halben Tag<br />
reduziert werden k<strong>an</strong>n, wodurch die Bibliothek länger geöffnet bleiben k<strong>an</strong>n. 133<br />
Auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen Anwendungen f<strong>in</strong>det die HF Technologie zunehmend<br />
Verwendung. So hat der Automobilehersteller Toyota im Werk <strong>in</strong> <strong>Der</strong>by,<br />
Großbrit<strong>an</strong>nien, HF Tags im E<strong>in</strong>satz. <strong>Die</strong> Inlays s<strong>in</strong>d dabei nicht <strong>in</strong> Etiketten<br />
e<strong>in</strong>gelassen, sondern bef<strong>in</strong>den sich als aktive Tags <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hitzebeständigen<br />
Gehäuse. 134 <strong>Die</strong> kompletten Tr<strong>an</strong>sponder werden <strong>an</strong> Tragegestellen befestigt, auf<br />
denen Karosserieteile durch die Lackiererei befördert werden. Dabei müssen die<br />
Geräte Temperaturen von bis zu 178 °C aushalten. Insgesamt s<strong>in</strong>d 39 fixe<br />
Lesegeräte entl<strong>an</strong>g der Lackiererei <strong>in</strong>stalliert, die den Prozessablauf steuern. Bei<br />
Fehlern und unerwarteten Änderungen können die Mitarbeiter mit H<strong>an</strong>dheldgräten<br />
jederzeit die Daten auf dem Tag <strong>an</strong>passen. 135 <strong>Die</strong>se Anwendung macht e<strong>in</strong>ige<br />
Vorteile gegenüber dem Barcode deutlich: Tr<strong>an</strong>sponder funktionieren unter<br />
extremen äußeren Bed<strong>in</strong>gungen und können immer wieder neu beschrieben<br />
werden. Durch den geschlossenen Behälterkreislauf lassen sich die<br />
Anf<strong>an</strong>gs<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> die aktiven Tags über deren Lebensdauer abschreiben.<br />
3.3.3 Ultrahigh Frequency<br />
<strong>Der</strong> E<strong>in</strong>satz von RFID im UHF Bereich ist erst seit kurzem möglich. RFID<br />
konkurriert auf diesem B<strong>an</strong>d mit etablierten Anwendungen, wie Mobiltelefonie,<br />
schnurlose Telefone oder Funkdienste. Für die Freigabe der e<strong>in</strong>zelnen Bänder s<strong>in</strong>d<br />
die jeweiligen Länder ver<strong>an</strong>twortlich. E<strong>in</strong>e weltweit etablierte RFID-Frequenz ist<br />
433,92 MHz und wird häufig bei Anwendungen mit aktiven Tr<strong>an</strong>spondern<br />
verwendet. <strong>Die</strong> passive Technologie wird eher auf höheren Frequenzen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
In Europa ist dafür die Frequenz 869 MHz reserviert und <strong>in</strong> den USA, K<strong>an</strong>ada und<br />
Australien werden 915 MHz verwendet, die <strong>in</strong> Europa für RFID nicht verfügbar<br />
s<strong>in</strong>d. 136 Jap<strong>an</strong> hat die B<strong>an</strong>dbreite von 950 bis 956 MHz seit jüngstem<br />
freigegeben. 137<br />
133 http://www.heise.de, Meldung vom 08.07.2004: RFID im Vatik<strong>an</strong>.<br />
134 http://www.datasc<strong>an</strong>systems.com/applications/toyota_pa<strong>in</strong>tshop.html, Zugriff am: 01.09.2005.<br />
135 http://www.semiconductors.philips.com/markets/identification/articles/success/s73/<br />
Zugriff am: 01.09.2005.<br />
136 FINKENZELLER (2002) S. 169f.<br />
137 http://www.rfidjournal.com, Meldung vom 30.06.2003: Jap<strong>an</strong> Opens Up UHF for RFID Use.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 47<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten St<strong>an</strong>dards für UHF s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en die ISO 18000-6<br />
Bestimmungen, die das Luftprotokoll regeln und die im Sommer 2004<br />
herausgegeben wurden. Zum <strong>an</strong>deren s<strong>in</strong>d die von EPCglobal beschlossenen<br />
St<strong>an</strong>dards <strong>in</strong>sbesondere für die Konsumgüterwirtschaft von großer Bedeutung.<br />
<strong>Der</strong> Class-1 Generation-2 UHF RFID-St<strong>an</strong>dard gilt für das Frequenzb<strong>an</strong>d 860 -<br />
960 MHz und soll weltweit e<strong>in</strong>gesetzt werden. EPCglobal stellt die m<strong>in</strong>imalen<br />
Features dieser passiven Tr<strong>an</strong>sponder heraus: 138<br />
• E<strong>in</strong>en Electronic Product Code (EPC) Identifier<br />
• E<strong>in</strong>en Tag Identifier (TID)<br />
• E<strong>in</strong>e „Kill“ Funktion, die den Tag dauerhaft deaktiviert<br />
• Optionale passwortgesteuerte Zugriffskontrolle<br />
• Optionaler Speicherplatz für die Benutzer<br />
<strong>Die</strong> UHF Tr<strong>an</strong>sponder besitzen e<strong>in</strong>e längere Reichweite als die HF Tags. Übliche<br />
Lesereichweiten s<strong>in</strong>d bei passiven Tags drei bis zehn Meter, wobei die Reichweite<br />
sehr stark von der Leistung des Lesegeräts abhängt. In Europa s<strong>in</strong>d seit Anf<strong>an</strong>g<br />
2005 2 Watt Sendeleistung erlaubt, <strong>in</strong> den USA s<strong>in</strong>d es sogar 4 Watt. 139 Weiterh<strong>in</strong><br />
haben UHF Tags e<strong>in</strong>e sehr gute Pulklesefähigkeit. Bis etwa 70 Tags können <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Sekunde ausgelesen werden. 140 Dabei s<strong>in</strong>d diese Kennzahlen sehr stark von<br />
der übertragenen Datenmenge abhängig.<br />
Im Gegenzug können Probleme bei kurzen Lesedist<strong>an</strong>zen auftreten und auch die<br />
Durchdr<strong>in</strong>gung von Metall und Flüssigkeit ist noch nicht so gut wie bei HF und<br />
LF. 141 <strong>Die</strong> typische Bauform von passiven UHF Tr<strong>an</strong>spondern s<strong>in</strong>d<br />
Selbstklebeetiketten. Häufig s<strong>in</strong>d sie größer als vergleichbare HF Etiketten, weil<br />
sie größere Antennen besitzen, mit denen sie allerd<strong>in</strong>gs auch längere Abstände<br />
überbrücken können. Mit dem Generation 2 St<strong>an</strong>dard von EPCglobal hat die<br />
technologische Entwicklung <strong>an</strong> Dynamik gewonnen, sodass sich die<br />
Leistungsmerkmale erwartungsgemäß steigern werden.<br />
138 EPCGLOBAL (2005b).<br />
139 http://www.ec<strong>in</strong>.de, Meldung vom 20.04.2005: RFID: Neue Eigenschaften eröffnen neue<br />
Möglichkeiten.<br />
140 STRASSNER (2005) S. 59.<br />
141 PTT (2004).
48<br />
Typische Anwendungen<br />
Kapitel 3<br />
Es bestehen Erwartungen, dass UHF die dom<strong>in</strong>ierende RFID-Frequenz wird, um<br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> zu schaffen. Moment<strong>an</strong> testen die weltweit<br />
größten Postverbände die Sendungsverfolgung mit UHF Tr<strong>an</strong>spondern. Innerhalb<br />
e<strong>in</strong>es siebenjährigen Zeitraums sollen zwischen 36 Ländern e<strong>in</strong>e halbe Millionen<br />
Testpakete und -briefe versendet werden. 142 Ebenso setzt die Metro AG als größter<br />
deutscher E<strong>in</strong>zelhändler und RFID-Vorreiter auf UHF. Im Rahmen des RFID-<br />
Roll-out kommt der EPC Class-1 Generation-2 St<strong>an</strong>dard zum E<strong>in</strong>satz. 143 Auch<br />
Wal-Mart als weltweit führender E<strong>in</strong>zelhändler will diesen Tr<strong>an</strong>sponder zu se<strong>in</strong>em<br />
St<strong>an</strong>dard machen. 144<br />
<strong>Die</strong> Luftfahrt<strong>in</strong>dustrie bereitet sich auch auf den E<strong>in</strong>satz von RFID vor. Bei den<br />
Herstellern Boe<strong>in</strong>g und Airbus geht es um die Wartung und den<br />
Echtheitsnachweis von Flugzeugteilen. 145 <strong>Die</strong> Gepäckabfertigung ist e<strong>in</strong> weiteres<br />
E<strong>in</strong>satzgebiet für RFID-Etiketten. 146 Für beide Anwendungen kommen die<br />
Frequenzbänder HF und UHF <strong>in</strong> Frage. Es wird auch von möglichen Interferenzen<br />
mit den elektronischen Geräten <strong>an</strong> Bord der Flugzeuge sowie von rechtlichen<br />
Bestimmungen abhängen, welches B<strong>an</strong>d sich letztendlich durchsetzt.<br />
3.3.4 Micro Waves<br />
<strong>Die</strong> typischen Bänder im Mikrowellenbereich s<strong>in</strong>d 2,45 und 5,8 GHz, wobei auch<br />
Frequenzen dazwischen denkbar s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Nachteil von 2,45 GHz ist, dass es zu<br />
Störungen durch <strong>an</strong>dere Funkaktivitäten wie drahtlose Computernetzwerke<br />
kommen k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong>s ist bei 5,8 GHz nicht möglich. 147 Insgesamt s<strong>in</strong>d die<br />
Bemühungen nach e<strong>in</strong>em weltweit e<strong>in</strong>heitlichen St<strong>an</strong>dard nicht vergleichbar mit<br />
dem aktuellen Status im HF und UHF Bereich. Es gibt zwar den ISO 18000-4<br />
142 COLLINS (2004a).<br />
143 METRO AG (2005).<br />
144 http://www.rfidjournal.com, Meldung vom 09.11.2003: Wal-Mart Opts for EPC Class 1, V2.<br />
145 http://www.computerwoche.de, Meldung vom 04.06.2004: Delta Airl<strong>in</strong>es testet RFID jetzt auch mit<br />
Masch<strong>in</strong>enteilen.<br />
146 COLLINS (2004b).<br />
147 GEIER (2000).
Datenerfassung durch Barcode und RFID 49<br />
St<strong>an</strong>dard für die Luftschnittstelle, 148 jedoch s<strong>in</strong>d Mikrowellenbänder für den<br />
RFID-E<strong>in</strong>satz nicht <strong>in</strong> jedem L<strong>an</strong>d freigegeben. 149<br />
<strong>Der</strong> größte Vorteil von MW s<strong>in</strong>d die sehr schnellen Leseraten. Dadurch werden<br />
die Speicher auf den Tr<strong>an</strong>spondern schneller ausgelesen und die Pulklesefähigkeit<br />
erhöht sich. Außerdem ist es möglich Objekte zu lesen, die das Lesegerät mit e<strong>in</strong>er<br />
hohen Geschw<strong>in</strong>digkeit passieren. Gerade die hohe Objektgeschw<strong>in</strong>digkeit hat die<br />
Verbreitung des MW-B<strong>an</strong>ds gefördert. Allerd<strong>in</strong>gs hat das B<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>e schlechte<br />
Materialdurchdr<strong>in</strong>gung, weshalb voll bestückte Paletten nur schwer im Pulk<br />
gelesen werden können. H<strong>in</strong>zu kommt, dass passive MW Tags mit zwei Metern<br />
e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Reichweite haben als vergleichbare UHF Tags. <strong>Die</strong> aktiven Tags<br />
s<strong>in</strong>d von ihren Eigenschaften e<strong>in</strong>schließlich der Lesereichweite den aktiven UHF<br />
Tags ähnlicher. Deshalb gibt es auch Tags, die sowohl auf UHF und MW<br />
kommunizieren können. 150<br />
Typische Anwendungen<br />
Auch mit MW Tags k<strong>an</strong>n die <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk erhöht werden. <strong>Die</strong><br />
Technologie kommt eher auf den höheren Ladungsträgerebenen wie Paletten,<br />
Conta<strong>in</strong>er oder Eisenbahnwagons zum E<strong>in</strong>satz. E<strong>in</strong>e typische Anwendung ist die<br />
Fahrzeugidentifikation, bei der die schnellere Objektgeschw<strong>in</strong>digkeit genutzt<br />
werden k<strong>an</strong>n. Neben der Zufahrtskontrolle ist die elektronische Maut weit<br />
verbreitet. In Europa ist der italienische Autobahnbetreiber Autostrada für se<strong>in</strong><br />
RFID-basiertes Mautsystem Telepass bek<strong>an</strong>nt. 151 In Florida können Autofahrer,<br />
das e-Pass-System der Firma Tr<strong>an</strong>score nutzen. <strong>Die</strong> e-Pass-L<strong>in</strong>ie k<strong>an</strong>n mehr als<br />
dreimal so viele Fahrzeuge abfertigen, wie Schalter mit Kassierer oder<br />
Münzautomat. 152 <strong>Die</strong> üblichen Frequenzen für die Mautabfertigung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
USA 900 MHz und 2,45 GHz. In Europa und <strong>an</strong>deren Ländern wird die 5,8 GHz<br />
Frequenz verstärkt e<strong>in</strong>gesetzt. 153<br />
148 http://www.iso.org, Zugriff am 02.09.2005.<br />
149 ENGELHARDT (2003).<br />
150 Z. B. von Philips der UCODE Tr<strong>an</strong>sponder, siehe: http://www.semiconductors.philips.com, Zugriff am<br />
06.10.2005.<br />
151 http://www.telepass.it/AutostradeETIWeb/<strong>in</strong>dexL.jsp, Zugriff am 02.11.2005.<br />
152 http://www.expresswayauthority.com/epass/statistics.html, Zugriff am 06.10.2005.<br />
153 D'HONT (2004).
50<br />
3.3.5 Zusammenfassung<br />
Kapitel 3<br />
Radio Frequency Identification ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>novatives Technologiefeld, <strong>in</strong> dem die<br />
technischen Möglichkeiten noch nicht „ausgereizt“ s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> <strong>an</strong>gebotenen<br />
Systeme unterscheiden sich stark <strong>in</strong> ihren Leistungsmerkmalen wie<br />
Lesereicheweite, Materialdurchdr<strong>in</strong>gung oder Pulklesefähigkeit. E<strong>in</strong> wichtiges<br />
Unterscheidungskriterium <strong>in</strong> Bezug auf die Bauweise der Tr<strong>an</strong>sponder ist der<br />
Frequenzbereich, <strong>in</strong>dem die Kommunikation mit dem Lesegerät stattf<strong>in</strong>det.<br />
Tabelle 3 stellt die wichtigsten Frequenzbänder im Vergleich dar.<br />
Typische<br />
Frequenzen<br />
Relev<strong>an</strong>te St<strong>an</strong>dards<br />
für Luftschnittstelle<br />
Reichweite<br />
Leseraten<br />
Aktiv<br />
Passiv<br />
Materialdurchdr<strong>in</strong>gung<br />
Beispiel<strong>an</strong>wendung<br />
Low Frequency<br />
2GHz<br />
2,45 GHz<br />
5,48 GHz<br />
k. A. bis 5 m über 10 m über 10 m<br />
Tieridentifikation<br />
ISO 15693<br />
ISO 14443<br />
ISO 18000-3<br />
EPC Class 1<br />
Bibliotheksautomatisation<br />
ISO 18000-6<br />
EPC Class 1 Gen 2<br />
ISO 18000-4<br />
bis 1,5 m bis 1,5 m bis 7 m (US), 5 m (Eur.) bis 2 m<br />
Tabelle 3: Relev<strong>an</strong>te Frequenzbereiche im Vergleich 154<br />
Palettenverfolgung Mauterfassung<br />
Für die Steigerung der <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk wird der nächste<br />
technologische Schub von der Passivtechnologie erwartet. Insbesondere das HF<br />
B<strong>an</strong>d 13,56 MHz und die UHF Bänder 869 MHz (Europa) und 915 MHz (USA)<br />
s<strong>in</strong>d für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong> freigehalten. Mit dem EPC Class 1<br />
Generation 2 St<strong>an</strong>dard, der Anf<strong>an</strong>g 2005 verabschiedet wurde, bestehen große<br />
Hoffungen auf e<strong>in</strong>en Durchbruch der UHF-Technologie. <strong>Die</strong>se Tr<strong>an</strong>sponder<br />
erzielen l<strong>an</strong>ge Lesereichweiten und lassen sich gut im Pulk auslesen. Durch den<br />
St<strong>an</strong>dard können sich Tag- und Reader-Hersteller auf die Kompatibilität verlassen<br />
154 Quelle: Eigene Darstellung <strong>in</strong> Anlehnung <strong>an</strong> STRASSNER (2005) S. 59, PFLAUM (2001) S. 138ff.<br />
und KERN (1999) S. 146.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 51<br />
und größere Produktionsmengen werden möglich, wodurch die<br />
Herstellungskosten s<strong>in</strong>ken.<br />
3.4 Datenst<strong>an</strong>dards und Nummerierungssysteme<br />
Globale St<strong>an</strong>dards können der RFID-Technologie zum Durchbruch verhelfen.<br />
Denn nur wenn sich Anwender auf St<strong>an</strong>dards verlassen können, s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> der<br />
Lage, RFID <strong>in</strong> offenen <strong>Logistik</strong>systemen zu nutzen. Während für das Hardware-<br />
Design die Luftschnittstelle wichtig ist, baut der Entwurf der Geschäftsprozesse<br />
auf st<strong>an</strong>dardisierten Datenstrukturen, Anwendungslogiken und Nummerierungs-<br />
systemen auf. Beim Barcode ist der wichtigste St<strong>an</strong>dard das EAN.UCC<br />
Identifikations- und Nummerierungssystem, welches <strong>in</strong> Europa und <strong>in</strong> den USA<br />
verbreitet ist. Das EAN.UCC-System wurde spezielle für die Bel<strong>an</strong>ge der<br />
Konsumgüterwirtschaft entwickelt. Auch bei RFID spielt die<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che e<strong>in</strong>e gewichtige Rolle, denn sie ist stark <strong>in</strong> der<br />
St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation EPCglobal vertreten, welche e<strong>in</strong>en neuen passiven<br />
UHF-St<strong>an</strong>dard EPC Class 1 Gen 2 vor kurzem verabschiedet hat. Dabei wird die<br />
Kompatibilität mit dem EAN-Nummerierungssystem sichergestellt.<br />
3.4.1 Das EAN.UCC System<br />
<strong>Der</strong> Ursprung des EAN.UCC Systems geht auf das Jahr 1974 zurück als sich<br />
Händler und Hersteller aus zwölf europäischen Ländern zusammengefunden<br />
haben, um e<strong>in</strong>en Barcode-St<strong>an</strong>dard zu verabschieden, der mit dem amerik<strong>an</strong>ischen<br />
UPC St<strong>an</strong>dard kompatible ist. Das System wurde Europe<strong>an</strong> Article Number<strong>in</strong>g,<br />
kurz EAN, gen<strong>an</strong>nt. Heute wird es unter dem Namen EAN.UCC 155 geführt und<br />
von der <strong>in</strong>ternationalen non-profit Org<strong>an</strong>isation GS1 betreut. <strong>Die</strong> Vision von GS1<br />
geht dabei über die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es weltweit e<strong>in</strong>heitlichen Barcode-St<strong>an</strong>dards<br />
h<strong>in</strong>aus. Auf der Basis von best-practices wird e<strong>in</strong> generisches Bus<strong>in</strong>ess Model<br />
erarbeitet, <strong>in</strong> dem die unternehmensübergreifenden Geschäftstr<strong>an</strong>saktionen<br />
effizient ablaufen. Für dieses Modell werden von GS1 technische St<strong>an</strong>dards<br />
entworfen. Konkret enthält das EAN.UCC System Spezifikationen für Barcodes,<br />
EDI Tr<strong>an</strong>saktionen, XML Schemata und „other supply cha<strong>in</strong> solutions for more<br />
efficient bus<strong>in</strong>ess.“ 156<br />
155 UCC steht für Uniform Code Council und ist das amerik<strong>an</strong>ische Pend<strong>an</strong>t zu EAN.<br />
156 http://www.e<strong>an</strong>-ucc.org, Zugriff am 06.10.2005.
52<br />
Kapitel 3<br />
<strong>Die</strong> GS1 Barcode-St<strong>an</strong>dards haben e<strong>in</strong>en großen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
St<strong>an</strong>dardisierungsbemühungen für RFID, weil die Anwender Kompatibilität<br />
zwischen den beiden Technologien sicherstellen wollen. Für den E<strong>in</strong>satz von<br />
Barcodes hat GS1 zunächst e<strong>in</strong> weltweit e<strong>in</strong>heitliches Nummernsystem def<strong>in</strong>iert.<br />
Dazu zählt die Global Trade Item Number (GTIN), mit der „H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heiten“<br />
(Produkte oder <strong>Die</strong>nstleistungen) identifiziert werden können, welche <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Lieferkette e<strong>in</strong>en Preis haben, bestellt oder verrechnet werden können. <strong>Die</strong><br />
wichtigste Vari<strong>an</strong>te ist GTIN-13 und besteht aus 13 Ziffern: 157<br />
• GS1 Comp<strong>an</strong>y Prefix - <strong>Die</strong>ser Teil der Nummer wird von der lokalen GS1<br />
Mitgliedsorg<strong>an</strong>isation herausgegeben und bezeichnet das Anwender-<br />
unternehmen.<br />
• Item Reference - <strong>Die</strong>ser Teil wird von dem Anwenderunternehmen<br />
def<strong>in</strong>iert und bezeichnet e<strong>in</strong>en bestimmten Artikel. Dabei werden für<br />
Produktvari<strong>an</strong>ten jeweils neue Nummern reserviert.<br />
• Prüfziffer - Durch die Prüfziffer wird die korrekte Auslesung des Barcodes<br />
sichergestellt.<br />
Weitere für die <strong>Logistik</strong> relev<strong>an</strong>te Nummern s<strong>in</strong>d der Serial Shipp<strong>in</strong>g Conta<strong>in</strong>er<br />
Code (SSCC), mit dem Sendungen e<strong>in</strong>deutig identifiziert werden können, und die<br />
Global Location Number (GLN), welche auf rechtliche E<strong>in</strong>heiten oder physische<br />
Orte verweist. Mit dem Application Identifier (AI) können der Kodierung weitere<br />
sem<strong>an</strong>tische Bedeutungen h<strong>in</strong>zugefügt werden. Beispielsweise steht der AI 410<br />
für „deliver to“. In Komb<strong>in</strong>ation mit der GLN k<strong>an</strong>n gespeichert werden, dass e<strong>in</strong><br />
gekennzeichnetes Objekt zu e<strong>in</strong>em bestimmten Ort geliefert werden muss.<br />
Neben der Verwaltung des Nummerierungssystems hat GS1 auch Barcode-<br />
Symbologien def<strong>in</strong>iert. <strong>Die</strong> Symbologie EAN-13 ist am weitesten verbreitet und<br />
wird zur Kodierung der GTIN-13 verwendet. <strong>Die</strong>ser Barcode wird üblicherweise<br />
auf die Verkaufse<strong>in</strong>heit für den Endkunden gedruckt und beim Kassiervorg<strong>an</strong>g im<br />
Laden (Po<strong>in</strong>t-of-Sale) e<strong>in</strong>gesc<strong>an</strong>nt. In der <strong>Logistik</strong> ist der EAN-128 bzw. GS1-128<br />
weit verbreitet, weil er die SSCC, AI, GLN und weitere Nummerierungen<br />
speichern k<strong>an</strong>n.<br />
157 http://www.gs1.org/<strong>in</strong>dex.php?http://www.e<strong>an</strong>-<strong>in</strong>t.org/model<strong>in</strong>g.html&2, Zugriff am 06.10.2005.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 53<br />
In den EAN.UCC Anwendungsfällen wird gezeigt, wie die St<strong>an</strong>dards im<br />
Geschäftsleben e<strong>in</strong>gesetzt werden. 158 Beispielsweise werden <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong><br />
Vers<strong>an</strong>de<strong>in</strong>heiten mit dem SSCC gekennzeichnet und d<strong>an</strong>n entl<strong>an</strong>g der Lieferkette<br />
immer wieder erfasst (Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g). In dem Kommunikationsst<strong>an</strong>dard<br />
EANCOM ist nun festgehalten wie der begleitende Informationsfluss aussieht.<br />
<strong>Die</strong>ser umfasst Bestellungen, Lieferavise, Empf<strong>an</strong>gsbestätigungen, Rechnungs-<br />
stellungen etc.<br />
<strong>Die</strong> vom EAN.UCC System unterstützten Geschäftspraktikenten sollen mit dem<br />
neuen RFID-St<strong>an</strong>dard fortgeführt werden.<br />
3.4.2 Das EPCglobal Netzwerk<br />
Im Jahre 1999 wurde am Massachusetts Institute of Technology (MIT) das Auto-<br />
ID Center als Forschungs<strong>in</strong>itiative gegründet. <strong>Die</strong> Vision des MIT war von<br />
Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> e<strong>in</strong> RFID basiertes „Internet der D<strong>in</strong>ge“ zu realisieren, <strong>in</strong> dem<br />
Informationen zu e<strong>in</strong>zelnen Objekten <strong>in</strong> der realen Welt über das weltweite<br />
Datennetz abgefragt werden können. Dazu wurden weltweite Kooperationen mit<br />
Forschungse<strong>in</strong>richtungen, u. a. mit den Universitäten Cambridge und St.Gallen,<br />
sowie mit Industriepartnern aufgebaut. Das Auto-ID Center hat se<strong>in</strong>e<br />
Forschungsarbeit Ende Oktober 2003 pl<strong>an</strong>ungsgemäß e<strong>in</strong>gestellt. <strong>Die</strong> Verbreitung<br />
und Weiterentwicklung der def<strong>in</strong>ierten St<strong>an</strong>dards wird von EPCglobal als<br />
Nachfolgeorg<strong>an</strong>isation wahrgenommen. EPCglobal ist e<strong>in</strong> Jo<strong>in</strong>t Venture des<br />
Uniform Code Council (UCC) und EAN International. <strong>Die</strong> non-profit<br />
Org<strong>an</strong>isation hat Mitte 2003 ihre Arbeit aufgenommen. <strong>Die</strong> am Auto-ID Center<br />
beteiligten Universitäten setzen ihre Forschungsarbeit als Auto-ID Labs fort.<br />
Org<strong>an</strong>isatorisch s<strong>in</strong>d sie EPCglobal <strong>an</strong>gegliedert.<br />
Aus der Vision des „Internet der D<strong>in</strong>ge“ ist nun das EPCglobal Network TM<br />
entst<strong>an</strong>den. „The EPCglobal Network is a method for us<strong>in</strong>g RFID technology <strong>in</strong><br />
the global supply cha<strong>in</strong> by us<strong>in</strong>g <strong>in</strong>expensive RFID tags <strong>an</strong>d readers to pass<br />
Electronic Product Code numbers, <strong>an</strong>d then leverag<strong>in</strong>g the Internet to access large<br />
amounts of associated <strong>in</strong>formation that c<strong>an</strong> be shared among authorized users.“ 159<br />
<strong>Die</strong> fünf zentralen Elemente des EPC Netzwerks s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tabelle 4 dargestellt.<br />
158 http://www.gs1.org/<strong>in</strong>dex.php?http://www.e<strong>an</strong>-<strong>in</strong>t.org/model<strong>in</strong>g.html&2, Zugriff am 06.10.2005.<br />
159 EPCGLOBAL (2004) S. 5.
54<br />
Electronic Product<br />
Code (EPC)<br />
ID System<br />
EPC Middleware<br />
Discovery Services<br />
EPC Information<br />
Services (EPC IS)<br />
Kapitel 3<br />
E<strong>in</strong>e weltweit e<strong>in</strong>deutige Nummer, mit der bewegliche<br />
Objekte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Lieferkette erfasst werden können.<br />
Das ID System besteht aus EPC Tags und Lesegeräten.<br />
EPC Tags s<strong>in</strong>d Tr<strong>an</strong>sponder im EPC St<strong>an</strong>dard, z. B. EPC<br />
Class 1 Gen 2. <strong>Die</strong> entsprechenden Lesegeräte leiten die<br />
ausgelesenen Informationen über e<strong>in</strong>e Middleware <strong>an</strong><br />
höhere Informationssysteme weiter.<br />
<strong>Die</strong> EPC Middleware steuert den Lesevorg<strong>an</strong>g der<br />
Tr<strong>an</strong>sponder, kreiert Events und m<strong>an</strong>agt die<br />
Kommunikation mit den EPC Information Services und<br />
den im Unternehmen bestehenden Informationssystemen.<br />
EPC entwickelt Schnittstellenst<strong>an</strong>dards für den<br />
Datenaustausch zwischen Lesegeräten und den höheren<br />
Informationssystemen.<br />
EPC hat e<strong>in</strong>e Reihe von Services def<strong>in</strong>iert, mit denen der<br />
Zugriff auf EPC basierte Daten im Internet möglich ist.<br />
E<strong>in</strong>er dieser <strong>Die</strong>nste ist der Object Nam<strong>in</strong>g Service<br />
(ONS).<br />
Daten, die im EPC Network entstehen, können von den<br />
Anwendern über EPC IS ausgetauscht werden.<br />
Tabelle 4: <strong>Die</strong> fünf zentralen Elemente des EPC Network 160<br />
Das „Herzstück“ des EPC Netzwerks ist der Electronic Product Code (EPC). Da<br />
die Vision h<strong>in</strong>ter dem EPC Netzwerk das „Internet der D<strong>in</strong>ge“ ist, lässt sich e<strong>in</strong>e<br />
Analogie zu e<strong>in</strong>er der erfolgreichsten Internet<strong>an</strong>wendungen ziehen, dem World<br />
Wide Web (WWW). E<strong>in</strong>e wichtige Erfolgsgrundlage des WWW ist, dass jede<br />
Webseite weltweit e<strong>in</strong>deutig identifiziert werden k<strong>an</strong>n. Dafür wurde der Universal<br />
Resource Locator (URL) def<strong>in</strong>iert, der hierarchisch aufgebaut ist und von den<br />
Anwendern auch als Web-Adresse bezeichnet wird. 161 <strong>Der</strong> weltweite Zugriff auf<br />
frei strukturierte und gestaltete Web-Sites ist nur möglich, weil die Vergabe der<br />
Web-Adresse, genau genommen der Doma<strong>in</strong>-Namen, sehr strikt geh<strong>an</strong>dhabt wird<br />
160 In Anlehnung <strong>an</strong> EPCGLOBAL (2004) S. 5.<br />
161 DITTMANN/THIESSE (2005) S. 31.
Datenerfassung durch Barcode und RFID 55<br />
und auf e<strong>in</strong>e zentrale Stelle zuläuft. Das Vorgehen bei EAN.UCC geht im Übrigen<br />
<strong>in</strong> die gleiche Richtung. Weil genau def<strong>in</strong>ierte Nummern-Bereiche <strong>an</strong> die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Mitgliederorg<strong>an</strong>isationen von e<strong>in</strong>er zentralen Stelle herausgegeben<br />
werden, gibt es ke<strong>in</strong>e identischen GTINs für unterschiedliche Produkte.<br />
<strong>Der</strong> EPC wird auf dem Chip des Tr<strong>an</strong>sponders gespeichert, der am Produkt bzw.<br />
am logistischen Objekt befestigt wird. Dabei ist der EPC als e<strong>in</strong> Nummernformat<br />
mit e<strong>in</strong>er Länge von 96 Bit zu verstehen, 162 d. h. auf e<strong>in</strong>em Tr<strong>an</strong>sponder des<br />
St<strong>an</strong>dards EPC Class 1 Gen 2 s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jedem Fall 96 Bit Speicher für den EPC<br />
Code frei. Hersteller von EPC Tags können sicher gehen, dass ihre Tags für EPC<br />
Anwendungen verwendet werden können.<br />
Bei der Interpretation der 96 Bit l<strong>an</strong>gen Nummer lässt EPC unterschiedliche<br />
Identitätstypen zu. 163 <strong>Der</strong> Grundtyp ist der General Identifier (GID-96), der von<br />
EPC selbst entworfen wurde (siehe Tabelle 5).<br />
Feldname Header General M<strong>an</strong>ager Object Class Serial Number<br />
Anzahl Bits 8 28 24 36<br />
Tabelle 5: Aufteilung des General Identifier (GID-96)<br />
• <strong>Der</strong> Header zeigt <strong>an</strong>, welcher Identitätstyp verwendet wird. <strong>Die</strong> Bitfolge<br />
0011 0101 steht für den GID-96.<br />
• <strong>Der</strong> General M<strong>an</strong>ager ist die Org<strong>an</strong>isation, die unterschiedliche<br />
Objektklassen mit RFID-Tags ausrüsten möchte. In der Regel ist es e<strong>in</strong><br />
Unternehmen, das Objektklassen (z.B. Produkte) mit RFID-Tags verfolgen<br />
möchte.<br />
• Mit Object Class wird die Art e<strong>in</strong>es logistischen Objekts bezeichnet, das <strong>in</strong><br />
der Lieferkette verfolgt wird. Konkret k<strong>an</strong>n dies e<strong>in</strong>e Stock Keep<strong>in</strong>g Unit<br />
(SKU) e<strong>in</strong>es H<strong>an</strong>delunternehmens se<strong>in</strong>.<br />
• <strong>Die</strong> Serial Number macht jedes verfolgte Objekt e<strong>in</strong>zigartig, d. h. es ist<br />
nicht nur möglich zu sagen, dass e<strong>in</strong>e SKU sich <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Stelle<br />
<strong>in</strong> der Lieferkette bef<strong>in</strong>det, sondern auch welches physisch e<strong>in</strong>malige<br />
Objekt dies ist.<br />
162 <strong>Die</strong> ersten Tr<strong>an</strong>ponder unterstützten nur e<strong>in</strong>e Länge von 64 Bit.<br />
163 Nachfolgende Spezifikationen basieren auf EPCGLOBAL (2005a).
56<br />
Kapitel 3<br />
Nun beabsichtigt EPC nicht bestehende Identifikationsst<strong>an</strong>dards zu ersetzen,<br />
sondern diese zu <strong>in</strong>tegrieren. Deshalb ist EPC bereits zu den wichtigsten<br />
Identifiers des EAN.UCC Systems kompatibel: GTIN, SSCC, GLN, GRAI, GIAI.<br />
Beispielhaft k<strong>an</strong>n diese Integration <strong>an</strong> GTIN, der Global Trade Item Number,<br />
gezeigt werden. <strong>Die</strong> GTIN wird üblicherweise auf e<strong>in</strong>em EAN-13 Barcode<br />
gespeichert. Weil EPC-96 wesentlich mehr Speicherplatz besitzt, ist es nun<br />
möglich neben dem Comp<strong>an</strong>y Prefix und der Item Number auch e<strong>in</strong>e<br />
Seriennummer zu speichern. Tabelle 6 zeigt die Struktur der so entst<strong>an</strong>denen<br />
Serialized Global Trade Item Number (SGTIN).<br />
Feldname Header Filter Value Partition Comp<strong>an</strong>y<br />
Prefix<br />
Item<br />
Reference<br />
Serial<br />
Number<br />
Anzahl Bits 8 3 3 20 - 40 24 - 4 38<br />
Tabelle 6: Aufteilung der Serialized Global Trade Item Number (SGTIN-96)<br />
• <strong>Der</strong> 8 Bit Header für die SGTIN ist 0011 0000.<br />
• <strong>Der</strong> Filter Value ist eigentlich ke<strong>in</strong> Teil der GTIN-Def<strong>in</strong>ition, aber hilfreich<br />
für bestimmte <strong>Logistik</strong>-Anwendungen.<br />
• <strong>Die</strong> Partition zeigt auf wie viele Bits nachfolgend für das Comp<strong>an</strong>y Prefix<br />
und wie viele für die Item Reference reserviert s<strong>in</strong>d.<br />
• Comp<strong>an</strong>y Prefix und Item Reference s<strong>in</strong>d identisch mit der ursprünglichen<br />
GTIN-Def<strong>in</strong>ition<br />
• <strong>Die</strong> Serial Number macht jedes Objekt, das vorher nur als zu e<strong>in</strong>er<br />
bestimmten GTIN zugehöriges Objekt identifiziert werden konnte,<br />
e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutig.<br />
Weitere Nummerierungssysteme aus <strong>an</strong>deren Wirtschaftsbereichen, wie z.B.<br />
Healthcare oder Automotive, können <strong>in</strong> den EPC Data St<strong>an</strong>dard <strong>in</strong>tegriert werden.<br />
<strong>Die</strong> St<strong>an</strong>dardisierungsbemühungen gehen laufend weiter. Aktuelle Spezifikationen<br />
s<strong>in</strong>d unter http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org erhältlich.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 57<br />
4 <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis<br />
<strong>Der</strong> empirische Teil der Forschungsarbeit berichtet zunächst über den St<strong>an</strong>d der<br />
RFID-Umsetzung aus e<strong>in</strong>er br<strong>an</strong>chenbezogenen Sicht. Neben der<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che werden <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister und die Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
untersucht. <strong>Die</strong> darauf folgenden Fallbeispiele schildern, wie e<strong>in</strong>zelne<br />
Org<strong>an</strong>isationen mit Hilfe von RFID die <strong>Visibilität</strong> im eigenen Netzwerk erhöhen.<br />
<strong>Die</strong> Fälle s<strong>in</strong>d heterogen und umfassen sowohl Machbarkeitsstudien und<br />
Pilot<strong>an</strong>wendungen, als auch RFID-Roll-outs und etablierte Anwendungen. Ihr<br />
Beitrag zur Be<strong>an</strong>twortung der Forschungsfrage wird <strong>in</strong> Kapitel 5 ersichtlich. In<br />
mehreren Cross-Case-Analysen werden theoretische Erkenntnisse praktisch<br />
belegt. Kapitel 4.2 zeigt die Kriterien für die Auswahl der Fallstudien sowie das<br />
zugrunde liegende Beschreibungsmodell auf.<br />
4.1 RFID Anwenderbr<strong>an</strong>chen im Überblick<br />
<strong>Die</strong> Anwendung von RFID im M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> wird <strong>in</strong><br />
Wissenschaft und Praxis derzeit e<strong>in</strong>gehend untersucht. <strong>Die</strong> <strong>Logistik</strong> ist allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht das e<strong>in</strong>zige Anwendungsgebiet für RFID, e<strong>in</strong>e Technologie, deren<br />
Grundlagen bereits vor über 50 Jahren entwickelt wurden. 164 Smart Cards, die u. a.<br />
zur E<strong>in</strong>trittskontrolle und als Zahlungsmittel verwendet werden, sorgen weltweit<br />
für den größten Absatz von RFID-Tags. <strong>Der</strong> zweitgrößte RFID-Markt ist „Animal<br />
Tagg<strong>in</strong>g“, wobei diese Position nicht durch die Anzahl der Tags, sondern durch<br />
die hohen Preise für die Tr<strong>an</strong>sponder erzielt wird. 165<br />
Das Spektrum der Technologien, die unter dem Label RFID laufen, ist – wie<br />
bereits gezeigt wurde – sehr breit. Auch <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong> gibt es Anwendungen, die<br />
seit längerer Zeit effizient laufen und <strong>in</strong> der Öffentlichkeit für wenig Diskussionen<br />
sorgen. So steuert sowohl die Schweizer 166 als auch die Deutsche Post 167 ihre<br />
Hoflogistik <strong>in</strong> den Verteilzentren mit aktiven Tr<strong>an</strong>spondern. Bei der E<strong>in</strong>fahrt <strong>in</strong><br />
den Hof werden Fahrzeuge und Conta<strong>in</strong>er automatisch identifiziert und e<strong>in</strong>er<br />
Rampe zugeordnet. Auch im Conta<strong>in</strong>er Term<strong>in</strong>al des Hafens von S<strong>in</strong>gapur kommt<br />
164 LANDT (2001).<br />
165 HARROP (2005).<br />
166 http://www.gst.ch/24.html, Zugriff am 06.10.2005.<br />
167 http://www.baumerident.com/pdfs/case_studies/deutsche_post_de.pdf, Zugriff am 06.10.2005.
58<br />
Kapitel 4<br />
RFID zum E<strong>in</strong>satz. <strong>Die</strong> Position der ausgezeichneten Conta<strong>in</strong>er k<strong>an</strong>n jederzeit<br />
bestimmt werden, wodurch Effizienz und Qualität der Prozesse steigen. 168<br />
<strong>Die</strong> öffentliche Diskussion dreht sich verstärkt – aber nicht ausschließlich – um<br />
Projekte, bei denen die Passivtechnologie e<strong>in</strong>gesetzt wird und die e<strong>in</strong>e so hohe<br />
Innovationskraft haben, dass die technische Reife für das Tagesgeschäft noch<br />
nicht sichergestellt ist. Als <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>t werden weiterh<strong>in</strong> Vorhaben<br />
wahrgenommen, deren wirtschaftlicher E<strong>in</strong>satz noch nicht nachgewiesen ist und<br />
<strong>an</strong> denen mehrere Unternehmen beteiligt s<strong>in</strong>d, die sich auf e<strong>in</strong>en Technologie- und<br />
Prozessst<strong>an</strong>dard e<strong>in</strong>igen müssen.<br />
Nachfolgend wird für die Br<strong>an</strong>chen Konsumgüter, <strong>Logistik</strong>dienstleistungen und<br />
Pharmazie <strong>an</strong>alysiert, 169 wie weit der E<strong>in</strong>satz von RFID zur Erhöhung der<br />
<strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk vor<strong>an</strong>geschritten ist. <strong>Die</strong> Auswahl der<br />
<strong>Logistik</strong>br<strong>an</strong>che war zw<strong>in</strong>gend, weil das M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong><br />
deren Kernkompetenz darstellt. <strong>Die</strong> Auswahl der Br<strong>an</strong>chen Konsumgüter und<br />
Pharmazie lässt sich durch den Aufbau von zwei dedizierten Bus<strong>in</strong>ess Action<br />
Groups <strong>in</strong>nerhalb der St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation EPCglobal erklären. <strong>Die</strong><br />
Firma IDTechEx hat die weltweit größte Datenb<strong>an</strong>k mit RFID-Fallstudien<br />
aufgebaut. Dort s<strong>in</strong>d alle ausgewählten Br<strong>an</strong>chen stark vertreten. 170<br />
4.1.1 Konsumgüterbr<strong>an</strong>che<br />
<strong>Die</strong> Diskussionen <strong>in</strong> der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che über den E<strong>in</strong>satz von <strong>in</strong>novativen<br />
<strong>Logistik</strong>-Technologien führen beständig zum Thema RFID. Auf aktuellen<br />
Br<strong>an</strong>chentreffen wie der ECR Europe Conference <strong>in</strong> Paris 171 war das Thema stark<br />
vertreten und beim 21. Deutschen <strong>Logistik</strong>kongress <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 172 wurde es durch<br />
entsprechende Firmenpräsenzen der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che zugeschrieben. E<strong>in</strong><br />
Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen Konsumgütern und RFID lässt sich auch dadurch<br />
ableiten, dass RFID als Nachfolgetechnologie des Barcodes <strong>an</strong>gesehen wird. <strong>Der</strong><br />
am weitesten verbreitete Barcode-St<strong>an</strong>dard ist EAN.UCC und wird <strong>in</strong> der<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che <strong>in</strong>tensiv genutzt.<br />
168 KIA/SHAYAN/GHOTB (2000) S. 334.<br />
169 Für e<strong>in</strong>e aktuelle Best<strong>an</strong>dsaufnahme im Bereich Automotive wird auf STRASSNER (2005) verwiesen.<br />
170 HARROP (2005).<br />
171 26. – 28. April 2005.<br />
172 20. – 22. Oktober 2004.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 59<br />
Dabei s<strong>in</strong>d die Positionen von Konsumgüterherstellern und -händlern durchaus<br />
unterschiedlich. H<strong>an</strong>delskonzerne wie Wal-Mart <strong>in</strong> den USA und Metro <strong>in</strong><br />
Deutschl<strong>an</strong>d gelten als RFID-Innovationsführer. Sie haben begonnen ihren<br />
Liefer<strong>an</strong>ten den Auftrag zu geben, alle Lieferungen auf Palettenebene mit RFID<br />
zu versehen. <strong>Die</strong> Hersteller auf der <strong>an</strong>deren Seite stehen dem Thema<br />
zurückhaltender gegenüber. Hervorget<strong>an</strong> hat sich hier das Unternehmen Gillette,<br />
das jüngst von Procter & Gamble übernommen wurde und das mit Rasierkl<strong>in</strong>gen<br />
e<strong>in</strong> stark schwundgefährdetes Produkt herstellt. <strong>Die</strong> hohe Schwundgefahr war<br />
auch der Auslöser für den Wunsch nach höherer <strong>Visibilität</strong>, die für mehr<br />
Sicherheit sorgen soll. Viele Hersteller fürchten vor allem die zusätzlichen Kosten<br />
durch die RFID-Auszeichnung.<br />
<strong>Die</strong> größere Aff<strong>in</strong>ität des H<strong>an</strong>dels zu RFID lässt sich aus den unterschiedlichen<br />
Anforderungen der <strong>Logistik</strong>systeme bei Herstellern und Händlern ableiten. E<strong>in</strong><br />
wesentlicher Unterschied ist die größere Anzahl <strong>an</strong> Stock Keep<strong>in</strong>g Units (SKUs),<br />
welche der H<strong>an</strong>del verarbeiten muss. Viele SKUs mit unterschiedlichen<br />
Ausprägungen machen es schwieriger Prozesse zu automatisieren. In m<strong>an</strong>uellen<br />
Prozessen hat RFID allerd<strong>in</strong>gs den Vorteil, dass die e<strong>in</strong>zelnen Objekte im Pulk<br />
ausgelesen werden können und nicht wie beim Barcode e<strong>in</strong>zeln auf e<strong>in</strong> Lesegerät<br />
ausgerichtet werden müssen. In hoch automatisierten Prozessen, wie sie bei vielen<br />
Herstellern <strong>an</strong>zutreffen s<strong>in</strong>d, ist es h<strong>in</strong>gegen für RFID schwieriger noch weitere<br />
Potenziale zu heben.<br />
In der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che wirken <strong>in</strong>direkt auch gesetzliche Regelungen auf den<br />
E<strong>in</strong>satz von RFID. So schreibt die EU-Verordnung 178/2002 vor, dass<br />
Lebensmittel seit dem 1. J<strong>an</strong>uar 2005 über alle Stufen der Wertschöpfungskette<br />
rückverfolgbar seien müssen. Im Gesetzestext heißt es: „Um<br />
Lebensmittelsicherheit gewährleisten zu können, müssen alle Aspekte der<br />
Lebensmittelherstellungskette als Kont<strong>in</strong>uum betrachtet werden, und zwar von<br />
[…] der Primärproduktion und der Futtermittelproduktion bis h<strong>in</strong> […] zum<br />
Verkauf bzw. zur Abgabe der Lebensmittel <strong>an</strong> den Verbraucher, da jedes Glied<br />
dieser Kette e<strong>in</strong>e potenzielle Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit haben<br />
k<strong>an</strong>n.“ 173 RFID k<strong>an</strong>n helfen die End- und Zwischenprodukte entl<strong>an</strong>g der<br />
Wertschöpfungskette zu identifizieren und dadurch die Lebensmittelsicherheit zu<br />
erhöhen.<br />
173 EUROPÄISCHE UNION (2002), Präambel Nr. 12 der Verordnung (EG) 178/2002.
60<br />
Typische Anwendungen – Vision<br />
Kapitel 4<br />
Total Supply Cha<strong>in</strong> Visibility lässt sich als die Vision von RFID <strong>in</strong> der<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che beschreiben. In Echtzeit ist für alle Teilnehmer der Supply<br />
Cha<strong>in</strong> bek<strong>an</strong>nt, wo sich welche Produkte auf Item-Level <strong>in</strong> der Lieferkette<br />
bef<strong>in</strong>den. <strong>Die</strong>se Vision ist allerd<strong>in</strong>gs sehr weit gegriffen, denn viele Liefer<strong>an</strong>ten<br />
wollen nicht, dass die Händler wissen wie viel Artikel sie noch auf Lager haben,<br />
weil sie im Zweifelsfall befürchten müssen, dass sich hohe Lagerbestände für sie<br />
negativ <strong>in</strong> Preisverh<strong>an</strong>dlungen auswirken. Außerdem ist es fraglich, ob der<br />
optimale <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> für alle Prozessabschnitte auf Item-Level liegt.<br />
<strong>Der</strong> derzeitige Umsetzungsst<strong>an</strong>d ist von der Vision noch weit entfernt. Viele<br />
Unternehmen testen RFID zunächst <strong>in</strong> der Best<strong>an</strong>dsführung ohne die<br />
ursprüngliche Anwendungslogik zu verändern, d. h. RFID ersetzt lediglich die<br />
bestehende Identifikationstechnologie. <strong>Der</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> verändert sich<br />
nicht.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>te Anwendung von RFID, die e<strong>in</strong>en Schritt weiter geht, ist die<br />
Überwachung von Kühlketten (Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement). <strong>Die</strong><br />
H<strong>an</strong>delsunternehmen Mark<strong>an</strong>t 174 und Migros 175 haben entsprechende Pilotprojekte<br />
gestartet. Dazu werden aktive Tr<strong>an</strong>sponder mit Temperatursensoren ausgestattet,<br />
die e<strong>in</strong>e Temperatur-Historie erstellen, welche über die Luftschnittstelle<br />
ausgelesen werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong> Lieferung von verderblicher Ware ist wesentlich<br />
<strong>an</strong>spruchsvoller als die Lieferung von unverderblichen Produkten. <strong>Die</strong> benötigte<br />
<strong>Visibilität</strong> erhöht sich h<strong>in</strong>sichtlich der Datengr<strong>an</strong>ularität. Regelmäßige<br />
Temperaturmesspunkte erhöhen die zeitliche Gr<strong>an</strong>ularität sowie die<br />
Datenreichhaltigkeit. Außerdem spielen die Verlaufsdaten, hier also die<br />
Temperatur-Historie, e<strong>in</strong>e verstärkte Rolle. Insgesamt verl<strong>an</strong>gt e<strong>in</strong>e komplexere<br />
Problemstellung auch e<strong>in</strong>e komplexere Lösung.<br />
Metro hat e<strong>in</strong> „Smart Shelve“ entwickelt, dass <strong>in</strong> der Verkaufsfläche aufgebaut<br />
wird und zu jeder Zeit erfasst, wie viele Verkaufse<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong>es Artikels im Regal<br />
stehen. Auf e<strong>in</strong>e Out-of-Stock Situation k<strong>an</strong>n dadurch sofort reagiert werden. E<strong>in</strong>e<br />
weitere Vision ist die vollautomatische Kasse: <strong>Der</strong> Kunde schiebt se<strong>in</strong>en<br />
174 BÄHR (2004).<br />
175 THIESSE (2004).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 61<br />
E<strong>in</strong>kaufswagen durch e<strong>in</strong>en Gate-Reader am Ende des Ladens und alle Produkte<br />
s<strong>in</strong>d automatisch erfasst und bezahlt.<br />
Verbraucherschutz<br />
<strong>Der</strong> E<strong>in</strong>satz von RFID im H<strong>an</strong>del wird von e<strong>in</strong>igen Verbraucherschutzverbänden<br />
teilweise heftig kritisiert. So hat der Vere<strong>in</strong> zur Förderung des öffentlichen<br />
bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD) die Initiative „Stop<br />
RFID“ <strong>in</strong>s Leben gerufen. 176 Im Rahmen der Initiative wurde explizit die<br />
Metro AG mit ihrem Versuchssupermarkt <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg <strong>an</strong>gegriffen. <strong>Der</strong> Konzern<br />
hat bereits reagiert und erklärt den Verbrauchern wie Metro mit sensiblen Daten<br />
umgehen möchte. 177 Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat sich<br />
dem Thema RFID <strong>an</strong>genommen und versucht durch entsprechende Regeln zur<br />
Anwendung der Technologie das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. 178<br />
Verb<strong>an</strong>dsaktivitäten<br />
<strong>Die</strong> Verb<strong>an</strong>dsaktivitäten <strong>in</strong> der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che bezüglich <strong>Visibilität</strong> und<br />
RFID s<strong>in</strong>d sehr hoch. <strong>Die</strong> Bedeutung der Br<strong>an</strong>che für die Durchsetzung e<strong>in</strong>es<br />
weltweiten St<strong>an</strong>dards ist ebenfalls hoch. <strong>Die</strong>s lässt sich u. a. <strong>an</strong> dem starken<br />
Engagement <strong>in</strong> der St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation EPCglobal ablesen. „EPCglobal<br />
is lead<strong>in</strong>g the development of <strong>in</strong>dustry-driven st<strong>an</strong>dards for the Electronic Product<br />
Code (EPC) to support the use of Radio Frequency Identification (RFID) <strong>in</strong><br />
today’s fast-mov<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>formation rich trad<strong>in</strong>g networks. […] Our goal is <strong>in</strong>creased<br />
visibility <strong>an</strong>d efficiency throughout the supply cha<strong>in</strong> <strong>an</strong>d higher quality<br />
<strong>in</strong>formation flow between your comp<strong>an</strong>y <strong>an</strong>d its key trad<strong>in</strong>g partners.” 179 Neun der<br />
vierzehn Mitgliedern des EPCglobal Board of Governors kommen entweder von<br />
Konsumgüterhändlern/-herstellern oder von nationalen Konsumgüterverbänden. 180<br />
In Deutschl<strong>an</strong>d und <strong>in</strong> der Schweiz wird EPCglobal vertreten durch den nationalen<br />
Verb<strong>an</strong>d GS1 Germ<strong>an</strong>y bzw. GS1 Switzerl<strong>an</strong>d. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>führung der Bezeichnung<br />
GS1 geht e<strong>in</strong>her mit Reorg<strong>an</strong>isationen <strong>in</strong> beiden Ländern. GS1 Switzerl<strong>an</strong>d ist aus<br />
176 http://www.foebud.org, Zugriff am 23.06.2005.<br />
177 MGFS (2004).<br />
178 BUNGARD (2004).<br />
179 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org, Zugriff am 27.06.2005.<br />
180 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org/about/board_of_governors.html, Zugriff am 27.06.2005.
62<br />
Kapitel 4<br />
e<strong>in</strong>er Fusion von EAN Schweiz, SGL (Schweizerische Gesellschaft für <strong>Logistik</strong>)<br />
und ECR Schweiz entst<strong>an</strong>den. In Deutschl<strong>an</strong>d versteht sich GS1 Germ<strong>an</strong>y<br />
(vormals CCG, Centrale für Coorg<strong>an</strong>isation GmbH) als „das <strong>Die</strong>nstleistungs- und<br />
Kompetenzzentrum für unternehmensübergreifende Geschäftsabläufe <strong>in</strong> der<br />
deutschen Konsumgüterwirtschaft und ihren <strong>an</strong>grenzenden Wirtschafts-<br />
bereichen.“ 181 RFID ist e<strong>in</strong>es der Hauptprojekte, zu dem zahlreiche<br />
Informationsmaterialen und Veröffentlichungen zur Verfügung gestellt werden.<br />
Innovationsführerschaft<br />
In der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che gelten die Unternehmen Wal-Mart <strong>in</strong> den USA und<br />
Metro <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d beim Thema RFID als Innovationsführer. 182 Beide<br />
Unternehmen haben e<strong>in</strong>e zentrale Position <strong>in</strong> der Br<strong>an</strong>che. Wal-Mart ist mit e<strong>in</strong>em<br />
Umsatz von mehr als 285 Mrd. USD der weltweit größte H<strong>an</strong>delskonzern. Das<br />
Unternehmen ist <strong>in</strong> Nord- und Südamerika sowie Asien und Europa aktiv. <strong>Die</strong><br />
Metro AG ist mit über 53 Mrd. EUR Umsatz (2003) die weltweite Nummer<br />
fünf 183 und führend <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d. Das Unternehmen ist <strong>in</strong> 28 Ländern aktiv 184<br />
und betreibt die sechs Vertriebsl<strong>in</strong>ien Metro Cash & Carry, Real, Extra, Media<br />
Markt/Saturn, Praktiker und Kaufhof.<br />
Abbildung 12 zeigt, dass sich immer mehr H<strong>an</strong>delsunternehmen im<br />
deutschsprachigen Raum dem Thema RFID <strong>an</strong>nehmen. Bereits im Februar 2003<br />
hat Metro <strong>an</strong>gekündigt, dass m<strong>an</strong> die Technologie testen möchte und im Oktober<br />
2004 hat das Unternehmen mit dem Roll-out begonnen. Gemessen <strong>an</strong> der<br />
Umsetzungsgeschw<strong>in</strong>digkeit liegt Metro mit Wal-Mart etwa gleich auf. <strong>Die</strong><br />
deutschen Nachfolger Rewe und Otto sowie Spar <strong>in</strong> Österreich ziehen mit<br />
Pilot<strong>an</strong>wendungen <strong>in</strong> 2004 nach. Im September 2005 beg<strong>in</strong>nt REWE ihren RFID-<br />
Roll-out mit dem Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>gsprozess im Distributionszentrum Norderstedt und<br />
b<strong>in</strong>det zunächst 30-40 Liefer<strong>an</strong>ten e<strong>in</strong>. 185<br />
181 http://www.gs1-germ<strong>an</strong>y.de/<strong>in</strong>ternet/content/ueber_gs1_germ<strong>an</strong>y/<strong>in</strong>dex_ger.html,<br />
Zugriff am 27.06.2005.<br />
182 ROBERTI (2005).<br />
183 EUTOMONITOR (2004).<br />
184 http://www.metrogroup.de/servlet/PB/menu/1003702_l1, Zugriff am 15.07.2005.<br />
185 Lebensmittelzeitung, Meldung vom 16.09.2005: Rewe wirbt bei Industrie für RFID.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 63<br />
Metro:<br />
Spar Austria:<br />
Wal-Mart:<br />
(zum Vergleich)<br />
Feb. 03: Metro kündigt die Future Store Initiative <strong>an</strong>, um <strong>in</strong>novative Technologien/Konzepte im H<strong>an</strong>del zu testen.<br />
Apr. 03: Metro setzt RFID im Future Store <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg e<strong>in</strong>.<br />
Okt. 04: Metro startet erste Phase des<br />
RFID-Roll-Out. Palettenauszeichnung mit<br />
20 Liefer<strong>an</strong>ten.<br />
Rewe: Apr. 04: Rewe startet Pilotprojekt zusammen<br />
mit der Universität Köln und weiteren Partnern.<br />
Otto:<br />
Migros:<br />
2003 2004 2005<br />
Jun. 03: Wal-Mart M<strong>an</strong>date. Ab J<strong>an</strong>. 05 sollen die 100 Top-Liefer<strong>an</strong>ten RFID auf Paletten<br />
und Cases e<strong>in</strong>setzen. Später relativiert Wal-Mart se<strong>in</strong>e Forderung.<br />
Mitteilung Pilot/Test Roll-Out<br />
Sep. 05: Rewe startet RFID-Roll-out.<br />
Vorerst e<strong>in</strong> Lager und 30-40 Liefer<strong>an</strong>ten.<br />
Mai 04: Spar Österreich gibt Pläne über RFID-<br />
Piloten im Bereich Behälterm<strong>an</strong>agement bek<strong>an</strong>nt.<br />
Okt. 04: Start des Piloten, der bei Erfolg <strong>in</strong>nerhalb<br />
von zwei Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Roll-Out münden soll.<br />
Aug. 04: Start e<strong>in</strong>er RFID-Anwendung zur<br />
Überwachung von hochwertigen Artikeln.<br />
Mai 05: Mit dem Smartstore <strong>an</strong> der Orbit-iEX l<strong>an</strong>cieren<br />
Migros und SAP die RFID-Debatte <strong>in</strong> der Schweiz.<br />
Apr. 04: Wal-Mart beg<strong>in</strong>nt RFID-Roll-Out mit acht<br />
Liefer<strong>an</strong>ten <strong>in</strong> Dallas/Fort. Erste Phase des Roll-Out hat<br />
noch den Charakter e<strong>in</strong>er Pilot<strong>an</strong>wendung.<br />
Abbildung 12: Entwicklung von RFID im Konsumgüterh<strong>an</strong>del (D-A-CH) 186<br />
<strong>Die</strong> Edeka/AVA Group, welche h<strong>in</strong>ter Metro und Rewe die dritte Position im<br />
deutschen Markt e<strong>in</strong>nimmt, hält sich beim Thema RFID noch bedeckt. Das<br />
Unternehmen beobachtet die Entwicklung auf dem RFID-Sektor sehr <strong>in</strong>tensiv und<br />
überprüft <strong>in</strong> diesem Zusammenh<strong>an</strong>g EDEKA-spezifische E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten.<br />
Pläne für e<strong>in</strong>en konkreten Roll-out bestehen derzeit nicht. 187 Allerd<strong>in</strong>gs setzt auch<br />
Edeka auf Innovation, <strong>in</strong> dem das Unternehmen im Frühjahr 2005 e<strong>in</strong>en Edeka-<br />
Markt mit e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>gerabdruck-Bezahlsystem ausstattet. 188 In der Schweiz hat<br />
das marktführende H<strong>an</strong>delsunternehmen Migros Genossenschaftsbund die<br />
Diskussion um RFID begonnen, <strong>in</strong> dem es geme<strong>in</strong>sam mit SAP e<strong>in</strong>en RFID-<br />
Testladen auf der Konsumgütermesse Orbit-iEX im Mai 2005 präsentiert. 189<br />
186 Webseiten der Unternehmen, www.rfidjournal.com, IIR Konferenz 27.9.2004 <strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kfurt, www.rfidprojekt.de,<br />
www.oesterreichonl<strong>in</strong>e.at, www.<strong>in</strong>side-it.ch, Zugriffe am 15.07.2005.<br />
187 E-Mail<strong>an</strong>frage bei Alex<strong>an</strong>der Lüders, EDEKA ZENTRALE AG & Co. KG,<br />
Unternehmenskommunikation vom 30.06.2005.<br />
188 http://www.heise.de/newsticker/meldung/57055, Zugriff am 04.03.2005.<br />
189 http://www.<strong>in</strong>side-it.ch, Meldung vom 25.05.2005: SAP und Migros l<strong>an</strong>cieren RFID-Diskussion <strong>in</strong> der<br />
Schweiz.
64<br />
Kapitel 4<br />
E<strong>in</strong>e echte Breitenwirkung ist nur von RFID-Roll-outs zu erwarten, <strong>in</strong> denen<br />
Liefer<strong>an</strong>ten e<strong>in</strong>gebunden werden. RFID muss e<strong>in</strong>e kritische Masse erreichen,<br />
damit es massiv <strong>in</strong> der Br<strong>an</strong>che e<strong>in</strong>gesetzt wird. Zurzeit s<strong>in</strong>d die Preise für die<br />
Etiketten noch zu teuer, um sie flächendeckend e<strong>in</strong>zusetzen. Auf der <strong>an</strong>deren Seite<br />
können die Preise erst d<strong>an</strong>n fallen, wenn die Etiketten <strong>in</strong> höheren Mengen<br />
nachgefragt werden. <strong>Der</strong> Zw<strong>an</strong>g, den Metro und Wal-Mart gegenüber ihren<br />
Liefer<strong>an</strong>ten aufbauen, hilft die produzierten Stückzahlen zu vergrößern und die<br />
kritische Masse zu erreichen. Wenn e<strong>in</strong> Liefer<strong>an</strong>t wie Procter & Gamble erst<br />
e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Lage ist, mit RFID ausgezeichnete Paletten <strong>an</strong> Metro und Wal-Mart<br />
zu verschicken, d<strong>an</strong>n ist es nicht schwer, auch <strong>an</strong>dere Kunden entsprechend zu<br />
beliefern.<br />
Fazit<br />
<strong>Die</strong> Konsumgüterbr<strong>an</strong>che befasst sich <strong>in</strong>tensiv mit den Themen <strong>Visibilität</strong> und<br />
RFID. Br<strong>an</strong>chenvertreter bemühen sich <strong>in</strong> entsprechenden Gremien und<br />
Verbänden um weltweite RFID-St<strong>an</strong>dards. H<strong>an</strong>delsunternehmen s<strong>in</strong>d aufgrund der<br />
komplexeren Distributionssysteme stärker <strong>an</strong> RFID <strong>in</strong>teressiert als Hersteller.<br />
Innovationsführer s<strong>in</strong>d Wal-Mart <strong>in</strong> den USA und Metro <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d. Sie s<strong>in</strong>d<br />
mit ihren RFID und <strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiativen klare unternehmerische Risiken<br />
e<strong>in</strong>geg<strong>an</strong>gen. Wal-Mart hat sogar den Roll-out bek<strong>an</strong>nt gegeben, ohne vorher<br />
größere Pilotprojekte gestartet zu haben. 190 Anf<strong>an</strong>gs müssen beide Unternehmen<br />
große Investitionen <strong>in</strong> die Technologie und <strong>in</strong> die Glaubwürdigkeit gegenüber<br />
Kunden und Liefer<strong>an</strong>ten tätigen. Es geht nicht alle<strong>in</strong>e um effiziente Prozesse,<br />
sondern auch um Themen wie Technologieführerschaft, Market<strong>in</strong>g und Public<br />
Relations.<br />
Indes s<strong>in</strong>d sich die Führungskräfte der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che bewusst, dass das<br />
große Potenzial von RFID erst auf Item-Level gehoben werden k<strong>an</strong>n. Denn nur<br />
wenn e<strong>in</strong>zelne Artikel <strong>in</strong> ihrem Weg durch die Lieferkette verfolgt werden, ist die<br />
<strong>Visibilität</strong> im Vergleich zum heutigen Status entscheidend gestiegen. <strong>Die</strong><br />
Konsumgüterwirtschaft wird e<strong>in</strong>e entscheidende Br<strong>an</strong>che für RFID se<strong>in</strong>, weil sie<br />
es erreichen k<strong>an</strong>n, <strong>in</strong> der Passivtechnologie die kritische Masse zu erzeugen.<br />
190 ROBERTI (2003).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 65<br />
4.1.2 <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister<br />
<strong>Die</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleisterbr<strong>an</strong>che hat e<strong>in</strong>e natürliche Aff<strong>in</strong>ität zu den Themen<br />
<strong>Visibilität</strong> und RFID. Im Kerngeschäft m<strong>an</strong>agen die Unternehmen Güterströme<br />
sowie die begleitenden Informationen. RFID <strong>in</strong>tegriert die physische und die<br />
virtuelle Welt, die Güter- und Informationsströme. Dabei stellt sich die <strong>Logistik</strong><br />
als e<strong>in</strong> zerklüfteter Markt dar, <strong>in</strong> dem <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d die Top Ten Anbieter nur<br />
12% des Marktvolumens abdecken. 191 Grundlegend lässt sich dieser Markt <strong>in</strong> die<br />
Bereiche Kurier-Express-Paketdienstleistung (KEP), Frachtgeschäft (L<strong>an</strong>d, See,<br />
Luft) und Kontraktlogistik e<strong>in</strong>teilen. <strong>Die</strong> Anforderungen unterscheiden sich stark.<br />
So ist das KEP-Geschäft wesentlich stärker strukturiert und st<strong>an</strong>dardisiert als der<br />
Frachtbereich. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>zelnen <strong>Logistik</strong>st<strong>an</strong>dorte werden <strong>in</strong> der Regel durch<br />
Kennzahlen gesteuert, während die Niederlassungen der Speditionen und<br />
Frachtführer häufig als Profitcenter fungieren. Im Kontraktgeschäft werden neben<br />
den Tr<strong>an</strong>sporten weitere <strong>Die</strong>nstleistungen <strong>an</strong>geboten. <strong>Die</strong>se Mehrwertdienstleist-<br />
ungen s<strong>in</strong>d häufig Lager- und Kommissionierungsaufgaben. Es können aber auch<br />
sehr kundenspezifische Anforderungen se<strong>in</strong>, wie das Aufbügeln von Hängewaren<br />
oder die Vormontage von Autoreifen. Wegen des höheren Innovationsdrucks im<br />
Kontraktbereich s<strong>in</strong>d viele RFID-Piloten <strong>in</strong> diesem Bereich aufgesetzt.<br />
Typische Anwendungen – Vision<br />
<strong>Die</strong> typische <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung bei <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen ist<br />
Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g (T&T). <strong>Die</strong> großen <strong>Logistik</strong>unternehmen bieten ihren Kunden<br />
st<strong>an</strong>dardmäßig <strong>an</strong>, ihre Sendungen über das Internet zu verfolgen. Laut e<strong>in</strong>er<br />
Studie aus dem Jahr 2003 haben über dreiviertel der großen <strong>Logistik</strong>unternehmen<br />
(Umsatz über 500 Mio. EUR) e<strong>in</strong> T&T-System realisiert. 192<br />
Beispielhaft wird das T&T-System der Swiss WorldCargo (SWC) detailliert<br />
beschrieben. 193 Das Unternehmen ist e<strong>in</strong>e Division der Swiss International<br />
Airl<strong>in</strong>es, die wiederum im Frühjahr 2005 mit der Lufth<strong>an</strong>sa AG zusammeng<strong>in</strong>g.<br />
<strong>Die</strong> SWC nutzt die Laderaumkapazitäten der Muttergesellschaft, um Güter zu<br />
tr<strong>an</strong>sportieren. Sie fungiert als Großhändler für Luftfrachtkapazitäten und ihre<br />
191 KLAUS (2003).<br />
192 BRETZKE/STÖLZLE et al. (2003) S. 9.<br />
193 <strong>Die</strong> nachfolgenden Ausführungen über das T&T-System beruhen auf e<strong>in</strong>em Interview vom 31.03.2005<br />
mit Mitarbeitern der Swiss WorldCargo: Rudolf Berger, Project M<strong>an</strong>ager Tr<strong>an</strong>sportation, und Maria<br />
Camp<strong>an</strong>ella, Senior Communication Officer.
66<br />
Kapitel 4<br />
Kunden s<strong>in</strong>d üblicherweise die großen Frachtnetzwerk<strong>an</strong>bieter wie P<strong>an</strong>Alp<strong>in</strong>a,<br />
Kühne&Nagel oder Schenker. Neben dem „Air-Network“ betreibt das<br />
Unternehmen e<strong>in</strong> europaweites LKW-Netzwerk. <strong>Die</strong> LKW arbeiten im<br />
L<strong>in</strong>ienverkehr und sorgen dafür, dass die L<strong>an</strong>gstreckenflüge vom Hub Zürich gut<br />
ausgelastet werden. Etwa 30% der „Luftfracht“ wird <strong>in</strong> Europa über die Straße<br />
abgewickelt.<br />
Das T&T-System der SWC verfolgt Sendungen, die mit e<strong>in</strong>em Air Waybill<br />
(AWB) gekennzeichnet s<strong>in</strong>d und auf Unit Load Devices (ULDs), also Paletten und<br />
Tr<strong>an</strong>sport-Conta<strong>in</strong>ern, befördert werden. Mehrere Sendungen können auf e<strong>in</strong>em<br />
ULD befördert werden. Im Gegenzug werden größere Sendungen auf mehrere<br />
ULD verteilt. In e<strong>in</strong>igen wenigen Fällen (ca. 5%) kommt es vor, dass Sendungen<br />
auf mehrere Flüge verteilt werden. <strong>Die</strong> typischen Lesestellen bzw. Status im<br />
System s<strong>in</strong>d: Abgabe am Orig<strong>in</strong>, Abflug von Orig<strong>in</strong>, Ankunft <strong>in</strong> Dest<strong>in</strong>ation,<br />
Abholbereit <strong>an</strong> Dest<strong>in</strong>ation, Abholung durch den Kunden. <strong>Die</strong> ULD werden von<br />
der Firma Unitpool verwaltet, die Barcodes zur Identifikation und Verfolgung der<br />
Behälter e<strong>in</strong>setzt. 194<br />
<strong>Die</strong> weltweit erfassten Daten werden durch EDI-Messages übermittelt und <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em zentralen Server konsolidiert. Für Störungen gibt es st<strong>an</strong>dardisierte Codes,<br />
die <strong>in</strong> das System e<strong>in</strong>gegeben werden können. <strong>Die</strong> Daten werden zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tern<br />
für die Messung der eigenen Leistungsfähigkeit verwendet. Zum <strong>an</strong>deren s<strong>in</strong>d sie<br />
für die Kunden relev<strong>an</strong>t, die bei verspäteten Lieferungen frühzeitig <strong>in</strong>formiert<br />
werden können. Jedoch gibt es ke<strong>in</strong>e automatisierte Kunden<strong>in</strong>formation bei<br />
Verspätungen. <strong>Der</strong> Kunde profitiert d<strong>an</strong>n von dem System, wenn er die T&T-<br />
Daten über das Internet abruft oder wenn er von se<strong>in</strong>em lokalen Verkaufsagenten<br />
aufmerksam gemacht wird. <strong>Die</strong> Kommunikation mit dem Kunden läuft häufig per<br />
Telefon und auch <strong>in</strong>tern wird bei möglichen Verzögerungen im Zweifelsfalle<br />
<strong>an</strong>gerufen.<br />
<strong>Die</strong> SWC möchte die <strong>Visibilität</strong> ihres <strong>Logistik</strong>-Netzwerks weiterh<strong>in</strong> erhöhen. E<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten wird diskutiert:<br />
• Cargo 2000:<br />
SWC ist Mitglied der IATA (International Air Tr<strong>an</strong>sport Association)<br />
Projektgruppe Cargo 2000, welche e<strong>in</strong>e Verbesserung der <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der<br />
194 http://www.unitpool.ch, Zugriff am 25.10.2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 67<br />
Luftfrachtkette <strong>an</strong>strebt. <strong>Die</strong> Umsetzung des gepl<strong>an</strong>ten Vorgehens soll<br />
<strong>in</strong>nerhalb von drei Phasen ablaufen. Zurzeit bef<strong>in</strong>det sich das teilnehmende<br />
Konsortium größtenteils <strong>in</strong> der Phase e<strong>in</strong>s. In der dritten Phase werden<br />
nicht mehr Sendung sondern Packstücke verfolgt. <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong> erhöht<br />
sich bzgl. der Ladungsträger-Gr<strong>an</strong>ularität.<br />
• Datenqualität:<br />
Bei der Qualität der T&T-Daten besteht weiterer Verbesserungsbedarf.<br />
RFID wäre e<strong>in</strong>e Möglichkeit, weil die Ident-Nummer der ULD auch<br />
m<strong>an</strong>uell e<strong>in</strong>gegeben wird, wenn der Conta<strong>in</strong>er ungünstig liegt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
werden die ULD von dem Unternehmen Swissport und nicht von SWC<br />
verwaltet. Schlechte Daten rühren jedoch häufig von abgelegenen Stationen<br />
her, z. B. <strong>in</strong> Afrika, die Probleme mit der technischen Infrastruktur (EDI)<br />
haben.<br />
• Integration von verw<strong>an</strong>dten Systemen:<br />
Wenn für e<strong>in</strong>e Sendung gespeichert ist, dass sie sich auf e<strong>in</strong>em bestimmten<br />
Flug mit e<strong>in</strong>er bestimmten Flugnummer bef<strong>in</strong>det, d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n der Status des<br />
Fluges leicht abgefragt werden. <strong>Die</strong>s ist bei L<strong>an</strong>dtr<strong>an</strong>sporten, die von<br />
Subunternehmern durchgeführt werden, e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung.<br />
<strong>Die</strong> Subunternehmer haben zumeist ihre eigenen T&T-Systeme allerd<strong>in</strong>gs<br />
s<strong>in</strong>d diese nicht <strong>in</strong> das SWC-System <strong>in</strong>tegriert.<br />
• Automatische Kundenbenachrichtigung:<br />
Das T&T-System k<strong>an</strong>n weiter verbessert werden, wenn die Kunden durch<br />
e<strong>in</strong>e elektronische Nachricht <strong>in</strong>formiert werden, sobald e<strong>in</strong>e Lieferfrist<br />
nicht e<strong>in</strong>gehalten werden k<strong>an</strong>n. Dazu müssen im System entsprechende<br />
Soll-Zeiten h<strong>in</strong>terlegt werden.<br />
<strong>Der</strong> letztgen<strong>an</strong>nte Verbesserungspunkt ist e<strong>in</strong>e gute Überleitung zum Supply<br />
Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement (SCEM), welches auf T&T aufbaut und gerade für<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>t ist. <strong>Der</strong> entscheidende Schritt zur<br />
Erweiterung e<strong>in</strong>es T&T-Systems zum SCEM ist die Def<strong>in</strong>ition von Soll-Zeiten.<br />
Wenn e<strong>in</strong>e Abweichung von Ist- und Soll-Zeiten auftritt entsteht e<strong>in</strong> Event. <strong>Die</strong>se<br />
Events führen je nach Implementierung zu unterschiedlichen Reaktionen.<br />
E<strong>in</strong>erseits werden Mitarbeiter oder auch externe Partner über den Event<br />
<strong>in</strong>formiert, damit diese entsprechend reagieren können. Andererseits s<strong>in</strong>d auch
68<br />
Kapitel 4<br />
automatisierte Reaktionen denkbar, die beispielsweise bei e<strong>in</strong>em verpassten<br />
Anschluss e<strong>in</strong>e alternative Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das Ausführungssystem e<strong>in</strong>tragen.<br />
Neben T&T und SCEM verwenden <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister auch Cool Cha<strong>in</strong><br />
M<strong>an</strong>agement (CCM) Systeme, um den Tr<strong>an</strong>sport von verderblichen Waren zu<br />
kontrollieren. Dabei k<strong>an</strong>n CCM als e<strong>in</strong>e Erweiterung des T&T gesehen werden. In<br />
jedem E<strong>in</strong>trag wird neben der Information über den Aufenthaltsort auch e<strong>in</strong>e<br />
Temperatur gespeichert. Andererseits ist es bei vielen CCM-Anwendungen nicht<br />
erforderlich, dass die aktuelle Temperatur zu jeder Zeit onl<strong>in</strong>e abgefragt werden<br />
k<strong>an</strong>n. E<strong>in</strong>e ex post Betrachtung am Bestimmungsort, die nachweist, dass der<br />
Tr<strong>an</strong>sport stets <strong>in</strong>nerhalb der zulässigen Temperaturgrenzen abgelaufen ist, reicht<br />
häufig aus.<br />
Durch das Aufkommen des Internets <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren konnten <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Die</strong>nstleister auch neue Marktch<strong>an</strong>cen nutzen. „<strong>Die</strong> […] <strong>in</strong>formationsbasierten<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen versprechen nicht nur höhere Margen für den LDL [<strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Die</strong>nstleister] als klassische Leistungen, sondern sie be<strong>in</strong>halten auch weitere<br />
Potenziale für den Kunden und für den LDL wie bspw. höhere Term<strong>in</strong>treue,<br />
weniger <strong>Logistik</strong>störungen und effizientere Tr<strong>an</strong>saktionen.“ 195 Wenn durch das<br />
Internet, also durch die Vernetzung von Computern, neue Marktch<strong>an</strong>cen<br />
aufkommen, d<strong>an</strong>n müssen durch die Vernetzung von realen Objekten mit<br />
Computer-<strong>Netzwerken</strong> weitere Ch<strong>an</strong>cen entstehen.<br />
Verb<strong>an</strong>dsaktivitäten<br />
Auch von den <strong>Logistik</strong>verbänden wird die Umsetzung von RFID gefördert. So hat<br />
die Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>Logistik</strong> (BVL) e<strong>in</strong>en Arbeitskreis RFID gebildet, <strong>an</strong> dem<br />
zahlreiche <strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen teilgenommen haben. Allerd<strong>in</strong>gs ist die<br />
Präsenz der <strong>Logistik</strong>unternehmen <strong>in</strong> der St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation EPCglobal<br />
ger<strong>in</strong>ger als die der Konsumgüter<strong>in</strong>dustrie. Im EPCglobal Board of Governors ist<br />
mit DHL nur e<strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>unternehmen vertreten. 196<br />
E<strong>in</strong>e für <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> bedeutende Verb<strong>an</strong>dsaktivität wurde<br />
bereits <strong>an</strong>gesprochen. Cargo 2000 ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den neunziger Jahren gestartete<br />
Projektgruppe der IATA (International Air Tr<strong>an</strong>sport Association), die sich zum<br />
Ziel gesetzt hat, die Luftfrachtbr<strong>an</strong>che auf geme<strong>in</strong>same und für den Kunden<br />
195 STRAUBE/FROHN (2004) S. 39.<br />
196 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org/about/board_of_governors.html, Zugriff am 27.06.2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 69<br />
nachprüfbare Qualitätsst<strong>an</strong>dards zu verpflichten. <strong>Die</strong>s soll erreicht werden, <strong>in</strong> dem<br />
die <strong>Visibilität</strong> im Netzwerk <strong>in</strong> drei Umsetzungsphasen erweitert wird: 197<br />
• Phase 1: Monitor<strong>in</strong>g von Flughafen-zu-Flughafen auf Basis des Master-<br />
Air-Waybill<br />
• Phase 2: Monitor<strong>in</strong>g von Tür-zu-Tür auf Basis des House-Air-Waybill<br />
• Phase 3: Monitor<strong>in</strong>g von Tür-zu-Tür auf Packstückebene<br />
Den Kern des Cargo 2000 Konsortiums bilden Flugl<strong>in</strong>ien wie Lufth<strong>an</strong>sa Cargo,<br />
Air Fr<strong>an</strong>ce Cargo, Air C<strong>an</strong>ada etc. sowie <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister, z. B. DHL,<br />
D<strong>an</strong>zas und Kühne&Nagel. H<strong>in</strong>zu kommen Frachtabfertigungsunternehmen, die<br />
als „assoziierte“ Mitglieder beteiligt s<strong>in</strong>d. Das Konsortium strebt <strong>an</strong>, den<br />
assoziierten Kreis um Industrieunternehmen zu erweitern.<br />
Mit über 30 Teilnehmern werden die Umsetzungsch<strong>an</strong>cen von Br<strong>an</strong>chenexperten<br />
als sehr positiv e<strong>in</strong>gestuft. 198 <strong>Die</strong> Phase e<strong>in</strong>s ist bereits <strong>an</strong> über 300 Stationen <strong>in</strong> 75<br />
Städten umgesetzt. 199 Phase zwei betrifft <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nst-<br />
leistungsunternehmen. Hier hat sich Kühne&Nagel hervorget<strong>an</strong> und als erstes<br />
Unternehmen e<strong>in</strong> Monitor<strong>in</strong>g von Tür-zu-Tür umgesetzt. DHL D<strong>an</strong>zas Air &<br />
Oce<strong>an</strong> betreibt e<strong>in</strong> Pilotprojekt. <strong>Die</strong> übrigen <strong>Die</strong>nstleister warten noch ab. 200<br />
Das Cargo 2000 Projekt ist prädest<strong>in</strong>iert für den E<strong>in</strong>satz von RFID und laut<br />
Aussagen des ver<strong>an</strong>twortlichen Projektleiters bestehen erste Pläne RFID <strong>in</strong> die<br />
technischen Spezifikationen aufzunehmen. Außerdem ist die IATA im Gespräch<br />
mit EPC Global, um die Kompatibilität zwischen EPC-St<strong>an</strong>dard und Air-Waybill<br />
sicherzustellen. 201<br />
E<strong>in</strong>satz von RFID <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>br<strong>an</strong>che<br />
In e<strong>in</strong>igen Bereichen ist der E<strong>in</strong>satz von RFID, <strong>in</strong>sbesondere der<br />
Aktivtechnologie, bereits etabliert. So hat die oben erwähnte Studie über T&T-<br />
197 http://www.cargo2000.com, Zugriff am 25.10.2005.<br />
198 SIEGMUND (2005).<br />
199 CESANA (2004).<br />
200 SIEGMUND (2005).<br />
201 E-Mail-Kommunikation mit Ron Ces<strong>an</strong>a, Project Director Cargo 2000, vom 25.08.2005.
70<br />
Kapitel 4<br />
Systeme ergeben, dass 5% der befragten Unternehmen ihre Systeme mit RFID-<br />
Daten speisen. 202<br />
<strong>Die</strong> <strong>Logistik</strong>er wollen auch von den aktuellen RFID-Initiativen der Industrie<br />
profitieren, <strong>in</strong>sbesondere im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der Passivtechnologie. <strong>Die</strong><br />
Zeitschrift „<strong>Logistik</strong> für Unternehmen“ berichtet über RFID-Feldversuche von<br />
ABX Logistics, der BLG Logistics Group und TNT Express. 203 Tabelle 7 zeigt<br />
e<strong>in</strong>e Aufstellung der „<strong>Logistik</strong> <strong>in</strong>side“, die über RFID-Erfahrungen von <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Die</strong>nstleistern <strong>in</strong>formiert.<br />
Unternehmen<br />
Internetadresse<br />
DHL<br />
dhl.de<br />
UPS<br />
ups.de<br />
TNT<br />
tnt.de<br />
Kühne&Nagel<br />
licon-logistics.de<br />
Scheren<br />
scheren.de<br />
Schenker<br />
schenker.de<br />
Projekte<br />
Für die Kunden Johnson & Johnson und Dr. Oetker beteiligt am Metro-<br />
Projekt. Textilwarenprojekt <strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kreich mit Véronique Delachaux. Großer<br />
Feldversuch im Paketbereich <strong>in</strong> Engl<strong>an</strong>d. Projekt im Bereich<br />
Mehrwegtr<strong>an</strong>sportbehälter im DHL-Lager <strong>in</strong> Oschatz. Start e<strong>in</strong>es Ch<strong>in</strong>a-<br />
Projektes <strong>in</strong> diesem Jahr.<br />
Während bei UPS bisher nur die Nutzung aktiver und passiver Tr<strong>an</strong>sponder<br />
zur Überwachung von Fahrzugbewegungen und Lokationen im Fokus der<br />
Betrachtung st<strong>an</strong>den, wird seit 2003 die Nutzung von RFID im Supply Cha<strong>in</strong><br />
M<strong>an</strong>agement und Small Package Delivery Bus<strong>in</strong>ess geprüft. <strong>Die</strong> Tests werden<br />
vor allem im US-amerik<strong>an</strong>ischen Atl<strong>an</strong>ta durchgeführt.<br />
Ende April Abschluss von sechs Projekten mit Kunden aus den Br<strong>an</strong>chen<br />
Hightech, Automotive, Telekommunikation und Pharma. <strong>Die</strong> Tests erfolgten<br />
<strong>in</strong> den USA, Fr<strong>an</strong>kreich, Großbrit<strong>an</strong>nien, Deutschl<strong>an</strong>d, Niederl<strong>an</strong>den,<br />
sk<strong>an</strong>d<strong>in</strong>avischen Ländern und Ch<strong>in</strong>a. <strong>Die</strong> Projekte sollen weitergeführt<br />
werden.<br />
RFID-Pilotprojekt mit dem Druckerhersteller Océ und dem<br />
Luftfrachtunternehmen Lufth<strong>an</strong>sa Cargo. Test der RFID-Praxistauglichkeit<br />
entl<strong>an</strong>g e<strong>in</strong>er tr<strong>an</strong>satl<strong>an</strong>tischen Lieferkette von München nach Mount Laurel<br />
im US-amerik<strong>an</strong>ischen Bundesstaat New Jersey. RFID-Forschung im Rahmen<br />
der Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Licon.<br />
202 BRETZKE/STÖLZLE et al. (2003) S. 17.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Die</strong>nstleister für Warehouselogistik ist für se<strong>in</strong>en Kunden<br />
GlaxoSmithKl<strong>in</strong>e am Metro-RFID-Projekt beteiligt. Auszeichnung der<br />
Tr<strong>an</strong>sport- und Verpackungse<strong>in</strong>heiten nach dem St<strong>an</strong>dard EPC-SSCC-96.<br />
RFID-Projekt im Bereich der Umzugslogistik von Museen. E<strong>in</strong>satz von RFID<br />
im Stückgutbereich bisher nicht vorgesehen.<br />
203 <strong>Logistik</strong> für Unternehmen (2005), Heft 7/8, S. 46-48.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 71<br />
TTS<br />
tts.de<br />
Für den Kunden Nestlé ist TTS Global Logistics am Metro-RFID-Projekt<br />
beteiligt. Test der neuartigen Flag-Tags zur Erhöhung der Lesbarkeit.<br />
Tabelle 7: Beispiele von RFID-Aktivitäten bei <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleistern 204<br />
Im deutschsprachigen Raum wird DHL als RFID-Vorreiter gesehen. <strong>Die</strong>se<br />
Wahrnehmung hängt u. a. mit dem starken Engagement im Rahmen der Metro<br />
Future Store Initiative zusammen. Wie die Tabelle zeigt agieren alle <strong>Die</strong>nstleister<br />
bis auf UPS geme<strong>in</strong>sam mit ihren Kunden. Im Bereich Fracht und<br />
Kontraktlogistik ist die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es Kunden unumgänglich, um e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>novatives Thema wie RFID <strong>an</strong>zustoßen.<br />
Fazit<br />
Das M<strong>an</strong>agen von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> ist das Kerngeschäft der <strong>Logistik</strong>br<strong>an</strong>che.<br />
Mit Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g ist bei vielen Unternehmen e<strong>in</strong>e Anwendung <strong>in</strong>stalliert, die<br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> das eigene Netzwerk br<strong>in</strong>gt. Weil diese T&T-Systeme mit<br />
Zust<strong>an</strong>dsdaten über das <strong>Logistik</strong>netzwerk gespeist werden müssen, besteht hier<br />
der erste Anknüpfungspunkt für RFID. Für die Luftfrachtkette ist mit Cargo 2000<br />
e<strong>in</strong>e Initiative <strong>in</strong>s Leben gerufen wurden, welche die <strong>Visibilität</strong> stückweise<br />
erhöhen wird. Auch hier k<strong>an</strong>n RFID als mögliche Form der Datenerfassung<br />
<strong>an</strong>gesehen werden.<br />
Grundsätzlich sollte jedoch <strong>an</strong>gemerkt werden, dass <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleistungs-<br />
unternehmen <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e hohen Margen erwirtschaften und deshalb<br />
schlecht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>novative Themen wie RFID vor<strong>an</strong>zutreiben. Deshalb<br />
suchen sich die <strong>Die</strong>nstleister Partnerunternehmen auf der Kundenseite, um im<br />
Verbund Pilotprojekte <strong>an</strong>zustoßen. E<strong>in</strong>e Ausnahme stellen Unternehmen im KEP-<br />
Bereich dar, deren <strong>Die</strong>nstleistungen stärker st<strong>an</strong>dardisiert s<strong>in</strong>d, sodass Ansprüche<br />
e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Kunden weniger <strong>in</strong>s Gewicht fallen.<br />
Zusammenfassend hat die <strong>Logistik</strong>br<strong>an</strong>che e<strong>in</strong>en großen Anteil <strong>an</strong> den Themen<br />
<strong>Visibilität</strong> und RFID. Allerd<strong>in</strong>gs wird es ihr schwer fallen der Impulsgeber zu<br />
werden. Denn am Ende ist der <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> für den <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Die</strong>nstleister immer so hoch wie der Preis, den der Kunde bereit ist dafür zu<br />
bezahlen.<br />
204 KRANKE (2005).
72<br />
4.1.3 Pharmazeutische Industrie<br />
Kapitel 4<br />
In der Pharma Supply Cha<strong>in</strong> besteht aktuell e<strong>in</strong>e Reihe von Herausforderungen,<br />
für die RFID e<strong>in</strong>e Lösung bedeuten k<strong>an</strong>n. Es geht um Reimport, <strong>Die</strong>bstahl,<br />
Rückverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit. Alle diese Themen profitieren von<br />
e<strong>in</strong>er verbesserten <strong>Visibilität</strong>.<br />
Neben der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che ist der Bereich Healthcare Life Sciences die<br />
zweite Bus<strong>in</strong>ess Action Group (HLS BAG) von EPCglobal: „The mission of the<br />
HLS BAG is to identify Healthcare <strong>an</strong>d Life Science end-user bus<strong>in</strong>ess<br />
requirements to the EPCglobal st<strong>an</strong>dards development process <strong>an</strong>d promote the<br />
adoption <strong>an</strong>d implementation of the EPC <strong>an</strong>d the elements of the EPCglobal<br />
Network.“ 205 <strong>Die</strong> Entwicklungen s<strong>in</strong>d noch nicht so weit fortgeschritten wie <strong>in</strong> der<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che und mit der Novartis Pharma AG sowie Johnson & Johnson<br />
kommen nur zwei Mitglieder des EPCglobal Board of Governors aus der<br />
Pharma<strong>in</strong>dustrie. 206<br />
In der Verg<strong>an</strong>genheit war die Pharmabr<strong>an</strong>che weniger auf operative Effizienz und<br />
exzellente <strong>Logistik</strong> <strong>an</strong>gewiesen als <strong>an</strong>dere Br<strong>an</strong>chen. <strong>Die</strong> Deckungsbeiträge s<strong>in</strong>d<br />
hoch und die größten Ausgabenblöcke s<strong>in</strong>d Forschung, Entwicklung und<br />
Market<strong>in</strong>g. <strong>Die</strong> Bemühungen der Hersteller konzentrieren sich auf Blockbuster,<br />
also auf Wirkstoffe, die e<strong>in</strong>en Jahresumsatz von über 1 Mrd. USD erzielen.<br />
Themen wie Le<strong>an</strong> Production und Operational Excellence halten erst <strong>in</strong> jüngster<br />
Zeit E<strong>in</strong>zug. Aktuell steht die Novartis AG beispielsweise vor der<br />
Herausforderung ihre Durchlaufzeiten von zwölf auf sechs Monate zu<br />
reduzieren. 207<br />
Typische Anwendungen<br />
<strong>Die</strong> Basis<strong>an</strong>wendung <strong>in</strong> der Pharma<strong>in</strong>dustrie, bei der <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk gefordert ist, stellt die Rückverfolgbarkeit von Arzneimitteln dar. <strong>Die</strong><br />
durch gesetzliche Auflagen geforderte Rückverfolgbarkeit wird von den<br />
Pharmaunternehmen bereits heute erfüllt; allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den meisten Fällen noch<br />
nicht <strong>in</strong> Echtzeit. Wenn e<strong>in</strong> Schadensfall auftritt k<strong>an</strong>n die Ursache durch<br />
205 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org/action_groups/hls_bag.html, Zugriff am 30.08.2005.<br />
206 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org/about/board_of_governors.html, Zugriff am 27.06.2005.<br />
207 Interview mit Kurt W. Reber, Head of Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement, Global Operations, Novartis<br />
Pharama AG, vom 14. April 2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 73<br />
Chargennummer und Aufzeichnungen <strong>in</strong> verschiedenen Systemen nachvollzogen<br />
werden. Bei Roche Pharma gibt es etwa drei bis vier Rückrufaktionen im Jahr.<br />
Leider k<strong>an</strong>n dabei nie vollständig sichergestellt werden, dass wirklich alle<br />
Medikamente vom Markt genommen wurden. Es können immer noch Packungen<br />
bei e<strong>in</strong>zelnen Apotheken gelagert se<strong>in</strong>. 208<br />
<strong>Die</strong> Hoffung besteht auch, dass e<strong>in</strong>e durch RFID erzeugte <strong>Visibilität</strong> die negativen<br />
Folgen von Re- und Parallelimporten verm<strong>in</strong>dert. Reimport ist e<strong>in</strong> Phänomen, das<br />
durch unterschiedliche Markpreise <strong>in</strong> unterschiedlichen Ländern für das gleiche<br />
Arzneimittel zust<strong>an</strong>de kommt. Beispielsweise stellt e<strong>in</strong> Deutsches Pharmaunter-<br />
nehmen e<strong>in</strong> bestimmtes Medikament her, das <strong>in</strong> Sp<strong>an</strong>ien zu e<strong>in</strong>em um 30%<br />
reduzierten Preis verkauft wird. <strong>Die</strong> unterschiedlichen Marktpreise s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
meisten Fällen auf unterschiedliche gesetzliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zurückzuführen. E<strong>in</strong> Reimporteur kauft dieses Produkt nun <strong>in</strong> Sp<strong>an</strong>ien, tauscht die<br />
Schachtel und den Beipackzettel aus und verkauft es zu e<strong>in</strong>em um 20%<br />
reduzierten Preis <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d. <strong>Die</strong>se H<strong>an</strong>dlung ist legal und wird <strong>in</strong><br />
Deutschl<strong>an</strong>d von staatlicher Seite sogar gefördert, um den Kostendruck im<br />
Gesundheitswesen zu reduzieren. 209 <strong>Die</strong> Pharmaunternehmen sehen diese<br />
Entwicklung sehr kritisch, nicht nur weil ihre Margen unter der<br />
Reimportkonkurrenz leiden, sondern weil sie um das Wohl der Kunden und das<br />
Vertrauen <strong>in</strong> ihren Markennamen besorgt s<strong>in</strong>d. Unsachgemäß reimportierte Waren<br />
können den Patienten schädigen. <strong>Die</strong>se Schädigung geht direkt zu Lasten des<br />
Herstellers, obwohl dieser ke<strong>in</strong>e Kontrolle über den Lieferprozess hat. E<strong>in</strong>e<br />
erhöhte <strong>Visibilität</strong> ließe Schwachstellen im System leichter aufdecken.<br />
<strong>Die</strong>bstähle s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Pharma<strong>in</strong>dustrie besonders kritisch, weil die Arzneimittel<br />
auf dem Schwarzmarkt weiter verkauft werden und ebenfalls das Ansehen des<br />
Herstellers schädigen können.<br />
Fälschungssicherheit ist e<strong>in</strong> weiterer Punkt, der im Zusammenh<strong>an</strong>g mit RFID<br />
häufig gen<strong>an</strong>nt wird. Durch entsprechende Programmierungen auf dem RFID-<br />
Chip k<strong>an</strong>n die Identität e<strong>in</strong>es Tags jederzeit e<strong>in</strong>deutig bestimmt werden.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs gibt es beim Thema Fälschungssicherheit viel versprechende<br />
Alternativtechnologien wie Hologramme, Wasserzeichen oder auch Barcodes<br />
208 Interview mit Mathieu Am<strong>an</strong>, Head of Distribution & Tr<strong>an</strong>sport, Supply Center Specialties,<br />
F. Hoffm<strong>an</strong>n-La Roche AG, vom 19. Mai 2005.<br />
209 VFA (2004).
74<br />
Kapitel 4<br />
direkt auf der Tablette, die ihre jeweiligen Vorteile gegenüber RFID haben. 210 Für<br />
Novartis ist RFID als „Anti-Counterfeit<strong>in</strong>g Tool“ zurzeit jedenfalls noch zu<br />
teuer. 211<br />
Umsetzungsst<strong>an</strong>d<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung von RFID <strong>in</strong> der Pharma Supply Cha<strong>in</strong> ist noch <strong>in</strong> ihren<br />
Anfängen. E<strong>in</strong>ige Unternehmen haben mit Pilotprojekten bereits begonnen.<br />
Andere warten noch ab. Beispielsweise hat die Hoffm<strong>an</strong>n-La Roche AG bezüglich<br />
RFID noch ke<strong>in</strong>en Entscheid gefällt. Wahrsche<strong>in</strong>lich wird es bis zum ersten<br />
Piloten noch zwei bis drei Jahre dauern. 212<br />
Novartis beg<strong>in</strong>nt zurzeit e<strong>in</strong>en RFID-Prototyp. <strong>Die</strong> Aktivitäten laufen im Rahmen<br />
von Jumpstart, e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dustriellen Arbeitskreis, der von Accenture und M<strong>an</strong>hatt<strong>an</strong><br />
Associates begleitet wird. 213 E<strong>in</strong>e der ersten Aufgaben besteht dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
st<strong>an</strong>dardisierte Verpackungshierarchie aufzubauen, vom „Blister“ über<br />
Faltschachtel, Umkarton, Vers<strong>an</strong>dpaket bis zur Palette, um jeweils passende<br />
Identifikatoren zu def<strong>in</strong>ieren. <strong>Die</strong>ser Prozess läuft <strong>in</strong> Abstimmung mit der<br />
Bus<strong>in</strong>ess Action Group von EPCglobal. Dabei geht es u. a. um RFID-<br />
Frequenzbereiche und deren Zuordnung zu der Verpackungshierarchie. Novartis<br />
möchte mit dem Piloten <strong>in</strong> 2006 „live gehen“ und rechnet Anf<strong>an</strong>g 2007 mit e<strong>in</strong>em<br />
Roll-out. Das Unternehmen sieht sich nicht als „Early Adopter“ sondern eher als<br />
„Fast Follower“. 214<br />
Allerd<strong>in</strong>gs besteht e<strong>in</strong>e Reihe von Umsetzungshemmnissen für mehr <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong><br />
der Pharma Supply Cha<strong>in</strong>. In den e<strong>in</strong>zelnen Ländern s<strong>in</strong>d die Wege vom<br />
Produzenten bis zur Verkaufsstelle, also im Falle von verschreibungspflichtigen<br />
Medikamenten zu den Apotheken, sehr unterschiedlich. In Schweden gibt es<br />
beispielsweise nur e<strong>in</strong>en Arzneimittelgroßhändler, welcher sich im Staatsbesitz<br />
bef<strong>in</strong>det. Im Gegenzug s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong> Italien ca. 250 Großhändler. In e<strong>in</strong>igen Ländern,<br />
210 HOTCHKISS (2005).<br />
211 Interview mit Kurt W. Reber, Head of Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement, Global Operations, Novartis<br />
Pharama AG, vom 14. April 2005.<br />
212 Interview mit Mathieu Am<strong>an</strong>, Head of Distribution & Tr<strong>an</strong>sport, Supply Center Specialties,<br />
F. Hoffm<strong>an</strong>n-La Roche AG, vom 19. Mai 2005.<br />
213 CATON (2004).<br />
214 Interview mit J. Scott Cameron, Global Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement, Head of Information M<strong>an</strong>agement,<br />
Novartis Pharama AG, vom 14. April 2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 75<br />
z. B. Deutschl<strong>an</strong>d, können Apotheken per Gesetz ke<strong>in</strong>e weiteren Filialen eröffnen,<br />
deshalb liegt der Po<strong>in</strong>t-of-Sale immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>unternehmen. Es ist sehr<br />
schwierig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Umfeld e<strong>in</strong>heitliche Prozessst<strong>an</strong>dards von der<br />
Produktion bis zum Konsumenten zu etablieren. Beispielsweise gibt es e<strong>in</strong>en sehr<br />
starken Verzug, bis die monatlichen Abverkaufszahlen e<strong>in</strong>es Arzneimittels für den<br />
Hersteller verfügbar s<strong>in</strong>d. Heute beziehen die Hersteller diese Informationen über<br />
Marktforschungs<strong>in</strong>stitute wie beispielsweise IMS. 215 <strong>Die</strong>se Sammeln<br />
Arzneimittelverschreibungen und generieren daraus Marktdaten. Wegen der<br />
fragmentierten Vertriebsk<strong>an</strong>äle gibt es ke<strong>in</strong>e <strong>an</strong>dere Möglichkeit. „Therefore the<br />
adoption of RFID could be pushed / <strong>in</strong>fluenced through these org<strong>an</strong>izations to<br />
obta<strong>in</strong> better, faster, <strong>an</strong>d cheaper data collection methods that would <strong>in</strong>crease the<br />
value of RFID for the pharmaceutical <strong>in</strong>dustry.“ 216<br />
E<strong>in</strong>fluss des Gesetzgebers<br />
Gerade <strong>in</strong> den USA wird die Umsetzung von RFID sehr stark durch den E<strong>in</strong>fluss<br />
des Gesetzgebers getrieben. <strong>Die</strong> Food <strong>an</strong>d Drug Adm<strong>in</strong>istration (FDA), welche <strong>in</strong><br />
den Vere<strong>in</strong>igenten Staaten für die Zulassung von Arzneimittel ver<strong>an</strong>twortlich ist,<br />
hat im November 2004 e<strong>in</strong>en Compli<strong>an</strong>ce Policy Guide 217 herausgegeben, um die<br />
Pharma Supply Cha<strong>in</strong> <strong>in</strong> den USA mittels RFID besser zu schützen. 218 <strong>Die</strong> Policy<br />
ermöglicht es den Partner <strong>in</strong> der Pharma Supply Cha<strong>in</strong> RFID e<strong>in</strong>zusetzen, ohne<br />
spezielle Genehmigungen von der FDA e<strong>in</strong>hollen zu müssen. Sie erzw<strong>in</strong>gt den<br />
E<strong>in</strong>satz jedoch nicht, vielmehr erlaubt die bis Ende 2007 geltende Policy den<br />
Unternehmen, Pilotprojekte zu starten und Erfahrungen mit RFID zu sammeln.<br />
<strong>Die</strong> FDA streicht <strong>in</strong>sbesondere heraus, dass RFID neben weiteren Technologien<br />
helfen k<strong>an</strong>n, Produktfälschungen zu vermeiden. 219<br />
Weiterh<strong>in</strong> haben die Bundesstaaten Colorado, Florida, Kalifornien, New Mexico<br />
und Nevada Pedigree-Gesetze verabschiedet, welche die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der Supply<br />
Cha<strong>in</strong> weiter erhöhen. Hierbei werden Groß- und Zwischenhändler <strong>in</strong> die Pflicht<br />
genommen, „Stammbäume“ für die vertriebenen Produkte zu führen. Darüber<br />
215 http://www.imshealth.com, Zugriff am 25.10.2005.<br />
216 Interview mit Kurt W. Reber, Head of Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement, Global Operations, Novartis<br />
Pharama AG, vom 14. April 2005.<br />
217 http://www.fda.gov/ora/compli<strong>an</strong>ce_ref/cpg/cpgdrg/cpg400-210.html, Zugriff am 30.08.2005.<br />
218 http://www.fda.gov/bbs/topics/news/2004/NEW01133.html, Zugriff am 30.08.2005.<br />
219 KORONEOS (2004).
76<br />
Kapitel 4<br />
k<strong>an</strong>n die Herkunft der Arzneimittel bestimmt werden. 220 Obwohl das Pedigree-<br />
Gesetz häufig im Zusammenh<strong>an</strong>g mit RFID gen<strong>an</strong>nt wird, muss <strong>an</strong>merkt werden,<br />
dass es noch ke<strong>in</strong>e Verfolgungen von e<strong>in</strong>zelnen Verpackungen vorsieht und dass<br />
auch ohne RFID die Anforderungen erfüllt werden können. 221<br />
<strong>Die</strong> strengsten gesetzlichen Auflagen zur Arzneimittelrückverfolgen bestehen<br />
derzeit <strong>in</strong> Italien. <strong>Die</strong> Hersteller müssen jede Verkaufse<strong>in</strong>heit mit e<strong>in</strong>em Label<br />
kennzeichnen, dem so gen<strong>an</strong>nten „Boll<strong>in</strong>i“, welches neben der<br />
Produktidentifikation auch über e<strong>in</strong>e Seriennummer verfügt. <strong>Der</strong> Staat produziert<br />
die Boll<strong>in</strong>i und gibt sie <strong>an</strong> die Hersteller heraus, um Betrug und Missbrauch zu<br />
m<strong>in</strong>imieren. <strong>Die</strong> Entwicklung läuft <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>es staatlichen<br />
Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g-Systems. 222<br />
Fazit<br />
<strong>Die</strong> Pharmabr<strong>an</strong>che ist prädest<strong>in</strong>iert für die Umsetzung von RFID. Aktuelle<br />
Problemfelder wie Produkthaftung, Fälschungssicherheit und Schwund treiben die<br />
E<strong>in</strong>führung vor<strong>an</strong>. H<strong>in</strong>zu kommen <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den USA Initiativen auf<br />
staatlicher Seite wie die Gesetzgebung zum „Electronic Pedigree“ und der<br />
Compli<strong>an</strong>ce Guide der FDA.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs stehen e<strong>in</strong>er schnellen Adaption auch e<strong>in</strong>ige Punkte entgegen. Zum<br />
e<strong>in</strong>en ist die Br<strong>an</strong>che traditionell eher auf F&E und Market<strong>in</strong>g als auf das<br />
operative Geschäft ausgerichtet. Bemühungen im operativen Bereich<br />
konzentrieren sich zunächst auf die Produktion und weniger auf die <strong>Logistik</strong>.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt die zerklüftete Struktur der Supply Cha<strong>in</strong> <strong>in</strong> Richtung Kunde.<br />
Viel versprechend s<strong>in</strong>d die Bemühungen im verw<strong>an</strong>den Health Care Bereich. E<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Anwendungsmöglichkeiten <strong>in</strong> Kr<strong>an</strong>kenhäusern wird derzeit<br />
untersucht. 223 Beispiel<strong>an</strong>wendungen s<strong>in</strong>d die kontrollierte Verabreichung von<br />
Arzneimitteln sowie das M<strong>an</strong>agement von Kr<strong>an</strong>kenhaus-Assets. <strong>Die</strong> Initiativen<br />
werden sich auf die <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>strengungen der Pharma-Br<strong>an</strong>che auswirken.<br />
220 HOTCHKISS (2005).<br />
221 Interview mit Kurt W. Reber, Head of Supply Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement, Global Operations, Novartis<br />
Pharama AG, vom 14. April 2005.<br />
222 http://www.th<strong>in</strong>kpackag<strong>in</strong>g.com/view_news.php?news_id=513, Zugriff am 23.09.2005.<br />
223 HARROP (2005).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 77<br />
4.2 Auswahl und Erarbeitung der Fallbeispiele<br />
Fallbeispiele über den E<strong>in</strong>satz von RFID <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> s<strong>in</strong>d heute über<br />
das Internet leicht verfügbar. 224 Allerd<strong>in</strong>gs zielen die meisten Beispiele im Internet<br />
nicht direkt auf den Aspekt <strong>Visibilität</strong> ab. Für die vorliegende Forschungsarbeit ist<br />
es wichtig, dass bei den fünf vorgestellten Fallbeispielen die durch RFID<br />
verursachte <strong>Visibilität</strong>sveränderung detailliert beschrieben werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong><br />
Beispiele liefern e<strong>in</strong>en relev<strong>an</strong>ten Beitrag zur Be<strong>an</strong>twortung der Forschungsfrage.<br />
<strong>Die</strong>ser Beitrag kommt <strong>in</strong> Kapitel 5 <strong>in</strong> der Cross-Case-Analyse zur Geltung.<br />
4.2.1 <strong>Die</strong> Auswahlkriterien<br />
Für jedes Fallbeispiel e<strong>in</strong>zeln genommen gelten zunächst folgende Kriterien:<br />
Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades: In jedem Beispiel ist ersichtlich wie RFID<br />
den <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk verändert. Dabei ist <strong>an</strong>zumerken,<br />
dass die Beispiele so dokumentiert s<strong>in</strong>d, dass sie immer das Verhältnis des<br />
Unternehmens bzw. der öffentlichen E<strong>in</strong>richtung zu <strong>Visibilität</strong> und RFID als<br />
G<strong>an</strong>zes beschreiben. Für die Bestimmung des <strong>Visibilität</strong>sgrades wird wenigstens<br />
e<strong>in</strong>e konkrete Anwendungssituation herausgegriffen, welche für die E<strong>in</strong>stellung<br />
der Org<strong>an</strong>isation zu <strong>Visibilität</strong> von Bedeutung ist. Insbesondere wird die<br />
Veränderung der Datengr<strong>an</strong>ularität betrachtet.<br />
Nutzen der <strong>Visibilität</strong>sveränderung: <strong>Die</strong> Wirtschaftlichkeit e<strong>in</strong>er RFID-<br />
Anwendung misst sich u. a. dar<strong>an</strong> wie es der Org<strong>an</strong>isation gel<strong>in</strong>gt aus der<br />
zusätzlichen <strong>Visibilität</strong> e<strong>in</strong>en Nutzen zu generieren. In allen Beispielen ist deshalb<br />
der Nutzen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verhältnis zum <strong>Visibilität</strong>sgrad klar erkennbar. Es wird<br />
untersucht, ob es der Org<strong>an</strong>isation gel<strong>in</strong>gt, ihre Zielsetzung zu erreichen.<br />
<strong>Visibilität</strong>sstrategie: In jedem Beispiel ist erkennbar, dass die e<strong>in</strong>zelnen Initiativen<br />
und Anwendungen Teil e<strong>in</strong>er <strong>Visibilität</strong>sstrategie s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> Kenntnis dieser<br />
Strategien erlaubt e<strong>in</strong>e bessere Beurteilung der e<strong>in</strong>zelnen Anwendungen und<br />
<strong>Visibilität</strong>sveränderungen. Insbesondere wird vorgestellt, welches die nächsten<br />
Schritte der jeweiligen Org<strong>an</strong>isation s<strong>in</strong>d.<br />
Erfassungsmethode: Jedes Fallbeispiel muss methodisch sauber erfasst se<strong>in</strong>. Dabei<br />
kommen unterschiedliche Forschungsmethoden wie Interviews, Beobachtungen<br />
224 Z. B. über: www.rfidjournal.com, www.idtechex.com, www.aimglobal.org oder <strong>in</strong> D-A-CH:<br />
www.logistik-<strong>in</strong>side.de, www.m-lab.ch, www.computerwelt.at, Zugriffe am 23.09.2005.
78<br />
Kapitel 4<br />
und Recherchen zum E<strong>in</strong>satz. Wichtig s<strong>in</strong>d die Korrektheit jeder e<strong>in</strong>zelnen<br />
Methode sowie deren Tri<strong>an</strong>gulation im Verbund.<br />
Für das Set <strong>an</strong> Fallbeispielen als G<strong>an</strong>zes gelten weiterh<strong>in</strong> die Kriterien:<br />
Bek<strong>an</strong>ntheitsgrad: Damit ist geme<strong>in</strong>t, dass <strong>in</strong>nerhalb des Sets genügend Beispiele<br />
auftauchen, welche <strong>in</strong> Theorie und Praxis derzeit ausgiebig diskutiert werden.<br />
Dadurch wird beim Leser e<strong>in</strong> Wiedererkennungseffekt erzeugt und es entstehen<br />
Anknüpfungspunkte. <strong>Der</strong> Wiedererkennungseffekt bezieht sich auf das Set als<br />
G<strong>an</strong>zes, sodass die Bek<strong>an</strong>ntheit e<strong>in</strong>zelner Beispiele ausreichend<br />
Anknüpfungspunkte bietet.<br />
Unterschiedliche Wertschöpfungsstufen: Das Set deckt unterschiedliche Stufen<br />
der Wertschöpfung ab. Es reicht von der Produktionslogistik über die Distribution<br />
e<strong>in</strong>es Herstellers bis zum H<strong>an</strong>del. Zusätzlich wird e<strong>in</strong> Beispiel aus der Militär-<br />
<strong>Logistik</strong> gezeigt.<br />
Unterschiedliche Reifegrade: Das Set beschreibt <strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiativen, die sich<br />
auf unterschiedlichen Reifegraden bewegen. Das Spektrum reicht von RFID-<br />
Studien und Pilot<strong>an</strong>wendungen bis h<strong>in</strong> zu Roll-outs und etablierten<br />
Anwendungen. <strong>Die</strong>ses Kriterium stellt die Untersuchung auf e<strong>in</strong>e breitere Basis.<br />
4.2.2 Durchführung und Struktur der Fallbeispiele<br />
<strong>Die</strong> Dokumentation der Fallbeispiele besitzt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Struktur. <strong>Die</strong>ses<br />
Beschreibungsmodell ist unabhängig von der jeweils e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Erfassungsmethode. Es beschreibt zunächst die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der<br />
Unternehmung und greift sich d<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e bestimmte <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung heraus,<br />
<strong>an</strong> der die Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades untersucht wird. <strong>Die</strong> Beschreibung<br />
endet mit der <strong>Visibilität</strong>sstrategie und e<strong>in</strong>er kurzen Zusammenfassung.<br />
<strong>Der</strong> Aufbau des Beschreibungsmodells spiegelt sich <strong>in</strong> den Interviewleitfäden<br />
wider, welche <strong>in</strong> den Expertengesprächen zum E<strong>in</strong>satz kamen. <strong>Die</strong><br />
Interviewpartner erhielten diese vor der Durchführung der Gespräche, wodurch<br />
e<strong>in</strong>e vollständige und strukturierte Erfassung aller relev<strong>an</strong>ten Daten erleichtert<br />
wurde. Das Beschreibungsmodell war auch die Vorgabe der Bachelorarbeit,<br />
welche die Grundlage für den Fall des Metro-Liefer<strong>an</strong>ten liefert. Auch die<br />
vorgenommenen Literaturrecherchen lassen sich <strong>in</strong> dieses Schema e<strong>in</strong>ordnen:<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen: Hier wird zunächst <strong>an</strong>alysiert, <strong>in</strong> welchem Umfeld die<br />
ausgewählte Unternehmung tätig ist. Gefragt s<strong>in</strong>d die Br<strong>an</strong>chensituation sowie das
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 79<br />
Profil des Unternehmens. H<strong>in</strong>zu kommt die strukturierte Erfassung der aktuellen<br />
Herausforderungen <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>. <strong>Die</strong>se geben H<strong>in</strong>weise auf die Stellen im<br />
<strong>Logistik</strong>-Netzwerk, die von zusätzlicher <strong>Visibilität</strong> profitieren können.<br />
<strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung: Wenigstens e<strong>in</strong>e Anwendung wird herausgegriffen,<br />
welche die <strong>Visibilität</strong> im Netzwerk mittels RFID erhöht. Hierzu gilt es zunächst<br />
die Anwendungslogik zu verstehen und die Zielsetzung herauszuarbeiten. D<strong>an</strong>ach<br />
werden die Prozesse und Org<strong>an</strong>isationse<strong>in</strong>heiten beschrieben, welche von der<br />
erhöhten <strong>Visibilität</strong> profitieren. H<strong>in</strong>zu kommen die Charakteristika der jeweils<br />
e<strong>in</strong>gesetzten Technologie.<br />
Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades: <strong>Die</strong>s ist der Nukleus e<strong>in</strong>es jeden Fallbeispiels.<br />
Neben der re<strong>in</strong>en Beschreibung der <strong>Visibilität</strong>sveränderung kommt e<strong>in</strong>e<br />
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung h<strong>in</strong>zu. Gesucht s<strong>in</strong>d die Kosten, welche den neuen<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad ermöglichen, sowie der Nutzen, der aus der erhöhten Sichtbarkeit<br />
resultiert.<br />
<strong>Visibilität</strong>sstrategie: An dieser Stelle wird zunächst die herausgegriffene<br />
<strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung <strong>in</strong> die jeweilige Strategie e<strong>in</strong>geordnet. Gefragt s<strong>in</strong>d die<br />
Konsequenzen, welche aus der vorgestellten Anwendung gezogen werden, sowie<br />
die gepl<strong>an</strong>ten Weiterentwicklungen, welche für den zukünftigen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> entscheidend s<strong>in</strong>d.<br />
<strong>Die</strong> Dokumentation der e<strong>in</strong>zelnen Fallbeispiele wird durch e<strong>in</strong>e Zusammenfassung<br />
abgeschlossen. <strong>Die</strong> Verknüpfung mit der Theorie erfolgt <strong>in</strong> mehreren Cross-Case-<br />
Analysen <strong>in</strong> Kapitel 5.<br />
4.2.3 <strong>Die</strong> Beispiele im Überblick<br />
An dieser Stelle werden die Fallbeispiele <strong>in</strong> kurzer Form vorgestellt. Tabelle 8<br />
beschreibt die wesentlichen Merkmale und zeigt wie sie sich gegenseitig<br />
ergänzen.
80<br />
Metro<br />
Metro-<br />
Liefer<strong>an</strong>t<br />
Otto<br />
Department of<br />
Defense<br />
Inf<strong>in</strong>eon<br />
• Extra Future Store <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg<br />
- Smart Shelf<br />
- Warenflusskontrolle mit RFID<br />
• Gründung RFID Innovation Center <strong>in</strong> Neuss<br />
• RFID Roll-out<br />
• Metro RFID Roll-out<br />
• Behälterm<strong>an</strong>agement<br />
• Test der RFID-Lesefähigkeit unter<br />
Produktionsbed<strong>in</strong>gungen<br />
• Wirtschaftlichkeits<strong>an</strong>alyse<br />
• RFID-E<strong>in</strong>satz vom „Schmuckkäfig“ des DZ<br />
Hamburg bis <strong>in</strong> ausgewählte Depots<br />
• St<strong>an</strong>d-off visibility of conta<strong>in</strong>er contents<br />
• In-tr<strong>an</strong>sit visibility<br />
• Passiver RFID-E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> FISC Norfolk<br />
• RFID Roll-out<br />
<strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiativen<br />
• E<strong>in</strong>satz von RFID im DZ Grossostheim<br />
• „Smart“ Automation der Produktionslogistik<br />
• RFID <strong>in</strong> der „Bibliothekslogistik“<br />
Wertschöpfungsstufe<br />
-<br />
Filialprozess<br />
Distribution<br />
-<br />
Vers. - E<strong>in</strong>l.<br />
E<strong>in</strong>l. - Vers.<br />
Kom., Distr.,<br />
Retouren<br />
-<br />
E<strong>in</strong>l. - Vers.<br />
Kom., Vers.,<br />
Empf<strong>an</strong>g<br />
Nachschub<br />
Nachschub<br />
E<strong>in</strong>l. - Vers.<br />
Vers. - E<strong>in</strong>l.<br />
E<strong>in</strong>l. – Vers.<br />
Prod.-Log.<br />
Ausleihe –<br />
Rückgabe<br />
Reifegrad<br />
Pilot<br />
Pilot<br />
Pilot<br />
Live<br />
Roll-out<br />
Studie<br />
Pl<strong>an</strong>ung<br />
Feldversuch<br />
Studie<br />
Pilot<br />
Live<br />
Live<br />
Pilot/Live<br />
Roll-out<br />
Pilot<br />
Live<br />
RFID-<br />
Angebot<br />
Tabelle 8: Übersicht der Fallbeispiele<br />
Bek<strong>an</strong>ntheit<br />
Kapitel 4<br />
Erfassungsmethode<br />
Besichtigung,<br />
Gespräche,<br />
Reports<br />
Experten<strong>in</strong>terviews,Aktionsforschung<br />
Experten<strong>in</strong>terviews,<br />
Reports<br />
Literatur-<br />
Recherche,<br />
Reports<br />
Gespräche,<br />
Literatur-<br />
Recherche,<br />
Reports<br />
Da der H<strong>an</strong>del e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle bei der Umsetzung der passiven RFID-<br />
Technologie e<strong>in</strong>nimmt, s<strong>in</strong>d zwei Beispiele aus dieser Br<strong>an</strong>che dokumentiert. <strong>Die</strong><br />
Aktivitäten der Metro AG s<strong>in</strong>d im deutschen Sprachraum sehr prom<strong>in</strong>ent und<br />
dürfen deshalb nicht fehlen. Um die Metro Roll-out Pläne auch aus der Sicht der<br />
Hersteller zu dokumentieren, ist das Beispiel des Metro-Liefer<strong>an</strong>ten aufgeführt.<br />
Otto ist der führende Vers<strong>an</strong>dhändler <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d. Se<strong>in</strong>e Pilot<strong>an</strong>wendung<br />
eignet sich <strong>in</strong>sbesondere gut zur Messung von <strong>Visibilität</strong>seffekten.<br />
Das Fallbeispiel Department of Defense (DoD) ist aufgeführt, weil das Militär e<strong>in</strong><br />
wichtiger Impulsgeber für den E<strong>in</strong>satz von RFID ist. Mit der Aktivtechnologie hat<br />
das DoD sehr gute Erfahrungen gemacht und darauf aufbauend will es die<br />
<strong>Visibilität</strong> durch die Passivtechnologie weiter erhöhen. Als „big buyer“ hilft es<br />
e<strong>in</strong>e kritische Masse zu erzeugen. Das Inf<strong>in</strong>eon-Beispiel ist h<strong>in</strong>zugekommen, da es<br />
mit der Produktionslogistik e<strong>in</strong>en weiteren Teil der Wertschöpfung abdeckt.<br />
Durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von RFID und Ultraschall können die Positionen der<br />
Produktionslote jederzeit erfasst werden. <strong>Die</strong> m<strong>an</strong>uellen Prozesse werden <strong>in</strong><br />
Echtzeit gesteuert und nachvollzogen. Inf<strong>in</strong>eon spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenh<strong>an</strong>g
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 81<br />
von e<strong>in</strong>er „smarten“ Automatisierung der Produktion im Gegensatz zu e<strong>in</strong>er<br />
„harten“ Automatisierung mit Materialflusssystemen.<br />
4.3 Fallbeispiel Metro<br />
<strong>Die</strong> Metro AG ist das führende H<strong>an</strong>delsunternehmen <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d. Im Jahr<br />
2004 erzielte es e<strong>in</strong>en Konzernumsatz von 56,4 Mrd. EUR (5,3% mehr gegenüber<br />
dem Vorjahr), wovon 49% im Ausl<strong>an</strong>d erwirtschaftet wurden. 225 <strong>Der</strong> hohe<br />
Ausl<strong>an</strong>ds<strong>an</strong>teil, der <strong>in</strong> den letzten Jahren kont<strong>in</strong>uierlich zugenommen hat, spiegelt<br />
die aktuelle Unternehmensstrategie wider. Metro ist <strong>in</strong> 26 Ländern präsent und<br />
exp<strong>an</strong>diert „aggressiv“ <strong>in</strong> Osteuropa e<strong>in</strong>schließlich Russl<strong>an</strong>d und Asien. <strong>Die</strong><br />
Exp<strong>an</strong>sion stützt sich größtenteils auf org<strong>an</strong>isches Wachstum und konzentriert<br />
sich auf Abholgroßh<strong>an</strong>delsmärkte (Cash <strong>an</strong>d Carry). 226<br />
<strong>Die</strong> Metro AG ist <strong>in</strong> sechs strategischen Geschäftsfeldern aktiv: Metro Cash <strong>an</strong>d<br />
Carry, Real, Extra, Media-Saturn, Praktiker und Kaufhof. Das größte<br />
Wachstumspotential weisen die Sparten Cash <strong>an</strong>d Carry sowie der H<strong>an</strong>del mit<br />
Gebrauchsgegenständen und Elektrogeräten, Media-Saturn, auf. <strong>Der</strong><br />
Lebensmittele<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del Extra und die Baumarktkette Praktiker gelten als<br />
„Sorgenk<strong>in</strong>der“ im Konzern. 227 Im Oktober 2005 gibt die Konzernleitung Pläne<br />
bek<strong>an</strong>nt, das Tochterunternehmen Praktiker <strong>an</strong> die Börse zu br<strong>in</strong>gen. <strong>Die</strong><br />
Baumarktkette erzielt <strong>in</strong> den ersten neuen Monaten des Jahres 2005 e<strong>in</strong>en Umsatz<br />
von 2,3 Mrd. EUR. <strong>Die</strong> Pläne bee<strong>in</strong>flussen u. a. die Marktstellung des Konzerns <strong>in</strong><br />
Deutschl<strong>an</strong>d. 228<br />
Mitte der 90er Jahre hat die Metro AG entschieden, die logistische Kontrollsp<strong>an</strong>ne<br />
zwischen Händler und Hersteller weitgehend zu übernehmen. Bis dah<strong>in</strong> wurde die<br />
Ware <strong>in</strong> großen Teilen frei Haus bestellt, sodass die Lieferfrequenz <strong>an</strong> den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Filialen sehr hoch war. Beispielsweise musste e<strong>in</strong> Cash <strong>an</strong>d Carry-<br />
Markt vor 1995 durchschnittlich über 150 LKWs abfertigen, wobei die<br />
durchschnittliche Lieferung 3,13 Paletten betrug und 80% aller Anlieferungen<br />
kle<strong>in</strong>er als e<strong>in</strong>e Palette waren. <strong>Die</strong>s hat dazu geführt, dass 1995 die Metro Group<br />
Logistics GmbH (künftig: MGL METRO Group Logistics Warehous<strong>in</strong>g GmbH &<br />
225 http://www.metrogroup.de/servlet/PB/menu/1000084_l1/<strong>in</strong>dex.html, Zugriff am 28.06.2005.<br />
226 EUTOMONITOR (2004).<br />
227 EUTOMONITOR (2004).<br />
228 Pressemitteilung vom 27.09.2005: METRO Group stellt Weichen für Praktiker-Börseng<strong>an</strong>g.
82<br />
Kapitel 4<br />
Co. KG) 229 gegründet wurde, die mit vielen Liefer<strong>an</strong>ten Preise ab Werk<br />
ausgeh<strong>an</strong>delt hat und die die logistische Abwicklung bis <strong>in</strong> die Filiale selber<br />
übernommen hat. Ende der 1990er Jahre hat Metro <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen, das Konzept auf<br />
ausländische St<strong>an</strong>dorte zu übertragen. <strong>Die</strong> MGL ist als Querschnittsfunktion<br />
org<strong>an</strong>isiert und konzernweit für die <strong>Logistik</strong> ver<strong>an</strong>twortlich. 230<br />
Aktuell versucht die Metro AG durch <strong>in</strong>novative Technologien und Konzepte<br />
Nutzenpotenziale im H<strong>an</strong>delsgeschäft zu identifizieren. <strong>Die</strong> Aktivitäten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />
Future Store Initiative gebündelt und werden von e<strong>in</strong>er Public Relations<br />
Kampagne begleitet. 231 Logistische Innovationen und der E<strong>in</strong>satz von RFID s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong> wesentlicher Teil der Initiative.<br />
4.3.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung<br />
Metro setzt auf RFID um die <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk zu erhöhen. Alle<br />
Anwendungen, welche <strong>Visibilität</strong> und RFID betreffen, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Future Store<br />
Initiative 232 gebündelt. E<strong>in</strong> wesentlicher Best<strong>an</strong>dteil der Initiative ist die Eröffnung<br />
des Extra Future Store <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg am 28. April 2003. Hier hat Metro e<strong>in</strong>en<br />
herkömmlichen Supermarkt ausgewählt, um dort die Kundenreaktion auf den<br />
E<strong>in</strong>satz von ausgewählten Technologien zu testen. Beispielsweise wurde e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>telligente Waage <strong>in</strong>stalliert, die selbstständig erkennen k<strong>an</strong>n, welche Obst- und<br />
Gemüsesorten auf ihr gewogen werden. E<strong>in</strong>e weitere Innovation ist der Personal<br />
Shopp<strong>in</strong>g Assistent, e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>icomputer, der am E<strong>in</strong>kaufswagen befestigt wird und<br />
dem Kunden den E<strong>in</strong>kauf erleichtern soll.<br />
Zwei Innovationen des Extra Future Store betreffen die <strong>Logistik</strong>: Das Smart Shelf<br />
ist e<strong>in</strong> Verkaufsregal, das zu jeder Zeit erfasst, wie viele Verkaufse<strong>in</strong>heiten der<br />
e<strong>in</strong>zelnen Artikel zur Verfügung stehen. Es k<strong>an</strong>n Fehlbestückungen automatisch<br />
erkennen und mit Hilfe von elektronischen Auszeichnungsschildern k<strong>an</strong>n es sich<br />
jeder Bestückung automatisch <strong>an</strong>passen. Das Funktionspr<strong>in</strong>zip ist <strong>in</strong>des nicht<br />
schwierig. Jede Verkaufse<strong>in</strong>heit wird mit e<strong>in</strong>em RFID-Etikett ausgezeichnet und<br />
im Regal s<strong>in</strong>d RFID-Lesegeräte <strong>in</strong>stalliert. Im Versuchssupermarkt wird das<br />
229 http://www.metrogroup.de/servlet/PB/menu/1018341_l1/, Zugriff am 28.06.2005.<br />
230 AFFELD (2003).<br />
231 http://www.future-store.org, Zugriff am 28.06.2005.<br />
232 <strong>Die</strong> Aktivitäten der Future Store Initiative hat die Metro AG dokumentiert und der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht. <strong>Die</strong> nachfolgenden Ausführungen basieren <strong>in</strong> weiten Teilen auf der Internet-<br />
Dokumentation unter: http://www.future-store.org, Zugriff am 28.06.2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 83<br />
Pr<strong>in</strong>zip bei drei Artikeln, „Philadelphia“-Frischkäse, „P<strong>an</strong>tene“-Shampoo und<br />
„Mach 3 Turbo-Rasierkl<strong>in</strong>gen“, getestet. Nach eigenen Angaben wirkt sich die<br />
zusätzliche <strong>Visibilität</strong> positiv auf die Warenverfügbarkeit aus.<br />
<strong>Die</strong> zweite <strong>Logistik</strong>-Innovation ist die Warenflusskontrolle mittels RFID. <strong>Der</strong><br />
untersuchte Warenfluss verläuft vom Metro-Distributionszentrum bis zum<br />
Verkaufsraum des Extra Future Store <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg. <strong>Die</strong> Anwendung verfolgt<br />
Waren auf Case- und Palette-Level. Am Warenausg<strong>an</strong>g des Distributionszentrums<br />
und am Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g der Filiale <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg s<strong>in</strong>d Gate-Reader <strong>in</strong>stalliert.<br />
Zusätzlich besitzen die Filialmitarbeiter H<strong>an</strong>dlesegeräte, mit denen sie die Paletten<br />
und Stellplätze sc<strong>an</strong>nen, wenn sie Waren im Filiallager zwischenlagern. <strong>Die</strong>se<br />
Anwendung bildet e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage für den Metro RFID-Roll-out.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Bauste<strong>in</strong> der Future Store Initiative ist das RFID Innovation Center <strong>in</strong><br />
Neuss, <strong>in</strong> der Nähe von Düsseldorf. Das Center wurde am 7. Juli 2004 eröffnet<br />
und nutzt 1.300 qm des Kaufhof-Lagers Neuss-Norf. Im RFID Innovation Center<br />
„können sich Vertriebsl<strong>in</strong>ien, Technologiepartner und Liefer<strong>an</strong>ten der METRO<br />
Group frühzeitig vor dem im November 2004 beg<strong>in</strong>nenden Roll-out mit der<br />
Radiofrequenz-Identifikationstechnologie (RFID) vertraut machen und optimal<br />
auf die Umsetzung vorbereiten. […] Dabei stehen verschiedene Testbereiche zur<br />
Verfügung, so unter <strong>an</strong>derem Nachbildungen jeweils e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kaufsstätte für<br />
Bekleidung und für Lebensmittel, außerdem e<strong>in</strong>e Simulation der kompletten<br />
Supply Cha<strong>in</strong>. Zusätzlich werden <strong>in</strong> der Testphase die Warene<strong>in</strong>- und<br />
Warenausg<strong>an</strong>gstore des Kaufhof-Lagers genutzt.“ 233<br />
Am 2. November 2004 hat die Metro Group geme<strong>in</strong>sam mit den ersten 22<br />
Partnern den RFID-Roll-out begonnen. „Zu den Partnern der ersten Stunde<br />
gehören <strong>in</strong>ternationale Konsumgüterhersteller wie Gillette, Procter & Gamble und<br />
Kraft Foods, aber auch mittelständische Unternehmen wie Papstar, e<strong>in</strong> Spezialist<br />
für E<strong>in</strong>weggeschirr. An der ersten Phase der Markte<strong>in</strong>führung im <strong>Logistik</strong>bereich<br />
s<strong>in</strong>d die Vertriebsl<strong>in</strong>ien Metro Cash & Carry, Real und Kaufhof sowie die<br />
METRO Group Logistics beteiligt.“ 234 Alle e<strong>in</strong>bezogenen Liefer<strong>an</strong>ten<br />
kennzeichnen ihre Paletten mit e<strong>in</strong>er NVE (Nummer der Vers<strong>an</strong>de<strong>in</strong>heit) und<br />
beherrschen den Umg<strong>an</strong>g mit DESADV (Dispatch Advice). Alle <strong>an</strong>deren<br />
Liefer<strong>an</strong>ten sollen bis Mitte 2005 den elektronischen Datenaustausch realisieren.<br />
233 Pressemitteilung vom 07.07.2004: METRO Group eröffnet RFID Innovation Center <strong>in</strong> Neuss.<br />
234 http://www.metrogroup.de/servlet/PB/menu/1014671_l1/<strong>in</strong>dex.html, Zugriff am 29.06.2005.
84<br />
Exkurs: NVE und DESADV<br />
Kapitel 4<br />
<strong>Die</strong> Nummer der Vers<strong>an</strong>de<strong>in</strong>heit (NVE; engl. Serial Shipp<strong>in</strong>g Conta<strong>in</strong>er Code,<br />
SSCC) wurde 1989 <strong>in</strong> das EAN-System aufgenommen und dient der<br />
e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigen Identifikation von Tr<strong>an</strong>sporte<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> der Versorgungskette.<br />
Zusätzliche Informationen wie M<strong>in</strong>desthaltbarkeitsdatum oder weitere<br />
Produktattribute können abgefragt werden, da die Nummer als Schlüssel zu den<br />
Stammdaten dient. Warenverfolgungen, Rückrufaktionen und<br />
Qualitätssicherungssysteme können auf dieser Basis realisiert werden. <strong>Die</strong> NVE<br />
lässt sich im EAN 128 Barcode verschlüsseln und wird so durch e<strong>in</strong>en Sc<strong>an</strong>ner<br />
lesbar. Für Außenstehende ist sie ohne entsprechende Daten<strong>an</strong>b<strong>in</strong>dung nicht<br />
lesbar, sodass vom Absender gespeicherte Informationen geschützt bleiben. Mit<br />
Hilfe von EDI (Electronic Data Interch<strong>an</strong>ge-)Nachrichten können Informationen<br />
der Ware vorausgeschickt werden, wodurch zusätzliche Tr<strong>an</strong>sparenz entsteht. <strong>Der</strong><br />
Kunde erhält zeitgleich mit der Generierung der Nummer e<strong>in</strong> elektronisches<br />
Lieferavis (Dispatch Advice, kurz DESADV), sodass der Informationsfluss dem<br />
Warenfluss vorauseilt. Beim E<strong>in</strong>treffen der Ware hat das Empf<strong>an</strong>gsunternehmen<br />
die Auftrags- und Inventurdaten bereits abgeglichen. <strong>Die</strong> Sendung muss nur noch<br />
gesc<strong>an</strong>nt werden, wodurch die NVE mit dem DESADV verknüpft wird. <strong>Die</strong><br />
Tr<strong>an</strong>sparenz der logistischen Abläufe k<strong>an</strong>n weiter erhöht werden, <strong>in</strong> dem die<br />
Daten durch den EANCOM-St<strong>an</strong>dard weiteren <strong>an</strong> der Versorgungskette<br />
beteiligten Unternehmen zugänglich gemacht werden. 235<br />
Für die E<strong>in</strong>führung von RFID hat die Metro AG ihre Liefer<strong>an</strong>ten <strong>in</strong> drei Typen<br />
e<strong>in</strong>geteilt:<br />
Typ A = unterstützt bereits DESADV mit NVE<br />
Typ B = unterstützt bereits DESADV<br />
Typ C = bisher ke<strong>in</strong>e Übermittlung der Lieferavise (DESADV)<br />
Alle 22 Liefer<strong>an</strong>ten der ersten Stunde gehören demnach Typ A <strong>an</strong>. <strong>Die</strong><br />
nachfolgende Table zeigt die gepl<strong>an</strong>ten Phasen des RFID-Roll-outs.<br />
235 CCG (2002a) und CCG (2002b).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 85<br />
Phase 0 • Liefer<strong>an</strong>ten des Typs A s<strong>in</strong>d bereits optimal vorbereitet<br />
• Liefer<strong>an</strong>ten der Typen B und C <strong>in</strong>tegrieren DESADV mit<br />
NVE <strong>in</strong> ihre Systeme (<strong>in</strong>kl. EDI-Datenaustausch) und<br />
bereiten sich auf die RFID-Integration vor<br />
Phase 1 • Alle Liefer<strong>an</strong>ten (A, B, C) <strong>in</strong>tegrieren RFID auf jeder<br />
logistischen E<strong>in</strong>heit (Palette/Paket)<br />
Phase 2 • Alle Liefer<strong>an</strong>ten <strong>in</strong>tegrieren RFID auf der H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heit<br />
Karton<br />
Phase 3 • Alle Liefer<strong>an</strong>ten <strong>in</strong>tegrieren RFID auf der H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heit<br />
Unterkarton<br />
Tabelle 9: Phasen des RFID-Roll-outs der Metro AG 236<br />
<strong>Die</strong> 22 Vorreiter bef<strong>in</strong>den sich zurzeit <strong>in</strong> Phase 1, während sich die übrigen<br />
Liefer<strong>an</strong>ten noch <strong>in</strong> Phase 0 aufhalten.<br />
Konkret ersetzen die Liefer<strong>an</strong>ten <strong>in</strong> Phase 1 den EAN 128 Barcode durch e<strong>in</strong><br />
Smartlable. Das Lable enthält e<strong>in</strong>en EPC-Tag und ist zusätzlich mit e<strong>in</strong>em<br />
EAN 128 Barcode bedruckt. <strong>Die</strong> NVE wird gleichzeitig im Barcode und im<br />
RFID-Tag verschlüsselt. Durch diese Doppelstrategie wird die Umstellung von<br />
Barcode auf RFID erleichtert. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Tr<strong>an</strong>sponder entsprechen dem<br />
EPCglobal-St<strong>an</strong>dard „EPC Class 1/Generation 2“. 237 <strong>Der</strong> EPCglobal-St<strong>an</strong>dard ist<br />
mit dem EAN.UCC Nummernschema kompatibel. Mit der Verschlüsselung der<br />
NVE ist das EPC-Etikett noch nicht ausgelastet. Durch die höhere<br />
Speicherkapazität k<strong>an</strong>n es <strong>in</strong> Phase 3 auch zur Kennzeichnung auf der<br />
H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heit Unterkarton e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Entsprechende RFID-Lesegeräte s<strong>in</strong>d am Warenausg<strong>an</strong>g der Liefer<strong>an</strong>ten und am<br />
Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g der Metro Distributionszentren <strong>an</strong>gebracht, wo die Ware<br />
automatisch erfasst wird. Parallel dazu läuft der Informationsfluss über DESADV.<br />
<strong>Der</strong> grundsätzliche Prozessablauf ändert sich <strong>in</strong> Phase 1 vorerst nicht. <strong>Die</strong> größte<br />
Neuerung ist das Ersetzen der Identifikationstechnologie Barcode durch RFID.<br />
236 METRO (2005).<br />
237 METRO (2005).
86<br />
Kapitel 4<br />
Entscheidende Prozessveränderungen s<strong>in</strong>d d<strong>an</strong>n möglich, wenn <strong>in</strong> den darauf<br />
folgenden Phasen H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heiten mit RFID ausgestattet werden.<br />
4.3.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
Erwartungsgemäß ist die Änderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades bei der visionärsten<br />
Anwendung, dem Smart Shelf, am größten. In heutigen Supermärkten gibt es ke<strong>in</strong><br />
System, das <strong>in</strong> Echtzeit erfasst, wie viele Verkaufse<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong>es Artikels<br />
tatsächlich auf der Verkaufsfläche offeriert werden. <strong>Der</strong> heute gängige Prozess<br />
sieht so aus, dass e<strong>in</strong> Filialmitarbeiter mit e<strong>in</strong>em PDA (Personal Digital Assist<strong>an</strong>t)<br />
ausgestattet die Stellplätze abläuft und durch m<strong>an</strong>uelle Auszählung erfasst, wie<br />
viele Verkaufse<strong>in</strong>heiten ausliegen. E<strong>in</strong>e automatisierte Erfassung ist theoretisch<br />
auch möglich, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>mal erfasste Best<strong>an</strong>dszahl im Zeitverlauf mit den<br />
POS (Po<strong>in</strong>t of Sale-)Daten und den Nachschublieferungen abgeglichen wird.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs treten bei diesem Verfahren schnell Fehler auf, weil Ware beschädigt<br />
wird, verloren geht oder sich im Filiallager bef<strong>in</strong>det, obwohl sie im Verkaufsraum<br />
benötigt wird. E<strong>in</strong>e aktuelle Studie, <strong>an</strong> der 35 E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>delsunternehmen beteiligt<br />
waren, zeigt, dass ca. 2/3 aller Artikel e<strong>in</strong>en falschen Best<strong>an</strong>d <strong>in</strong> den Systemen<br />
haben. 238<br />
Im Detail erhöht das Smart Shelf die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> Bezug auf Datengr<strong>an</strong>ularität<br />
und -qualität. Das Verkaufsregal ist e<strong>in</strong> Lesepunkt, der vorher nicht existent war,<br />
und die Verfolgung von e<strong>in</strong>zelnen Artikeln vor dem POS ist auch etwas Neues.<br />
<strong>Die</strong> Qualität der Informationen beruht auf Messungen <strong>in</strong> Echtzeit und nicht auf<br />
e<strong>in</strong>er Zusammenführung von vorh<strong>an</strong>denen Daten, die zu unterschiedlichen<br />
Zeitpunkten mit abweichenden Methoden und Zielsetzungen erfasst wurden.<br />
<strong>Die</strong> Warenflusskontrolle im Extra Future Store Rhe<strong>in</strong>berg erhöht den<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad vor allem <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Datenqualität. Durch Gate-Reader<br />
am Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g der Filiale erfolgt e<strong>in</strong>e Vollerhebung des Nachschubprozesses.<br />
Fehlgelieferte Paletten werden sofort registriert und können unmittelbar returniert<br />
werden. Heute ist diese automatische Kontrolle der Filialbelieferung nicht üblich.<br />
In Phase 1 des Metro RFID-Roll-outs erhöht sich der <strong>Visibilität</strong>sgrad vorerst nicht.<br />
<strong>Die</strong> Anzahl <strong>an</strong> Lesestellen wird grundsätzlich nicht erhöht und die Datenqualität<br />
muss beim heutigen St<strong>an</strong>d der RFID-Technologie nicht zw<strong>in</strong>gend besser se<strong>in</strong>. <strong>Der</strong><br />
238 RAMAN/DeHORATIUS/TON (2001) S. 25.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 87<br />
e<strong>in</strong>zige Unterschied besteht dar<strong>in</strong>, dass <strong>an</strong>stelle e<strong>in</strong>es EAN 128 Barcodes e<strong>in</strong><br />
RFID-Etikett ausgelesen wird. E<strong>in</strong>e Kosten-Nutzen Betrachtung, die alle<strong>in</strong>e das<br />
Szenario aus Phase 1 mit 22 Liefer<strong>an</strong>ten <strong>an</strong>alysiert und nur auf operative<br />
Verbesserungen schaut, k<strong>an</strong>n den E<strong>in</strong>satz von RFID noch nicht rechtfertigen. <strong>Die</strong><br />
jetzigen Aktivitäten dienen eher der Vorbereitung der <strong>an</strong>schließenden Phasen. Im<br />
Vordergrund stehen technologische Test und die Mobilmachung der<br />
Geschäftspartner. Erst wenn RFID auf den H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heiten Karton und<br />
Unterkarton e<strong>in</strong>gesetzt wird, k<strong>an</strong>n die Technologie die vielen m<strong>an</strong>uellen<br />
Arbeitsschritte der Kommissionierung unterstützen und e<strong>in</strong> größeres<br />
Nutzenpotenzial freisetzen.<br />
<strong>Die</strong> Metro AG hat ke<strong>in</strong>e Zahlen veröffentlicht <strong>in</strong> denen Kosten und Nutzen im<br />
Detail gegenüber gestellt werden. Wegen der Vorreiterrolle ist dies ohneh<strong>in</strong><br />
schwierig, da das Unternehmen eher St<strong>an</strong>dards schafft, als dass es auf etablierte<br />
Technologien und Services zurückgreifen k<strong>an</strong>n. Überdies ist es dem Unternehmen<br />
durch begleitende PR-Maßnahmen sehr gut gelungen Technologiepartner als<br />
Sponsoren zu gew<strong>in</strong>nen und e<strong>in</strong> <strong>in</strong>novatives Image aufzubauen.<br />
4.3.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie<br />
<strong>Die</strong> weiteren Pläne der Metro AG <strong>in</strong> Bezug auf <strong>Visibilität</strong> und RFID s<strong>in</strong>d durch<br />
die Phasen 1 bis 3 des Roll-outs bereits vorgezeichnet. Allerd<strong>in</strong>gs ist sich die<br />
Metro AG bewusst, dass es noch e<strong>in</strong> weiter Weg ist, bis die Technologie auf Item-<br />
Level e<strong>in</strong>gesetzt werden k<strong>an</strong>n. 239 Es „wird noch zehn bis 15 Jahre dauern, bis alle<br />
Produkte mit Smart Chips gekennzeichnet werden. Zunächst müssen die Preise<br />
der RFID-Chips von derzeit 20 bis 30 Cent auf deutlich unter fünf Cent fallen. <strong>Die</strong><br />
METRO Group stattet bisher ausschließlich <strong>in</strong> Pilotversuchen e<strong>in</strong>zelne Produkte<br />
mit Smart Chips aus. <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>satz von RFID auf Artikelebene ist vorläufig nicht<br />
gepl<strong>an</strong>t.“ 240 H<strong>in</strong>gegen gibt es Indizien, dass sich die PR-Kampagne, welche die<br />
Future Store Initiative begleitet, bereits gelohnt hat.<br />
239 ROBERTI (2005).<br />
240 http://www.metrogroup.de/servlet/PB/menu/1014671_l1/<strong>in</strong>dex.html, Zugriff am 29.06.2005.
88<br />
€<br />
22.10.03: METRO Future Store Initiative<br />
präsentiert technologische Innovationen<br />
auf dem 20. DLK <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
24.2.03: METRO Group<br />
Future Store Initiative<br />
entwickelt Zukunft des<br />
H<strong>an</strong>dels<br />
28.4.03: Future Store:<br />
<strong>Die</strong> Zukunft des H<strong>an</strong>dels<br />
hat begonnen<br />
12.1.04: METRO Group<br />
startet die unternehmensweiteE<strong>in</strong>führung<br />
von RFID<br />
29.10.04: METRO Group startet<br />
E<strong>in</strong>satz von RFID <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>.<br />
Erste Phase Palettenkennzeichnung<br />
mit 20 Liefer<strong>an</strong>ten<br />
7.7.04: METRO Group<br />
eröffnet RFID-<br />
Innovation Center <strong>in</strong><br />
Neuss<br />
Abbildung 13: Metro-Aktienkurs und Future Store Pressemitteilungen 241<br />
Kapitel 4<br />
17.1.05: METRO<br />
Group, Wal-Mart und<br />
Tesco auf der „NRF<br />
Annual Convention <strong>an</strong>d<br />
Expo“ <strong>in</strong> New York. Bei<br />
der Markte<strong>in</strong>führung<br />
von RFID ziehen die<br />
führenden <strong>in</strong>ternationalenH<strong>an</strong>delskonzerne<br />
<strong>an</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Str<strong>an</strong>g<br />
Seitdem sich das Unternehmen Metro öffentlich zu RFID bekennt, hat sich der<br />
Aktienkurs mehr als verdoppelt. Im Zeitraum von Anf<strong>an</strong>g 2003 bis Mitte 2005 lag<br />
der Tiefstkurs am 12. März 2003 bei 15,93 EUR. Daraufh<strong>in</strong> stieg die Aktie stetig<br />
<strong>an</strong> und erreichte ihren Höchstkurs am 12. April 2005 mit 43,72 EUR.<br />
Abbildung 13 stellt die Entwicklung des Börsenkurses den Pressemitteilungen<br />
über die Metro Future Store Initiative gegenüber. Anf<strong>an</strong>g 2003 ruft Metro die<br />
Future Store Initiative <strong>in</strong>s Leben, daraufh<strong>in</strong> steigt der Börsenkurs kont<strong>in</strong>uierlich<br />
<strong>an</strong>, während Metro den Piloten startet, das Innovationszentrum e<strong>in</strong>weiht und mit<br />
dem Roll-out beg<strong>in</strong>nt. <strong>Die</strong> Schlussfolgerung „RFID und <strong>Visibilität</strong> haben den<br />
Aktienkurs von Metro gesteigert“, greift allerd<strong>in</strong>gs zu kurz. Viele weitere Aspekte<br />
bee<strong>in</strong>flussen die Kursentwicklung und für den amerik<strong>an</strong>ischen Konkurrenten Wal-<br />
Mart lässt sich e<strong>in</strong>e ähnliche Entwicklung nicht nachzeichnen. 242 Dennoch zeigt<br />
die Börsentendenz, dass die Anleger den jüngsten M<strong>an</strong>agemententscheidungen<br />
auch <strong>in</strong> Bezug auf die Future Store Initiative grundsätzlich positiv gegenüber<br />
stehen.<br />
241 Basierend auf http://www.h<strong>an</strong>delsblatt.com und http://www.future-store.org, Zugriffe am 29.06.2005.<br />
242 Vgl. http://f<strong>in</strong><strong>an</strong>ce.yahoo.com/q/bc?s=WMT&t=5y, Zugriff am 28.06.2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 89<br />
4.3.4 Zusammenfassung<br />
Mit ihrer Future Store Initiative ist die Metro AG e<strong>in</strong> Vorreiter für RFID und<br />
<strong>Visibilität</strong> im deutschen E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del. In dem Versuchssupermarkt Metro Extra<br />
Future Store <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg stellt das Unternehmen se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novativen Ideen der<br />
Öffentlichkeit vor. Dort testet es u. a. e<strong>in</strong> Smart Shelf, das se<strong>in</strong>en Warenbest<strong>an</strong>d<br />
mit Funketiketten automatisch erfasst sowie e<strong>in</strong>en RFID-Prototypen für die<br />
Warenflusskontrolle. Alle Aktivitäten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e PR-Kampagne e<strong>in</strong>gebunden.<br />
<strong>Die</strong> größte Breitenwirkung wird von dem RFID-Roll-out erwartet, weil hier auch<br />
die Liefer<strong>an</strong>ten e<strong>in</strong>bezogen werden. <strong>Der</strong> Roll-out hat im November 2004<br />
begonnen und fordert immer mehr Unternehmen auf, sich mit der Technologie<br />
ause<strong>in</strong><strong>an</strong>derzusetzen. Dabei spielt das RFID Innovation Center <strong>in</strong> Neuss e<strong>in</strong>e<br />
besondere Rolle. In dem Testlabor wird den Liefer<strong>an</strong>ten die Möglichkeit gegeben,<br />
die Lesefähigkeit ihrer mit RFID ausgezeichneten Produkte zu testen. Metro<br />
versucht se<strong>in</strong>e Liefer<strong>an</strong>ten von den Vorteilen der RFID-Technologie zu<br />
überzeugen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs muss <strong>an</strong>gemerkt werden, dass sich die <strong>Visibilität</strong> des <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerks <strong>in</strong> der ersten Phase des RFID-Roll-outs noch nicht erhöht. Im neuen<br />
Prozess wird lediglich die NVE auf e<strong>in</strong>em EPC-Tag statt auf e<strong>in</strong>em EAN 128<br />
Barcode kodiert. <strong>Die</strong> Anzahl der Lesestellen bleibt gleich. <strong>Die</strong> eigentliche<br />
<strong>Visibilität</strong>serhöhung geschieht <strong>in</strong> den Phasen 2 und 3, wenn die H<strong>an</strong>delse<strong>in</strong>heiten<br />
Karton und Unterkarton e<strong>in</strong>bezogen werden. D<strong>an</strong>n ist Metro auch verstärkt <strong>in</strong> der<br />
Lage <strong>in</strong> der Kommissionierung Nutzen aus der Technologie zu ziehen. Phase 1<br />
bereitet die Liefer<strong>an</strong>ten auf diese Pläne vor.<br />
4.4 Fallbeispiel Metro-Liefer<strong>an</strong>t<br />
Das folgende Fallbeispiel beschreibt die taktischen und strategischen<br />
Überlegungen e<strong>in</strong>es Metro-Liefer<strong>an</strong>ten, der davon ausgeht, <strong>in</strong> naher Zukunft <strong>in</strong><br />
den Metro Roll-out e<strong>in</strong>bezogen zu werden. 243 Das Unternehmen produziert neben<br />
<strong>an</strong>deren Geschäftstätigkeiten e<strong>in</strong> Nahrungsmittel, mit dem es <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>e<br />
marktführende Stellung e<strong>in</strong>nimmt. Es gehört nicht zu den 22 Metro-Liefer<strong>an</strong>ten<br />
243 Das Fallbeispiel ist im Rahmen e<strong>in</strong>er Bachelorarbeit am Kühne-Institut für <strong>Logistik</strong> <strong>an</strong> der Universität<br />
St.Gallen <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Unternehmen entst<strong>an</strong>den und wurde vom Autor betreut. Das<br />
Unternehmen zieht es jedoch vor, <strong>an</strong>onym zu bleiben. Entsprechend wurden für das Verständnis des<br />
Beispiels unwesentliche Zahlen und Aussagen verändert. <strong>Die</strong> Arbeit wurde am 21.03.2005 e<strong>in</strong>gereicht.
90<br />
Kapitel 4<br />
„der ersten Stunde“ und ist für Metro trotz des sehr guten Markennamens nach<br />
eigenen Angaben ke<strong>in</strong> wettbewerbsentscheidender Partner. In der Gegenrichtung<br />
ist Metro jedoch e<strong>in</strong> Key Account und für 5-10% des Geschäfts mit dem<br />
erwähnten Artikel ver<strong>an</strong>twortlich.<br />
4.4.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstudie<br />
<strong>Die</strong> Beschäftigung mit dem Thema RFID wurde nicht erst durch die Metro-<br />
Aktivitäten ausgelöst. Seit drei Jahren werden RFID-E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten im<br />
Unternehmen diskutiert. Zwei Diplomarbeiten haben bereits die Kosten bzw. die<br />
Wirtschaftlichkeit e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes untersucht. Beratungsunternehmen haben die<br />
Nachforschungen ergänzt.<br />
<strong>Die</strong> Diplomarbeiten stellen die Situation nach, dass jeder Artikel der Non-Food<br />
Supply Cha<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em RFID-Etikett ausgezeichnet wird. Sie zeigen auf, dass die<br />
logistischen Prozesse durch den Tr<strong>an</strong>sponder-E<strong>in</strong>satz optimiert werden können.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs beziffern sie das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen mit 16:1,<br />
wodurch der RFID-E<strong>in</strong>satz nicht gerechtfertig wäre. <strong>Der</strong> wichtigste Kostentreiber<br />
ist <strong>in</strong> diesem Szenario der Preis für die RFID-Etiketten, da sie <strong>in</strong> hohen<br />
Stückzahlen e<strong>in</strong>gesetzt würden.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchungen der Beratungsunternehmen konzentrieren sich auf<br />
geschlossene Systeme (Closed-Loop) und auf Behälterm<strong>an</strong>agement, weil sich die<br />
Anf<strong>an</strong>gs<strong>in</strong>vestitionen hier schneller amortisieren. <strong>Die</strong> Ergebnisse zeigen, dass<br />
nach drei Jahren e<strong>in</strong> Return on Investment zu erwarten wäre.<br />
<strong>Die</strong> Metro betreffende Studie befasst sich alle<strong>in</strong>e mit der Versendung des er-<br />
wähnten Nahrungsmittels. <strong>Der</strong> erste Schritt der Studie untersucht die Wahrsche<strong>in</strong>-<br />
lichkeit, dass das Unternehmen <strong>in</strong> naher Zukunft <strong>in</strong> den Roll-out e<strong>in</strong>bezogen wird.<br />
Dafür spricht die technische Reife des Lieferprozesses zur Metro AG. Das<br />
Unternehmen kennzeichnet se<strong>in</strong>e Paletten mit NVE und beherrscht den<br />
elektronischen Datenaustausch via DESADV. Innerhalb der Metro-Nomenklatur<br />
ist es e<strong>in</strong> Liefer<strong>an</strong>t vom Typ A. Darüber h<strong>in</strong>aus besitzt es e<strong>in</strong>en guten<br />
Markennamen und wäre im S<strong>in</strong>ne der Public Relations e<strong>in</strong>e gute Wahl.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 91<br />
Abbildung 14: Regionale Ausrichtung des RFID-Roll-outs<br />
Dagegen spricht die geographische Lage des Unternehmens. Auf Seiten der Metro<br />
s<strong>in</strong>d derzeit nur Distributionszentren aus Nord-Rhe<strong>in</strong>westfalen, Hessen und<br />
Thür<strong>in</strong>gen am Roll-out beteiligt. Das Unternehmen beliefert jedoch ausschließlich<br />
die Metro-Lager <strong>in</strong> Stuttgart und München (siehe Abbildung 14). H<strong>in</strong>zu kommt,<br />
dass der überwiegende Teil der Ware auf Strecke und nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil direkt <strong>an</strong><br />
die Zentrallager geliefert werden. <strong>Die</strong> Lieferungen auf Strecke gehen direkt <strong>an</strong> die<br />
Metro Filialen und s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e G<strong>an</strong>zpaletten. An die Zentrallager werden<br />
G<strong>an</strong>zpaletten versendet. Pro Jahr s<strong>in</strong>d das knapp 2000 Stück.<br />
<strong>Der</strong> große Anteil der Streckentr<strong>an</strong>sporte ist e<strong>in</strong> Indiz dafür, dass die <strong>Logistik</strong> des<br />
betrachteten Unternehmens sehr effizient arbeitet. Denn wie im Rahmen des<br />
Metro Fallbeispiels dargelegt wurde, hat sich die Metro AG ab 1995 zum Ziel<br />
gesetzt die logistische Kontrollsp<strong>an</strong>ne zwischen Händler und Hersteller zu
92<br />
Kapitel 4<br />
übernehmen. Ausnahmen macht die Metro nur d<strong>an</strong>n, wenn die <strong>Logistik</strong> des<br />
Herstellers sehr effizient arbeitet. <strong>Die</strong>s ist hier der Fall.<br />
Für das re<strong>in</strong>e Zentrallagergeschäft wurden drei Szenarien erarbeitet, mit deren<br />
Verwirklichung die Metro-Anforderungen aus Phase 1 erfüllt würden (siehe<br />
Abbildung 15).<br />
Szenario I<br />
• Slap&Ship Lösung,<br />
m<strong>in</strong>imale Erfüllung der<br />
Metro Anforderungen<br />
• Nur für Metro bestimmte<br />
Paletten werden ausgezeichnet<br />
• Auszeichnung ab Warenausg<strong>an</strong>g<br />
des Lagers<br />
Interne<br />
Lösung<br />
Szenarien<br />
Unterscheidungsmerkmale:<br />
• Intern oder extern<br />
• Anzahl der ausgezeichneten<br />
Objekte<br />
• Zeitpunkt der Auszeichnung<br />
Szenario II<br />
• G<strong>an</strong>zheitliche Lösung<br />
• Auszeichnung ab Produktion<br />
• <strong>Die</strong> g<strong>an</strong>ze Ware, die als<br />
G<strong>an</strong>zpalette versendet wird,<br />
muss ausgezeichnet werden.<br />
Insgesamt ca. 250.000<br />
Paletten<br />
Externe<br />
Lösung<br />
Szenario III<br />
• Tagg<strong>in</strong>g durch externen<br />
<strong>Die</strong>nstleister (beispielsweise<br />
DHL)<br />
• Vers<strong>an</strong>d über e<strong>in</strong><br />
Zwischenlager des<br />
<strong>Die</strong>nstleisters, der die RFID-<br />
Auszeichnung vornimmt<br />
Abbildung 15: Szenarien zur Erfüllung der Metro-Anforderungen<br />
Folgende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bilden die Grundlage der Untersuchung:<br />
• <strong>Die</strong> Metro ist der e<strong>in</strong>zige Kunde, der e<strong>in</strong>e Auszeichnung se<strong>in</strong>er Lieferungen<br />
mit RFID verl<strong>an</strong>gt.<br />
• <strong>Die</strong> Anwendung muss dennoch skalierbar se<strong>in</strong>. Das Unternehmen ist davon<br />
überzeugt, dass sich die Anwendung l<strong>an</strong>gfristig nur d<strong>an</strong>n lohnt, wenn Sie<br />
auf <strong>an</strong>dere Geschäftsbereiche ausgedehnt werden k<strong>an</strong>n.<br />
• „EPCglobal UHF Generation 2“ ist der verwendete St<strong>an</strong>dard für die RFID-<br />
Etiketten. Er erfüllt die Anforderungen der Metro AG.<br />
• <strong>Die</strong> Preise für Hard- und Software richten sich nach heutigen Marktpreisen.<br />
Mögliche Preisdegressionen der RFID-Etiketten werden nicht<br />
berücksichtigt.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 93<br />
Etwaige Nutzenvorteile im Prozessablauf des <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleisters werden nicht<br />
berücksichtigt.<br />
4.4.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
Szenario I: Slap&Ship<br />
Das Slap&Ship Szenario zielt darauf ab, mit möglichst ger<strong>in</strong>gem Aufw<strong>an</strong>d die<br />
RFID-E<strong>in</strong>führung zu realisieren und den Metro-Anforderungen gerecht zu<br />
werden. Es hat den Vorteil, dass nur ger<strong>in</strong>gfügig <strong>in</strong> den bestehenden Materialfluss<br />
e<strong>in</strong>gegriffen wird. Für die Mitarbeiter ändert sich der bestehenden Prozess kaum.<br />
Gleichzeitig k<strong>an</strong>n das Unternehmen e<strong>in</strong> gewisses Maß <strong>an</strong> Know-how im RFID-<br />
Bereich aufbauen, was speziell <strong>in</strong> Bezug auf die Fe<strong>in</strong>justierung der Lesee<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong><br />
Wettbewerbsvorteil se<strong>in</strong> k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong> Mitarbeiter wissen, wie sie mit der<br />
Technologie umgehen müssen, um wirklich e<strong>in</strong>en aufw<strong>an</strong>dsarmen Überg<strong>an</strong>g<br />
zwischen physischen Zuständen und gespeicherten Daten zu erhalten. Wenn sich<br />
RFID mittel- bis l<strong>an</strong>gfristig durchsetzt, s<strong>in</strong>d die Mitarbeiter des Unternehmens auf<br />
ihrer persönlichen Lernkurve e<strong>in</strong>en Schritt voraus.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs verändert sich der <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> diesem Szenario nicht. Das<br />
bestehende Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g System erhält ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Lesepunkte und<br />
wird <strong>in</strong> Bezug auf die Ladungsträger-Gr<strong>an</strong>ularität nicht genauer. Zu diesem<br />
Zeitpunkt können die Vorteile, welche die Metro AG für ihre Partner identifiziert<br />
hat, 244 nicht realisiert werden. Bei der Betrachtung der Kosten wird deutlich, dass<br />
die kritische Masse nicht erreicht werden k<strong>an</strong>n, wenn nur G<strong>an</strong>zpaletten für e<strong>in</strong>en<br />
Kunden ausgezeichnet werden. Werden die laufenden Kosten auf die 2000<br />
jährlich gelieferten Paletten umgelegt, d<strong>an</strong>n übersteigen sie e<strong>in</strong> Vielfaches des<br />
Deckungsbeitrags.<br />
Szenario II: G<strong>an</strong>zheitliche Lösung<br />
In der g<strong>an</strong>zheitlichen Lösung wird geprüft, ob e<strong>in</strong>e Ausdehnung des RFID-<br />
E<strong>in</strong>satzes bis h<strong>in</strong> zur Produktion die <strong>Visibilität</strong> so weit erhöht, dass e<strong>in</strong><br />
zusätzlicher Nutzen entsteht. Neu werden die Paletten ab Warenausg<strong>an</strong>g der<br />
Produktion mit e<strong>in</strong>em Smartlabel ausgestattet. Dabei wird die NVE auf den<br />
Tr<strong>an</strong>sponder programmiert sowie als Strichcode auf die Frontseite des Labels<br />
244 METRO (2005).
94<br />
Kapitel 4<br />
gedruckt. Allerd<strong>in</strong>gs enthalten NVE bzw. EPC bis jetzt ke<strong>in</strong>e Auftrags- oder<br />
Kundendaten, sondern werden als fortlaufende Nummern generiert. <strong>Die</strong><br />
Zentrallagerpaletten können nun im Warenausg<strong>an</strong>g der Produktion und d<strong>an</strong>n auch<br />
im Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g des Distributionszentrums durch RFID-Lesegeräte erfasst<br />
werden. Nachdem e<strong>in</strong> Auftrag e<strong>in</strong>geg<strong>an</strong>gen ist, werden die entsprechenden<br />
Paletten ausgelagert. Das Backend-System verknüpft die NVE mit dem<br />
Kundenauftrag (Soft L<strong>in</strong>k), sodass die Informationen auf dem RFID-Etikett nicht<br />
überschrieben werden müssen.<br />
<strong>Der</strong> Charme dieser Lösung ist, dass im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong> Druck- und Beklebevorg<strong>an</strong>g<br />
entfallen k<strong>an</strong>n. Bisl<strong>an</strong>g erhalten die Paletten direkt nach der Produktion e<strong>in</strong>en<br />
Barcode, die haus<strong>in</strong>terne LE-Nummer, mit der sie durch das <strong>Logistik</strong>-System bis<br />
zum Warenausg<strong>an</strong>g des Distributionszentrums navigiert werden. Wenn der<br />
Kundenauftrag feststeht, d<strong>an</strong>n wird e<strong>in</strong> EAN 128 Barcode mit NVE ausgedruckt<br />
und am Warenausg<strong>an</strong>g des Distributionszentrums auf die Palette geklebt. Wird die<br />
LE-Nummer nun durch e<strong>in</strong> RFID-Etikett ersetzt, d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n durch den Soft L<strong>in</strong>k<br />
im System der zweite Beklebevorg<strong>an</strong>g mit dem EAN 128 Barcode entfallen. <strong>Der</strong><br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad bleibt gleich, aber der Prozess wird vere<strong>in</strong>facht. Allerd<strong>in</strong>gs ist das<br />
heutige <strong>Logistik</strong>system mit den LE-Nummern stark automatisiert und läuft sehr<br />
effizient. Es umfasst neben dem erwähnten Nahrungsmittel viele weitere Non-<br />
Food Artikel, sodass sich das Unternehmen selbst bei der E<strong>in</strong>führung der NVE für<br />
e<strong>in</strong>e Slap&Ship Lösung entschieden hat. Theoretisch könnte die NVE auch heute<br />
bereits die LE-Nummer ersetzen.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Vorteil dieser Lösung ist die hohe Skalierbarkeit. Alle<strong>in</strong>e durch<br />
Software-Verknüpfung können beliebig viele Kunden <strong>an</strong>alog zur Metro mit RFID<br />
ausgezeichneten Paletten beliefert werden. Zudem ist der Know-how-Gew<strong>in</strong>n <strong>in</strong><br />
diesem Szenario am größten.<br />
Auf der <strong>an</strong>deren Seite s<strong>in</strong>d die Kosten sehr hoch. Bei den Investitionskosten<br />
übersteigen sie das Szenario I um das Vierfache und bei den laufenden jährlichen<br />
Kosten um das Dreifache. <strong>Die</strong>s vor dem H<strong>in</strong>tergrund, das die RFID-Anwendung<br />
das System auf LE-Basis nur ergänzt und nicht ersetzt. <strong>Die</strong> Kosten für e<strong>in</strong>e<br />
Komplettumstellung wurden nicht kalkuliert.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt, dass <strong>in</strong> diesem Szenario rund 250.000 Paletten mit RFID<br />
ausgestattet werden müssen, obwohl nur die Metro mit ihren 2000 Paletten e<strong>in</strong>e<br />
Auszeichnung verl<strong>an</strong>gt. <strong>Die</strong>s hängt damit zusammen, dass die Paletten, wenn sie
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 95<br />
im <strong>Logistik</strong>zentrum gelagert werden, noch kundenneutral s<strong>in</strong>d. Jede der 250.000<br />
Paletten könnte potenziell e<strong>in</strong>e Metro-Palette se<strong>in</strong>.<br />
Szenario III: Tagg<strong>in</strong>g durch e<strong>in</strong>en externen <strong>Die</strong>nstleister<br />
Das dritte Szenario orientiert sich <strong>an</strong> der Slap&Ship-Lösung und versucht bei<br />
gleicher Leistung, die Kosten weiterh<strong>in</strong> zu senken. <strong>Die</strong> Kostensenkung basiert auf<br />
der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es externen <strong>Die</strong>nstleisters, wodurch <strong>in</strong>terne Investitionskosten<br />
entfallen. <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister wie DHL Solutions bieten <strong>an</strong>, Waren für Händler<br />
und Hersteller mit Tr<strong>an</strong>spondern zu kennzeichnen und <strong>an</strong>schließend <strong>an</strong> den<br />
Kunden zu versenden. So k<strong>an</strong>n das Unternehmen mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen Risiko <strong>in</strong> die<br />
RFID-Technologie e<strong>in</strong>steigen.<br />
Analog zur Slap&Ship-Lösung verändert sich der <strong>Visibilität</strong>sgrad bei diesem<br />
Szenario nicht. Dafür werden die Waren- und Informationsflüsse ab dem<br />
Warenausg<strong>an</strong>g des Distributionszentrums umgeleitet. <strong>Die</strong> 2000 Metro-Paletten<br />
werden mit dem vorh<strong>an</strong>denen Barcode-Drucker speziell gekennzeichnet und d<strong>an</strong>n<br />
<strong>an</strong> e<strong>in</strong> DHL Umschlaglager gesendet. Im DHL-Lager werden die Paletten mit<br />
RFID ausgezeichnet und d<strong>an</strong>n weiter <strong>an</strong> das Metro-Zentrallager verschickt. <strong>Der</strong><br />
Informationsfluss wird so geändert, dass das Unternehmen die EDI-Nachricht<br />
nicht mehr direkt <strong>an</strong> die Metro AG sendet, sondern zuerst <strong>an</strong> DHL und d<strong>an</strong>n<br />
sendet DHL das Dispatch Advice <strong>an</strong> Metro weiter. <strong>Die</strong> Datenumleitung ist der<br />
aufwendigste Modellierungsschritt im Rahmen der Prozessumstellung.<br />
Zu dem Zeitpunkt, als die Studie erstellt wurde, konnten die befragten<br />
<strong>Die</strong>nstleister noch ke<strong>in</strong>e konkreten Preise für das RFID-Tagg<strong>in</strong>g nennen. <strong>Die</strong>s<br />
wird damit begründet, dass auch bei den <strong>Die</strong>nstleistern die Erfahrungen mit RFID<br />
relativ neu s<strong>in</strong>d. Deshalb wird e<strong>in</strong> Teil der Leistung auch als Beratungsleistung<br />
<strong>an</strong>geboten, <strong>in</strong> dem geme<strong>in</strong>sam mit dem Kunden <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Lösung gearbeitet wird.<br />
Trotz der unsicheren Kostenbasis wird das Szenario III voraussichtlich die<br />
günstigste Alternative se<strong>in</strong>, um mit den ersten 2000 Paletten den Metro-<br />
Anforderungen gerecht zu werden. <strong>Die</strong> Lösung ist flexibel und skalierbar, sodass<br />
sie auf weitere Produktgruppen und Kunden ausgeweitet werden k<strong>an</strong>n. Das<br />
Unternehmen profitiert von dem RFID-Know-how des <strong>Die</strong>nstleisters, der im Falle<br />
von DHL e<strong>in</strong> Partner der Metro Future Store Initiative ist.<br />
<strong>Der</strong> Nachteil dieses Szenarios ist die Abhängigkeit vom externen <strong>Die</strong>nstleistern<br />
und der Umst<strong>an</strong>d, dass wichtige RFID-Erfahrungen aus der Umsetzung der ersten
96<br />
Kapitel 4<br />
Phase nicht <strong>in</strong> das Unternehmen übergehen. In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g muss auch<br />
das Image des produzierenden Unternehmens betrachtet werden, das mit se<strong>in</strong>er<br />
<strong>Logistik</strong> e<strong>in</strong>en exzellenten Ruf besitzt. Wenn es nun die RFID-Entwicklung <strong>an</strong><br />
e<strong>in</strong>en Dritten auslagert, könnte der E<strong>in</strong>druck entstehen, dass es dem Thema nicht<br />
gewachsen sei.<br />
<strong>Die</strong> größten Bedenken <strong>in</strong> diesem Szenario entstehen jedoch durch die Umleitung<br />
des Tr<strong>an</strong>sportprozesses. Denn was im E<strong>in</strong>zelfall s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t, wirkt <strong>in</strong> der<br />
g<strong>an</strong>zheitlichen Betrachtung geradezu absurd: Dazu wird <strong>an</strong>genommen, dass sich<br />
von den 100 Metro-Liefer<strong>an</strong>ten, die <strong>in</strong> die Phase 1 des Roll-outs e<strong>in</strong>gebunden<br />
werden, 50% dafür entscheiden ihre Paletten von DHL mit RFID auszeichnen zu<br />
lassen. Demnach schicken diese 50 Hersteller ihre Ware nicht mehr direkt <strong>an</strong> ihr<br />
Metro-Zentrallager sondern <strong>an</strong> e<strong>in</strong> DHL-Zwischenlager, <strong>in</strong> dem sie mit RFID<br />
ausgezeichnet werden und von dem sie <strong>an</strong> Metro weitergesendet werden.<br />
Effizienzvorteile, die dadurch entstehen könnten, dass mit RIFD gekennzeichnete<br />
Waren von Unternehmen A und B zusammen auf e<strong>in</strong>em LKW zur Metro<br />
geschickt werden, s<strong>in</strong>d nicht zu erwarten. Denn es ist davon auszugehen, dass die<br />
Belieferung der Metro-Lager <strong>in</strong> Bezug auf den Materialfluss heute schon effizient<br />
org<strong>an</strong>isiert ist. Also entstehen auf der Tr<strong>an</strong>sportseite zusätzliche Kosten, damit<br />
RFID e<strong>in</strong>geführt werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong>s ist absurd, weil der Informationsfluss,<br />
welchen RFID verbessern soll, den Warenfluss unterstützen und effizienter<br />
gestalten soll und nicht umgekehrt. Außerdem wird die Belieferungsqualität nicht<br />
steigen. <strong>Die</strong> Qualität e<strong>in</strong>er Tr<strong>an</strong>sportkette ist immer nur so gut wie ihr schwächstes<br />
Glied. Im RFID unterstützten Prozess wäre das schwächste Glied die Strecke vom<br />
Hersteller zum DHL Umschlaglager. Hier wird jedoch noch ke<strong>in</strong> RFID e<strong>in</strong>gesetzt<br />
und die Qualität ist erwartungsgemäß genauso hoch wie auf der früheren Strecke<br />
vom Hersteller direkt zum Metro-Lager.<br />
Abschließend lässt sich Szenario III als gute, kostengünstige Überg<strong>an</strong>slösung<br />
charakterisieren. <strong>Die</strong> eigentliche Zielsetzung, e<strong>in</strong>e durch RFID verbesserte<br />
<strong>Visibilität</strong> von der Produktion bis zur Ladenkasse, wird auf diesem Weg nicht<br />
erreicht.<br />
4.4.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie<br />
Trotz der ernüchternden Ergebnisse aus den drei Szenarien steht das Unternehmen<br />
den Themen <strong>Visibilität</strong> und RFID weiterh<strong>in</strong> positiv gegenüber. Es wird e<strong>in</strong>e<br />
ähnliche Entwicklung wie beim Barcode erwartet, beim dem es elf Jahre gedauert
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 97<br />
hat, bis das Unternehmen alle se<strong>in</strong>e Produkte mit dem EAN-Code nutzenstiftend<br />
auszeichnen konnte. <strong>Die</strong> kritische Masse wird als der entscheidende Erfolgsfaktor<br />
<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>führung von RFID <strong>an</strong>gesehen. H<strong>in</strong>gegen wird der heutige sehr hohe<br />
Automatisierungsgrad als e<strong>in</strong> Umsetzungshemmnis gesehen, weil er wenig Raum<br />
für weitere Verbesserungen lässt.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne begrüßt das Unternehmen grundsätzlich auch die Metro Future<br />
Store Initiative mit ihren Bemühungen rund um RFID, weil sie hilft <strong>in</strong> der<br />
Konsumgüterbr<strong>an</strong>che e<strong>in</strong>e kritische Masse zu erzeugen. Allerd<strong>in</strong>gs deuten die<br />
<strong>an</strong>alysierten Szenarien daraufh<strong>in</strong>, dass sich das Unternehmen vorerst nicht um<br />
e<strong>in</strong>e aktive Aufnahme <strong>in</strong> den Metro Roll-out bemühen sollte. Das Gegenteil ist<br />
eher der Fall: je später das Unternehmen <strong>in</strong> den Roll-out e<strong>in</strong>bezogen wird, desto<br />
später fallen unabhängig vom gewählten Szenario die zusätzlichen Kosten <strong>an</strong>.<br />
Außerdem wird die Werbewirksamkeit e<strong>in</strong>er Teilnahme als eher ger<strong>in</strong>g<br />
e<strong>in</strong>geschätzt, weil die größte Aufmerksamkeit ohneh<strong>in</strong> auf Metro oder eventuell<br />
auf die Liefer<strong>an</strong>ten der „ersten Stunde“ fällt.<br />
Um RFID-Erfahrungen zu sammeln, startet das Unternehmen im Herbst 2005 e<strong>in</strong><br />
Pilotprojekt im Behälterm<strong>an</strong>agement. <strong>Der</strong> Adoptionspfad geht der Voraussicht<br />
nach beim Behälterm<strong>an</strong>agement los und d<strong>an</strong>n über NVE und Umkartons zum<br />
Item. Das größte Potenzial wird auch auf Item-Level vermutet und zwar genau<br />
d<strong>an</strong>n wenn die komplette Identifikations<strong>in</strong>frastruktur auf RFID umgestellt ist. <strong>Der</strong><br />
EPC-Code wird d<strong>an</strong>n auch verw<strong>an</strong>dte Applikationen wie <strong>Die</strong>bstahlsysteme<br />
ablösen und e<strong>in</strong>e Umetikettierung von Barcodes überflüssig machen.<br />
Interess<strong>an</strong>t wird bei der E<strong>in</strong>führung von RFID <strong>in</strong> den nächsten Jahren die Frage<br />
se<strong>in</strong>, wie weit sich durch die Technologie wirklich die <strong>Visibilität</strong> erhöht oder ob<br />
die Nutzenpotenziale weitgehend auf effizienteren Lesevorgängen basieren. <strong>Die</strong><br />
ver<strong>an</strong>twortlichen <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>ager konnten auf Anfrage <strong>in</strong> dem heutigen System<br />
ke<strong>in</strong>e wirkliche <strong>Visibilität</strong>slücke erkennen.<br />
4.4.4 Zusammenfassung<br />
Das Beispiel zeigt wie sich die RFID-Roll-out Pläne der Metro AG auf die<br />
Liefer<strong>an</strong>ten auswirken. <strong>Der</strong> herausgegriffene Metro-Liefer<strong>an</strong>t ist bisl<strong>an</strong>g noch<br />
nicht <strong>in</strong> den Roll-out e<strong>in</strong>bezogen, möchte sich aber entsprechend vorbereiten.<br />
Obwohl er der RFID-Technologie sehr aufgeschlossen gegenüber steht, hat die<br />
Untersuchung über die Auswirkungen der Metro-Pläne zu e<strong>in</strong>er großen<br />
Ernüchterung geführt. Wegen des hohen Automatisierungsgrades im eigenen
98<br />
Kapitel 4<br />
Produktions- und <strong>Logistik</strong>system besteht bereits heute e<strong>in</strong>e sehr hohe <strong>Visibilität</strong>.<br />
Es ist schwierig mit RFID weitere Verbesserungen im eigenen System zu<br />
erzeugen, weil die Anforderung e<strong>in</strong>es Kunden noch ke<strong>in</strong>e kritische Masse erzeugt.<br />
Das Unternehmen möchte die RFID-Technologie deshalb zunächst im<br />
Behälterm<strong>an</strong>agement testen. Bezüglich des Metro Roll-outs agieren die<br />
Ver<strong>an</strong>twortlichen zurückhaltend und bemühen sich nicht aktiv um e<strong>in</strong>e Teilnahme.<br />
Würde e<strong>in</strong>e sofortige Teilnahme verl<strong>an</strong>gt, d<strong>an</strong>n h<strong>in</strong>ge die gewählte Lösung vor<br />
allem von den Kosten ab. <strong>Die</strong> Slap&Ship-Lösung sowie das Tagg<strong>in</strong>g durch e<strong>in</strong>en<br />
externen <strong>Die</strong>nstleister ersche<strong>in</strong>en am attraktivsten. E<strong>in</strong>e Umstellung der<br />
haus<strong>in</strong>ternen <strong>Logistik</strong> auf RFID wird zunächst ausgeschlossen.<br />
4.5 Fallbeispiel Otto<br />
<strong>Die</strong> untersuchte <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung ist bei der Otto GmbH & Co KG<br />
<strong>in</strong>stalliert. 245 Das Unternehmen Otto wurde 1949 von Werner Otto als „Otto<br />
Vers<strong>an</strong>d“ gegründet. Mittlerweile hat sich der Otto Vers<strong>an</strong>d zu e<strong>in</strong>er weltweit<br />
tätigen H<strong>an</strong>dels- und <strong>Die</strong>nstleistungsgruppe entwickelt und heißt folgerichtig nicht<br />
mehr „Otto Vers<strong>an</strong>d“, sondern firmiert als Otto Group. 246 <strong>Die</strong> Otto Group ist mit<br />
rund 123 Gesellschaften <strong>in</strong> 19 Ländern tätig. Rund 55.000 Mitarbeiter arbeiten <strong>in</strong><br />
den strategischen Geschäftsfeldern E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del, F<strong>in</strong><strong>an</strong>zen, Services und<br />
Großh<strong>an</strong>del. Neben der Marke Otto gehören zum Markenspektrum u. a. die<br />
Namen Baur, He<strong>in</strong>e, Schwab, Wittweiden, Sport-Scheck und Eddie Bauer.<br />
Mit ihren E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>delsaktivitäten ist die Otto Group <strong>in</strong> den wichtigsten<br />
Wirtschaftsräumen Europas, Amerikas und Asiens aktiv. Das traditionelle<br />
Kerngeschäft ist dabei der Vers<strong>an</strong>dh<strong>an</strong>del. Es wird durch das stationäre Geschäft<br />
und den Vertriebsk<strong>an</strong>al E-Commerce ergänzt. <strong>Der</strong> Umsatz der Otto Group belief<br />
sich im Geschäftsjahr 2003/04 auf 14.315 Mio. EUR. Mit 68,6% (9.816 Mio.<br />
EUR) hatte das Segment E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del den größten Anteil am Gesamtumsatz der<br />
Gruppe. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>delsaktivitäten erstrecken sich auf 62 Konzernunternehmen<br />
<strong>in</strong> 17 Ländern. 247<br />
245 <strong>Die</strong>ses Fallbeispiel basiert <strong>in</strong> weiten Teilen auf Interviews mit der <strong>Logistik</strong> Systementwicklung der<br />
Otto GmbH & Co KG, Carsten Wolf und Rol<strong>an</strong>d Nickerl (Bereichsleiter), sowie der Vorführung der<br />
Anwendung am 13. April 2005.<br />
246 http://www.otto.com, Zugriff am 30.04.2005.<br />
247 http://www.ottogroup.com, Zugriff am 30.04.2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 99<br />
Von Beg<strong>in</strong>n der Unternehmenstätigkeit <strong>an</strong> hat Otto stets versucht, durch<br />
<strong>in</strong>novative Lösungen Wettbewerbsvorteile zu erreichen. So führte Otto als erster<br />
Vers<strong>an</strong>dhändler <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d im Jahre 1952 den Kauf per Rechnung e<strong>in</strong> und im<br />
Jahre 1990 den durchgehenden 24-Stunden-Service. Mit dem Start der Internet-<br />
Aktivitäten wurde Otto zum Multich<strong>an</strong>nel-Anbieter. Als weltweite Nummer zwei<br />
h<strong>in</strong>ter Amazon ist die Otto Group im E-Commerce gut positioniert. <strong>Die</strong> Otto<br />
Group k<strong>an</strong>n aus der Verknüpfung von Vers<strong>an</strong>dh<strong>an</strong>del, Stationärgeschäft und E-<br />
Commerce erhebliche Verbundpotentiale nutzen.<br />
Als <strong>in</strong>novatives Unternehmen untersucht Otto auch den E<strong>in</strong>satz von modernen<br />
Auto-ID Technologien, welche die <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk steigern.<br />
Logistische Fragestellungen werden bei Otto zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den <strong>Logistik</strong>bereichen<br />
der Sparten E<strong>in</strong>zel- und Großh<strong>an</strong>del diskutiert, zum <strong>an</strong>deren treten sie beim<br />
konzern<strong>in</strong>ternen <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister Hermes auf. <strong>Der</strong> Hermes Paket <strong>Die</strong>nst<br />
wurde 1972 im Zuge e<strong>in</strong>es Insourc<strong>in</strong>g der Warenverteilung gegründet.<br />
Mittlerweile bietet die Hermes <strong>Logistik</strong> Gruppe nahezu alle<br />
<strong>Logistik</strong>dienstleistungen <strong>an</strong> und ist e<strong>in</strong>e eigene Unternehmense<strong>in</strong>heit <strong>in</strong>nerhalb der<br />
Otto Gruppe. 248<br />
Otto unterhält sieben Vers<strong>an</strong>dzentren <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d, um e<strong>in</strong>e möglichst<br />
reibungslose logistische Abwicklung zu gewährleisten: <strong>in</strong> Hamburg (2x), Ohrdruf,<br />
H<strong>an</strong>au, Haldensleben, Karlsruhe und Burbach. Große Artikel werden von den<br />
Lagern <strong>in</strong> Löhne (Hamburg) und Ohrdruf im „Zwei-M<strong>an</strong>n-H<strong>an</strong>dl<strong>in</strong>g“<br />
übernommen. Hängeware kommt aus dem Lager H<strong>an</strong>au, während kle<strong>in</strong>volumige<br />
Artikel von den Vers<strong>an</strong>dzentren Hamburg und Haldensleben ausgeliefert werden.<br />
<strong>Die</strong> Lager <strong>in</strong> Karlsruhe und Burbach übernehmen mittelgroße Waren. 249<br />
<strong>Die</strong> untersuchte <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung wird ver<strong>an</strong>twortet vom Bereich <strong>Logistik</strong><br />
Systementwicklung der Otto GmbH & Co KG. <strong>Die</strong>ser Bereich betreut die<br />
Warenverteilzentren <strong>in</strong> Hamburg und Haldensleben für Textilien und Hartwaren<br />
sowie Burbach (schwere Hartwaren) und Ohrdruf (Möbel und weiße Ware).<br />
248 http://www.ottogroup.com, Zugriff am 30.04.2005.<br />
249 http://www.otto.com, Zugriff am 30.04.2005.
100<br />
4.5.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung<br />
Kapitel 4<br />
<strong>Der</strong> Bereich <strong>Logistik</strong>systementwicklung der Otto GmbH & Co KG befasst sich<br />
mit dem Thema RFID, um durch e<strong>in</strong>e verbesserte <strong>Visibilität</strong> und Prozesseffizienz<br />
Nutzenpotenziale im Unternehmen zu heben. <strong>Die</strong> Bemühungen starteten im Jahre<br />
2004 mit e<strong>in</strong>er Wirtschaftlichkeits<strong>an</strong>alyse und parallel dazu e<strong>in</strong>em ersten RFID-<br />
Feldversuch.<br />
Im Feldversuch wird die Praxistauglichkeit der Tr<strong>an</strong>sponder am E<strong>in</strong>zelartikel <strong>in</strong><br />
der realen Produktionsumgebung bei Otto getestet. Zum E<strong>in</strong>satz kommen passive<br />
Tr<strong>an</strong>sponder im Frequenzbereich 13,56 MHz mit 4 KByte Speicher (read/write).<br />
<strong>Der</strong> Versuchsaubau <strong>in</strong>volviert e<strong>in</strong> Förderb<strong>an</strong>d mit e<strong>in</strong>er Geschw<strong>in</strong>digkeit von<br />
2m/sec sowie Kunststoffw<strong>an</strong>nen und Pappkartons als Verpackung. Textilien,<br />
Schuhe, Besteck und Hartwaren müssen vom Lesegerät identifiziert werden. Das<br />
Ergebnis des Feldversuchs s<strong>in</strong>d Leseraten von über 99,85% und e<strong>in</strong>e<br />
Pulkerfassungsfähigkeit von bis zu 45 Artikeln. Allerd<strong>in</strong>gs muss <strong>an</strong>gemerkt<br />
werden, dass die Leseraten sehr stark von dem Artikelmaterial, dem E<strong>in</strong>satzort,<br />
den RFID-Tags und der Antennenkomb<strong>in</strong>ation abhängen. Grundsätzlich hält Otto<br />
die Technologie <strong>in</strong> dem getesteten Szenario für ausgereift.<br />
Für die Wirtschaftlichkeits<strong>an</strong>alyse hat das Unternehmen den St<strong>an</strong>dort<br />
Haldensleben ausgewählt. Hier wird die Vers<strong>an</strong>dlogistik von 300.000<br />
Artikelpositionen aus fünf Konzernfirmen für g<strong>an</strong>z Deutschl<strong>an</strong>d org<strong>an</strong>isiert, wobei<br />
pro Jahr <strong>in</strong> etwa 140 Mio. Teile versendet werden. <strong>Die</strong> Bestellungen umfassen <strong>in</strong><br />
der Regel drei bis sechs Teile und werden zu 5-50% zurückgesendet. Das Lager<br />
wird im Laufe e<strong>in</strong>es Jahres sechs- bis siebenmal umgeschlagen.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 101<br />
RFID RFID RFID RFID<br />
Warenvere<strong>in</strong>nahmung<br />
(8 Mio Kartons)<br />
Halbautomatisch<br />
95<br />
MA<br />
MA: Mitarbeiter<br />
Reservelagerung<br />
(1,2 Mio Kartons)<br />
Vollautomatisch<br />
25<br />
MA<br />
Kommissionierung<br />
(140 Mio Teile)<br />
M<strong>an</strong>uell<br />
680<br />
MA<br />
Sortierpuffer<br />
(140 Mio Teile)<br />
Vollautomatisch<br />
0<br />
MA<br />
Packerei<br />
(40 Mio<br />
Sendungen)<br />
M<strong>an</strong>uell<br />
530<br />
MA<br />
Abbildung 16: Materialflusskonzept Haldensleben 250<br />
Sortierung/<br />
Verladung<br />
(45 Mio<br />
Sendungen)<br />
Vollautomatisch/<br />
m<strong>an</strong>uell<br />
65<br />
MA<br />
∑ 1.395 MA<br />
Abbildung 16 stellt den Materialfluss <strong>in</strong> Haldensleben schematisch dar.<br />
Erwartungsgemäß ist die Personal<strong>in</strong>tensität <strong>in</strong> den Kernbereichen<br />
Kommissionierung und Packerei mit rund 1.200 Mitarbeitern am höchsten. Otto<br />
identifiziert Nutzenpotenziale von RFID <strong>in</strong> allen nicht vollautomatisierten<br />
Bereichen: Warenvere<strong>in</strong>nahmung, Kommissionierung, Packerei und Sortierung.<br />
Im Rahmen der Wirtschaftlichkeits<strong>an</strong>alyse gilt die Annahme, dass die Qualität <strong>in</strong><br />
der Best<strong>an</strong>dserfassung, <strong>in</strong> der Ausg<strong>an</strong>gs- und Richtungskontrolle sowie die Pick-<br />
und Packqualität durch RFID 100% erreicht. Dadurch ist m<strong>an</strong> auf e<strong>in</strong> jährliches<br />
E<strong>in</strong>sparungspotential von 6,6 Mio. EUR gekommen. Bei Otto bedeutet dies, dass<br />
bei e<strong>in</strong>em Absatz von 200 Mio. Artikeln pro Jahr der maximale Tr<strong>an</strong>sponderpreis<br />
nicht mehr als drei Eurocent betragen darf, wenn die Technologie flächendeckend<br />
e<strong>in</strong>gesetzt wird. 251<br />
<strong>Die</strong>se Erkenntnisse waren die Grundlage für Ottos strategische Entscheidung,<br />
RFID für „lohnende“ Artikel <strong>in</strong> speziellen Prozessabschnitten e<strong>in</strong>zusetzen. Für<br />
Otto s<strong>in</strong>d Artikel „lohnend“, wenn sie hohe Deckungsbeiträge aufweisen, mit<br />
denen die Tr<strong>an</strong>sponderkosten gedeckt werden können, und wenn sie e<strong>in</strong>er starken<br />
Schwundgefahr ausgesetzt s<strong>in</strong>d, die durch den RFID-E<strong>in</strong>satz reduziert werden<br />
k<strong>an</strong>n.<br />
Das Warenverteilzentrum Hamburg ist der Ausg<strong>an</strong>gspunkt für die erste<br />
durchgängige RFID-Anwendung bei Otto. Zielsetzung ist die lückenlose<br />
Überwachung von werthaltigen Artikeln bis zum Empf<strong>an</strong>gsdepot. Gerade bei den<br />
250 NICKERL (2005).<br />
251 NICKERL (2004).
102<br />
Kapitel 4<br />
Gefahrenübergängen soll zusätzliche <strong>Visibilität</strong> für mehr Sicherheit sorgen.<br />
Abbildung 17 beschreibt den Prozessablauf.<br />
Abbildung 17: Prozessablauf der RFID-Anwendung bei Otto 252<br />
<strong>Der</strong> so gen<strong>an</strong>nte „Schmuckkäfig“ des Hamburger Warenverteilzentrums ist e<strong>in</strong><br />
abgesonderter Bereich, der nur für ausgewählte Mitarbeiter zugänglich ist und <strong>in</strong><br />
dem hochwertige Produkte kommissioniert werden. Hier werden die<br />
Mobiltelefone, Digitalkameras und weitere hochwertige Produkte mit RFID-<br />
Smartlabels ausgestattet, bevor Sie ihren Weg zum Kunden <strong>an</strong>treten. Dreimal<br />
werden die Labels auf dieser Strecke ausgelesen. <strong>Die</strong> erste Lesung schließt sich<br />
der Kommissionierung <strong>an</strong>, um die Pickqualität sicherzustellen. <strong>Die</strong> zweite Lesung<br />
erfolgt noch im Hamburger Hub, wodurch gewährleistet wird, dass die Artikel <strong>an</strong><br />
der richtigen Rampe dem korrekten Tr<strong>an</strong>sport zugeordnet werden. Schließlich<br />
werden die Artikel <strong>in</strong> fünf ausgewählten Depots gelesen, um den<br />
ordnungsgemäßen Vers<strong>an</strong>d zu quittieren. <strong>Der</strong> Prozessdurchlauf beträgt für e<strong>in</strong>en<br />
Artikel e<strong>in</strong>en bis drei Tage.<br />
Zum E<strong>in</strong>satz kommen Philips I-CODE SLI SL2 RFID-Selbstklebeetiketten mit<br />
e<strong>in</strong>er Frequenz von 13,56 MHz und 1024 Bit Speicher. <strong>Die</strong> Kosten pro Etikett<br />
beziffert Otto mit 30-80 Eurocent. E<strong>in</strong> ZEBRA R 402 Drucker bedruckt die<br />
Etiketten mit Barcodes und speichert gleichzeitig die relev<strong>an</strong>ten Informationen auf<br />
252 NICKERL (2004).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 103<br />
dem Chip. <strong>Die</strong> Artikel werden auf Item-Level mit spezifischen Otto-Daten<br />
beschrieben: United Identification Number, Hermes Sendungs-ID Nummer,<br />
Retour-Schlüssel. <strong>Der</strong> Electronic Product Code, welcher zukünftig den EAN-<br />
Barcode ablösen los, kommt nicht zum E<strong>in</strong>satz. Noch bef<strong>in</strong>det sich die<br />
Anwendung im Probebetrieb. Neben den RFID-Daten brauchen die Artikel<br />
Barcodes, weil sie durch e<strong>in</strong> sehr sorgfältig entworfenes und komplexes<br />
<strong>Logistik</strong>system zusammen mit allen <strong>an</strong>deren Artikeln geführt werden müssen. In<br />
der Kommissionierung werden zwei Lesemethoden getestet: zum e<strong>in</strong>en die<br />
m<strong>an</strong>uelle Auslesung mit e<strong>in</strong>em H<strong>an</strong>dheld Reader der Marke PSION von<br />
Höft&Wessel und zum <strong>an</strong>deren die Tunnelauslesung mit dem Siemens SBS-Gerät<br />
MOBY D.<br />
<strong>Die</strong> Anwendungslogik des Systems ist Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g. Um höherwertige<br />
SCEM-Funktionalität <strong>an</strong>zubieten, müsste das System über Enterprise Application<br />
Integration (EAI) o. ä. <strong>an</strong> die Otto Pl<strong>an</strong>ungssysteme <strong>an</strong>geschlossen werden. Für<br />
den Probebetrieb erschien Otto diese Alternative zu aufwendig, weshalb Soll-Ist-<br />
Abgleiche vorerst per H<strong>an</strong>d durchgeführt werden.<br />
4.5.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
<strong>Die</strong> RFID-Anwendung hat den <strong>Visibilität</strong>sgrad im ausgewählten Abschnitt des<br />
<strong>Logistik</strong>-Netzwerks merklich verbessert. <strong>Die</strong> Verbesserung zielt vor allem <strong>in</strong><br />
Richtung Datengr<strong>an</strong>ularität und -qualität. <strong>Die</strong> örtliche Gr<strong>an</strong>ularität hat sich durch<br />
zusätzliche Lesestellen im Hamburger Hub und <strong>in</strong> den Depots verbessert, ohne<br />
dass der H<strong>an</strong>dl<strong>in</strong>g-Aufw<strong>an</strong>d erhöht wurde. D<strong>an</strong>eben ist die zusätzliche „<strong>in</strong> the<br />
box“-<strong>Visibilität</strong> zu erwähnen. Üblicherweise werden <strong>an</strong> den Gefahrenübergängen<br />
nur die Sendungen durch entsprechende Sendungs-ID Nummern identifiziert. Mit<br />
RFID ist es nun möglich zu überprüfen, ob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vers<strong>an</strong>dpaket wirklich das<br />
bestellte Mobiltelefon enthalten ist, ohne das Paket zu öffnen. <strong>Die</strong>se Überprüfung<br />
wäre sonst nur durch e<strong>in</strong> m<strong>an</strong>uelles Öffnen des Pakets möglich.<br />
<strong>Die</strong> Leseraten liegen <strong>in</strong> der Probe<strong>an</strong>wendung ähnlich wie im Feldversuch bei weit<br />
über 99%. E<strong>in</strong> weiterer Vorteil der RFID-Auszählung im Vergleich zur m<strong>an</strong>uellen<br />
Zählung soll <strong>an</strong> e<strong>in</strong>em Beispiel erläutert werden: In e<strong>in</strong>em Paket werden 20<br />
E<strong>in</strong>zelteile, die jeweils mit e<strong>in</strong>em RFID-Etikett ausgezeichnet s<strong>in</strong>d, versendet. Bei<br />
der m<strong>an</strong>uellen Auszählung können im Fehlerfall entweder zuviel oder zuwenig<br />
Artikel gezählt werden. <strong>Die</strong> Fehlzählung k<strong>an</strong>n beispielsweise 19 oder 21 Artikel
104<br />
Kapitel 4<br />
betragen. H<strong>in</strong>gegen k<strong>an</strong>n die RFID-Auszählung nur e<strong>in</strong>en Fehler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung<br />
erzeugen. Wenn das Lesegerät <strong>an</strong>gibt, dass 19 Artikel im Paket s<strong>in</strong>d, können auf<br />
ke<strong>in</strong>en Fall nur 18 enthalten se<strong>in</strong>. Es ist höchstens möglich, dass sich mehr als 19<br />
Artikel im Paket bef<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong>e Fehlzählung, die 21 Artikel ergibt, wäre bei<br />
diesem Setup mit RFID nicht möglich.<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
54%<br />
Reduzierte<br />
Sendungsverluste<br />
27%<br />
Qualitätskosten<br />
19%<br />
Retourenprozess<br />
33%<br />
Tr<strong>an</strong>sponder<br />
28%<br />
Software * Software *<br />
18%<br />
Hardware * Hardware *<br />
E<strong>in</strong>sparungen p.a. Lfd. Kosten p.a.<br />
* Z<strong>in</strong>sen und Abschreibungen<br />
Abbildung 18: Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für RFID-Pilote<strong>in</strong>satz 253<br />
Nach Angaben der Otto GmbH & Co KG übersteigt der Nutzen des RFID-<br />
Systems die Kosten. Das Unternehmen k<strong>an</strong>n sogar berichten, dass der Schwund<br />
bei Mobiltelefonen und Kameras alle<strong>in</strong> durch die Ankündigung des RFID-<br />
E<strong>in</strong>satzes zurückg<strong>in</strong>g. Abbildung 18 zeigt die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im<br />
Balkendiagramm.<br />
<strong>Die</strong> Wirtschaftlichkeitsbetrachtung spiegelt die strategischen Überlegungen,<br />
welche zum RFID-Probee<strong>in</strong>satz führten, wider. <strong>Die</strong> größten E<strong>in</strong>sparungen<br />
stammen aus der Reduzierung von Sendungsverlusten, d. h. der RFID-E<strong>in</strong>satz<br />
rechnet sich schnell, wenn vorher merkliche Verluste durch Schwund entst<strong>an</strong>den<br />
s<strong>in</strong>d. Auf der Kostenseite stellen die Labelpreise die größte Position dar. Sie<br />
können nur bei entsprechend hohen Deckungsbeiträgen der überwachten Produkte<br />
gedeckt werden.<br />
253 KOHAGEN (2005).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 105<br />
Wegen der hohen laufenden Kosten ist sich Otto bewusst, dass e<strong>in</strong>e<br />
flächendeckende RFID-E<strong>in</strong>führung gut gepl<strong>an</strong>t se<strong>in</strong> muss. <strong>Die</strong> Ver<strong>an</strong>twortlichen<br />
wollen das Thema <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall „verschlafen“.<br />
4.5.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie<br />
Grundsätzlich schätzt Otto den <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> im eigenen System auch ohne<br />
RFID als hoch e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Sendungen werden auf dem Weg zum Kunden <strong>in</strong> Echtzeit<br />
verfolgt. Zu jeder Zeit ist im System bek<strong>an</strong>nt, wo sich welche Sendung bef<strong>in</strong>det.<br />
Weitere Verbesserungen s<strong>in</strong>d hier durch zusätzliche Lesestationen <strong>an</strong> den<br />
Gefahrenübergängen möglich und durch Erhöhung der „<strong>in</strong> the box“-<strong>Visibilität</strong>, die<br />
weiter oben beschrieben wurde. Auch bei dem Vers<strong>an</strong>d von „weißer“ Ware wie<br />
E<strong>in</strong>bauküchen wären Verbesserungen möglich.<br />
Otto nutzt die T&T-Daten aus dem bestehenden System aktiv. Im 24 Stunden<br />
Lieferservice erhält der Kunde e<strong>in</strong>en Anruf, wenn se<strong>in</strong>e Ware nicht wie<br />
versprochen e<strong>in</strong>trifft. Beim normalen Lieferservice erhält der Kunde e<strong>in</strong>en Brief,<br />
wenn die Ware nicht <strong>in</strong> zwei bis drei Tagen versendet werden k<strong>an</strong>n. Im Internet<br />
k<strong>an</strong>n jeder Kunde die T&T-Daten zu se<strong>in</strong>er Sendung abfragen und erfährt, w<strong>an</strong>n<br />
se<strong>in</strong>e Sendung im Verteilzentrum losgeschickt wurde und w<strong>an</strong>n sie im Shop<br />
<strong>an</strong>kommt. Zusätzliche <strong>Visibilität</strong> könnte den Kundennutzen weiter erhöhen, wenn<br />
es Otto gelänge, die Lieferungszeitfenster noch enger zufassen. Zurzeit gibt es die<br />
Lieferoptionen morgens, mittags und abends.<br />
Insgesamt sieht Otto se<strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>system von der Warenvere<strong>in</strong>nahmung bis zum<br />
Kunden als sehr effizient <strong>an</strong> und sieht nur kle<strong>in</strong>ere Verbesserungspotenziale. Auch<br />
<strong>in</strong> Bezug auf <strong>Visibilität</strong> liegen die großen Potenziale eher <strong>in</strong> der Zusammenarbeit<br />
zwischen Otto und se<strong>in</strong>en Liefer<strong>an</strong>ten. RFID ist e<strong>in</strong>e Technologie, deren Potenzial<br />
erst auf Item-Level und <strong>in</strong> der Zusammenarbeit mit den Wertschöpfungspartnern<br />
voll zur Geltung kommt.<br />
Otto nutzt den Preis der RFID-Etiketten als Richtwert für das weitere Vorgehen.<br />
Im Sortiment hochwertige Produkte können erst d<strong>an</strong>n weitere Produkte mit RFID<br />
ausgezeichnet werden, wenn die Preise für die Etiketten unter 20 Eurocent fallen.<br />
Bei e<strong>in</strong>em Preis von fünf Eurocent pro Etikett können 50% des Sortiments<br />
ausgezeichnet werden. <strong>Die</strong>se Analyse war e<strong>in</strong>es der ersten Ergebnisse der RFID-<br />
Bemühungen von Otto und wird <strong>in</strong> Abbildung 19 verdeutlicht.
106<br />
Abbildung 19: Erste Ergebnisse des RFID-E<strong>in</strong>satzes bei Otto 254<br />
4.5.4 Zusammenfassung<br />
Kapitel 4<br />
Das Unternehmen Otto hat e<strong>in</strong>e RFID-Pilot<strong>an</strong>wendung im eigenen <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk umgesetzt. Hochwertige Produkte wie Mobiltelefone und<br />
Digitalkameras werden im Warenverteilzentrum Hamburg mit RFID<br />
gekennzeichnet und auf ihrem Weg zu fünf ausgewählten Verteilzentren verfolgt.<br />
Laut eigenen Angaben läuft die Anwendung bereits heute wirtschaftlich. <strong>Der</strong><br />
positive Bus<strong>in</strong>ess Case hängt stark mit der großen Schwundgefahr und dem hohen<br />
Deckungsbeitrag der ausgezeichneten Produkte zusammen. Wenn der Schwund<br />
von wenigen Artikeln verh<strong>in</strong>dert wird, macht sich die Anwendung bereits bezahlt.<br />
Dabei kommt der Leistungsvorteil von RFID gegenüber dem Barcode zum tragen.<br />
Im alten Prozess wird e<strong>in</strong>e Paketsendung mit nur e<strong>in</strong>em äußerlich <strong>an</strong>gebrachten<br />
Barcode verfolgt. Im neuen Prozess ist es möglich durch die RFID-Etiketten <strong>an</strong><br />
den e<strong>in</strong>zelnen Artikeln den Inhalt des Pakets zu überprüfen, ohne es m<strong>an</strong>uell zu<br />
öffnen. <strong>Die</strong> Prozessqualität erhöht sich und Sendungsverluste werden verr<strong>in</strong>gert.<br />
Zudem vere<strong>in</strong>facht sich der Retourenprozess.<br />
E<strong>in</strong>e Wirtschaftlichkeits<strong>an</strong>alyse zeigt weiterh<strong>in</strong>, dass die Vorteile von RFID<br />
gerade <strong>in</strong> m<strong>an</strong>uellen und halbautomatisierten Prozessen zum tragen kommen. Bei<br />
vollautomatisierten Prozessen k<strong>an</strong>n die neue Technologie wenig zusätzliche<br />
Vorteile bieten. D<strong>an</strong>eben hat das Unternehmen e<strong>in</strong>e Vision entwickelt, wie die<br />
Adaption im eigenen Unternehmen aussehen k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong> entscheidenden Treiber<br />
s<strong>in</strong>d dabei Preissenkungen für die e<strong>in</strong>gesetzten RFID-Etiketten. Je niedriger der<br />
254 NICKERL (2005).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 107<br />
Preis der Etiketten desto mehr Produkte können wirtschaftlich mit RFID<br />
ausgezeichnet werden. Bei e<strong>in</strong>em Preis von 5 Eurocent wäre e<strong>in</strong>e Auszeichnung<br />
der Hälfte aller Produkte im hochwertigen Segment denkbar.<br />
4.6 Fallbeispiel Department of Defense<br />
Das Fallbeispiel United States Department of Defense (DoD) hilft zu verstehen,<br />
wieso gerade zu Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts <strong>in</strong> Theorie und Praxis so <strong>in</strong>tensiv<br />
diskutiert wird, wie RFID die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> erhöhen k<strong>an</strong>n.<br />
<strong>Die</strong> Grundlagen dieser Technologie wurden schließlich bereits im Jahre 1948<br />
erfunden, 255 aber erst <strong>in</strong> jüngster Zeit bekommt das Thema e<strong>in</strong>e breite<br />
Öffentlichkeitswirkung. <strong>Die</strong>s hängt stark mit den Aktivitäten des DoD zusammen.<br />
Ähnlich wie sich die <strong>Logistik</strong> als betriebswirtschaftliche Funktion aus dem<br />
militärischen Bereich herleiten lässt und wie das Internet se<strong>in</strong>en Ursprung im<br />
Militär f<strong>in</strong>det, ist es möglich e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie vom E<strong>in</strong>satz der RFID-Technologie <strong>in</strong> der<br />
Golfkriegslogistik der amerik<strong>an</strong>ischen Streitkräfte bis zum EPC-St<strong>an</strong>dard zu<br />
ziehen.<br />
Ursprung der jüngsten Initiativen zur Erhöhung der <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk des DoD s<strong>in</strong>d die Erfahrungen, welche die amerik<strong>an</strong>ischen Truppen <strong>in</strong><br />
der ersten Golfkriegsoperation „Desert Storm“ im Jahre 1991 gesammelt haben.<br />
Das Track<strong>in</strong>g von logistischen Aktivitäten erfolgte während Desert Storm<br />
weitgehend auf Papier. 256 <strong>Die</strong> Pl<strong>an</strong>ung des DoD sah vor, dass der Nachschub im<br />
Kriegsgebiet für 60 Tage reichen muss. <strong>Die</strong> Streitkräfte waren auch <strong>in</strong> der Lage,<br />
das Material <strong>an</strong> die Frontl<strong>in</strong>ie zu br<strong>in</strong>gen. Allerd<strong>in</strong>gs war unklar wo welche Güter<br />
noch verfügbar waren, wenn der Nachschub e<strong>in</strong>mal die Front erreicht hat. Im<br />
Ergebnis war das <strong>Logistik</strong>-Netzwerk der Operation <strong>an</strong> vielen Stellen unterbrochen,<br />
sodass von dem Nachschub, der <strong>in</strong> 40.000 Conta<strong>in</strong>ern <strong>in</strong>s Kriegsgebiet entsendet<br />
wurde, nur die Hälfte verwendet wurde. 257<br />
Daraufh<strong>in</strong> wurde 1997 das Concept of Operations 258 im DoD erstellt, das e<strong>in</strong><br />
Track<strong>in</strong>g aller Materialien im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk vorsieht. Für die<br />
Implementierung dieses Konzepts wurde das DoD Logistics AIT Office<br />
255 LANDT (2001).<br />
256 Vgl. SAVI TECHNOLOGY (2003b).<br />
257 MORALES/GEARY (2003).<br />
258 DEPUTY UNDER SECRETARY OF DEFENSE (1997).
108<br />
Kapitel 4<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, wobei AIT für Automatic Identification Technology steht. 259 <strong>Die</strong><br />
e<strong>in</strong>geleiteten Maßnahmen haben die <strong>Visibilität</strong> im Netzwerk stark verbessert.<br />
Beispielhaft werden im Folgenden zwei Anwendungen beschrieben, welche im<br />
„zweiten“ Golfkrieg, Operation „Iraqi Freedom“, und im Afgh<strong>an</strong>ist<strong>an</strong>-Feldzug,<br />
Operation „Endur<strong>in</strong>g Freedom“, zum E<strong>in</strong>satz kamen:<br />
• St<strong>an</strong>d-off visibility of conta<strong>in</strong>er contents (<strong>in</strong> the box visibility)<br />
• In-tr<strong>an</strong>sit visibility (ITV)<br />
4.6.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendungen mit aktiven Tr<strong>an</strong>spondern<br />
Seit Ende der 1990er Jahre setzt das DoD aktive RFID-Tags e<strong>in</strong>, um alle<br />
konsolidierten Versendungen (z. B. 20/40 Fuß Conta<strong>in</strong>er, Luftfrachtpaletten oder<br />
spezielle Behältnisse) zu kennzeichnen. Es s<strong>in</strong>d sowohl Nachschubtr<strong>an</strong>sporte als<br />
auch Retouren betroffen und gerade bei Versendungen <strong>in</strong> Krisenregionen werden<br />
sehr selten Ausnahmen gemacht. <strong>Der</strong> H<strong>in</strong>tergrund für diese Maßnahme ist, dass<br />
die Streitkräfte im E<strong>in</strong>satzgebiet schnell wissen müssen, welche Güter im<br />
Stützpunkt noch zur Verfügung stehen, auch wenn ke<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>er<br />
zentralen oder lokalen Best<strong>an</strong>dsdatenb<strong>an</strong>k besteht. <strong>Die</strong> besondere<br />
Herausforderung der militärischen <strong>Logistik</strong> macht es erforderlich, dass die<br />
e<strong>in</strong>gesetzten Informationssysteme e<strong>in</strong>en Wegfall von zentralen<br />
Infrastrukture<strong>in</strong>heiten verkraften können. <strong>Die</strong>s war <strong>in</strong> der Verg<strong>an</strong>genheit nicht<br />
immer der Fall. So wird e<strong>in</strong> General der Air Force zitiert: „In Desert Storm, we<br />
had mounta<strong>in</strong>s of conta<strong>in</strong>ers that never even got opened the whole time we were<br />
there.“ <strong>Der</strong> Grund dafür lag <strong>in</strong> der fehlenden <strong>Visibilität</strong>. <strong>Die</strong> Best<strong>an</strong>dsdaten s<strong>in</strong>d<br />
nicht mehr vorh<strong>an</strong>den und bevor e<strong>in</strong> „combat soldier“ e<strong>in</strong>e Inventur vornimmt,<br />
wird der für den Stützpunkt e<strong>in</strong>fachere Weg gewählt, <strong>in</strong>dem weiterer Nachschub<br />
<strong>an</strong>gefordert wird.<br />
<strong>Die</strong> aktiven Tr<strong>an</strong>sponder sorgen für „<strong>in</strong> the box“ <strong>Visibilität</strong>, sodass <strong>an</strong> jedem<br />
Stützpunkt mit wenig Aufw<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>e Inventur <strong>in</strong> „near real-time“ durchgeführt<br />
werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Tr<strong>an</strong>sponder verfügen über e<strong>in</strong>e Batterie und s<strong>in</strong>d<br />
„data rich“, d. h. sie können bis zu 128 KByte <strong>an</strong> Daten speichern, was <strong>in</strong> etwa 80<br />
Seiten Text entspricht. Sie können L<strong>an</strong>gwellen-Signale empf<strong>an</strong>gen und e<strong>in</strong><br />
Hochfrequenz-Signal zurück <strong>an</strong> die Lesestelle senden. 260 <strong>Die</strong> gespeicherten Daten<br />
259 http://www.dodait.com/, Zugriff am 30.06.2005.<br />
260 THE UNDER SECRETARY OF DEFENSE (2004) S. 1-1.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 109<br />
liegen <strong>in</strong> zwei Datenformaten vor. Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d das E<strong>in</strong>tragungen auf „asset<br />
level detail“, welche die Versendung als G<strong>an</strong>zes betreffen (z. B: National Stock<br />
Number, Item Weight, Item Cube, Department of Defense Identification Code;<br />
<strong>in</strong>sgesamt wenigsten 13 Datenfelder). Dazu kommen Informationen zu jeder<br />
e<strong>in</strong>zelnen Vers<strong>an</strong>de<strong>in</strong>heit, die auch nur e<strong>in</strong> Paket umfassen k<strong>an</strong>n. Sie werden im<br />
zweiten Format gespeichert und bestehen aus wenigstens 31 Feldern wie<br />
Requisition Document Number, Tr<strong>an</strong>sportation Priority, Sender Code, Port of<br />
Embarkation/Debarkation, Commodity Class etc.<br />
Das In-tr<strong>an</strong>sit Visibility (ITV) System des DoD liefert exakte und aktuelle<br />
Informationen über die Identität und den Verbleib von allen Sendungen und<br />
Materialien im DoD-<strong>Logistik</strong>-Netzwerk. Alle Bewegungen werden aufgezeichnet<br />
und können onl<strong>in</strong>e nachverfolgt werden. Das System zeichnet auf, wo die oben<br />
beschriebenen aktiven Tr<strong>an</strong>sponder gelesen werden und welchen Inhalt die<br />
Conta<strong>in</strong>er mit sich führen. Das ITV System ist das weltweit größte<br />
Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g Netzwerk mit aktiven RFID-Tr<strong>an</strong>spondern. Im Dezember 2003<br />
waren 800 Knotenpunkte <strong>in</strong> 45 Ländern <strong>an</strong>geschlossen. 261 Im März 2001 hat ITV<br />
3.148 Lesungen registriert. E<strong>in</strong> Jahr später waren es im gleichen Monat bereits<br />
mehr als 28.000. Durch die logistischen Aktivitäten im Rahmen der Operationen<br />
Endur<strong>in</strong>g Freedom und Iraqi Freedom stieg die Zahl der Lesungen auf über 2 Mio.<br />
<strong>an</strong> (März 2003). 262 Neben den RFID-Daten speist sich das System aus Barcode-<br />
Lesungen, GPS-Informationen und m<strong>an</strong>uellen Datene<strong>in</strong>tragungen. 263 <strong>Die</strong><br />
Anwendung ist als wesentliche Komponente der Supply Cha<strong>in</strong> Steuerung etabliert.<br />
E<strong>in</strong>e Besonderheit der In-the-box und In-tr<strong>an</strong>sit Visibility Anwendungen des DoD<br />
ist die Robustheit gegenüber äußeren Störungen. Das ITV ist zunächst<br />
hierarchisch aufgebaut. Im Global Asset Visibility System fließen alle Daten<br />
zusammen und erlauben e<strong>in</strong>e globale <strong>Logistik</strong>-Steuerung. Darunter bef<strong>in</strong>den sich<br />
regionale Server, <strong>an</strong> denen die 800 lokalen Knotenpunkte <strong>an</strong>geschlossen s<strong>in</strong>d. Jede<br />
Ebene k<strong>an</strong>n auf die jeweiligen entscheidungsrelev<strong>an</strong>ten Informationen vor Ort<br />
zugreifen. 264 Wenn die Verb<strong>in</strong>dung zum Global Asset Visibility System<br />
unterbrochen ist, k<strong>an</strong>n der Logistics Chief des Central Comm<strong>an</strong>d während Iraqi<br />
261 SAVI TECHNOLOGY (2003a).<br />
262 SAVI TECHNOLOGY (2003b).<br />
263 SAVI TECHNOLOGY (2003a).<br />
264 http://www.acq.osd.mil/log/rfid/rfid_background.htm, Zugriff am 4.07.05.
110<br />
Kapitel 4<br />
Freedom oder e<strong>in</strong>er vergleichbaren Operation trotzdem agieren, weil er durch den<br />
regionalen Server über die Zustände im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk im Irak <strong>in</strong>formiert ist.<br />
Ebenso k<strong>an</strong>n jede E<strong>in</strong>heit <strong>an</strong> der Front, die Daten lokal abrufen. Und wenn neue<br />
Conta<strong>in</strong>er un<strong>an</strong>gekündigt e<strong>in</strong>treffen oder sonstige Zwischenfälle auftreten, ist e<strong>in</strong>e<br />
ad hoc Inventur „<strong>in</strong>-the-box“ durch die aktiven Tr<strong>an</strong>sponder schnell<br />
bewerkstelligt. H<strong>in</strong>zu kommt die Möglichkeit, dass sich benachbarte Knoten über<br />
Satelliten-Kommunikation direkt mite<strong>in</strong><strong>an</strong>der verknüpfen lassen. <strong>Die</strong> zusätzliche<br />
<strong>Visibilität</strong> hilft den Entscheidungsträgern auf allen Ebenen.<br />
4.6.2 Verbesserter <strong>Visibilität</strong>sgrad durch aktive Tr<strong>an</strong>sponder<br />
Durch den E<strong>in</strong>satz von aktiven Tr<strong>an</strong>spondern hat sich der <strong>Visibilität</strong>sgrad im<br />
<strong>Logistik</strong>-Netzwerk des DoD sprunghaft erhöht. Es gab vorher ke<strong>in</strong>e<br />
vergleichbaren elektronischen Systeme. <strong>Die</strong> „<strong>in</strong>-the-box“ Visibility stellt e<strong>in</strong>en bis<br />
zu 80 Seiten umfassenden elektronischen Liefersche<strong>in</strong> zur Verfügung. Es ist<br />
<strong>an</strong>zunehmen, dass diese Informationen umf<strong>an</strong>greicher s<strong>in</strong>d als die zuvor<br />
mitgeführten Liefersche<strong>in</strong>e im Papierformat. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d sie<br />
masch<strong>in</strong>enlesbar und im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em Datenb<strong>an</strong>ke<strong>in</strong>trag immer lokal<br />
verfügbar. <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong> erhöht sich demnach <strong>in</strong> Richtung sem<strong>an</strong>tische<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung und Zugriffsqualität sowie Datengr<strong>an</strong>ularität.<br />
Das ITV erhöht den <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> allen Dimensionen, weil e<strong>in</strong>e<br />
vergleichbare Anwendung vorher nicht best<strong>an</strong>den hat. Interess<strong>an</strong>t ist dabei, dass<br />
ITV sehr stark mit „Soft L<strong>in</strong>ks“ arbeitet. Im Falle von RFID werden real nur die<br />
Conta<strong>in</strong>er und größeren Ladungsträger verfolgt. An 800 Knotenpunkten stehen<br />
Lesegeräte bereit, welche dem jeweiligen Conta<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>e Position zuordnen. <strong>Der</strong><br />
Inhalt des Conta<strong>in</strong>ers wird h<strong>in</strong>gegen nur durch e<strong>in</strong>en Soft L<strong>in</strong>k verfolgt. <strong>Die</strong><br />
Überprüfung der Materialen durch Barcodesc<strong>an</strong> oder m<strong>an</strong>uelle Auszählung im<br />
Zuge des Beladevorg<strong>an</strong>gs erzeugt diesen Soft L<strong>in</strong>k. Es gibt ke<strong>in</strong>e automatische<br />
Kontrolle, die den Best<strong>an</strong>d im Conta<strong>in</strong>er up-to-date hält, wenn später Ware h<strong>in</strong>zu<br />
kommt oder entnommen wird. L<strong>an</strong>gfristig ist es denkbar, dass die Bestände im<br />
Conta<strong>in</strong>er durch passive RFID-Etiketten automatisch nachgeführt werden.<br />
Den Nutzen e<strong>in</strong>er militärischen Anwendung abzuschätzen ist schwierig, da er sich<br />
nicht <strong>in</strong> betriebswirtschaftlichen Kategorien wie Umsatzzuwachs oder<br />
Kundenzufriedenheit messen lässt. Deshalb soll <strong>an</strong> dieser Stelle lediglich auf<br />
Herrn Osterholz, Director of Architecture <strong>an</strong>d Interoperability <strong>in</strong> DoD’s Chief<br />
Information Officer’s office, verwiesen werden. Er bemerkte, dass der E<strong>in</strong>satz von
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 111<br />
RFID die Kriegslogistik der Vere<strong>in</strong>igten Staaten soweit verbessert hat, dass sie<br />
gegenüber Desert Storm <strong>in</strong> der Hälfte der Zeit e<strong>in</strong>satzbereit war. 265<br />
4.6.3 Pilotprojekt mit passiven RFID-Tags<br />
Ausgelöst durch die Erfolge, welche das DoD mit dem E<strong>in</strong>satz der<br />
Aktivtechnologie erzielt hat, möchte es bei der E<strong>in</strong>führung der Passivtechnologie<br />
e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle spielen. „The Department w<strong>an</strong>ts to drive the direction, cost <strong>an</strong>d<br />
application of this emerg<strong>in</strong>g technology, to drive the st<strong>an</strong>dards to work for us <strong>an</strong>d<br />
to take early adv<strong>an</strong>tage of the benefits of this lead<strong>in</strong>g edge technology.“ 266 E<strong>in</strong><br />
Bauste<strong>in</strong> dieser Positionierung als Early Adopter ist die Umsetzung von<br />
Pilot<strong>an</strong>wendungen.<br />
Das Fleet <strong>an</strong>d Industrial Supply Center <strong>in</strong> Norfolk (FISC), Virg<strong>in</strong>ia, hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Oce<strong>an</strong> Term<strong>in</strong>al Division als e<strong>in</strong>er der ersten Stützpunkte die passive RFID-<br />
Technologie getestet. 267 <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e RFID-Qualitätssicherungs<strong>an</strong>wendung, mit der<br />
das FISC im November 2003 se<strong>in</strong>e Initiative begonnen hat, ist bis zum Mai 2004<br />
zu e<strong>in</strong>er voll-funktionsfähigen, g<strong>an</strong>zheitlichen RFID-Anwendung ausgebaut<br />
wurden. Seither hat das FISC den alten Prozess aufgeben, <strong>in</strong> dem die Ware mit<br />
Barcode-Etiketten gekennzeichnet und durch e<strong>in</strong>en H<strong>an</strong>dsc<strong>an</strong>ner erfasst wurde. Im<br />
neuen Prozess werden die Waren mit passiven RFID-Etiketten nach EPC-St<strong>an</strong>dard<br />
ausgerüstet und durch e<strong>in</strong>en Gate-Reader während der Beladung erfasst.<br />
<strong>Die</strong> Initiative zielt auf höhere Prozesseffizienz und verbesserte <strong>Visibilität</strong> ab.<br />
Korrektere Ladelisten und e<strong>in</strong>e exaktere Best<strong>an</strong>dsführung bedeuten höhere<br />
Datenqualität und somit auch höhere <strong>Visibilität</strong>. <strong>Die</strong> Prozesseffizienz verbessert<br />
sich durch Pulkauslesungen und den Wegfall von Barcodesc<strong>an</strong>s mit<br />
H<strong>an</strong>dlesegeräten.<br />
Im Detail waren im alten Prozess wenigstens zwei Arbeiter für die Beladung e<strong>in</strong>es<br />
Conta<strong>in</strong>ers ver<strong>an</strong>twortlich. E<strong>in</strong> Arbeiter ist zuständig für die Dokumentation sowie<br />
die Qualitätskontrolle („der Checker“). E<strong>in</strong> bis zwei weitere Arbeiter bedienen die<br />
Gabelstapler, um die Materialien e<strong>in</strong>zuladen („die Fahrer“). <strong>Der</strong> Checker überprüft<br />
alle Vers<strong>an</strong>de<strong>in</strong>heiten, die von den Fahrern zur Conta<strong>in</strong>ertür gebracht werden, auf<br />
265 SAVI TECHNOLOGY (2003b).<br />
266 http://www.acq.osd.mil/log/rfid/rfid_faq.htm, Zugriff am 4. July 2005.<br />
267 <strong>Die</strong> weiteren Ausführungen basieren auf: NAVAL SUPPLY SYSTEMS COMMAND (2004).
112<br />
Kapitel 4<br />
Richtigkeit und Vollständigkeit. Daraufh<strong>in</strong> gibt er die Materialien zur Beladung<br />
frei und lässt ggf. weitere Waren nachliefern.<br />
Im neuen Prozess gibt es für alle Conta<strong>in</strong>er nur noch e<strong>in</strong>en Checker. <strong>Die</strong>ser<br />
bedient das RFID-Gate und ist für die korrekte Beladung aller Conta<strong>in</strong>er<br />
ver<strong>an</strong>twortlich. <strong>Die</strong> Gabelstaplerfahrer durchqueren das Gate und werden vom<br />
Checker zum richtigen Conta<strong>in</strong>er gewiesen. Alle weiteren Checker können nun als<br />
zusätzliche Fahrer e<strong>in</strong>gesetzt werden. Bei Volllast k<strong>an</strong>n der Effizienzvorteil des<br />
neuen Prozesses konzeptionell gesehen mit zwölf Arbeitern <strong>an</strong>gegeben werden,<br />
die von ihrer Aufgabe als Checker befreit s<strong>in</strong>d.<br />
In der wirtschaftlichen Analyse der Anwendung weist das Naval Supply Systems<br />
Comm<strong>an</strong>d darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Return on Investment noch nicht erzielt wurde.<br />
<strong>Die</strong>s sei auch nicht die Zielsetzung des Projekts gewesen. Es g<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
darum, die technischen Möglichkeiten der Passivtechnologie unter realen<br />
E<strong>in</strong>satzbed<strong>in</strong>gungen zu testen und mögliche Effizienzvorteile herauszuarbeiten.<br />
E<strong>in</strong> Return on Investment könne d<strong>an</strong>n erreicht werden, wenn RFID <strong>in</strong> der<br />
gesamten Supply Cha<strong>in</strong> vom Hersteller bis zum Konsumenten im E<strong>in</strong>satzgebiet<br />
verwendet wird. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>zelnen Nutzenvorteile müssen sich entl<strong>an</strong>g der Kette<br />
aufsummieren.<br />
4.6.4 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie<br />
Das DoD ist sich der Tatsache bewusst, dass es durch se<strong>in</strong>e Aktivitäten die<br />
Umsetzung von technologischen Innovationen im zivilen Bereich fördert. „The<br />
military is often <strong>an</strong> early user of technologies that the commercial sector is still<br />
explor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> terms of their potential costs <strong>an</strong>d benefits. RFID is a good example of<br />
that.“ 268 <strong>Die</strong>se Rolle als Wegbereiter ist auch e<strong>in</strong> Teil der RFID-Strategie. So ist es<br />
frühzeitig Förderer und Sponsor des Auto-ID Center geworden, e<strong>in</strong> akademisches<br />
Forschungsprojekt mit Hauptsitz am Massachusetts Institute of Technology, <strong>an</strong><br />
dem fünf weltweit führende Universitäten beteiligt waren. 269 <strong>Die</strong> Org<strong>an</strong>isation<br />
Auto-ID Center wurde zwar im Oktober 2003 aufgelöst, aber die entwickelte<br />
Technologie und die laufenden Forschungsaktivitäten <strong>in</strong> den Auto-ID Labs<br />
wurden <strong>in</strong> die St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation EPCglobal Inc. überführt. 270 <strong>Die</strong> von<br />
268 MORALES/GEARY (2003).<br />
269 vgl. http://www.dodait.com/rfid/RFID_back.htm, Zugriff am 12.07.2005.<br />
270 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org/about/AutoID_archive.html, Zugriff am 12.07.2005.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 113<br />
EPCglobal entwickelten St<strong>an</strong>dards sollen im militärischen und im zivilen Bereich<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden. „[…] we [the DoD] are now collaborat<strong>in</strong>g with Wal-Mart, as<br />
the retailer experiments with RFID technology.“ 271<br />
<strong>Die</strong> Vision des DoD ist die Unterstützung des „warfighter through fully automated<br />
visibility <strong>an</strong>d m<strong>an</strong>agement of assets. Our goal is to employ mature <strong>an</strong>d emerg<strong>in</strong>g<br />
supply cha<strong>in</strong> technologies to optimize the supply cha<strong>in</strong> - use of RFID as <strong>an</strong><br />
<strong>in</strong>tegral part of a comprehensive suite of Automatic Identification Technology<br />
(AIT) will facilitate accurate, h<strong>an</strong>ds-free data capture <strong>in</strong> support of DoD bus<strong>in</strong>ess<br />
processes <strong>in</strong> <strong>an</strong> <strong>in</strong>tegrated end-to-end supply cha<strong>in</strong> enterprise.“ 272 Konkret pl<strong>an</strong>t<br />
das DoD e<strong>in</strong>en RFID-Roll-out, <strong>in</strong> dem die Liefer<strong>an</strong>ten schrittweise dazu gebracht<br />
werden, alle Sendungen <strong>an</strong> das DoD mit passiven RFID-Etiketten auszustatten.<br />
Dabei werden gleich zu Beg<strong>in</strong>n Paletten und Umverpackungen ausgezeichnet.<br />
<strong>Die</strong> e<strong>in</strong>gesetzte Technologie basiert auf dem EPC-St<strong>an</strong>dard. Das DoD akzeptiert<br />
passive RFID-Etiketten mit e<strong>in</strong>er Frequenz von 860-960 MHz und e<strong>in</strong>er<br />
m<strong>in</strong>imalen Reichweite von drei Metern. Letztendlich setzt das DoD auf den<br />
offenen St<strong>an</strong>dard UHF Generation 2 EPC-Tag, Class 1 oder höher. Allerd<strong>in</strong>gs f<strong>in</strong>g<br />
der Roll-out <strong>an</strong>, bevor der St<strong>an</strong>dardisierungsprozess für die Generation 2 Etiketten<br />
abgeschlossen wurde, sodass das DoD <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Überg<strong>an</strong>gsphase auch Etiketten der<br />
ersten EPC Generation akzeptiert. 273 <strong>Der</strong> durch RFID gekennzeichnete<br />
Materialfluss soll von e<strong>in</strong>em entsprechenden Informationsfluss begleitet werden.<br />
<strong>Die</strong> Adv<strong>an</strong>ce Ship Notice (ASN) ist für alle Lieferungen vorgeschrieben. 274<br />
<strong>Die</strong> Ausweitung der RFID-Aktivitäten sieht vorerst so aus, dass nur Liefer<strong>an</strong>ten<br />
betroffen s<strong>in</strong>d, die vom DoD gerade e<strong>in</strong>en neuen Liefervertrag erhalten haben, der<br />
e<strong>in</strong>e entsprechende Klausel enthält. Auf der Zeitachse wurden bisl<strong>an</strong>g drei<br />
Stichtage def<strong>in</strong>iert: 275<br />
1. J<strong>an</strong>uar 2005:<br />
Vorerst s<strong>in</strong>d nur Lieferungen betroffen, die <strong>an</strong> folgende Dest<strong>in</strong>ationen gehen:<br />
• Defense Distribution Depot, Susqueh<strong>an</strong>na, PA (DDSP)<br />
• Defense Distribution Depot, S<strong>an</strong> Joaqu<strong>in</strong>, CA (DDJC)<br />
271 MORALES/GEARY (2003).<br />
272 http://www.acq.osd.mil/log/rfid/rfid_faq.htm, Zugriff am 4.07.2005.<br />
273 THE UNDER SECRETARY OF DEFENSE (2004) S. 2-4.<br />
274 THE UNDER SECRETARY OF DEFENSE (2004) S. 2-11.
114<br />
1. J<strong>an</strong>uar 2006:<br />
Kapitel 4<br />
<strong>Der</strong> Roll-out wir auf 32 weitere Dest<strong>in</strong>ationen ausgeweitet, unter ihnen der<br />
St<strong>an</strong>dort <strong>in</strong> Norfolk, Virg<strong>in</strong>ia, wo die oben beschriebene Pilot<strong>an</strong>wendung<br />
<strong>in</strong>stalliert wurde.<br />
1. J<strong>an</strong>uar 2007:<br />
Alle Lieferungen <strong>an</strong> DoD St<strong>an</strong>dorte s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>bezogen. Zudem wird die<br />
Anwendung auf Item-Level ausgeweitet.<br />
<strong>Die</strong> Roll-out Pläne des DoD werden von e<strong>in</strong>er Informationskampagne begleitet.<br />
So hat das DoD se<strong>in</strong>e RFID-Erfahrungen, -Pläne und -Richtl<strong>in</strong>ien auf dem Internet<br />
zugänglich gemacht (http://www.dodrfid.org). Parallel f<strong>in</strong>den Sem<strong>in</strong>are und<br />
Konferenzen statt, <strong>in</strong> denen sich Liefer<strong>an</strong>ten und die Öffentlichkeit weiter<br />
<strong>in</strong>formieren können. Außerdem gibt es e<strong>in</strong>e Umfrage unter den DoD-Liefer<strong>an</strong>ten<br />
über deren Pläne und Me<strong>in</strong>ungen zur RFID-Umsetzung. 276<br />
Letztendlich schafft es das DoD durch se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kaufsmacht, dass mehr und mehr<br />
kle<strong>in</strong>ere Hersteller auf RFID umsteigen. <strong>Die</strong> Hersteller haben im Grunde<br />
genommen ke<strong>in</strong>e Wahl, wenn sie das DoD als Kunden behalten wollen. Dabei ist<br />
RFID e<strong>in</strong>e Technologie, die e<strong>in</strong>e kritische Masse benötigt, um sich<br />
flächendeckend durchzusetzen und nur die großen <strong>Logistik</strong>-Netzwerke können die<br />
kritische Masse erzeugen. „The Pentagon’s global supply cha<strong>in</strong> is the world’s<br />
largest, serviced by more th<strong>an</strong> 40,000 suppliers.“ 277 Durch Zw<strong>an</strong>g machen es die<br />
„big buyer“ wie DoD möglich, dass alte St<strong>an</strong>dards abgelöst werden und dass<br />
RFID <strong>in</strong> offenen, org<strong>an</strong>isationsübergreifenden Anwendungen e<strong>in</strong>gesetzt wird.<br />
4.6.5 Zusammenfassung<br />
Das DoD hat mit der aktiven Tr<strong>an</strong>spondertechnologie bereits <strong>in</strong> den 1990er Jahren<br />
begonnen die <strong>Visibilität</strong> des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks zu erhöhen. <strong>Die</strong> guten<br />
Erfahrungen während der Operationen „Endur<strong>in</strong>g Freedom“ und „Iraqi Freedom“<br />
stützen die Pläne auch bei der passiven RFID-Technologie e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle<br />
e<strong>in</strong>zunehmen. Das DoD hat erfolgreiche Pilot<strong>an</strong>wendungen umgesetzt und beg<strong>in</strong>nt<br />
vergleichbar mit Metro und Wal-Mart mit e<strong>in</strong>em Roll-out. Dabei wird die Zahl der<br />
beteiligten Liefer<strong>an</strong>ten und Militärbasen sukzessive erhöht. Mit entsprechenden<br />
275 UNITED STATES DEPARTMENT OF DEFENSE (2005).<br />
276 OFFICE OF THE UNDER SECRETARY OF DEFENSE (2004).<br />
277 GILLIGAN (2004).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 115<br />
Ver<strong>an</strong>staltungen und Informationen unterstützt das DoD se<strong>in</strong>e Liefer<strong>an</strong>ten, die<br />
<strong>Visibilität</strong> im eigenen Netzwerk durch RFID zu erhöhen. <strong>Die</strong> besondere Natur der<br />
Militärlogistik verl<strong>an</strong>gt nach e<strong>in</strong>em hohen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>. Im Krisengebiet<br />
muss die <strong>Logistik</strong> sehr flexibel auf die Anforderungen <strong>an</strong> der Front reagieren<br />
können. Das System muss den Wegfall von Teilbereichen verkraften und den<br />
Entscheidungsträgern vor Ort müssen immer Informationen vorliegen, um auch<br />
dezentral Güter zuteilen zu können.<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung des DoD-Beispiels ist auch deshalb sehr groß, weil das<br />
Department e<strong>in</strong>en wichtigen E<strong>in</strong>fluss auf die Gründung des Auto-ID Centers am<br />
Massachusetts Institute of Technology hatte, der Vorgängerorg<strong>an</strong>isation von<br />
EPCglobal. Ähnlich wie sich die technologische Entwicklung des Internets auf das<br />
amerik<strong>an</strong>ische Militär zurückführen lässt, möchte das DoD <strong>an</strong> der Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>es Internets der D<strong>in</strong>ge beteiligt se<strong>in</strong>. Das DoD hat diese Förderung der RFID-<br />
Technologie auch öffentlich bek<strong>an</strong>nt gegeben und ist mit se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kaufsmacht <strong>in</strong><br />
der Lage entsprechende Impulse zu setzen.<br />
4.7 Fallbeispiel Inf<strong>in</strong>eon<br />
Inf<strong>in</strong>eon ist der weltweit fünftgrößte Hersteller von Halbleitern. Das Unternehmen<br />
ist im März 2000 durch e<strong>in</strong>e Ausgründung aus der Siemens AG entst<strong>an</strong>den und<br />
hat nach e<strong>in</strong>em erfolgreichen ersten Geschäftsjahr für e<strong>in</strong>en Zeitraum von drei<br />
Jahren ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>ne ausweisen können. 278 <strong>Die</strong>s hängt u. a. mit dem stark<br />
volatilen Halbleitermarkt zusammen, der nach 2000 um ca. 30% e<strong>in</strong>gebrochen ist<br />
und erst im Jahre 2004 mit über 200 Mrd. USD wieder über das Niveau von 2000<br />
h<strong>in</strong>aus gekommen ist. 279 Mit 35.600 Mitarbeitern erzielte Inf<strong>in</strong>eon im<br />
Geschäftsjahr 2004 e<strong>in</strong>en Umsatz von 7,19 Mrd. EUR und konnte e<strong>in</strong>en<br />
Konzerngew<strong>in</strong>n von 61 Mio. EUR ausweisen. 280<br />
Inf<strong>in</strong>eon ist <strong>in</strong> den vier Geschäftsbereichen Drahtgebundene Kommunikation,<br />
Sichere Mobile Lösungen, Automobil- und Industrieelektronik sowie<br />
Speicherprodukte aktiv. <strong>Die</strong> Geschäftstätigkeiten konzentrieren sich geographisch<br />
auf die Regionen Europa (speziell Deutschl<strong>an</strong>d), Nord-Amerika und Südost-<br />
278 INFINEON TECHNOLOGIES (2004).<br />
279 http://www.wsts.org, Zugriff am 15.08.2005.<br />
280 INFINEON TECHNOLOGIES (2004).
116<br />
Kapitel 4<br />
Asien. Auf allen drei Kont<strong>in</strong>enten ist das Unternehmen <strong>in</strong> Produktion, Forschung<br />
und Entwicklung sowie Vertrieb und Market<strong>in</strong>g präsent. 281<br />
Als Hersteller von Halbleitern, die auch <strong>in</strong> RFID-Etiketten Verwendung f<strong>in</strong>den,<br />
hat Inf<strong>in</strong>eon e<strong>in</strong> besonderes Interesse <strong>an</strong> der Verbreitung dieser<br />
Identifikationstechnologie. Deshalb läuft im eigenen <strong>Logistik</strong>-Netzwerk bereits<br />
e<strong>in</strong>e Pilot<strong>an</strong>wendung. Im Distributionszentrum Großostheim werden die<br />
Warenvere<strong>in</strong>nahmung, die Kommissionierung und der Vers<strong>an</strong>d von ausgewählten<br />
Produkten durch die RFID-Technologie unterstützt. 282 <strong>Die</strong> Vision besteht dar<strong>in</strong>,<br />
e<strong>in</strong>e durchgehende RFID-Anwendung im globalen Inf<strong>in</strong>eon <strong>Logistik</strong>-Netzwerk<br />
aufzubauen. 283 Parallel hat Inf<strong>in</strong>eon das RFID Solution Excellence Center, System<br />
Lab Graz, gegründet. Das Solution Center nahm im März 2004 mit 40<br />
Mitarbeitern se<strong>in</strong>e Geschäftstätigkeit auf. Es hat <strong>in</strong>sbesondere Kompetenzen im<br />
Bereich Dokumentenm<strong>an</strong>agement aufgebaut. In mehr als 15 Bibliotheken ist die<br />
RFID-Technologie implementiert, wobei mehrere Millionen Tags zum E<strong>in</strong>satz<br />
kommen. 284<br />
Nachfolgend soll e<strong>in</strong>e Anwendung <strong>in</strong> der Produktionslogistik 285 beschrieben<br />
werden, die Inf<strong>in</strong>eon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Werk des Geschäftsbereichs Automobil- und<br />
Industrieelektronik umgesetzt hat. Das Werk läuft mit 2.000 Mitarbeitern <strong>an</strong><br />
sieben Tagen der Woche 24 Stunden l<strong>an</strong>g. <strong>Die</strong> Produktion weist mit 800<br />
unterschiedlichen Produkten e<strong>in</strong>en sehr großen Vari<strong>an</strong>tenreichtum auf. Jährlich<br />
werden 10 Mrd. Chips hergestellt. Jeder e<strong>in</strong>zelne Chip durchläuft im Durchschnitt<br />
400 Prozessschritte. Wegen des hohen Vari<strong>an</strong>tenreichtums s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>ternen<br />
Tr<strong>an</strong>sporte zwischen den 600 verfügbaren Masch<strong>in</strong>en nicht automatisiert. E<strong>in</strong>e<br />
„harte“ Automatisierung der Produktionslogistik durch Förderbänder etc. kommt<br />
für Inf<strong>in</strong>eon <strong>in</strong> diesem Werk nicht <strong>in</strong> Frage, weil sich der Produktionsablauf für<br />
jede neue Vari<strong>an</strong>te unterschiedlich geschaltet und entsprechende Systeme nicht<br />
281 MAY (2004).<br />
282 Inf<strong>in</strong>eon's RFID Logistics Program (SupplXis), unter<br />
http://www.<strong>in</strong>f<strong>in</strong>eon.com/cgi/ecrm.dll/jsp/showfrontend.do?l<strong>an</strong>g=EN&ch<strong>an</strong>nel_oid=-12302,<br />
Zugriff am 15.07.2005.<br />
283 http://www.<strong>in</strong>f<strong>in</strong>eon.com/cmc_upload/01_f<strong>in</strong>al.pdf, Zugriff am 15.07.2005.<br />
284 http://www.<strong>in</strong>f<strong>in</strong>eon.com/cgi/ecrm.dll/jsp/showfrontend.do?l<strong>an</strong>g=EN&ch<strong>an</strong>nel_oid=-12320<br />
Zugriff am 15.07.2004.<br />
285 <strong>Die</strong> Beschreibung dieses Fallbeispiels basiert auf e<strong>in</strong>gehenden Gesprächen mit Dr. Markus <strong>Die</strong>rkes und<br />
Dr. Frédéric Thiesse, die von Seiten der Intellion AG – e<strong>in</strong>em RFID-Lösungs<strong>an</strong>bierter – bei der<br />
Inf<strong>in</strong>eon für die Implementierung der Anwendung ver<strong>an</strong>twortlich waren, sowie:<br />
THIESSE/FLEISCH/DIERKES (2005), DIERKES (2005) und FISCHER (2004).
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 117<br />
die notwendige Flexibilität aufweisen. Deshalb setzt das Unternehmen auf e<strong>in</strong>e<br />
„smarte“ Automatisierung, welche die e<strong>in</strong>zelnen Produktionslote virtuell durch<br />
den Re<strong>in</strong>raum führt.<br />
4.7.1 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung<br />
<strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung ist im Re<strong>in</strong>raum des oben beschrieben Werks<br />
<strong>in</strong>stalliert. Es kommen passive und aktive RFID-Technologien sowie Ultraschall<br />
zum E<strong>in</strong>satz. Das zu bearbeitende Werkstück s<strong>in</strong>d Wafer, kreisrunde<br />
Halbleiterscheiben, auf denen die Chips mit ihren <strong>in</strong>tegrierten Schaltkreisen durch<br />
unterschiedliche technische Verfahren hergestellt werden. 25 Wafer kommen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Cassette, die zur Tr<strong>an</strong>sport- und Aufbewahrungszwecken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Plastikgehäuse, der so gen<strong>an</strong>nten Waferbox, verstaut werden. <strong>Die</strong> Waferboxen<br />
werden <strong>in</strong> Regalen gelagert und mit Rollwagen durch die Produktion befördert.<br />
LED<br />
No-power display<br />
Keys<br />
US sensor<br />
Flipdot<br />
Abbildung 20: Wafercassette und Waferbox mit DisTag<br />
In der Verg<strong>an</strong>genheit war es so, dass der eigentliche Produktionsschritt <strong>an</strong> der<br />
Masch<strong>in</strong>e zwar durch das zentrale M<strong>an</strong>ufactur<strong>in</strong>g Execution System (MES)<br />
überwacht wurde, die Abläufe <strong>in</strong> der Produktionslogistik aber waren vollkommen<br />
<strong>in</strong>tr<strong>an</strong>sparent. Sie wurden nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em elektronischen System abgebildet. <strong>Die</strong><br />
Produktionsmitarbeiter haben stattdessen Laufzettel auf Re<strong>in</strong>raumpapier <strong>an</strong> die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Waferboxen geklebt. Auf den Zetteln wurden die Prozessschritte der<br />
Reihe nach abgehackt. Mit der Erhöhung der <strong>Visibilität</strong> im Produktionsablauf<br />
möchte Inf<strong>in</strong>eon nun<br />
• die Durchlaufzeiten verkürzen,<br />
• H<strong>an</strong>dl<strong>in</strong>gfehler vollkommen vermeiden und
118<br />
• nicht wertschöpfendes H<strong>an</strong>dl<strong>in</strong>g reduzieren.<br />
Kapitel 4<br />
Dazu wird jede Box mit e<strong>in</strong>em „DisTag“ ausgestattet, der aus mehreren<br />
Komponenten speziell für diese Anwendung zusammengestellt wurde. Das<br />
Kernstück bildet e<strong>in</strong> aktiver Tr<strong>an</strong>sponder der Firma Identec Solutions, der auf<br />
Ultrakurzwelle sendet und bei optimalen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e Reichweite von 100 m<br />
aufweist. H<strong>in</strong>zu kommen e<strong>in</strong> Ultraschallsensor sowie e<strong>in</strong>ige Tasten und Anzeigen<br />
zur Benutzer<strong>in</strong>teraktion. <strong>Die</strong> RFID-Lesee<strong>in</strong>heit ist ebenfalls um<br />
Ultraschallfunktionalität erweitert. Das komplette System wird von e<strong>in</strong>em<br />
zentralen Server gesteuert. Inf<strong>in</strong>eon hat mehr als 1.000 Waferboxen mit DisTags<br />
ausgestattet und im Re<strong>in</strong>raum ungefähr 100 Lesegeräte aufgebaut.<br />
<strong>Die</strong> Erweiterung des RFID-Systems mit Ultraschall war notwendig, weil nicht nur<br />
erfasst werden sollte, welche Boxen sich <strong>in</strong> der Reichweite e<strong>in</strong>es Lesegeräts<br />
bef<strong>in</strong>den, sondern auch welche Position e<strong>in</strong>e Box bis auf 30 cm genau e<strong>in</strong>nimmt.<br />
Es gibt zwar auch RFID basierte Systeme, die ähnlich genau positionieren können,<br />
allerd<strong>in</strong>gs funktionieren sie nicht <strong>in</strong> metallischen Umfeldern so wie sie im<br />
Re<strong>in</strong>raum bei Inf<strong>in</strong>eon vorzuf<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />
<strong>Der</strong> neue Prozessablauf wird von der zentralen Servere<strong>in</strong>heit für alle Waferboxen<br />
und Prozessschritte gesteuert. Das System kennt die notwendigen Arbeitsschritte<br />
für jede Chip-Vari<strong>an</strong>te und führt Bearbeitungslisten zu den e<strong>in</strong>zelnen Masch<strong>in</strong>en,<br />
die alle „wartenden“ Waferboxen mit der jeweiligen Priorität enthalten. Über<br />
e<strong>in</strong>en Bildschirm k<strong>an</strong>n der Bediener der Masch<strong>in</strong>e die nächste Waferbox<br />
auswählen, die sich durch e<strong>in</strong> Lichtsignal bei ihm meldet. Das System teilt ihm die<br />
genaue Position der Box mit und hilft bei der Entscheidung, ob er e<strong>in</strong>e Box aktiv<br />
holen oder auf den Kollegen warten soll, der mit dem Rollwagen ohneh<strong>in</strong><br />
unterwegs ist. Nach der Bearbeitung quittiert der Masch<strong>in</strong>enbediener den<br />
Arbeitsschritt am DisTag und stellt die Box <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Regal, wo sie auf den<br />
Weitertr<strong>an</strong>sport wartet. Das System schiebt die Box virtuell auf die<br />
Bearbeitungsliste der nächsten Masch<strong>in</strong>e.<br />
Neben der Steuerung des Produktionsflusses übernimmt das System auch<br />
Plausibilitätsprüfungen und meldet sich, wenn e<strong>in</strong>e Waferbox nicht am richtigen<br />
Ort steht. Inf<strong>in</strong>eon hat die Funktionalität des bestehenden MES durch RFID<br />
erweitert. So besitzt jeder e<strong>in</strong>zelne Wafer e<strong>in</strong>en passiven RFID-Tag, der<br />
ausgelesen wird, wenn e<strong>in</strong> Bediener die Scheibe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e legt. Durch e<strong>in</strong><br />
Warnsignal werden Fehlbelegungen vermieden.
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis 119<br />
4.7.2 <strong>Die</strong> Veränderung des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
Weil <strong>in</strong> dem Werk vorher ke<strong>in</strong> System existierte, das für <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der<br />
Produktionslogistik sorgt, ist der Anstieg des <strong>Visibilität</strong>sgrades naturgemäß<br />
enorm. Durch die Trac<strong>in</strong>g-Funktionalität ist es erstmals möglich den Ist-Prozess<br />
exakt nachzuvollziehen. Bei durchschnittlich 400 Prozessschritten legt e<strong>in</strong>e<br />
Waferbox e<strong>in</strong>en l<strong>an</strong>gen Weg durch den Re<strong>in</strong>raum zurück. <strong>Die</strong> Ist-Prozess<strong>an</strong>alyse<br />
ist die Grundlage, um beim nächsten Design von Soll-Prozessen logistische<br />
Aspekte besser e<strong>in</strong>fließen zu lassen.<br />
Insbesondere ist bei der Inf<strong>in</strong>eon-Anwendung die örtliche Datengr<strong>an</strong>ularität<br />
hervorzuheben. Während bei den bisl<strong>an</strong>g beschriebenen Anwendungen die<br />
örtliche Gr<strong>an</strong>ularität immer durch die Zahl der Lesestellen begrenzt war, wird die<br />
<strong>Visibilität</strong> bei diesem Fallbeispiel durch Positionsdaten gespeist. Innerhalb des<br />
geschlossenen Produktionsprozesses ist durch die Ultraschallerfassung die örtliche<br />
Gr<strong>an</strong>ularität quasi <strong>in</strong>f<strong>in</strong>it.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs funktioniert die Anwendung nicht <strong>in</strong> Echtzeit sondern <strong>in</strong> „near real-<br />
time“. E<strong>in</strong> Zyklus von etwa 30 Sekunden muss e<strong>in</strong>gehalten werden, damit das<br />
System Ultraschallsignale senden k<strong>an</strong>n, die DisTags ihre Position bestimmen und<br />
weiterleiten können sowie der zentrale Server die <strong>Visibilität</strong>sdaten konsolidieren<br />
k<strong>an</strong>n. An dieser Stelle wären weitere Verbesserungen möglich.<br />
Interess<strong>an</strong>t ist ebenfalls die Interaktionsmöglichkeit, welche der DisTag den<br />
Bedienern <strong>an</strong> den Masch<strong>in</strong>en bietet. <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>ssicht erhöht sich und ebenso<br />
verbessert sich die sem<strong>an</strong>tische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung. <strong>Der</strong> Anwender erfährt das System<br />
nicht als zusätzliche Kontrolle, sondern als nützliche Unterstützung se<strong>in</strong>er<br />
Tätigkeit. Das Display klärt ihn über den St<strong>an</strong>d der Bearbeitung auf und<br />
zusätzliche Warnleuchten helfen ihm Fehler zu vermeiden.<br />
<strong>Die</strong> Anwendung ist seit mehreren Monaten bei Inf<strong>in</strong>eon aktiv und hat sich als<br />
zuverlässig und effizient herausgestellt. <strong>Die</strong> Zielsetzungen, Fehler zu vermeiden<br />
und Durchlaufzeiten zu kürzen, konnten erreicht werden. „<strong>Die</strong> Umrüstung der<br />
Waferfertigung soll sich b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es Jahres amortisiert haben.“ 286<br />
286 OSTLER (2004).
120<br />
4.7.3 <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>sstrategie<br />
Kapitel 4<br />
In der Produktionslogistik möchte Inf<strong>in</strong>eon die <strong>Visibilität</strong> auch <strong>in</strong> weiteren<br />
Werken erhöhen. So wurde e<strong>in</strong>e vergleichbare Anwendung bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
zweiten Werk realisiert. Weitere Werke bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Pl<strong>an</strong>ung. Mit dieser<br />
Maßnahme möchte Inf<strong>in</strong>eon nicht zuletzt der Vision der papierlosen Fabrik näher<br />
kommen.<br />
Parallel pl<strong>an</strong>t das Unternehmen wie es die passive RFID-Technologie am<br />
erfolgreichsten <strong>in</strong> Lagerung, Tr<strong>an</strong>sport und Kommissionierung e<strong>in</strong>setzen k<strong>an</strong>n.<br />
Dazu werden die Erfahrungen aus der Pilot<strong>an</strong>wendung <strong>in</strong> Großostheim<br />
ausgewertet und gleichzeitig laufen erste Gespräche mit den wichtigsten<br />
Liefer<strong>an</strong>ten. Schließlich geht es darum, im globalen <strong>Logistik</strong>-Netzwerk e<strong>in</strong>e<br />
kritische Masse zu erzeugen.<br />
4.7.4 Zusammenfassung<br />
<strong>Die</strong> Inf<strong>in</strong>eon AG verbessert mit ihrer RFID-Anwendung im Re<strong>in</strong>raum e<strong>in</strong>es<br />
Halbleiterwerks die Produktionslogistik. Interess<strong>an</strong>t ist hierbei die Idee der<br />
„smarten“ Automatisierung im Gegensatz zu e<strong>in</strong>er „harten“ Automatisierung.<br />
Weil die Halbleiterproduktion bei Inf<strong>in</strong>eon viele verschiedene Produkte <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />
Stückzahlen herstellen muss, s<strong>in</strong>d die Produktionsprozesse sehr flexibel<br />
org<strong>an</strong>isiert. E<strong>in</strong>e „harte“ Installation von Materialflusssystemen rentiert sich nicht,<br />
weil sie aufwändige Umbauarbeiten <strong>in</strong> kurzen Zeitabständen nötig machen würde.<br />
<strong>Die</strong> „smarte“ Automatisierung steuert die Produktionslote stattdessen virtuell von<br />
Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt. Sie k<strong>an</strong>n jeder Zeit flexibel <strong>an</strong>gepasst werden.<br />
Durch die Komb<strong>in</strong>ation von aktiver RFID-Technologie und Ultraschall ist der<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad sehr hoch. <strong>Die</strong> Anwendung verfolgt jede e<strong>in</strong>zelne Waferbox und<br />
k<strong>an</strong>n deren Position bis auf 30 cm genau feststellen. Sie ist vom Stadium des<br />
Piloten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e etablierte Anwendung übergeg<strong>an</strong>gen und soll auf weitere<br />
Produktionsstätten ausgerollt werden.<br />
Das Unternehmen ist auch <strong>an</strong> dem E<strong>in</strong>satz der Passivtechnologie <strong>in</strong>teressiert,<br />
sodass u. a. e<strong>in</strong> Pilotprojekt im Distributionszentrum Großostheim aufgesetzt<br />
wurde. <strong>Die</strong> Vision besteht dar<strong>in</strong> mit RFID die <strong>Visibilität</strong> im globalen <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk durchgängig zu erhöhen. Als Chiphersteller profitiert das Unternehmen<br />
von e<strong>in</strong>er weiteren Verbreitung der RFID-Technologie. Deshalb ist e<strong>in</strong> „Proof of<br />
Concept“ im eigenen Haus das überzeugendste Argument.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
5 <strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
<strong>Die</strong>ses Kapitel gibt die Antworten auf die e<strong>in</strong>g<strong>an</strong>gs gestellte Forschungsfrage:<br />
Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>an</strong>gemessen für das M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Netzwerken</strong>?<br />
Im E<strong>in</strong>kl<strong>an</strong>g mit der Tradition der St.Galler M<strong>an</strong>agementlehre wird e<strong>in</strong>e<br />
g<strong>an</strong>zheitliche Be<strong>an</strong>twortung <strong>an</strong>gestrebt, die auf alle drei logischen Ebenen der<br />
Unternehmensführung e<strong>in</strong>geht: Normatives, Strategisches und Operatives<br />
M<strong>an</strong>agement. 287 Abbildung 21 zeigt wie sich die Forschungsfrage aus drei<br />
unterschiedlichen Perspektiven darstellt.<br />
Zielsetzung<br />
Legitimität<br />
Effektivität<br />
Effizienz<br />
M<strong>an</strong>agementebenen<br />
Normatives<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
Strategisches<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
Operatives<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>in</strong> Bezug auf<br />
das Umfeld des Unternehmens legitim?<br />
Wie wirken sich allgeme<strong>in</strong>e Charakteristika<br />
des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks auf den <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
aus?<br />
Bei welchem <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist die<br />
Differenz zwischen Kosten und Nutzen am<br />
größten?<br />
Abbildung 21: Angemessener <strong>Visibilität</strong>sgrad und M<strong>an</strong>agementebenen 288<br />
Diskussionen mit Praktikern zeigen, dass bei der Suche nach dem richtigen <strong>Grad</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> die Gefahr besteht, dass die Sichtweise zur sehr auf e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />
Wirtschaftlichkeitsrechnung e<strong>in</strong>geschränkt wird. Es werden nur der Nutzen der<br />
287 SCHWANINGER (1994) S. 49ff.<br />
288 In Anlehnung <strong>an</strong> SCHWANINGER (1994) S. 51.<br />
Komplexität<br />
121
122<br />
Kapitel 5<br />
implementierten Pilot<strong>an</strong>wendung sowie dessen Kosten betrachtet. Alle nicht<br />
unmittelbar qu<strong>an</strong>tifizierbaren Aspekte bleiben außen vor.<br />
Dabei zeigen die vorgestellten Fallbeispiele deutlich, dass e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> operative<br />
Betrachtung zur Bewertung der <strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiativen nicht ausreicht.<br />
Beispielsweise ersetzt die Metro AG mit der ersten Phase ihres Roll-outs alle<strong>in</strong> die<br />
Palettenkennzeichnung mit EAN 128 Barcodes durch RFID-Etiketten. <strong>Die</strong>se<br />
Anwendung alle<strong>in</strong> erhöht den <strong>Visibilität</strong>sgrad im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk noch nicht<br />
und m<strong>in</strong>dert auch nicht den Kostendruck im E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del. Aber wenn dieser Fall<br />
auf der strategischen Ebene betrachtet wird, wird deutlich welchen<br />
Wettbewerbsvorteil sich das Unternehmen l<strong>an</strong>gfristig von der RFID-E<strong>in</strong>führung<br />
verspricht.<br />
Noch deutlicher ist das Beispiel Department of Defense (DoD). Das DoD gibt<br />
öffentlich bek<strong>an</strong>nt, dass es beim Thema passive RFID-Technologie e<strong>in</strong>e<br />
Vorreiterrolle spielen und die Umsetzung im zivilen Bereich fördern möchte.<br />
<strong>Die</strong>se Entscheidung ist normativ. Umsetzungen von RFID-Piloten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />
Org<strong>an</strong>isation legitim, auch wenn sie noch ke<strong>in</strong>en Return on Investment sondern <strong>in</strong><br />
erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>en Lerneffekt erzeugen.<br />
5.1 Normative Sichtweise<br />
Zur Diskussion der Forschungsfrage auf der normativen Ebene werden<br />
<strong>in</strong>stitutionalistische Ansätze der Org<strong>an</strong>isationstheorie her<strong>an</strong>gezogen. <strong>Die</strong><br />
Institutionalisten betrachten formale Org<strong>an</strong>isationen nicht als technisch-rationale<br />
Instrumente, sondern betonen, dass sie auch durch die gesellschaftliche Umwelt<br />
konstruiert werden. 289 Veränderungen <strong>in</strong> formalen Org<strong>an</strong>isationen werden weniger<br />
durch den Wettbewerb oder durch Effizienzerfordernisse, sondern zunehmend<br />
durch Regeln, Erwartungen und Anforderungen <strong>in</strong> der Umwelt der Org<strong>an</strong>isation<br />
bestimmt. 290 <strong>Die</strong> Antwort auf die Forschungsfrage leitet die Diskussion e<strong>in</strong>.<br />
289 SCOTT/MEYER (1991).<br />
290 DiMAGGIO/POWELL (1991).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist d<strong>an</strong>n erreicht, wenn er<br />
(1) durch Institutionen im Umfeld des Unternehmens legitimiert wird oder<br />
(2) so hoch ist, dass er von <strong>an</strong>deren Unternehmen nachgeahmt wird und der<br />
Entrepreneur e<strong>in</strong>en Vorteil durch die Vorreiterrolle erzielt (Institutional<br />
Entrepreneur Sicht).<br />
5.1.1 Legitimation des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
Aus den <strong>in</strong>stitutionalistischen Ansätzen der Org<strong>an</strong>isationstheorien lässt sich<br />
ableiten, wie Institutionen im Umfeld e<strong>in</strong>es Unternehmens den erreichten <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> legitimieren. Dazu ist e<strong>in</strong>e Ablehnung vom Modell des rational<br />
h<strong>an</strong>delnden Akteurs notwendig und e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>wendung zu <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />
Regeln als unabhängige Variablen sowie e<strong>in</strong>e Orientierung h<strong>in</strong> zu kulturellen<br />
Erklärungen von Org<strong>an</strong>isationsstrukturen. 291<br />
<strong>Die</strong> Ablehnung des Modells des rational h<strong>an</strong>delnden Akteurs verdient e<strong>in</strong>ige<br />
weiterführende Erläuterungen. <strong>Die</strong> Schlussfolgerung, dass e<strong>in</strong> nicht rational<br />
h<strong>an</strong>delnder Akteur e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> schlechter M<strong>an</strong>ager ist und e<strong>in</strong> rational h<strong>an</strong>delnder<br />
e<strong>in</strong> guter ist, liegt doch sehr nahe. Allerd<strong>in</strong>gs geht es hier nicht um<br />
Führungskräfte, die wider besseres Wissen uns<strong>in</strong>nige Entscheidungen treffen und<br />
vorsätzlich ihrer Org<strong>an</strong>isation Schaden zufügen. Vielmehr wird dem Umst<strong>an</strong>d<br />
Rechnung getragen, dass das Aufgabenspektrum der Top-M<strong>an</strong>ager von großen<br />
Org<strong>an</strong>isationen so umfassend ist, dass ihre Zeit nicht reicht, um alle Fragen im<br />
Detail rational zu durchdenken. Wie LUHMANN bereits <strong>in</strong> den 1960er Jahren<br />
zeigte setzen Top-Entscheider stark auf Vertrauen als Führungs<strong>in</strong>strument, um die<br />
Komplexität ihrer Aufgabenstellung zu reduzieren. 292 Das Vertrauen gilt dabei<br />
sowohl den Mitarbeitern als auch externen Institutionen.<br />
Damit e<strong>in</strong> bestimmter <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Br<strong>an</strong>che zur Institution wird, <strong>an</strong><br />
der sich Entscheidungsträger <strong>in</strong> den Unternehmen orientieren können, muss e<strong>in</strong><br />
Unternehmen mit e<strong>in</strong>er zentralen Stellung den Anf<strong>an</strong>g machen und e<strong>in</strong>e neuartige<br />
<strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiative umsetzen. Wenn das Unternehmen die Initiative als Erfolg<br />
ausweist und die ersten Folgeunternehmen auf den gleichen <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
setzen, entsteht die Institution. Das Unternehmen Otto besitzt im Vers<strong>an</strong>dh<strong>an</strong>del <strong>in</strong><br />
Deutschl<strong>an</strong>d beispielsweise e<strong>in</strong>e zentrale Stellung und setzt mit se<strong>in</strong>em RFID-<br />
291 DiMAGGIO/POWELL (1991).<br />
292 LUHMANN (2000).<br />
123
124<br />
Kapitel 5<br />
Piloten e<strong>in</strong>e <strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiative um. Otto weist die Anwendung als Erfolg aus,<br />
sodass mit der Ausweitung der Initiative und dem Nachahmen von Mitbewerbern<br />
e<strong>in</strong>e Institution entstehen k<strong>an</strong>n. Viele weitere Unternehmen <strong>in</strong> der Br<strong>an</strong>che sparen<br />
sich d<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gehende Analyse, ob die erhöhte <strong>Visibilität</strong> für sie wirklich<br />
nützlich wäre. Sie ziehen nach und setzen auf RFID, weil sie durch Abwarten <strong>an</strong><br />
Legitimität verlieren würden. <strong>Die</strong> Marktführerschaft wie im Otto-Beispiel ist<br />
unterdessen nicht die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, um e<strong>in</strong>e zentrale Stellung zu erl<strong>an</strong>gen.<br />
Auch die Positionierung als Qualitäts<strong>an</strong>bieter oder Innovationsführer können für<br />
die notwendige Aufmerksamkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Br<strong>an</strong>chenumfeld sorgen.<br />
Institutionen müssen von ihrer Art her e<strong>in</strong>en bestimmten Charakter besitzen, um<br />
sich <strong>in</strong> der entsprechenden Bezugsgruppe durchzusetzen. Allenfalls zählt das<br />
grundlegende Argument von SELZNICK, „to <strong>in</strong>stitutionalize is to <strong>in</strong>fuse with<br />
value beyond the technical requirements of the task at h<strong>an</strong>d.“ 293 Beispielsweise<br />
beschreiben GULER/GUILLÉN/MACPHERSON 294 die ISO-9000-Zertifizierung<br />
als Institution und untersuchen deren Verbreitung. ZBARACKI 295 beschreibt die<br />
<strong>in</strong>stitutionalistischen Kräfte, welche das Thema Total Quality M<strong>an</strong>agement mit<br />
sich br<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong> bestimmter <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> eignet sich sol<strong>an</strong>ge nicht als<br />
Institution, bis er nicht genau qu<strong>an</strong>tifiziert werden k<strong>an</strong>n und beispielsweise durch<br />
e<strong>in</strong>e Zertifizierung e<strong>in</strong> Label erhält. <strong>Die</strong> Aussage im Jahresbericht e<strong>in</strong>es<br />
Unternehmens, „wir haben e<strong>in</strong>en höheren <strong>Visibilität</strong>sgrad erreicht“, reicht mit<br />
großer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nicht aus, um weitere Unternehmen zur Nachahmung<br />
zu <strong>an</strong>imieren. H<strong>in</strong>gegen eignen sich neuartige Technologien gut für den Aufbau<br />
von Institutionen. Alle<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e Pressemittelteilung, „Pilotprojekt SPAR: E<strong>in</strong>satz<br />
von RFID zur Optimierung des Rollbehälterumlaufs“ 296 , erzeugt Widerhall <strong>in</strong> der<br />
„Community“. Deshalb wird im weiteren Verlauf eher die Institution „E<strong>in</strong>satz von<br />
RFID im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk“ betrachtet als e<strong>in</strong> schwer kommunizierbarer<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad. Auch der Electronic Product Code (EPC) ist von se<strong>in</strong>em<br />
Charakter her geeignet, um zu e<strong>in</strong>er weit verbreiteten Institution zu werden.<br />
E<strong>in</strong> Beleg dafür, dass im RFID-Umfeld Institutionen <strong>an</strong>zutreffen s<strong>in</strong>d, gibt e<strong>in</strong>e<br />
Pressemitteilung von ABB F<strong>in</strong>nl<strong>an</strong>d. Dort bezeichnet sich das Unternehmen als<br />
293 SELZNICK (1957).<br />
294 GULER/GUILLÉN/MACPHERSON (2002).<br />
295 ZBARACKI (1998).<br />
296 Medien<strong>in</strong>formation der SPAR Österreichische Warenh<strong>an</strong>dels-AG, 01.06.2005.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
RFID-Vorreiter, als Metro bzw. Wal-Mart von F<strong>in</strong>nl<strong>an</strong>d. 297 Demnach sehen auch<br />
konsumgüterfremde Br<strong>an</strong>chen die Unternehmen Wal-Mart und Metro als die<br />
zentralen H<strong>an</strong>delsunternehmen <strong>an</strong>, welche die Umsetzung der passiven RFID-<br />
Technologie vor<strong>an</strong>treiben.<br />
Das theoretische Konzept, mit dem die Institutionalisten die Verbreitung e<strong>in</strong>er<br />
Institution beschreiben, ist das des Isomorphismus. Isomorphismus me<strong>in</strong>t den<br />
Prozess, der e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Population dazu bewegt, sich <strong>an</strong>deren E<strong>in</strong>heiten<br />
<strong>an</strong>zugleichen, die mit den gleichen Umweltbed<strong>in</strong>gungen konfrontiert s<strong>in</strong>d. 298<br />
DiMAGGIO/POWELL 299 identifizieren drei Mech<strong>an</strong>ismen, die e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>stitutionell<br />
bed<strong>in</strong>gten W<strong>an</strong>del von Org<strong>an</strong>isationen <strong>in</strong> Richtung Isomorphie zur Folge haben:<br />
Zw<strong>an</strong>g, mimetischer Prozess und normativer Druck. <strong>Die</strong> Unterscheidung ist<br />
jedoch eher <strong>an</strong>alytischer Natur und lässt sich empirisch kaum trennen.<br />
<strong>Der</strong> RFID-Isomorphismus lässt sich heute noch nicht auf die Art und Weise<br />
beschreiben, wie dies WALGENBACH 300 beispielsweise für die Ausbreitung des<br />
ISO-9000-Zertifikats <strong>in</strong> der deutschen Industrie get<strong>an</strong> hat, weil e<strong>in</strong>e größere<br />
Verbreitung der Technologie erwartungsgemäß noch bevorsteht. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
können Indizien herausgearbeitet werden, die auf e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>stitutionalistischen<br />
Isomorphismus h<strong>in</strong>weisen.<br />
So k<strong>an</strong>n beobachtet werden, dass die RFID-Verbreitung u. a. durch Zw<strong>an</strong>g<br />
ausgelöst wird. <strong>Die</strong> so gen<strong>an</strong>nten „big buyer“ Metro, Wal-Mart und DoD zw<strong>in</strong>gen<br />
ihre Liefer<strong>an</strong>ten durch Verh<strong>an</strong>dlungsmacht, RFID e<strong>in</strong>zusetzen. Sie üben e<strong>in</strong>en<br />
Kundendruck aus, der zu e<strong>in</strong>er Homogenisierung der <strong>Logistik</strong>prozesse bei den<br />
Liefer<strong>an</strong>ten führt. H<strong>in</strong>zu kommt der Gesetzgeber, der ebenfalls die Umsetzung<br />
von RFID forciert. Indirekt beispielsweise durch die EU-Verordnung 178/2002,<br />
welche die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln über alle Stufen der<br />
Wertschöpfungskette verl<strong>an</strong>gt, oder durch die Gesetzesvorlagen e<strong>in</strong>iger<br />
amerik<strong>an</strong>ischer Bundesstaaten zum „electronic pedigree“ <strong>in</strong> der pharmazeutischen<br />
Industrie.<br />
Mimetische Prozesse, also die Nachahmung von Unternehmen mit e<strong>in</strong>er zentralen<br />
Position <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Br<strong>an</strong>che, lassen sich auch bei RFID f<strong>in</strong>den. Wie Abbildung 12<br />
297 ABB-Pressemitteilung vom 20. Mai 2005: ABB puts supply cha<strong>in</strong> to work.<br />
298 HAWLEY (1968).<br />
299 DiMAGGIO/POWELL (1983) und DiMAGGIO/POWELL (1991).<br />
300 WALGENBACH (2003).<br />
125
126<br />
Kapitel 5<br />
zeigt hat sich die Metro AG im Jahre 2004 <strong>in</strong> der Konsumgüterbr<strong>an</strong>che im<br />
deutschsprachigen Raum als erstes H<strong>an</strong>delsunternehmen des Themas RFID<br />
<strong>an</strong>genommen. E<strong>in</strong> Jahr später folgten Rewe, Spar Austria und Otto. <strong>Die</strong> Migros<br />
hat die RFID-Debatte im Frühjahr 2005 auch <strong>in</strong> der Schweiz <strong>an</strong>gestoßen. Dabei<br />
muss e<strong>in</strong>schränkend bemerkt werden, dass sich die H<strong>an</strong>delsunternehmen auf<br />
jeweils unterschiedliche Teilbereiche des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks und auf<br />
unterschiedliche Technologien konzentrieren. So ist die Durchführung des Metro-<br />
RFID-Roll-outs e<strong>in</strong>malig im deutschsprachigen Raum. Gleich ist bei allen<br />
Beispielen die Öffentlichkeitswirkung, welche die Unternehmen mit ihren Piloten<br />
erzielen wollen.<br />
Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong>-Br<strong>an</strong>che ab. Hier gilt<br />
DHL als Vorreiter, u. a. weil das Unternehmen <strong>an</strong> der Metro Future Store<br />
Initiative beteiligt ist. Andere <strong>Die</strong>nstleister ziehen nach und starten RFID-<br />
Initiativen geme<strong>in</strong>sam mit ihren Kunden (vgl. Tabelle 7). Beispielsweise<br />
positioniert sich Kühne&Nagel mit dem Thema <strong>in</strong> der Öffentlichkeit. 301<br />
E<strong>in</strong> Isomorphismus durch normativen Druck lässt sich sehr schwer von Prozessen<br />
trennen, die durch Mimesis oder Zw<strong>an</strong>g ausgelöst werden. In diesem Fall stehen<br />
die Normen und Werte der M<strong>an</strong>ager im Vordergrund. Es geht um e<strong>in</strong>en<br />
l<strong>an</strong>gsamen Prozess, <strong>in</strong> dem beispielsweise Universitäten, der Staat oder<br />
Wirtschaftsverbände bestimmte Positionen e<strong>in</strong>nehmen, die von ihren Absolventen,<br />
Bürgern und Mitgliedern geteilt werden. Im Falle von RFID ist es heute noch zu<br />
früh, um von etwaigen „RFID-Schulen“ oder -Denkrichtungen zu sprechen. Aber<br />
die Forschung auf diesem Gebiet k<strong>an</strong>n zum Wegbereiter werden. Ebenso f<strong>in</strong>det<br />
das Thema E<strong>in</strong>kl<strong>an</strong>g <strong>in</strong> der Lehre und <strong>in</strong> Executive-Kursen. Wirtschaftsverbände<br />
wie GS1 oder die BVL befassen sich ausgiebig mit RFID und <strong>Visibilität</strong>.<br />
Aber RFID k<strong>an</strong>n auch als Mittel her<strong>an</strong>gezogen werden, um vorh<strong>an</strong>dene<br />
Institutionen zu bedienen. E<strong>in</strong>e Institution ist beispielsweise das Image des<br />
<strong>in</strong>novativen Unternehmens oder des Technologieführers. Wenn solche Images auf<br />
unterschiedlichen Vehikeln nach außen getragen werden, k<strong>an</strong>n sich dies auch<br />
positiv auf den Aktienwert auswirken. Als Indiz zählt die positive<br />
Kursentwicklung der Metro-Aktien, seit dem das Unternehmen die Future Store<br />
Initiative <strong>in</strong>s Leben gerufen hat (vgl. Abbildung 13). E<strong>in</strong> Zusammenh<strong>an</strong>g zum<br />
jungen Forschungsgebiet Behavioral F<strong>in</strong><strong>an</strong>ce wird erkennbar.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Exkurs: Behavioral F<strong>in</strong><strong>an</strong>ce<br />
Behavioral F<strong>in</strong><strong>an</strong>ce ist e<strong>in</strong> junges Forschungsgebiet, das mit dem Ende der<br />
„dot.com Bubble“ <strong>an</strong> Auftrieb gewonnen hat. <strong>Die</strong> Theorie hält das Modell des<br />
effizienten Aktienmarkts für unzulänglich, weil die Akteure <strong>an</strong> den<br />
Kapitalmärkten nicht rational h<strong>an</strong>deln. <strong>Der</strong> „Internet-Hype“, welcher im Frühjahr<br />
2000 mit starken Kursverlusten <strong>an</strong> den weltweiten Kapitelmärkten endet, wird<br />
stets als Indiz aufgeführt. 302<br />
Beispielsweise haben COOPER/DIMITROV/RAU die Auswirkungen e<strong>in</strong>er<br />
Namensänderung während des Internet-Hypes <strong>an</strong>alysiert. <strong>Der</strong><br />
Untersuchungszeitraum lief vom 1. Juni 1998 bis zum 31. Juli 1999 und die<br />
ausgewählten Firmen waren <strong>an</strong> AMEX, NYSE und NASDAQ gelistet.<br />
Kurioserweise hat die Untersuchung ergeben, dass Unternehmen, deren<br />
Kerngeschäft nicht mit dem Internet <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung steht und die trotzdem ihren<br />
Namen durch dot.com erweiterten, <strong>in</strong> den nächsten fünf Tagen nach der<br />
Bek<strong>an</strong>ntgabe e<strong>in</strong>en zusätzlichen Return von 23% erwirtschaften konnten. 303<br />
Erklärungsmodelle aus dem Forschungsgebiet Behavioral F<strong>in</strong><strong>an</strong>ce bauen auf<br />
unvollständigen Informationen auf sowie auf Konzepten der Massenpsychologie.<br />
Sie versuchen so gen<strong>an</strong>nte „Noise Trader“ zu verstehen und <strong>an</strong>alysieren u. a. das<br />
„positive feedback trad<strong>in</strong>g“. 304<br />
<strong>Die</strong> Wirkung von Institutionen ist nicht auf private Org<strong>an</strong>isationen beschränkt. In<br />
Ländern, die e<strong>in</strong>en sehr großen Innovationsdr<strong>an</strong>g aufweisen wie die USA, 305<br />
werden auch von staatlichen Org<strong>an</strong>isationen <strong>in</strong>novative Impulse erwartet. So lässt<br />
sich auch das Engagement der Food <strong>an</strong>d Drug Adm<strong>in</strong>istration (FDA) e<strong>in</strong>ordnen,<br />
die mit ihrem Compli<strong>an</strong>ce Policy Guide 306 den E<strong>in</strong>satz von RFID zur Erhöhung<br />
der Sicherheit <strong>in</strong> der pharmazeutischen Wertschöpfungskette fördern möchte.<br />
Neben der Entstehung von Institutionen wird <strong>in</strong> den <strong>in</strong>stitutionalistischen<br />
Ansätzen der Org<strong>an</strong>isationstheorie auch diskutiert, wie Org<strong>an</strong>isationen auf<br />
301 http://vhb.h<strong>an</strong>delsblatt.com/rfid, Zugriff am 06.10.05.<br />
302 WHEALE/HEREDIA (2003).<br />
303 COOPER/DIMITROV/RAU (2001).<br />
304 MONTIER (2002).<br />
305 Vgl. ABRAHAMSON (1996) S. 263ff.<br />
306 http://www.fda.gov/oc/<strong>in</strong>itiatives/counterfeit/rfid_cpg.html, Zugriff am 19.7.2005.<br />
127
128<br />
Kapitel 5<br />
Institutionen reagieren können, wenn sie sich aus eigenen Überlegungen heraus<br />
nicht konform verhalten möchten. OLIVER 307 hat fünf mögliche Reaktion<br />
herausgearbeitet: Erdulden, Kompromiss suchen, Vermeiden, Trotzen und<br />
M<strong>an</strong>ipulieren. Das vorgestellte Fallbeispiel des Metro-Liefer<strong>an</strong>ten passt sehr gut<br />
<strong>in</strong> dieses Schema. <strong>Der</strong> Liefer<strong>an</strong>ten steht der RFID-Technologie zwar grundsätzlich<br />
positiv gegenüber, sieht allerd<strong>in</strong>gs bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>bezug <strong>in</strong> den Metro-Roll-out nur<br />
Kosten und ke<strong>in</strong>en Nutzen auf sich zukommen. Welche Reaktion gewählt werden<br />
soll hängt von den folgenden Faktoren ab: 308<br />
• Das Ausmaß, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e Regel <strong>in</strong>stitutionalisiert ist<br />
• <strong>Der</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> Legitimität, der durch e<strong>in</strong>e Adoption erreicht wird<br />
• Das Interesse, welches die Org<strong>an</strong>isation verfolgt<br />
• <strong>Die</strong> Macht, mit der e<strong>in</strong>e Org<strong>an</strong>isation ihre Interessen durchsetzen k<strong>an</strong>n<br />
Wenn sich die RFID-Technologie weiter verbreitet hat, d<strong>an</strong>n lässt sich später <strong>in</strong><br />
der Retrospektive genauer beschreiben, wie die Institutionalisierung abgelaufen<br />
ist. Wenn für <strong>Visibilität</strong> selbst e<strong>in</strong> entsprechendes Label entsteht, d<strong>an</strong>n lassen sich<br />
vergleichbare Entwicklungen auch hier ablesen.<br />
5.1.2 Aktiver Aufbau von Institutionen<br />
Unternehmen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Br<strong>an</strong>che e<strong>in</strong>e zentrale Stellung e<strong>in</strong>nehmen, s<strong>in</strong>d sich<br />
bewusst, dass sie den Aufbau e<strong>in</strong>er Institution aktiv fördern können. <strong>Der</strong><br />
Theoriezweig, der sich mit diesem Phänomen ause<strong>in</strong><strong>an</strong>der setzt, nennt sich<br />
Institutional Entrepreneurship. Zentrale Elemente dieser Theorie s<strong>in</strong>d Interessen,<br />
Agenten und Institutionen: „New <strong>in</strong>stitutions arise when org<strong>an</strong>ized actors with<br />
sufficient resources (<strong>in</strong>stitutional entrepreneurs) see <strong>in</strong> them <strong>an</strong> opportunity to<br />
realize <strong>in</strong>terest that they value highly“. 309 <strong>Der</strong> <strong>in</strong>stitutionelle W<strong>an</strong>del ist e<strong>in</strong><br />
politischer Prozess, welcher die Macht und die Interessen der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Entrepreneurs widerspiegelt. 310 FLIGSTEIN betont, dass die Entrepreneurs soziale<br />
Fähigkeiten benötigen, um den politischen Prozess zu steuern und ihre Interessen<br />
durchzusetzen. „I propose to view action as the outcome of the type of social skill<br />
307 OLIVER (1991).<br />
308 GOODSTEIN (1994).<br />
309 DiMAGGIO (1988) S. 14.<br />
310 Vgl. SEO/CREED (2002).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
that <strong>in</strong>stitutional entrepreneurs possess <strong>an</strong>d how that skill tr<strong>an</strong>slates <strong>in</strong>to<br />
<strong>in</strong>stitutional arr<strong>an</strong>gements that produce org<strong>an</strong>izational fields.“ 311<br />
Demnach gilt es zuerst die Interessenslage der Akteure zu untersuchen. Im Falle<br />
von RFID lassen sich mögliche Interessen der Institutional Entrepreneurs<br />
beispielhaft herausarbeiten:<br />
• Das DoD möchte die zivile Nutzung der passiven RFID-Technologie<br />
fördern. Es will e<strong>in</strong>e kritische Masse erzeugen.<br />
• Metro und Otto möchten als Innovationsführer für Kunden, Mitarbeiter und<br />
Kapitalgeber attraktiv se<strong>in</strong>. Als Vorreiter können sie von f<strong>in</strong><strong>an</strong>ziellen<br />
Zugeständnissen der RFID-<strong>Die</strong>nstleister sowie von öffentlichen<br />
Fördermitteln profitieren.<br />
• Inf<strong>in</strong>eon möchte mit dem Verkauf von RFID-Etiketten und Best<strong>an</strong>dteilen<br />
Umsatz generieren.<br />
• DHL möchte mit RFID als Mehrwertdienstleistung Umsatz generieren und<br />
gleichzeitig den Verkauf der Basisdienstleistung fördern.<br />
Häufig werden Institutionen aufgebaut, weil ihre Initiatoren wirtschaftliche<br />
Interessen verfolgen. Allerd<strong>in</strong>gs k<strong>an</strong>n die Interessenslage weitaus vielschichtiger<br />
se<strong>in</strong>, als die obige Beschreibung vermuten lässt. Um ihre Zielsetzungen durch-<br />
zusetzen, müssen die Institutional Entrepreneurs soziale Fähigkeiten e<strong>in</strong>setzen.<br />
„Social skills c<strong>an</strong> be def<strong>in</strong>ed as the ability to motivate cooperation <strong>in</strong> other actors<br />
by provid<strong>in</strong>g those actors with common me<strong>an</strong><strong>in</strong>gs <strong>an</strong>d identities <strong>in</strong> which actions<br />
c<strong>an</strong> be undertaken <strong>an</strong>d justified.“ 312 Im Falle der Metro muss das Unternehmen<br />
Kooperation bei se<strong>in</strong>en Liefer<strong>an</strong>ten auslösen, wozu begleitende PR-Maßnahmen<br />
l<strong>an</strong>ciert wurden. Zusätzlich betreibt die Metro das RFID Innovationscenter <strong>in</strong><br />
Neuss, um den Liefer<strong>an</strong>ten e<strong>in</strong> RFID-Testumfeld zur Verfügung zu stellen und sie<br />
vom Nutzen der neuen Technologie zu überzeugen.<br />
„Institutional Entrepreneurs create a whole new system of me<strong>an</strong><strong>in</strong>g that ties the<br />
function<strong>in</strong>g of disparate sets of <strong>in</strong>stitutions together.“ 313 Deutlich wird dies beim<br />
IT Service Provider Unisys, der se<strong>in</strong>e Verkaufs<strong>in</strong>teressen mit Hilfe e<strong>in</strong>er Vision<br />
fördert. Das Unternehmen war u. a. für die Implementierung der In-tr<strong>an</strong>sit<br />
Visibility Anwendung beim DoD ver<strong>an</strong>twortlich und bietet auch im zivilen<br />
311 FLIGSTEIN (1997).<br />
312 FLIGSTEIN (1997).<br />
313 DiMAGGIO (1988).<br />
129
130<br />
Kapitel 5<br />
Bereich <strong>Visibilität</strong>sprojekte <strong>an</strong>. Dazu hat es die Vision des „Visible Commerce“<br />
kreiert. „Unisys Global Visible Commerce br<strong>in</strong>gt Tr<strong>an</strong>sparenz <strong>in</strong> globale<br />
Lieferketten.“ 314 Anschaulich wird diese Vision <strong>in</strong> der Broschüre „A visual guide<br />
to global commerce“ vorgestellt, die das Unternehmen als gebundenes Heft<br />
herausgibt. 315<br />
„[Institutional Entrepreneurs] def<strong>in</strong>e, legitimize, combat, or co-opt rivals to<br />
succeed <strong>in</strong> their <strong>in</strong>stitutional projects.“ 316 <strong>Die</strong> Zusammenarbeit von Konkurrenten<br />
wird beispielsweise d<strong>an</strong>n deutlich, wenn sich Wettbewerber im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
St<strong>an</strong>dardisierungsorg<strong>an</strong>isation auf e<strong>in</strong>en St<strong>an</strong>dard e<strong>in</strong>igen müssen.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse von entsprechenden politischen Prozessen s<strong>in</strong>d für die<br />
Entrepreneurs nicht unerheblich. RFID ist e<strong>in</strong>e Technologie, die den Gesetzten der<br />
Netzwerkökonomie folgt. Da sie unternehmens- und sogar br<strong>an</strong>chenübergreifend<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden soll, s<strong>in</strong>d globale St<strong>an</strong>dards von großer Bedeutung. Auf der<br />
Ebene der Datenhaltung ist EPC der wichtigste St<strong>an</strong>dard. Institutional<br />
Entrepreneurs können e<strong>in</strong>en stärkeren E<strong>in</strong>fluss auf die St<strong>an</strong>dardisierungsgremien<br />
ausüben. Beispielsweise s<strong>in</strong>d die CIOs von Wal-Mart und Metro Mitglieder im<br />
EPCglobal Board of Governors, das <strong>in</strong>sgesamt 15 Teilnehmer umfasst. 317<br />
Institutionen können auch als Me<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong>terpretiert werden, die <strong>in</strong> der<br />
„Community“ bestehen. Für RFID lassen sich e<strong>in</strong>ige dieser Me<strong>in</strong>ungen<br />
zusammentragen und durch entsprechende Presseartikel sowie<br />
Medien<strong>in</strong>formationen von Unternehmen und Verbänden h<strong>in</strong>terlegen. Beispiele aus<br />
dem deutschsprachigen Raum:<br />
• <strong>Die</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass Metro der RFID-Innovationsführer <strong>in</strong> der<br />
Konsumgüter<strong>in</strong>dustrie ist, lässt sich belegen durch:<br />
o Lebensmittelzeitung, Meldung vom 05.11.2004, Innovationen auf<br />
dem Prüfst<strong>an</strong>d - H<strong>an</strong>del schickt zahlreiche technologische<br />
Neuerungen auf die Verkaufsfläche - Priorität hat jedoch der Kampf<br />
gegen die Präsenzlücken: „Ohne Zweifel hat die Metro Group mit<br />
314 http://www.unisys.de/about__unisys/news_a_events/global__visible__commerce.htm,<br />
Zugriff am 20.07.2005.<br />
315 http://www.unisys.co.za/services/global__commerce__visibility/<strong>in</strong>dex.htm, Zugriff am 20.06.2005.<br />
316 SCOTT (1994).<br />
317 http://www.epcglobal<strong>in</strong>c.org/about/board_of_governors.html, Zugriff am 20.07.2005.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
131<br />
ihrer Future-Store-Initiative viel bewegt. Und dabei nicht zuletzt ihr<br />
eigenes Image als 'Innovationsführer' ver<strong>an</strong>kern können.“<br />
o H<strong>an</strong>delszeitung, Meldung vom 31.08.2005, RFID - RFID - Hier<br />
wird die Zukunft geprobt: „<strong>Die</strong> Metro Group ist e<strong>in</strong>er der frühen<br />
Anwender und Vorreiter bei neuartigen Nutzungen von RFID.“<br />
o Computerwoche, Meldung vom 17.06.2005, Zwei-Klassen-<br />
Gesellschaft bei RFID: „Vorreiter wie die Metro Group oder Procter<br />
& Gamble haben weit reichende Erfahrungen mit der<br />
berührungslosen Identifikationstechnik gesammelt.“<br />
o Wirtschaftsblatt, Meldung vom 23.02.2005, H<strong>an</strong>delsriesen<br />
kooperieren bei der E<strong>in</strong>führung der Funktechnologie RFID: „Tesco,<br />
Wal-Mart und Metro gelten als Vorreiter bei der Verbreitung der<br />
RFID-Technologie.“<br />
• <strong>Die</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass die Technologie für den E<strong>in</strong>satz am Konsumprodukt<br />
(Item-Level) noch nicht reif ist, lässt sich belegen durch:<br />
o Deutscher Verkehrszeitung, Meldung vom 20.09.2005, RFID-Chips<br />
ersetzen Materialflussrechner, Zitat von Otto-Aufsichtsrat Prof. Dr.<br />
Peer Witten: „<strong>Die</strong> RFID-Identifikation auf Artikelebene könnte <strong>in</strong><br />
drei, vier vielleicht aber auch erst fünf Jahren <strong>in</strong> die Praxis<br />
umgesetzt werden.“<br />
o Metro Group, Zitat von Dr. Gerd Wolfram, Geschäftsführer MGI<br />
Metro Group Information Technology und Projektleiter METRO<br />
Group Future Store Initiative: „<strong>Der</strong> E<strong>in</strong>satz von RFID auf<br />
Artikelebene ist vorläufig nicht gepl<strong>an</strong>t.“ verfügbar unter:<br />
http://www.metrogroup.de/servlet/PB/menu/1014671_l1/<strong>in</strong>dex.html<br />
o Computer Zeitung, Meldung vom 15.02.2005, Palettenverfolgung:<br />
Passive Chips für Radio-Frequenz-Identifikation kosten zwischen 35<br />
und 70 Cent: „Item-Level-Tagg<strong>in</strong>g ist noch nicht f<strong>in</strong><strong>an</strong>zierbar.“<br />
o Computerwoche, Meldung vom 03.06.2005, Kosten für RFID-Chips<br />
bald vernachlässigbar? „Item-Level-Tagg<strong>in</strong>g ist so für die meisten<br />
Produkte nicht <strong>an</strong>wendbar.“<br />
• <strong>Die</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass RFID <strong>in</strong> Bezug auf den Datenschutz e<strong>in</strong> sehr sensibles<br />
Thema <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d ist, lässt sich belegen durch:
132<br />
Kapitel 5<br />
o Computer Woche, Meldung vom 24.06.2005, Datenschutz-<br />
beauftragter Peter Schaar warnt vor blauäugiger RFID-Nutzung: „Im<br />
Pr<strong>in</strong>zip - so k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> die Kritik Schaars verstehen - ist der Bürger<br />
beim zu erwartenden flächendeckenden E<strong>in</strong>satz von RFID-<br />
Techniken schutzlos dem <strong>Die</strong>bstahl se<strong>in</strong>er persönlichen Daten<br />
ausgesetzt.“<br />
o Pressetext, Meldung vom 31.05.2005: „US-Bericht warnt vor RFID-<br />
Missbrauch – Ke<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzung mit Datenschutz.“<br />
o Lebensmittelzeitung, Meldung vom 18.02.2005, Bits und Bytes –<br />
Metro engagiert sich für Datensicherheit: „Neben Metro engagieren<br />
sich auch IBM, Microsoft, Intel und Sun Microsystems sowie der<br />
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Nato <strong>in</strong> der<br />
Org<strong>an</strong>isation Eicar.“<br />
Zentrale Ansichten, die <strong>in</strong> den USA vorherrschen, haben häufig e<strong>in</strong>e weltweite<br />
Wirkung:<br />
• <strong>Die</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass die Food <strong>an</strong>d Drug Adm<strong>in</strong>istration, das Department of<br />
Defense und Wal-Mart die Entwicklung maßgeblich vor<strong>an</strong>treiben, lässt<br />
sich belegen durch:<br />
o F<strong>in</strong><strong>an</strong>cial Times, Meldung vom 10.05.2004, Industries tune <strong>in</strong>to a<br />
new frequency, Zitat von Oracles RFID-Ver<strong>an</strong>twortlichen für<br />
Europa: „[…] we're see<strong>in</strong>g those comp<strong>an</strong>ies hav<strong>in</strong>g to comply with<br />
the Wal-Mart <strong>an</strong>d DoD m<strong>an</strong>dates ramp<strong>in</strong>g up first, along with the<br />
food, beverage, <strong>an</strong>d pharmaceutical <strong>in</strong>dustries, that are hav<strong>in</strong>g to<br />
comply with legislation.“<br />
o Material H<strong>an</strong>dl<strong>in</strong>g M<strong>an</strong>agement, Meldung vom 01.09.2005, The<br />
Wal-Mart M<strong>an</strong>date: Compli<strong>an</strong>ce <strong>an</strong>d Beyond: „The improvements<br />
<strong>in</strong> the technology c<strong>an</strong> be attributed directly to the aggressive<br />
timeframes of the Wal-Mart <strong>an</strong>d DoD m<strong>an</strong>dates.“<br />
o Datamonitor News <strong>an</strong>d Comment, Meldung vom 02.06.2005, TI <strong>an</strong>d<br />
VeriSign unfurl RFID model for drug makers: „Last year, for<br />
<strong>in</strong>st<strong>an</strong>ce, the FDA recommended RFID implementation <strong>in</strong> the<br />
<strong>in</strong>dustry by 2007.“
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
133<br />
o Wash<strong>in</strong>gton Bus<strong>in</strong>ess Information, Part 11 Compli<strong>an</strong>ce Report,<br />
Vol. 4, No. 13, 23.06.2004, M<strong>an</strong>ufactures expect major benefits<br />
from RFID: „The high expectations for the technology are be<strong>in</strong>g<br />
fueled <strong>in</strong> part by large RFID <strong>in</strong>itiatives, such as those spearheaded<br />
by Wal-Mart <strong>an</strong>d the Defense Department […]. The FDA also gave<br />
the technology a signific<strong>an</strong>t boost earlier this year when it tapped it<br />
as a critical element of its <strong>an</strong>ti-counterfeit<strong>in</strong>g effort.“<br />
o Neue Zürcher Zeitung, Meldung vom 23.11.2004, Forschung<br />
braucht Praxis - und umgekehrt - Auf dem l<strong>an</strong>gen Weg zum Internet<br />
der D<strong>in</strong>ge: „Das EPC-Netzwerk ist die Basis der<br />
br<strong>an</strong>chenverändernden RFID-Pläne der H<strong>an</strong>delsunternehmen und<br />
Aufsichtsbehörden Metro, Tesco, Wal-Mart, FDA, DOD usw.“<br />
Auch <strong>in</strong> der Wissenschaft wird der mögliche Erfolg oder Misserfolg von RFID auf<br />
e<strong>in</strong>er Ebene diskutiert, die mehr auf die Reson<strong>an</strong>z der Anwender e<strong>in</strong>geht und<br />
technische Aspekte <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund rückt. So hat das Auto-ID Center den<br />
Report „Why Technical Breakthroughs Fail: A History of Public Concern with<br />
Emerg<strong>in</strong>g Technologies“ 318 veröffentlicht, der aufzeigt, wie Technologien am<br />
Markt gescheitert s<strong>in</strong>d, obwohl sie technisch eigentlich überlegen waren. Daraus<br />
ziehen die Autoren Rückschlüsse für RFID, damit die gleichen Fehler nicht noch<br />
e<strong>in</strong>mal beg<strong>an</strong>nen werden.<br />
Abschließend werden die Diskussion auf der normativen Ebene sowie die An-<br />
wendung der <strong>in</strong>stitutionalistischen Ansätze der Org<strong>an</strong>isationstheorien kritisch<br />
gewürdigt. Vorweggenommen sei die Bemerkung, dass es nicht möglich ist, den<br />
Erfolg e<strong>in</strong>er Technologie nur durch e<strong>in</strong>e normative Betrachtung abzuschätzen.<br />
Dazu müssen auch die Strategie und der Bus<strong>in</strong>ess Case stimmen. E<strong>in</strong> Institutional<br />
Entrepreneur, dessen Initiative ke<strong>in</strong>e Subst<strong>an</strong>z besitzt und der nur auf<br />
Kommunikationsmaßnahmen setzt, wird nicht erfolgreich se<strong>in</strong> und auch ke<strong>in</strong>e<br />
Institution begründen können.<br />
Kritiker mögen <strong>an</strong> dieser Stelle e<strong>in</strong>wenden, dass es nicht Aufgabe der<br />
Wissenschaft sei, mögliche Modewellen zu beschreiben und womöglich noch zu<br />
provozieren. <strong>Die</strong> Wissenschaft sollte viel eher Modewellen unterb<strong>in</strong>den und die<br />
Praxis wieder auf den rationalen Pfad der Tugend zurückführen. Gegen letzteres<br />
318 CANTWELL, B. (2003).
134<br />
Kapitel 5<br />
lassen sich ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wände f<strong>in</strong>den. In Bezug auf die Unterb<strong>in</strong>dung von<br />
Modewellen sei <strong>an</strong> dieser Stelle auf ABRAHAMSON 319 verwiesen, der die<br />
Ausbreitung von „M<strong>an</strong>agement Fashions“ untersucht hat. Für ihn ist e<strong>in</strong>e<br />
<strong>an</strong>haltende Nachfrage nach <strong>in</strong>novativen Themen der Betriebswirtschaft aus der<br />
Praxis unverrückbar vorgegeben. <strong>Die</strong> Wissenschaft muss die Modewellen als<br />
solches akzeptieren und die Qualität des Diskurses erhöhen, <strong>in</strong> dem sie <strong>in</strong> den<br />
Prozess e<strong>in</strong>greift durch Maßnahmen wie „Shap<strong>in</strong>g norms of rationality <strong>an</strong>d<br />
progress“, „Improv<strong>in</strong>g the dem<strong>an</strong>d for m<strong>an</strong>agement fashions“ und „Enh<strong>an</strong>c<strong>in</strong>g the<br />
selection of m<strong>an</strong>agement fashions“. 320 <strong>Die</strong> vorliegende Arbeit möchte <strong>an</strong> dieser<br />
Stelle e<strong>in</strong>en Beitrag leisten.<br />
5.1.3 Empirische Belege im Überblick<br />
Kosumgüterbr<strong>an</strong>che<br />
(Kap. 4.1)<br />
<strong>Logistik</strong>dienstleister<br />
(Kap. 4.1)<br />
Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
(Kap. 4.1)<br />
319 ABRAHAMSON (1996).<br />
Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> Visbilität ist <strong>in</strong> Bezug auf das Umfeld des Unternehmens legitim?<br />
Legitimation des <strong>Visibilität</strong>sgrades Aktiver Aufbau von Institutionen<br />
• Isomorphie durch Zw<strong>an</strong>g: <strong>Die</strong> EU<br />
Verordnung 178/2002 erzw<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten <strong>Visibilität</strong>sgrad zur Erhöhung<br />
der Lebensmittelsicherheit<br />
• Mimetischer Prozess: Metro hat das<br />
Thema RFID frühzeitig besetzt. Otto,<br />
Rewe, Spar, Migros, etc. ziehen nach<br />
• Normativer Druck: Verb<strong>an</strong>dsaktivitäten<br />
von GS1/EPCglobal fördern RFID<br />
• Isomorphie durch Zw<strong>an</strong>g: Kunden<br />
verl<strong>an</strong>gen die E<strong>in</strong>haltung des Cargo<br />
2000 St<strong>an</strong>dards, der e<strong>in</strong>e normierte<br />
Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g Qualität vorgibt<br />
• Mimetischer Prozess: DHL gilt im<br />
deutschsprachigen Raum als RFID-<br />
Vorreiter. Führende <strong>Die</strong>nstleister bauen<br />
RFID-Kompetenz auf<br />
• Isomorphie durch Zw<strong>an</strong>g: Electronic<br />
Pedigree-Gesetze von amerik<strong>an</strong>ischen<br />
Bundesstaaten.<br />
• Normativer Druck: Öffentliche Diskussion<br />
über gefälschte Arzneimittel. RFID-<br />
Policy der FDA<br />
320 ABRAHAMSON (1996) S. 276ff.<br />
• Aufbau e<strong>in</strong>er Vision: <strong>Die</strong> Zielsetzung<br />
von EPCglobal ist e<strong>in</strong>e weltweit<br />
verbesserte <strong>Visibilität</strong> und Effizienz <strong>in</strong><br />
Supply Cha<strong>in</strong>s<br />
• Zusammenarbeit von Konkurrenten:<br />
Führende E<strong>in</strong>zelhändler wie Metro,<br />
Walmart und Tesco möchten bei der<br />
RFID-E<strong>in</strong>führung kooperieren<br />
• Aufbau e<strong>in</strong>er Vision: Cargo 2000 hat die<br />
Zielsetzung, die Luftfrachtbr<strong>an</strong>che auf<br />
e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Qualitätsst<strong>an</strong>drad zu<br />
br<strong>in</strong>gen, der durch <strong>Visibilität</strong> vom<br />
Kunden nachvollzogen werden k<strong>an</strong>n<br />
• Zusammenarbeit von Konkurrenten: Im<br />
Cargo 2000 Konsortium kooperieren<br />
konkurrierende Fluggesellschaften und<br />
<strong>Logistik</strong>dienstleister<br />
• Aufbau e<strong>in</strong>er Vision: Bisl<strong>an</strong>g noch nicht<br />
so konkret wie bei der Konsumgüter-<br />
und <strong>Logistik</strong>br<strong>an</strong>che. Aber e<strong>in</strong>heitliche<br />
Wahrnehmung von Problemfeldern:<br />
Rückverfolgbarkeit, Fälschungen, <strong>Die</strong>bstähle
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Metro<br />
(Kap. 4.3)<br />
Metro-<br />
Liefer<strong>an</strong>t<br />
(Kap. 4.4)<br />
Otto<br />
(Kap. 4.5)<br />
Department of<br />
Defense<br />
(Kap. 4.6)<br />
Inf<strong>in</strong>eon<br />
(Kap. 4.7)<br />
• Isomorphie durch Zw<strong>an</strong>g: Im Rahmen<br />
des RFID Roll-out zw<strong>in</strong>gt Metro se<strong>in</strong>e<br />
Liefer<strong>an</strong>ten RFID e<strong>in</strong>zusetzen<br />
• Charakter von Institutionen: Metro baut<br />
die Future Store Initiative auf dem<br />
Thema RFID auf und nicht auf<br />
<strong>Visibilität</strong> oder beispielsweise auf der<br />
NVE, welche <strong>in</strong> der ersten Phase des<br />
Roll-out e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle spielt<br />
• Reaktion auf isomorphen Druck: <strong>Der</strong><br />
Liefer<strong>an</strong>t sieht bei e<strong>in</strong>er Teilnahme am<br />
RFID Roll-out nur zusätzliche Kosten.<br />
Auf e<strong>in</strong>e Anfrage k<strong>an</strong>n er<br />
unterschiedlich reagieren: Erdulden,<br />
Kompromiss suchen, Vermeiden,<br />
Trotzen oder M<strong>an</strong>ipulieren<br />
• Mimetischer Prozess: Otto ist nicht der<br />
erste E<strong>in</strong>zelhändler auf dem Thema<br />
RFID, aber der erste Vers<strong>an</strong>dhändler<br />
und führend <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d. Nachahmer<br />
werden folgen<br />
• Isomorphie durch Zw<strong>an</strong>g: Im RFID<br />
Roll-out zw<strong>in</strong>gt das DoD se<strong>in</strong>e<br />
Liefer<strong>an</strong>ten die neue Technologie<br />
e<strong>in</strong>zusetzen<br />
• Bedienung von Institutionen durch<br />
RFID: Als Hightech Unternehmen ist<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>novatives Unternehmensimage<br />
essentiell. RFID k<strong>an</strong>n benutzt werden,<br />
um das <strong>in</strong>novative Image zu fördern<br />
135<br />
• Zentrale Stellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Br<strong>an</strong>che:<br />
Metro ist Marktführer <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d<br />
• Aufbau e<strong>in</strong>er Vision: Metro Future<br />
Store, die Zukunft des H<strong>an</strong>dels<br />
• E<strong>in</strong>satz von „Social Skills“: Mit dem<br />
Innovation Center und begleitenden<br />
Informationskampagnen sollen die<br />
Liefer<strong>an</strong>ten von RFID überzeugt werden<br />
• -<br />
• Zentrale Stellung: Als führendes<br />
Vers<strong>an</strong>dhaus <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d ist Otto <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er guten Position, um E<strong>in</strong>fluss auf<br />
neu entstehende Institutionen zu nehmen<br />
• Zentrale Stellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Br<strong>an</strong>che:<br />
Staatliches E<strong>in</strong>kaufsmonopol<br />
• Aufbau e<strong>in</strong>er Vision: Verbesserte<br />
<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der Militärlogistik und<br />
Förderung der passiven RFID-<br />
Technologie im zivilen Bereich<br />
• E<strong>in</strong>satz von „Social Skills“: DoD<br />
unterstützt se<strong>in</strong>e Liefer<strong>an</strong>ten durch<br />
Informationsver<strong>an</strong>staltungen und kooperiert<br />
mit zivilen E<strong>in</strong>richtungen<br />
• Aufbau e<strong>in</strong>er Vision: Unterstützung der<br />
globalen Inf<strong>in</strong>eon Supply Cha<strong>in</strong> durch<br />
RFID<br />
• Als Hersteller von Halbleitern profitiert<br />
das Unternehmen von der Verbreitung<br />
der RFID-Technologie<br />
Tabelle 10: Empirische Belege auf der normativen Ebene<br />
5.2 Strategische Sichtweise<br />
Auf der strategischen Ebene folgt die Argumentation grundlegenden<br />
Erkenntnissen der M<strong>an</strong>agement-Kybernetik. Das Wissensgebiet Kybernetik ist<br />
eng mit der Systemtheorie verbunden und besitzt e<strong>in</strong>e l<strong>an</strong>ge Tradition <strong>an</strong> der<br />
Universität St.Gallen <strong>in</strong> Forschung und Lehre. 321 <strong>Die</strong> Kybernetik hat ihren<br />
Ursprung <strong>in</strong> den 1940er Jahren und wird von WIENER beschrieben als die<br />
Wissenschaft der (Selbst-)Kontrolle und Kommunikation <strong>in</strong> und um komplexe<br />
321 SCHWANINGER (2001).
136<br />
Kapitel 5<br />
und dynamische Systeme. 322 Übertragen auf den M<strong>an</strong>agement-Kontext hat dies<br />
u. a. BEER 323 mit se<strong>in</strong>em „viable system model“. M<strong>an</strong>agement bedeutet für ihn<br />
e<strong>in</strong> System unter Kontrolle zu br<strong>in</strong>gen und auch unter Kontrolle zu halten. Das<br />
wesentliche Merkmal e<strong>in</strong>es Systems ist dessen Komplexität. 324 Auch auf der<br />
strategischen Ebene soll die Be<strong>an</strong>twortung der Forschungsfrage der Diskussion<br />
vor<strong>an</strong>gestellt werden:<br />
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist d<strong>an</strong>n erreicht, wenn zwischen der<br />
Komplexität der logistischen Aufgabenstellung und der Komplexität der<br />
<strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung e<strong>in</strong> Fit erzielt wird.<br />
Entscheidungen auf der strategischen Ebene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie gekennzeichnet<br />
durch Unsicherheit. In Bezug auf <strong>Visibilität</strong> muss die Unternehmensführung<br />
festlegen, welche <strong>Visibilität</strong>sdefizite sie als erstes beheben möchte und auf welche<br />
Technologien sie setzen möchte, jeweils unter der Maßgabe, dass sie unter<br />
unvollständigen Informationen entscheiden muss.<br />
Zwischen der normativen und der strategischen Ebene besteht e<strong>in</strong> Zusammenh<strong>an</strong>g.<br />
E<strong>in</strong>erseits muss sich die Strategie <strong>in</strong>nerhalb des normativ vorgegebenen Rahmens<br />
bewegen. Andererseits k<strong>an</strong>n auch die Strategie dazu genutzt werden, um<br />
Institutionen im Umfeld des Unternehmens zu bedienen. Beispielsweise wird den<br />
Ländern Brasilien, Russl<strong>an</strong>d, Indien und Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong> Prognosen bezüglich des<br />
Wirtschaftswachstums zurzeit l<strong>an</strong>gfristig e<strong>in</strong> sehr hohes Potenzial<br />
zugeschrieben. 325 Jedes Großunternehmen, das heute <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Strategieprogramm vermerkt, dass es vom Wachstum <strong>in</strong> diesen Ländern<br />
profitieren möchte, erhält von außen auch d<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e zusätzliche Legitimation,<br />
wenn die Begebenheiten im Zweifelsfalle gegen e<strong>in</strong>e Internationalisierungs-<br />
strategie sprechen.<br />
<strong>Die</strong> Kybernetik war <strong>in</strong> ihren Anfängen sehr erfolgreich damit, Erkenntnisse aus<br />
der Natur auf technische Fragestellungen zu übertragen. Beispielsweise haben die<br />
Forscher Feedback-Zyklen, die biologische Systeme <strong>in</strong> ihrem Gleichgewicht<br />
322 WIENER (1948).<br />
323 BEER (1979) und BEER (1972).<br />
324 http://www.m<strong>an</strong>agementkybernetik.com, Zugriff am 15.06.2005.<br />
325 Z. B. geht Goldm<strong>an</strong>n Sachs davon aus, dass das Bruttosozialprodukt von Brasilien, Russl<strong>an</strong>d, Indien<br />
und Ch<strong>in</strong>a zusammengenommen im Jahre 2050 größer seien wird als dass der G6, siehe<br />
WILSON/PURUSHOTHAMAN (2003).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
halten, übertragen auf technische Fragestellungen. E<strong>in</strong> Resultat ist das Denken <strong>in</strong><br />
Regelkreisen. So ist das e<strong>in</strong>fachste kybernetische System e<strong>in</strong> Thermostat, das die<br />
Temperatur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum regelt. Fällt die Temperatur unter e<strong>in</strong>en gewissen Wert<br />
wird der Heizofen e<strong>in</strong>geschaltet, übersteigt die Temperatur diesen Wert wird er<br />
wieder ausgeschaltet. Das kennzeichnende Element ist der Feedback-Zyklus. E<strong>in</strong><br />
komplexeres technisches System mit Feedback-Zyklus ist e<strong>in</strong> Avatar. In der<br />
Informatik werden programmierte Identitäten, welche mit dem Anwender als<br />
künstliche Person kommunizieren, mit dem Begriff Avatar bezeichnet. 326 Avatare<br />
werden heute sehr stark für Telefon-Service-L<strong>in</strong>ien beispielsweise im Direct<br />
B<strong>an</strong>k<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gesetzt. E<strong>in</strong>e aufgezeichnete Stimme fragt den Anwender nach der<br />
Kontonummer und bietet entsprechende Optionen <strong>an</strong>. Komplexere Systeme<br />
können auch auf offene Fragen und E<strong>in</strong>wende reagieren. Je mehr vorgedachte<br />
Benutzersituationen h<strong>in</strong>terlegt s<strong>in</strong>d, desto komplexer ist das System. Lernende<br />
Avatare erhöhen ihre Komplexität stetig selbst.<br />
Am Bespiel des Avatar wird das zentrale Gesetz der Kybernetik, das Law of<br />
requisite Variety, schnell verständlich: „Only variety c<strong>an</strong> absorb variety“. 327<br />
CONANT/ASHBY 328 haben darauf aufbauend die Formulierung geprägt: „Every<br />
good regulator of a system must be a model of that system.“ Damit me<strong>in</strong>en sie,<br />
dass der Steuerungsmech<strong>an</strong>ismus für e<strong>in</strong> System die gleiche Komplexität<br />
aufweisen muss wie die Aufgabenstellung selbst. So besitzt das<br />
Anwendungsproblem e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>o-Hotl<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Komplexität als e<strong>in</strong><br />
mediz<strong>in</strong>ischer Diagnoseservice. Entsprechend muss der Avatar für die<br />
mediz<strong>in</strong>ische Hotl<strong>in</strong>e viel mehr Vari<strong>an</strong>ten möglicher Fragen, Antworten und<br />
Optionen gespeichert haben. ASHBY 329 hat diesen Zusammenh<strong>an</strong>g mit e<strong>in</strong>em<br />
mathematischen Modell bewiesen.<br />
Übertragen auf <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> bedeutet das Gesetz, dass der<br />
<strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> von der Komplexität der logistischen<br />
Aufgabenstellung abhängt. <strong>Die</strong> Komplexität beschreibt dabei die möglichen<br />
Zustände, die e<strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-Netzwerk <strong>an</strong>nehmen k<strong>an</strong>n. Je mehr Zustände<br />
berücksichtigt werden müssen desto höher die Komplexität der Aufgabenstellung.<br />
326 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Avatar_(Internet), Zugriff am 07.10.2005.<br />
327 ASHBY (1956).<br />
328 CONANT/ASHBY (1981).<br />
329 ASHBY (1956).<br />
137
138<br />
Kapitel 5<br />
Auf der <strong>an</strong>deren Seite k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> Informationssystem e<strong>in</strong>en bestimmten <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> erzeugen. Hier gilt, je höher die <strong>Visibilität</strong> desto mehr Zustände können<br />
aufgenommen werden und desto genauer wird die Realität abgebildet. Zwischen<br />
der benötigten <strong>Visibilität</strong> für die logistische Aufgabenstellung und der erzielbaren<br />
<strong>Visibilität</strong> des Informationssystems muss aus diesem Grund e<strong>in</strong> Fit hergestellt<br />
werden (vgl. Abbildung 22).<br />
Aufgabenstellung im<br />
<strong>Logistik</strong>-Netzwerk<br />
Benötigte<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
FIT<br />
Erzielbare<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 22: Fit zwischen benötigter und erzielbarer <strong>Visibilität</strong><br />
Informationssystem<br />
In der Wissenschaft gibt es erste Untersuchungen, welche den E<strong>in</strong>satz von<br />
<strong>in</strong>novativen Identifikationstechnologien im Zusammenh<strong>an</strong>g mit komplexen oder<br />
weniger komplexen Aufgabenstellungen sehen. Das Auto-ID Center hat den<br />
Bericht The Intelligent Product Driven Supply Cha<strong>in</strong> 330 veröffentlicht, der als e<strong>in</strong><br />
Ergebnis festhält, dass sich RFID gerade <strong>in</strong> komplexen Lieferketten mit<br />
komplexen Produkten lohnt.<br />
<strong>Die</strong> Diskussion konzentriert sich zunächst auf den <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>, den<br />
unterschiedliche Informationssysteme abbilden können. Anschließend geht es um<br />
die Komplexität von logistischen Aufgabenstellungen und um die notwendige<br />
<strong>Visibilität</strong> für deren Erfüllung.<br />
5.2.1 Erzielbare <strong>Visibilität</strong>sgrade von Informationssystemen<br />
Informationssysteme erfassen die realen Begebenheiten <strong>in</strong> der physischen Welt<br />
und erzeugen dadurch <strong>Visibilität</strong>. Anwender nutzten diese <strong>Visibilität</strong> zur<br />
Bewältigung von logistischen Aufgabenstellungen. <strong>Die</strong> Konfiguration des<br />
Gesamtsystems entscheidet darüber, wie hoch die Komplexität e<strong>in</strong>er logistischen<br />
Problemstellung se<strong>in</strong> darf, welche das System unterstützen k<strong>an</strong>n. Allerd<strong>in</strong>gs ist der<br />
<strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>, den das Gesamtsystem aufnehmen k<strong>an</strong>n, niemals höher als der<br />
<strong>Grad</strong>, der durch die e<strong>in</strong>gesetzte Datenerfassungstechnologie erhoben wird. <strong>Die</strong><br />
Datenerfassungstechnologie bildet e<strong>in</strong>e Obergrenze.<br />
330 ZAHARUDIN et al. (2002).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Deshalb soll untersucht werden, wie RFID im Vergleich zum Barcode und zu GPS<br />
<strong>Visibilität</strong> erzeugen k<strong>an</strong>n. Tabelle 11 zeigt wie sich RFID und Barcode <strong>in</strong> Bezug<br />
auf die Datengr<strong>an</strong>ularität unterscheiden.<br />
Zeitliche/örtliche<br />
Gr<strong>an</strong>ularität<br />
Barcode im Vergleich zu RFID<br />
139<br />
Für beide Technologien s<strong>in</strong>d sowohl H<strong>an</strong>dlesegeräte als<br />
auch feste Lesestationen denkbar. Vorteile besitzt RFID,<br />
weil das zu lesende Objekt nicht auf das Lesegerät h<strong>in</strong><br />
ausgerichtet werden muss, sodass mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen<br />
Aufw<strong>an</strong>d mehre Orte ausgelesen werden können.<br />
Außerdem ermöglicht RFID die Pulkauslesung.<br />
Datenreichhaltigkeit Auf e<strong>in</strong>em RFID-Tag können mehr Daten als auf e<strong>in</strong>em<br />
Ladungsträger<br />
Gr<strong>an</strong>ularität<br />
Barcode gespeichert werden. Außerdem können RFID-<br />
Tags direkt <strong>an</strong> Sensoren <strong>an</strong>gebunden werden.<br />
Mit beiden Technologien können sowohl sehr kle<strong>in</strong>e<br />
Produkte gekennzeichnet werden, als auch große<br />
Ladungsträger, wie Conta<strong>in</strong>er.<br />
Objektabdeckung Mit Barcode und RFID k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e Auswahl von<br />
Objekten oder es können alle Objekte gekennzeichnet<br />
werden.<br />
Tabelle 11: Unterschiedliche Datengr<strong>an</strong>ularität bei Barcode und RFID<br />
In den Punkten zeitliche/örtliche Gr<strong>an</strong>ularität und Datenreichhaltigkeit fällt es<br />
RFID leichter, e<strong>in</strong>en höheren <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> zu erzeugen. Interess<strong>an</strong>t wird die<br />
Diskussion <strong>in</strong> Bezug auf die Datenqualität, also die Lesequalität der beiden<br />
Erfassungstechnologien. Durch entsprechende Prüfziffern beim Barcode und bei<br />
RFID s<strong>in</strong>d falsch erfasste Daten bei beiden Technologien auszuschließen. <strong>Der</strong><br />
wichtige Punkt ist die Leserate, also die Frage, ob e<strong>in</strong> RFID-Tag oder Barcode<br />
vom Lesegerät erfasst wurde oder nicht. Hier büsst RFID e<strong>in</strong> Teil se<strong>in</strong>es<br />
Vorsprungs gegenüber dem Barcode e<strong>in</strong>, denn gerade die Pulkauslesung k<strong>an</strong>n aus<br />
technischen Gründen noch nicht für alle Konstellationen und Produkte gar<strong>an</strong>tiert<br />
werden. Auf der <strong>an</strong>deren Seite k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e Fehlausrichtung oder e<strong>in</strong>e<br />
Verschmutzung verh<strong>in</strong>dern, dass e<strong>in</strong> Barcode korrekt ausgelesen wird. <strong>Die</strong>s ist<br />
wiederum bei RFID nicht der Fall.
140<br />
Kapitel 5<br />
Beim Vergleich von GPS und RFID wird schnell klar, dass beide Technologien<br />
eher komplementär als konkurrierend zu sehen s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> zeitliche/örtliche<br />
Gr<strong>an</strong>ularität, die von GPS erzeugt wird, wenn damit e<strong>in</strong> LKW auf der Fahrtstrecke<br />
vom Distributionszentrum zur Filiale verfolgt wird, ist mit RFID alle<strong>in</strong>e nicht<br />
darstellbar. Auf der <strong>an</strong>deren Seite funktioniert GPS nicht <strong>in</strong> geschlossenen<br />
Räumen, sodass der <strong>Visibilität</strong>sgrad <strong>in</strong> dem Fall nicht messbar ist.<br />
Zusammenfassend soll bemerkt werden, dass die logistischen Aufgaben, die für<br />
e<strong>in</strong>e RFID-Lösung <strong>in</strong> Frage kommen eher komplexerer Natur seien müssen, weil<br />
nur d<strong>an</strong>n die Überlegenheit gegenüber dem Barcode ausgespielt werden k<strong>an</strong>n.<br />
Andererseits geht es weniger um Anwendungen, bei denen größere Ladungsträger<br />
wie Conta<strong>in</strong>er auf weiten offenen Strecken verfolgt werden. Hier eignet sich GPS<br />
besser.<br />
5.2.2 Benötigte <strong>Visibilität</strong> für logistische Aufgabenstellungen<br />
<strong>Die</strong> Komplexität von logistischen Aufgabenstellungen hängt von der<br />
Beschaffenheit des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks ab, <strong>in</strong> dem die Aufgabe erfüllt wird. E<strong>in</strong><br />
Tr<strong>an</strong>sfer der theoretischen Grundlagen zeigt dabei, dass es nicht möglich ist, e<strong>in</strong><br />
benötigtes <strong>Visibilität</strong>sniveau e<strong>in</strong>deutig zu def<strong>in</strong>ieren. Das Law of requisite Variety<br />
setzt Komplexität mit Vari<strong>an</strong>tenreichtum gleich. In der <strong>Logistik</strong> entsteht<br />
Vari<strong>an</strong>tenvielfalt u. a. durch unterschiedliche Produkte und Vari<strong>an</strong>ten, durch<br />
wechselnde Liefer<strong>an</strong>ten und Distributionsk<strong>an</strong>äle. H<strong>in</strong>zukommen <strong>in</strong>dividuelle<br />
Leistungs<strong>an</strong>forderungen wie Servicegrad und Lieferkosten. Außerdem ist das<br />
System von Unsicherheiten gekennzeichnet, die z. B. durch spont<strong>an</strong>e<br />
Kundenreaktionen und äußere Störungen wie Verkehrsstaus entstehen. <strong>Die</strong><br />
vielschichtigen Dimensionen, welche die Komplexität <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong> erhöhen,<br />
lassen sich nicht auf e<strong>in</strong> abzählbares Maß der Vari<strong>an</strong>tenvielfalt reduzieren.<br />
Deshalb werden <strong>an</strong> dieser Stelle die Treiber von Komplexität im Detail untersucht.<br />
<strong>Der</strong> wichtigste Treiber ist das Anwendungskonzept, das über die Zielsetzung und<br />
Art der Aufgabenstellung Aufschluss gibt:<br />
Anwendungskonzept<br />
<strong>Der</strong> verl<strong>an</strong>gte <strong>Visibilität</strong>sgrad ist entscheidend von dem Konzept abhängig, mit<br />
dem die Aufgabenstellung erfüllt werden soll. Es macht e<strong>in</strong>en Unterschied, ob die<br />
erzielte <strong>Visibilität</strong> dazu dient, e<strong>in</strong>e Inventory Control, Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g (T&T)<br />
oder Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement (SCEM) Anwendung zu unterstützen.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist es nicht möglich die Anwendungen <strong>in</strong> Bezug auf ihre<br />
<strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>forderungen hierarchisch zu sortieren. Es lassen sich lediglich<br />
Tendenzen aufzeigen:<br />
• <strong>Die</strong> Abbildung von Warenbeständen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lager (Inventory Control)<br />
verl<strong>an</strong>gt generell eher e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere <strong>Visibilität</strong>. Es h<strong>an</strong>delt sich nur um<br />
jeweils e<strong>in</strong>en Stellplatz und es ist wichtiger zu wissen, wie viel Stück e<strong>in</strong>es<br />
Artikels auf Lager s<strong>in</strong>d als zu wissen, welche e<strong>in</strong>zelnen Inst<strong>an</strong>zen.<br />
• Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g ist bereits aufwendiger. <strong>Die</strong> Sendungen werden <strong>an</strong><br />
mehreren Orten entl<strong>an</strong>g der gesamten Lieferkette erfasst. Dazu erhält jede<br />
Sendung ihre eigene Kennung.<br />
• Wird e<strong>in</strong>e Anwendung durch e<strong>in</strong> höherwertiges Konzept erweitert, d<strong>an</strong>n ist<br />
e<strong>in</strong> höherer <strong>Visibilität</strong>sgrad nicht zw<strong>in</strong>gend erforderlich. <strong>Die</strong>s zeigt<br />
beispielsweise e<strong>in</strong> Vergleich zwischen SCEM und T&T. Bei SCEM ist<br />
entscheidend, dass die Ist- und Soll-Zeiten gut aufe<strong>in</strong><strong>an</strong>der abgestimmt s<strong>in</strong>d<br />
und dass e<strong>in</strong>geleitete Events vom System bearbeitet werden können.<br />
• Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement ist e<strong>in</strong>e Anwendung, die auf T&T aufbaut und<br />
zw<strong>in</strong>gend zusätzliche <strong>Visibilität</strong> verl<strong>an</strong>gt. Neben der Information über den<br />
Aufenthaltsort e<strong>in</strong>er Sendung muss die Datenreichhaltigkeit erhöht werden,<br />
konkret gilt es die Umgebungstemperatur festzuhalten.<br />
Neben der Art der Aufgabenstellung treiben weitere Faktoren den benötigten <strong>Grad</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>:<br />
Gesetzgeber/Kunden/Liefer<strong>an</strong>ten<br />
Äußere Bezugsgruppen können von e<strong>in</strong>em Unternehmen verl<strong>an</strong>gen, dass sie e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten <strong>Visibilität</strong>sgrad im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk erreichen. E<strong>in</strong>e wichtige<br />
Bezugsgruppe ist der Gesetzgeber. Im Falle von <strong>Visibilität</strong> wird erneut die EU-<br />
Verordnung 178/2002 als Beispiel her<strong>an</strong>gezogen, welche e<strong>in</strong>e Rückverfolgbarkeit<br />
von Lebensmitteln über alle Wertschöpfungsstufen h<strong>in</strong>weg verl<strong>an</strong>gt. Das<br />
Kundenbeispiel ist die Metro AG, wobei zwischen <strong>Visibilität</strong> und RFID genau<br />
unterschieden wird. In der Phase 0 des RFID-Roll-out müssen die Metro-<br />
Liefer<strong>an</strong>ten zunächst durch NVE und DESADV für ihren Kunden e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten <strong>Visibilität</strong>sgrad <strong>an</strong>bieten. In Phase 1 verl<strong>an</strong>gt das<br />
H<strong>an</strong>delsunternehmen bei gleichem <strong>Visibilität</strong>sgrad den E<strong>in</strong>satz von RFID.<br />
141
142<br />
Kapitel 5<br />
<strong>Der</strong> Kundendruck k<strong>an</strong>n aber auch <strong>in</strong>direkt ausgeübt werden. So verl<strong>an</strong>gen viele<br />
Industriekunden heute, dass ihre <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister e<strong>in</strong> T&T-System <strong>an</strong>bieten.<br />
<strong>Der</strong> Kunde bezahlt dafür ke<strong>in</strong> preisliches Premium, aber es wäre suspekt, wenn<br />
der <strong>Die</strong>nstleister „nicht <strong>in</strong> der Lage wäre“, e<strong>in</strong> entsprechendes Angebot zu<br />
machen. Ohnedies verl<strong>an</strong>gen die Kunden hohe Servicelevels, deren E<strong>in</strong>haltung<br />
nur durch <strong>Visibilität</strong> nachgewiesen werden k<strong>an</strong>n.<br />
E<strong>in</strong>e Situation, bei der e<strong>in</strong> Unternehmen von se<strong>in</strong>en Liefer<strong>an</strong>ten aufgefordert wird,<br />
e<strong>in</strong>en bestimmten <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> e<strong>in</strong>zuhalten, ist vor allem d<strong>an</strong>n denkbar,<br />
wenn verderbliche Ware das <strong>Logistik</strong>-Netzwerk passieren muss. E<strong>in</strong> Hersteller<br />
von tiefgekühlten Sahnetorten hat beispielsweise e<strong>in</strong> großes Interesse dar<strong>an</strong>, dass<br />
der Endverbraucher nur solche Torten verzehrt, die <strong>in</strong> Tr<strong>an</strong>sport und Lagerung<br />
nicht durch Temperaturschw<strong>an</strong>kungen beschädigt wurden. Ansonsten erleidet er<br />
e<strong>in</strong>en großen Imageverlust. 331 In dieser Konstellation ist es zielführend, wenn der<br />
Liefer<strong>an</strong>t se<strong>in</strong>e H<strong>an</strong>delspartner motiviert, die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der Kette bis zum<br />
Endverbraucher sichtbar zu machen.<br />
Produkte<br />
<strong>Der</strong> letztgen<strong>an</strong>nte Punkt, Liefer<strong>an</strong>t als Komplexitätstreiber, schafft e<strong>in</strong>en guten<br />
Überg<strong>an</strong>g zum Produkt als Treiber. Verderbliche Ware wie Lebensmittel erhöhen<br />
die Komplexität der logistischen Aufgabenstellung und verl<strong>an</strong>gen nach mehr<br />
<strong>Visibilität</strong>. <strong>Die</strong> Mark<strong>an</strong>t AG, die sich selber als H<strong>an</strong>delskooperation versteht und<br />
die im Groß- und E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del sowie im Vermittelungsgeschäft tätig ist, hat<br />
beispielsweise e<strong>in</strong>en RFID-Piloten zum Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement gestartet. <strong>Der</strong><br />
Pilot überwacht die Lieferung von Speiseeis von der Produktion bis zur<br />
Verkaufsauslage. 332<br />
Schwundgefährdete Produkte verl<strong>an</strong>gen ebenfalls nach mehr <strong>Visibilität</strong>. Das<br />
Unternehmen Otto hat se<strong>in</strong>en RFID-Piloten im „Schmuckkäfig“ <strong>in</strong> Hamburg<br />
gestartet und zeichnet nur Elektronikartikel wie Mobiltelefone und Kameras mit<br />
RFID aus, weil sich die höhere <strong>Visibilität</strong> durch e<strong>in</strong>e Verm<strong>in</strong>derung des Schwunds<br />
schneller bezahlt macht. Häufig haben die schwundgefährdeten Produkte e<strong>in</strong>en<br />
höheren Wert als das übrige Produktportfolio, das von dem <strong>Logistik</strong>-Netzwerk<br />
331 Vgl. Quick Frozen Foods International, Meldung vom 01.04.2003: Germ<strong>an</strong> frozen cake maker<br />
exonerated <strong>in</strong> case of freak death.<br />
332 BÄHR (2004).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
bedient wird. <strong>Die</strong>s muss allerd<strong>in</strong>gs nicht immer der Fall se<strong>in</strong>. So ist das<br />
Unternehmen Gillette sehr stark <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er erhöhten <strong>Visibilität</strong> für se<strong>in</strong>e<br />
Rasierkl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>teressiert. Rasierkl<strong>in</strong>gen zählen nicht zu den teuersten Produkten<br />
im E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>del. Dafür werden sie sehr häufig gestohlen.<br />
Produkte, die e<strong>in</strong>er großen Fälschungsgefahr ausgesetzt s<strong>in</strong>d, steigern die<br />
Komplexität der Aufgabenstellung. E<strong>in</strong> häufig gen<strong>an</strong>ntes Beispiel ist die<br />
pharmazeutische Industrie, welche durch Fälschungen von Arzneimitteln hohe<br />
Verluste erleidet. Durch <strong>Visibilität</strong> k<strong>an</strong>n nachgewiesen werden, wie e<strong>in</strong><br />
gefälschtes Produkt <strong>in</strong> das Distributionssystem gel<strong>an</strong>gen konnte.<br />
E<strong>in</strong> hoher Deckungsbeitrag von zu verfolgenden Produkten ist e<strong>in</strong> Argument für<br />
mehr <strong>Visibilität</strong>. <strong>Die</strong> Projektver<strong>an</strong>twortlichen bei Otto argumentieren auf diese<br />
Weise und stellen heraus, dass hohe Deckungsbeiträge notwendig s<strong>in</strong>d, um die<br />
Kosten für die e<strong>in</strong>gesetzten RFID-Etiketten zu decken. Allerd<strong>in</strong>gs ist<br />
Kostendeckung nur e<strong>in</strong> notwendiges und ke<strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichendes Argument für mehr<br />
<strong>Visibilität</strong>. Produkte mit e<strong>in</strong>em hohen Deckungsbeitrag besitzen häufig auch e<strong>in</strong>en<br />
hohen Wert und s<strong>in</strong>d deshalb schwund- oder auch fälschungsgefährdet. Im<br />
E<strong>in</strong>zelfall gilt es immer den eigentlichen Komplexitätstreiber zu f<strong>in</strong>den.<br />
Prozessunsicherheit<br />
Ungeführte Prozesse, die nicht durch Automatisierungstechnologie wie<br />
Förderbänder etc. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er festen Bahn ablaufen, s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>fälliger für Fehler und<br />
stellen deshalb höhere Anforderungen <strong>an</strong> das M<strong>an</strong>agement. <strong>Die</strong> Ver<strong>an</strong>twortlichen<br />
brauchen <strong>Visibilität</strong>, weil der korrekte Fluss der Waren <strong>in</strong> m<strong>an</strong>uellen Abläufen<br />
schwerer sicherzustellen ist. Beispielsweise s<strong>in</strong>d die Prozessabläufe <strong>in</strong> der<br />
Produktionslogistik bei Inf<strong>in</strong>eon wenig automatisiert. Wegen der vielen<br />
Produktvari<strong>an</strong>ten und der sich ständig ändernden Produktionsverfahren macht e<strong>in</strong>e<br />
„harte“ Automatisierung des Materialflusses auch wenig S<strong>in</strong>n. Im Gegenzug<br />
erhöht das Unternehmen die <strong>Visibilität</strong> durch den E<strong>in</strong>satz von RFID und<br />
Ultraschall. Dadurch werden die e<strong>in</strong>zelnen Waferboxen virtuell durch den<br />
Re<strong>in</strong>raum geführt („Smart Automation“).<br />
E<strong>in</strong> Gegenbeispiel bietet der oben beschriebene Fall des Metro-Liefer<strong>an</strong>ten, der<br />
se<strong>in</strong>e <strong>Logistik</strong>-Prozesse sehr stark automatisiert hat. Das Unternehmen<br />
kommissioniert weitestgehend masch<strong>in</strong>ell oder nach dem Pick-by-Light-<br />
Verfahren. <strong>Die</strong> Touren ab den Depots werden bereits im Distributionszentrum<br />
zusammengestellt und Anlieferungen werden teilweise vollautomatisch entladen<br />
143
144<br />
Kapitel 5<br />
und <strong>in</strong>s Hochregallager e<strong>in</strong>gelagert. Nach eigenen Angaben braucht das<br />
Unternehmen ke<strong>in</strong>e zusätzliche <strong>Visibilität</strong>, da die Materialflussautomatik ohneh<strong>in</strong><br />
aufzeichnet, wo sich welche Produkte bef<strong>in</strong>den. <strong>Der</strong> erzielte <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist<br />
bereits recht hoch.<br />
<strong>Die</strong> Gefahr, dass äußere Störungen das <strong>Logistik</strong>-Netzwerk beh<strong>in</strong>dern, erhöht die<br />
Komplexität der logistischen Problemstellung. E<strong>in</strong> drastisches Beispiel ist die<br />
<strong>Logistik</strong> des DoD, um den Nachschub <strong>in</strong> Krisengebieten zu sichern. Wenn die<br />
Gefahr besteht, dass Teile des Netzwerks durch fe<strong>in</strong>dliche Aktionen verloren<br />
gehen können, erhöht dies die Anforderungen im <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement. Aus dem<br />
Grund hat das DoD se<strong>in</strong>e <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendungen so aufgebaut, dass die<br />
entscheidungsrelev<strong>an</strong>ten Informationen auf unterschiedlichen Ebenen, lokal,<br />
regional und global, vorgehalten werden. Aus dem zivilen Bereich s<strong>in</strong>d die<br />
Beispiele weniger drastisch, aber e<strong>in</strong> Unternehmen, das regelmäßige Tr<strong>an</strong>sporte<br />
durch den Gotthard-Tunnel durchführt, wird mehr <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong>teressiert se<strong>in</strong>,<br />
als e<strong>in</strong> Unternehmen, dessen typische Tr<strong>an</strong>sportverb<strong>in</strong>dungen nicht staugefährdet<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Rückzuführende Ladungsträger<br />
E<strong>in</strong>e logistische Aufgabenstellung ist komplexer, wenn neben dem Warenfluss<br />
auch e<strong>in</strong> Behälterfluss zu m<strong>an</strong>agen ist. So hat die Volkswagen AG beispielsweise<br />
e<strong>in</strong>e Pilot<strong>an</strong>wendung aufgebaut, die teure Spezialgestelle verfolgt, welche für den<br />
Tr<strong>an</strong>sport von Pressteilen zum E<strong>in</strong>satz kommen. <strong>Der</strong> Ladungsträgerumlauf<br />
verläuft von drei europäischen Fertigungsst<strong>an</strong>dorten zum Montagewerk <strong>in</strong><br />
Wolfsburg und retour. <strong>Die</strong> erhöhte <strong>Visibilität</strong> macht den E<strong>in</strong>satz der Gestelle<br />
flexibler und verm<strong>in</strong>dert Suchvorgänge, Fehlsendung und Schwund. 333<br />
Auch am Kühne-Institut für <strong>Logistik</strong> läuft seit Mitte 2005 e<strong>in</strong>e Studie zum RFID-<br />
gestützten Behälterm<strong>an</strong>agement. Abgesehen von der erhöhten <strong>Visibilität</strong>s-<br />
<strong>an</strong>forderung durch den rückzuführenden Behälterfluss, s<strong>in</strong>d entsprechende<br />
Pilotversuche für RFID attraktiv, weil die Kosten für die Tr<strong>an</strong>sponder durch ihre<br />
Wiederverwendung erheblich gesenkt werden können.<br />
333 STRASSNER (2005) S. 157ff.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Anwendungskonzept<br />
<strong>Visibilität</strong>streiber für<br />
logistische Aufgabenstellung<br />
Umfeld<br />
Gesetzgeber<br />
Kunden<br />
Liefer<strong>an</strong>ten<br />
Produktcharakteristika<br />
Verderblichkeit<br />
Schwundgefahr<br />
Fälschungsgefahr<br />
Hoher<br />
Deckungsbeitrag<br />
Prozesscharakteristika<br />
Prozessunsicherheit<br />
Abbildung 23: <strong>Visibilität</strong>streiber für logistische Aufgabenstellungen<br />
Rückzuführende<br />
Ladungsträger<br />
Abbildung 23 fasst die Treiber für e<strong>in</strong>e höhere <strong>Visibilität</strong> zur Lösung von<br />
logistischen Aufgabenstellungen zusammen. Es k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e Reihe von Beispielen<br />
gen<strong>an</strong>nt werden, bei denen die benötigte <strong>Visibilität</strong> vor allem von e<strong>in</strong>em Treiber<br />
abhängt. Beispielsweise k<strong>an</strong>n die Situation e<strong>in</strong>treten, dass Liefer<strong>an</strong>ten des DoD<br />
ihre <strong>Visibilität</strong> nicht durch RFID erhöhen wollen, trotzdem müssen sie<br />
„compli<strong>an</strong>t“ werden, um im Geschäft zu bleiben. Ebenso ist es beim Gillette-<br />
Beispiel so, dass alle<strong>in</strong>e die Schwundgefahr für e<strong>in</strong>e größere <strong>Visibilität</strong>snachfrage<br />
sorgt. Bei den <strong>an</strong>deren Kriterien liegen die Werte auf e<strong>in</strong>em vergleichbaren<br />
Niveau wie verw<strong>an</strong>dte Kosmetikprodukte, wie etwa Shampoo oder Seife. Auch<br />
die Beispiele aus dem Empiriekapitel „<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis“<br />
werden im H<strong>in</strong>blick auf <strong>Visibilität</strong>streiber untersucht (siehe Tabelle 12).<br />
Kosumgüterbr<strong>an</strong>che<br />
(Kap. 4.1)<br />
Wie wirken sich allgeme<strong>in</strong>e Charakteristika des <strong>Logistik</strong>- Netzwerks auf den<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad aus?<br />
• Gesetzgeber: Gestiegene Ansprüche <strong>an</strong> die Lebensmittelsicherheit verl<strong>an</strong>gen nach<br />
höherer <strong>Visibilität</strong><br />
• Liefer<strong>an</strong>ten: Hersteller von verderblichen Waren wie Tiefkühlprodukten brauchen<br />
beispielsweise <strong>Visibilität</strong> bis zum Po<strong>in</strong>t-of-Sale, um Qualitätsversprechen gegenüber<br />
den Endkunden e<strong>in</strong>zuhalten<br />
• Verderbliche Waren: Das H<strong>an</strong>delsunternehmen Mark<strong>an</strong>t hat e<strong>in</strong>en Piloten zum Cool<br />
Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement für Tiefkühprodukte aufgesetzt und verbessert dadurch die<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
145
146<br />
<strong>Logistik</strong>dienstleister<br />
(Kap. 4.1)<br />
Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
(Kap. 4.1)<br />
Metro<br />
(Kap. 4.3)<br />
Metro-<br />
Liefer<strong>an</strong>t<br />
(Kap. 4.4)<br />
Otto<br />
(Kap. 4.5)<br />
Department of<br />
Defense<br />
(Kap. 4.6)<br />
Inf<strong>in</strong>eon<br />
(Kap. 4.7)<br />
Kapitel 5<br />
• Umfeld: <strong>Die</strong> Netzwerk-Charakteristika des <strong>Die</strong>nstleisters werden im Pr<strong>in</strong>zip durch die<br />
M<strong>an</strong>d<strong>an</strong>ten vorgegeben. <strong>Die</strong> M<strong>an</strong>d<strong>an</strong>ten müssen den <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>forderungen von<br />
Gesetzgebern, Kunden und Liefer<strong>an</strong>ten gerecht werden. Ihre Fracht weist bestimmte<br />
Charakteristika auf. <strong>Die</strong> M<strong>an</strong>d<strong>an</strong>ten verl<strong>an</strong>gen etwaige Rückführungen von<br />
Ladungsträgern und bestimmen das Anwendungskonzept<br />
• Gesetzgeber: <strong>Die</strong> Rückverfolgbarkeit von Arzneimitteln k<strong>an</strong>n nur durch <strong>Visibilität</strong><br />
sichergestellt werden<br />
• Fälschungssicherheit: <strong>Die</strong> Pharma<strong>in</strong>dustrie erleidet durch den Verkauf von gefälschten<br />
Produkten grosse Verluste<br />
• Prozessunsicherheit: <strong>Die</strong> heterogene Supply Cha<strong>in</strong> Struktur Richtung Patient verl<strong>an</strong>gt<br />
nach mehr <strong>Visibilität</strong>, um fehlende e<strong>in</strong>heitliche Prozessst<strong>an</strong>dards auszugleichen<br />
• Kunde: Im RFID Roll-out müssen die Liefer<strong>an</strong>ten von Metro die <strong>Visibilität</strong><br />
gewährleisten, die Metro als Kunde verl<strong>an</strong>gt<br />
• Prozessunsicherheit: <strong>Der</strong> untersuchte Metro-Liefer<strong>an</strong>t hat sehr stark automatisierte und<br />
sichere Prozesse, weshalb er sich von e<strong>in</strong>er weiteren Erhöhung der <strong>Visibilität</strong> nur<br />
e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Vorteil verspricht<br />
• Schwundgefahr: Otto zeichnet vorerst nur hochwertige Produkte aus, weil e<strong>in</strong>e<br />
Reduktion von Sendungsverlusten wegen des hohen Deckungsbeitrags hier schneller<br />
zu e<strong>in</strong>em Return-on-Investment führt<br />
• Prozessunsicherheit: <strong>Die</strong> große Prozessunsicherheit e<strong>in</strong>es Vers<strong>an</strong>dhändlers s<strong>in</strong>d<br />
Retouren. RFID vere<strong>in</strong>facht diesen Prozess<br />
• Rückzuführende Ladungsträger: Das DoD hat zunächst Conta<strong>in</strong>er und weitere<br />
wiederverwendbare Ladungsträger mit aktiven RFID ausgestattet. Durch „Soft-L<strong>in</strong>ks“<br />
entsteht gleichzeitig <strong>Visibilität</strong> über die versendeten Materialen und wegen des<br />
geschlossenen Kreislaufs machen sich Investitionen schneller bezahlt<br />
• Kunde: Im RFID Roll-out müssen die Liefer<strong>an</strong>ten des DoD die <strong>Visibilität</strong><br />
gewährleisten, welche das DoD als Kunde verl<strong>an</strong>gt<br />
• Anwendungskonzept: <strong>Die</strong> Zielsetzung der RFID-Anwendung bei Inf<strong>in</strong>eon ist Smart<br />
Automation, d. h. die Produktionslote werden virtuell durch den Re<strong>in</strong>raum geführt.<br />
Smart Automation fordert e<strong>in</strong> hohes Mass <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
• Prozessunsicherheit: <strong>Die</strong> vielen m<strong>an</strong>uellen Arbeitsschritte bei Inf<strong>in</strong>eon erhöhen die<br />
Prozessunsicherheit. <strong>Die</strong> Unsicherheit wird durch e<strong>in</strong>e höhere <strong>Visibilität</strong> ausgeglichen<br />
Tabelle 12: Empirische Belege auf der strategischen Ebene<br />
5.2.3 Problem- und technologie<strong>in</strong>itiierte Innovationen<br />
Das Law of requisite Variety gibt vor, dass zwischen der logistischen<br />
Aufgabenstellung und dem e<strong>in</strong>gesetzten Informationssystem e<strong>in</strong> Fit bestehen<br />
muss. <strong>Die</strong> geforderte <strong>Visibilität</strong> der Aufgabenstellung darf die erzielbare<br />
<strong>Visibilität</strong> des Systems nicht übersteigen. In e<strong>in</strong>em dynamischen Umfeld gerät<br />
dieser Fit leicht aus dem Lot und muss neu justiert werden, wodurch Innovationen<br />
entstehen. <strong>Die</strong>se Innovationen können problem- oder technologie<strong>in</strong>itiiert se<strong>in</strong><br />
(siehe Abbildung 24).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Problem<strong>in</strong>itiierte Innovation<br />
benötigt<br />
setzt voraus<br />
Logistische<br />
Aufgabenstellung<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
Technologie<br />
ermöglicht neue<br />
ermöglicht neue<br />
Abbildung 24: Problem- und technologie<strong>in</strong>itiierte Innovation 334<br />
Als Beispiel für problem<strong>in</strong>itiierte Innovationen k<strong>an</strong>n erneut Gillette mit den<br />
schwundgefährdeten Rasierkl<strong>in</strong>gen gen<strong>an</strong>nt werden. In diesem Fall steht das<br />
Problem im Mittelpunkt: Verluste durch entwendete Rasierkl<strong>in</strong>gen. <strong>Die</strong>se<br />
Problemstellung lässt viele Lösungen zu. Neben der Möglichkeit, dass<br />
Rasierkl<strong>in</strong>gen mit RFID ausgestattet werden, ist es <strong>in</strong> vielen Läden üblich, dass im<br />
Verkaufsraum nur leere Packungen aushängen und die Kunden ihre Kl<strong>in</strong>gen erst<br />
<strong>an</strong> der Kasse ausgehändigt bekommen. Beide Innovationen werden durch die<br />
Problemstellung <strong>in</strong>itiiert.<br />
Als Beispiel für technologie<strong>in</strong>itiierte Innovationen k<strong>an</strong>n die vorgestellte<br />
Anwendung bei Inf<strong>in</strong>eon her<strong>an</strong>gezogen werden. Durch die Komb<strong>in</strong>ation von<br />
RFID und Ultraschall konnte die Waferproduktion „smart“ automatisiert werden.<br />
Von e<strong>in</strong>em zentralen System werden die Waferboxen virtuell durch die<br />
Produktion geführt. Andere Technologien wie Datenerfassung per Tastatur oder<br />
Barcode erreichen für „Smart Automation“ nicht e<strong>in</strong>en ausreichenden <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong>. Erst die Existenz der neuen Technologie hat die Erweiterung der<br />
logistischen Aufgabenstellung <strong>in</strong>itiiert.<br />
E<strong>in</strong>fluss von Netzwerk-Effekten<br />
Während die Anwendung von Kybernetik und dem Law of requisite Variety für<br />
<strong>Visibilität</strong> passend ist, drängt sich e<strong>in</strong>e <strong>an</strong>dere Theorie <strong>in</strong> den Vordergrund, wenn<br />
es ausschließlich um die Technologie RFID geht. <strong>Die</strong> passive RFID-Technologie<br />
334 In Anlehnung <strong>an</strong> FLEISCH/CHRIST/DIERKES (2005) S. 18.<br />
Technologie<strong>in</strong>itiierte Innovation<br />
147
148<br />
Kapitel 5<br />
für offene, unternehmensübergreifende Anwendungen wird sich nur durchsetzen,<br />
wenn sich e<strong>in</strong> St<strong>an</strong>dard etabliert und e<strong>in</strong>e kritische Masse erzeugt werden k<strong>an</strong>n.<br />
Sie unterliegt den Gesetzen der Netzwerk-Ökonomie. 335 E<strong>in</strong> Grundverständnis<br />
dieser Theorie hilft Entscheidungsträgern bei der Bewertung von<br />
E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten.<br />
5.3 Operative Sichtweise<br />
<strong>Die</strong> Diskussion auf der operativen Ebene baut auf den Betrachtungen der<br />
strategischen und normativen Ebene auf. Dabei wird die Diskussion vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergrund geführt, dass sich die Unternehmensführung grundsätzlich für e<strong>in</strong>e<br />
Verbesserung der <strong>Visibilität</strong>, eventuell auch mit e<strong>in</strong>er neuen Technologie,<br />
ausgesprochen hat und dass e<strong>in</strong> Teilbereich des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks bereits<br />
ausgewählt wurde, <strong>in</strong> dem die Anwendung entstehen soll. Es geht allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />
um Pilot-Anwendungen, die durch Lerneffekte <strong>in</strong> der Org<strong>an</strong>isation legitimiert<br />
werden, auch nicht um Anwendungen, die durch äußeren Druck (z. B. Kunden)<br />
umgesetzt werden müssen oder um Vorzeigeprojekte, die sich durch begleitende<br />
PR-Maßnahmen selbst f<strong>in</strong><strong>an</strong>zieren. Letztendlich geht es darum e<strong>in</strong>en Bus<strong>in</strong>ess<br />
Case zu rechnen, auf dessen Basis e<strong>in</strong> Projekt durchgeführt wird oder auch nicht.<br />
Das <strong>Visibilität</strong>smodell hilft bei der e<strong>in</strong>leitenden Analyse und erleichtert die<br />
Bewertung der e<strong>in</strong>gesetzten Technologie.<br />
<strong>Die</strong> Be<strong>an</strong>twortung der Forschungsfrage basiert auf der operativen Ebene auf<br />
e<strong>in</strong>em Kostenmodell, welches die vom <strong>Visibilität</strong>sgrad abhängigen Kosten<br />
beschreibt und e<strong>in</strong>ordnet.<br />
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist d<strong>an</strong>n erreicht, wenn e<strong>in</strong>e weitere<br />
Steigerung des <strong>Visibilität</strong>sgrades mehr Kosten erzeugt, als dass sie Kosten<br />
e<strong>in</strong>spart.<br />
Das Kostenmodell zum <strong>an</strong>gemessen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>in</strong> Abbildung 25<br />
aufgezeichnet.<br />
335 Vgl. HOFMANN (2001) und ZERDICK (2001).
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Kosten<br />
VGO VGO VGO Aggregierte<br />
Kosten<br />
Positiv<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
Negativ<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 25: Operatives Erklärungsmodell zum <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
Wegen des re<strong>in</strong>en Kostenvergleichs ist es legitim, von e<strong>in</strong>em optimalen <strong>Grad</strong> zu<br />
sprechen. <strong>Der</strong> optimale <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> VG O ist demnach <strong>an</strong> der Stelle, wo die<br />
Summe von negativ und positiv korrelierten Kosten m<strong>in</strong>imal ist. Zur Anwendung<br />
des Erklärungsmodells muss der <strong>Visibilität</strong>sgrad zunächst operationalisiert<br />
werden. Daraufh<strong>in</strong> werden die positiv und negativ korrelierten Kosten untersucht.<br />
5.3.1 Operationalisierung des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
Durch die Operationalisierung des <strong>Visibilität</strong>sgrades wird das Phänomen<br />
<strong>Visibilität</strong> qu<strong>an</strong>titativ fassbar. Unterschiedliche <strong>Visibilität</strong>sgrade e<strong>in</strong>es Systems<br />
können so mite<strong>in</strong><strong>an</strong>der verglichen werden. Im Gegenzug reduziert sich die<br />
Sichtweise von <strong>Visibilität</strong> auf wenige Aspekte der Datengr<strong>an</strong>ularität.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Visibilität</strong>sgrad VG wird def<strong>in</strong>iert als Funktion <strong>in</strong> Abhängigkeit von den<br />
Parametern k und l.<br />
VG ( k,<br />
l)<br />
k ist die Konsolidierung pro Etikett bzw. mobiles Endgerät. Dazu wird e<strong>in</strong>e Basis-<br />
<strong>Logistik</strong>-E<strong>in</strong>heit def<strong>in</strong>iert, z. B. e<strong>in</strong> Colli. <strong>Der</strong> Konsolidierungswert k ist d<strong>an</strong>n<br />
gleich der Anzahl der Basis-<strong>Logistik</strong>-E<strong>in</strong>heiten, die mit genau e<strong>in</strong>em Etikett<br />
versehen werden. Werden beispielsweise Paletten verfolgt, auf denen stets acht<br />
Collis geladen werden, d<strong>an</strong>n ist k gleich 8. Werden mehr Collis pro Palette<br />
geladen, d<strong>an</strong>n steigt k und der <strong>Visibilität</strong>sgrad s<strong>in</strong>kt.<br />
149
150<br />
VG ( k1,<br />
l)<br />
> VG(<br />
k2,<br />
l)<br />
für k 1 < k2<br />
Kapitel 5<br />
l beschreibt die Anzahl der Lesestellen <strong>in</strong>nerhalb der Prozesskette. Dazu ist es<br />
notwendig die Prozesskette genau zu def<strong>in</strong>ieren und abzugrenzen. Bei<br />
Technologien, die ke<strong>in</strong>e Lesestellen benötigen, z B. Positionierungssysteme mit<br />
mobiler Datenkommunikation, beschreibt l die Lesehäufigkeit, also wie häufig das<br />
mobile Endgerät e<strong>in</strong>e Meldung zur Leitstelle sendet. Wird beispielsweise der<br />
Barcode e<strong>in</strong>er Palette mit Cola-Dosen auf dem Weg vom Zentrallager über das<br />
Umschlagzentrum zur Filiale fünfmal gelesen, d<strong>an</strong>n ist l gleich 5. Wird sie e<strong>in</strong>mal<br />
mehr gelesen, d<strong>an</strong>n ist l gleich 6 und der <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> steigt.<br />
VG ( k,<br />
l1)<br />
< VG(<br />
k,<br />
l2<br />
) für l 1 < l2<br />
Demnach k<strong>an</strong>n allgeme<strong>in</strong> geschlussfolgert werden, dass der <strong>Visibilität</strong>sgrad mit l<br />
positiv und mit k negativ korreliert ist. Allerd<strong>in</strong>gs ist ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Aussage<br />
über die Entwicklung von VG möglich, falls k und l gleichzeitig steigen oder<br />
fallen.<br />
Metro<br />
Warenflusskontrolle<br />
<strong>in</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>berg<br />
Metro-<br />
Liefer<strong>an</strong>t<br />
RFID Roll-out<br />
Phase 1<br />
Otto<br />
„Schmuckkäfig“<br />
Hamburg<br />
Department of<br />
Defense<br />
In-tr<strong>an</strong>sit<br />
visibility<br />
Inf<strong>in</strong>eon<br />
Lot<br />
Track<br />
Erhöhung der <strong>Visibilität</strong><br />
durch Verr<strong>in</strong>gerung der<br />
Konsolidierung pro Etikett<br />
Bisl<strong>an</strong>g arbeitet die Flusskontrolle nur auf Caseund<br />
Paletten-Ebene. <strong>Die</strong>s ist noch ke<strong>in</strong>e<br />
Verbesserung gegenüber dem Legacyprozess.<br />
In der ersten Phase des Roll-out werden<br />
<strong>an</strong>gelieferte Paletten mit e<strong>in</strong>em EPC-Etikett statt<br />
mit dem EAN 128 Barcode gekennzeichnet. <strong>Die</strong><br />
Konsolidierung pro Etikett bleibt gleich.<br />
Bisher wurden nur Sendungen als e<strong>in</strong>e komplette<br />
E<strong>in</strong>heit verfolgt. Mit dem RFID-System können<br />
nun auch hochwertige Artikel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Paket<br />
verfolgt werden, ohne dass dieses geöffnet werden<br />
muss.<br />
Vorher gab es noch ke<strong>in</strong>e vergleichbare<br />
Anwendung. <strong>Die</strong> zukünftige Entwicklung sieht<br />
vor, dass verstärkt kle<strong>in</strong>ere Sendungse<strong>in</strong>heiten<br />
verfolgt werden, wodurch die <strong>Visibilität</strong> weiter<br />
zunimmt.<br />
<strong>Die</strong> Konsolidierung pro Etikett hat mit dem<br />
Wert 1 die untere Grenze erreicht. Jede Waferbox<br />
hat e<strong>in</strong> Etikett.<br />
Erhöhung der <strong>Visibilität</strong><br />
durch Erhöhung der<br />
Anzahl der Lesestellen<br />
Am Warene<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>berg wird jede Palette<br />
automatisch erfasst. <strong>Die</strong> Vollerfassung ist e<strong>in</strong>e<br />
Verbesserung gegenüber dem Legacy-Prozess.<br />
<strong>Die</strong> Anzahl der Lesestellen erhöht sich nicht. Statt<br />
des Barcodes wird <strong>an</strong> den bestehenden Stellen e<strong>in</strong><br />
EPC-Etikett ausgelesen.<br />
Zusätzliche Lesestellen im Hamburger<br />
Distributionszentrum und <strong>in</strong> den Depots.<br />
<strong>Die</strong> Lesestellen können im E<strong>in</strong>satzgebiet flexibel<br />
<strong>an</strong>gepasst werden.<br />
Wenn die Passivtechnologie verstärkt e<strong>in</strong>gesetzt<br />
wird, kommen weitere Lesestellen h<strong>in</strong>zu.<br />
Durch den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Positionierungstechnologie<br />
ist die Anzahl der Lesestellen e<strong>in</strong><br />
virtueller Wert. <strong>Die</strong> Positionierung geschieht auf<br />
30cm genau, d. h. es gibt wenig Spielraum für<br />
weitere Verbesserungen.<br />
Tabelle 13: Operationalisierung der <strong>Visibilität</strong>sgrade <strong>in</strong> den Fallbeispielen
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
<strong>Die</strong>se Operationalisierung des <strong>Visibilität</strong>sgrades lässt sich auf die Fallbeispiele<br />
<strong>an</strong>wenden. Tabelle 13 zeigt wie <strong>in</strong> den Beispielen die Konsolidierung pro Etikett<br />
und die Anzahl der Lesestellen verändert wird.<br />
5.3.2 Positiv korrelierte Kosten<br />
<strong>Die</strong> mit dem <strong>Visibilität</strong>sgrad positiv korrelierenden Kosten s<strong>in</strong>d die Kosten des<br />
<strong>Visibilität</strong> schaffenden Systems. <strong>Die</strong>se werden nach Investitionskosten und<br />
laufenden Kosten e<strong>in</strong>geteilt.<br />
Bei der Anf<strong>an</strong>gs<strong>in</strong>vestition fallen u. a. Kosten <strong>an</strong> für:<br />
• Hardware<br />
• Software<br />
o Lesegeräte<br />
o Kommunikations<strong>in</strong>frastruktur<br />
o Server (Process<strong>in</strong>g Unit)<br />
151<br />
o Mobile Endgeräte bzw. aktive Tr<strong>an</strong>sponder (nur bei closed loop<br />
Szenario)<br />
o Lizenzen<br />
o Implementierung/Integration<br />
Im laufenden Betrieb geht es um Kosten für:<br />
• Personal<br />
• Inst<strong>an</strong>dhaltung<br />
• Tags (nur bei open loop Szenario)<br />
Wie diese Kosten verteilt seien können zeigt das Beispiel der Otto Group. Nach<br />
eigenen Angaben entfallen bei den laufenden Kosten pro Jahr 42% auf<br />
Tr<strong>an</strong>sponder, 35% auf Software 336 und 23% auf die Hardware 337 .<br />
<strong>Der</strong> <strong>an</strong>steigende Verlauf dieser Kostenkurve lässt sich konzeptionell auch <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />
der Operationalisierung des <strong>Visibilität</strong>sgrades verdeutlichen. Demnach erhöht sich<br />
der <strong>Visibilität</strong>sgrad durch e<strong>in</strong>e größere Anzahl von Lesestellen (l) oder durch<br />
e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satz von Etiketten auf niedrigeren Ladungsträgerebenen (k). Mehr<br />
Lesegeräte und mehr Etiketten verursachen mehr Kosten, wodurch die Kurve<br />
<strong>an</strong>steigt.<br />
336 Z<strong>in</strong>sen und Abschreibungen.<br />
337 Z<strong>in</strong>sen und Abschreibungen.
152<br />
Kapitel 5<br />
Abbildung 26 vergleicht den Kurvenverlauf der positiv korrelierten Kosten für<br />
Barcode und RFID. <strong>Die</strong> schematische Darstellung spiegelt den Umst<strong>an</strong>d wider,<br />
dass RFID auf der e<strong>in</strong>en Seite höhere Freiheitsgrade zulässt und deshalb bei e<strong>in</strong>em<br />
hohen <strong>Visibilität</strong>sniveau auf niedrigere Kosten kommt. Auf der <strong>an</strong>deren Seite ist<br />
der Druck von Barcode-Etiketten sehr günstig, wodurch e<strong>in</strong>e mittlere <strong>Visibilität</strong><br />
schon zu ger<strong>in</strong>gen Kosten machbar ist. 338<br />
Kosten<br />
Barcode<br />
RFID<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 26: Schematische Kurvenverläufe für Barcode und RFID<br />
Abbildung 27 zeigt die positiv korrelierten Kosten im zeitlichen Verlauf. Es ist<br />
<strong>an</strong>zunehmen, dass gerade die Kosten für RFID <strong>in</strong> den kommenden Jahren deutlich<br />
abnehmen werden. <strong>Die</strong>s drückt den Kurvenverlauf nach unten, wodurch<br />
Anwendungen zu gleichen oder sogar zu ger<strong>in</strong>geren Kosten auf e<strong>in</strong>em höheren<br />
<strong>Visibilität</strong>sniveau arbeiten können.<br />
338 Vgl. TELLKAMP (2005) S. 81ff.
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Kosten<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Positiv<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
Abbildung 27: Zeitliche Entwicklung der positiv korrelierten Kosten<br />
5.3.3 Negativ korrelierte Kosten<br />
E<strong>in</strong> höherer <strong>Visibilität</strong>sgrad verbessert zunächst die Qualität der logistischen<br />
Prozesse. <strong>Die</strong>se Qualitätsverbesserungen werden im Modell als negativ korrelierte<br />
Kosten e<strong>in</strong>gebracht. Alternativ wäre auch e<strong>in</strong>e Modellierung als positiv<br />
korrelierter Nutzen denkbar. Allerd<strong>in</strong>gs ist es für die <strong>Logistik</strong> <strong>in</strong>tuitiv e<strong>in</strong>sichtiger,<br />
dass fehlende Qualität wie beispielsweise e<strong>in</strong>e verzögerte Lieferung Kosten<br />
verursacht und dass e<strong>in</strong>e gute Qualität wie e<strong>in</strong> „delivery on time“ ke<strong>in</strong>e<br />
zusätzlichen Kosten verursacht. Zum besseren Verständnis dieser Modellierung<br />
wird im Allgeme<strong>in</strong>en das Verhältnis zwischen <strong>Logistik</strong>kosten und -leistungen<br />
diskutiert.<br />
In e<strong>in</strong>em logistischen System gibt es <strong>an</strong> sich ke<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imalen <strong>Logistik</strong>kosten.<br />
Vielmehr hängen die <strong>Logistik</strong>kosten immer von der Leistung des Systems ab. 339<br />
Beispielsweise k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> Unternehmen se<strong>in</strong>e <strong>Logistik</strong>kosten senken, <strong>in</strong>dem es<br />
se<strong>in</strong>e Lieferfähigkeit von 24 Stunden Vorlaufzeit auf 48 Stunden umstellt.<br />
<strong>Logistik</strong>kosten haben nur d<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e Aussagekraft, wenn sie mit konkreten<br />
<strong>Logistik</strong>leistungen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen.<br />
339 Vgl. WEBER (2002) S 155ff.<br />
153
154<br />
Kosten durch<br />
fehlende Qualität<br />
Negativ<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 28: M<strong>an</strong>gelnde Qualität als negativ korrelierte Kosten<br />
Kapitel 5<br />
Für die Modellierung im <strong>Visibilität</strong>skonzept werden <strong>Logistik</strong>leistungen und<br />
-kosten ged<strong>an</strong>klich festgeschrieben. Es werden lediglich die Kosten modelliert,<br />
welche durch Qualitätsmängel im <strong>Logistik</strong>system entstehen. Beispielsweise<br />
spiegelt das Modell ke<strong>in</strong>e Tr<strong>an</strong>sportkosten wider, dafür wird die Term<strong>in</strong>treue als<br />
Qualitätsmerkmal e<strong>in</strong>bezogen. Abbildung 28 zeigt wie Qualitätsaspekte <strong>in</strong> das<br />
Erklärungsmodell e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />
Aus den Fallbeispielen läst sich ablesen, wie der höhere <strong>Visibilität</strong>sgrad zu<br />
Qualitätsverbesserungen führt. Tabelle 14 gibt <strong>an</strong> welche Qualitätsmerkmale sich<br />
jeweils verbessern.<br />
Metro<br />
Warenflusskontrolle <strong>in</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>berg<br />
Metro<br />
RFID Roll-out Phase 1<br />
Otto<br />
„Schmuckkäfig“ Hamburg<br />
Department of Defense<br />
In-tr<strong>an</strong>sit visibility<br />
Inf<strong>in</strong>eon<br />
LotTrack<br />
Qualitätsverbesserung durch erhöhte <strong>Visibilität</strong><br />
Metro<br />
• Warenverfügbarkeit<br />
• Suchgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
• Prozessqualität<br />
Ke<strong>in</strong>e Verbesserung der <strong>Visibilität</strong>,<br />
deshalb ke<strong>in</strong>e korrelierte Qualitätsverbesserung<br />
• Reduzierte Sendungsverluste (54%)<br />
• Abwicklungsqualität (27%)<br />
• Retourenprozess (19%)<br />
• Exaktere Pl<strong>an</strong>ungsgrundlage<br />
• Höhere Flexibilität<br />
• Schnellere E<strong>in</strong>satzbereitschaft<br />
• Fehlervermeidung<br />
• Erhöhung der Durchlaufzeit<br />
Metro-Liefer<strong>an</strong>t<br />
Ke<strong>in</strong>e Verbesserung der <strong>Visibilität</strong>,<br />
deshalb ke<strong>in</strong>e korrelierte Qualitätsverbesserung<br />
Tabelle 14: Qualitätsverbesserungen <strong>in</strong> den Fallbeispielen
<strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Wenn sich die Qualitäts<strong>an</strong>sprüche im zeitlichen Verlauf verändern, führt dies zu<br />
e<strong>in</strong>er Verschiebung des Kurvenverlaufs (Abbildung 29).<br />
Kosten<br />
Negativ<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 29: Kurvenverlauf bei steigenden Qualitäts<strong>an</strong>sprüchen<br />
Erwartungsgemäß werden zukünftige Qualitäts<strong>an</strong>sprüche über dem heutigen<br />
Niveau liegen, wodurch sich die Kurve der negativ korrelierten Kosten nach oben<br />
verschiebt. Konkret k<strong>an</strong>n dies z. B. bedeuten, dass e<strong>in</strong>e Term<strong>in</strong>treue von 99% <strong>in</strong><br />
der neuen Bewertung mehr Kosten <strong>an</strong>fallen lässt als <strong>in</strong> der alten Bewertung. E<strong>in</strong>e<br />
solche Verschiebung erhöht gleichzeitig den optimalen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>.<br />
Wenn die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es neuen <strong>Visibilität</strong>ssystems allerd<strong>in</strong>gs zu e<strong>in</strong>em völlig<br />
neuen Prozessablauf führt, d<strong>an</strong>n lässt sich diese Situation weder durch e<strong>in</strong>en<br />
Optimalwert im statischen Modell noch durch e<strong>in</strong>e Kurvenverschiebung<br />
darstellen. <strong>Die</strong>se revolutionäre Veränderung k<strong>an</strong>n nur durch zwei unabhängige<br />
Kurvenverläufe gezeigt werden (siehe Abbildung 30). Als Beispiel für e<strong>in</strong>e solche<br />
Prozessveränderung k<strong>an</strong>n der Nachfüllprozess <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelh<strong>an</strong>delsfiliale<br />
gen<strong>an</strong>nt werden. Heute ist es nicht üblich, dass im Warenwirtschaftssystem<br />
gespeichert wird, welche Ware im Verkaufsraum ausliegt und welche sich noch<br />
im Filiallager bef<strong>in</strong>det. Im alten Prozess werden die Verkaufsregale jeden morgen<br />
nachgefüllt. Im neuen Prozess gibt der tatsächliche Bedarf im Verkaufsraum den<br />
Ausschlag für die Nachbestückung. Jeder Prozess hat se<strong>in</strong>e eigenen Qualitätsziele<br />
und wird durch e<strong>in</strong>e eigene Kurve repräsentiert.<br />
155
156<br />
Kosten<br />
Alter Prozess<br />
Neuer Prozess<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 30: Kurvenverläufe bei unterschiedlichen Prozessen<br />
Kapitel 5
Zusammenfassung und Ausblick<br />
6 Zusammenfassung und Ausblick<br />
6.1 Kernergebnisse der Forschungsarbeit<br />
Das Kernergebnis der Forschungsarbeit ist e<strong>in</strong> Erklärungsmodell zur<br />
Be<strong>an</strong>twortung der e<strong>in</strong>g<strong>an</strong>gs gestellten Forschungsfrage:<br />
Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>an</strong>gemessen für das M<strong>an</strong>agement von <strong>Logistik</strong>-<br />
<strong>Netzwerken</strong>?<br />
Im E<strong>in</strong>kl<strong>an</strong>g mit der Tradition der St.Galler M<strong>an</strong>agementlehre wird e<strong>in</strong>e<br />
g<strong>an</strong>zheitliche Her<strong>an</strong>gehensweise gewählt, die auf alle drei logischen Ebenen der<br />
Unternehmensführung e<strong>in</strong>geht: Normatives, Strategisches und Operatives<br />
M<strong>an</strong>agement. 340 Abbildung 31 zeigt wie sich die Forschungsfrage aus drei<br />
unterschiedlichen Perspektiven darstellt und welche Theorien jeweils e<strong>in</strong>bezogen<br />
werden.<br />
Zielsetzung<br />
Legitimität<br />
Effektivität<br />
Effizienz<br />
M<strong>an</strong>agementebenen<br />
Normatives<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
Strategisches<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
Operatives<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
Abgeleitete Unterfragen<br />
Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>in</strong><br />
Bezug auf das Umfeld des<br />
Unternehmens legitim?<br />
Wie wirken sich allgeme<strong>in</strong>e<br />
Charakteristika des <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerks auf den <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
aus?<br />
Bei welchem <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist<br />
die Differenz zwischen Kosten und<br />
Nutzen am größten?<br />
Institutional<br />
Theory<br />
Systemtheorie<br />
Bus<strong>in</strong>ess<br />
Case<br />
Abbildung 31: Forschungsunterfragen und verwendete M<strong>an</strong>agementtheorien<br />
340 SCHWANINGER (1994) S. 49ff.<br />
157
158<br />
Normative Sichtweise<br />
Kapitel 6<br />
Frage: Welcher <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist <strong>in</strong> Bezug auf das Umfeld des<br />
Unternehmens legitim?<br />
Antwort: <strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist d<strong>an</strong>n erreicht, wenn er<br />
(1) durch Institutionen im Umfeld des Unternehmens legitimiert wird<br />
oder<br />
(2) so hoch ist, dass er von <strong>an</strong>deren Unternehmen nachgeahmt wird und<br />
der Entrepreneur e<strong>in</strong>en Vorteil durch die Vorreiterrolle erzielt<br />
(Institutional Entrepreneur Sicht).<br />
Institutionalistische Ansätze der Org<strong>an</strong>isationstheorien (engl. Institutional Theory)<br />
unterstützen die Be<strong>an</strong>twortung auf der normativen Ebene. <strong>Die</strong> Theorie rückt<br />
kulturelle Erklärungen von Org<strong>an</strong>isationsstrukturen <strong>in</strong> den Vordergrund und<br />
wendet sich vom Modell des rational h<strong>an</strong>delnden Akteurs ab. 341 Auf der<br />
normativen Ebene ist das M<strong>an</strong>agement bestrebt Legitimation für die eigene<br />
H<strong>an</strong>dlungsweise zu erhalten. Institutionen im Umfeld des Unternehmens<br />
legitimieren das Verhalten der Entscheidungsträger und können verst<strong>an</strong>den<br />
werden als Regeln, Erwartungen und Anforderungen <strong>in</strong> der Umwelt der<br />
Org<strong>an</strong>isation.<br />
Zu Antwort 1: <strong>Der</strong> <strong>Visibilität</strong>sgrad e<strong>in</strong>es Unternehmens wird durch Institutionen<br />
im Umfeld der Org<strong>an</strong>isation legitimiert. Konkret muss dafür e<strong>in</strong> bestimmter<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad von e<strong>in</strong>flussreichen Akteuren <strong>in</strong>stitutionalisiert werden. <strong>Die</strong> Cargo<br />
2000 Initiative der IATA (International Air Tr<strong>an</strong>sport Association) ist e<strong>in</strong> Beispiel<br />
hierfür. Zum e<strong>in</strong>en ist der St<strong>an</strong>dard für die Warenverfolgung <strong>in</strong> der Luftfrachtkette<br />
genau def<strong>in</strong>iert. Zum <strong>an</strong>deren k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Die</strong>nstleister, der die Regeln<br />
implementiert hat, e<strong>in</strong>fach das Label Cargo 2000 <strong>an</strong>nehmen und von der<br />
Legitimation der Initiative profitieren. Auch neue Technologien wie RFID eigenen<br />
sich zum Aufbau von Institutionen. Unternehmen im <strong>Logistik</strong>-Umfeld wissen,<br />
dass die Durchführung von RFID-Pilotprojekten heute von außen als legitime<br />
M<strong>an</strong>agemententscheidung <strong>an</strong>gesehen wird. Darüber h<strong>in</strong>aus können neue<br />
Technologien bestehende Institutionen im Umfeld bedienen. Zum Beispiel k<strong>an</strong>n<br />
die äußere Anforderung <strong>an</strong> e<strong>in</strong> Unternehmen, möglichst <strong>in</strong>novativ zu se<strong>in</strong> und<br />
durch den E<strong>in</strong>satz von moderner Technik die Effizienz zu steigern, durch RFID<br />
erfüllt werden.
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Institutionen verbreiten sich schrittweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Population und führen zu e<strong>in</strong>er<br />
Angleichung der Org<strong>an</strong>isationsstrukturen. <strong>Die</strong>ser Prozess wird mit dem<br />
theoretischen Konzept des Isomorphismus beschrieben. 342 Zurzeit läuft e<strong>in</strong>e<br />
entscheidende Phase des RFID-Isomorphismus. Im zunehmenden Maße werden<br />
Pilotprojekte gestartet und Anwendungen umgesetzt. Im H<strong>an</strong>del hat Metro den<br />
RFID-Roll-out im Oktober 2004 begonnen. Rewe als die Nummer zwei <strong>in</strong><br />
Deutschl<strong>an</strong>d zieht im September 2005 nach. In e<strong>in</strong>igen Jahren lässt sich dieser<br />
Prozess bis zum flächendeckenden E<strong>in</strong>satz empirisch nachvollziehen.<br />
Zu Antwort 2: Institutionen entstehen, wenn Org<strong>an</strong>isationen mit e<strong>in</strong>er zentralen<br />
Stellung neue Wege gehen und ihre Entscheidungen als Erfolg ausweisen können.<br />
Zentrale Akteure, welche den Aufbau von neuen Institutionen bewusst betreiben,<br />
werden als Institutional Entrepreneurs bezeichnet. Dabei ist der <strong>in</strong>stitutionelle<br />
W<strong>an</strong>del e<strong>in</strong> politischer Prozess, der die Macht und die Interessen des e<strong>in</strong>zelnen<br />
Entrepreneurs widerspiegelt. 343 Entrepreneurs brauchen soziale Fähigkeiten, um<br />
Kooperation <strong>in</strong> ihrer Bezugsgruppe – u. a. bei Konkurrenten – auszulösen. 344 Im<br />
RFID-Umfeld hat sich die Metro AG als Institutional Entrepreneur hervorget<strong>an</strong>.<br />
<strong>Der</strong> Aufbau ihres Innovation Centers <strong>in</strong> Neuss, <strong>in</strong> dem Metro-Liefer<strong>an</strong>ten die<br />
Technologie am eigenen Produkt testen können, ist e<strong>in</strong> Weg, um Kooperation im<br />
Umfeld zu erzeugen und Förderer für die eigene Sache zu gew<strong>in</strong>nen. <strong>Die</strong><br />
St<strong>an</strong>dardisierungsbemühungen im Rahmen von EPCglobal zeigen weiterh<strong>in</strong>, wie<br />
teilweise konkurrierende Unternehmen zusammen wirken, um das Thema RFID<br />
geme<strong>in</strong>sam vor<strong>an</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />
Auch staatliche Stellen nutzen den <strong>in</strong>stitutionellen Isomorphismus, um als<br />
Entrepreneur E<strong>in</strong>fluss zu nehmen. Beispielsweise hat das Department of Defense<br />
(DoD) mit e<strong>in</strong>er verbesserten <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der militärischen <strong>Logistik</strong> gute<br />
Erfahrungen gemacht und möchte gerade im eigenen L<strong>an</strong>d die zivile Nutzung von<br />
<strong>Visibilität</strong> stiftenden Technologien fördern. Dabei geht es nicht alle<strong>in</strong>e um e<strong>in</strong><br />
besseres <strong>Logistik</strong>m<strong>an</strong>agement <strong>in</strong> amerik<strong>an</strong>ischen <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong>, sondern<br />
auch um die weltweite Technologieführerschaft der eigenen Nation. In diesem<br />
politischen Prozess nutzt das DoD e<strong>in</strong>erseits Zw<strong>an</strong>g, <strong>in</strong>dem es se<strong>in</strong>e Liefer<strong>an</strong>ten<br />
341 DiMAGGIO/POWELL (1991).<br />
342 DiMAGGIO/POWELL (1991).<br />
343 Vgl. SEO/CREED (2002).<br />
344 Vgl. FLIGSTEIN (1997).<br />
159
160<br />
Kapitel 6<br />
dazu br<strong>in</strong>gt RFID „compli<strong>an</strong>t“ zu werden, <strong>an</strong>derseits versucht es durch Sem<strong>in</strong>are<br />
und Informationsver<strong>an</strong>staltungen Kooperation im Umfeld zu erzeugen.<br />
Strategische Sichtweise<br />
Frage: Wie wirken sich allgeme<strong>in</strong>e Charakteristika des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks auf<br />
den <strong>Visibilität</strong>sgrad aus?<br />
Antwort: <strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist d<strong>an</strong>n erreicht, wenn zwischen<br />
der Komplexität der logistischen Aufgabenstellung und der Komplexität<br />
der <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung e<strong>in</strong> Fit erzielt wird.<br />
Auf der strategischen Ebene wird der <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Visibilität</strong>sgrad durch e<strong>in</strong><br />
zentrales Gesetz der Systemtheorie bestimmt: The Law of Requisite Variety. 345<br />
Demnach k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e logistische Aufgabenstellung von e<strong>in</strong>er <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>wendung<br />
nur d<strong>an</strong>n unterstützt werden, wenn die Komplexität der Aufgabenstellung nicht<br />
höher ist als die Komplexität, welche von der Anwendung absorbiert werden<br />
k<strong>an</strong>n. Als Komplexitätsmaß dient die <strong>Visibilität</strong>.<br />
Erzielbare <strong>Visibilität</strong>sgrade von Informationssystemen: Informationssysteme <strong>in</strong><br />
der <strong>Logistik</strong> erfassen die Begebenheiten <strong>in</strong> der realen Welt, um so Nutzen für ihre<br />
Anwender zu stiften. <strong>Die</strong> erzielte <strong>Visibilität</strong> des Gesamtsystems ist dabei abhängig<br />
von der e<strong>in</strong>gesetzten Datenerfassungstechnologie. <strong>Die</strong> RFID-Technologie k<strong>an</strong>n<br />
gegenüber dem Barcode e<strong>in</strong>en höheren <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> erzielen, weil sie mehr<br />
Freiheitsgrade zulässt:<br />
• Ke<strong>in</strong>e Sichtverb<strong>in</strong>dung und ke<strong>in</strong>e Ausrichtung des identifizierten Objekts<br />
notwendig<br />
• Auslesung von mehreren Tr<strong>an</strong>spondern gleichzeitig möglich<br />
(Pulkerfassung)<br />
• Höhere Lesereichweiten (<strong>in</strong>sbesondere bei der Aktiv-Technologie)<br />
• Größerer Datenspeicher auf dem Tr<strong>an</strong>sponder<br />
• Überwachung der Tr<strong>an</strong>sponder-Umgebung durch Anb<strong>in</strong>dung von Sensoren<br />
möglich (z. B: Temperaturüberwachung)<br />
• Bessere Fälschungssicherheit<br />
• Hohe Widerst<strong>an</strong>dsfähigkeit gegen äußere E<strong>in</strong>flüsse (Hitze, Staub, Wasser)<br />
345 ASHBY (1956).
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Beim Vergleich von GPS (Global Position<strong>in</strong>g System) und RFID wird schnell<br />
klar, dass beide Technologien eher komplementär als konkurrierend zu sehen s<strong>in</strong>d.<br />
Zur Verfolgung von LKW auf offener Strecke eignet sich GPS besser, weil e<strong>in</strong>e<br />
unbegrenzte Anzahl <strong>an</strong> Lesestellen simuliert werden k<strong>an</strong>n. Auf der <strong>an</strong>deren Seite<br />
k<strong>an</strong>n GPS nicht <strong>in</strong> geschlossenen Räumen genutzt werden.<br />
Benötigte <strong>Visibilität</strong> für logistische Aufgabenstellungen: Es ist nicht möglich e<strong>in</strong><br />
abzählbares Maß für Komplexität <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> zu def<strong>in</strong>ieren,<br />
<strong>in</strong>sbesondere weil auf der strategischen Ebene viele Unsicherheiten zu<br />
berücksichtigen s<strong>in</strong>d. Deshalb werden Treiber identifiziert, welche die benötigte<br />
<strong>Visibilität</strong> erhöhen. Abbildung 32 identifiziert das Anwendungskonzept, das<br />
Unternehmensumfeld sowie Produkt- und Prozesscharakteristika als <strong>Visibilität</strong>s-<br />
treiber. <br />
Anwendungskonzept<br />
<strong>Visibilität</strong>streiber für<br />
logistische Aufgabenstellung<br />
Umfeld<br />
Gesetzgeber<br />
Kunden<br />
Liefer<strong>an</strong>ten<br />
Produktcharakteristika<br />
Verderblichkeit<br />
Schwundgefahr<br />
Fälschungsgefahr<br />
Hoher<br />
Deckungsbeitrag<br />
Prozesscharakteristika<br />
Prozessunsicherheit<br />
Abbildung 32: <strong>Visibilität</strong>streiber für logistische Aufgabenstellungen<br />
Rückzuführende<br />
Ladungsträger<br />
E<strong>in</strong>ige Produkte wie Tiefkühlkost weisen beispielsweise e<strong>in</strong>e erhöhte Gefahr der<br />
Verderblichkeit auf. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, wird die Temperatur<br />
der Tiefkühlprodukte entl<strong>an</strong>g der Lieferkette verfolgt, wodurch der erreichte <strong>Grad</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> steigt. Unsichere Prozesse wie sie <strong>in</strong> der Militärlogistik vorkommen<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> weiteres Beispiel. Im Krisengebiet weicht der tatsächliche Zust<strong>an</strong>d des<br />
<strong>Logistik</strong>systems leicht vom gepl<strong>an</strong>ten ab. G<strong>an</strong>ze Teile des Netzwerks können<br />
durch fe<strong>in</strong>dliche Aktivitäten außer Gefecht gesetzt werden. Entscheidungsträger<br />
161
162<br />
Kapitel 6<br />
profitieren hier mehr von <strong>Visibilität</strong> als <strong>in</strong> automatisierten Prozessen mit hoher<br />
Pl<strong>an</strong>ungssicherheit.<br />
<strong>Der</strong> Fit zwischen der logistischen Aufgabenstellung und dem e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Informationssystem gerät <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dynamischen Umfeld leicht aus dem Lot und<br />
muss neu justiert werden, wodurch Innovationen entstehen. <strong>Die</strong>se Innovationen<br />
können problem- oder technologie<strong>in</strong>itiiert se<strong>in</strong>. Wenn der Gesetzgeber von außen<br />
e<strong>in</strong>en höheren <strong>Visibilität</strong>sgrad fordert, d<strong>an</strong>n ist die Umsetzung e<strong>in</strong>e<br />
problem<strong>in</strong>itiierte Innovation. Auf der <strong>an</strong>deren Seite führen technologie<strong>in</strong>itiierte<br />
Innovationen häufig zu vollkommen neuen Prozessen, wie das Inf<strong>in</strong>eon-Beispiel<br />
mit dem Konzept der „smarten“ Automatisierung zeigt (siehe Kapitel 4.7).<br />
Operative Sichtweise<br />
Frage: Bei welchem <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist die Differenz zwischen Kosten und<br />
Nutzen am größten?<br />
Antwort: <strong>Der</strong> <strong><strong>an</strong>gemessene</strong> <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ist d<strong>an</strong>n erreicht, wenn e<strong>in</strong>e weitere<br />
Steigerung des <strong>Visibilität</strong>sgrades mehr Kosten erzeugt, als dass sie<br />
Kosten e<strong>in</strong>spart.<br />
Kosten<br />
VGO VGO VGO Aggregierte<br />
Kosten<br />
Positiv<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
Negativ<br />
korrelierte<br />
Kosten<br />
<strong>Grad</strong> der<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Abbildung 33: Operatives Erklärungsmodell zum <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
Letztendlich geht es darum e<strong>in</strong>en Bus<strong>in</strong>ess Case zu rechnen, der als Ergebnis den<br />
optimalen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong> ausweist. Hierzu wird e<strong>in</strong> Kostenmodell aufgestellt,
Zusammenfassung und Ausblick<br />
welches alle Unsicherheiten und <strong>in</strong>stitutionellen E<strong>in</strong>flüsse im Umfeld<br />
ausklammert. Abbildung 33 zeigt, dass sich der optimale <strong>Visibilität</strong>sgrad VG O<br />
dort bef<strong>in</strong>det, wo die Summe aus positiv und negativ korrelierten Kosten m<strong>in</strong>imal<br />
ist.<br />
Operationalisierung des <strong>Visibilität</strong>sgrades: Im Modell hängt der <strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
von zwei Variablen ab. Zum e<strong>in</strong>en von der Anzahl der Lesestellen. Zum <strong>an</strong>deren<br />
von der Ladungsträgerebene, die mit e<strong>in</strong>em Etikett ausgezeichnet wird. <strong>Der</strong><br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad steigt, wenn die Anzahl der Lesestellen zunimmt bzw. wenn die<br />
Etiketten auf e<strong>in</strong>er tieferen Ladungsträgerebene befestigt werden (z. B. auf dem<br />
Karton statt auf der Palette).<br />
Positiv korrelierte Kosten: <strong>Die</strong> Kosten des <strong>Visibilität</strong> schaffenden Systems s<strong>in</strong>d<br />
positiv mit dem <strong>Visibilität</strong>sgrad korreliert. E<strong>in</strong>e größere Anzahl von Lesestellen ist<br />
nur durch die Installation von zusätzlichen Lesegeräten möglich. Auf der <strong>an</strong>deren<br />
Seite werden immer mehr Etiketten benötigt, sobald e<strong>in</strong>e tiefere<br />
Ladungsträgerebene ausgezeichnet wird. Unterschiedliche Erfassungstechnologien<br />
wie RFID und Barcode haben unterschiedliche Kurvenverläufe.<br />
Negativ korrelierte Kosten: E<strong>in</strong> höherer <strong>Visibilität</strong>sgrad verbessert die Qualität der<br />
logistischen Prozesse. <strong>Die</strong>se Qualitätsverbesserungen werden als negativ<br />
korrelierte Kosten modelliert. Dazu müssen die <strong>Logistik</strong>leistungen ged<strong>an</strong>klich<br />
festgeschrieben werden. Als Qualitätskennzahl k<strong>an</strong>n beispielsweise die<br />
Warenverfügbarkeit aufgeführt werden, wodurch die negativ korrelierten Kosten<br />
als entg<strong>an</strong>gene Verkäufe <strong>in</strong>terpretiert werden. E<strong>in</strong>e niedrige Verfügbarkeit führt zu<br />
mehr entg<strong>an</strong>gen Verkäufen und höheren Kosten. E<strong>in</strong>e durch <strong>Visibilität</strong> gestiegene<br />
Verfügbarkeit lässt weniger Verkäufe entgehen und senkt die Kosten.<br />
Zeitliche Entwicklung: Beide Kostenkurven verschieben sich im zeitlichen<br />
Verlauf. <strong>Die</strong> Kosten für <strong>Visibilität</strong> schaffende Systeme s<strong>in</strong>d rückläufig, wodurch<br />
sich die Kurve der positiv korrelierten Kosten nach unten bewegt (vgl. Abbildung<br />
27). Gleichzeitig nehmen die Qualitäts<strong>an</strong>sprüche zu, wodurch sich die Kurve der<br />
negativ korrelierten Kosten nach oben bewegt (vgl. Abbildung 29). Insgesamt<br />
nimmt die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> stetig zu.<br />
Tr<strong>an</strong>sformatorische Auswirkungen: Das Inf<strong>in</strong>eon-Beispiel hat gezeigt, wie e<strong>in</strong>e<br />
vollkommen neue Arbeitsweise durch die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es <strong>Visibilität</strong> schaffenden<br />
Systems entstehen k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong>se tr<strong>an</strong>sformatorische Auswirkung der RFID-<br />
E<strong>in</strong>führung k<strong>an</strong>n nicht im Modell mit zwei Kostenverläufen nachgestellt werden.<br />
163
164<br />
Kapitel 6<br />
<strong>Die</strong> neue Arbeitsweise verkörpert <strong>an</strong>dere <strong>Logistik</strong>leistungen und braucht<br />
<strong>in</strong>folgedessen auch neue Qualitätsst<strong>an</strong>dards. Deshalb lässt sich die Situation nur<br />
mit zwei unterschiedlichen negativ korrelierten Kostenkurven nachstellen, e<strong>in</strong>e für<br />
den alten und e<strong>in</strong>e für den neuen Prozess (siehe Abbildung 30). Gleiches gilt für<br />
die positiv korrelierten Systemkosten.<br />
G<strong>an</strong>zheitliches Erklärungsmodell<br />
<strong>Die</strong> Be<strong>an</strong>twortung der Forschungsfrage nach dem <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> lässt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em g<strong>an</strong>zheitlichen Erklärungsmodell zusammenfassen.<br />
Abbildung 34 zeigt alle wesentlichen Aspekte, die sich auf die zutreffende<br />
Entscheidung auswirken. Auf der normativen Ebene ist das Umfeld geprägt von<br />
Institutionen, welche e<strong>in</strong>en bestimmten <strong>Visibilität</strong>sgrad von außen legitimieren.<br />
Dabei sorgt e<strong>in</strong> isomorpher Druck für ähnliche Strukturen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bezugsgruppe.<br />
Gleichzeitig bauen Institutional Entrepreneurs neue Institutionen auf.<br />
Normative<br />
Ebene<br />
Strategische<br />
Ebene<br />
Operative<br />
Ebene<br />
Kosten<br />
Institution<br />
Institution Legitimation<br />
<strong>Logistik</strong>-Netzwerk<br />
Institutional<br />
Entrepreneurs<br />
Fit<br />
Institution<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad<br />
Technologie<br />
S<strong>in</strong>kende<br />
<strong>Visibilität</strong>skosten<br />
Steigende<br />
Qualitäts<strong>an</strong>forderung<br />
Institution<br />
Komplexität<br />
Isomorpher<br />
Druck<br />
Abbildung 34: G<strong>an</strong>zheitliches Erklärungsmodell des <strong>Visibilität</strong>sgrades<br />
Auf der strategischen Ebne geht es um den Fit zwischen der Komplexität der<br />
logistischen Aufgabenstellung im Netzwerk und der Komplexität des<br />
Informationssystems. Dabei wird die <strong>Visibilität</strong> als Komplexitätsmaß verwendet<br />
und es k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Visibilität</strong>streibern identifiziert werden. Auf der
Zusammenfassung und Ausblick<br />
operativen Ebene werden Kosten <strong>in</strong> Abhängigkeit vom <strong>Visibilität</strong>sgrad modelliert.<br />
Im zeitlichen Verlauf werden die Systemkosten s<strong>in</strong>ken, während die<br />
Qualitäts<strong>an</strong>forderungen zunehmen.<br />
6.2 Unternehmerische Konsequenzen: <strong>Visibilität</strong> m<strong>an</strong>agen<br />
<strong>Die</strong> <strong>an</strong>wendungsorientierte Betriebswirtschaftslehre verfolgt das Ziel,<br />
Entscheidungsträgern mit betriebswirtschaftlichen Problemen Lösungsvorschläge<br />
zu unterbreiten. 346 Aus der vorliegenden Forschungsarbeit lassen sich<br />
unternehmerische Konsequenzen ableiten, welche <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der drei logischen<br />
Ebenen der Unternehmensführung gegliedert werden. <strong>Die</strong>se Gliederung ist<br />
<strong>an</strong>alytischer Natur und vere<strong>in</strong>facht die Darstellung. In der praktischen<br />
Entscheidungssituation s<strong>in</strong>d normative, strategische und operative E<strong>in</strong>flüsse stark<br />
<strong>in</strong>e<strong>in</strong><strong>an</strong>der verwoben.<br />
Normative Ebene<br />
Jedes Unternehmen, das se<strong>in</strong>e <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk verändert,<br />
positioniert sich im <strong>in</strong>stitutionellen Umfeld, bewusst oder unbewusst. Abbildung<br />
35 beschreibt e<strong>in</strong>en expliziten Entscheidungsprozess.<br />
Untersuchung des <strong>in</strong>stitutionellen Umfelds<br />
Als erster Schritt wird untersucht welche Institutionen – Regeln, Anforderungen<br />
und Erwartungen – im Umfeld des Unternehmens bestehen. Für die Suche nach<br />
dem <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n, dem legitimen <strong>Visibilität</strong>sgrad s<strong>in</strong>d verschiedene Arten von<br />
Institutionen relev<strong>an</strong>t:<br />
• Institutionalisierte <strong>Grad</strong>e von <strong>Visibilität</strong>. (Z. B: der <strong>Visibilität</strong>sgrad den<br />
Cargo 2000 oder die EU-Verordnung 178/2002 fordern)<br />
• Institutionalisierte Me<strong>in</strong>ungen über <strong>Visibilität</strong> schaffende Technologien.<br />
(Z. B: „EPC wird sich als globaler St<strong>an</strong>dard <strong>in</strong> der Konsumgüterwirtschaft<br />
durchsetzen.“)<br />
• Institutionen, die durch <strong>Visibilität</strong>s<strong>in</strong>itiativen bedient werden können.<br />
(Z. B: das Image als Innovationsführer)<br />
346 ULRICH (1970) S. 18.<br />
165
166<br />
Als Rule<br />
Maker<br />
Untersuchung des<br />
<strong>in</strong>stitutionellen Umfelds<br />
Untersuchung der<br />
eigenen Ausg<strong>an</strong>gslage<br />
Institutionelle<br />
Positionierung<br />
Als Adopter Als Rule<br />
Breaker<br />
Abbildung 35: Entscheidung auf der normativen Ebene<br />
Untersuchung der eigenen Ausg<strong>an</strong>gslage<br />
Kapitel 6<br />
Im zweiten Schritt wird das Verhältnis des Unternehmens zum <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Umfeld untersucht. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>zelnen Teile des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks erhalten von<br />
außen mehr oder weniger Legitimation für die erreichte <strong>Visibilität</strong>. So können<br />
Bereiche identifiziert werden, die für e<strong>in</strong>e <strong>Visibilität</strong>serhöhung prädest<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d.<br />
Nach e<strong>in</strong>em Lebensmittelsk<strong>an</strong>dal k<strong>an</strong>n dies beispielsweise die Lieferkette für<br />
Frischfleisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em H<strong>an</strong>delsunternehmen se<strong>in</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus wird <strong>an</strong> dieser<br />
Stelle festgehalten, welche eigenen Interessen das Unternehmen <strong>in</strong> Bezug auf<br />
<strong>Visibilität</strong> oder e<strong>in</strong>e bestimmte Technologie besitzt. H<strong>in</strong>zu kommt die<br />
Untersuchung von Ressourcen und Macht, welche zur Durchsetzung der<br />
Interessen e<strong>in</strong>gesetzt werden können.<br />
Positionierung als „Rule Maker“<br />
<strong>Die</strong> Positionierung als Institutional Entrepreneur, als derjenige, der die Regeln auf<br />
e<strong>in</strong>em neuen Feld bestimmt, ist nur wenigen Akteuren vorbehalten. Dazu muss<br />
das Unternehmen e<strong>in</strong>e zentrale Stellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Br<strong>an</strong>che besitzen, z. B. als Markt-<br />
oder Innovationsführer. Es muss entsprechend E<strong>in</strong>fluss ausüben können, um<br />
Kooperation <strong>in</strong> der eigenen Bezugsgruppe herbeizuführen.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus ist e<strong>in</strong>e Positionierung als Rule Maker nur s<strong>in</strong>nvoll, wenn das<br />
Unternehmen aus der Vorreiterrolle Vorteile ziehen k<strong>an</strong>n:
Zusammenfassung und Ausblick<br />
• Es setzt die neuen Regeln konform mit der eigenen Geschäftsstrategie,<br />
sodass sich die Konkurrenz <strong>an</strong> die eigenen <strong>in</strong>ternen St<strong>an</strong>dards <strong>an</strong>passen<br />
muss.<br />
• Es nutzt staatliche Fördermittel und kostenfreie Angebote von<br />
Systemliefer<strong>an</strong>ten, die sich von der Innovation e<strong>in</strong> neues Geschäft<br />
versprechen.<br />
• Es setzt das Vorreiter-Image als PR-Instrument e<strong>in</strong>.<br />
Positionierung als „Adopter“<br />
<strong>Die</strong> meisten Mitglieder e<strong>in</strong>er Bezugsgruppe werden sich hier wieder f<strong>in</strong>den. <strong>Die</strong><br />
Begründung liegt <strong>in</strong> der Def<strong>in</strong>ition von Institutionen. Denn viele Akteure müssen<br />
zunächst ähnliche Regeln, Anforderungen und Erwartungen akzeptieren, damit<br />
überhaupt e<strong>in</strong>e Institution entstehen k<strong>an</strong>n. Unternehmen, die mit ihren Aktivitäten<br />
zwar den Aufbau e<strong>in</strong>er Institution fördern, auf deren Inhalt jedoch nicht direkt<br />
E<strong>in</strong>fluss üben können, zählen zu den Adoptern, nicht zu den Rule Makern.<br />
Positionierung als „Rule Breaker“<br />
Zwischen den Rule Markern und den Rule Breakern besteht e<strong>in</strong> Zusammenh<strong>an</strong>g.<br />
Denn um neue Regeln zu formulieren, ist es meistens notwendig alte Regeln zu<br />
brechen. Auch der Rule Breaker braucht e<strong>in</strong>e gewisse Stellung <strong>in</strong> der eigenen<br />
Br<strong>an</strong>che, um se<strong>in</strong>e Position aufrecht zu halten. Allerd<strong>in</strong>gs ist se<strong>in</strong>e Haltung eher<br />
passiver Natur und er verwendet weniger Zeit darauf E<strong>in</strong>fluss auf se<strong>in</strong>e<br />
Bezugsgruppe auszuüben. Mögliche Reaktionen des Rule Breakers auf<br />
Institutionen s<strong>in</strong>d: Vermeiden, Trotzen oder Kompromiss suchen. 347 <strong>Die</strong><br />
Positionierung als Rule Breaker ist empfehlenswert, wenn e<strong>in</strong> Unternehmen<br />
beispielsweise durch äußeren Druck wie Kunden<strong>an</strong>forderung gezwungen wird, auf<br />
e<strong>in</strong>e neue Erfassungstechnologien umzusteigen, obwohl die Technologie ke<strong>in</strong>en<br />
Nutzen im eigenen <strong>Logistik</strong>system erzeugt. Eventuell hat das Unternehmen gerade<br />
e<strong>in</strong> Re-Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g der <strong>Logistik</strong>prozesse durchgeführt und dabei auf e<strong>in</strong>en<br />
<strong>an</strong>deren St<strong>an</strong>dard gesetzt.<br />
347 Vgl. OLIVER (1991).<br />
167
168<br />
Strategische Ebene<br />
Kapitel 6<br />
Entscheidungen auf der strategischen Ebene s<strong>in</strong>d durch Unsicherheit geprägt. Es<br />
geht darum Teile des <strong>Logistik</strong>-Netzwerks herauszugreifen, die für e<strong>in</strong>e Anpassung<br />
der <strong>Visibilität</strong> prädest<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d und für die sich e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gehende<br />
Wirtschaftlichkeitsprüfung lohnt. Abbildung 36 zeigt die wesentlichen<br />
Charakteristika e<strong>in</strong>es <strong>Logistik</strong>netzwerks. <strong>Die</strong>se Darstellung hilft die<br />
<strong>Visibilität</strong>streiber aus Abbildung 32 <strong>in</strong> die Praxis zu übertragen.<br />
Informationsfluss<br />
Güter-<br />
Güter fluss<br />
Kunde/<br />
Bezugsgruppen<br />
Abbildung 36: Charakteristika von <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong><br />
<strong>Die</strong> Art der Güter (vgl. Produktcharakteristika), welche im <strong>Logistik</strong>-Netzwerk<br />
tr<strong>an</strong>sportiert werden, haben unterschiedliche <strong>Visibilität</strong>s<strong>an</strong>forderungen. Güter mit<br />
e<strong>in</strong>em hohen Deckungsbeitrag sprechen <strong>in</strong> der Regel für mehr <strong>Visibilität</strong>. Sie<br />
können die zusätzlichen Kosten leichter decken und s<strong>in</strong>d häufig e<strong>in</strong>er höheren<br />
Schwundgefahr ausgesetzt. Weiterh<strong>in</strong> können Güter, die häufig gefälscht werden<br />
oder die verderblich s<strong>in</strong>d, durch mehr <strong>Visibilität</strong> sicherer durch das <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk geführt werden. Letztendlich geht es darum Güter herauszugreifen,<br />
welche durch e<strong>in</strong>e Besonderheit bereits heute e<strong>in</strong>e spezielle Beh<strong>an</strong>dlung<br />
verl<strong>an</strong>gen. Im Otto-Beispiel wurde die RFID-Pilot<strong>an</strong>wendung für hochwertige<br />
Produkte aufgebaut, die im heutigen Prozess <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em abgesperrten Bereich, dem<br />
so gen<strong>an</strong>nten „Schmuckkäfig“, kommissioniert werden.<br />
Kunden und weitere Bezugsgruppen (vgl. Umfeld) bee<strong>in</strong>flussen den<br />
<strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Visibilität</strong>sgrad. Wenn e<strong>in</strong> H<strong>an</strong>delsunternehmen von se<strong>in</strong>en<br />
Liefer<strong>an</strong>ten verl<strong>an</strong>gt mittels RFID die <strong>Visibilität</strong> im Nachschubprozess zu<br />
erhöhen, d<strong>an</strong>n muss dieser Teil des Netzwerks herausgegriffen werden (vgl.<br />
Metro-Beispiel). E<strong>in</strong>e weitere Bezugsgruppe ist der Gesetzgeber, wenn er durch<br />
gesetzliche Normen auf die Netzwerk-<strong>Visibilität</strong> E<strong>in</strong>fluss nimmt (z. B. die FDA<br />
mit ihrer RFID-Policy, siehe S. 75). Auch Liefer<strong>an</strong>ten haben die Möglichkeit auf<br />
die <strong>Visibilität</strong> des Kunden E<strong>in</strong>fluss zu nehmen, z. B. wenn der Endkunde von
Zusammenfassung und Ausblick<br />
e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>korrekten Beh<strong>an</strong>dlung e<strong>in</strong>es zwischengeschalteten Supply Cha<strong>in</strong> Partners<br />
bedroht ist (z. B. bei Tiefkühlprodukten).<br />
<strong>Die</strong> Art der Güterflüsse (vgl. Prozesscharakteristika) selbst bee<strong>in</strong>flusst den<br />
<strong>an</strong>gemessen <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong>. Grundsätzlich gilt, dass Prozesse, die heute<br />
effizient und sicher ablaufen, ke<strong>in</strong>e zusätzliche <strong>Visibilität</strong> benötigen. Prozesse, die<br />
h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>en hohen m<strong>an</strong>uellen Arbeits<strong>an</strong>teil aufweisen, viele Unsicherheiten<br />
bergen oder sich fortlaufend veränderten Rahmbed<strong>in</strong>gungen <strong>an</strong>passen müssen,<br />
profitieren mehr von e<strong>in</strong>er erhöht <strong>Visibilität</strong>. Gerade m<strong>an</strong>uelle Arbeitsschritte<br />
eigenen sich gut für den E<strong>in</strong>satz von RFID, weil der Lesevorg<strong>an</strong>g beiläufig<br />
geschieht und die Datenerfassung nicht übersprungen werden k<strong>an</strong>n.<br />
Parallellaufende Behälterkreisläufe eignen sich ebenfalls gut für den RFID-<br />
E<strong>in</strong>satz, weil die Investition <strong>in</strong> Tr<strong>an</strong>sponder durch den geschlossenen Kreislauf<br />
nur e<strong>in</strong>mal getätigt werden muss.<br />
<strong>Der</strong> Informationsfluss (vgl. Anwendungskonzept), der dem Güterfluss vorauseilt<br />
bzw. ihn begleitet, k<strong>an</strong>n nach mehr oder weniger <strong>Visibilität</strong> verl<strong>an</strong>gen. <strong>Die</strong>s hängt<br />
von der Anwendungslogik des implementierten Konzepts ab. Beispielsweise k<strong>an</strong>n<br />
e<strong>in</strong> H<strong>an</strong>delsunternehmen die ihm gelieferten Waren genau zu dem Zeitpunkt<br />
gutschreiben, zu dem es sie weiterverkauft. <strong>Die</strong>se Geschäftslogik verl<strong>an</strong>gt nach<br />
e<strong>in</strong>er genauen Datenerfassung <strong>an</strong> der Verkaufstelle mit der exakten<br />
Artikelbezeichnung. Durch moderne Sc<strong>an</strong>ner-Kassen am Po<strong>in</strong>t-of-Sale ist dieses<br />
<strong>Visibilität</strong>sniveau bei fast allen H<strong>an</strong>delsunternehmen Realität. Andere<br />
Anwendungslogiken wie beispielsweise das Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement verl<strong>an</strong>gen<br />
nach mehr <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> vorgelagerten Bereichen.<br />
Operative Ebene<br />
Wenn entschieden wurde, welchen Nutzen die zusätzliche <strong>Visibilität</strong> im <strong>Logistik</strong>-<br />
Netzwerk br<strong>in</strong>gen soll, d<strong>an</strong>n wird auf der operativen Ebene e<strong>in</strong> passender Bus<strong>in</strong>ess<br />
Case gerechnet. Dabei muss beachtet werden, dass es ke<strong>in</strong>en generischen Bus<strong>in</strong>ess<br />
Case für RFID oder e<strong>in</strong>e vergleichbare Auto-ID Technologie gibt. 348 Jedes<br />
Unternehmen muss für sich selbst Kosten- und Nutzen-Kategorien def<strong>in</strong>ieren.<br />
<strong>Die</strong> Forschungsarbeit hat durchgehend den Faktor <strong>Visibilität</strong> hervorgehoben, der<br />
durch den E<strong>in</strong>satz von <strong>in</strong>novativen Auto-ID Technologien bee<strong>in</strong>flusst werden<br />
348 Vgl. TELLKAMP (2005) S. 216.<br />
169
170<br />
Kapitel 6<br />
k<strong>an</strong>n. Deshalb wird <strong>an</strong> dieser Stelle die Anregung gegeben, <strong>Visibilität</strong> als zentrales<br />
Element im Bus<strong>in</strong>ess Case zu verwenden. Durch <strong>Visibilität</strong> lassen sich Kosten und<br />
Nutzen ged<strong>an</strong>klich trennen (vgl. Abbildung 37).<br />
<strong>Logistik</strong>-<br />
M<strong>an</strong>agement<br />
<strong>Visibilität</strong><br />
Technologie<br />
nutzt<br />
schafft<br />
Abbildung 37: <strong>Visibilität</strong> im Zentrum der Wirtschaftlichkeitsrechnung<br />
<strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement nutzt <strong>Visibilität</strong>: Das <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement zieht den<br />
Nutzen aus der <strong>Visibilität</strong>, <strong>in</strong>dem es e<strong>in</strong>e bestimmte Anwendungslogik umsetzt.<br />
<strong>Die</strong>se k<strong>an</strong>n beispielsweise Supply Cha<strong>in</strong> Event M<strong>an</strong>agement, Track<strong>in</strong>g&Trac<strong>in</strong>g<br />
oder Cool Cha<strong>in</strong> M<strong>an</strong>agement se<strong>in</strong>. Wenn die Anwendungslogik bek<strong>an</strong>nt ist, d<strong>an</strong>n<br />
existiert auch e<strong>in</strong>e Vorstellung über den möglichen Prozess und daraus lässt sich<br />
ableiten, welche physischen Ereignisse erfasst und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Datenstruktur<br />
gespeichert werden sollen. Im Kern ist die <strong>Visibilität</strong> nichts <strong>an</strong>deres als diese<br />
erfassten und gespeicherten Datensätze.<br />
Technologie schafft <strong>Visibilität</strong>: <strong>Der</strong> qu<strong>an</strong>tifizierte <strong>Visibilität</strong>sgrad ist e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>g<strong>an</strong>gsgröße für die Kosten der <strong>Visibilität</strong> schaffenden Technologie. <strong>Die</strong> Anzahl<br />
der Lesestellen ist gleichzusetzen mit der Anzahl der zu <strong>in</strong>stallierenden<br />
Lesegeräte. <strong>Die</strong> ausgezeichnete Ladungsträgerebene zeigt <strong>an</strong>, wie viele Etiketten<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitraum verwendet werden müssen. Dabei hängt die<br />
Auswirkung dieser Kostentreiber stark von der e<strong>in</strong>gesetzten Technologie ab.<br />
Grenzen der <strong>Visibilität</strong>sperspektive im Bus<strong>in</strong>ess Case:<br />
• E<strong>in</strong>e effizientere Datenerfassung bei gleicher <strong>Visibilität</strong> wird nicht<br />
berücksichtigt.
Zusammenfassung und Ausblick<br />
• Tr<strong>an</strong>sformationseffekte lassen sich schwer beschreiben. <strong>Die</strong> <strong>Visibilität</strong>s-<br />
grade des alten und des neuen Prozesses beruhen auf unterschiedlichen<br />
Grundlagen.<br />
6.3 Wissenschaftlicher Erkenntnisbeitrag<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit orientiert sich <strong>an</strong> der von SCHNEIDER 349<br />
vorgeschlagenen Theoriedef<strong>in</strong>ition, nach der Theorien testbare Strukturkerne e<strong>in</strong>er<br />
Problemlösungsidee s<strong>in</strong>d. Aus dieser Def<strong>in</strong>ition ergibt sich e<strong>in</strong>e Reihe von<br />
Anforderungen, denen theoretische Ergebnisse genügen müssen, um als<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisbeitrag klassifiziert werden zu können:<br />
1. <strong>Die</strong> Existenz e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Problemstellung, d. h. die<br />
beabsichtigte Suche e<strong>in</strong>er Lösungsidee zu Fragen aus der Wirklichkeit.<br />
2. E<strong>in</strong> vollständig formulierter Strukturkern, der sämtliche Begriffe und<br />
Begriffsbeziehungen aus den Fragen und der Lösungsidee e<strong>in</strong>deutig<br />
def<strong>in</strong>iert.<br />
3. E<strong>in</strong> Musterbeispiel als erfolgreiche Anwendung des Strukturkerns auf<br />
Fragen aus der Wirklichkeit.<br />
<strong>Die</strong> Erforschung von <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
jungen, fluiden Phase, sodass die Forschungsergebnisse <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie zur<br />
Theoriebildung beitragen. Im Rahmen der Forschungsarbeit wurden im<br />
Wesentlichen zwei Theoriebauste<strong>in</strong>e entwickelt:<br />
Def<strong>in</strong>ition von <strong>Visibilität</strong> im Kontext der Auto-ID Technologien<br />
Problemstellung: Innovative Auto-ID Technologien erhöhen die <strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong><br />
171<br />
<strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> und schaffen Nutzen für das <strong>Logistik</strong>-<br />
M<strong>an</strong>agement. Um zu klären, wie sich dieser Nutzen entfalten<br />
k<strong>an</strong>n, ist es notwendig <strong>Visibilität</strong> im S<strong>in</strong>ne der „Supply Cha<strong>in</strong><br />
Inventory Visibility“ 350 klar zu def<strong>in</strong>ieren.<br />
Strukturkern: <strong>Die</strong> Arbeit hat e<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>zheitliche, qualitative Def<strong>in</strong>ition von<br />
349 SCHNEIDER (1981) S. 41.<br />
<strong>Visibilität</strong> hervorgebracht, <strong>in</strong> dem sie fünf verschiedene<br />
350 Vgl. OTTO/KOTZAB (2003), WOODS (2003), WOODS (2002), MCFARLANE/SHEFFI (2003) und<br />
LANDERS/COLE (2000).
172<br />
Kapitel 6<br />
Perspektiven von <strong>Visibilität</strong> untersucht: Datengr<strong>an</strong>ularität,<br />
sem<strong>an</strong>tische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung, <strong>Visibilität</strong>ssichten, Echtzeitfähigkeit<br />
und Datenqualität (siehe Kapitel 2.3). Des Weiteren wird der<br />
<strong>Visibilität</strong>sbegriff operationalisiert, wodurch e<strong>in</strong> messbarer<br />
<strong>Visibilität</strong>sgrad entsteht (siehe Kapitel 5.3.1).<br />
Musterbeispiele: In den Fallbeispielen „<strong>Visibilität</strong> <strong>in</strong> der logistischen Praxis“ wird<br />
die <strong>Visibilität</strong>sdef<strong>in</strong>ition als Grundlage für die „with<strong>in</strong> case“<br />
Analyse verwendet. <strong>Die</strong> Operationalisierung vere<strong>in</strong>facht u. a. die<br />
„cross case“ Analyse (siehe Tabelle 13).<br />
G<strong>an</strong>zheitliches Erklärungsmodell zum <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> <strong>Visibilität</strong><br />
Problemstellung: Es k<strong>an</strong>n nicht davon ausgeg<strong>an</strong>gen werden, dass das <strong>Logistik</strong>-<br />
M<strong>an</strong>agement von jeder <strong>Visibilität</strong>serhöhung im Netzwerk<br />
profitiert. Vielmehr muss es e<strong>in</strong>en <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Grad</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Visibilität</strong> geben, <strong>an</strong> dem sich der Nutzen als maximal darstellt.<br />
Strukturkern: Das g<strong>an</strong>zheitliche Erklärungsmodell (siehe Abbildung 34) stellt<br />
die normativen, strategischen und operativen Aspekte zum<br />
Erreichen e<strong>in</strong>es <strong><strong>an</strong>gemessene</strong>n <strong>Visibilität</strong>sgrades heraus und<br />
erklärt deren Zusammenh<strong>an</strong>g.<br />
Musterbeispiele: <strong>Die</strong> Empirie aus Kapitel 4 hat die praktische Basis für die<br />
Entwicklung des Erklärungsmodells geliefert. Im<br />
Umkehrschluss werden die Erkenntnisse des Modells <strong>an</strong> fünf<br />
Beispielen bestätigt.<br />
Neben der Entwicklung von eigenen Theoriebauste<strong>in</strong>en können aus der<br />
Forschungsarbeit H<strong>in</strong>weise abgeleitet werden, wie die verwendeten M<strong>an</strong>agement-<br />
Theorien erweitert werden können.<br />
Institutionalistische Ansätze der Org<strong>an</strong>isationstheorien<br />
<strong>Die</strong> „Institutional Theory“ wird <strong>in</strong> der vorliegenden Forschungsarbeit verwendet,<br />
um zu <strong>an</strong>alysieren, wie e<strong>in</strong> bestimmter <strong>Visibilität</strong>sgrad vom Umfeld der<br />
Org<strong>an</strong>isation legitimiert wird. <strong>Der</strong> Theoriezweig „Institutional Entrepreneurship“<br />
hilft die Zielsetzungen und H<strong>an</strong>dlungsweisen von RFID-Vorreitern zu verstehen.<br />
<strong>Die</strong> kritische Würdigung ist das Ergebnis der Anwendung:
Zusammenfassung und Ausblick<br />
• <strong>Die</strong> Def<strong>in</strong>ition von Institutionen als Regeln, Erwartungen und<br />
Anforderungen <strong>in</strong> der Umwelt der Org<strong>an</strong>isation 351 lässt sich schwer auf den<br />
konkreten Fall übertragen. <strong>Der</strong> Bedarf nach weiteren Möglichkeiten der<br />
Operationalisierung ist erkennbar. Ebenso ist der Prozess der<br />
Institutionalisierung trotz des Theoriezweigs „Institutional<br />
Entrepreneurship“ weitaus weniger erforscht wie die Verbreitung von<br />
Institutionen durch Isomorphismus. 352<br />
• Im Bereich Institutional Entrepreneurship profitiert die praktische<br />
Anwendung, wenn die zentralen Elemente Interesse und Macht des<br />
Entrepreneurs sowie der <strong>Grad</strong> <strong>an</strong> Legitimität von Institutionen genauer<br />
gefasst werden. E<strong>in</strong>e weiterreichende Operationalisierung hilft den aktiven<br />
E<strong>in</strong>fluss des Entrepreneurs auf den Prozess der Institutionalisierung im<br />
konkreten Fall besser zu verstehen. 353<br />
• <strong>Die</strong> betriebswirtschaftliche Praxis verl<strong>an</strong>gt neben dem Verständnis von<br />
Institutionen und deren Wirkungsweisen auch nach H<strong>an</strong>dlungs-<br />
empfehlungen. In der theoretischen Diskussion wird hier immer wieder auf<br />
OLIVER 354 verwiesen, die fünf Möglichkeiten – Erdulden, Kompromiss,<br />
Vermeiden, Trotzen und M<strong>an</strong>ipulieren – herausgearbeitet hat, wie e<strong>in</strong>e<br />
Org<strong>an</strong>isation auf <strong>in</strong>stitutionellen Druck reagieren k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong>se Thesen<br />
lassen sich noch griffiger für die Praxis aufarbeiten und die hier<br />
entworfenen H<strong>an</strong>dlungsempfehlungen – Positionierung als Rule Maker,<br />
Adopter oder Rule Breaker – sollen <strong>an</strong> dieser Stelle e<strong>in</strong>en Beitrag leisten.<br />
Systemtheorie<br />
Das <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement ist durch se<strong>in</strong>en g<strong>an</strong>zheitlichen und unternehmens-<br />
übergreifenden Ansatz 355 prädest<strong>in</strong>iert für die Anwendung der Systemtheorie.<br />
Dennoch gibt es wenige Arbeiten, welche sich mit der Komplexität von<br />
<strong>Logistik</strong>systemen beschäftigen und im S<strong>in</strong>ne der Theorie Komplexität<br />
351 DiMAGGIO/POWELL (1991).<br />
352 Vgl. SEO/CREED (2002).<br />
353 Vgl. GARUD/JAIN/KUMARASWAMY (2002) S. 210.<br />
354 OLIVER (1991).<br />
355 Vgl. <strong>Logistik</strong>-Def<strong>in</strong>ition der Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>Logistik</strong> e.V. unter: http://www.bvl.de/67_1,<br />
Zugriff am 25.10.2005.<br />
173
174<br />
Kapitel 6<br />
beherrschbar machen, <strong>an</strong>statt sie zu reduzieren. Im Produktionsm<strong>an</strong>agement hat<br />
sich im deutschsprachigen Raum vor allem SCHUH 356 hervorget<strong>an</strong> und Arbeiten<br />
zum Komplexitätsm<strong>an</strong>agement veröffentlicht. <strong>Die</strong> Ansätze lassen sich <strong>in</strong> weiten<br />
Teilen auf die <strong>Logistik</strong> übertragen. <strong>Der</strong> Ursprung für Komplexität wird auf e<strong>in</strong>e<br />
große Anzahl <strong>an</strong> Produktvari<strong>an</strong>ten zurückgeführt. <strong>Die</strong>ser Ansatz k<strong>an</strong>n <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong><br />
und Produktion durch sozialwissenschaftlich geprägte M<strong>an</strong>agementsichtweisen<br />
ergänzt werden.<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die Komplexität von logistischen<br />
Aufgabenstellungen untersucht, um daraus <strong>Visibilität</strong>streiber abzuleiten. Das<br />
Grundkonzept ist dabei die Komplexität als Vari<strong>an</strong>tenreichtum zu def<strong>in</strong>ieren.<br />
Insgesamt würde die Anwendung der Systemtheorie <strong>in</strong> der <strong>Logistik</strong> jedoch<br />
profitieren, wenn e<strong>in</strong> weiter gefasster Komplexitätsbegriff zu Grunde gelegt wird.<br />
So bezeichnen GOMEZ/PROBST 357 Aufgaben, die beispielsweise im Operations<br />
Research oder bei technischen Fragestellungen auftreten und die z. T. nur mit<br />
höherer Mathematik gelöst werden können, als kompliziert und nicht als komplex,<br />
weil die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen klar vorgegeben s<strong>in</strong>d und ke<strong>in</strong>e Unsicherheiten<br />
bestehen. Komplex wird e<strong>in</strong>e M<strong>an</strong>agementaufgabe, wenn sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
dynamischen Umfeld zulösen ist und wenn Unsicherheit die Situation kenn-<br />
zeichnet. E<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Sichtweise von Komplexität bietet MUSÈS, 358 darauf<br />
basierend können drei Arten von Komplexität identifiziert werden:<br />
1. Natürliche Komplexität als e<strong>in</strong>e überabzählbare Größe, die durch unstete<br />
Iterationen der Natur (z. B. Fortpfl<strong>an</strong>zung von Lebewesen) entsteht.<br />
2. Komplexität als vom Menschen erdachte Vari<strong>an</strong>tenvielfalt.<br />
3. Komplexität als „Überkompliziertheit“ und menschliche Überforderung.<br />
6.4 Mögliche Entwicklungspfade von RFID<br />
Steigende Anforderungen im <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement und fallende Kosten für Auto-<br />
ID Systeme werden den <strong>Visibilität</strong>sgrad <strong>in</strong> <strong>Logistik</strong>-<strong>Netzwerken</strong> erhöhen. <strong>Die</strong>ser<br />
Tr<strong>an</strong>sformationsprozess ist eng mit der Ausbreitung von RFID verknüpft. Dabei<br />
lässt sich der Entwicklungspfad von RFID aus unterschiedlichen Sichtweisen<br />
356 Siehe u. a. SCHUH/SCHWENK (2005), SCHUH/WIENDAHL (1997) und<br />
http://www.schuh-komplexitaetsm<strong>an</strong>agement.com, Zugriff am 25.10.2005.<br />
357 GOMEZ/PROBST (1999) S. 14ff.<br />
358 In Anlehnung <strong>an</strong> MUSÈS (2000) S. 963f.
Zusammenfassung und Ausblick<br />
beschreiben. An dieser Stelle werden e<strong>in</strong>e technologische und e<strong>in</strong>e soziale 359<br />
Sichtweise vorgestellt. H<strong>in</strong>zu kommt e<strong>in</strong>e Überlegung, wie das Ende des<br />
Entwicklungspfads aussehen könnte.<br />
Technologische Verbreitung von RFID<br />
Das Diffusionsmodell von STRASSNER/FLEISCH 360 beschreibt die Ausbreitung<br />
von RFID <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von drei Dimensionen (siehe Abbildung 38). Es sieht den<br />
Startpunkt für RFID-Anwendungen bei geschlossenen <strong>Logistik</strong>systemen, <strong>in</strong> denen<br />
Ladungsträger mit A-Ressourcen verfolgt werden. E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e solche<br />
Anwendung ist die RFID unterstützte Verfolgung von Spezialgestellen bei<br />
Volkswagen. Mit den Gestellen werden Pressteile des Modells Golf V<br />
tr<strong>an</strong>sportiert. <strong>Die</strong> Zielsetzung ist e<strong>in</strong>e Beschleunigung des Behälterumlaufs, e<strong>in</strong>e<br />
Reduzierung des Behälterbest<strong>an</strong>ds und die Beschleunigung von Suchvorgängen.<br />
<strong>Die</strong> beteiligten Org<strong>an</strong>isationse<strong>in</strong>heiten gehören alle dem Volkswagen Konzern<br />
<strong>an</strong>. 361<br />
Laut dem Modell gibt es nun drei Stossrichtungen, die aufzeigen welche Arten<br />
von Anwendungen als nächstes umgesetzt werden. E<strong>in</strong>e Dimension ist die<br />
Ladungsträgerebene, also statt der Spezialgestelle würden nun beispielsweise die<br />
Pressteile selber verfolgt. <strong>Die</strong> zweite Dimension ist die Wertigkeit der Ressourcen,<br />
also statt der A-Ressource Spezialgestell/Pressteil würden nun Teile mit e<strong>in</strong>em<br />
ger<strong>in</strong>geren Wert verfolgt. <strong>Die</strong> dritte Dimension ist der Prozessablauf. Im<br />
Volkswagenbeispiel gibt es e<strong>in</strong>en geschlossen Behälterkreislauf. E<strong>in</strong>e Erweiterung<br />
wäre die RFID-Ausstattung e<strong>in</strong>es offenen, unternehmensübergreifenden<br />
Palettenpools.<br />
359 Sozial im S<strong>in</strong>ne soziologisch-wertneutral ("gesellschaftlich").<br />
360 STRASSNER/FLEISCH (2005).<br />
361 STRASSNER (2005).<br />
175
176<br />
Abbildung 38: Diffusion von RFID-Systemen 362<br />
Kapitel 6<br />
<strong>Die</strong> <strong>in</strong> der vorliegenden Arbeit identifizierten <strong>Visibilität</strong>streiber,<br />
Anwendungskonzept, Umfeld, Produkt- und Prozesscharakteristika, geben<br />
H<strong>in</strong>weise wie das Diffusionsmodell erweitert werden k<strong>an</strong>n. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>teilung der<br />
Ressourcen <strong>in</strong> A-, B- und C-Teile k<strong>an</strong>n z. B. auf der Basis der<br />
visibilitätsrelev<strong>an</strong>ten Produktcharakteristika vorgenommen werden. Produkte, die<br />
e<strong>in</strong>er großen <strong>Die</strong>bstahl- oder Fälschungsgefahr ausgesetzt s<strong>in</strong>d, oder leicht<br />
verderbliche Waren werden d<strong>an</strong>n immer zu den A-Teilen gezählt.<br />
Andererseits spiegelt das Modell sehr stark die Sichtweise e<strong>in</strong>es OEM (Orig<strong>in</strong>al<br />
Equipment M<strong>an</strong>ufacturer) <strong>in</strong> der Automobil<strong>in</strong>dustrie wider. Se<strong>in</strong>e kollaborativen<br />
RFID-Anwendungen, die er zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt umsetzt, s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong><br />
Zulieferunternehmen eventuell die ersten Kontakte mit der Technologie. <strong>Der</strong><br />
Entwicklungspfad des Zulieferers führt d<strong>an</strong>n von der kollaborativen Anwendung<br />
zu lokalen Systemen. <strong>Der</strong> <strong>Visibilität</strong>streiber „Umfeld“ beschreibt diese Situation<br />
auf e<strong>in</strong>e <strong>an</strong>dere Art und Weise.<br />
362 Vgl. STRASSNER/FLEISCH (2005) S. 52.
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Letztendlich ist es sehr schwierig e<strong>in</strong> br<strong>an</strong>chenübergreifendes, allgeme<strong>in</strong>gültiges<br />
Diffusionsmodell aufzubauen. Fest steht allerd<strong>in</strong>gs, dass im Zeitverlauf<br />
zunehmend Objekte mit RFID gekennzeichnet werden und dass immer mehr<br />
Lesegeräte zum E<strong>in</strong>satz kommen.<br />
Soziale Verbreitung von RFID<br />
<strong>Die</strong> Ausbreitung e<strong>in</strong>er Technologie ist nicht alle<strong>in</strong>e von der technischen Reife<br />
abhängig, sondern auch von der E<strong>in</strong>stellung der Öffentlichkeit gegenüber den<br />
neuen technischen Möglichkeiten. E<strong>in</strong> Modell, das die soziale Verbreitung von<br />
RFID beschreiben k<strong>an</strong>n, ist der Hype Cycle von Gartner.<br />
Abbildung 39 zeigt die Hype Kurve <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Koord<strong>in</strong>atensystem, das durch die<br />
Dimensionen Visibility und Maturity aufgesp<strong>an</strong>nt wird. Mit Visibility ist hier die<br />
Sichtbarkeit e<strong>in</strong>er Technologie <strong>in</strong> der öffentlichen Diskussion geme<strong>in</strong>t. <strong>Die</strong><br />
Abszisse beschreibt den zeitlichen Verlauf, <strong>in</strong> dem die Technologie <strong>an</strong> Reife<br />
gew<strong>in</strong>nt. Es werden fünf Phasen unterschieden: 363<br />
• Technology Trigger: E<strong>in</strong> technologischer Durchbruch, e<strong>in</strong> Produktstart<br />
oder e<strong>in</strong> ähnliches Ereignis sorgen für großes mediales Interesse.<br />
• Peak of Inflated Expectations: Ausgelöst von Presseberichten und zu<br />
optimistischen Versprechen der Technologie<strong>an</strong>bieter entsteht e<strong>in</strong>e<br />
übertriebene Erwartungshaltung, sodass die Technologie die größte<br />
Sichtbarkeit <strong>in</strong> der öffentlichen Diskussion erreicht.<br />
• Trough of Disillusionment: Weil die Technologie die übertriebene<br />
Erwartungshaltung nicht erfüllen k<strong>an</strong>n, kommt sie aus der Mode. Es wird<br />
vor ihr gewarnt.<br />
• Slope of Enlightenment: Durch konzentrierte Arbeit entsteht e<strong>in</strong><br />
realistisches Verständnis der wirklichen Vorteile und Risiken der neuen<br />
Technologie. Solide kommerzielle Angebote kommen auf<br />
(Marktdurchdr<strong>in</strong>gung 5-20%).<br />
• Plateau of Productivity: <strong>Der</strong> realistisch erreichbare Nutzen der<br />
Technologie ist demonstriert und weith<strong>in</strong> akzeptiert. Das Produkt tritt <strong>in</strong> die<br />
Wachstumsphase und die breite Adaption tritt e<strong>in</strong>.<br />
363 FENN/LINDEN (2005b).<br />
177
178<br />
Abbildung 39: <strong>Die</strong> Gartner Hype Kurve 364<br />
Kapitel 6<br />
Seit 1995 gibt Gartner jedes Jahr Hype Cycle Reports aus, <strong>in</strong> denen der<br />
Informationsdienstleister aufstrebende Technologien auf der Kurve positioniert.<br />
Für das Jahr 2005 hat Gartner auf dem „Hype Cycle for Emerg<strong>in</strong>g Technologies“<br />
die passive RFID-Technologie im „Tal der Tränen“ (Trough of Disillusionment)<br />
positioniert. 365 <strong>Die</strong> Positionierung bedeutet, dass bezüglich RFID bereits<br />
übertriebene Erwartungen best<strong>an</strong>den, die nicht erfüllt wurden konnten, wodurch<br />
das Thema als nicht mehr aktuell <strong>an</strong>gesehen wird. Weil diese Interpretation die<br />
Realität sehr stark vere<strong>in</strong>facht, gibt es von Gartner e<strong>in</strong>en speziellen RFID Hype<br />
Cycle Report, der spezifische RFID-Anwendungen im Detail untersucht und<br />
entl<strong>an</strong>g der Kurve <strong>an</strong>ordnet. Beispielsweise bef<strong>in</strong>den sich militärische<br />
Anwendungen im „Plateau of Productivity“, RFID-Bezahlsysteme im „Trough of<br />
Disillusionment“ und die EPC Informationsdienste noch vor dem Peak. 366<br />
Bei der Positionierung e<strong>in</strong>er Technologie auf der Hype Kurve können subjektive<br />
E<strong>in</strong>schätzungen nicht ausgeschlossen werden. Allerd<strong>in</strong>gs geht es nicht um e<strong>in</strong>e<br />
364 FENN/LINDEN (2005b).<br />
365 FENN/LINDEN (2005a).<br />
366 WOODS/PISZCZALSKI/DAVISON (2005).
Zusammenfassung und Ausblick<br />
mathematisch genaue Abbildung der Realität, sondern um e<strong>in</strong> Hilfsmittel für<br />
Entscheidungsträger <strong>in</strong> der Praxis. <strong>Die</strong> Qu<strong>in</strong>tessenz ist, dass Unternehmen nicht <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Technologie <strong>in</strong>vestieren sollen, nur weil sie „<strong>in</strong>“ ist, und dass sie e<strong>in</strong>e<br />
Investition auch nicht unterlassen sollen, nur weil die Technologie „out“ ist.<br />
<strong>Die</strong>ser H<strong>in</strong>weis lässt auch aus weiter zurückreichenden Erkenntnissen von<br />
SCHUMPETER ableiteten. Er beobachtete, dass überzogene Spekulationen<br />
normalerweise am Anf<strong>an</strong>g e<strong>in</strong>er neuen Technologie auftreten, wenn das<br />
Nutzenpotenzial überschätzt wird und zuviel Kapital <strong>in</strong> die unternehmerischen<br />
Vorhaben fließt. 367<br />
Zukunft von RFID als Infrastrukturtechnologie<br />
Im Jahr 2003 ist e<strong>in</strong> viel beachteter Artikel im Harvard Bus<strong>in</strong>ess Review mit dem<br />
Titel „IT Doesn't Matter“ erschienen. CARR 368 attestiert, dass die<br />
Informationstechnologie (IT) am Ende ihres Wachstumszyklus <strong>an</strong>gel<strong>an</strong>gt ist und<br />
begründet dies u. a. mit der geplatzten Investitionsblase. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d die<br />
Preise so stark gefallen, dass heute die meisten Bedürfnisse der Geschäftswelt<br />
erfüllt werden. Das Internet als maßgebliche Infrastruktur der wirtschaftlichen<br />
Vernetzung ist für die meisten Geschäfts<strong>an</strong>wendungen bereits schnell genug. IT<br />
muss heute als Infrastrukturtechnologie betrachtet werden, denn die Entwicklung<br />
ist durchaus mit <strong>an</strong>deren Infrastrukturen wie dem Strom- oder Schienennetz<br />
vergleichbar. Heute hat ke<strong>in</strong> Unternehmen e<strong>in</strong>en Wettbewerbsvorteil, weil es <strong>an</strong><br />
das Stromnetz <strong>an</strong>geschlossen ist. Auf der <strong>an</strong>deren Seite k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> Ausfall der<br />
Stromversorgung empf<strong>in</strong>dliche Folgen haben. Ähnlich sieht CARR die Rolle der<br />
IT heute. Unternehmen können heute mit IT kaum Wettbewerbsvorteile erzielen.<br />
Sie sollten stattdessen genau auf die Kosten sowie auf Ausfallsicherheit achten. Es<br />
ist besser e<strong>in</strong>en Technologiezyklus abzuwarten und Ersatz<strong>in</strong>vestitionen zu<br />
verzögern.<br />
Was bedeutet diese Erkenntnis für RFID? <strong>Die</strong> Technologie ist noch am Anf<strong>an</strong>g<br />
ihres Wachstumszyklus, sodass sich aggressive Unternehmen mit den richtigen<br />
Anwendungen e<strong>in</strong>en Wettbewerbsvorteil erarbeiten können: „RFID does matter.“<br />
Allerd<strong>in</strong>gs sollte dabei der „Technology Replication Cycle“ 369 beachtet werden,<br />
367 SCHUMPETER (1939).<br />
368 CARR (2003).<br />
369 CARR (2004) S. 78.<br />
179
180<br />
Kapitel 6<br />
also die Zeit, welche der Wettbewerb braucht, um e<strong>in</strong>e Technologie zu kopieren.<br />
Gerade durch den <strong>in</strong>ternationalen St<strong>an</strong>dard EPC k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e „Commoditization“<br />
schnell e<strong>in</strong>treten. Proprietäre Anwendungen s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen besser vor dem<br />
Wettbewerb geschützt.<br />
Wenn IT zunehmend als Infrastrukturtechnologie wahrgenommen wird, d<strong>an</strong>n<br />
werden die Anwender RFID am Ende des Entwicklungspfads ebenfalls als<br />
notwendige Infrastruktur <strong>an</strong>sehen. <strong>Die</strong>s muss für RFID-Anbieter nicht negativ<br />
se<strong>in</strong>, denn das Geschäft mit Infrastrukturtechnologien ist e<strong>in</strong> Massengeschäft mit<br />
hohen Umsätzen. In dem Fall erübrigt sich auch die Frage nach dem RFID<br />
Bus<strong>in</strong>ess Case, weil Infrastruktur e<strong>in</strong>fach gebraucht wird und zwar <strong>in</strong><br />
ausreichender Qualität, zu den günstigsten Konditionen. Ähnlich wie heute <strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>em Unternehmen e<strong>in</strong> Bus<strong>in</strong>ess Case für E-Mail existiert, werden<br />
Unternehmen zukünftig auf RFID umstellen und dabei nur auf die Kosten<br />
schauen, weil sie den Nutzen für selbstverständlich halten. Heute ist die<br />
Entwicklung jedoch noch nicht so weit und der positive RFID Bus<strong>in</strong>ess Case stellt<br />
<strong>in</strong> vielen Bereichen e<strong>in</strong>e große Herausforderung dar. Erst d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n die<br />
Technologie <strong>in</strong> die Wachstumsphase e<strong>in</strong>treten.
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Lebenslauf<br />
Zur Person<br />
Geboren am 23. Juni 1973 <strong>in</strong> Bonn, Nationalität: Deutsch<br />
Verheiratet, 1 K<strong>in</strong>d<br />
Ausbildung<br />
01/2003 – heute Universität St.Gallen<br />
Doktoratsstudium der Betriebswirtschaftslehre<br />
10/1994 – 11/2000 Technische Universität Darmstadt<br />
Diplom <strong>in</strong> Wirtschafts<strong>in</strong>formatik<br />
08/1997 – 12/1997 Universidad Católica Argent<strong>in</strong>a, Buenos Aires<br />
E<strong>in</strong>semestriges Austauschprogramm<br />
07/1985 – 06/1993 Ricarda-Huch-Gymnasium, Dreieich<br />
Abitur<br />
08/1990 – 06/1991 Fullbright Stipendium<br />
Austauschschüler <strong>an</strong> der Pocatello High School, USA<br />
Berufserfahrung<br />
01/2003 – heute Kühne-Institut für <strong>Logistik</strong> <strong>an</strong> der Universität St.Gallen<br />
Forschungsassistent am Lehrstuhl für <strong>Logistik</strong>-M<strong>an</strong>agement<br />
03/2001 – 11/2002 Booz Allen Hamilton GmbH<br />
Senior Consult<strong>an</strong>t