VdK-RhPfalz_JuliAug_2023
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Verbraucher<br />
Zeitung Juli/August <strong>2023</strong><br />
23<br />
Im Ernstfall besser informiert<br />
Neues Register bietet Polizei und Feuerwehr Hinweise zu Menschen mit Beeinträchtigungen am Einsatzort<br />
Rettungskräfte wissen bei einem<br />
Einsatz häufig nicht, ob und wo<br />
sich dort besonders hilfebedürftige<br />
Personen befinden. Seit Oktober<br />
2022 gibt es ein spezielles<br />
Notfallregister, das diese manchmal<br />
lebenswichtigen Informationen<br />
sammelt und bereithält. Der<br />
Eintrag ist kostenfrei.<br />
Es brennt. Über Lautsprecher<br />
fordert die Feuerwehr die Hausbewohnerinnen<br />
und -bewohner<br />
auf, das Gebäude umgehend zu<br />
verlassen. Im zweiten Stock wohnt<br />
eine gehörlose Frau. Die Durchsage<br />
erreicht sie nicht. Zwei Stockwerke<br />
über ihr ist vor Kurzem ein<br />
älterer Herr eingezogen, der sich<br />
beim Gehen auf einen Rollator<br />
stützt. Mit dem Aufzug gelangt er<br />
normalerweise ohne Probleme von<br />
unten in seine Wohnung und umgekehrt.<br />
Jetzt, im Brandfall, darf er<br />
den Fahrstuhl nicht benutzen. Die<br />
Treppe schafft er nicht allein.<br />
Das sind nur zwei Beispiele dafür,<br />
dass auf Menschen mit Beeinträchtigungen<br />
im Not- oder Katastrophenfall<br />
besonders geachtet<br />
werden muss, weil sie die herkömmlichen<br />
Rettungswege aus<br />
vielerlei Gründen nicht nutzen<br />
können. Noch dramatischer wird<br />
es, wenn der Strom in einem<br />
Stadtviertel oder Wohnblock ausfällt<br />
und sich dort ein Dialysezentrum<br />
befindet oder schwerstkranke<br />
Menschen leben, die<br />
künstlich beatmet werden müssen.<br />
Eine Unterbrechung der<br />
Wissen Rettungskräfte bei einem Notfall, wo sich im Gebäude hilfebedürftige Menschen befinden, können sie<br />
diesen besser helfen. <br />
Foto: picture alliance/BeckerBredel<br />
Stromversorgung nur für Minuten<br />
kann tödlich sein.<br />
Kostenfreie Registrierung<br />
Das brachte ehren- und<br />
hauptamtliche Katastrophenschützer<br />
auf die Idee, ein sogenanntes<br />
„Notfallregister“ einzurichten.<br />
Dort können sich sowohl<br />
Bürgerinnen und Bürger als auch<br />
medizinische oder pflegerische<br />
Einrichtungen aufnehmen lassen,<br />
die im Ernstfall besondere Unterstützung<br />
und Maßnahmen zu ihrer<br />
Sicherheit benötigen. In dem<br />
Register werden zum Beispiel Informationen<br />
zur Person, Erreichbarkeit,<br />
Wohnsituation, Medikamenteneinnahme<br />
oder ein Notfallkontakt<br />
gespeichert. Die<br />
Registrierung ist kostenfrei. Allerdings<br />
sind mit dem Eintrag keinerlei<br />
Rechte verbunden, zum Beispiel<br />
als Erster oder Erste gerettet<br />
zu werden. Behörden und Einsatzkräfte<br />
entscheiden stets in der Situation<br />
und nach eigenem Ermessen,<br />
wie die Rettungsmaßnahmen<br />
ablaufen.<br />
Doch mithilfe des Notfallregisters<br />
können sie sich vorab informieren.<br />
Sollte bei Gefahr die<br />
Evakuierung eines Hauses notwendig<br />
werden oder der Strom in<br />
einer Straße ausfallen, kann die<br />
Leitstelle entweder die konkrete<br />
Adresse oder einen größeren Ortsbereich<br />
eingeben. Die Abfrage<br />
liefert Informationen darüber, ob<br />
dort Personen mit gesundheitlichen<br />
Einschränkungen leben oder<br />
Einrichtungen angesiedelt sind,<br />
die als Erstes angesteuert werden<br />
sollten, um Leben zu retten.<br />
Nur registrierte und geprüfte<br />
Leitstellen von Feuerwehr, Polizei<br />
und Rettungsdienst sowie Katastrophen-<br />
und Zivilschutzbehörden<br />
und mit ihnen kooperierende<br />
Hilfsorganisationen haben Zugriff<br />
auf die Daten des Notfallregisters.<br />
Jede Abfrage wird zudem protokolliert.<br />
Das Notfallregister wurde im<br />
Oktober 2022 gestartet. Träger ist<br />
der gleichnamige eingetragene<br />
Verein mit Sitz in Potsdam, der das<br />
Projekt bislang mit Spendengeldern<br />
und Zuwendungen finanziert.<br />
Mittlerweile haben sich etwa 1700<br />
Einzelpersonen und 85 abfrageberechtigte<br />
Institutionen in das<br />
Register aufnehmen lassen. <br />
Barbara Goldberg<br />
Information<br />
Im Notfallregister kann man sich<br />
registrieren lassen. Dort sind zwei<br />
unterschiedliche Fragebögen zur<br />
Datenerhebung sowohl für Einzelpersonen<br />
als auch für pflegerische<br />
oder medizinische Einrichtungen<br />
zum Ausfüllen hinterlegt.<br />
www.notfallregister.eu/<br />
datenerfassung<br />
Alle eingegebenen Daten werden<br />
mit entsprechender Verschlüsselung<br />
auf in Deutschland<br />
befindlichen Servern gespeichert<br />
und können nur von Zugangsberechtigten<br />
eingesehen<br />
werden. Anfragen per E-Mail an:<br />
post@notfallregister.eu<br />
Hotline zum ärztlichen<br />
Bereitschaftsdienst<br />
Nur rund ein Drittel der Deutschen<br />
kennt die Rufnummer 116 117 des<br />
ärztlichen Bereitschaftsdienstes.<br />
Dies hat eine Umfrage im Auftrag<br />
des Allgemeinen Automobil-Clubs<br />
Deutschland (ADAC) ergeben.<br />
Sind die Arztpraxen geschlossen,<br />
wissen viele Patientinnen und<br />
Patienten bei aktuen Beschwerden<br />
nicht, wohin sie sich wenden<br />
können. Für solche Fälle wurde<br />
die bundesweit geltende Rufnummer<br />
116 117 eingerichtet: Wer sich<br />
krank fühlt, schildert am Telefon<br />
die Beschwerden, und erhält umgehend<br />
einen Rat von geschulten<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />
was zu tun ist. Dies soll verhindern,<br />
dass zu viele Menschen<br />
mit Bagatellerkrankungen in die<br />
Notaufnahmen kommen.<br />
Doch wie die Umfrage ergab,<br />
kennen 69 Prozent der Deutschen<br />
diese Rufnummer nicht. Und nur<br />
knapp die Hälfte der Befragten ist<br />
mit dem Service zufrieden. Die<br />
Wartezeiten in der Hotline und in<br />
den Bereitschaftspraxen seien zu<br />
lang, so der ADAC. Zudem müssten<br />
Patientinnen und Patienten<br />
außerhalb von Städten oft weite<br />
Wege zurücklegen.<br />
Die repräsentative Umfrage erfolgte<br />
durch das Marktforschungsinstitut<br />
„Komma“ im Auftrag des<br />
ADAC in zwei Stufen. Zuerst wurden<br />
1015 Personen ab 18 Jahren<br />
online befragt. In einem zweiten<br />
Schritt äußerten sich 2000 Personen,<br />
die eine ärztliche Bereitschaftspraxis<br />
aufgesucht hatten. ken<br />
Notrufsäulen haben keineswegs ausgedient<br />
Die orangefarbenen Geräte werden zwar seltener, aber immer noch zehntausendfach genutzt<br />
Als es noch keine Handys gab,<br />
haben Notruf säulen, die meistens<br />
am Randstreifen von Autobahnen<br />
aufgestellt sind, bei Unfällen für<br />
schnelle Hilfe gesorgt. Doch selbst<br />
im heutigen Smartphone-Zeitalter<br />
erfüllen die orangefarbenen Geräte<br />
noch immer – wenn auch<br />
seltener – ihren Zweck.<br />
Die Nutzung der auffälligen Säulen<br />
mit dem Telefonsymbol und<br />
dem Schriftzug „SOS“ ist in den<br />
vergangenen Jahren stetig zurückgegangen.<br />
Schließlich hat fast jede<br />
und jeder inzwischen ein Handy<br />
dabei. Dennoch: Laut dem Gesamtverband<br />
der Versicherer, der<br />
im Auftrag der Autobahn GmbH<br />
die Notrufsäulen an den Autobahnen<br />
betreibt, gab es 2018 noch<br />
52 000 und 2021 immerhin noch<br />
33 500 Anrufe. Und für diese<br />
33 500 Menschen war es offensichtlich<br />
wichtig, dass es die Möglichkeit<br />
gab, über eine Notrufsäule<br />
Hilfe zu holen.<br />
Letztendlich kann man auch als<br />
Besitzerin oder Besitzer eines<br />
Smartphones in Situationen geraten,<br />
in denen eine Alternative notwendig<br />
ist, zum Beispiel wenn der<br />
Akku des Geräts gerade leer ist,<br />
wenn es vor Ort keinen Mobilfunkempfang<br />
gibt oder wenn das Handy<br />
verloren, gestohlen oder zu Hause<br />
vergessen wurde. Hier haben die<br />
Notrufsäulen klare Vorteile: Mit<br />
Funklöchern oder mangelnder<br />
Energie haben sie keine Probleme.<br />
Sie stehen zuverlässig und betriebsbereit<br />
an Ort und Stelle – an Autobahnen<br />
in regelmäßigen Abständen<br />
von etwa zwei Kilometern in<br />
beiden Fahrtrichtungen.<br />
Für Reisende aus dem Ausland,<br />
die vielleicht die europäische Notrufnummer<br />
112 nicht kennen, können<br />
die Geräte ebenfalls nützlich<br />
sein. Denn die in der Hamburger<br />
Notrufzentrale eingehenden Anrufe<br />
können nicht nur rund um die<br />
Uhr, sondern auch in zahlreichen<br />
Fremdsprachen – zum Teil durch<br />
Muttersprachlerinnen und Muttersprachler<br />
– abgewickelt werden.<br />
Rund 17 000 Notrufsäulen sind<br />
nach wie vor im Einsatz. Auch<br />
zahlreiche Rastplätze sind damit<br />
ausgestattet. In welcher Richtung<br />
das nächste Gerät zu finden ist,<br />
zeigen kleine Pfeile auf den Leitpfosten.<br />
Die maximale Entfernung<br />
beträgt etwa 1000 Meter.<br />
Sprechklappe oder Tasten<br />
Die Notrufsäulen gibt es in zwei<br />
verschiedenen Ausführungen. Ältere<br />
Modelle verfügen über eine<br />
sogenannte Sprechklappe. Um eine<br />
Die orangefarbenen Notrufsäulen sind in der Regel gut sichtbar entlang<br />
den Autobahnen aufgestellt. <br />
Foto: picture alliance/Rupert Oberhäuser<br />
Verbindung zur Notrufzentrale<br />
herzustellen, muss diese angehoben<br />
werden. Die neueren Säulen<br />
besitzen zwei Tasten: eine rote für<br />
Unfallnotrufe und eine gelbe für<br />
den Pannenfall. Bei Bedarf werden<br />
Pannenhilfsorganisationen informiert.<br />
Unfallmeldungen werden<br />
sofort an die Polizei weitergeleitet<br />
und von dort gegebenenfalls Rettungskräfte<br />
alarmiert.<br />
Seit April 2018 wird das Notrufnetz<br />
durch den EU-weiten eCall<br />
ergänzt, der für alle neuen Kfz-<br />
Typen innerhalb der EU Pflicht ist.<br />
Für alle älteren Fahrzeuge bieten<br />
die Autoversicherer ein nachrüstbares<br />
Notrufsystem an: den Unfallmeldedienst.<br />
Dieser besteht aus<br />
einem Stecker für die 12-V-<br />
Steckdose des Fahrzeugs und einer<br />
App für das Smartphone. Erkennt<br />
der Unfallmeldestecker einen<br />
schweren Crash, wird automatisch<br />
die Notrufzentrale der Autoversicherer<br />
alarmiert.<br />
Darüber hinaus gibt es den 2019<br />
gestarteten Notruf AML (Advanced<br />
Mobile Location). Wird der<br />
Notruf gewählt, so aktiviert das<br />
Handy automatisch WLAN und<br />
Satellitennavigation, auch wenn<br />
das zuvor deaktiviert war. Die Daten<br />
werden per SMS übermittelt,<br />
sodass keine aktive Internetverbindung<br />
notwendig ist. Auch videobasierte<br />
Notrufe sind in Deutschland<br />
bereits im Einsatz. Zudem<br />
wird an der Entwicklung von<br />
barrierefreien Notrufsäulen gearbeitet.<br />
Mirko Besch