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Aufbruch - SüdwestdeutschesKammerorchester Pforzheim

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Ludwig van Beethoven<br />

Sinfonie Nr. 2 D-Dur Op. 36<br />

Zum Finale dieser Konzertsaison erklingt schließlich –<br />

wie es nun gute Tradition geworden ist in unseren<br />

Abonnementkonzerten – eine Sinfonie von Ludwig van<br />

Beethoven. Die Zweite ist es diesmal, ein Werk, das im<br />

Laufe der Jahrhunderte eine durchaus immer wieder<br />

gegensätzliche Bewertung erfahren hat. Beethovens<br />

Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolger fanden in<br />

dieser 2. Sinfonie vor allem viel Bizarres, zum Teil sogar<br />

„Monströses“. Andererseits wurde auch erkannt, dass<br />

Beethoven mit der 2. Sinfonie etwas Besonderes geschaffen<br />

hatte. So schreibt Friedrich Rochlitz in der<br />

Allgemeinen Musikalischen Zeitung im Jahr 1804 über<br />

die 2. Sinfonie: „Sie ist ein merkwürdiges, kolossales<br />

Werk, von einer Tiefe, Kraft und Kunstgelehrsamkeit,<br />

wie sehr wenige —; von einer Schwierigkeit in Absicht<br />

auf Ausführung, sowol durch den Komponisten, als<br />

durch ein grosses Orchester (das sie freylich verlangt),<br />

wie ganz gewiss keine von allen jemals bekannt gemachten<br />

Sinfonien. Sie will, selbst von dem geschicktesten<br />

Orchester wieder und immer wieder gespielt<br />

seyn, bis sich die bewundernswürdige Summe origineller<br />

und zuweilen höchstseltsam gruppirter Ideen enge<br />

genug verbindet, abrundet, und nun als grosse Einheit<br />

hervorgehet, wie sie dem Geiste des Komponisten vorgeschwebt<br />

hat: sie will aber auch wieder und immer<br />

wieder gehört seyn, ehe der Zuhörer, selbst der gebildete,<br />

im Stande ist, das Einzelne im Ganzen und das<br />

Ganze im Einzelnen überall zu verfolgen...“ Und acht<br />

Jahre später steht in der gleichen Allgemeinen Musikalischen<br />

Zeitung zu lesen als Reaktion auf die wiederholten<br />

Betonungen des Grotesk-Bizarren in dieser Sinfonie:<br />

„Warum wollen wir denn von dem Komponisten<br />

[…], dass er nur an den hergebrachten Formen hänge,<br />

nur immer dem Ohre schmeichle, nie uns erschüttere<br />

und über das Gewohnte, wenn auch etwas gewaltsam,<br />

erhebe?“<br />

Ganz im Gegenteil zu den damaligen Reaktionen erfuhr<br />

die 2. Sinfonie in unseren Tagen immer wieder eine<br />

gewisse Geringschätzung – sie sei zu leichtfüßig, zu<br />

fröhlich, lasse das Beethovensche Pathos vermissen und<br />

habe überhaupt nichts von dem „echten“ Beethoven,<br />

sondern gemahne deutlich an die Sinfonien der Vorläufer<br />

Haydn und Mozart – kurz: Die 2. Sinfonie wurde<br />

im Laufe ihrer Rezeptionsgeschichte quasi von der<br />

folgenden (dramatischen) „Eroica“ erschlagen. Einzig<br />

durch die immer neuen Fragen nach der Einordnung<br />

der 2. Sinfonie in die Biographie Beethovens konnte<br />

diese Sinfonie auch in unseren Tagen punkten. Immerhin<br />

entstand sie 1802, also zu einer Zeit, da Beethoven<br />

bereits gewärtigte, dass sein Hörvermögen drastisch<br />

abnahm und in der er – nach einem gesundheitlich<br />

eigentlich positiven Kur-Sommer in Heiligenstadt – sein<br />

berühmtes Heiligenstädter Testament verfasste, in<br />

dem er seine Verzweiflung über seine zunehmende<br />

Taubheit und die damit verbundene soziale Vereinsamung<br />

zum Ausdruck brachte. Nun wird gerne erörtert,<br />

ob Beethoven seine „heitere“ Sinfonie trotz seiner<br />

Verfassung, wegen seiner Verfassung oder ganz unabhängig<br />

davon so komponiert hatte wie sie eben<br />

komponiert ist.<br />

Letztlich sind solche Fragen müßig. Ergiebiger ist es<br />

sicher, einmal genauer hinzusehen: Zum einen fällt<br />

auf, dass sich Beethoven in seiner 2. Sinfonie viele<br />

klangliche Besonderheiten erlaubt, welche die Sinfonie<br />

immer wieder in die Nähe dramatischer Opernkomposition<br />

stellt. Dann lassen sich – allem Misstrauen zum<br />

Trotz – doch etliche Details finden, derentwegen der<br />

Sinfonie das Prädikat „besondere Größe“ unbedingt<br />

gebührt. Da ist die sehr ausgefeilte und kontrastreiche<br />

langsame Einleitung, dann im weiteren Verlauf des<br />

Kopfsatzes die Genialität, mit der Beethoven mit<br />

scheinbar schlichter Dreiklangsmelodik und einigen<br />

abrupten Wendungen dennoch nicht nur wahre Formkunststücke,<br />

sondern auch inhaltlich größte Spannung<br />

erzeugt. Die Romanze kommt als überaus lyrischer<br />

Gesang daher, kann aber im Weiteren ebenfalls<br />

dramatisch werden. Mit einem wahrhaft „knackigen“<br />

Scherzo und einem sehr virtuosen Finalsatz, der seine<br />

thematische Kraft aus einem großen Sprung und einer<br />

Trillerfigur schöpft, verblüfft Beethoven seine Zeitgenossen<br />

– und auch uns, wenn wir aufmerksam hinhören!<br />

Der wirbelige Schluss dieser Sinfonie bildet<br />

jedenfalls ein schwungvolles Ende einer großen<br />

Konzertsaison und weckt bereits Vorfreude auf<br />

die nächste Saison!<br />

Ruth M. Seiler

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