PN Juli 2023

Diese Lesung hat mir wieder gezeigt, wie emotional und politisch das
Thema Familienplanung nach wie vor ist und wie viel gesellschaftlicher
Druck in alle Richtungen besteht. Frauen sollen Haushalt, Kindererziehung,
Beruf, Privatleben und die Pflege von Familienangehörigen
unter einen Hut bekommen und dabei noch so gut aussehen und
strahlen, wie es ihnen in den sozialen Medien von prominenten Vorbildern
präsentiert wird. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass auch
von Vätern (wenn auch in viel geringerem Maße) immer mehr erwartet
wird. Auch sie sollen sich mehr Zeit für die Kindererziehung nehmen,
ohne beruflich kürzer zu treten. Deshalb kann meiner Meinung
nach nur die gerechte Teilung der Sorgearbeit und gegenseitige Unterstützung
im Arbeitsalltag eine langfristig zufriedenstellende Lösung
sein.
Traditionelle, klassische Rollenverteilung und Benachteiligung
von Frauen
Die Statistiken zeigen, dass zwei Drittel der erwerbstätigen Mütter in
Deutschland in Teilzeit arbeiten (bei den erwerbstätigen Vätern sind
das nur 7%). Der Anteil der berufstätigen Mütter ist zwar in den letzten
Jahren kontinuierlich gestiegen, was bedeutet, dass die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf sich verbessert hat. Auch wenn das
Kinderbetreuungsangebot sukzessive ausgebaut und qualitativ verbessert
wird, ist einer der Gründe für die Benachteiligung von Frauen
die immer noch weit verbreitete traditionelle, klassische Rollenverteilung.
Die Begriffe Karrierefrau, Egoismus und Rabenmutter werden
häufig herabwürdigend in einem Satz für arbeitende Mütter verwendet.
Das schlechte Gewissen ist vorprogrammiert. Die liebende Mutter
steckt also zurück und leistet unbezahlte Care-Arbeit. In moderner
Umgebung wird auch das als Schwäche interpretiert, denn eine emanzipierte
Frau macht sich nicht abhängig vom Goodwill des Partners,
sondern verdient ihr eigenes Geld. Wenn sie Glück hat, schließt ihr
Partner diese Rentenlücke oder sie erbt genug Geld, damit sie sich im
Alter keine Sorgen machen muss. Politik muss Rahmenbedingungen
dafür schaffen, dass Eltern keine Nachteile entstehen, wenn sie sich
die Sorgearbeit gleichberechtigt teilen.
Das Private ist politisch
Es geht bei dieser Diskussion nicht nur um die berufliche Karriere
oder Aufstiegschancen in jungen Jahren geht, sondern auch darum,
dass Frauen im Alter entsprechend häufiger von Armut betroffen sind
als Männer, da ihre Rente natürlich niedriger ausfällt, wenn sie nur
in Teilzeit tätig waren oder lange Erwerbspausen in ihrer Biografie
haben und keine Vorsorge getroffen haben.
Welches ist der richtige Weg? Richtig ist das, wofür eine Frau sich
(oder auch in Absprache mit ihrem Partner) bewusst entscheidet.
Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen von Familie und
sollten diese mit den Partnerinnen bzw. Partnern ausleben dürfen,
ohne dass ihr Lebensmodell von anderen verunglimpft wird. Für mich
ist nur wichtig, dass Frauen frei und selbstbestimmt agieren und nicht
nur Erwartungen erfüllen oder Zwänge über sich ergehen lassen, wie
es z. B. passiert, wenn sie um ihren 30. Geburtstag herum auf „tickende
Uhren“ hingewiesen werden.
Deshalb ist für mich das Fazit dieser Lesung die Erkenntnis, unterschiedliche
Lebensmodelle gleichermaßen wertzuschätzen und einander
auf Augenhöhe zu begegnen, unabhängig davon, wie Menschen
Familie und Muttersein definieren.
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